TEN r {I STR TEN ngpgn. i \ 4 Yo EZ WRTEE N urit WB" 5 " i Mae . ler AA LEE N vn ie gi er Hana tree Tate en euay se & ur se FÜ >» band TE OR en WERNER af Br I Archiv für Mikroskopische Anatomie herausgegeben von O. Hertwig in Berlin, v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Dreiundvierzigster Band. Mit 42 Tafeln und 7 Holzschnitten Bonn Verlag von Friedrich Cohen 1894. N 1} A: u IE ee j u, j ui An z near sch iyinpäri 4 ® 5 Map nt Yeyıah de ro 6 Der ilgonz nf geerbt WM “2 Mid a ao ae 2% a . = y : Apr e. en. et AT ver er r A Kt ie 2 ns ar ». na Inhalt: Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. Von Prof. G. Born. (Aus der entwicklungsgeschichtlichen Abtheilung des anatomischen Institutes zu Breslau.) Hierzu Tafel I-IV. Die Weigert’sche Fibrinfärbungsmethode und das Studium des Oberhautpigments. Von Dr. S. Ehrmann, Privatdocent a. d. k. k. Universität zu Wien Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. II. Theil: Ursprung der Nerven der Medulla oblongata. Von Dr. F. Brandis (Friedrichsberg, Hamburg). Hierzu Tafel V . Die Hornzähne der Cyclostomen nach Untersuchungen an Myxine glutinosa, Petromyzon fluviatilis und marinus. Von Dr. Mar- tin Jacoby. (Aus dem II. anatomischen Institut zu Berlin.) EierzusTatelaVope Run. el a: Die Fibrillen der Hornzellen der Haare und die Beziehungen der Pigmentkörperchen zu denselben. Von W. v. Nathu- sius, Halle. Hierzu Tafel VII . Zur Kenntniss der Reifung des pathenogenetisch sich entwickeln- den Eies von Artemia salina.. Von Dr. August Brauer. (Aus dem zoologischen Institut in Marburg.) Hierzu Tafel VIIU—XI. Beitrag zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Her- zens. Von Joh. Dogiel, Kasan. Hierzu Tafel XII und XIII und 3 Textfiguren Ueber Leimbildung aus Marksubstanz. Von W. v. Nathusius, Halle BAG 5: Ueber die Speeifität der Zelltheilung. Von Dr. David Hanse- mann, Privatdocenten und Assistenten am pathologischen Institut zu Berlin. Hierzu Tafel XIV Beitrag zur Histologie der secundären Degeneration. Zugleich ein Beitrag zur Rückenmarksanatomie. Von Dr. Karl Schaf- fer, Dozent. (Aus dem histologischen Laboratorium der psychiatrischen und Nervenklinik zu Budapest.) Hierzu Tafel XV Seite 96 148 244 RD [oX Io} IV Inhalt. Ueber den feineren Bau der Gelenke. Erste Hälfte. Abth. I: Die Gelenkmembran. Von Dr. med. J. Aug. Hammar in Upsala. Hierzu Tafel XVI, XVII, XVII a)... Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. Von Dr. Peter. (Aus dem II. anatomischen Institut zu Berlin.) Hierzu Tatel XIX, XX, XXI und 1 Holzschnitt . 3 Zellstudien. Von Dr. Friedrich Reinke, Privatdocent und Prosektor am anatomischen Institut in Rostock. (Aus dem anatomischen Institut zu Rostock.) Hierzu Tafel NXII—XXIV und eine Textfigur Neue Untersuchungen über die Centralkörper und ihre Beziehun- gen zum Kern- und Zellenprotoplasma. Von Dr. med. Martin Heidenhain, Prosektor am Institute für vergleichende Anatomie, Embryologie und Histologie zu Würzburg. Hierzu Tafel XXV—XXXI. Ueber generative und embryonale Mitosen, sowie über patholo- gische Kerntheilungsbilder. Von Dr. Valentin Häcker, Privatdozent und Assistent am zoologischen Institut der Uni- versität Freiburg i. Br. Hierzu Tafel XXXII und 2 Figuren im Text ee RT RE ER OE EN Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. II. Theil: Das Klein- hirn. Von Dr. F. Brandis (Friedrichsberg, Hamburg). Hierzu Tafel XNXXIII ee Een 1 RE Ueber den feineren Bau der Gelenke. Abth. II: Der Gelenk- knorpel. Von Dr. J. Aug. Hammar in Upsala. Hierzu Tafel XXXIV und XXXV. Das leitende Element in den Muskelfasern von Ascaris. Von Professor Dr. Stefan Apäthy in Kolozsvär. Hierzu Tafel XXXVI 5 ÖOntogenetische Differenzirung des Ektoderms in Neecturus. I. Studie. Von Julia B. Platt. Hierzu Tafel XXXVII—XLII Seite 317 423 813 886 911 (Aus der entwieklungsgeschichtlichen Abtheilung des anatomischen Institutes zu Breslau.) Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. Von Prof. & Born. Hierzu Tafel I—IV. Als ich im vorigen Jahre bei Gelegenheit emer Experimen- talarbeit (10) genöthigt war, die Reifung der Amphibieneier zu untersuchen, fesselten mich die eigenthümlichen Bilder, die ich von der Structur der Keimbläschen im Ovarialei von Triton tae- niatus erhielt, in dem Maasse, dass ich beschloss, zunächst diese Dinge genauer zu verfolgen. Ehe noch meime Untersuchung abgeschlossen war, lag mir schon die Arbeit von Rückert (9) vor, welehe über ganz ähnliche Strukturen im Keimbläschen des Ovarialeies von Selachiern berichtete; Rückert war zu un- gefähr denselben Anschauungen über die Bedeutung der Bilder wie ich gelangt. Die Bearbeitung des Themas zog sich aber über längere Zeit hin, als ich vorausgesetzt hatte; es lag dies daran, dass ich senöthigt war, neues Material nach vervollkommneten Methoden einzulegen und zu mikrotomiren. Die Fülle des Stoffes, der Reich- thum der Bilder erwies sich bald so gross, dass ich gezwungen war mich für's Erste auf eine Art, auf Triton taeniatus, zu beschränken. Ich hoffe aber bald eine ausführliche Mittheilung über die gleichen Verhältnisse bei den Anuren, über die schon ein ansehnliches Material fertig vorliegt, veröffentlichen zu können. Nach dem Erscheinen der R. Fiek'schen Arbeit (12) erscheint mir eine ausführliche Darlegung der Reifungserscheinungen wäh- rend des extraovariellen Lebens des Eies von Triton nicht so dringlich. Die nöthigsten Angaben darüber habe ich schon im Anatom. Anzeiger (10) gemacht, Näheres wird später folgen. Herr eand. med. S. Lachmann hat mich durch Anfer- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 1 ND G. Born: tigung einer grossen Zahl von Serien bei dieser Arbeit auf das Ausgiebigste unterstützt. Der folgende Aufsatz gliedert sich in 4 Theile: 1) Material und Methoden. 2) Darstellung der Beobachtungen. 3) Uebersicht und Besprechung der Literatur. 4) Zusammenfassung und Erörterung der Ergebnisse. 1. Material und Methoden. Ueber die Beschaffung des Materials habe ich schon ım Anatom. Anzeiger (10) Einiges mitgetheilt. Da die Brunstzeit von Triton taeniatus vom April bis zum Juni dauert, so ist es nicht schwer, sich Ovarial-Eier aller Stadien, auch die letzten kurz vor dem Platzen der Follikel in reichlicher Menge zu be- schaffen. Wenn ich in der Mittheilung im Anatom. Anzeiger pg- 778 sagte, dass die Reifung der Eier „vom April bis Juni continuirlich erfolgt“, so muss ich diesen Ausdruck hier insofern präeisiren, als man nicht darauf rechnen kann, während dieser Periode an jedem Tage — auch bei frisch gefangenen Weibehen — die Endstadien im Ovarium zu finden. Wie ich unten pg. 29 noch einmal hervorgehoben habe, geht die Endreifung der Ova- rialeier schubweise vor sich, so dass man an manchen Tagen Endstadien nur äusserst spärlich, an anderen sehr reichlich antrifft. Es scheint mir, dass die Endreifung des Ovarialeies durch warme Witterung begünstigt wird. Dieselbe Regel, die ich für das Aufsuchen der Tubeneier angegeben habe, gilt auch für das Aufsuchen der Endstadien der Ovarialeier; man muss die Weibchen an demselben Tage, mög- lichst kurze Zeit nachdem sie gefangen sind, tödten und eröffnen. Wartet man nur 24 Stunden, so wird man die Endstadien der Ovarialentwicklung nur sehr vereinzelt finden, bei noch länger gefangen gehaltenen Thieren fehlen sie ganz. Diese Endstadien der Ovarialentwicklung sind dadurch charakterisirt, dass das Keimbläschen dieht unter die Oberfläche des dunklen Poles gerückt ist, wie dies für das Anurenei zuerst von 0. Hertwig nachgewiesen wurde !); man erkennt das ober- 1) 0. Hertwig, Beiträge zur Kenntniss der Bildung, Befruch- tung und Theilung des thierischen Eies, 2. Theil, Morpholog. Jahrb., Bd. III, S. 40 u. ff. Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 3 flächliche Keimbläschen leicht als einen grossen, wasserhellen, kreis- runden Fleck. Es finden sich alle Uebergänge von solchen Eiern, bei denen das Keimbläschen eben durehschimmert, bis zu solchen, bei denen es ganz unbedeekt an der Oberfläche zu liegen scheint. Auf das Genauere werde ich weiter unten noch zurückkommen. Neben diesen ganz grossen Eiern mit äusserlich sichtbarem Keimbläschen, die immer nur in geringer Zahl angetroffen werden, findet man num alle möglichen mittleren und kleineren Formen bis zu den Ureiern hinab. So lange die Dotterablagerung noch nicht weit vorgeschritten ist, sehen die Eier im frischen Zustande durehsichtig aus, mit dem Fortschreiten der Dotterablagerung werden sie undurehsichtig und weiss, dann tritt allmählich die charakteristische Pigmentirung auf. Das Verhältniss zwischen grossen, mittleren und kleinsten Formen ist ein sehr wechselndes, auch bei T'hieren, die an ein und demselben Tage gefangen und getödtet wurden. 3ei der 5 Monate umfassenden Laichzeit von Triton taeniatus, innerhalb der die Reifung der Eier in immer neuen Schüben erfolgt, konnte ich sicher darauf rechnen, alle wünschenswerthen Stadien der ovariellen Entwicklung aufzufinden. Als Massstab der Entwick- lungshöhe habe ich die Grösse der (gehärteten) Eier benützt, aber- auch den Dottergehalt und die Lage des Keimbläschens zu Hülfe gezogen. Die Umbildung der Struktur des Keimbläschens, die mich hauptsächlich interessirte, geht der Grössenzunahme des Eies im Grossen und Ganzen parallel. Ebenso zeigen sich im Grossen und Ganzen bestimmte Beziehungen der Dotterablagerung zu den Strukturverhältnissen des Keimbläschens. Ein strenger Paralle- lismus dieser verschiedenen Processe findet aber, wie ich im Texte mehrfach auszuführen habe, durchaus nicht statt. . Es gibt noch zwei, vielleicht sogar sicherere Wege, sich eine continuirlich aufsteigende Serie von Ovarialeiern zu verschaffen. Der eine ist der, dass man Thiere vom Larvenstadium an bis zum Eintritt der ersten Geschlechtsreife sammelt. Das möchte aber sehr schwierig auszuführen sein. Leichter ist der zweite Weg, dass man nämlich Tritonen vom Ende einer Brunstperiode bis zum Beginn der nächstjährigen einlegt. Diesen letzteren Weg habe ich jetzt betreten. Da es abernoch beinahe ein Jahr dauern wird, ehe ich dieses Material zusammen habe und ieh nicht ganz sicher bin, ob mir die vollständige Beschaffung desselben gelingt, so 4 G. Born: halte ich es für richtig, meine bisherigen Resultate in extenso zu veröffentlichen. Jedenfalls muss man bei dem zweiten Wege mög- lichst vermeiden lange gefangen gehaltene Thiere zu verwenden; im Winter frisch ausgegrabene Tritonen zu bekommen ist aber nicht leicht. Es ist durchaus nöthig, den Ovarialsack unter physiologi- scher Kochsalzlösung seiner ganzen Länge nach zu eröffnen und vor dem Einlegen in die Konservirungsflüssigkeit in möglichst kleine Stücke zu zerschneiden. Unterlässt man dies, so pressen sich die Eier in dem härtenden Reagens an einander und man erhält sehr erhebliche Detormationen. Auch ist die Einwirkung der Härtungsflüssigkeit dann keine ganz gleichmässige. Als Härtungsflüssigkeiten habe ich im Anfang die von Flem- ming angegebene und von Od. Schultze für die Amphibieneier empfohlene Chromessigsäure, ausserdem auch Chromessigsäure- Sublimat angewendet. Diese Reagentien geben bei den grös- seren Eiern bis zu 0,5 mm Durchmesser herab ganz gute Re- sultate und lassen die Chromatinfadenstränge im Keimbläschen, wie ich sie beschrieben habe, nach Hämatoxylinfärbung sehr deut- lich erkennen. Für die kleineren Eier aber haben sie mich irre " geführt. Es tritt in ihnen eine Schrumpfung des ganzen Keim- bläscheninhalts ein, wobei sich derselbe von der Keimbläschen- wand häufig zurückzieht. Nach der Färbung erscheint dann der ganze Keimbläscheninhalt wie von einem dicht verfilzten, körnigen Chromatinnetz durchzogen, das bei den kleinsten Eiern, die sich direet an die Ureier anschliessen, aus groben, klumpigen Strängen zusammengesetzt erscheint. In Bezug auf diese Bilder habe ich meine Mittheilung im Anatom. Anzeiger (10, pg. 776), wie sich aus dem Folgenden ergeben wird, ganz erheblich zu modifiziren. Anmerkung. Bald nach dem Erscheinen meiner Mittheilung im Anat. Anzeiger erhielt ich von Herrn Collegen RablinPrag ein Präparat mit der kurzen Bemerkung, dasselbe würde mich wohl interessiren. Es war ein Schnitt durch eine Tritonlarve, derin den Kernen der Ureier des Övariums sehr schöne regelmässige Chromatinfadenknäuel zeigte. In- zwischen war ich selbst schon mittelst der besseren, unten angeführten Methode zur Einsicht in die wahre Beschaffenheit des Chromatingerüsts der jüngsten Ovarialeier gelangt und konnte dem Prager Collegen so- gleich ein diesbezügliches Präparat einsenden. Schon im vorigen Sommer war ich zum Schluss, wie auch aus der vorläufigen Mittheilung zu ersehen ist, auf eine Methode Die Struktur des Keimbläschens im ÖOvarialei von Triton taeniatus. 5 gekommen, die für die Ovarialeier im Allgemeinen, speciell aber für die jüngsten Formen ungleich bessere Resultate gab als die zuerst angewendeten Reagentien. Sie bestand darin, dass ich die Ovarialstücke in heisse !/, °/, wässrige Chromsäurelösung brachte. Die Temperatur der Lösung betrug beim Einlegen ungefähr 80-90°C. In derselben blieben die Stücke 2 Tage liegen, natürlich war die Lösung auch in zugedeckten Gläsern bald bis zur Zimmertem- peratur abgekühlt; die Nachhärtung geschah also in !/,°/, Chrom- säurelösung von gewöhnlicher Temperatur. Dann wurden die Stücke 2 Tage lang in einem dem Zimmermann'schen nachge- bildeten Apparate in fliessendem Wasser gespült, in allmählich steigendem Alcohol gehärtet und in 80 ®/,igem Spiritus aufbewahrt. In der Hitze gerinnt das Ei momentan durch und durch; darauf beruht es wohl, dass die nachfolgende Chromsäurewir- kung nicht solche Schrumpfungen in den wasserreichsten und zartesten Binnentheilen der Eier, namentlich im Keimbläschen, setzt, wie die kalten Reagentien, welche zuerst die Oberfläche des Eies fest gerinnen lassen und dann erst allmählich in die Tiefe durchdringen. Auch bei den grösseren Eiern war der Un- terschied zwischen der Wirkung der kalten und der warmen Chromsäurelösungen sehr in die Augen fallend, obgleich bei diesen, wie oben erwähnt, die kalten Lösungen auf die feinere Struktur des Keimbläschens nicht so deletär wirken, wie bei den Eiern unter 500 u Durchmesser. Die Gründe dafür werden sieh aus der Schilderung der verschiedenen Strukturformen von selbst er- geben. Das kolossale Keimbläschen der grossen Eier schrumpft übrigens auch in der heissen Chromsäure mitunter ein wenig, so dass zwischen ihm und dem Dotter an einer oder auch an zwei Seiten ein mit einem Gerinnsel gefüllter Raum liegt. Auf das Bindegewebe des Ovariums wirkt die heisse dünne Chromsäurelösung natürlich ungünstig ein; dies bedeutet aber für unseren speciellen Zweck keinen erheblichen Schaden, in ge- wisser Beziehung sogar einen Vortheil. Nach dem Spülen ist es nämlich ein Leichtes aus den Ovarialstücken mit einem Pinsel unter Wasser die grössten Eier unbeschädigt auszulesen. Will man eimen längeren Aufenthalt der Ovarialstücke in physiolo- gischer Kochsalzlösung vor dem Einlegen vermeiden, so gelingt es auch jetzt noch sehr leicht, die Eier mit peripherem Keimbläs- chen unter der Lupe zu erkennen und auf diesem Wege zu iso- 6 5° B 01% liren; natürlich zeigt sich das periphere Keimbläschen jetzt nicht als wasserheller, sondern als trübweisslicher, grösserer oder klei- nerer, kreisrunder Fleck auf der Oberfläche des Eies. Ausser dieser Behandlungsweise habe ich auch Ovarialstücke in Sublimateisessig gehärtet. Derselbe giebt für die ersten beiden Sta- dien, die ieh unten zu unterscheiden und zu schildern habe, nament- lich nach der Färbung mit der M. Heidenhain’schen Hämatoxylin- Eisenlack-Methode ganz vorzügliche Bilder der Chromatinstruktur. Ebenso sind in solehen Präparaten die Endstadien (das 5. und 6. meiner Eintheilung), in denen das Chromatin im Keim- bläschen, wie wir unten sehen werden, wieder zu compakten Fäden verdichtet ist, sehr gut erhalten und leicht färbbar. Für die dazwisehen liegenden Stadien aber ist der Sublimateisessig vollkommen unbrauchbar. Man mag färben, wie man will, von dem, was ich unten als Chromatinfadenstränge bezeichnet habe, sind nur Andeutungen zu sehen. Erst die Reduktionsbilder der Chromatinfadenstränge (5. Stadium) sind etwas besser. Osmiumgemische habe ich wenig gebraucht, da ich gleich bei meiner ersten Untersuchung von grossen Eiern ausging und ich bei diesen die Schultze’sche Erfahrung bestätigen musste, dass die Osmiumsäure schwer in die Tiefe dringt. Vielleicht könnte man bei einer protrahirten Einwirkung der Osmiumsäure und ihrer Gemische, wie sie jetzt von vielen (Böhm u. Oppe)) empfohlen wird, Besseres erreichen. Die Schneidbarkeit der reifen Amphibieneier ist bekanntlich eine recht schlechte. Das Gleiche gilt für die Ovarialeier, sobald dieselben reichlicher Dotter enthalten. Von grossem Einfluss ist dabei die Vorbehandlung. Am besten schnitten sich die im Chromessigsäure gehärteten Eier, schon viel leichter bröckeln die mit heisser !/, °/,iger Chromsäure behandelten, am meisten zum Zerfall geneigt sind Sublimatpräparate. Da mich wesentlich das Keimbläschen interessirte, war ein Bruch im Dotter für mich kein Schaden von schwerwiegender Natur. Ich glaube übrigens nicht, dass die genaue Innehaltung der von OÖ. Schultze angege- benen Zeiten, während deren man die Objekte in absolutem Alkohol, Terpentin und Paraffin lassen soll, von entseheidendem Einflusse für die gute Schneidbarkeit der Eier ist. Ich habe Präparate 24 Stunden lang und darüber im Wärmeofen im Pa- raffın gelassen; dieselben schnitten sich grade so gut, ohne zu Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 7 bröckeln, wie andere, die nur 1—2 Stunden im heissen Paraffin geblieben waren. Warum aber manche Chromsäurepräparate sich gut, andere ebenso behandelte sich schlecht schneiden, darüber kann ich keine ganz sichere Auskunft geben. Die grösseren Eier wurden stets einzeln so aufgesetzt, dass die Sehnittebene dureh den dunklen und hellen Pol der Eier hindurchging. Bei den kleineren war das natürlich nicht möglich. Gewöhnlich waren meine Schnitte 10 u diek; von einem guten Objekt erhält man mit Leichtigkeit auch Serien von 5 u Dieke, doch bieten so dünne Schnitte wenigstens für die Struk- turen, die mich hier beschäftigen, durchaus keine Vortheile. Die Schnitte wurden fast ausschliesslich mit dem dicken Strasser’sehen Oollodium-Rieinusöl-Gemisch auf dem Objekt- träger festgeklebt. Will man die Schnitte mit Wasser oder dünnem Alkohol auf dem Objektträger fixiren, so muss man sie, nachdem sie lufttrocken geworden sind, doch noch mit einer dünnen Collodium-Rieinusölschieht überziehen, da nach den Er- fahrungen von M. Heidenhain u. A., die ich durchaus be- stätigen kann, Schnitte von Chromsäurepräparaten ohne dieses Hülfsmittel sich mit Wasser oder dünnem Alkohol nicht sicher fixiren lassen. Nach dem Ueberziehen mit Collodium-Rieinusöl ist der Objektträger einen Augenblick bis zum Schmelzen des Paraffins zu erhitzen; nach dem Abkühlen kann man das Präparat, ohne Ablösung der Schnitte befürchten zu müssen, durch Xylol, die Alkohole und Farbstoffe führen. Ich ziehe im Allgemeinen den Unterguss mit Strasser’scher Klebmasse dem Ueberzuge mit derselben vor, wenigstens wenn es sich um Amphibieneier handelt, da auch der weichste Pinsel leicht Dotterkörner über die Umgebung verschmiert. Die Färbung, die der Unterguss oder Ueberzug im Hämatoxylin annimmt, geht bei der Nach- behandlung mit den unten zu besprechenden Auszugsmitteln wieder vollkommen heraus. Als souveraines Färbungsmittel hat sich mir für meine Objekte Böhmer’sches Hämatoxylin erwiesen. Die übrigen Hämatoxylinpräparate (Grenacher’sches alkoholisches Häma- toxylin, Mayer’sches Haemalaun und Haemammon, Ehrlich- sches Hämatoxylin) ergeben für die leichter zu färbenden An- fangs- und Endstadien eben so gute Bilder, tingiren aber die schwierigen Mittelstadien zu schwach. Auch die M. Heiden- 8- G. Born: hain’sche Hämatoxylin-Eisenlackfärbung leistet hier nieht das Gewünschte. Mit Carmin und den verschiedensten Anilinfarben habe ich niehts Erfreuliches erreicht. Was man bei Stückfärbung mit Boraxcarmin, von der ieh nach ©. Schultze’'s Beispiel ausging, sehen kann, habe ich auf pg. 773 meiner ersten Mittheilung angedeutet. Das Böhmer’'sche Hämatoxylin ist nun aber je nach den Stadien, die man vor sich hat, verschieden anzuwenden. In den ersten und in den Endstadien der Ovarialentwicklung findet sich das Chromatin des Keimbläschens in der gewöhnlichen Form, d. h. es erscheint in eompakten, relativ dieken Fäden und Strängen; anders in den Mittelstadien, in denen das Chro- matin des Keimbläschens in äusserst feinen Fäden angeordnet ist; es eoneentrirt sich in diesen, wie wir sehen werden, aus einem beinahe diffus vertheilten Zustande. In diesem Zustande und bei Beginn der Fadenbildung nimmt es den Farbstoff viel schwerer an, als wenn es zu compakteren Massen verdichtet ist. Man kann auf das Deutlichste verfolgen, wie die Tinktionsfähigkeit des Chromatins mit der Verdichtung desselben sich allmählich steigert. Man wird sich darnach bei der Färbung zu richten haben. Die Anfangsstadien wie die Endstadien der Ovarialentwicklung, ebenso übrigens auch Bauchhöhleneier, 'Tubeneier, befruchtete und gefurehte Eier dürfen nur kurze Zeit der Einwirkung des Farbstoffes ausgesetzt werden, wenn man Ueberfärbung vermeiden will. Letztere ist namentlich bei den extraovariellen Stadien, in denen der oder die kleinen Kerne leicht von den stark gefärbten Dotterkörnern verdeckt werden, von Schaden. Nach Chromsäure- vorbehandlung (es ist dabei gleichgültig, ob man heisse !/, 9%, Chromsäure oder Chromessigsäure angewendet hat) zeigt sieh nämlich folgendes, so viel ich weiss, noch nieht bekannte eigen- thümliche Verhalten der Dotterkömer und des Chromatins gegen- über dem Hämatoxylin. Bei kurzer Einwirkung des Farbstoffs (5—15 Minuten) erscheint das Chromatin dunkel gefärbt, die Dotter- körner aber noch gar nieht oder ganz blass. Lässt man dagegen die Präparate stunden- oder gar einen Tag lang in der Häma- toxylinlösung, so werden die Dotterkörner dunkelschwarzblau und behalten diese Farbe, wenn man mit saurem Alkohol oder Eisen- alaun auszieht auch dann noch, wenn jede Spur der Tinktion Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 9 aus den Chromatinstrukturen verschwunden ist. Die mittleren Stadien der,Ovarialentwicklung bedürfen aber grade dieser langen Einwirkung des Farbstoffs, damit ihre Chromatinstruktur sich überhaupt färbt. Hier muss man die starke Färbung der Dotterkörner mit in den Kauf nehmen, dieselbe stört nicht, weil die interessirenden Chromatinstrukturen innerhalb des grossen Keimbläschens in einer ganz hellen Grundsubstanz eingelagert liegen, die den Farbstoff sehr leicht an das Auslösungsmittel abgiebt. Es ergeben sich danach zwei Modificationen der 'Tinetions- methode. 1) Für die Anfangs- und Endstadien der Ovanialeier, für Tuben-, Bauchhöhlen-, Uterus-, befruchtete und gefurchte Eier 5—15 Mi- nuten n Böhmer’sches Hämatoxylin, dann einige Minuten in fliessendes Wasser, darauf ganz kurzes Abspülen entweder in folgender Lösung: Alcohol 70°), 200 Salzsäure guttae 5 — eoneentrirte wässerige Lösung von Orange G. 3 cem, oder m !/,/, Lösung von M. Heidenhain’schem Eisenammonalaun, die bis zur Dunkelgelbfärbung mit Orange G. versetzt ist. Das Abspülen mit Säurealkohol darf nur so lange dauern, bis der Unterguss gerade seine schwache Färbung verloren hat. Aus dem sauren Alkohol werden die Objeetträger so lange in ein Glas mit reinem 70°, Alkohol gestellt, der am Boden eine Schicht Schlemmkreide mit Fliesspapier überdeekt enthält, bis jede Spur der Säure ausge- zogen und neutralisirt ist. Die Weiterbehandlung ist die ge- wöhnliche. Hat man mit Eisenammonalaun ausgezogen, so wird mindestens !/, Stunde (länger schadet nichts) in fliessendem Wasser gespült; darauf folgt die übliche steigende Alkohol- reihe, Xylol und Canadabalsam. Man lernt dies Verfahren sehr leicht so weit ausprobiren, dass die Dotterkörner hellgelb, das Uhromatin der Kerne dagegen tiefblau gefärbt erscheint. Natür- lich kann man als Contrastfarben noch eine ganze Reihe anderer Farbstoffe in Anwendung ziehen. 2) Für die Mittelstadien der Ovarialentwicklung. Die Ob- Jeetträger kommen auf 24 Stunden in Böhmer’sches Hämato- xylin. Für besonders schwierige Stadien ist es sogar empfehlens- werth, das Glas mit dem Farbstoff und den Objeetträgern auf den Paraffinofen zu stellen. Nachdem die Präparate einige Mi- nuten im fliessenden Wasser gestanden haben, erscheinen sie 10 G. Born: vollkommen schwarz, ebenso ist der Unterguss sehr dunkel ge- färbt. Nun muss ausgezogen werden, etwa 1 Minute in dem sauren Alkohol wie oben, oder 5—15 Minuten n 1/,—17/,%/, Eisenammonalaunlösung. Ganz genaue Vorschriften über die Zeit- dauer des Ausziehens lassen sich nieht geben, auf alle Fälle muss der Unterguss farbentrei werden; es ist, wie bei ähnlichem Ver- fahren durchaus nöthig, das Ausziehen unter dem Mikroskop zu überwachen. Man nimmt den Objeetträger aus dem Auslösungs- mittel, spült in Alcohol, resp. Wasser ab und durchmustert das Präparat bei schwacher Vergrösserung. Ist die gewünschte Dif- ferenzirung erreicht, so folgt die Weiterbehandlung wie bei 1. Eine Methode, die Rückert bei den Ovarialeiern der Haifische gute Resultate gegeben hat, habe ichnur wenig versucht, undals diese Versuche nicht sehr ermuthigend ausfielen, habe ich sie ganz bei Seite gelassen. Die Methode besteht darin, das Keimbläschen herauszuprä- pariren, was übrigens bei gehärteten Ampbhibieneiern sehr leicht ist, es zu färben, aufzuhellen und im Ganzen zu untersuchen. Ich gebe sehr gern zu, dass diese Methode für die Beantwortung mancher Fragen, die man mittelst des Schnittserienverfahrens nur schwierig oder unsicher entscheiden kann, Besseres verspricht; doch ist aus ge- wissen Gründen das Amphibienei für das Rückert’sche Verfahren kein sehr günstiges Object. Jedenfalls hätte es sehr langer Zeit bedurft, um eine Methode für das Amphibienei ausfindig zu machen, mittelst derer man von der inneren Structur des ganzen Keim- hläschens so klare Bilder bekommt, wie sie Rückert beim Se- lachierei gesehen hat, und diese Zeit konnte ich nicht mehr auf- wenden, 2. Darstellung der Beobachtungen. EBeStadı um. ‚Ureıer. Ureier finden sich im Ovarialsack ausgewachsener Tritonen mitunter sehr zahlreich zwischen den grösseren Eiern einge- sprengt. Dieselben liegen theils in „Nestern“ zusammen, dann ist das ganze Nest von einer Hülle, die aus platten Follikelzellen besteht, umgeben; theils liegen sie einzeln oder zu zweien, dann zeigen die einzelnen oder paarweise zusammengelagerten Ureier denselben Belag von Follikelzellen, wie die ganzen Nester. Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 11 Die Grösse, bis zu der ein solches Gebilde durch die Beschaffen- heit des Zellleibes und des Kernes als Urei characterisirt ist, reicht bis zu Zellen von etwas über 25 u Durchmesser. Der Kern füllt die Zelle fast ganz aus, sein Durchmesser steigt bis auf 23 u. Am schönsten erhalten fanden sich die Ureier an Sublimat- eisessigpräparaten, die nach M. Heidenhain mit Hämatoxylin- Eisenlack gefärbt waren, doch lassen sie sich auch nach der von mir gewöhnlich benutzten Härtung in heisser !/,°/, Chromsäure und Färbung in Böhmer’schem Hämatoxylin genügend gut beobachten. Nach der Sublimatbehandlung erscheint der schmale Proto- plasmaleib der Zelle ganz heliviolett und leieht kömig. Aehnlich ist sein Aussehen nach der Chromsäurewirkung, nur dass er sich dann um den Kern zusammengezogen hat und nur mit einzelnen ausgezogenen Spitzen die Follikelwand erreicht. An den Sub- limatpräparaten sah ich nach der Heidenhain schen Färbung oft in einer eingetieften Stelle dem Kern dicht anliegend eine spindelförmige Ansammlung feinkörnigen Protoplasmas mit meh- reren dunkel gefärbten Kömern im Innern; — doch will ich auf diese Dinge hier nieht weiter eingehen. Sowohl in den einzelnen wie in den in Nestern zusammenliegen- (den Ureiern fanden sich die Kerne sehr häufig in verschiedenen Sta- dien der Mitose, die ich aber als für meine Zwecke unwesentlich hier nieht näher schildern will. Die „ruhenden* Kerne erscheinen etwas länglieh und sind häufig an einer Längsseite eingebuchtet. Das Innere des Kerns wird von einem sehr dichten, dunkelviolett ge- färbten, ehromatischen Kerngerüst angefüllt; die feineren Fäden desselben erscheinen leicht körnig: dieke und dunkle „Netz- knoten*“ oder „Körner“ sind im dem Netze sehr zahlreich, — na- mentlich bei den Sublimatpräparaten beherrschen sie das Bild. An der Peripherie des Kernes setzt sich das chromatische Kerngerüst direkt in eine ausgezeichnet ausgebildete, durch- brochene chromatische Kernmembran fort. Das die Maschen des Kerngerüstes anfüllende Karyohyalo- plasma, die Kerngrundsubstanz, ist sehr hell. Innerhalb der Maschen des Kerngerüstes, also im Inneren des Kerns, bemerkt man einen oder einige grössere, gleichmässig runde Kermkörperchen, die sich (an Chromsäurepräparaten) etwas 12 6. Born: schwächer wie die Fäden und Knoten des Kermgerüstes färben. Das Ganze bietet weiter nichts, als das typische Bild eines ruhenden Kerns. Ich habe deswegen auf eine besondere Ab- bildung verzichten können. ll. Stadium. Ausbildung eines Chromatinfaden- knäuels und Rückbildung desselben. Eier von 150 u. (Fig. 1 bis 6 — auch 7, Text zu dieser siehe p. 26.) 25 Eine erste Stufe dieses Stadiums umfasst die Eier bis zu einem Durchmesser von etwa 60 u; — der Kerndurchmesser steigt bis zu 35 u (Fig. 1). Diese sehr wichtige Stufe lässt sich kurz charakterisiren als die der Umwandlung des netzförmigen Kern- gerüstes in einen diehten Knäuel grober Chromatinfäden. Im Einzelnen ergibt sich Folgendes: Das Protoplasma der Eizelle nimmt entsprechend der Ver- grösserung des Kernes zu, dasselbe erscheint immer noch fein- körnig, wenn auch merklich gröber gekörnt als bei den jüngsten Eiern. Die Färbung wird an Chromsäurepräparaten dunkler (blassrothviolett); die Consistenz muss erheblich gestiegen sein, denn die Eier sind in denselben Präparaten, in denen die Ureier geschrumpft erschienen, nur ganz wenig oder gar nicht eontrahirt. An Sublimateisessigpräparaten sind die Unterschiede des Proto- plasmaleibes dieser jüngsten Eier im Vergleich zu dem der Ur- eier noch viel ausgeprägter, denn bei dieser Behandlung nimmt (las Protoplasma auch der kleinsten Eier nach der Hämatoxylin- Eisenlackfärbung eine intensiv dunkelblaue Farbe an. Am Kern bemerkt man folgende Veränderungen. Die grob- körnige ehromatische Kernmembran ist verschwunden ; der Durch- schnitt der Kernmembran erscheint jetzt als gleichmässig feine, nur schwach gefärbte Linie. An Stelle des engmaschigen Chromatinnetzwerks oder (serüsts im Kem der Ureier ist das Innere des Kerns von einer Anzahl dieker, grobkörniger,, durcheinander gewundener Chromatinfadenstücke durchzogen (vergl. Fig. 1). Es ist klar, dass dieselben unter Zunahme des Chromatins durch eine Art Coneentration desselben aus den feineren Nebenästen des Netz- werks oder Gerüsts auf die Hauptzüge entstanden sind. Diese Art der Entstehung verräth sich bei den kleineren Eiern erstens Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 13 durch den gekniekten und gebrochenen Verlauf der Fadenstücke, — später ziehen dieselben in sanft geschwungenen Linien; — ferner dureh ihre diehte Lagerung — die gewöhnliche Distanz beträgt nur 2—3 u — und endlich durch die unruhige, gezackte Contour derselben. Es spielt sich also an dem Chromatingerüst der Ureier dieselbe Umwandlung ab, wie am Anfang der Karyo- kinese: die Umwandlung aus einem Netzwerk in einen Knäuel; dass die weiteren eharakteristischen Stufen der Karyokinese aber darauf nicht folgen — höchstens könnte man sagen, es geht der anfänglich diehte Knäuel in einen lockern über — braucht wohl kaum erst erwähnt zu werden. Diese sehr wichtige Um- bildung der Kerne, die offenbar zur specifischen Ausbildung des Eies in Beziehung steht, berechtigt dazu, von diesem Stadium an nieht mehr von Ureiern, sondern von Eiern zu sprechen; es wäre dies ungefähr bei einem mittleren Zelldurchmesser von über 30 u und einem Kerndurchmesser von einigen 20 u. Bei den jüngeren Eiern des Stadiums, die direkt an die Ureier anknüpfen, sitzen die Chromatinfäden sicher an der Mem- bran, bei älteren scheinen sie mir nur sehr dieht an derselben vorbei zu ziehen. Die bekannten Fragen, die sich fast bei jedem Knäuel- stadium stellen: Hängen die Chromatinfäden auch durch Quer- brücken mit einander zusammen, handelt es sich also eigentlich um ein weites Netzwerk mit spärlichen Querbrücken zwischen gleichmässig dieken, durch einander gewundenen Fäden, oder findet an Stellen, wo es den Anschein dafür hat, nur eine Ueber- kreuzung statt, — und weiter: setzt sich der Knäuel aus einem einzigen, der Länge nach continuirlichen Faden oder aus einzelnen, an einander gereihten Fadenstücken zusammen, lassen sich an dem nicht gerade überaus günstigen Objekte nicht mit voller Sicherheit beantworten — übrigens genau so, wie in den meisten derartigen Fällen. Ich möchte annehmen, dass Querverbindungen (im Anschluss an das ursprünglich vorhandene Gerüst) anfänglich vorhanden sind, später aber verloren gehen, und ferner, dass der Chromatinfaden, der den Knäuel zusammensetzt, vorläufig der Länge nach ungetheilt ist. Die Nucleolen sind etwas zahlreicher; man findet in einem eentralen Schnitte von 10 u mitunter doch bis 10; sie nehmen jetzt ihre (für das unreife Amphibienei) charakteristische Stellung 14 G. Born: dieht an der Kernmembran ein. Immerhin sind sie im Vergleich zu späteren Stadien noch sehr spärlich. Die Dimensionen sind ungleich, doch überwiegen, wie die Figuren lehren (im Ver- gleich zu späterhin), kleinere und kleinste Formen. Jeder Nucleolus ist von einem hellen körnehenfreien Hofe umgeben (Sehrumpfungserscheinung ?). Die Grund- oder Zwischensubstanz zwischen den Chro- matinfäden erscheint reiehlicher, dunkler gefärbt und kömiger als bei den Ureiern. Eine besondere Eigenthümlichkeit tritt schon jetzt, wie auch in allen folgenden Stadien (am Präparate aus leicht begreiflichen Gründen deutlicher als in der Zeichnung), hervor. Dieht an den Chromatinfäden ist die Grundsubstanz be- sonders dunkel und körmnig und hellt sich gegen die Mitte des Zwischenraumes zwischen zwei CUhromatinfäden hin mehr und mehr auf. Man bekommt das Bild heraus, wenn man mit Tinte dieke gewundene Linien in entsprechenden Abständen auf Lösch- papier zeichnet. In eine zweite Stufe desselben Stadiums gehören die Eier von etwa 60-90 u mit Kernen von 35—55 u Durchmesser (Fig. 2, 3 und 4). Dieselben sind dadurch gekennzeichnet, dass mit dem Wachsthume des Kernes der dichte, grobfädige Chro- matinknäuel zu einem lockeren, (dünnfädigen umgestaltet wird. Die Beziehung zu dem sehr erheblichen Wachsthume des Kernes ist bei dieser Veränderung sehr leicht zu erkennen. Das Wachsthum der Chromatinfadensubstanz hält offenbar mit der Zunahme des Kerndurehmessers nicht zleiehen Sehritt. Die Kernfäden werden in Folge dessen immer feiner ausgezogen und rücken immer weiter auseinander. Es lohnt wohl den Zeichnungen gegen- über nicht hier absolute Masse anzuführen. Die feineren, dunkel- violetten Chromatinfäden bekommen dabei, wie schon erwähnt, allmählich einen schön geschwungenen, bald mehr welligen, bald mehr gestreekten Verlauf. Die zackigen Ränder, welche sie im Anfang besassen, verschwinden, die Zusammensetzung aus einzel- nen ungleich grossen Mikrosomen aber bleibt immer noch deut- lich. Ansätze an die freie Zellmembran finden sich seltener (wie ebenfalls erwähnt). Die oben geschilderten Färbungs- und Körnungsunterschiede in der Zwischensubstanz zwischen den Chromatinfäden bleiben Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 15 noch deutlich. Die Chromatinfäden sind von einem Saume oder Mantel einer dunkleren und körnigeren Substanz begleitet, die sich gegen die Mitte des Zwischenraumes zwischen zwei Chromatinfäden aufhellt. Die bildliche Darstellung dieser Struktur hat einige Schwierigkeiten. Zeichnet man nämlich nür das, was man in einem optischen Querschnitte sieht, so enthält die Zeichnung natürlich nur sehr kurze Abschnitte der Chromatin- fäden, dagegen erscheinen die Distanzen zwischen den Chromatin- fadenstücken sehr gleichmässig; das ganze Bild hat etwas durch- aus regelmässiges an sich ; jedes Chromatinfadenstück ist wie von einer dunkleren, körnigen Wolke umgeben, die nach aussen allmählich abblasst. So ist Fig. 2 ausgeführt. Gibt man dagegen grössere Abschnitte der Chromatinfäden wieder, wie es bei Ver- folgung durch verschiedene Ebenen mittelst der Mikrometer- schraube möglich ist, so leidet die Regelmässigkeit der Struktur ganz erheblich, so in Fig. 3 und 4. Es muss. also zur Ergänzung der bildlichen Darstellung bemerkt werden, dass die Chromatin- fäden zwar in allen Richtungen des Raumes durcheinander ge- wunden scheinen, dabei aber sehr gleichmässige Abstände von einander innehalten; wo dies nicht der Fall zu sein scheint, wie in Fig. 3 und 4, kommt dieser Anschein daher, dass in ver- schiedenen Ebenen gelegene Fadenstücke in der Zeiehnung in eine Ebene zusammengezogen sind. Inzwischen hat die Zahl und Grösse der peripheren Nu- eleolen stetig zugenommen. Im Eiprotoplasma tritt dieht um den Kern eine besonders körnig fädlige Schicht auf, so dass man mitunter Mühe hat, die feine Kernmembran zu erkennen (vergl. Fig. 3). Die dritte und letzte Stufe dieses Stadiums umfasst die Eier, bei denen die Chromatinfäden immer feiner und allmählich undeutlich werden, bis dieselben schliesslich nur noch bei ange- strengter Aufmerksamkeit zu sehen sind. Es sind dies die Eier von 90—150 u Durchmesser mit einem Kern von 60—90 u. Doch sei ausdrücklich hervorgehohen, dass die Grenze, bei der die Chromatinfäden gänzlich auch in den letzten Spuren verschwun- den sind, wohl noch etwas höher zu setzen ist. Denn noch bei Eiern von 200 u Durchmesser und darüber mit einem Kern von etwa 110 u gelang es mir häufig, feinste Reste der Chromatin- fäden zu erkennen; — es hängt dies übrigens auch sehr merklich 16 G. Born: von der Tinktionsintensität ab, die natürlich nicht bei allen Prä- paraten genau dieselbe sein kann. Dass es sich bei diesem Vorgange nicht allen um ein feines Ausgezogenwerden der Chromatinfäden bei der fortschrei- tenden Vergrösserung des Kernes handeln kann, dafür spricht vor allem, wie wir sehen werden, die Art und Weise, in der das Chromatin später wieder im Keimbläschen auftritt. That- sächlich sieht man bei den Eiern unserer Grösse den Binnenraum des Keimbläschens von äusserst feinen, dunkel violetten, schwach geschwungenen und gebogenen Fäden durchzogen. Die Quer- abstände der Fäden nehmen mit der Feinheit derselben zu. Immer aber erkennt man, dass die Fäden aus etwas ungleichen, aneinandergereihten Mikrosomen bestehen (siehe Fig. 5). Bei Eiern von 150—180 u sind die selbst mit einer guten Immersion nur mehr schwierig wahrnehmbaren Fadenstücke nicht mehr con- tinuirlich, sondern. zeigen sich unregelmässig unterbrochen (vgl. Fig. 6). Schliesslich vermag man nur noch hie und da ein halbzerbröckeltes, allerfeinstes Fadenrestehen zu entdecken. Oben habe ich schon einer ziemlich gleichzeitig mit dem Chromatinfadenknäuel auftretenden Erscheinung in der zwischen dden Fäden gelegenen Schicht gedacht. Dieselbe umhüllt als ein dunkler körniger Mantel die Chromatinfäden und hellt sich gegen (die Mitte des Zwischenraums zwischen zwei Chromatinfäden mehr und mehr auf. Mit der Verfeinerung und der grösseren Ent- fernung der CUhromatinfäden von einander werden die dieselben umhiüllenden, dunkler körnigen Schichten der Grundsubstanz des Kernes heller, aber zugleich breiter; doch bleibt ein Unterschied gegenüber den dazwischen liegenden hellsten Zügen oft sehr deut- lich; die Grundsubstanz des Kernes sieht, wie ich mich gewöhn- lich in den Protokollen ausgedrückt habe, wolkig aus; in der Mitte der dunkleren Wolkenzüge findet man die Reste der feine- ren, dunkelvioletten Chromatinfäden (vgl. Fig. 6). Natürlich hängt die Deutlichkeit des Bildes von vielen Zufälligkeiten, vor allem aber im höchsten Grade von der Intensität der Färbung ab. Das Hervortreten der „Wolken“ beruht vielmehr auf stär- kerer Körnung, als auf stärkerer Färbung; man sieht die Erschei- nung daher am deutlichsten bei recht enger Blende. Im Ganzen hellt sich die Substanz des Kerns mit zunehmender Grösse auf. Ausserdem trifft man innerhalb des Kernes in diesem Stadium, Die Struktur des Keimbläschens im Övarialei von Triton taeniatus. 17 in dem die Chromatinfäden verschwinden, mit zunehmender Häu- tigkeit 1) einzelne eentrale Nucleolen, die an Grösse und Färbung dien peripheren gleichen, 2) helle, vaeuolenartige, gewöhnlich ovoide Räume, in deren Innerem ein körmiger Centralkörper liegt, der sich durch seine blasse Färbung und erhebliche Grösse, sowie auch durch die starke Körnung von den gewöhnlichen Nucleolen (auch von den eentralen) unterscheidet (siehe Fig. 6); — ob es sich nicht doch um gequollene und abgeblasste, von ihrem Hofe umgebene Nucleolen handelt, wage ich nieht zu entscheiden. Die Zahl der peripheren Nueleolen hat nicht bloss absolut sondern auch relativ (zur Kernvergrösserung) sehr erheblieh zu- genommen. Ein Blick auf die Figuren lehrt, dass die Nucleo- len viel zahlreicher sind und viel: häufiger zu zweit und dritt dieht bei einander liegen als vorher. Es überwiegen mittelgrosse und kleinere Formen. Vom Eiprotoplasma sei nur bemerkt, dass sich bei starker Färbung in demselben jetzt ein eigenthümliches, dunkleres Netz- werk bemerklich macht, dessen Bedeutung ich nieht weiter ver- folgt habe. Recapituliren wir kurz bis hierher. Bei der Umbildung der Ureier in Eier (Zellen von 25—60 u Durchmesser) zieht sieh das offenbar an Masse wachsende Chromatin des Kerngerüsts zu einem diehten, grobfadigen Fadenknäuel zusammen, während zugleich die Kernmembran ihre Chromatinkörnung verliert, die Nueleo- len an Zahl und Grösse zunehmen und ihre charakteristische periphere Stellung dieht an der Kernmembran einnehmen. Das Karyoplasma umhüllt die Chromatinfäden des Knäuels mit dunk- len körnigen Zügen — Wolkenbildung. Bei Eiern bis zum Dureh- messer von 90 u werden die Chromatinfäden des Knäuels feiner und rücken weiter auseinander, etwa entsprechend dem Wachs- thume des Kerns. Bei Eiern bis zum Durchmesser von 150 u wer- den die Chromatinfäden noch feiner, diseontinuirlich und verschwin- den schliesslich (bei etwa 200 u Durchm.); die „Wolkenbildung“ im Karyoplasma bleibt, nur dass die dunkler körnigen Züge, die wie Wolken dasselbe durchsetzen, breiter und relativ blässer er- seneinen; die Zahl der Nucleolen hat enorm zugenommen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 2 18 G. Born: [> y- II. Stadium. Eier von 200—5350u Durehmesser. (Fig. 8a und b — auch Fig. 9 und 10, siehe Text p. 26.) 97 Bei Eiern von 200—550 u Durchmesser sind, von den Nuc- leolen abgesehen, im Kern keine distinkt geformten Chromatin- theile mehr vorhanden: es giebt kein ehromatisches Kerngerüst, kein ehromatisches Netzwerk, keinen chromatischen Knäuel mehr. Das Innere des Kerns zeigt sich durchweg von einer äus- serst feinkörnigen Substanz erfüllt, deren Körner die Tinktion nur sehr schwach annehmen. An dünnen Schnitten und bei weiter Blende erscheint die Ausfüllung des Kerminnern mit dieser körnigen Substanz beinahe gleichmässig, an etwas dickeren Schnitten und bei enger Blende bemerkt man deutlich dieselben wolkenartigen, dichteren und dunkleren Züge, die durch schmale Kanäle einer helleren und weniger körmnigen Substanz von einander getrennt sind, wie in den früheren Stadien (vgl. Fig. Sa und Sb). Geht man zu etwas grösseren Eiern, so nimmt der Kernin- halt, ich weiss es kaum anders auszudrücken, anstatt eines kör- nigen ein mehr körnig-fädiges Aussehen an. Namentlich die dunkleren Züge erscheinen wie aus einem ganz dichten Filzwerk oder Netzwerk feinster, körniger, blassvioletter Fäden zusammen- gesetzt. Doch kann man dies durchaus nicht als eine besondere Chromatinstruktur auffassen; dazu sind die Fäden und Körner bislang zu blass und zu fein. Jemand, der ein solches Präparat bei schwacher Vergrösserung sieht, würde den Kerninhalt als chro- matinarm und schwach körnig bezeichnen. Dieses Bild erhält sich, bis die Eier eine Grösse von etwa 350, und das Keimbläschen eine Grösse von 150 u erreicht hat. Dann beginnen Veränderungen, welche auf Ausbildung einer Chromatinfadenstruktur besonderer Art hinzielen, aber erst bei Eiern, die 450—500 u Durchmesser, bei einem Keimbläschen von nahe an 200 u, erreicht haben, wird die neue Struktur einiger- massen scharf. Bei Eiern von 150—350 u Durchmesser erscheint also jede Chromatinfadenstruktur im Kern (90—150 u) verschwunden und der Kern ganz von einer blassen körmnig-fädigen Substanz er- füllt, die nur unter günstigen Bedingungen eine Andeutung von dunkleren Zügen mit helleren Zwischenräumen erkennen lässt. Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 19 Es ist aber natürlich kaum anzunehmen, dass während dieser Periode das Chromatin ganz aus dem Kerne (mit Ausnahme der Nucleolen) verschwunden sei, vielmehr kommt man durch den direkten Eindruck der Bilder zu der Auffassung, dass sich dasselbe nur äusserst fein in der umgebenden Kerngrundsubstanz vertheilt habe. Ich denke mir die Zertheilung in Form einer Art Netzbildung und Aufquellung, wobei die Chromatintheilehen durch eine eindringende farblose Substanz zu einem feinen Netzwerk auseinander gedrängt werden und gleichzeitig dureh Imbibition mit der hellen Substanz quellen und blasser werden. Der Vor- gang beginnt natürlich an der Peripherie der Chromatinfäden, daher erschienen diese wie von dunklen, körnigen Höfen (den Wolken) umzogen, die, während die Chromatinfäden sich mehr und mehr bis zur Unmessbarkeit verschmälern, ihrer- seits breiter und gleiehmässiger werden, bis zwischen den körnigen, breiten Strängen schliesslich nur ein Minimum einer helleren und weniger körnigen Substanz bleibt. Bei dem folgen- den Stadium habe ich ausführlich darzulegen, dass es Eier giebt, die im Stadium II und III ein durchaus anderes Bild bie- ten, als die bisher: geschilderten, ich verweise deshalb auf p. 26. c IV. Stadium. Eier von 350-800u Durchmesser. Bildung der Chromatinfadenstränge. (Fig.?711—23.) Dieses Stadium lässt sich, abgesehen von den Grössenver- hältnissen, als das charakterisiren, bei dem die Ablagerung der Dotterkörner im Protoplasma des Eies beginnt, um allmählich von der Peripherie des Eies aus soweit fortzuschreiten, dass schliesslich die Dotterkörner das Keimbläschen erreichen. Das Keimbläschen verlässt bald seine centrale Stellung und rückt allmählich der Eioberfläche näher. Bei den jüngeren Eiern dieses Stadiums leiten sich die Veränderungen am Keimbläschen in folgender Weise ein: An der Peripherie des Keimbläschens tritt eine körnchen- freie helle Zone auf, in weleher die peripheren Nucleolen liegen (vgl. Fig. 11—14). Die Breite derselben beträgt zuerst 5—6 u. Dieselbe nimmt von jetzt an immerfort zu. Bis auf diese köm- chenfreie Randzone ist das ganze Innere des Kerns von 10— 15 u dieken, ganz nahe bei einander liegenden Strängen ange- 20 Ga.Biotm® füllt, die im allen möglichen Riehtungen durcheinander gewunden sind (vgl. Fig. 11 und 13). Dieselben sind nur durch sehr schmale, helle, körnehen- und fädehenarme Zwischenräume von einander getrennt. Die Stränge bestehen aus äusserst feinen, in allen möglichen Richtungen durch einander gefilzten Chroma- tinfäden. Die Chromatinfäden sind anfänglich sehr fein, blass und unbestimmt contourirt und lassen in ihrem Verlaufe kaum eine bestimmte Richtung erkennen (vgl. Fig. 12 und 14). Diese blassen und verwaschenen CUhromatinfäden haben eine schwach gefärbte Grundsubstanz zwischen sich, die immerhin merklich dunkler ist, als die helleren Streifen zwischen den Strängen. Die Stränge unterscheiden sich daher nicht nur durch das Faden- filzwerk, dass sie erfüllt, sondern auch dureh ihre im Ganzen dunklere Färbung von den helleren Zwischenzonen. Die Son- derung in einzelne Stränge ist im Anfange sehr undeutlich: man kann verfolgen, wie sich diese Struktur Schritt für Schritt in dem als „fädig-körnig“ bezeichneten Inhalt des Keimbläschens kleinerer Eier heranbildet, und weiterhin lässt sich eonstatiren, dass die Stränge weiter nichts sind, als die dunkleren wolken- artigen Züge der jüngeren Eier. In diesen dunklen wolkenarti- gen Zügen ist also ein Filzwerk blasser, feiner, unbestimmt eon- tourirter Chromatinfäden aufgetreten. Fig. 11 und 13 (160 und 200 mal) und Fig. 12 und 14 (600 und 800 mal) sollen diese sehr schwierig darzustellende feine Struktur illustriren. Bei der schwächeren Vergrösserung treten die Züge der dicht bei einander liegenden Stränge recht deutlich hervor. Bei der starken Vergrösserung verwischen sich die Grenzen der einzelnen Stränge etwas, dagegen erkennt man das die Stränge zusammensetzende Filzwerk feiner, blasser, undeut- lich eontourirter Chromatinfäden, Bei Eiern, deren Durchmesser ungefähr von 500 bis 800 u steigt, während der Durchmesser der Keimbläschen sich zwischen 200—300 u hält, erreieht die Chromatinfadenstruktur, deren An- fänge ich oben geschildert habe, ihre vollkommenste Ausbildung. Es ist, wie übrigens bei allen Stadien der ovariellen Entwick- lung, nicht möglich, etwa für jede Zunahme des Eidurchmessers um 100 u eine bestimmte Grösse des Keimbläschens und eine immer wieder- kehrende Lage und Struktur desselben anzugeben. Vielmehr finden sich beträchtliche Variationen. Bei ungefähr derselben Eigrösse (von etwa 400 u Durchmesser) findet man in einem Ei die ge- Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 21 schilderten ersten undeutlichen Anfänge der Chromatinfadenstränge, in einem zweiten sind die Chromatinfadenstränge auf der Höhe ihrer Ausbildung. Dasselbe gilt aber auch für alle Einzelheiten, z. B. für die Entfernung der Chromatinfadenstränge von einander; dieselbe nimmt zwar im Allgemeinen mit der Ausbildung derselben zu, aber es kommt doch vor, dass Stränge mit weniger distinkten Chromatin- fäden weiter auseinander liegen, als solehe mit scharf contourirten Chromatinfäden. Am merklichsten sind diese Variationen, wenn man die Fort- schritte der Ablagerung von Dotterkörnern im Eiprotoplasma mit der Ausbildung der Strukturen im Keimbläschen vergleicht. Im Allgemeinen fängt mit dem Beginn unseres Stadiums IV, wie oben schon bemerkt, die Ablagerung feiner Dotterkörner in den peripheren Schichten des Eiprotoplasmas an und schreitet bis zum Ende desselben soweit fort, dass das ganze Eiinnere bis an die Peripherie des Keimbläschens heran mit denselben angefüllt ist. Es liegt nicht in meiner Absicht, diese Vorgänge hier zu verfolgen, es sei nur erwähnt, dass die dem Centrum des Eies zugewendete Seite des Keimbläschens von Dotterkörnern ziemlich trei bleibt und dass an dieser Stelle sich der Dotterkern der Autoren vorfindet. Die Fortschritte in der Ablagerung der Dotterkörner im Eiprotoplasma gehen nur ganz im Allgemeinen der Ausbildung der Keimbläschenstruktur parallel; im Einzelnen finden sich wieder recht augenfällige Unterschiede zwischen verschiedenen Eiern: die Keim- bläschenstruktur ist in dem einen Ei weit vorgeschritten, die Dotter- ablagerung dagegen beschränkt sich erst auf die peripherischen Schich- ten des Eies — und umgekehrt! Mit dieser Reservation können wir jetzt die fortschreitende Aus- bildung der Struktur des Keimbläschens schildern. An dem Keimbläschen aller Eier von 500—800 u Durchmes- ser (vgl. Fig. 15—25) Stadien lassen sich drei eoncentrische Zonen unterscheiden: 1) eine der Kernmembran benachbarte Wandschicht in der die grossen peripheren Nucleolen liegen; 2) eine chroma- tin- oder richtiger chromatinfadenfreie, periphere Zone; 3) ein mehr oder weniger kugeliges Centrum, welches die Chromatin- fadenstränge und zwischen diesen eine wechselnde Zahl verklei- -nerter und häufig abgeblasster Nueleolen enthält. Wir wollen jür dieses centrale Gebilde der Bequemlichkeit wegen einen besonderen Namen einführen und es Centralkörper nennen. In allen drei Zonen findet sich dieselbe helle, farblose und kaum gekörnte Grundsubstanz, ein gleichmässiges Karyohya- loplasma. Es ist das besonders für den dritten Theil, den cen- tralen Kern, hervorzuheben; — ich werde bei der genaueren Besprechung noch ausführlicher darauf eingehen. 29 G. Born: Zu 1), zu der Wandschicht, welche die peripheren Nucleo- len enthält, ist Folgendes zu bemerken. Die wirkliche Zahl der Nucleolen ist nach den Sehnitten bei dem starken Wachsthume des Keimbläschens schwer zu beurtheilen. Wenn man aber be- rücksichtigt, dass die Zunahme des Kerndurchmessers nieht mehr sehr erheblich ist, so lässt sich Folgendes sagen. Im Anfang unseres Stadiums nimmt die Zahl der peripheren Nucleolen noch zu, gegen das Ende desselben aber sehr ab (vgl. Fig. 22). Woher der Verlust rührt, darüber ist nicht schwer Aufschluss zu erlan- gen; denn während der ganzen Periode steigt die Zahl der ver- kleinerten und abgeblassten Nucleolen im Centralkörper; dabei sieht man in den grösseren Eiern häufig die periphere chro- matinfreie Zone von einzelnen zerkleinerten und abgeblassten Nueleolen durchsetzt. Man gewinnt darmnach die Vorstellung, dass die peripheren Nucleolen während unseres Stadiums all- mählich nach dem Centrum des Keimbläschens zu wandern be- sinnen, wobei sie ihre Tinktionsfähigkeit verlieren, abblassen und sieh mehr und mehr verkleinern. Ob diese Verkleinerung durch einen Zerfall der grossen Nucleolen in mehrere kleinere Theil- stüeke oder durch ein Zusammenschrumpfen oder Schmelzen geschieht, wage ich nicht zu entscheiden. In späteren Stadien werde ich von Wahrnehmungen zu berichten haben, die auf einen direkten Zerfall hinzuweisen scheinen. Sehr erheblich verstärkt wurde ich in dieser Auffassung dadurch, dass dieselben Vorgänge, die in unserem Stadium nach dieser Auffassung erst beginnen und sehr allmählich ablaufen, im folgenden Stadium so akut und massenhaft einsetzen, dass über ihre Deutung gar kein Zweifel herrschen kann. Im folgenden Stadium wandern sämmtliche periphere Nucleolen nach dem Centrum, — freilich nieht in den Jentralkörper hinein, sondern um seine Peripherie herum, — und unterliegen dort der Zerkleinerung und Abblassung. Es liegt also sehr nahe anzunehmen, dass diese Vorgänge, wie es auch mit anderen Processen im Keimbläschen der Fall ist, sich allmählich — während unseres Stadiums — vorbereiten, um dann ziemlich plötzlich in dem folgenden Stadium zu Ende geführt zu werden. Während unseres Stadiums erreichen die peripheren Nueleolen Jedenfalls ihr Grössenmaximum; Zahlenwerthe habe ich nicht ange- geben, da dieselben sich leicht aus den Abbildungen gewinnen lassen. 2) Die periphere chromatinfreie Zone im Keimbläschen, Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 23 die in unserem Stadium mit dem Auftreten der Chromatin- fadenstränge sich auszubilden beginnt, nimmt während des- selben an Breite andauernd zu. Ein vergleichender Blick auf die Figuren lehrt, dass die Zunahme dieser Zone anfänglich wohl auf dem Gesammtwachsthum des Keimbläschens beruht, in der Folgezeit aber auf Kosten des Centralkörpers geschieht, dessen Durchmesser sichtlich abnimmt. Die Breitenzunahme der peripheren, chromatinfreien Zone und die Verkleinerung des Centralkörpers sind beides Vorgänge, welche nieht mit dem Ende dieses Stadiums abschliessen, sondern sich ganz continuirlich in das folgende fortsetzen. Die Stadientrennung, die ich gewählt habe, ist also in Bezug auf diese Vorgänge eine ganz willkür- liche; das Prineip derselben beruht eben auf der Berücksichti- gung der für mich wesentlichen Erscheinungen, die sich an den Chromatinfadensträngen abspielen, und die Eintheilung, die sich darnach ergiebt, durchkreuzt sich hier mit den Abgrenzungen, wie sie anderen Vorgängen entsprechen. Es ist demnach auch ziemlich willkürlich, wenn ich angebe, dass die Breite der chro- matinfreien Zone am Ende unseres IV. Stadiums bis auf 30 u steigt; — man kann auch Eier hierher rechnen, bei denen die ehromatinfreie Zone schon 50 u misst. Die chromatinfreie periphere Zone besteht natürlich nur aus hellem, farblosem, äusserst feinkörnigem Karyohyaloplasma, in das nur in den grösseren Eiern unserer Periode, wie oben erwähnt, einzelne Nucleolen eingesprengt sind. 3) Der Centralkörper. Schon bei Eiern, deren Durchmesser zwischen 400— 500 u liegt, treten die durcheinander gewunde- nen Chromatinfadenstränge des Centralkörpers recht deutlich her- vor. Es beruht dies einmal darauf, dass die hellen Streifen zwischen denselben allmählich breiter und zugleich frei von den feinsten blassen Chromatinfäden werden, die sie im Anfangssta- dium durchzogen. Die Breitenzunahme dieser Zwischenstränge erhellt aus den Figuren. Die Gleichmässigkeit der Breite der Zwischenstränge oder, was dasselbe sagen will, die Gleichmässig- keit der Abstände zwischen den Chromatinfadensträngen ist aber am Präparate selber, aus dem man sich ein Combinationsbild ver- schiedener optischer Querschnitte construirt, viel deutlicher, als an den Figuren; in diesen werden die Stränge unwillkürlich durch inehrere optische Q@uerschnittsebenen verfolgt, dann aber beim 24 G. Born: Zeichnen in eine Ebene projieirt. Die grössere Deutlichkeit der Chromatinfadenstränge beruht aber auch auf einer schärferen Aus- bildung ihrer eigenen Struktur. Die im Anfang äusserst feinen, blassen, unbestimmt contourirten und ganz wirr durcheinander eefilzten Fäden, aus denen dieselben zusammengesetzt waren, werden stärker, dunkler gefärbt, schärfer begrenzt und nehmen einen bestimmteren, gleich zu schildernden Verlauf an (vgl. Fig. 16, 17, 19 u. 21). Je schärfer die Fäden heraustreten, um so blasser wird die zwischen den Fäden im den Strängen gelegene Grundsubstanz. Während dieselbe sich im Anfangsstadium noch deutlich dureh eine dunklere Färbung von def Grundsubstanz der Zwischenstränge unterschied, nimmt sie jetzt dieselbe, gleich- mässig helle Beschaffenheit wie in den Zwischensträngen an; — die Grundsubstanz des ganzen Kermes wird, wie schon oben er- wähnt, gleichmässig hell. Es ist als concentrirte sieh die früher noch etwas diffus in den Strängen vertheilte färbbare Substanz (das Chromatin) ausschliesslich in den Fäden. Je schärfer und dunkler die Fäden heraustreten, um so deutlicher erkennt man eine bestimmte Verlaufsweise an denselben. Die wirklichen (oder scheinbaren) Querverbindungen zwischen den- selben werden heller und verschwinden schliesslich ganz. Die feinen zeschwungenen CUhromatinfäden, die die Stränge zusammensetzen, ziehen vorwiegend quer zu der Längsrichtung der Stränge. Denkt man sich die Stränge als eylindrische Stäbe, so ziehen die Fäden in allen möglichen Richtungen radiär durch die Kreise, welche die (uerschnitte des Cylinders bilden, und zwar durch den Mittelpunkt dieser Kreise oder nahe an demselben vorbei. Verfolgt man einen radiären Faden bis zur Peripherie des Kreises, so biegt er in einem weiteren oder engeren Bogen in einen anderen radiären Faden derselben oder einer benachbarten (@Querschnittsebene un. Rückert verglich eime ähnliche Struktur im Keim- bläschen von Haifischeiern mit einer gebrauchten Cylinderbürste. Als Unterschied ist aber wohl anzumerken, abgesehen von der Windung der Fäden, dass dieselben seitwärts nicht frei endigen, sondern wieder nach der Axe zu umbiegen und zu derselben zurücklaufen. An günstigen Stellen bekommt man, wie ich schon beschrieben und abgebildet habe, den sicheren Eindruck, als handle es sich nicht um eine Vielheit von Fäden, die wie bei der Cylinderbürste wirtelförmig von einer Axe ausstrahlen, son- Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 25 dern um einen einzigen Faden, der so in gewundene Querschlingen gelegt ist, dass dieselben alle in einer axialen Linie in einander sreifen (vgl. Fig. 17, 19 und 21). Im Querschnitte geben die Chromatinfadenstränge das schon öfter beschriebene, hübsche Bild eines Sternes mit Strahlen. Hie und da fallen in den Strängen einzelne merklich gröbere und dann zugleich weiter gewundene Chromatinfadenstücke auf. Je jünger das Keimbläschen ist, um so feiner sind die Chromatinfäden, ‚um so lockerer und weiter geschwungen verlaufen sie, um so breiter sind darnach die Stränge, welche sie zusammensetzen. Je älter das Keimbläschen ist, um so stärker werden die einzelnen Fäden und um so enger zu- zammengedrängt ziehen dieselben, — um so schmäler erscheinen demnach auch die ganzen Stränge. Namentlich in der Axe der Stränge, in der die radiären Fäden sich verschlingen, drängen sich dieselben in vorgeschritteneren Stadien (vergl. Fig. 23) immer enger zusammen, während sie an der Peripherie der Stränge noch in ‚weiteren Schlingen auseinander liegen. Dadurch erscheimt in der Axe der Stränge ein recht unregelmässiger, diekerer Chromatinfaden, dessen weitere Umbildung uns im folgenden Capitel beschäftigen wird. In hellen Stellen (Vacuolen) des Centralkörpers zwischen den Chromatinfadensträngen finden sich, wie oben schon erläutert, allmählich an Zahl zunehmend centrale Nucleolen; dieselben erschei- nen gegenüber den peripheren kleiner und abgeblasst, — hellröth- lichviolett, während die peripheren dunkelblauviolett aussehen. Die Höhe der Ausbildung erreichen diese aus querverlaufenden Chromatinfadensehlingen zusammengesetzten Stränge etwa bei Eiern, die °/, mm Durchmesser haben (7T00--800 u). Das Keim- bläschen hat bei diesen einen Durchmesser von etwa 250 u, nur bei den grössten misst es 280 u. Das Keimbläschen liegt jetzt nicht nur ganz deutlich excentrisch, sondern ist auch reeht merk- lich in der Richtung der Eiaxe, in der seine Mitte enthalten ist, abgeplattet, also dem Theile der Eioberfläche, dem es genähert ist, parallel. — Bei Eiern von 700 u erfüllen die Dotterkörner regelmässig mehr als die Hälfte der Protoplasmaschale, und rücken bei den grössten Eiern unseres Stadiums schliesslich bis dieht an das Keimbläschen heran. Man findet aber die Chromatinfadenstränge keineswegs bei. den Eiern jedes Weibchens in gleicher Weise und Deutlichkeit aus- 26 G. Born: gebildet. Es gibt Weibchen, bei denen die Stränge im Verhältniss zur Dotterablagerung viel später deutlich werden als beider Mehrzahl. Bei den Eiern eimes Weibehens, bei denen die Dotter- körner schon bis nahe an das Keimbläschen herangerückt waren, erschienen die Chromatinfäden der Stränge noch sehr fein und ziemlich gewirrt; die Stränge lagen sehr nahe bei eimander; die Zwischenräume zwischen den Strängen sahen nieht homogen aus, sondern waren von unzähligen feinsten Chromatinkörnchen durchsetzt. Ganz im Gegensatze dazu findet man Weibchen, bei denen die Chromatinfäden, welehe die Stränge zusammensetzen, in allen oder den meisten Eiern von !/;—?/, mm Durchmesser, ganz be- sonders grob, diek und wirr gewunden erscheinen (hierher ge- hören namentlich Fig. 18 und 19). Untersucht man nun die kleineren Eier derselben Ovarien, so stösst man auf ein sehr merkwürdiges Verhältniss, dessen Untersuchung mich sehr lange Zeit hindurch in Anspruch genommen hat. Ich füge die Schilderung desselben hier ein, obgleich es sich um Eier aus Stadium II u. III handelt; ich habe bei den betreffenden Kapiteln schon auf diese Stelle verwiesen. Schon das Chromatinnetzwerk der Ureier zeigt sieh bei diesen Exemplaren besonders grobkömig und diek. Die Entwiekelung und das allmähliche Verschwinden des Chromatinfadenknäuels geht in derselben Weise, wie es oben beschrieben wurde, vor sich. Die Chromatinfäden sind aber nicht von schwachkörnigen Höfen umgeben, wie im gewöhnlichen Falle, sondern zeigen ringsum einen beinahe zottigen Mantel von dunklen groben Chro- matinkörnern. Nach der Mitte der Zwischenräume zwischen den Chromatinfäden zu löst sich dieser dunkle Körnermantel in eine liehtere Substanz auf, die sich aber immer noch viel dunkler und körnerreicher zeigt, als wir es bisher beobachtet haben. Figur 7 zeigt das Keimbläschen eines solehen Eies, in dem die Chromatintäden schon sehr fein geworden sind und weit aus- einander stehen. Ein Vergleich mit der gewöhnlichen Form, etwa mit Fig. 5, belehrt augenblicklich über den sinnfälligen Unterschied, Zugleich aber erkennt man, dass der grobkörmige dunkle Mantel, der hier die Chromatinfadenreste umgibt, im Prineip doch nichts anderes ist, als eine gesteigerte Ausbildung der viel blasseren, feinkörnigeren „Wolken“ bei der gewöhnliehen Form. Noch auffälliger erscheinen die Unterschiede bei den Eiern, Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 2% in denen bei der gewöhnlichen Form jede Spur der Chromatin- fäden geschwunden ist. Es sind das die Eier von 200—350 u Durchmesser mit eimem Kerne von 110—150 u. Bei der ge- wöhnlichen Form (Fig. 8 a und b) erscheint das Innere des Kerns entweder ganz hell oder höchstens von blassen, ge- wundenen Wolkenstreifen durchzogen. Bei unsern Eiern findet man ein Strangwerk einer dunklen grobkömigen Substanz, wie es die Figuren 9 u. 10 bei mittlerer und starker Vergrösserung zeigen. Der Vergleich mit dem jüngern Stadium lehrt, dass es die die Chromatinfadenreste umgebenden Mäntel von groben dunklen Körnern sind, die sich nach dem Schwunde der Chro- matinfäden erhalten und noch mehr verdichtet haben. Geht man nun zu den Grössen über, bei denen bei der sewöhnlichen Form das Chromatinfadenstrangwerk deutlich wird (Eier von 450—500 u und weiter hin bis 700 u Durchmesser), so zeigen unsere Eier ganz ähnliche Bilder wie die gewöhnlichen. Im Eiprotoplasma beginnt die Dotterkörnerbildung, im Kern bil- det sich eine an Breite allmählich zunehmende chromatinfreie periphere Zone aus, es treten mehr weniger abgeblasste und ver- kleinerte centrale Nucleolen auf. Dabei kann man sehr leicht verfolgen, wie sich das für diese Grössen charakteristische Chro- matinfadenstrangwerk aus den grobkörnigen dunklen Strängen des vorhergehenden Stadiums heraus differenzirt, indem sich die Körner allmählich zu Fäden aneinander reihen, die um eine een- trale Axe hin und her gewunden sind. Sind die Chromatinfaden- stränge fertig, wie in den Figuren 18—21, so unterscheiden sie sich von den gewöhnlichen nur dadurch, dass die Stränge dichter liegen und die sie zusammensetzenden Fäden gröber, körniger, auch meist enger und verwirrter gewunden erscheinen. Die Zwischenräume zwischen den Strängen sind ebenso blass und körnchenarm, wie bei der gewöhnlichen Form. -Ich habe mir, als ich diese ungewöhnlichen Bilder zum ersten Male sah, sogleich die Frage vorgelegt, ob dieselben durch eine Einwirkung der Reagentien veranlasst sein könnten. Ich bin nach einem ganz ungewöhnlichen Aufwande von Mühe und Zeit, den ich der Untersuchung dieser Frage gewidmet habe, zu dem Resultate gekommen, dass das nicht der Fall ist. Es blieb sich ganz gleich, ob ich die Ovarien nach dem Zerschneiden < längere oder kürzere Zeit in 0,6°/, Kochsalzlösung liess, ob ich RD Rn G. Born: heissere oder kühlere !/,°/, Chromsäure anwandte, ob ich die Zeit der Chromsäurewirkung und des Auswaschens abkürzte oder verlängerte, ich bekam die ungewöhnlichen geschilderten Formen nicht wieder zu sehen. Auch die Concentration der Uhromsäure that nichts zur Sache, denn auch durch ?/,°/, Chromsäure wurden die betr. Bilder nicht hervorgebracht. An eine besondere Wir- kung der Farbstoffe war nicht zu denken, weil die eharakteri- stische Körnung in diesen Eiern schon immer vor der Färbung erkennbar war. Ich war infolgedessen gezwungen, eine sehr grosse Zahl von Ovarien verschiedener Weibehen zu untersuchen. Es ergab sich dabei, dass das Auftreten von dunkler und stärker gekörn- ten Keimbläschen jedenfalls selten ist. Es fanden sich im Gan- zen nur 2—5 Weibchen, bei denen alle kleinen Eier des Organs die dunkler körnigen Keimbläschen zeigten. Bei der überwiegen- den Mehrzahl der Weibchen fehlten solche Formen ganz, bei anderen fanden sich nur vereinzelte Eier, die mehr weniger aus- geprägt die dunkle Körnung zeigten. Schon aus der letzt ange- führten Beobachtung ergiebt sich, dass die Erscheinung keme heagentienwirkung sein kann. Ein Vergleich aller beobachteten Formen lehrt Folgendes. In allen Weibchen bildet sich in den Keimbläschen von Eiern, die oben das Ureierstadium überschritten haben, ein Chromatin- fadenknäuel aus, der mit der steigenden Grösse des Eies bis zu solchen von etwa 150—200 u Durchmesser allmählich immer feiner wird und schliesslich verschwindet. Bei den meisten Eiern sind die distinkten Chromatinfäden nur von Zügen recht blasser und feiner Kömer umgeben; nach dem Verschwinden der distink- ten Chromatinfäden bleiben die blassen feinkörnigen wolkenar- tigen Züge zurück, die aber gar nicht selten so wenig distinkt 350 u sein können, dass man eine Zeit lang (bei Eiern von 200 Durchmesser) den Keimbläseheninhalt als beinahe gleichmässig blass und homogen bezeichnen könnte. Von diesen Formen führen alle Uebergänge zu solchen, bei denen die Chromatinfäden des Knäuels von dichten Zügen dunkler und grober Körner begleitet sind. Nach dem Sehwinden der distinkten Chromatinfäden (bei Eiern von 200—350 u Durchmesser) erscheint bei dem zweiten Ex- trem der Keimbläscheninhalt nieht blass und homogen, sondern von dichten, grobkörnigen Strängen durchzogen. In allen Formen Die Struktur des Keimbläschens im Oyarialei von Triton taeniatus. 29 tritt bei Eiern von etwa '/; mm Durchmesser das charakteristische Chromatinfädenstrangwerk auf, aber nur bei der zweiten Koamenlalisıstiesieh Wdasgielbie Feiontinuirlich, won dem Chromatin der Ureier an verfolgen, nur bei diesen lässt sieh zeigen, dass die Chromatin- fäden des Strangwerks aus den Körnerzügen sich heraus differenziren, welehe nach dem Verschwin- den der primären Chromatinfäden übrig geblie- ben sind, während bei den blassen körnchenarmen Formen, die überwiegend vorkommen, eine Lücke auftritt, em Stadium (200-350 u Durchmesser), während dessen im Keimbläschen keine distinkten Chromatinformen, weder Körner noch Fäden wahrnehmbar sind. Es läuft also auf den Unterschied hinaus, dass die einen Eier ärmer, die andern reicher an Chromatinkör- nern erscheinen, und es frägt sich nun, ob diese verschiedenen Zustände in der That bei verschiedenen Weibehen vorkommen, so dass die Eier des einen Weibehens während des ganzen Lebens chromatinarm, die des andern ehromatinkörnerreich sind, oder ob es sich um zwei Zustände handelt, die bei den Eiern ein und dessel- ben Weibehens während des Sommers mit einander abwechseln. Sicher lässt sich diese Alternative nicht entscheiden, doch neige ich mich der zweiten Anschauung zu. Ich gehe dabei von der Beobachtung aus, dass jedenfalls die Endreifungs- erscheinungen an den Ovarialeiern während der langen Brunst- periode der Tritonen schub- oder periodenweise erfolgen. An dem einen Tage findet man in den Ovarien der Weibehen sehr zahlreiche Eier mit peripherem Keimbläschen, wenige Tage da- rauf sind dieselben äusserst spärlich, 8 oder 14 Tage später finden sie sich wieder in Hülle und Fülle. Ich habe keine be- sonderen Beobachtungen darüber gemacht, es scheint mir aber, dass diese periodische Reifung mit den Temperatur- und den davon abhängigen Ernährungsverhältnissen der Thiere zusam- menhängt. Diese Beobachtungen weisen auf ein periodisches und schubweises Fortschreiten des Entwicklungsprocesses der Eier in den Ovarien hin. Darnach darfich annehmen, dass, wie die Endreife, so auch die übrigen Entwicklungsprocesse der Eier im Ovarium schub- weise und periodisch fortschreiten. Dazu gehört dann vielleicht auch der Gehalt der Keimbläschen an ehromatischen Substanzen. 30 G. Born: Dieselben Eier, welehe an einem Tage arm an Chromatinkörnern waren, wären vielleicht wenige Tage später in eime Periode ge- kommen, in der sich ihre Keimbläschen plötzlich schubweise an Chromatinkörnern angereichert hätten; dieselben müssen dann ein ganz anderes histologisches Aussehen gewinnen. Ich denke mir, der plötzlich neuerworbene Reichthum an Chromatinkörnern wird dann bei dem Wachsthum und den Differenzirungsprocessen des Eies allmählich verbraucht ; es folgt eine längere Periode, in der das Keimbläschen blass und ehromatinkörnerarm erscheint, bis wieder ein neuer Nachschub in der Chromatinkörnerbildung erfolgt. So würde sich auch die Thatsache erklären, dass die Chromatin- körnerreichen Keimbläschen seltener gefunden werden, als die ehromatinkörnerarmen, zugleich die fernere Beobachtung, dass es zwischen beiden Formen alle möglichen Uebergänge giebt und endlich die Erscheinung, dass vereinzelte Eier mit grösserem Reichthum an Chromatinkörnern zwischen der Majorität von solehen, die ehromatinkörnerarm und blass befunden werden, er- scheinen: V.Stadium. Umwandlung des Knäuels von Chromatinfadensträngen in einen Knäuel ein- facher Chromatinfäden im Keimbläschen. (Fig. 35—39.) Kehren wir nun zu unseren Eiern zurück, die wir bei einer Grösse von 700-800 u verlassen haben. Bei dieser Grösse hatten die eigenthümlichen Chromatinfadenstränge ihre höchste Ausbildung erreicht. Sie erfüllten zwar nicht mehr das ganze Keimbläschen, sondern waren von der Peripherie desselben durch eine chromatinfreie Zone von 20—30 u Durchmesser getrennt, die Stränge hatten aber doch insofern ihre höchste Ausbildung erreicht, als die einzelnen Fäden, welehe um eine centrale (ideale) Axe nach allen Richtungen hin und her gebogen die Stränge zusammensetzen, am schärfsten und am besten ausgebildet her- vortraten. Von nun an wächst das Ei nieht mehr sehr erheblich, es erreicht schliesslich eine Grösse von 1000—1200 u. Noch weniger stark ist verhältnissmässig das Wachsthum des Keimbläschens, dessen Durchmesser bis auf etwas über 300 u steigt. Während dieser Periode treten eine Reihe von Erscheinun- Die Struktur des Keimbläschens im ÖOvarialei von Triton taeniatus. 51 gen auf, die mit den demnächst zu beschreibenden Veränderungen an den Chromatinfadensträngen des Keimbläschens parallel laufen, ohne dass jedoch die Entwicklungs-Stufen der verschiedenen Processe streng mit einander verbunden wären, so dass, wenn man «den einen Vorgang auf einer bestimmten Höhe findet, die übrigen in einer gewissen Breite variabel erscheinen. Diese Vorgänge sind folgende: 1) Das bisher wenig excentrisch gelagerte und parallel der Eiaxe abgeplattete Keimbläschen wandert allmählich an den ani- malen Pol des Eies, so dass es schliesslich nur von einer etwa 10 u dieken Rindenschieht des Dotters bedeckt erscheint (O. Hertwig siehe oben pg. 2). An solchen Eiern sieht man im frischen Zustande am animalen Pole einen grossen, wasserhellen, kreisrunden Fleck, aın gehärteten Ei erschemt derselbe weissgrau und trübe. Demnächst tritt dann eime Reduktion des immer mehr abgeplatteten Keimbläschens ein, über die ich im Detail im nächsten Kapitel berichten werde; hier sei nur Folgendes bemerkt: Der helle Fleck am animalen Pole wird bei der Ober- flächenbetrachtung immer kleiner. Diese letzten Stadien lassen sich bei der äusserlichen Betrachtung nur schwierig von denen sondern, bei denen das Keimbläschen den oberen Pol noch nicht ganz erreicht hat. Auch bei diesen ist ein kleinerer, verwaschen begrenzter, heller Fleck sichtbar, der der höchsten Kuppe des Keimbläschens, welehe von der dünnsten Rindenschicht des Dot- ters bedeckt ist, entspricht. Doch ist die Unterscheidung dieser beiden Oberflächenbilder schliesslich meist durchführbar, es bie- tet aber kein besonderes Interesse, hier darauf näher einzu- gehen. 2) Die an die Keimbläschenmembran angelagerten gros- sen Nucleolen nehmen an Zahl erheblich ab, wie ein Blick auf die Figuren ohne Weiteres lehrt. Dafür sieht man im Innern des Centralkörpers eine immer grössere Zahl feiner und feinster, abgeblasster, nucleolenartiger Körperchen ; also eine Steigerung der schon im vorigen Stadium eingeleiteten und dort ausführlich besprochenen Vorgänge. Natürlich richtet sich die Färbung der Nucleolen nach der Stärke der Tinktion, die man angewendet hat. Im Allgemeinen nehmen die peripheren grossen Nucleolen das Hämatoxylin am raschesten und stärksten auf und halten es selbst dann noch fest, wenn alle übrigen chromatischen Bestandtheile beinahe vollkommen entfärbt sind. Wenn 19 G. Born: =. ich oben die feinen und feinsten centralen Nucleolen als abgeblasst bezeichnete, so will das sagen, dass dieselben beinahe farblos erschei- nen bei einem Grade der Tinktion, bei dem die grossen peripheren Nucleolen, sowie die Chromatinfadenstränge noch dunkelblauviolett gefärbt sind. Hat man aber eine maximale Tinktion angewendet, so erscheinen die centralen Nucleolen genau so dunkel, wie die periphe- ren und die Chromatinfadenstränge. Viel auffälliger als diese allmählichen Veränderungen an den Nucleolen ist folgende Erscheinung. Während das Keimbläschen der Eioberfläche zustrebt, meist wenn es derselben schon nahe ist, mitunter aber auch viel früher, verlassen die grossen Nucleolen die Peripherie des Keimbläschens und wandern nach dem Innern (Fig. 30 und 35), um den Chromatinfadenknäuel in mehrfacher Schieht zu umgeben. (Fig. 40.) Ich habe Gelegenheit gehabt, alle Stadien dieses Vorganges zu beobachten, solehe bei denen ein Theil der grossen Nucleolen noch peripher, ein anderer „pe- Yimitotisch“ gelagert war; ebenso solehe, bei denen die Nucleolen in grösserer oder geringerer Zahl auf der Wanderung von der Peripherie des Keimbläschens durch die chromatinfreie Zone zum Centrum begriffen waren (vergl. Fig. 53 u. 55). Hat das Keim- bläschen die Eioberfläche erreicht und sich an derselben abge- plattet, so sind die Nucleolen meist aus der Peripherie gänzlich verschwunden und umgeben dieht gedrängt perimitotisch den Chromatinfadenknäuel in mehrfacher Lage in Form eines Kran- zes (Fig. 40). Es muss noch nachgetragen werden, dass die grossen Nucleolen, wenn sie auf der Wanderung nach dem Üen- trum begriffen sind, gewisse Strukturveränderungen zeigen. Ent- weder erscheinen sie wie aus mehreren verschieden grossen Klümp- chen zusammengebacken, oder sie sind von zahlreichen Vakuolen durchsetzt (siehe Fig. 34). Letzteres ist freilich nur bei mässi. ger Färbung sichtbar. Beide Erscheinungen dürfen wohl als An- zeichen des nahe bevorstehenden Unterganges der Gebilde gedeutet werden; namentlich die Zusammensetzung aus mehreren dunklen Körnern, die durch eine helle Substanz gerade noch zusammen- gehalten werden, darf geradezu als Vorstufe des Zerfalls aufge- fasst werden. Während der Reduktion des Keimbläschens verkleinern sich die perimitotischen Nucleolen rasch, blassen ab und verschwinden schliesslich gänzlich, wenn die Bildung der ersten Richtungs- spindel einsetzt. Die Struktur des Keimbläscehens im Ovarialei von Triton taeniatus. 33 3) In den letzten Stadien des Ovariallebens des Eies, die uns jetzt beschäftigen, in denen das ganze Keimbläschen nicht mehr sonderlich wächst, vergrössert sich die chromatinfreie Zone noch weiterhin sehr stark. Sie erreicht einen Durchmesser von 100u und etwas darüber und nimmt erst wieder ab, wenn das oberflächliche Keimbläschen als Ganzes zusammenschrumpft. Diese ungemein auffällige Zunahme der chromatinfreien Zone kann na- türlich nur auf Kosten des Üentralkörpers geschehen, der sich in der That auch, wie ein Blick auf die Figuren lehrt, entspre- chend verkleinert. 4) Unter dieser Nummer sind die Veränderungen der Chro- matinfadenstränge selbst zu besprechen. Da diese aber unser Hauptinteresse in Anspruch nehmen, so werde ich hierbei länger verweilen müssen und mehrfach auf die übrigen schon bespro- chenen Punkte, 1) Lage, Form und Grösse des Keimbläschens, 2) Verhältnisse der Nucleolen, 3) Ausbildung der chromatinfreien peripheren Zone recurriren müssen. Betrachten wir zuerst Eier von etwa 800—1000u Durch- messer! Das Keimbläschen liegt sehr verschieden; es kann schon nahe an die Oberfläche gerückt sein oder auch erst wenig ex- centrisch liegen. Ebenso verschieden verhalten sich die Nuele- olen. Mitunter findet man sie schon in den jüngsten hierher ge- hörigen Stadien perimitotisch, in anderen Fällen haben sie bis zum Schlusse des hier zu schildernden Processes fast sämmtlich noch ihre periphere Lage. Regelmässig aber erreicht die chro- matinfreie Zone ihren höchsten Durchmesser, und der Cen- tralkörper setzt sich scharf gegen dieselbe ab. Die Vorgänge im Oentralkörper lassen sich kurz als Umwandlung des Knäuels von breiten Strängen, die aus quergewundenen feinen Chromatin- fäden bestanden, in einen Knäuel, der aus einem einfachen, dieke- ren, zum Schlusse gleichmässig eontourirten und dichten Chro- matinfaden zusammengesetzt ist, charakterisiren. Die querge- wundenen Chromatinfadenstränge redueiren sich zu einfachen, glatt eontourirten Chromatinfäden. Der Anfang der Veränderung ist in Fig. 24 und 25 zu sehen. Die Stränge erscheinen schmäler, die Zwischenräume zwischen ihnen aber doch nicht breiter, da sich der ganze Centralkörper verkleinert hat; die Stränge haben sich eher einander etwas genähert. Die die Stränge zusammensetzenden Fäden erscheinen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 3 34 G. Born: diehter zusammengedrängt und verbinden sich namentlich in der Axe des Stranges so eng mit einander, (dass eine Art axialer Faden, der aus unregelmässig aneinander gelagerten, verschieden erossen Uhromatinkörnern besteht, zum Vorschein kommt. Fig. 26 und 27 zeigen eine weitere Stufe des Processes. Die Stränge sind noch schmäler geworden, die Zwischenräume zwischen ihnen aber breiter. Der axiale dunkle Chromatinfaden tritt deutlicher hervor; er ist schon streekenweise continuirlich, er erscheint breiter, und seine Contour sieht glatter aus. Der diehte Mantel von Chromatinfäden, der ihn umgab, ist an man- chen Stellen erhalten; dabei sieht derselbe wie geschrumpft aus, es fehlen die weiten seitlichen Ausbiegungen der Fäden, wie sie in Fig 16 und 17 zu sehen sind. An anderen Stellen (Fig. 27) sieht man die queren Fadenschlingen noch, sie sind aber ganz blass geworden, es macht den Eindruck, als habe sich das Chro- matin aus denselben in den Axenfaden zusammengezogen und es sei nur eine achromatische Grundlage. (Linin) zurückgeblieben. Noch eine Stufe weiter fortgeschritten ist der Process in Fig. 25 und 29. Die axialen Fäden sind fast durchaus conti- nuirlich geworden, färben sich intensiv und sind deutlich breiter; der Besatz mit Querfäden ist sehr spärlich ; die Reste derselben schmiegen sieh dem axialen Faden eng an, so dass die Zwischen- räume zwischen den Strängen noch breiter erscheinen. Ist die Färbung sehr stark und (nach Chromessigsäure-Behand- lung) Schrumpfung des ganzen Keimbläschens eingetreten, so sieht es so aus, als zögen sich die Chromatinfadenstränge unter Verklebung der feinen queren Chromatinfadenschlingen, welche sie zusammensetzen, zu einem einfachen Chromatinfaden zusammen. Solche Bilder haben meiner Schilderung in der vorläufigen Mittheilung im anatom. Anzeiger zu Grunde gelegen. Nach besseren Präparaten, die ich von Eiern, welche in heisser Y/,"/, Chromsäure abgetödtet waren, erhielt, gelang es mir, den Vorgang, so wie ich es eben dargestellt habe, zu analysiren. Das Ende dieses Processes ist, dass an Stelle der aus querverlaufenden Chromatinfadenschlingen aufgebauten Stränge einfache, dichtere und dunkel gefärbte Chromatinfäden getreten sind. Die Art ihrer Entstehung verrathen dieselben (vgl. Fig. 50, 531 u. 32) aber noch eine Zeit lang dadurch, dass sie wie mit blassen, feinen, unregelmässig angeordneten, querabstehenden Häärchen und Spitzchen besetzt erscheinen. An manchen Stellen, wie in der Mitte von Fig. 32, sieht man noch einen schmalen, Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 35 aber vollkommenen Mantel von blassen, querverlaufenden und an den Enden schleifenförmig umgebogenen Fädehen die centrale, dunkel gefärbte Axe umgeben. Schliesslich verschwindet auch dieser Häärchenbesatz und ınan findet als Centralkörper des Keimbläschens (vgl. Fig. 33—39) ein kugliges, meist schon etwas in der Axe des Eies abgeplattetes Ge- bilde, das einen Knäuel von in ziemlich gleichmässigen Abständen durcheinander gewundenen, schmalen, glatt eontourirten, dunklen Chromatinfäden enthält. Die Chromatinfäden füllen anfangs das ganze Innere des kugelförmigen Raumes aus, ebenso wie dies vorher von Seiten der Chromatinfadenstränge geschah. Die Zwischenräume zwischen den Chromatinfäden sind von derselben hellen, äusserst feinkörnigen Grundsubstanz erfüllt, wie die chromatinfreie periphere Zone, nur sind in denselben eine grosse Zahl abgeblasster und verkleinerter Nucleolen eingesprengt. Die Breite der Zwischenräume ist anfänglich nicht viel geringer als in den letzten Stadien der Chromatinfadenstränge, obgleich der ganze Centralkörper noch erheblich an Durchmesser abge- nommen hat. — Ist der aus einfachen Chromatinfäden bestehende Knäuel fertig, wie in Fig. 33—59, so hat das Ei immer seine definitive Grösse erlangt, das Keimbläschen befindet sich dicht unter der Oberfläche und die Nucleolen sind meist entweder um den Centralkörper versammelt oder auf der Wanderung zu diesem begriffen. An den breiten Chromatinfadensträngen war es naturgemäss schwer, wenn nicht unmöglich, zu entscheiden, ob der ganze Strangknäuel aus einem einzigen zusammenhängenden Strange bestand, oder ob Unterbrechungen vorhanden waren. An dem Knäuel aus einfachen Chromatinfäden lassen sich Unterbrechungen, u. z. ziemlich zahlreiche, mit vollkommener Sicherheit constatiren (Fig. 36, 38, 39). Es sind also jetzt schon einzelne Fadenstücke (Chromosomen) vorhanden. Eine weitere Erscheinung, nämlich die, dass die Chromosomen zu zweien um einander geschlungen, gepaart verlaufen, ist jetzt schon sehr häufig (Fig. 34 u. 36), mitun- ter sogar noch früher während der Reduktion der Chromatinfaden- stränge (Fig. 28) deutlich bemerkbar. Da diese Erscheinung aber erst in den folgenden Stadien ganz allgemein wird, auch ihrem Charakter nach zu den Reduktionsprocessen, welche das Keimbläschen in die erste Richtungsspindel überführen, gehört, so 36 er G. Born: will ich dieselbe lieber weiter unten beschreiben und illu- striren. Wir haben so ein wiehtiges Stadium erreicht, bei dem das Chromatin in Form von glatt contourirten schmalen Fäden ange- ordnet ist, die im Innern des Keimbläschens einen zur Grösse des letztern kleinen Knäuel bilden. Es ist im Grossen und Ganzen dieselbe Formation, die das Chromatin in den ersten Entwicklungsstufen, die aus den Ureiern hervorgingen, zeigte. In der Zwischenzeit haben Ei und Keimbläschen ihre volle Grösse erreicht. Das Ei besitzt einen Durchmesser von 1000—1200 u, das Keimbläschen einen solehen von ea. 300 u. Noch ist die grosse Zahl von Nucleolen vorhanden. Mit- unter liegen dieselben noch peripher, mitunter sehon perimitotisch. Das Keimbläschen hat das Maximum seiner Grösse erreicht; in weiteren Stadien unterliegt es der Reduktion, und sein Chromatin- fadenknäuel wird in die erste Richtungsspindel mit ihren Chromatin- schleifen übergeführt. Nur in einem Punkte sind auch jetzt schon Vorbereitungen für die demnächst folgende Riehtungskörperchen- bildung getroffen, das Keimbläschen ist an die Oberfläche, an den animalen Pol gerückt. Die Dotterschicht, die es noch be- deckt, findet man sehr verschieden diek. Mitunter ist dieselbe noch so stark, dass bei der Oberflächenbetrachtung das Keim- bläschen nur undeutlich durehschimmert, häufiger liegt das Keim- bläschen jetzt schon dicht unter der Oberfläche, die deekende Rindenschicht misst nur noch 20—30 u, das Keimbläschen fängt an, sich der Eioberfläche parallel abzuplatten und man sieht es von aussen deutlich als einen grossen, wasserhellen, kreisrunden Fleck. VI. Stadium. Reduktion des Keimbläschens und Umwandlung in die erste Richtungsspindel. (Fig. 40 —63.) Die Reduktion des Keimbläschens findet erst statt, wenn dasselbe den dunklen Pol des Eies erreicht hat und von der Peripherie nur durch eine dünne Dotterschicht getrennt ist, deren Dicke zwischen 10—25 u schwankt. Zuerst breitet sich das Keimbläs- chen unter dieser Rinde flach aus, so dass sein Querdurchmesser erheblich vergrössert (bis 500 u) erscheint, während sein Höhen- durchmesser entsprechend abnimmt (Fig. 40 Taf. 4). Hierher ge- hören diejenigen Eier, an denen man im frischen Zustand einen Die Struktur des Keimbläschens im ÖOvarialei von Triton taeniatus. 37 sehr grossen, wasserhellen Fleck scheinbar direkt unter der Fol- likelhülle liegen sieht. Die Nucleolen liegen jetzt sämmtlich perimitotisch in ungefähr 2 Reihen um den Oentralkörper herum. Sie sind regelmässig vaeuolisirt oder geklumpt (vgl. oben), fär- ben sich aber noch mit voller Intensität (Fig. 41). Die Chromatinfäden des Centralkörpers zeigen nach 2 Riehtun- gen hin Abweichungen vom vorhergehenden Stadium, die aber in diesem schon vorbereitet waren und jetzt nur ausgeprägter sich finden. Einmal füllen sie nicht mehr den ganzen Binnenraum des Centralkörpers an, sondern beschränken sich auf dessen Peripherie, der sie dann natürlich parallel ziehen. Sie halten sieh übrigens nicht streng an die Grenzen des Centralkörpers, sondern einzelne Stücke erscheinen zwischen die perimitotischen Nucleolen einge- sprengt. Der innere Raum des Centralkörpers wird von einer hellen Substanz eingenommen, in der eine verschieden grosse Zahl kleiner und kleinster, abgeblasster Nucleolen eingestreut liegt (Fig. 41). Ein zweiter Punkt, der jetzt sehr deutlich hervortritt, ist der, dass die Chromatinfadenstücke zu zweien gepaart, dicht neben einander oder um einander gewunden verlaufen. Es war dies schon häufig in vorausgehenden Stadien bemerklich, wird aber jetzt erst zur durchgehenden Regel. Die Chromosomenpaare liegen nicht in regelmässigen Abständen von einander. Es wird dadurch das Schnittbild des Centralkörpers ein viel unregelmäs- sigeres alsin den früheren Stadien, in denen sich die Chromatin- fäden eben erst aus den Fadensträngen gebildet hatten. Nur einige Male gelang es mir eine bestimmte Anordnung der Chromatin- fadenpaare zu erkennen; sie verliefen dann wie die Reifen um eine Tonne in horizontalen Ebenen an der Oberfläche des Üentral- körpers um die Eiaxe herum. Es drückte sich dies dadurch aus, dass sie auf den mittleren Schnitten fast durchweg quer- durchschnitten erschienen (wie in Fig. 41), während sie auf den Sehnitten, die den Anfang und das Ende des Centralkörpers tra- fen, mehr von der Fläche gesehen sichtbar waren. Nun beginnt die eigentliche Verkleinerung des Keimbläs- chens, die wohl dadurch veranlasst wird, dass Flüssigkeit durch die Wand desselben hindurehtritt und sich dann weiterhin im umgebenden Dotter vertheilt. Meistens findet man den immer kleiner werdenden Rest des Keimbläschens von einer Zone einer Substanz umgeben, die fast ganz so aussieht, wie der feinkörnige 38 G. Born: blasse Keimbläscheninhalt selbst (Fig. 42, 45 u. ff.). Auf diese Zone folgen dann die Dotterkörner. Doch sei hier gleich hervorge- hoben, dass die Verkleinerung des Keimbläschens vornehmlich an den Rändern und an der dem Centrum des Eies zugewandten Seite stattfindet (vgl. die Figuren). An der der Peripherie zu- gewandten Seite des Keimbläschens sieht man mitunter selbst in den weit fortgeschrittenen Stadien des Reduktionsprocesses die Keim- bläschenmembran der Dotterrinde unverändert und dicht anliegen. Aus dem Gesagten geht schon hervor, dass während der Verkleinerung des Keimbläschens die Membran desselben sehr lange sichtbar bleibt. Erst in den allerletzten Stadien, wenn vom Keimbläschen fast nichts übrig geblieben ist, als der Cen- tralkörper, verschwinden die letzten Reste der Keimbläschenmem- bran spurlos (Fig. 49—51 und 57 — 59). Doch ist auch dies Stadium, in dem dieselbe unsichtbar wird, nicht immer genau das gleiche. — Lange ehe die Keimbläschenmembran vollständig verschwindet, mitunter schon bei wenig verkleinertem Keimbläs- chen, wird sie an der centralen, dem Eiinnern zugewandten Seite discontinuirlich, wie dies auch in mehreren Figuren an- gedeutet ist. Streckenweise fehlt sie ganz, und das extravesi- euläre Plasma scheint continuirlich in das intravesieuläre über- zugehen, dann folgt wieder eine Strecke, in der Reste der Mem- bran in Form einer mehr oder weniger zusammenhängenden Punktreihe zu sehen sind. Was die Formen anbetrifit, die das Keimbläschen bei seiner Verkleinerung annimmt, so sind dieselben sehr charakteristisch. Vor der Verkleinerung zeigte ein mittlerer Querschnitt dureh das Keimbläschen die Form eines queren Ovals, während der Verkleinerung zeigt sich ein soleher als stumpfwinkliges Dreieck mit stark abgerundeten Ecken, oder als biconvexe Linse, deren eine (periphere) Fläche wenig, deren andere (centrale) Fläche stärker gewölbt ist. Ich lasse hier eine Reihe von Massen auf- einander folgender Stadien folgen. In der einen Rubrik steht der grösste Breitendurchmesser, in der andern der grösste Höhen- durchmesser, Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 39 Breiten- | Höhen- durchmesser. | durchmesser. u u 1 500 | 190 2 330 135 3% 210 70 4. 165 63 Schliesslich bleibt vom Keimbläschen ein von einer 10 bis 15u dieken Rindenschicht bedeckter, plattovoider Fleck übrig, der etwa 150—150u in der Quere und 60—70u in der Höhe misst. Derselbe enthält, umgeben von einer theilweise feinkörni- gen, theilweise streifigen Masse, einem Rest der Grundsubstanz des Keimbläschens, den Oentralkörper, der, wie unten zu schil- dern, in der Umbildung zur ersten Riehtungsspindel begriffen ist. Aeusserlich sieht man an solehen Eiern die ganz kurz vor dem Austritt, aus dem Ovarium stehen, am animalen Pol nur einen kleinen, kreisrunden, hellgelblichen Fleck und in der Mitte desselben häufig ein dunkles Pünktchen. Es ist das genau das- selbe Bild, das auch die Bauchhöhleneier und distalsten Tuben- eier bei der Oberflächenbetrachtung darbieten. Noch eines muss ich erwähnen, um einem möglichen Miss- verständnisse vorzubeugen. Obgleich der flüssige Inhalt des Keim- bläschens dasselbe offenbar fast ausschliesslich an der dem Ei- innern zugewandten Seite verlässt, behält der Öentralkörper seine Lage fast immer im geometrischen Mittelpunkte des Keimbläs- chenrestes. Nur selten tritt er näher an die periphere Oberfläche desselben. Einmal fand} ich ein Keimbläschen, das sich im Querdureh- messer rascher verkleinert hatte, als im Höhendurchmesser. Ein mittlerer Querschnitt durch dasselbe ergab ein beinahe gleich- seitiges Dreieck mit abgerundeten Ecken. Es ist bemerkens- werth, dass dieses Ei eines der wenigen war, an denen man eine deutlich sichtbare Spur vom Aufsteigen des Keimbläschens im Dotter wahrnehmen konnte. Es zog sich von dem das Kem- bläschen umgebenden Plasma ein ziemlich breiter, dotterkörner- freier Streif radiär in's Innere der Eikugel hinein (ein ähnlicher Fall ist in Fig. 47 dargestellt). Derselbe reichte bis unter die Mitte der Eikugel herab. Man darf diese Erscheinung wohl so 40 G. Born: auffassen, dass bei diesem Ei das Keimbläschen abnorm lange im Innern der Eikugel festgehalten wurde und dann in dem in- zwischen gross gewordenen Ei ziemlich plötzlich aufgestiegen ist. Das ist bei Triton eine Ausnahme. Bei diesem Thier findet das Aufsteigen des Keimbläschens gewöhnlich so allmählich statt, dass es keine gröberen Spuren in der Dottermasse hinterlässt. Beiden Anuren findet man, wie schon bekannt, fast regelmässig eine deutliche Spur, die das aufsteigende Keimbläschen hinter sich gelassen hat, in Form eines dotterkörnerarmen Streifens. Bei den Anuren tritt aber die End- reife des Ovarialeies entsprechend der viel plötzlicher einsetzenden Brunst, ich möchte sagen, viel acuter ein. Das Ei ist schon sehr gross und das Keimbläschen hat immer noch eine annähernd centrale Lage. Dann rückt es beim Eintritt der Brunst sehr rasch an die Oberfläche. Es liegt nahe anzunehmen, dass das Emporrücken des Keim- bläschens aufeinem bei den Tritonen allmählich, bei den Anuren plötz- lich auftretenden Unterschied im specifischen Gewicht desselben im Vergleich zum umgebenden Dotter beruht. Doch glaube ich nicht, dass diese Annahme so ganz ohne Weiteres acceptabel ist, da die Richtung, in der das Keimbläschen an die Oberfläche rückt, eine ganz bestimmte ist. Es geht immer an den animalen Pol. Der animale Pol ist, wie die Färbung des Eies erweist, sicher schon bei noch ziemlich centraler Lage des Keimbläschens bestimmt. Es ist aber bei der La- gerung des Eies im Ovarium keineswegs sicher, dass die Eiaxe, in der das Keimbläschen zum animalen Pol aufrückt, immer mit der verti- kalen zusammenfällt, obgleich ich zugeben muss, dass die Sache eine besondere Untersuchung verdient. Neueste Beobachtungen Häcker’s!) eonstatiren bei Wirbellosen, dass das Ei im Ovarium zur Schwerrich- tung bestimmt orientirt ist und dass darnach das Aufrücken des Keim- bläschens erfolgt. Es bleibt ja ohnehin die Erhaltung der bestimmten Anordnung der verschieden schweren Dottermassen im Ovarialei wun- derbar genug, falls man nicht auch dafür annehmen will, dass die Eiaxen sämmtlicher grösserer Ovarialeier bei Normalstellung des Mutterthieres sich von selber senkrecht stellen. Nur in den allerersten Stadien der Reduktion des Keim- bläschens, wenn dasselbe noch über 300 u Breitendurchmesser hat, behalten die perimitotischen Nucleolen ihr Tinktionsver- mögen. Sobald das Keimbläschen noch mehr abnimmt, verlieren sie dasselbe und zwar alle auf einmal (Fig. 42 und d. folg.). Man sieht nun den Centralkörper vor einem drei- bis vier- fachen Kranze farbloser, runder Körner umgeben. Es ist äus- 1) Häcker, V., Das Keimbläschen, seine Elemente und Lageverän- derungen. II. Th. Ueber die Function des Hauptnucleolus und über das Aufsteigen des Keimbläschens. 2 Taf. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 42. Heft 2, Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 41 serst charakteristisch, dass die perimitotischen Nucleolen jetzt eine viel geringere Fähigkeit im Festhalten der 'Tinktion be- sitzen als die Chromatinfäden. Uebrigens nehmen die peri- mitotischen Nucleolen, wie die Bilder lehren, zugleich auch sehr rasch an Grösse ab. Ob dies auf einem Zerfall der- selben oder auf einer Art Zusammenschrumpfen beruht, wage ich nicht zu entscheiden. In den Endstadien des Ovarialeies bei Ausbildung der ersten Richtungsspindel sind von diesen ab- geblassten und zerkleinerten Nucleolen nur ganz vereinzelte Spuren zu sehen. Am wichtigsten sind natürlich die Umwandlungen des Cen- tralkörpers, weil diese als Vorbereitungen zur Ausbildung der ersten Richtungsspindel aufzufassen sind. Es fällt sogleich in die Augen, dass sich der Centralkörper auch weiterhin rasch verkleinert, wie dies ein Vergleich der Figuren untereinander ohne Weiteres lehrt. Die im abgeplatteten, aber noch nicht redueirten Keimbläschen auf der Oberfläche einer biconvexen Linse vertheilten Chromosomenpaare ziehen sich in den ersten Stadien der Verkleinerung zu einem Kranze zu- sammen, der aus dieht mit einander verflochtenen Chromoso- men besteht (Fig. 42—44). Die Verfilzung der Stücke ist so stark, dass von dem Anschluss je zweier an einander so wie von einer Trennung der einzelnen Abschnitte der Länge nach kaum mehr etwas Sicheres zu erkennen ist. Darauf zieht sich der Kranz zu einem spindelförmigen Körper zusammen, in dem die Chromosomen so dicht gedrängt liegen, dass es äusserst schwierig ist, etwas Sicheres zu erkennen (Fig. 45 und 46). Eine eingehende Untersuchung zahlreicher Präparate hat mich aber Folgendes gelehrt. Auch diese horizontal gelagerte Spindel ist nicht durch und durch von den Chromosomen durch- setzt, sondern enthält einen nur wenig gefärbten (in Hämatoxy- lin grau, in Carmin rosa tingirten) Binnenkörper, der nach Behandlung mit heisser Chromsäure !/,°/, keine besondere Struk- tur erkennen lässt. Die weiteren Stadien, namentlich wenn sie von mit Sublimat behandelten Präparaten gewonnen wurden, zeigen, dass aus diesem Binnenkörper direkt die achromatische Spindel der ersten Richtungstheilung hervorgeht. Diesem Binnenkörper sind nun die verflochtenen und verfilzten Chromosomen theils auf- theils eingelagert (Fig. 49 55). Untersuchen wir nun 42 G. Born: diese Chromatingebilde etwas näher, so erkennt man sehr bald, dass dieselben einzelne gewundene Stränge darstellen, welche in äusserst charakteristischer Weise in helle, vacuolenartige, scharf begrenzte Räume eingelagert sind. Wo diese Stränge wie in Fig. 45 u. 46 den Binnenkörper noch zusammengedrängt umgeben, sind sie schwer, namentlich in der Zeichnung, von ein- ander zu trennen. Man erkennt ihre Natur nicht am Mittel- schnitt, der die Hauptmasse derselben enthält, sondern an den angrenzenden Schnitten, in die nur einzelne freie Enden der Gebilde sich erstrecken (Fig. 48). Deutlicher wird die Anord- nung gewöhnlich in etwas späteren Stadien, d. h. in solchen, in denen das Keimbläschen noch weiter verkleinert ist; bei diesen umschliessen diese Strangstücke den Binnenkörper nicht mehr allseitig, sondern sind ihm nur hie und da angelagert, wie es Fig. 49, 50 u. 51 zeigen. Doch sei gleich bemerkt, dass die- selbe Anordnung des Chromatins sich mitunter schon findet, wenn (der Keimbläschenrest noch sehr gross und der Binnenkörper noch gar nicht deutlich ist. Worin besteht nun diese neue Anordnung des Chromatins? In den hellen vacuolenartigen Räumen, welche die Form von gewundenen Strängen haben, liegen eine Anzahl ziemlich feiner, umeinander gewundener und netzförmig verbundener Chromatin- fäden, die sehr deutlich aus aneinandergereihten Körnern beste- hen. Die Fäden sind feiner als die Fäden, aus denen die Chromosomenpaare bestanden. Es ist für mich recht schwierig, die genaue Entstehung dieser Bildungen festzustellen. Dass dieselben sich von den Chro- imosomenpaaren herleiten, ist ausser allem Zweifel. Da der Com- plex der Chromosomenpaare sich aber erst zu einem dichtge- flochtenen Kranze und dann zu einer noch diehter verfilzten Spindel zusammenzieht, ehe die einzelnen gewundenen, in Vacuolen ge- legenen Strangstücke, die aus netzförmig verbundenen feinen Chromatinfäden aufgebaut sind, erscheinen, so kann ich über die feineren Vorgänge nur Vermuthungen äussern. Es werden hier andere Conservirungsmethoden, die erfahrungs- gemäss für solche Dinge mehr leisten, als die aus andern Rücksichten von mir bevorzugten, angewandt werden müssen. Ich meine die Os- miumgemische und vielleicht das Sublimat und die Pikrinsäure in irgend einer Form, welche die Bier nicht zu brüchig macht. Ausser- dem ist jedenfalls auch die von Rückert herangezogene Untersu- Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 43 cehungsmethode, dieFärbung und Beobachtung des ganzen isolirten Keim- bläschens resp. des Keimbläschenrestes, zu probiren. Letztere wird namentlich geeignet sein, über Zahl, Umlagerung, Trennung oder Ver- löthung der Chromosomen Aufschluss zu geben. Ich bin, wenn ich das Erscheinen dieses Aufsatzes nicht noch ein Jahr hinausschieben will, vorläufig nicht in der Lage, diese Untersuchung auszuführen. Die einzelnen Chromatinfäden in den Strängen sind zu fein, als dass sie sich direkt von den gepaarten Chromosomen her- leiten könnten. Möglicherweise findet in dem Kranz- und Spin- del-Stadium eine Längsspaltung der Chromosomen statt, und die so hergestellten feineren Fäden verschmelzen und verkleben mit- einander zu einer geringen Anzahl netzförmig gebauter Strang- stücke. Jedenfalls ist soviel sicher, die Anzahl dieser netzförmig gebauten Strangstücke ist geringer als die Zahl der Chromo- somenpaare. Die weiteren Umbildungen sind wieder leichter zu ver- folgen. Das Chromatinfadennetzwerk in den vacuolenartigen Räumen verdichtet sich mehr und mehr. Die Maschen dessel- ben werden enger, bis schliesslich eine Anzahl massiver, dicker, kurzer Chromatinstücke (Chromosomen) herauskommen, welche meist annähernd U-förmig zusammengebogen, der Peripherie des Binnenkörpers angelagert sind (Fig. 54 bis 56). Mitunter aber sieht man in den U-förmigen Stücken noch deutliche Spuren der netzförmigen Vertheilung des Chromatins, wie dies Fig. 52 und 53 zeigen. Die diese plumpen Chromosomen umgebenden Vacuolen verschwinden allmählich. An Sublimat-Eisessig-Präparaten (übrigens auch an ın Chrom- essigsäure und Chromessigsäure-Sublimat gehärteten Eiern) er- kennt man, dass sich der Binnenkörper des letzten Keimbläschen- restes zu einer wohlausgebildeten, bauchigen, horizontal gela- gerten Spindel umgebildet hat. Dieselbe besteht aus achroma- tischen Fäden, auf deren Umfang die kurzen Chromosomen auf- gelagert liegen (Fig. 57-—-59, hier erscheinen dieselben etwas ‘schlanker, als in den vorhergehenden Bildern, wobei freilich die Verschiedenheit der angewandten Reagentien zu berücksich- tigen ist). Es sei ausdrücklich hervorgehoben, dass auch nach Subli- mateisessigbehandlung und dergl. in etwas jüngeren Eiern keine Faserspindel zu sehen ist, sondern nur ein mehr oder weniger 44 @G. Born? körniger Binnenkörper, dem die Chromosomen anliegen, Die Spindel muss sich also erst in (den allerletzten Phasen des Ovarial-Lebens herausbilden. Woher der Binnenkörper stammt, aus dem die achromatische Spindel hervorgeht, lässt sich an meinem ungünstigen Objekte nicht entscheiden. Nach den hier gegebenen Verhältnissen ist es jedenfalls schwierig anzunehmen, dass er von Gebilden ausserhalb des Kernes seinen Ursprung nimmt. Es bleibt noch Einiges nachzutragen. In den letzten Phasen des Ovarial-Lebens, wenn das Keimbläschen schon auf einen kleinen Rest zusammengeschrumpft ist, nimmt das den Centralkörper oder — wie wir jetzt wohl richtiger sagen können — die Anlage der Riehtungsspindel zunächst umgebende Plasma des Keimbläschen- restes eine deutlich längsstreifige fibrilläre Struetur an. Es bildet sich so eine Art von horizontal gelagertem Faserkorb, der die Richtungsspindelanlage umgiebt (Fig. 58, 59). Es ist zweifellos, dass daraus die bei den Bildern der Bauchhöhleneier sehr deut- lichen Polstrahlungen entstehen. In einem anderen Falle erschien der noch ziemlich ansehn- liche Keimbläschenrest vollkommen radiär gestreift u. z. gingen die feinen Fäserechen, welche die Streifung hervorbrachten, alle von der Anlage des Richtungskörperchens als Mittelpunkt aus und strahlten sonnenartig bis zur Peripherie des Keimbläschenrestes hin. Endlich ist noch einer letzten Modification zu gedenken. Bei den allermeisten Eiern erscheint das Plasma des Keimbläschens und Keimbläschenrestes äusserst blass und feinkörnig. Es sind mir aber drei Eier vorgekommen, bei denen die Substanz des Keim- bläschenrestes sehr grobkörnig-fädelig aussah, und sich mit Haema- toxylin ziemlich stark färbte. Die Richtungsspindelanlage mit den Chromosomen zeigte das gewöhnliche Verhalten. Ich weiss nicht, ob es sich hierbei um pathologische Formen handelte oder nicht. So weit reicht die Entwicklung des Keimbläschens im Ova- rıum. Aus dem Chromatinfadenknäuel desselben hat sich die An- lage einer horizontal gestellten Richtungsspindel mit plumpen, häufig U-förmig gebogenen Chromosomen herausgebildet, die am animalen Pol gelegen und von einer dünnen Dotterschicht bedeckt nur noch von einem geringen Rest des Kernplasmas umgeben ist. Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 45 Bauchhöhleneier. Zum Vergleich gebe ich noch einige Figuren der ersten Riehtungsspindel bei Bauchhöhleneiern von Triton taeniatus. Fig. 60 und 61 stellen die gewöhnliche Forın dar, bei der die sehr bauchige erste Riehtungsspindel horizontal dicht unter der Oberfläche des animalen Pols gelagert ist. Der Vergleich mit Fig. 57 bis 59 lehrt, dass die Menge des die Spindel umgebenden feinkörnigen Plasmas sehr erheblich abgenommen hat; es ist ein unbedeutender Hof, der die Contour der Spin- del von den Dotterkörnern trennt. (An der oberen Seite der Spindel in Fig. 60 scheint sie ganz zu fehlen.) Die Spindel erscheint bedeutend gewachsen. Die Länge beträgt in Fig. 58 30u, in Fig. 60 4lu. Die zwar achromatischen, aber kräfti- gen Fasern der Spindel geben derselben namentlich nach den Polen zu, wo sie sich dichter zusammendrängen, eine sichere Ab- grenzung. Namentlich an den Rändern peripherer Schnitte (wie unten rechts in Fig. 61) sieht man eine sehr deutliche Polstrah- lung. Am Pole selbst (rechts in Fig. 60) ist aber nur eine ge- ringe, platte Ansammlung körnigen Protoplasmas zu sehen. (Dar- nach sind meine früheren Angaben zu corrigiren.) Die Chromosomen sind nicht ganz regelmässig um den Aequa- tor der Spindel im Kranze herum angeordnet; sie sind sämmtlich doppelt (getheilt) — Doppelsternform. Jedes der beiden Theilstücke ist ungefähr rechtwinklig gebogen ; zwei aneinander liegende Schenkel der Paarlinge stehen radiär angeordnet in der Ebene des Aequators der Spindel; mit den beiden anderen Schenkeln divergiren die Paarlinge gegen die Pole der Spindel hin. Dadurch kommt für zwei zusammengehörige Paarlinge eine äusserst charak- teristische T-Form heraus. Ich zähle 12—14 Chromosomenpaare. Fig. 62 und 63 geben eine etwas ungewöhnliche Form. Die erste Richtungsspindel eines Bauchhöhleneies, die sich aus- nahmsweise schon radiär eingestellt hat; — gewöhnlich findet diese Umstellung erst im Anfang der Tube statt. Das Präparat ist aber besonders schön. Die Spindel erscheint zwar auch staxk bauchig, aber in allen Durchmessern etwas kleiner als bei Fig. 60 und 61. Möglicher Weise trägt die verschiedene Behandlung daran die Schuld. Die Pohlstrahlungen sind ebenfalls sehr deut- lich zu sehen. 46 G. Born: 3. Uebersicht und Besprechung der Literatur. Dem Altmeister der modernen Lehre vom Baue des Kernes, Flemming, sind die Strukturen im Keimbläschen des Amphibien- eies, die ich als Chromatinfadenstränge beschrieben habe, nicht ent- gangen und er schildert dieselben in seiner ausgezeichnet scharfen Weise (1) (p. 133— 137); das zugehörige Bild (Fig. G. Jüngeres Eier- stocksei von Siredon piseiformis) hat in der neuesten Auflage der O. Hertwig’schen Entwicklungsgeschichte Aufnahme gefunden ; es ist ein Chromsäurepräparat (!/, °/,) mit Färbung in verdünntem Böh- mer’schen Hämatoxylin 24 St. Mir fällt nur auf, dass in dem Bilde trotz der hohen Ausbildung der Chromatinfadenstränge die chromatinfreie periphere Zone kaum angedeutet ist. Auch die Schwierigkeit der Tinktion dieser Struktur hebt F. hervor. Da (der betreffende Text schon von Holl in extenso eitirt worden ist, kann ich wohl auf eine ausführliche Wiedergabe verzichten. Gleiche Bilder erhielt F. auch vom Salamander und vom Frosch. Bei Fischen war in Bezug auf Querstrichelung der Stränge noch keine Sicherheit gewonnen. F. behandelt die Frage, ob die be- treffenden Strukturen etwa artifieiell durch Wirkung der Rea- gentien entstanden sein könnten, mit grosser Vorsicht, neigt aber doch zu der Annahme einer Präformation derselben. Dass die Stränge nicht einfach „quergestrichelt“ sind, sondern eine com- plieirtere Struktur besitzen, lehrt der Vergleich mit meinen Bildern. Iwakawa’s Bilder (2) Fig. 19 und 27, die von Flemming als „treu dargestellt“ eitirt werden, sind dies gewiss, doch zeigen sie nicht das, was ich hier geschildert habe. Fig. 19 zeigt ein diehtes Chromatinnetzwerk im Keimbläschen eines jungen Eies von Triton pyrrhogaster (240u Durchmesser), — der Keim- bläscheninhalt ist aber geschrumpft und hat sich von der Mem- bran zurückgezogen —; diese Bilder kenne ich wohl, sie treten beim Gebrauch kalter Reagentien an diesen Objekten, an jungen Eiern, fast regelmässig auf; dieselben haben mich zu der fal- schen Schilderung in der Mittheilung im anatomischen Anzeiger (19) verführt. In Fig. 17 ist der Keimbläscheninhalt des Eies (570u Durchmesser) nicht geschrumpft. Ob das Netzwerk ziem- lich breiter, schwach körniger Stränge, das den Keimbläschen- inhalt durchsetzt und sich bis an die Kernwand erstreckt, unseren Chromatinfadensträngen entspricht, wage ich nicht zu entscheiden. Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 47 Die Verhältnisse der Nucleolen, namentlich die centripetale Wan- derung derselben in grösseren Eiern, hat der Verfasser sehr gut dargestellt. Rabl (3) (p. 318—321) hat die Gebilde, die ich Chroma- tinfadenstränge genannt habe, in mittelreifen Ovarialeiern von Proteus gefunden (Behandlung : Chromameisensäure und Chrom- osmiumessigsäure, Färbung mit Safranin) und beschreibt dieselben ganz ähnlich wie Flemming. Fig. 11 auf Taf. XI giebt bei schwacher Vergrösserung ein Bild der Structur. Bei jüngeren Eiern schien es ihm sogar einmal, „als ob ein einziger, continuir- lich zusammenhängender Faden vorhanden wäre, ganz ähnlich, wie dies von Balbiani, Flemming und neuerdings auch von Leydig von den Kernen der Speicheldrüsenzellen der Chironomuslarve beschrieben worden ist.“ Rabl polemisirt gegen die Auffassung der zahlreichen wandständigen Körper des Keim- bläschens im Amphibienei als Nucleolen und leugnet, dass die- selben im Innern des Keimbläschens und in dem Gerüstwerk vor- kämen. Dieselben wären ins Innere nur beim Schneiden von dem Messer mitgenommen. Dass dies öfter vorkommt, ist ganz zwei- fellos und habe ich solche übrigens unschwer zu erkennende Fälle auch gesehen. Für den grössten Theil der centralen Nueleolen ist aber eine solehe Herleitung ganz bestimmt nicht anzunehmen. Die centrale Wanderung sämmtlicher peripherer Nucleolen in späteren Stadien ist einer solchen Deutung ganz unzugänglich. Das Verhalten der fraglichen Körper bei der Mitose, die der Bildung des ersten Richtungskörperchens vorausgeht — sie blassen ab und zerfallen — spricht jedenfalls sehr stark für ihre Deutung als Nucleolen. Eine sichere Herleitung der peripheren Nucleolen von den Nucleolen des Ureies, die innerhalb des Chro- matinnetzwerks liegen, bin ich freilich auch nicht im Stande zu geben; — in Bezug auf ihre Entstehung also bleibt hier eine Lücke. Wollte man die Gebilde nicht als Nueleolen auf- fassen, so wären sie Besonderheiten des Fisch- und Amphibien- Eies und man müsste einen besonderen Namen für dieselben schaffen. Die grundlegende Arbeit von O. Schultze (4) habe ich schon in meiner ersten Mittheilung ausführlicher berücksichtigt. Es genügen daher einige kurze Angaben, die sieh auf mein spe- AB G. Born: cielles Thema in der vorliegenden Arbeit beziehen. O. Schultze hat im Keimbläschen des reifenden Amphibieneies (entsprechend meinem Stadium 5) den Chromatinfadenknäuel entdeckt. Er be- schreibt die centripetale Wanderung der Nucleolen und den Zer- fall derselben ganz richtig, leitet aber den Chromatinfadenknäuel fälschlich aus den Zerfallsprodukten der Nucleolen, aus den „win- zigen Keimkörperchen“, her; die Chromatinfadenstränge meines vierten Stadiums sind ihm entgangen. Auch ist es S. nicht gelungen, Eier mit oberflächlichem Keimbläschen aufzufinden, doch sagt er ausdrücklich: „So kann ich mich jetzt auch nicht gegen die Möglichkeit des Emporrückens des Keimes an die Oberfläche aus- sprechen, wie dasselbe von Hertwig beschrieben und abge- bildet ist.“ Dagegen hat S. am Eierstocksei einer Bufo varia- bilis ein letztes Endstadium, eine in der Bildung begriffene erste Riehtungsspindel beschrieben und abgebildet. Holl hat bei der Ovarialreifung des Huhnes Erscheinungen beschrieben, die wenigstens in den Anfangsstadien, wie ich schon in der Mittheilung im anatomischen Anzeiger erwähnte, den hier für Triton geschilderten in hohen Masse gleichen. Er fasst dieselben (5) (p- 27T und 28) selbst ungefähr folgendermassen zusammen: „Die chromatische Substanz des Kernes besteht anfangs aus einem engen, dichten Netzwerke, das allmählich lockerer wird und in einen Fadenknäuel übergeht. — Der Fadenknäuel nimmt an Aus- dehnung zu, wird lockerer, und die ihn aufbauenden Fäden be- ginnen einen Querbau zu zeigen, d. h. sie bestehen aus durch Achromatin verbundenen, an einander gereihten Kugeln (Bal- biani-Pfitzner’sche Kugeln). Der Querbau wird immer deut- licher, zugleich aber entsenden die Theilstücke von ihrer Ober- fläche feinste Ausläufer in den umgebenden Kernsaft. Die Knäuel- form der ehromatischen Substanz geht verloren und an ihrer Stelle durchziehen den Kern deutlich quergebaute „Gerüststränge, die in verschiedenster Weise verschlungen sind. Die Ausläufer, Strah- len der Querstücke werden immer länger.“ „Die Strahlen selbst zeigen bald auch einen deutlichen Querbau, und wahrscheinlich senden die Theilstücke der Strahlen von ihrer Oberfläche eben- falls Strahlen aus.“ Ich muss hier einschalten, dass nach dem vorausgehenden Text und nach den Abbildungen auch beim Hulın die Ausbildung der quergebauten Gerüststränge aus den Chro- matinfäden (Ei von 292u Durchmesser, Kern 81,6. Fig. 6) mit Die Struktur des Keimbläschens im Övarialei von Triton taeniatus. 49 dem Auftreten einer chromatinfreien peripheren Zone zusammen- fällt, die mit der Grössenzunahme des Keimbläschens und der weiteren Ausbildung der Gerüststränge (Chromatinfadenstränge mihi) an Breite zunimmt, wie bei Triton. Eine Periode, in der die Chromatinfäden des Knäuels feiner und unsichtbar werden — ehe die Chromatinfadenstränge auftreten — scheint beim Huhn nicht vorzukommen. Doch ist immerhin zu bedenken, dass zwi- schen Fig. 5 (Ei von 116u, Kern 58,7), die den Chromatifaden- knäuel zeigt, und Fig. 6, die die Chromatinfadenstränge erkennen lässt, ein recht erheblicher Grössenunterschied ist; das Ei ist in- zwischen um mehr als das 1!/,-fache gewachsen. Wenn ich die be- treffenden Angaben und Zahlen des Autors richtig deute, scheint auch beim Huhn die Ausbildung der „Gerüststränge“ mit dem Auftreten des Nahrungsdotters ziemlich zusammen zu fallen. — Ganz abweichend von den Tritonen ist folgendes Verhältniss. Es ist nur ein einziger Nueleolus vorhanden, dieser liegt immer inner- halb der Gerüststränge und verschwindet frühzeitig. — Nament- lich die Fig. T von Holl lässt, abgesehen von seiner Beschreibung, gar keinen Zweifel darüber, dass es sich bei seinen ‚‚Gerüststrän- gen“ im Keimbläschen des Huhns um ganz dieselben Dinge han- delt, wie bei meinen Chromatinfadensträngen bei Triton. Bemer- kenswerth ist auch, dass die längsten Strangstücke dieser Figur sehr deutlich gepaart und um einander gewunden erscheinen. Um so auffallender erscheint es, dass H. die Gerüststränge bei grösseren Eiern zerfallen und ihre cehrematischen Körner sich diffus im Kermsaft vertheilen lässt, so dass dieser ein fast ho- mogenes Aussehen erhält. Es muss aber hervorgehoben werden, dass Holl nur noch ein Keimbläschen beschreibt und abbildet, das sich einigermassen direkt an das der Fig. 7 (Ei 491u, Kern 117) zu Grunde liegende, in dem die Gerüststränge wahrscheinlich ihre höchste "Ausbildung erreicht haben, anschliesst; es ist dies 129 = Fig. 8 (Ei 629u, Kern 5 1 u). Hier ist der Kern der Oberfläche näher gerückt und zeigt die Form einer planconvexen Linse. In diesem Kerne waren nur noch „geringe Reste der Gerüststränge vorhanden.“ Dann folgt in der Beschreibung und Abbildung Sol adlige 4 sogleich ein Ei von 30 mm (Kern 58 u). Hier ist also eine kolos- sale Kluft in der Beobachtungsreihe. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 4 50 G. Born: Diese ist aber inzwischen theilweise ausgefüllt. Veranlasst dureh Rückert’s und meine Beobachtungen stellte Holl an der Hühnereizelle eine Nachuntersuchung an und fand, wie er in seinen dem Säugethierei gewidmeten Aufsätzen veröffentlicht ((6) € und (7) p. 31—33 Taf. II, Fig. 25 a u. b) bei einer 20 mm 296 ‚u ein „exeentrisch grossen Eizelle mit einem Keimbläschen von 28 gelagertes, durch seinen Glanz auffallendes Fadenwerk, welches einen Raum von eirca 24u Länge und 16u Breite einnahm.“ Nach einer genauen Beschreibung des Fadenwerkes, wie es sich beim Gebrauch der homogenen Immersion darstellt, fährt der Autor fort: ,‚Mit Beziehung auf die Befunde Rückert's und Born’s ist wohl mit Sicherheit anzunehmen, dass das Fadenwerk dieses Keimbläschens aus jenen Gerüststrängen hervorgegangen ist, welche in meiner oben eitirten Abhandlung in Fig. 7 abgebildet sind. Weitere Funde habe ich nicht machen können. ... .“ „Nach diesem Befunde scheimt es mir wohl sehr wahrscheinlich, dass das weitere Schicksal dieses Fadenwerkes bei dem Huhne ein solches ist, wie es Rückert und Born bei Selachier- und Amphibien - Eiern gefunden haben, nämlich dass aus ihm die Chromatinstäbe für die Bildung der Aequatorialplatte hervor- gehen.“ Die Zwischenstadien, welche den Uebergang der „Ge- rüststränge‘“ in das Fadenwerk zeigen, müssen also bei Eiern von 629 u bis 20 mm gesucht werden. Holl hat die Gerüststränge aber auch schon bei Triton und Rana gesehen und spricht davon an einer Stelle (5 p. 33), die ich früher übersehen hatte. Die betreffende Stelle heisst: „Flemming aber hat solche (nämlich Gerüststränge, die 0. Sehultze nicht gefunden hat) gesehen und ich kann beifügen, dass ausser bei Triton dieselben auch bei Rana von mir beob- achtet wurden. Auch bei Lacerta habe ich sie gefunden, wo sie selbstverständlich auch nur einen bestimmten Reifezustand des Kernes, bezw. der Eizelle, darstellen können, wie dies auch für die Amphibien angenommen werden muss.“ Bei Säugethieren glaubt H. „Andeutungen von diesen Vorgängen in der chroma- tischen Substanz gefunden zu haben.“ Doch war sein Material nicht zweckentsprechend fixirt. In seiner neueren Arbeit (7 p. 35) hat H. nochmals, aber vergeblich, nach „Gerüststrängen“ beim Säugethierei gesucht. —- Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 51 Die Darstellung Holl’s von den Reifungserscheinungen beim Ovarialei der Säuger bietet mit unserem Objekte im Uebrigen kaum Vergleichungspunkte. Nachdem meine Mittheilung im anatomischen Anzeiger (10) zum Abschluss gebracht war, habe ich bis nach Vollendung der Darstellung meiner Befunde und der zugehörigen Figuren für den vorliegenden Aufsatz die Rückert’sche Arbeit (9) zur Entwiekelungsgeschiehte des Ovarialeies bei Selachiern mit voller Absieht nicht gelesen. Ich wollte mich in der Deutung (ler immerhin schwierigen Bilder nicht beeinflussen lassen. Jetzt, wo ieh den Rückert’schen Aufsatz vergleichend durchnehme, bin ich selbst überrascht von der grossen Aehnlichkeit, die zwi- schen unseren Beobachtungen herrscht ; wobei ich aber nochmals hervorheben muss, dass ich in Bezug auf die ersten Stadien seit meiner ersten Mittheilung wesentlich weiter gekommen bin. Ge- rade aber die Modifieationen, die ich gegenüber meiner ersten Darstellung in einigen Punkten vorzunehmen hatte, machen die Analogie noch vollständiger, und ich darf wohl betonen, dass ich, als ich im Laufe des letzten Jahres meine Anschauung aus- gestaltete und schriftlich fixirte, von der speeiellen Ueberein- stimmung derselben mit der Rückert’schen Darstellung der betreffenden Verhältnisse im Selachierei keine Ahnung mehr hatte. In den kleinsten Eiern (28 u Durchmesser) von Pristiurus findet Rückert ausser emigen kleinen glänzenden Nucleolen ein deutliches und noch leicht färbbares Chromatingerüst. „Das- selbe besteht aus isolirten, unverästelten Chromosomen von ziem- lich gleiehmässiger Dieke und geschwungenem Verlauf, die einen den ganzen Kernraum erfüllenden Knäuel bilden.“ R. betont, wie ich, die Aehnlichkeit mit der Knäuelphase der Mitose. Dieses Bild entspricht offenbar dem Anfang meines Stadiums 2, nur dass ich keine getrennten Chromatinfäden, sondern einen zusammen- hängenden Chromatinfaden auffinden konnte. R. stellte durch sehr mühsame Untersuchungen die Zahl der Chromosomen im Ei von Pristiurus auf 30—36 fest (dieselbe Zahl, wie in den somatischen Zellen). Während des darauf folgenden Wachsthums des Keimbläschens nehmen die Nucleolen sehr beträchtlich an Zahl und Grösse zu. „Anfänglich liegen sie zerstreut, aber mit Vorliebe peripher und oft dieht an der Kernmembran.* Später . 184) G. Born: drängen sie sich in einem bestimmten, meist der Oberfläche des Eies zugewandten Abschnitte des Keimbläschens zusammen, wo sie schliesslich einen Haufen von sehr beträchtlichem Umfange (!/, des Keimbläscheninhalts) bilden. Das Letzte ist etwas abweichend von meinen Befunden bei Triton, ich vermuthe aber, dass die „Hau- fenbildung“* bei Pristiurus der Anhäufung der Nucleolen nach ihrer centripetalen Wanderung um die Schleifenfigur bei Triton entspricht, zumal R. betont, dass kleine und kleinste Nueleolen sieh bis zur Schleifenfigur ausdehnen, welche von diesen reichlich durchsetzt wird. Es bliebe dann nur der geringfügige Unterschied, dass bei Pristinrus die centrale Anhäufung von Nucleolen die Schleifen- figur nicht allseitig umgibt, wie bei Triton. In den späteren Stadien verklemern sich die Nucleolen bei Pristinrus sehr erheblich. „Die einzelnen Nucleolen verlieren dabei nicht nur stark an Umfang, sondern gegen Ende der Periode auch an Färbbarkeit, bis sie schliesslich ganz verblassen.“ Auch diese Endschicksale der Nucleolen bei Pristiurus entsprechen genau den bei Triton beobachteten. „Die Chromosomen werden während der Wachsthumsperiode des Keimbläschens zunächst etwas länger und etwas dicker, rücken aber dennoch in Folge der gleichzeitigen Vergrösserung des Kernraumes etwas mehr aus einander als früher.... Das auffallendste Phänomen ist, dass die Öhromosomen während dessen mehr und mehr an Färbbarkeit verlieren .... Diese Veränderungen an den Chromosomen steigern sich bis zu dem Masse, dass schliesslich, etwa bei Eiern zwischen !/;—!/, mm Durchmesser, das färbbare Gerüst höchst undeutlich wird.“ „Verhältnissmässig am leichtesten findet man die Chromo- somen in dieser kritischen Entwickelungsperiode noch bei schwa- cher Vergrösserung auf. Hier zeigt das Keimbläschen anfänglich ein geflecktes, marmorirtes Aussehen, indem geschwungene Bän- der von dunklerer Beschaffenheit und anscheinend diehterer Con- sistenz mit etwas blasseren, mehr lockeren Streifen von nahezu gleicher Breite wechseln, ohne dass die beiderlei Bildungen scharf von einander abgegrenzt wären. Die ersteren ergeben sich bei näherer Untersuchung als die stark verbreiterten Chromosomen, die letzteren als die dazwischen gelegene Kerngrundsubstanz, welche durch die Schleifen stark eingeengt wird.“ Diese herausgegriffenen Stellen machen es klar, dass es Die Struktur des Keimbläschens im ÖOvarialei von Triton taeniatus. 53 sich um dieselben Vorgänge wie beim Ende meines Stadiums 2 und während meines Stadiums 5 handelt; die Vollkommenheit der Aehnliehkeit kann nur aus dem Vergleich des ausführlichen Textes ersehen werden. Sogar die Grösse der Eier, bei der (nach meiner Bezeichnung) Stadium 3 einsetzt (!/, mm), ist die- selbe, nur dass sich dasselbe entsprechend dem grösseren Ge- sammtwachsthum des Eies bei Pristiurus länger ausdehnt. R. ist, wie ich, zu der Anschauung gelangt, dass trotz der Abnahme der Färbbarkeit der Chromosomensubstanz, die er wohl auch auf eine Art Quellung und auf feinere Zertheilung der chromatischen Sub- stanz zurückführt, die Chromosomen (resp. Chromatinfäden) sich während dieses „kritischen“ Stadiums nicht vollständig auflösen, sondern erhalten bleiben. Dann folgt bei Pristiurus das Stadium, in dem das Gerüst- werk wieder schärfer hervortritt (Eier von ?/, und 1 mm). Dies ist fraglos genau dasselbe, wie unser Stadium 4 bei Triton. „Es bildet sich hierbei ein Zustand aus, den man als den Höhepunkt dieses ganzen Entwickelungsprocesses ansehen darf und der ın Fig. 1 an dem Stück einer Schleife dargestellt ist. Es besteht hier das Chromosoma aus einem Knäuel complieirt gewundener und dieht verschlungener Fädcehen, deren Hauptrichtung meist eine quere ist. Die Mikrosomen, die schon in früheren Stadien zu kurzen Stäbehen sich verlängert hatten, sind jetzt zu ge- wundenen Fädchen ausgewachsen. Auf Querschnitten der Schleife tritt, wie Flemming für Siredon schon beschrieben hat, „das Bild eines Sternes mit dunkler Mitte auf,“ d. h. es sind die Fädcehen radiär zur Längsaxe der Chromosomen gestellt. Man kann sich, ganz im Groben, eine plastische Vorstellung von dem Bau eines Chromosomenstückes entwerfen, wenn man eine Lam- peneylinderbürste denkt, deren Fäden nach dem Gebrauch stark verbogen und unter einander verfilzt sind.“ Dies sind die Bil- dungen, die "ich „Chromatinfadenstränge“ genannt habe. Die seringen Unterschiede, die sich bei specieller Vergleichung zwi- schen der Rückert’schen und meiner Schilderung finden, müssen wohl theils auf die Verschiedenheit des Objekts, theils auf die verschiedene Behandlung der Präparate bezogen werden. Ich möchte hier die Bemerkung einflechten, dass das von R. be- vorzugte Reagens, nämlich Sublimateisessig (freilich mit stärkerem Essigzusatz als bei R.) mir für Triton sowohl mit Carmin- wie 54 GRBoOEn: Hämatoxylinfärbung in Bezug auf Differenzirung der Chromatin- fadenstränge ganz schlechte Resultate gegeben hat. Es ist das aber nicht so wunderbar, denn bei Knochenfischeiern hat uns, wie ich jetzt schon bemerken will, Chromsäure gar nichts, Sublimat- eisessig dagegen Ausgezeichnetes geleistet. R. sagt: „Das Chromatingerüst (in unserem Stadium) durch- setzt, mit Ausnahme einer anfänglich sehr schmalen Randzone und der Zone der Nucleolen, das ganze Keimbläschen und bildet hier einen Knäuel mit weiten Maschen (Fig. 2).“ Ich darf wohl daraus entnehmen, dass sich auch bei Pristiurus im Stadium des Auftretens der Chromatinfadenstränge eine anfänglich schmale, später aber breitere, chromatinfreie, periphere Zone im Keim- bläschen ausbildet. R. fand noch in diesem Stadium isolirte Chromosomen (Chromatinfadenstränge) und diese paarig (zu zweien um einander gewunden) angeordnet. Ich habe das bei Triton in diesem Sta- dium nicht finden können. Es kann dies theilweise an meiner Methodik liegen. . Bei der eigenthümlichen Struktur und An- ordnung der Chromatinfadenstränge und deren Länge (bei Pri- stinrus 8O—100, sogar 120 u) würden sich die Lücken zwischen den einzelnen Stücken an Schnittpräparaten nur schwer wahr- nehmen lassen; die Lücken könnten mir also entgangen sein. Die Methode Rückert's, das Keimbläschen im Ganzen zu untersuchen, begegnet bei Triton aber der Schwierigkeit, dass hier die entweder peripher oder central gelagerten Nucleolen in einer geschlossenen Kugelschale den Chromatinknäuel dicht ge- lagert umgeben und, da sie die Farbstoffe noch viel intensiver aufnehmen und harnäckiger festhalten als die Chromatinfaden- stränge, dieselben verdecken. Ich will aber später mein Heil mit dem Rückert’schen Verfahren nochmals versuchen; ich habe bisher nur ganz wenige dahin zielende Versuche gemacht. Eine Theilung des Chromätinfadenknäuels in einzelne Stücke konnte ich auf den Schnitten erst in späteren Stadien (Stadium 5) beobachten. Die „Paarung“ der Fadenstücke hätte ich aber im Stadium 4 sicher auch auf den Schnitten gesehen; denn wie ich oben hervorgehoben habe, beim Beginn der Reduktion der Chromatinfadenstränge zu einfachen glatten Chromatinfäden habe ich dieselbe öfters beobachtet. Die Verhältnisse liegen für die Beobachtung in beiden Fällen ziemlich gleich. Ich möchte Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 55 also annehmen, dass die Paarung und Umeinanderwindung der Fadenstücke bei Triton etwas später auftritt als bei Pristiurus. Rückert konnte bei Pristiurus die Schleifenpaare in unserem Stadium (dem der Chromatinfadenstränge) zählen, es waren 30 bis 36 Paare, also 60—72 einzelne Chromosomen, d. h. doppelt so viele als im Anfangsstadium. Er meint weiter, „der Umstand der paarigen Anordnung der Schleifen spricht sehr dafür, dass die Verdoppelung auf dem gewöhnlichen Wege der Längsspal- tung einer Mutterschleife in 2 Tochterschleifen entstanden ist.“ In Bezug auf diesen Punkt bin ich anderer Ansicht. Auch R. kann die Verdoppelung nicht direkt nachweisen. Es ist aber nicht zu vergessen, dass zwischen dem Anfangsstadium mit der Schleifenzahl von 30—36 und dem Stadium der Chromatinfaden- stränge mit der Schleifenzahl von 60—72 sich das Stadium ein- schiebt, in dem die Chromosomen äusserst undeutlich werden und in dem auch R. über ihre Schieksale durchaus nichts Si- cheres auszusagen vermag. Es ist sehr möglich, dass sie bei ihrem Wiedererscheinen (in sehr veränderter Form) auch so- gleich in doppelter Zahl auftreten, das würde soviel sagen, dass bei Pristiurus (im Stadium 3 nach meiner Eintheilung) eine Quertheilung der Chromatinfäden einsetzt, die ihre Zahl ver- doppelt, worauf sie dann im Stadium 4 sich zu zweien aneinander lagern und um einander winden. Bei Triton würden sich dann nur folgende Abweichungen finden : 1) Die Chromosomen scheinen im Anfangsstadium nicht getrennt. 2) Die Trennung (?) wie die Paarung derselben setzt später ein wie bei Pristiurus. — Leider kann ich über die Zahlen- verhältnisse der Chromosomen bei Triton vorläufig nichts aus- sagen. An Eiern (nach meiner Bezeichnungsweise von Stadium 2 an) habe ich keine Mitosen mehr gesehen; — an Ureiern sind dieselben nicht selten. Zählungen der Chromosomen werden sich vielleicht in”bestimmten Stadien, in denen das Keimbläschen an die Oberfläche gerückt ist und die Nucleolen abgeblasst sind, nach dem Rückert’schen Verfahren vornehmen lassen. Ich zweifle gar nieht daran, dass sich dann bei Triton dieselben Ver- hältnisse zeigen werden, wie bei Pristiurus, d. h. dass die Zahl der einzelnen Chromosomen im Ei, das der Reife nahe ist, dop- pelt so gross ist, als im Urei (und in den somatischen Zellen). ieh möchte nur noch hervorheben, dass, wenn die Verdoppelung 56 GrBotm: und Paarung der Chromosomen nicht durch Längsspaltung herbei- geführt wird, sondern dadurch, dass der Chromatinfaden sich (der Quere nach) in die doppelte Zahl von Stücken zerlegt und diese sich dann zu zweien um einander winden, das Paradoxe wegfällt, was, wie R. wohl gefühlt hat, der Längsspaltung, deren Effekt später wieder annullirt wird, anhaftet. Meine Auffassung fügt sich viel besser den Postulaten der Weissmann’schen Theorie. Eine Vereinigung von verschiedenen Chromosomen zu zweien ist wohl geeignet, die geforderte verschiedenartige Mi- schung von Qualitäten herbeizuführen. Freilich muss man dazu Bewegungen der Chromosomen annehmen; — ohne diese Annahme kommt man aber so wie so nicht aus. Es ist interessant, dass der maximale Durchmesser, den das Keimbläschen bei Pristiurus und beim Huhne (nach Hol) erreicht, ungefähr derselbe ist, wie bei Triton, nämlich etwas über !/, mm. Leider fand ich bei R. keine Notiz darüber, ob das Auf- treten der Chromatinfadenstränge bei Pristiurus wie bei Triton mit der Ablagerung der Nahrungsdotterkörner im Ei zusam- menfällt. Das folgende Stadium bei Pristiurus ist genau dasselbe wie bei Triton (Stadium 5). Die Chromatinfadenstränge bilden sich zu einfachen Fäden zurück (bei R. p. 124 u. ff. Fig. 3). Bei Pristiurus geht dabei die Länge der einzelnen Chromosomen sehr erheblich zurück, von 100 auf 10—12 u. Bei Triton tritt nach meinen bisherigen Beobachtungen jetzt erst die Zerlegung des Chromatinfadenknäuels in einzelne Stücke auf, doch kamn ich, wie oben gesagt, nicht mit Bestimmtheit eine frühere Zerlegung ableugnen. Wie dem auch sei, wenn man alle Fäden zusammen- rechnet, so erleiden sie auch bei Triton, wie ein Blick auf meine Figuren lehrt, während des Stadiums 5 eine sehr erhebliche Längenreduktion. In Bezug auf die Einzelheiten bei der Structur- veränderung der Chromosomen muss ich auf das Rückert’sche Original verweisen, auch hier ist die Aehnlichkeit in die Augen fallend, doch kann ich mich mit dem Schlusssatz, „dass die Mikrosomen bei der Rückbildung der Schleifen im Wesentlichen die gleichen Phasen durchlaufen, welche sie — nur in umge- kehrter Reihenfolge — während der Wachsthumsperiode dureh- gemacht haben“, nicht ganz einverstanden erklären. Die Struktur des Keimbläschens im Övarialei von Triton taeniatus. 57 Die nächste Erscheinung bei Pristiurus ist, „dass sich der Chromosomenknäuel etwas auflockert, insofern die einzelnen Schleifenpaare in grössere Entfernung von einander rücken“ (p. 128, Fig. 4). Es ist das wahrscheinlich dieselbe Erscheinung, die ich bei Triton beobachtet habe: ich fand, dass die Chromo- somenpaare nicht mehr einen kugligen Raum durch und durch erfüllen, sondern sich auf der Oberfläche einer Kugelschale anordnen. Die letzten Stadien kurz vor Schwund und während des Schwundes des Keimbläschens (3. Entwickelungsperiode nach Rückert, 6. Stadium bei mir) bieten bei Triton und Pristiurus auch noch eine ganze Anzahl sehr wichtiger Analogien, doch möchte ich auf eine speeielle Anführung derselben ebenso wie der Differenzpunkte schon in Rücksicht auf den Raum Ver- zicht leisten. Nur Eines sei hervorgehoben: Die gepaarten Chromosomen verkleben in beiden Fällen mit eimander. Dann folgen nicht ohne Weiteres mit einander vergleichbare Bilder, das Endresultat ist aber, dass bei Triton und bei Pristiurus in die erste Richtungsspindel eine auffällig geringe Zahl kurzer, dicker Chro- mosomen eintreten. Bei Pristinrus vermochte Rückert die Zahl derselben als die Hälfte der Zahl der Chromosomenpaare, also als die Hälfte der für die Art typischen Chromosomenzahl zu bestimmen. Es müssen sich demnach noch je zwei Chromo- somenpaare zu einem Stück vereinigt haben. Bei Triton beträgt die Zahl der Chromosomen in der ersten Riehtungsspindel 12—14; die Zahl der Chromosomen in den somatischen Zellen wird auf 24 angegeben. Durch die Güte des Verfassers ging mir in jüngster Zeit eine im vorigen Jahre gedruckte, amerikanische Inauguraldisser- tation zu, die eine ganze Reihe auf mein Thema bezüglicher Beobachtungen und Angaben enthält. Der Verfasser, Herr E. 0. Jordan, hat m Prof. Whitman’s Laboratorium die Lebens- weise und die Entwicklung des kleimen nordamerikanischen Mol- ches Diemyetylus viridescens, Raf. studirt und behandelt auch die Ovarialreifung des Eies bei diesem T'hiere ziemlich ausführ- lieh. Es ist mir interessant, dass der Autor ausser dem Flem- ming’schen Osmiumgemisch zum Tödten und Fixiren der Ova- rialeier vorzüglich die Hitze (Wasser von 80°C.) empfiehlt und von dem letzteren Agens”mit,Recht rühmt, dass nach Emwirkung desselben keine Schrumpfung des Keimbläschens eintrete. Zum 58 G:-Born: Nachhärten nach einer sehr kurzen Einwirkung der Hitze (we- nige Sekunden) hat Jordan Alkohol in langsam gesteigerter Stärke gebraucht; — ich glaube nicht, dass Alkohol als ein gutes Reagens zur Erhaltung feiner Kernstrukturen anzusehen ist und möchte die von den meinigen abweichenden und, wie ich glaube, unvollkommenen Bilder der Chromosomen, die er er- halten hat, zum Theil auf Rechnung dieses Umstandes setzen. Jordan beschreibt die Chromosomen als Stränge, die aus unter- einander zusammenhängenden Körnchen von verschiedener Grösse bestehen und betont ausdrücklich, dass er niemals Chromosomen von der seltsamen fädigen Struktur (of the eurious filamentous structure) gesehen hat, wie sie Rückert am Selachierei fand. (sanz richtig beschreibt der Verfasser, wie viel schwieriger die „Chromosomen“ sich in grösseren und älteren Eiern färben, als in kleineren und jüngeren. In seinen Figuren 4 und 14 giebt er, glaube ich, Bilder von Keimbläschen, die in mein zweites Stadium gehören werden, d. h. es sind im Keimbläschen Stücke des Chromatinfadenknäuels zu sehen. In Fig. 14 stellen die gekörnelten, gesechwungenen Stränge aber wahrscheimlich nicht allein . die Chromatinfäden, sondern dieselben nicht differenzirt von dem sie umgebenden körnigen Hof dar. Fig. 15 und 16, Bilder von Keimbläschen, die schon eine sehr breite ehromatin- freie Zone besitzen, müssten die Chromatinfadenstränge vielleicht sogar schon in der Reduktion zeigen; es sind aber in dem Cen- tralkörper nur sehr blasse, schwachkörnige Fäden zu sehen; hier, glaube ich, hat das Färbungsmittel (Carmin) im Stich ge- lassen; — ich habe mit diesem Tinktionsmittel, wie ich schon früher mitgetheilt habe, auch keine genügende Tinktion der Chromatinfadenstränge erreichen können. — Verfasser betont ganz besonders gegenüber O. Schultze, dass jedenfalls während der ganzen Existenz des Keimbläschens Chromatinfäden oder Chromosomen in demselben deutlich nachweisbar sind und dass die Chromatinfäden des Knäuels, den O. Sehultze in den späteren Stadien entdeckt hat, nicht dureh Zerfall von Nucleolen entstehen. Ob Herr Jordan die kritischen Stadien, in denen in der That in den allermeisten Eiern keine distinkten Chromatinfäden zu unterscheiden sind (mein Stadium 3), gesehen hat, scheint mir fraglich; —- wenigstens bildet er Keimbläschen, die ich dahin rechnen würde, nieht ab; — doch ist seine Opposition gegen Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 59 die Sehultze’sche Herleitung des Chromatinfadenknäuels eine vollberechtigte. Jedenfalls muss ich nochmals hervorheben, dass ieh selbst die jüngeren Stadien (bis inelus. Stadium 3) in meiner ersten Mittheilung, verleitet durch ein ungeeignetes Reagens, falsch beschrieben habe. — Die Endstadien der Ovarialentwick- lung sind dem Verfasser merkwürdigerweise entgangen, obgleich er p. 3053 unten bemerkt, dass er sorgfältige Serienschnitte dureh eine Anzahl von Eiern gelegt hat, die äusserlich einen hellen Fleck zeigten und anscheinend im Begriff standen, sich vom Ovarium abzulösen; Verfasser hat also in der That die Endsta- dien vor sich gehabt, vielleicht aber nur in wenigen Exemplaren ; ddenn er hat, wie es scheint, meist Aquariumthiere, die längere Zeit in Gefangenschaft gehalten waren, untersucht. In Bezug auf die Schicksale der Nucleoli stimmen unsere Angaben genü- gend überein. Der Verfasser hat in einer Note meine Mitthei- lung im anatomischen Anzeiger schon berücksichtigt; er scheint nit der Vermuthung, die ich dort p. 777 über das Archiplasma und die Centrosomen des Keimbläschens aussprach, wenig zu- frieden zu sein. Ich habe diese Frage in der vorliegenden Ab- handlung ganz bei Seite gelassen, weil ich mich bald überzeugte, dass dieselbe ein besonderes Studium und vor Allem ganz beson- ddere Methoden erheischt, ich werde aber auf dieselbe noch später zurückkommen. R. Fiek (12) beschreibt im Keimbläschen des Axolotl- Eies die charakteristischen Chromosomenpaare, die zwischen den centralen, theilweise abgeblassten (Nucleolenschatten) und zerkleinerten Nucleolen liegen. „Man sieht kleine rundliche Stäbehen, am häufigsten aber gabelig getheilte, Y-förmige, fast geweihartig zu nennende Figuren und sehr häufig auch paarweise in ein- oder mehrfachen Achtertouren verschlungene, zopf- artig mit einander verschlungene Fäden (zB. in Fig. 2). F. neigt dazu, bei der grossen Uebereinstimmung der Objekte, „auch für den Axolotl ein Erhaltenbleiben des chromatischen Kerngerüstes in der ganzen Entwieklung des Keimbläschens imSinne Rückert’s und Born’'s anzunehmen.“ Weiter bestätigt F. auch für den Axolotl das Emporrücken des Keimbläschens an die Ober- fläche. „In dem nächstfolgenden Stadium unserer Präparate (Fig. 4) finden wir das Bläschen verschwunden und statt dessen 60 G. Born: an der hellen Stelle der Oberfläche, am „Richtungsfleck‘“ einen Haufen unregelmässiger Chromatinstückehen, die gegen das vorige Stadium eontrahirt und abgerundet erscheinen, sie stellen jetzt eylindrische Gebilde dar.“ In der ausgebildeten ersten Rich- tungsspindel zählt F. mehr als vier, weniger als zehn, wahrschein- lieh 8 Chromosomen „und somit höchstens nur halb so viel, als im reifenden Keimblächen*. — Ein Centrosoma oder eine Polstrahlung konnte F. auch bei der vollständig ausgebildeten ersten Spindel nicht finden. Die Spindel liegt anfänglich tangential. Die weiteren Stadien xehören nieht mehr in den Bereich dieser Arbeit. 4. Zusammenfassung und Erörterung der Ergebnisse. Der Kern der Ureier im Ovarium von Triton taeniatus gleicht, abgesehen von den Mitosen, dem typischen Bilde eines ruhenden Kerns. Das Urei wird zum Ei, indem der Kern des- selben eine besondere Struktur annimmt, die in den wesentlichsten Punkten den ersten Stadien einer Mitose ähnlich ist, d. h. das Chromatinnetz oder Gerüstwerk des Kerns des Ureies wandelt sich in einen Knäuel durch einander gewundener Chromatinfä- den um. Als Besonderheiten gegenüber dem Anfang einer Mitose sind folgende Punkte anzumerken. 1) Nicht alle färbbare Substanz concentrirt sich, wie bei der Mitose, in den Fäden des Knäuels, sondern diese Fäden erscheinen von Höfen oder Mänteln einer körnigen, dunkel gefärbten Substanz umgeben. 2) Die Kernmem- bran wird achromatisch, verschwindet aber nicht. 53) Es treten in wachsender Zahl und Grösse periphere, d. h. der Kernmem- bran angelagerte Nucleolen auf, die ein äusserst intensives Tink- tionsvermögen besitzen. sei dem weiteren Wachsthum des Eies und des Keimbläs- chens rücken die Chromatinfäden weiter auseinander, nehmen einen mehr geschwungenen Verlauf an und werden immer feiner, während die sie begleitenden Höfe breiter und zugleich blasser erscheinen. Schliesslich bleiben als Reste der Chromatinfäden nur hie und da allerfeinste Fädehen zurück, bis endlieh auch diese verschwunden sind. Nach dem Verschwinden derselben sieht man die die Fäden früher umgebenden Körnerhöfe als wolkenartige Züge das Innere des Keimbläschens durchziehen. Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 61 Hat man das Bild soleher Eier von 200-—350 u Durchmesser allein vor sich, so kann man sehr leicht zu der Ansicht kommen, dass aus dem Keimbläschen derselben alles Chromatin verschwun- den sei, natürlich abgesehen von den chromatischen, peripheren Nucleolen. Es gieht aber auch eine seltnere zweite Form von Ovarialeiern von Triton taeniatus, deren Keimbläschen viel reicher an ehromatischen Körnern ist, als die gewöhnliche. Schon die Fäden des ersten Knäuels sind bei diesen von diehten Zügen eines dunkel-körnigen, beinahe zottigen Besatzes umgeben. Nach dem Verschwinden der Chromatinfäden bleiben hier nicht blasse Wolken, wie bei der gewöhnlichen Form, sondern dunkle zottige Körnerstränge zurück, und es lässt sich leicht nachweisen, dass aus diesen dunklen Körnerzügen der zweiten Form die demnächst folgende Chromatinstruktur direkt hervorgeht. Beide Formen sind aber durch alle möglichen Uebergänge mit einander verbunden, sie sind nur graduell verschieden, und ich habe wahrscheinlich zu machen gesucht, dass sie bei ein und demselben Ei während der Entwieklung mit einander ab- wechseln und vielleicht nur Produete verschiedener Ernährungszu- stände darstellen. Ich komme also für dieses „kritische“ Stadium (Eier von 200—350 u Durchmesser) zu demselben Schlusse, zu dem Rückert für ähnliche Erscheinungen im Ovarialei der Selachier gelangt ist: das Chromatin ist während dieser Zeit nicht aus dem Keimbläs- chen verschwunden, sondern befindet sich in demselben (bei der gewöhnlichen Form) nur in einem äusserst fein zertheilten, ge- quollenen und daher schwer färbbaren Zustande. Es ist auch nicht gleichmässig im Binnenraum des Kernes vertheilt, sondern durehzieht ihn in breiten wolkenartigen Zügen, von denen jeder (aber in sehr fein vertheiltem gequollenem Zustande) das Chro- matin eines Fadens des Anfangsknäuels enthält. Dieser Process der feinen Vertheilung und Aufquellung der Chromatinfäden bil- det sich allmählieh aus, daher die Bildung von breiten dunklen Körnerhöfen, die die Chromatinfäden umgeben, wie der Farben- hof einen Tintenstrich auf Löschpapier. Erst wenn das Ei eine Grösse von etwa !'/, mm erreicht hat und in den peripheren Schichten desselben die Ablagerung der Dotterkörner beginnt, tritt im Keimbläschen wieder eine charakteristische und leichter färbbare Chromatinstructur auf. In 62 @G. Born: den dunkleren wolkenartigen Zügen erscheint ein zuerst äusserst wirres Netzwerk feinster blasser Fädchen; aus den wolkenartigen Zügen entstehen durch einander gewundene „Uhromatinfaden- stränge“. Dieselben füllen aber das Innere des Kerns nicht mehr ganz aus, sondern gleichzeitig mit ihrem Auftreten erscheint. eine periphere chromatinfreie Zone, die von nun an stetig an Breite zunimmt. Sind die Eier auf ungefähr */, mm Durchmesser heran- sewachsen und haben sie sich stärker mit Dotterkörnern angefüllt, so erscheinen die Chromatinfadenstränge viel distinkter; es macht den Eindruck, als zöge sich alles Chromatin in den Fäden zu- sammen. Die Zwischenräume zwischen ihnen werden breiter und sanz hell. Die Fäden, welche die Stränge zusammensetzen, nehmen einen ganz charakteristischen Verlauf an, sie ziehen quer zur Länge der Stränge und biegen, an der Peripherie derselben angekommen, in weiten Schlingen wieder zur Axe zurück. An günstigen Stellen sieht man, dass es sich wahrscheinlich um einen einzigen, etwa wie der Samengang im Nebenhoden zu einem Strange gewickelten Faden handelt. Die Fäden nehmen - dabei nieht nur an Dieke und Schärfe der Contour zu, sondern er- weisen sich auch viel leichter färbbar als in den Anfangsstadien (les Processes. Während dieser ganzen Zeit sieht man im Innern des Strangwerkes eine wechselnde Zahl abgeblasster und verkleinerter Nucleolen (Nucleolenschatten), die wahrscheinlich centripetal ge- wanderte und umgewandelte, früher wandständige Nueleolen darstellen. Die geschilderten Vorgänge lassen sich wohl ohne Weiteres dahin auffassen, dass während der Dotterablagerung im Ei das vorher mehr diffus vertheilte und gequollene Chromatin sich wieder in einer eoncentrirteren, diehteren und daher auch leichter dureh die Tinktion zu differenzirenden Form ansammelt, wobei aber das deutliche Bestreben hervortritt, dem in den Fäden con- centrirten Chromatin eine möglichst grosse Oberfläche zu geben. Nähert sich das Ei seiner definitiven Grösse (ungefähr 1 mm Durchmesser), so rückt das Keimbläschen mehr und mehr an die Oberfläche des animalen Pols, wie dies zuerst von OÖ. Hertwig für die Amphibieneier nachgewiesen worden ist. Im Keimbläschen verkleinert sich der Knäuel von Chromatinfadensträngen, dem ich oben der Bequemlichkeit halber den Namen des Central- Die Struktur des Keimbläschens im Ovariaiei von Triton taeniatus. 63 körpers gegeben habe. Die ehromatinfreie periphere Zone nimmt ungemein an Breite zu. Die Concentrirung des Chromatins macht noeh weitere Fortschritte. Die grosse Oberfläche, welche das- selbe bisher «arbot, wird aufgegeben, denn in jedem Strang zieht sieh das Chromatin aus den quergewundenen Fäden in einen Axenfaden zusammen, wobei in höchst charakteristischer Weise die blassen queren’Schlingen (Linin ?) häufig noch sichtbar sind, wenn sich das Chromatin schon in den Axenfaden zusammenge- zogen hat. Das Endresultat ist, dass, wenn das Keimbläschen die Oberfläche des animalen Pols erreicht hat, in seinem Innern sich ein Knäuel aus äusserst leicht (auch mit Carmin) färbbaren, einfachen, glatt contourirten Chromatinfäden findet. Dieselben sind breiter, als die Fäden, welche die Stränge zusammensetzen und erscheinen meist zu zwei um einander gewunden. Ein Blick auf die Figuren der Tafel II und III lehrt, wie klein und unansehnlich die Chromatinstructur jetzt im Vergleich mit dem Stadium der Chromatinfadenstränge erscheint; sie nimmt nieht nur relativ einen viel geringeren Theil des Binnenraumes ddes Keimbläschens ein, sondern präsentirt sich auch absolut er- heblich verklemert. Auch innerhalb des Centralkörpers selbst nimmt das Chromatin jetzt sicherlich einen viel geringeren Raum ein, als während der Blüthezeit der Chromatinfadenstränge. Es stellt sich demnach die Frage: Ist während der Reduktion der Chro- matinfadenstränge chromatische Substanz verloren gegangen, hat sich dieselbe vielleicht im Kernsaft aufgelöst ? Rückert ist geneigt für analoge Vorgänge im Keimbläschen des Selachiereies diese Frage zu bejahen. Ich bin durchaus nicht in der Lage, sie sicher verneinen zu können, doch neige ich zu der Anschauung, dass man auch mit der Annahme einer beson- ders starken Concentration, einer intensiven Verdichtung des Chro- matins auskommt. Die Verdichtung des Chromatins in den Chro- matinfäden gegenüber den Chromatinfadensträngen ist zweifellos, dafür sprieht nieht nur das bedeutend erhöhte Lichtbrechungs- vermögen, sondern auch die ungemein gesteigerte Tinktionsfähig- keit der Chromatintäden gegenüber den Chromatinfadensträngen. Ich glaube also, man kann die vorliegenden Bilder auch so deuten, dass nach beendetem Wachsthum des Eies das Chromatin, welehes vorher mit möglichst grosser Oberfläche angeordnet war, 64 G. Born: in eine möglichst concentrirte und recht wenig Raum einnehmende Form übergeführt wird. Die Form ist die eines Fadenknäuels, also im Prinzip die- selbe wie bei der Umbildung des Ureies zum Ei. Dazwischen liegt die ganze Wachsthums- und Differenzirungsperiode des Ei- körpers. Es ist noch Einiges nachzutragen. Der Chromatinfaden des seeundären Knäuels, wie ich ihn nennen möchte, ist auch bei Triton sicherlich kein einheitlicher, sondern besteht aus einer grösseren Zahl getrennter Chromosomen (Chromosomenpaare). Während sich der seeundäre Chromatinfadenknäuel ausbildet oder wenigstens bald nach seiner Ausbildung verlassen die bisher wandständigen Nucleolen en masse die Peripherie des Keimbläs- chens und ordnen sich in einem doppelten Kranze perimitotisch um den Knäuel herum an. Sie zeigen dabei deutliche Spuren der Degeneration (Vacuolenbildung, Zerfall in Körnerhaufen) und in der That, in bald darauf folgenden Stadien verkleinern sie sich und verlieren total ihre Tinktionsfähigkeit. Abgeblasste Reste derselben bleiben noch eine Zeit lang sichtbar. Die Bedeutung des secundären Fadenknäuels in dem an die Oberfläche gerückten Keimbläschen ist aus den folgenden Stadien „weifellos. Er ist einfach das Anfangsstadium der Mitose, die bei der ersten Richtungstheilung des Eies abläuft. Was bedeuten aber die vorausgehenden Strukturen ? Die Antwort auf diese Frage liegt auf der Hand. Diese Strukturen stehen in Beziehung zur Ausbildung des Eies selbst. Es sind, wenn man will, somatische Strukturen des Eikernes. Wir sind ja mehr und mehr zu der Anschauung gelangt, dass die Ausbildung und die Leistungen jeder Zelle von ihrem Kern beherrscht werden. Das Ei von Triton taeniatus ist ein dlotterreiches Ei. Die Eizelle erreicht, ehe sie befruchtungsfähig wird, eine verhältnissmässig riesenhafte Grösse und einen recht complieirten inneren Bau. Die Ablagerung und Anordnung der Dotterkörner im Leibe der Eizelle erfordert eine lebhafte und besondere Aktion des Kernes. Wir sehen parallel mit diesen Vorgängen im Eikörper fol- gende Veränderungen am Keimbläschen : 1) Dasselbe erreicht eine für einen Kern ganz ungeheure Grösse (über !/, mm Durchmesser). Die Struktur des Keimbläschens im Övarialei von Triton taeniatus. 65 2) Die Nueleolen lagern sich an die Wand des Keimbläs- chens; — also so nahe wie möglich dem Eiprotoplasma — und nehmen in ganz ausserordentlicher Weise an Zahl und Grösse zu. 3) Das Chromatin wird bei dem Wachsthume des Kernes und Eies zuerst möglichst fein in dem Kernsafte vertheilt, so dass es äusserst schwer tingirbar und dadurch optisch schwierig nach- weisbar wird. Dies dauert bis zu der Zeit, in der Processe be- sonderer Art, die Abscheidung und Ablagerung der Dotterkörner (Dotterovoide nach ©. Sehultze) beginnen. Von diesem Ter- min an verdiehtet sich das Chromatin wieder in äusserst feinen Fäden, aber in einer Form, dass dasselbe eine möglichst grosse Oberfläche darbietet, nämlich so, dass diese feinsten primären Fäden zu breiten Strängen aufgewickelt sind. Betrachten wir zuerst Nr. 3. Dass das Chromatin diejenige Substanz des Kernes ist, an die die wichtigsten Funktionen dieses Zellorgans gebunden sind, darüber sind sich wohl die allermeisten Autoren einig. Das beweist schon sein Verhalten bei der Mitose und bei der Befruchtung. Immer noch gelten die Beweise, die von Hasse, Kölliker, Hertwig, Roux, von mir selbst und Anderen für den Satz, dass in dem Chromatin, die „Ver- erbungsstruktur“ enthalten sei, beigebracht worden sind, wenn die Rolle des Centrosomas als kinetisch anregendes Centralorgan auch durchaus nicht bestritten werden soll. Wenn das Chromatin aber die von Zelle zu Zelle wie von Individuum zu Individuum vererbenden „Qualitäten“ enthält, für deren Theilung, wie Roux so vortrefflich gezeigt hat, der durch das ganze Organismenreich durchgehende, möglichst ökonomische Process der Mitose ge- schaffen ist, während bei der Befruchtung wesentlich dieselben Vorgänge, aber gewissermaassen in umgekehrter Reihenfolge sich abspielen, so kann kein Zweifel darüber herrschen, dass dieselbe Substanz (eben wegen dieser Qualitäten) die für die Funktionen des Kernes im Zellleben auch sonst ausserhalb des Theilungspro- cesses bestimmende und wichtigste ist. Nun könnte es, um zu unserem Fall zurückzukehren, scheinen, als ob das Chromatin für eine erhöhte Wirksamkeit im Keim- bläschen durchaus keine zweckmässige Form annehme, wenn es sich so fein vertheilt, dass es beinahe unsichtbar wird. Erinnern wir uns aber daran, dass der Zustand des Chromatins in dem sogenannten „Ruhezustande“ einer Zelle (die Bildung eines fein- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 2) 66 G. Born: maschigen Netzwerks) im Prineipe auch weiter nichts ist, als eine möglichst feine Vertheilung des wichtigen Stoffes unter Bildung einer möglichst grossen, wirkenden Oberfläche. Der „Ruhezustand“ des Kerns einer Zelle ist ein solcher aber nur mit Rücksicht auf den Theilungsprocess, wir haben allen Grund anzunehmen, dass derselbe für alle Funktionen in der Zelle selbst im Gegentheil als der eigentlich, ja ausschliesslich „aktive“ Zustand anzusehen ist. Das Zellleben, so weit es sich nicht auf die Theilung be- zieht, ruht wahrscheinlich während der Mitose genau so, wie bei einer sich theilenden Protozoe. Die feine Vertheilung des Chromatins im Keimbläschen während des Wachsthums der Ei- zelle lässt sich also ganz gut als eine Steigerung des für das individuelle Zellleben aktiven Zu- standes des Kerns auffassen. Von demAugenblicke an, wodieEizellenicht mehr einfach wächst, sondern, ich.möchte sagen speeifische Leistungen, Abscheidung und Anord- nung des Dottermaterials, zu vollbringen hat, verdichtet sieh das Chromatin des Keimbläschens zu einer besonderen Struktur, den Chromatin- fadensträngen, wobei aber in der höchst eigen- thümlichen Anordnung das deutliche Bestreben hervortritt, dem wirksamen Stoffe, dem Chroma- tin, eine möglichst grosse Oberfläche zu wahren. Zu 2) ist Folgendes zu bemerken. Wir wissen nichts Ge- wisses über die speeifische Funktion der Zellorgane, die wir Nucleolen nennen; ich möchte die darüber aufgestellten Meinun- gen nicht besonders anführen. Ist es doch nicht einmal sicher, ob mit diesem Namen immer gleichartige Dinge bezeichnet werden. Die tinktorielle Aehnlichkeit mit dem Chromatin liegt auf der Hand, wenngleich es auch nicht an Unterschieden fehlt. Eins scheint aber wahrscheinlich: Die Nucleolen stehen in Beziehungzumindividuellen Zellleben, nichtzur Fortpflanzung; denn beim Beginn der Mitose verschwinden sie, um nach Beendigung derselben — im Ruhestand des Kerns — wieder aufzutreten. Entsprechend diesem Satze sehen wir: bei dem gesteigerten individuellen Leben, das wäh- rend der Ausbildung einer so riesigen und com- Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 67 pla enrten Zellesswiesierdle,Bizelle von Tritendar: stellt, vorauszusetzen ist, nehmen ]) die Nucleo- len kolossal an Grösse und Zahl zu, lagern sich 2) direkt andieKernwand, eine Lage, die für eine Wirkung aufdenZellleib die denkbar günstigste ist, gehen endlich 3) wenn ihre Thätigkeit für das individuelle Leben der Eizelle erschöpft ist — beim Eintritt der Mitose wie gewöhnlich, aber hier en masse, zu Grunde. Zu 1). Dass die besondere Grösse, die der Kern des Eies erreicht, zu der Grösse und Complieation der Eizelle in Beziehung steht, bedarf wohl keiner besonderen Erläuterung. Es erscheint aber äusserst charakteristisch, dass er seine excessive Grösse nur so lange behält, als es sich um die Ausbildung der Eizelle selbst handelt, und dass von der ganzen massigen Organisation nur ein räumlich minimaler Bruchtheil für die Theilungsvorgänge übrig bleibt. Mit der hier entwickelten Auffassung der Kernstrukturen, die zwischen dem primären und dem seeundären Chromatinfaden- knäuel im Keimbläschen eines Tritoneies liegen, steht in vollem Einklange, dass ganz übereinstimmende Strukturen sich, soweit bis jetzt die Untersuchungen reichen, bei allen grossen, dotterreichen Eiern der Wirbelthiere finden. Rückert hat dieselben für das Selachierei, Holl für das Vogelei und (in kurzer Bemerkung) für das Reptilienei nachgewiesen. Es fehlen von den leichter zugänglichen Ordnungen nur die Knochenfische, und, sowenig weit in Bezug auf diese die Untersuchungen meines Schülers, Herrn Lachmann, gediehen sind, so lässt sich doch jetzt schon sa- gen, dass wir die beste Hoffnung haben, bei den Knochenfischen ähnliche Bilder zu finden. Ueber Ganoiden und Diploer liegt freilich noch gar kein Material vor. Auf der anderen Seite be- tont Holl ausdrücklich, dass er bei dem kleinen Säugethierei mit semem minimalen Dottergehalt nichts von ähnlichen Struk- turen entdecken komnte. Rückert ist für die gleichartigen Strukturen des Selachiereies zu einer ganz ähnlichen Auffassung gekommen, wie ich sie oben entwickelt habe. Nun bleibt aber noch eine Erscheinung zu erklären: Wa- rum nimmt das Chromatin, sowie die Ureierform verlassenist, die Form eines Fadenknäuels an? 68 G. Born: Ich möchte dafür folgende Erklärung geben. Die in Frage ste- henden dotterreichen, grossen Wirbelthiereier sind sicher aus einer kleinen, dotterarmen Eiform (Ampbioxus) hervorgegangen. Bei dieser tritt nach einem relativ geringen Wachsthum der Eizelle, das keine besonderen Chromatinstrukturen, die über den gewöhn- lichen netzförmigen „Ruhezustand“ hinausgehen, zeigt, sogleich die erste Phase der Mitose, die Knäuelbildung ein und dann läuft die Mitose (Riehtungskörperbildung) weiter. Unsere grossen, dotterreichen Eier bilden, als vererbten Vorgang palingenmetisch) ebenfalls bald dieverste Phase der Mitose, den Chromatinfadenknäuel, dann aber setzt das enorme Wachsthum und die Complieation im Aufbau der Eizelle ein, und die schon ausgebildeten Fäden des Knäuels erleiden, (eänogenetisch) eine diesen neuen Anforderungen ent- sprechende Umgestaltung, die im Wesentlichen auf eine möglichst hohe Oberflächenvergrösserung des Chromatins abzielt. Die ganze Chromatinstrukturbehält aber während der gan- zen Ausbildungsperiode des Eies die einmalan- genommene Knäuelform, so dass esnach Beendi- gung der Ausbildung des Eies nur einer Verdichtung und ConcentrationdesChromatinsbedarf, umden (seeundären) Chromatinfadenknäuel wieder her- zustellen, der dann in die Mitose eintritt. Beiden Säugethieren muss man in Analogie mit dem bekannten Rabl’- schen Gedankengange annehmen, dass bei der secundären Ver- kleinerung und der Dotterarmuth des Eies die specifische Chro- matinstruktur des Keimbläschens wieder verloren gegangen ist. Wie sich dazu die neuen merkwürdigen Befunde Holls (6 u. 7) stel- len, weiss ich nicht zu sagen. Geht die Ausbildung des Eies zu Ende, so treten bei noch erhaltener ‚individueller‘ Chromatin- struktur im Keimbläschen Vorgänge auf, die offenbar schon in Beziehung zu der jetzt vorzubereitenden Mitose stehen; — ich meine die Ausbildung einer breiten chromatinfreien Zone im Keimbläschen, die die Chromatinfadenstränge in eine centrale Lage innerhalb des Kernes bringt, die sicherlich für ihre Wirkung auf den Ei- körper nicht günstig ist. Es ist das eme Erscheimung, die mit der nun folgenden Concentration des Chromatins, wie sie für die Oekonomie der Mitose nöthig ist, in Zusammenhange steht. Ergeben so die bisherigen Untersuchungen, dass die Ausbildung Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 69 einer besonderen Chromatinstruktur im Keimbläschen bei allen Wirbelthieren mit grossen, dotterreichen Eiern von dem ersten Auftreten solcher an beibehalten worden ist, so ergibt sich nicht das Gleiche für die zahlreichen und wandständigen Nucleolen; dieselben finden sich nur bei Fischen und Amphibien, fehlen aber nach Holl durchaus im Vogelei und wahrscheinlich auch im Ei der Reptilien. Wodurch diese Formation beim Uebergang vom Amphibienei zu dem der Reptilien überflüssig geworden ist, ver- mag ich nicht zu sagen. Es blieben nun noch die Endphasen im ovariellen Le- ben des Keimbläschens zu bespreehen, die alle Vorbereitungs- processe der ersten Riehtungskörperehentheilung sind. Dass dabei Alles geoptert wird, was zu diesem Zwecke nicht ge- hört, sondern der individuellen Entwicklung des Eies diente, wie die kolossale Masse des Kernsaftes, die die Grösse des Keim- bläschens bedingt, die Kernmembran, die Nucleolen, habe ich schon genugsam hervorgehoben. Ebenso ist bereits betont, dass das Chromatin in eine äusserst diehte und für einen ökonomischen Mechanismus der Theilung handliche Form übergeführt wird; — die Verdiehtung selbst gehört sehr hervorragend mit zur Oeko- nomie des Vorgangs! — Es muss noch einmal die Frage erörtert werden, ist in den wenigen, kurzen und dieken Chromosomen der ersten Richtungs- spindel wirklich alles das Chromatin „verdichtet“, das in den ausgedehnten und zahlreichen Chromatinfadensträngen enthalten war. Ich gebe zu, dass Rückert Recht hat, wenn er das dem Augenschein nach nieht für sehr einleuchtend hält, und doch möchte ich es für möglich halten, freilich unter Annahme einer ausserordentlichen Verdichtung des Chromatins in den Chromo- somen der ersten Richtungsspindel, sowie einer sehr starken Zer- theilung desselben in den Chromatinfadensträngen. Für solche Unterschiede sprechen die grossen Unterschiede m der Färb- barkeit beider Gebilde. Rückert neigt um so mehr dazu, einen Schwund des Chromatins anzunehmen, weil das nach Ausbildung des Eies ‚überdüssig‘‘ gewordene Somatoplasma durch diesen Vorgang entfernt werden könnte. Eine Entfernung desselben dureh die Richtungskörperehenbildung, wie es früher von Weis- mann angenommen wurde, ist Ja aufzugeben. Ich bin aber der Meinung, auch die befruchtete Eizelle, sowie deren Abkömmlinge 70 6.,Boen: brauchen für ihr individuelles Leben (ausser den Vererbungs- strukturen, die sie weiter geben) Somatoplasma; was liegt näher als anzunehmen, dass sie dasselbe vom Kern der unbefruchteten Eizelle her übernehmen? — Die gesteigerte Leistung bei der Ausbildung der grossen, dotterreichen Eizellen der Wirbelthiere wird aber, meine ich, nicht so sehr durch eine grössere Masse des Somatoplasmas, — die dann überschüssig würde und entfernt werden müsste, — als, wie der Augenschein lehrt, durch eine ausser- ordentliche Oberflächenentwicklung desselben bedingt. Was frei- lich in den Chromatinfadensträngen Somatoplasma, was Idioplasma ist, weiss ich nicht zu sagen. Zu mehr als zu Vermuthungen ge- langen wir auf diesem schwankenden Gebiete nicht. Ich sehe aber den Schaden nicht ein, wenn solche ausgesprochen wer- den, wenn sich selbst später als falsch erweisen sollten. Dass bei der Bildung der Richtungskörperehromosomen eine Verminderung der Zahl der vorher im Keimbläschen vorhandenen stattfindet, ist sicher ; dass dieselbe durch Verschmelzung der ge- paarten Chromosomen stattfindet, halte ich nach meinen Bildern für höchst wahrscheinlich. Oben bei Gelegenheit der Besprechung der Rückert’schen Arbeit habe ich betont, dass ich nicht über- zeugt bin, dass die von Rückert gefundene Verdoppelung der Chromosomen während der ovariellen Entwicklung dureh Längs- spaltung stattfindet, dass ich vielmehr geneigt bin anzunehmen, dass während der „kritischen Periode“, in der die Chromosomen kaum sichtbar sind, eine Verdoppelung durch Quertheilung statt- findet, und dass die so auf die doppelte Zahl gebrachten Chro- mosomen sich zu zweit umeinander winden, als Vorbereitung für die später einsetzende Verschmelzung (bei Triton liegen, wie oben ausgeführt, die Verhältnisse etwas anders). Ist meine Anschauung richtig, so fällt, wie erwähnt, das Paradoxe, das in der Längs- theilung mit nachfolgender Wiedervereinigung liegt, fort, und es bleibt ein Vorgang übrig, der mit der Weismann’schen Theorie (verschiedenartige Mischung der Ahnenplasmen) ganz gut stimmt. Dass der Binnenkörper, aus dem sich die Spindel bei der ersten Richtungstheilung hervorbildet, innerhalb des Kerns entsteht, halte ich für höchst wahrscheinlich. Specielleres über die Entstehung desselben anzugeben vermag ich nicht, hier müssen neue Untersuchungen, bei denen das Material, über dessen Be- Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 71 schaffung ich die nöthigen Daten gegeben habe, mit besonders darauf gerichteten Methoden zu bearbeiten ist, ergänzend eintreten. Zum Schlusse möchte ich hervorheben, dass ich es selbst am meisten empfinde, wie vage alle die Ausdrücke sind, mit denen ich über die Bedeutung der geschilderten Kernstrukturen zu sprechen gezwungen bin. Wie Flemming aber in seinem klassischen Werke hervorhebt, ist es ja ein beinahe kindliches Beginnen über das eigent- liche Geschehen bei dem Zell- und Kernleben mit dem Mikroskop etwas erforschen zu wollen; hier wird das Experiment einsetzen müssen und ich möchte doch daraufaufmerksam machen, dass die Ovarialeier der Amphibien für derartige Untersuchungen aus den verschiedensten, nahe liegenden Gründen, vor allem aber wegen der ausserordentlichen Grösse und leichten Isolirbarkeit ihres Kernes, ein nicht zu unterschätzendes Material bieten. Breslau, am 1. November 1893. Literatur. 1. Flemming, W., Zellsubstanz, Kern u. Zelltheilung. Leipzig 1882. 2. Iwakawa, T., The Genesis of the Egg in Triton. Quart. Journ. of microsc. science. London 1882. V. XXII. New Series. Mit Taf. XXI—XXIV, p. 260—277. 3. Rabl, C., Ueber Zelltheilung. Morphol. Jahrb. Bd. X. 1885. p. 214 —330. Mit Taf. VII—XII u. 5 Holzschnitten. 4. Schultze, O., Untersuchungen über die Reifung und Befruchtung des Amphibieneies (Erste Abhandlung). Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 45. 2. p. 178—226. Mit 3 Tafeln. Leipzig 1887. 5. Holl, M., Ueber die Reifung der Eizelle des Huhns (mit 1 Tafel). Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wissensch. in Wien. Mathem.- naturw. Classe. Bd. 99. Abth. III. Juli 1890. Derselbe, Ueber Reifung der Eizelle bei Säugethieren. Verhandl. d. anat. Gesellsch. in Göttingen, 21.-—24. Mai 1893, p. 122—124. 7. Derselbe, Ueber die Reifung der Eizelle bei den Säugethieren. Sitzungsberichte d. kais. Akad. d. Wissensch. in Wien. Mathem.- naturw. Classe. Bd. 102. Abth. III. Juni 1893. 61 S. mit 3 Tafeln. 8. Leydig, F., Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im un- befruchteten Zustande. Zool. Jahrb. III. 1889. 9. Rückert, J., Zur Entwicklungsgeschichte des Ovarialeies bei Selachiern. Anat. Anzeiger. VII. Jahrgang (1892), No. 4 und 5, p. 107—158. Mit 6 Abbildungen. fen 12 G. Born: 10. Born, G., Die Reifung des Amphibieneies und die Befruchtung unreifer Eier bei Triton taeniatus. Mit 1 Abbildung. Anat. Anz. VN. Jahrg. 1892, No. 23 u. 24. 11. Jordan, E. O. The habits and development of the newt. Inau- gural-Dissertation, presented to the Faculty of Clark University, 11.5. 92. Journ. of Morphology, Vol. VIII, No. 2. Boston 1893. p. 269—356. Mit 5 Tafeln. 12. Fick, Rudolf, Ueber die Reifung und Befruchtung des Axolotl- Eies. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 56. 4. Heft. p. 529—614. Mit 4 Tafeln. Leipzig 189. Erklärung der Abbildungen auf Tafel I—IV. Alle,Bilder beziehen sich auf Ovarialeier von Triton taeniatus, nur die letzten 4 Figuren der IV. Tafel auf Bauchhöhleneier desselben Thieres. Tafel T. Sämmtliche Präparate sind mit heisser 1/,0/, Chromsäure fixirt, in Böhmer’schem Hämatoxylin gefärbt und theils mit saurem Alkohol, theils mit Eisenammonalaun ausgezogen. Fig. Il bis Sa u. b beziehen sich auf die gewöhnliche, blasse, körnchenarme Form; — Fig. 7 und Fig. 9a und 10 auf die seltnere, dunkle, körnchenreiche Form des Keimbläschens jüngerer Ovarialeier von Triton taeniatus. Fig. 1 bis 7 gehören zu Stadium II, Fig. 8a u.b, 9 u. 10 zu Stadium III der im Text gewählten Eintheilung. Grösster und kleinster Durchmesser des Keimbläschens und des Eies, sowie die sich daraus ergebende Mittelzahl stehen neben jeder Figur in einem Oval, die Vergrösserung in einem Kreise. Fig. 1 bis 4 u. 6 entstammen den Präparaten eines und desselben Objektträgers. Fig. 1 u. 2. Zwei neben einander liegende kleine Eier. Bei beiden ist nur das Keimbläschen ausgeführt, der Umriss des Eies aber angedeutet. Im Keimbläschen von No.1 sind die Chromatin- fäden des Knäuels noch dick, zackig, verlaufen in gebrochenen Linien und erscheinen von dunkel körnigen „Höfen“ begleitet. Periphere Nucleolen waren zwar vorhanden, fielen aber nicht in das gezeichnete Gesichtsfeld. In Fig. 2 sind die Chromatinfäden des Knäuels weiter auseinander ge- rückt, schmäler und verlaufen mehr in geschwungenen Linien; die körnigen „Höfe“ um dieselben sind heller aber breiter geworden. Die Zahl der peripheren Nucleolen hat zugenom- men. Es ist möglichst nur ein bestimmtes Gesichtsfeld ge- Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 73 zeichnet; man sieht daher immer nur relativ kurze, zusammen- hängende Stücke der Chromatinfäden, dafür tritt die Gleich- mässigkeit der Abstände, die sie bei ihrem Verlauf innehalten, sehr deutlich hervor. Fig. 3 u. 4. Zwei weitere Stadien, die sich eng an Fig.2 anschliessen. In Fig. 3 ist das ganze Ei, ohne Follikelzellen, gezeichnet. Das Keimbläschen ist von einer körnig-fädlichen Zone um- geben, daher ist die feine Kernwand mitunter schwierig er- kennbar. Fig. 4 giebt nur das Keimbläschen. In beiden Fi- guren sind namentlich die grade von der Fläche gesehenen Chromatinfäden durch mehrere Gesichtsfelder verfolgt; dadurch hat die Regelmässigkeit der Struktur etwas gelitten. In diesen wie auch in den vorhergehenden Figuren ist die Zusammen- setzung der Chromatinfäden aus verschieden grossen, unregel- mässig an einander gereihten Mikrosomen sehr deutlich. Fig. 5. Keimbläschen eines Eies (mittlerer Durchmesser 116 u), bei dem die Chromatinfäden sehr fein geworden sind, die sie be- gleitenden Höfe erscheinen blasser, aber breiter. Fig. 6. Keimbläschen eines Eies von 147 u mittlerem Durchmesser. Letzte, wie zerbröckelte Reste der Chromatinfäden. Die die- selben begleitenden, dunkler-körnigen Züge bleiben als „wol- kenartige“ Streifen zurück. Zahl und Grösse der peripheren Nucleolen hat enorm zugenommen. Keimbläschen eines Eies von 194 u mittlerem Durchmesser (2. Form, siehe Text p. 26 u. folge... Es sind nur noch sehr feine Chromatinfäden vorhanden; dieselben erscheinen aber nicht von schwach-körnigen Höfen umgeben, wie in Fig.5 u. 6, sondern zeigen einen dichten, zottigen Besatz dunkler Körner. Fig. 8a und 8b beziehen sich auf dasselbe Ei; Fig. 8a das ganze Keimbläschen in 200facher, Fig. 8b der untere Abschnitt des- selben in S00facher Vergrösserung. III. Stadium. Die Chro- matinfäden sind verschwunden, nur die dunkleren und körnigen Züge, welche sie begleiten, sind übrig geblieben. ‚. 9und 10 gehören ebenso zusammen. Bei 9das ganze Keimbläschen in 200facher, bei 10 der untere Theil desselben in 800facher Vergrösserung. Ill. Stadium, 2. Form. Die Chromatinfäden sind verschwunden, die breiten, zottigen Züge einer dunklen, kör- nigen Substanz, die sie begleiteten, sind zurückgeblieben. I Fig. e (dje} Tafel II. Behandlung der Präparate und Bezeichnung der Grösse der Eier und der Vergrösserung wie bei Tafel 1. Sämmtliche Bilder gehören zu Stadium 1V. Die stark vergrös- serten Bilder stellen Theilstücke der vorausgehenden, schwach ver- grösserten No. dar. Der vergrösserte Theil ist bei letzteren mit einem Haken umfasst. N Fig Fie. Fig. Fio Fi (tie) GBoen: . 11—14. Anfang der Bildung der Chromatinfadenstränge. Erstes Auftreten einer schmalen Zone von Dotterkörnern in der Peripherie des Eies. . 11 u. 12. Keimbläschen eines Eies von 460u mittlerem Durch- messer. Fig. 11 (166 x) erstes Auftreten der chromatinfreien, peripheren Zone. Die Chromatinfadenstränge treten bei der schwachen Vergrösserung (enge Blende!) schon deutlich her- vor, liegen aber noch sehr dicht bei einander. Die Zwischen- räume zwischen ihnen sind noch keineswegs frei von Chromatin- fäden. Fig. 12 ist der in den Haken gefasste Randtheil von Fig. 11 bei 630facher Vergrösserung. Die Chromatinfäden, welche die Stränge zusammensetzen, sind noch sehr wirr ver- filzt, blass und unbestimmt contourirt. In beiden Figuren ab- geblasste und verkleinerte centrale Nuceleolen. 13 (200x) und 14 (800 x). Keimbläschen eines Eies von 407 u mittlerem Durchmesser. Die Entwicklung der Struktur ist kaum weiter vorgeschritten, die Färbung aber intensiver, als bei Fig. 11 u. 32. 15, 16 u. 17. Ei von 728u mittlerem Durchmesser. Die Dotter- körner reichen bis an das Keimbläschen heran. Das in Fig. 15 bei 166maliger Vergrösserung dargestellte Keimbläschen ist an beiden Seitenflächen etwas eingesunken. Die chromatin- freie periphere Zone ist breiter geworden. Die Chromatin- fadenstränge finden sich auf der Höhe ihrer Ausbildung. Die Zwischenräume zwischen denselben sind breit und vollkommen hell und fadenfrei geworden. — Fig. 16 (800x). Detail aus demselben Schnitt bei S00facher Vergrösserung; man bekommt an günstig liegenden Strängen (links unten) den Eindruck, dass dieselben durch die Windungen eines einzigen Fadens „erster Ordnung“ gebildet werden. Einzelne bedeutend dickere Fadenstücke oben in der Figur. — Fig. 17 (800x). Detail aus einem Nachbarschnitt durch dasselbe Keimbläschen. .18 u. 19. Ei von 495 u mittlerem Durchmesser. Die Dotterkörner erfüllen noch nicht ganz die äussere Hälfte der Eikugel. Fig. 18, das Keimbläschen desselben 166 x vergrössert. Zweite Form (siehe Text p.26); — also ein älteres Stadium zu Fig. 7”, 9 u. 10. — Fig. 19 (630x) zeigt die gröberen, dunkleren und dichter gewirrten Chromatinfäden, die hier die Stränge zu- sammensetzen. . 20 u. 21. Ei von 620 u mittleren Durchmesser; die grössere peri- phere Hältte des Eies ist mit Dotterkörnern gefüllt. Das Ei entstammt einem Ovarium, dessen Eier fast durchweg Keim- bläschen der zweiten Form aufweisen. Damit stimmt auch die reiche und dichte Ausbildung der Chromatinfadenstränge; die Blässe der Chromatinfäden beruht vielleicht nur auf schwä- cherer Tinktion. — Fig. 20. Das Keimbläschen 166 x; die Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. 75 chromatinfreie periphere Zone hat eine ansehnliche Breite er- reicht. — Fig. 21. Detail bei 600facher Vergrösserung. Fig. 22 u. 23 (Uebergang zum nächsten Stadium V). Ei von 900 u mittlerem Durchmesser, nur noch eine schmale Zone rings um das Keimbläschen ist von Dotterkörnern frei. — Fig. 22. Das ganze Keimbläschen 166X. Zahlreiche abgeblasste und zer- kleinerte Nucleolen in der breiten chromatinfreien Zone und im Centralkörper. — Fig. 23. Detail (800x). Die Chromatin- fadenstränge erscheinen schmäler; die Fäden sind namentlich im Centrum derselben enger gewirrt, so dass dort die Andeu- tung eines axialen Körnerfadens erscheint. Tafel III. Behandlung der Präparate wie bei Tafel I, nur Fig. 33 und 34 machen eine Ausnahme, indem bei diesen das Ei in Chromessigsäure- sublimat gehärtet war. Bezeichnung der Grössen sowie der Vergrösserung wie bei Tafel I. Das O bezeichnet die Seite des Keimbläschens, die der Ei- oberfläche am nächsten steht. Die Bilder der Tafel III illustriren sämmtlich Stadium V meiner Eintheilung. Fig. 24—32 sind Reduktionsstadien der Chromatinfadenstränge; in Fig. 33—39 ist der Knäuel einfacher Chromatinfäden fertig. Fig. 24 u. 25. Ei von 1030 u mittlerem Durchmesser. Das Keimbläs- chen liegt 1651 unter der Oberfläche. Fig. 24. Das ganze Keimbläschen 166 x vergrössert. Periphere Nucleolen spär- lich; breite periphere chromatinfreie Zone. Fig. 25. Detail aus dem Centralkörper 630xX vergrössert. Die Fäden der Stränge dicht, wie verfilzt; Axenfaden in der Bildung begrif- fen; — man erhält den Eindruck, als zöge sich das Chromatin aus den gewundenen Querfäden heraus und im Axenfaden zusammen. Fig. 26 u. 27. Ei von 940 u mittlerem Durchmesser. Das Keimbläschen liegt nur wenig excentrisch. Fig. 26. Keimbläschen 166 x. — Fig. 27 diemit X bezeichnete Stelle desselben Keimbläschens 630X. Der Axenfaden ist in den Strängen sehr deutlich geworden und erscheint auf längere Strecken continuirlich, die quergewun- denen Fädchen wie geschrumpft; — stellenweise abgeblasst, wie im Schwinden begriffen. Fig. 283 u. 29. Ei von 99 u mittlerem Durchmesser; Keimbläschen wenig excentrisch. — Fig. 28. Das ganze Keimbläschen 166 x; — starke und dunkle, theilweise zu zweit umeinander gewundene Axenfäden mit Resten der quergewundenen Fädchen. Fig. 30-32. Ei von 1085 u mittlerem Durchmesser. Das Keimbläschen stark excentrisch, aber nicht mit der Breitseite der Oberfläche parallel, sondern schräg zu derselben gelagert. Das Kein- G. Born: bläschen sieht an der einen Breitseite wie zerrissen aus. Fig. 30. Das ganze Keimbläschen 166 x. Ein Theil der Nu- eleolen auf der centripetalen Wanderung begriffen; sehr breite periphere chromatinfreie Zone, Centralkörper stark verklei- nert. — Fig. 31. Die mit x bezeichnete Stelle des Centralkör- pers 630X vergrössert. Häufig gepaarte, dunkle und breite Chromatinfäden mit einem Besatz feiner, farbloser Häärchen und Spitzen — dem letzten Rest der quer gewundenen Chro- matinfäden der früheren Stadien. — Fig. 32 zeigt bei dersel- ben Vergrösserung aus einem Nachbarschnitte ein Chromatin- fadenpaar, das stellenweise noch deutlich einen Besatz von geschrumpften und farblos gewordenen Querschlingen auf- weist. Fig. 33 u. 34. Ei von 1085 u mittlerem Durchmesser, das mit Chrom- Fig essigsäuresublimat behandelt war. Das Keimbläschen liegt etwa 45 u unter der Oberfläche; dasselbe ist an beiden Seiten ziemlich erheblich geschrumpft. — Fig. 33. Das ganze Keim- bläschen 166 x. Die meisten Nucleolen schon perimitotisch. — Fig. 34. Der kleine Centralkörper 630 x; — die perimitotischen Nucleolen mit Vacuolen. Die häufig zu zweit umeinander ge- wundenen, glatten Chromosomen erfüllen einen kugelförmigen Raum, in dem noch eine ganze Anzahl abgeblasster und ver- kleinerter Nucleolen zu sehen sind. '. 35 u. 36. Ei von 1140 u mittlerem Durchmesser. Das Keimbläs- chen liegt etwa 30 u unter der Oberfläche. Fig. 35. Das ganze Keimbläschen 166 x; — sämmtliche Nucleolen haben die Peri- pherie verlassen und sind auf der Wanderung nach dem Centrum begriffen. — Fig. 36. Der Centralkörper aus dem- selben Schnitt bei 630 facher Vergrösserung. Die Chromosomen, sämmtlich gepaart, erfüllen einen kugelförmigen Raun; deut- liche Trennungen im Verlaufe derselben. 38 u. 39. Ei von 1145 u mittlerem Durchmesser; das Keim- bläschen liegt 90 u unter der Oberfläche; dasselbe ist an der peripheren Seite eingebogen und auch rechts ziemlich weit vom Dotter abgehoben. Die Maasse des Kernraumes betragen a u, die des Kernes — u. Fig. 37. Das ganze Keimbläschen 200x; noch ziemlich zahlreiche, grosse periphere Nucleolen. Darnach und nach der Entfernung des Keimbläschens von der Oberfläche ist dieses Ei wohl für jünger zu halten, als die beiden vorher abgebildeten. Bei y verschleppte Dotterkörner. Fig. 38. Der Centralkörper dieses Schnittes und Fig. 39 der- selbe aus einem Nachbarschnitt 800 x vergrössert. Die Chro- mosomen fallen durch ihre Stärke und dunkle Färbung auf; sie sind meist gepaart, was in den Bildern nicht deutlich ge- nug hervortritt, weil hier diese Fäden aus mehreren überein- Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus,. 77 ander liesenden Ebenen in eine projieirt sind. Sehr deutliche und zahlreiche Trennungsstellen zwischen den Chromosomen, in Fig. 35 ist ein Theil derselben mit 1 bezeichnet. Zahlreiche abgeblasste und verkleinerte Nucleolen im Centralkörper. Tafel IV. Die Präparate von Fig. 54, 55, 56 und von Fig. 60, 61 sind in Chromessigsäuresublimat gehärtet und mit alkoholischem Boraxcarmin gefärbt; die Präparate von Fig. 57, 58, 59 und von Fig. 62, 63 sind in Sublimateisessig fixirt und mit Böhmer’schem Hämatoxylin tingirt. Alle übrigen Präparate unterlagen derselben Behandlung, wie die Ori- ginale der ersten drei Tafeln (heisse Chromsäure 1/,%/, Böhmer’sches Hämatoxylin). Bezeichnung der Grössen sowie der Vergrösserung wie bei den vorhergehenden Tafeln. Die Bilder der Tafel IV beziehen sich mit Ausnahme der letz- ten 4, welche die erste Richtungsspindel im Bauchhöhlenei darstellen, auf Stadium VI meiner Eintheilung. Es handelt sich um Reduktions- stadien des Keimbläschens, sowie um die Uebergänge zur Bildung der ersten Richtungsspindel. Bei allen Eiern lag das Keimbläschen, resp. der Keimbläschen- rest, dicht unter der Oberfläche des animalen Pols und war nur noch von einer ganz dünnen Dotterschicht bedeckt. Fig. 40 u. 41. Ei von 1127 u mittlerem Durchmesser. Uebergangs- stadium in Fig. 40 bei 166facher Vergrösserung dargestellt. Das Keimbläschen hat sich dicht unter der Oberfläche des animalen Poles stark abgeplattet. Die Nucleolen liegen peri- mitotisch, haben aber noch ihr voiles Tinktionsvermögen. Fig. 41 giebt bei 6530facher Vergrösserung das Bild des Faden- knäuels. Die Chromosomen sind gepaart, erfüllen aber nicht mehr das Innere des platten Raumes, den sie einnehmen, sondern finden sich nur an dessen Oberfläche; an dem mitt- leren Schnitt sind fast alle beinahe quer getroffen. Fig. 42, 43,44. Ei von 1065 u mittlerem Durchmesser. Fig. 42. Aus- schnitt aus dem animalen Ei-Pole mit dem im Anfang der Re- duktion begriffenen Keimbläschen (200 x). Die perimitotischen Nucleolen erscheinen sämmtlich verkleinert und abgeblasst. (Das Keimbläschen ist etwas geschrumpft.) Fig. 43. Der Chromo- somenkranz aus demselben und Fig. 44 aus dem Nachbar- schnitte bei 8S00facher Vergrösserung. Die Chromosomen haben sich zu einem dichten Kranze zusammengezogen. In Fig. 44 die erste Andeutung des von demselben umgebenen Binnen- körpers. Fig. 45 u. 46. Ei von 1181 u mittlerem Durchmesser. — Fig. 45. Ausschnitt aus dem animalen Pol mit dem noch stärker reducirten Keim- bläschen (200x). Fig. 46. Der Chromosomenknäuel aus dem- G. Born: selben Schnitte (800x) hat sich zu einer dichten, spindlichen Masse zusammengezogen. Um die Stränge, zu denen sich die Chromosomen vereinigen, sieht man undeutlich helle, vakuolen- artige Höfe auftreten. Fig. 47 u. 43. Ei von 1065 u mittlerem Durchmesser. — Fig. 47. Aus- Fig. 49, schnitt aus dem animalen Pol mit dem Keimbläschenrest (200 x). — Fig. 48. Die Chromosomen aus demselben Schnitte (630 x). Die netzförmige Vereinigung und die strangförmige Anord- nung derselben, sowie die vakuolenartigen Höfe in ihrer Um- gebung sind deutlicher. 50, 51. Ei von 1056 u mittlerem Durchmesser. Fig. 49. Aus- schnitt aus dem animalen Pol mit dem Keimbläschenrest (200 x); die Membran des Keimbläschens ist verschwunden. Fig. 50. Der Keimbläschenrest bei S00facher Vergrösserung. In der Mitte eines hellen, schwach gekörnten Raumes findet sich ein etwas dunklerer rundlicher Körper, der Binnenkörper, dessen Oberfläche die Chromosomen unregelmässig angelagert er- scheinen. Dieselben werden repräsentirt durch eine geringe Zahl von Strängen, die aus netzförmig mit einander vereinig- ten Chromatinfäden bestehen, dieselben erscheinen in breitere, helle Höfe eingebettet. Fig. 51. Dasselbe aus dem Nachbar- schnitt (800 x). (Die Chromosomen erstrecken sich durch 5 Schnitte von je 10 u Dicke.) Fig. 52 u. 53. Ei von 1185 u mittlerem Durchmesser. Fig. 52. Der animale Pol mit dem Reste des Keimbläschens, das hier aber noch deutlich seine Membran zeigt (165 x). — Fig. 53. Aus dem- selben Schnitt bei 630facher Vergrösserung der körnige Bin- nenkörper mit den aufgelagerten Chromosomen. Die Netz- struktur derselben ist beinahe verschwunden, die Chromatin- fäden haben sich zu compakteren, mitunter U-förmig gebo- genen Stücken vereinigt, die ihre Entstehung aber noch durch ihre unregelmässige Contour und einzelne Durchbrechungen verrathen. Die dieselben umgebenden hellen Höfe sind sehr deutlich. 55, 56. Ei von 1150 u mittlerem Durchmesser, in Chromessig- säuresublimat gehärtet und mit alkoholischem Boraxcarmin gefärbt. Fig. 54. Der animale Pol mit dem Keimbläschenrest (166 x); derselbe ist noch ziemlich ansehnlich, es ist aber keine Spur der Kernmembran mehr nachzuweisen. — Die Fig.55 (aus demselben Schnitte) und Fig. 56 (aus dem Nachbarschnitte) zeigen bei 650facher Vergrösserung den Binnenkörper mit den aufgelagerten Chromosomen. Dieselben erscheinen jetzt (in geringerer Zahl) als plumpe, compakte, glatt contourirte Stücke, die häufig U-förmig gebogen sind. An mehreren Stellen (namentlich in Fig. 56) überdecken sie einander und sind wohl auch theilweise miteinander verklumpt. In der Die Struktur des Keimbläschens im Övarialei von Triton taeniatus. 79 Umgebung derselben tritt eine horizontale Faserung auf; — die erste Anlage der Polstrahlen der Richtungsspindel. Fig. 57, 58, 59. Ei von 1055 u mittlerem Durchmesser, mit Sublimat- Eisessig behandelt. Endstadium der Ovarialentwicklung; deut- liche Anlage der (horizontal unter dem animalen Pol gelager- ten) ersten Richtungsspindel. Fig. 57. Der Keimbläschenrest mit Umgebung bei 166facher Vergrösserung. — Fig. 58. Die Anlage der ersten Richtungsspindel aus demselben 630x. Der Binnenkörper hat sich in eine schöne, stumpfpolige Spindel umgebildet. Auf dem Umfang derselben liegen etwas unregelmässig, aber doch wesentlich äquatorial, die verbo- genen, häufig U-förmigen Chromosomen. Ueber die Spindel und die Chromosomen ziehen Züge feiner, paralleler Fäser- chen hinweg, die sich auf der linken Seite jenseits des Poles der Centralspindel etwas zusammenneigen. — Anlage der Polstrahlen. Fig. 59. Dasselbe aus dem angrenzenden Schnitte, 630 x. Fig. 60 u. 61. Bauchhöhleneier von 1150 u mittlerem Durchmesser, in Chromessigsäure-Sublimat gehärtet und mit Carmin gefärbt. Die erste horizontal unter dem animalen Pol gelagerte Rich- tungsspindel aus den beiden benachbarten Schnitten, in denen sie vollständig enthalten war (650x). 12—14 Doppelchromo- somen. In beiden Figuren deutliche Polstrahlen ausserhalb der scharf begrenzten achromatischen Spindel. Fig. 62 u. 63. Bauchhöhlenei von 1155 u mittlerem Durchmesser, in Sublimat-Eisessig fixirt und mit Hämatoxylin gefärbt. Aus- nahmsweise schon radiär gestellte erste Richtungsspindel (630 X) aus beiden Schnitten, in denen sie enthalten war; ebenfalls recht deutliche Polstrahlen und 12—14 Doppelchromosomen. : Die Weigert’sche Fibrinfärbungsmethode und das Studium des Oberhautpigments. Von Dr. S. Ehrmann, Privatdocent a. d. k. k. Universität zu Wien. Im ersten Hefte des Bandes 42 des „Arch. f. mikroskop. Anat.“ hat Kromayer eine neue Anschauungsweise über die Entstehung des Oberhautpigments zu entwickeln versucht, welche 80 S. Ehrmann: auf das Studium nach der Weigert’schen „Fibrinmethode“ gefärbter Präparate basirt ist. Es liegt mir hier vollständig ferne, die so verwickelte Pig- mentfrage aufzurollen, um so mehr, als dies durch eine in Vor- bereitung befindliche, ausführliche Monographie, welche wesent- lich durch entwicklungsgeschichtliche Thatsachen die Lehre von der Bildung des Pigmentes im Mesoderm belegt, geschehen wird. In grossen Umrissen habe ich es bereits im „Archiv für Dermatologie 1592!) und auf dem zweiten internat. Dermatologen- congress in Wien erörtert; doch werden diese Befunde von der Arbeit Kromayer’s gar nicht berührt und so entbehren seine Schlusssätze schon aus diesem Grunde allein der Allgemeingiltig- keit. Ich muss mir aber bezüglich der von Kromayer be- schriebenen Befunde und ihrer Verwerthbarkeit zur Beweisführung jetzt schon einige Bemerkungen erlauben. Ein grosser Theil der Thatsachen, welche Kromayer in seiner Arbeit anführt, sind seit Jahren wiederholt von mir vor- gebracht worden; aber die Erklärung, welche ich ihnen gegeben und die von der des genannten Autors grundverschieden ist, wird von ihm nicht einmal erwähnt, noch viel weniger gar erwogen oder widerlegt. Gleich im Anfange der Kromayer’schen Arbeit heisst es Seite 3: „Der Gedanke liegt nahe, mittels der von mir beschriebenen Färbemethode der Protoplasmafasern das Ver- hältniss dieser zu den Pigmentkörnern zu untersuchen. Hierbei fiel mir auf, dass alle Epithelzellen, die viel Pigment haben, wenig gefärbte Protoplasmafasern aufweisen und umgekehrt, so dass gegenseitige Beziehungen vorhanden zu sein schienen. Ich zog zur Feststellung derselben möglichst einfache Objekte zur Untersuchung heran; zunächst den Warzenhof der menschlichen Brustdrüsen. Die Cylinderzellen bergen das Pigment im oberen Pole der Zelle. Die geschlängelten Haftfaserın der Zellen sind deutlich gefärbt bis zur Stelle, wo hier das Pigment auftritt; da verschwinden sie.“ Zu dieser Stelle wäre zunächst zu bemerken, dass die von Kromayer seiner Zeit beschriebene Methode die ganz unwesentlich modifieirte Weigert’sche Fibrinmethode?) 1) Ueber die Bildung und Wanderung des Pigments bei den Amphibien. Arch. f. Dermat. u. Syph. 1892. 2) Weigert, „Fortschritte der Mediein“, 1887; Herxheimer, Die Weigert'sche Fibrinfärbungsmeth. u. d. Studium d. Oberhautpigm. $1 ist, welche Kromayer bei früheren Arbeiten angewendet, nach- dem Herxheimer die von ihm mittelst derselben dargestellten Fasern beschrieben hatte. Diese hat Kromayer in seinen Ar- beiten alsbald als Protoplasmafasern angesprochen !). Ich stelle nun daneben, was ich über denselben Gegenstand in der Sitzung der Wiener Dermatol. Gesellschaft vom 4. Mai 1890 (s. Arch. f. Dermat. u. Syphilis, Seite 955) gesagt habe. Da heisst es: „Ehrmann spricht über die von Herxheimer mit der Weigert’schen Fibrinmethode dargestellten Fasern in der Epidermis von spitzen Condylomen im Epithel der Zunge, bei Sarkom und in der normalen Haut. Vortragender hat sie in dem Praeputium eines Negers gefärbt, welchen er wegen Phimose vor 3 Jahren eireumeidirt hatte. Er fand, dass dieselben nicht pig- mentirte Partien jener Zellfortsätze sind, in welchen das Pigment ähnlich wie die Körnehen im Protoplasma bei den Rhizopoden fliessen. Bekanntlich ist durch die Untersuchungen von Aeby, Riehl, Karg, Ehrmann, Kölliker u. A. nachgewiesen worden, dass das Pigment durch amoeboide Zellen fortbewegt werde. Letzterer?) hat bei Transplantationen von Negerhaut auf weisse und umgekehrt gezeigt, dass das Pigment aus der trans- plantirten Negerhaut verschleppt wird und umgekehrt, dass in die auf Negerhaut transplantirte weisse Haut Pigment durch diese Zellen eingesehleppt und auch in die Epidermis getragen wird, ähnlich wie es früher schon der Vortragende gelehrt. Ehr- mann demonstrirt nun solche Fasern, welche theils ganz violett gefärbt sind, theils nur in der obern Hälfte, während sie unten Pigment enthalten und mit Pigmentzellen an der Basis zusammen- hängen. Sehr viele von ihnen endigen mit einem Pigmentknöpf- chen nach oben. Methodisch erwähnt der Vortragende, dass solche Präparate, welche zu lange in absolutem Alkohol gelegen hatten, zum Nachweis der Fasern in ihrer ganzen Länge weniger geeignet sind.“ Ein zweites Mal erwähnte ieh die Färbbarkeit der nieht pigmentirten Antheile der Protoplasmafasern in meinem Referate über Pathogenese der Hautpigmentirungen in der dermat. Section Sitzungsberichte der deutschen dermatol. Gesellschaft und Archiv f. Dermat. u. Syph. 1889. 1) Kromayer, Arch. f. Derm. u. Syph. 1890. 2) Es soll heissen Karg. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 6 S. Ehrmann: I ID des internationalen Congresses in Berlin, ein drittes Mal in meinem Vortrage über die Bedeutung der Herxheimer’schen Fasern auf dem zweiten Congresse der deutschen dermat. Gesellschaft in Leipzig. Hier lautet ein Passus wörtlich }): „Diese beiden Arten von Fortsätzen, nämlich die der verzweigten Zellen und der Epi- dermiszellen färben sich an Sehnitten von Alkoholpräparaten mit der Weigert'schen Methode, jedoch so, dass die pig- mentirten Antheile den Farbstoff abgeben und die nieht pigmentirten Antheile ihn zurückbehalten. Am schönsten zeigt sich das an der Uebergangsstelle der äusseren Lamelle des Präputiums ?) in die innere und an der inneren La- melle selbst. Da findet man die Epidermis nur wenig pigment- haltig und die verzweigten Pigmentzellen weniger zahlreich, am meisten noch an den Spitzen der Papillen, ihre Fortsätze senk- recht in die Epidermis aussendend und die Fortsätze meist keulen- förmig verdiekt. Einzelne von diesen, die pigmentirt sind, färben sich nicht blau, und andere, die sonst in ihrer Form mit den ersteren vollkommen überein- stimmen, färben sieh intensiv mit Gentianaviolett nach Weigert. Der pigmentirte Zellkörper bleibt aber unter allen Umständen ungefärbt. Die Fortsätze der Epi- dermiszellen beginnen unten mit einer pyramidenförmigen pig- mentirten Basis; indem sie sich verjüngen, zeigen sie oft weniger und weniger Pigment; wo sie kein Pigment enthalten, sind sieintensiv gefärbt und am Ende, welches sich in der nächsten Zellreihe oder viel weiter oben befindet, zeigt sich entweder ein pigmen- tirtes, aber ungefärbtes Knöpfehen, oder ein un- pigmentirtes intensiv blau gefärbtes. Ich habe dies hier aber nicht blos zu dem Zwecke erwähnt, um die Priorität zu reelamiren, sondern um nachher zu zeigen, um wie viel einfacher und ungezwungener sich diese Thatsache erklärt, als es Kromayer gethan hat. Es heisst nämlich in seiner Arbeit weiter: „Vergleicht man eine solche pigmentirte Cylinderzelle mit einer pigmentlosen aus der Nähe des Warzen- hofes, so fällt sofort der obere Pol der pigmentirten Oylinderzelle auf. Er ist gegen die Norm vergrössert, gebläht. 1) S. Verhandlungen des Congresses, 1891. 2) sc. des Negers. Die Weigert’sche Fibrinfärbungsmeth. u. d. Studium d. Oberhautpigm. 83 Noch deutlicher werden die Beziehungen zwischen Proto- plasmafaserung und Pigment bei Objeeten, in denen das Pigment in feinsten Linien körnig angeordnet, scheinbar intercellulär liegt (Vorhaut vom Menschen, Hodensack, Fussballen einer jungen Katze). Hier kann man durch Färbung der Protoplasmafasern nicht nur nachweisen, dass diese feinen Pigmentlinien in den Epi- thelien selbst liegen, sondern auch, dass «das Pigment aus den Protoplasmafasern hervorgeht. Die Riehtung der Körnerlinien entspricht der Richtung der jeweiligen Protoplasmafasern. Bei allerdünnsten Schnitten, in denen die einzelnen Fasern isolirt verfolgt werden können, sieht man die blau gefärbte Faser direkt in diese Pigmentlinien über- sehen. Auch hier ist der Raum, den die Pigmentlinien einnehmen, grösser als der der entsprechenden blau gefärbten Fasern.“ Abgesehen davon, was ich früher eitirt habe, geht schon aus einer von mir im Jahre 1885 publieirten Arbeit hervor, dass diese Dinge bekannt sind. Ich eitire hier folgendes von p. 922 Vierteljahressehrift für Dermat. u. Syph. 1885 von den Epithel- zellen der Conjunetiva des Ochsen: „Das Pigment ist oberhalb des Kernes in der Randzone der Zellen in Form einer Kappe oder einer Schale angehäuft, von deren Rändern das Pigment in die seitlichen Randtheile der Zelle in Form von fransenähnlichen Streifen um den Kern bis zum Fuss der Zelle herabzieht. Ja an manchen Sehnitten ist die ‚Grenze zwischen den pigmenthal- tigen Randpartien der Zelle und der pigmentlosen Umgebung des Kernes häufig eine so scharfe, dass es den Anschein hat, als hänge wirklich eine pigmentirte Kappe über den Zellleib herab. In diese pigmenthaltigen Streifen sieht man nun von unten die Ausläufer der verzweigten Zellen nicht selten übergehen und diese streichen zu diesem Zwecke bis in die obersten Zelllagen der Malpighischen Schicht.“ Es war mithin bekannt, dass die Pigmentlinien in den Epi- thelzellen selbst liegen, dass sie Protoplasmafasern entsprechen, dass sie in die nach Weigert blau gefärbten Linien übergehen. Das alles war bekannt. Neu ist nur die Deutung. dieser Erschei- nungen durch Kromayer: dass sie der Ausdruck eines Zerfalles der Protoplasmafasern seien. Wir wollen nun sehen, wie und ob dies Kromayer überhaupt beweist oder wenigstens stützt. Kromayer sagt: „Diese Volumzunahme der Pigmentzelle ist S4 S. Ehrmann: von vielen Autoren, so besonders vou Jarisch bemerkt worden, der auf sie eine eigene Theorie der Chromatophoren baut; sie deutet meines Erachtens ebenso sehr auf eine rege Thätigkeit der Pigmentzelle hin, wie die Umwandlung der Protoplasmafasern zu Pigmentkörnern.“ Dieser Absatz enthält, wie man sieht, eine ganz subjective Ansicht, ohne jedwede Begründung oder objective Stütze. Weiterhin sagt Kromayer: „Wir kennen schon im Keratohyalin !) ein farbloses Zerfallsprodukt der Protoplasmafasern und werden durch den Vergleich auf die Farbe der Pigmentkörner besonders hingewiesen. Ich glaube, dass man bei den Pigment- körnern zweierlei, den Körper und die Farbe unterscheiden muss. Denn einerseits ist die Farbe der verschiedenen Pigmentkörner und -Klumpen ausserordentlich ungleich, andererseits lässt sie sich durch H,O, entfernen (depigmentiren), ohne dass die Körner selbst zu Grunde gehen. Es liesse sich nun annehmen, dass die Protoplasmafasern den Körper für die Pigmentkörner liefern, die Farbe aber vom Blutfarbstoff stamme, der im Serum des Blutes und somit auch wohl in dem die Epidermis ernährenden Lymph- strom enthalten ist.“ Kromayer macht sich da einen sehr richtigen und triftigen Einwand; nur weist er ihn wieder zurück und beginnt dies mit der folgenden Bemerkung: „Mit dieser Annahme müsste eine grosse elective Fähigkeit der zerfallenen Protoplasmafasern vorausgesetzt werden, welehe den Farbstoff festhielte und aufsich niederschlüge.*“ Wie man sieht, spricht hier Kromayer von dem Zerfall der Protoplasmafasern wie von einer feststehenden Thatsache, ohne dass er dafür den Beweis auch nur versucht hätte. Oder sollte dafür der blosse Umstand beweisend sein, dass die pigmentirten Theile des Protoplasmas sieh nieht färben? Dieses würde voraussetzen, dass die Weigert’sche Färbung als speeifisch auf nicht zerfallende Protoplasmafasern be- kannt sei, und dass alles, was sich nieht damit färbt, zerfallendes oder gar kein Protoplasma sei. Bisher ist aber, soviel mir be- ]) Mertschug hat (Virchow’s Archiv) auf Grund irriger, physi- kalischer Anschauungen, die ich in einer Arbeit (Beitrag zur Physio- logie der Pigmentzellen, Arch. f. Derm. u. Syph., 1892) näher beleuchtet habe, die Meinung verfochten, dass Pigment und Keratohyalin iden- tisch seien. Wenn diese Meinung irgendwie zur Stütze einer weiteren Hypothese benützt werden soll, so muss sie erst durchgehends neu gestützt werden. Die Weigert'sche Fibrinfärbungsmeth. u. d. Studium d. Oberhautpigm. 85 kannt ist, etwas Achnliches weder vermuthet noch nachgewiesen worden. Dieser Umstand sowie der, dass die pigmentirten Theile grösser erscheinen als die nicht pigmentirten, lässt eine viel näher liegende und vollbegründete Deutung zu, welche sofort folgen wird, nachdem ich gezeigt haben werde, wie Kromayer die Entkräftung des selbstgemachten Einwandes zu Ende führt. Er sagt: „Mit dieser Annahme müsste eine grosse elective Fähigkeit der zerfallenen Protoplasmafasern vorausgesetzt werden, welche den Farbstoff festhielte und auf sich niederschlüge. Betrachtet man nun die Epithelien, deren Körper so diek voll von Pigment ist, dass der gefärbte Kern kaum sichtbar ist, und auf der an- deren Seite den geringen im Blutserum gelösten Farbstoff, so fällt diese Annahme schwer. Viel natürlicher ist es, mit dem Zerfall der Protoplasmafasern eine Farbveränderung der Zerfallsprodukte anzunehmen.“ Ich gestehe, dass ich nieht weiss, was an dieser Annahme, allerdings mutatis mutandis, schwer fällt. Dass in der That das Pigment sehr oft aus einer farblosen Grundsubstanz, welche die Körner bildet und einer färbenden, welche in dieser Grundsubstanz aufgenommen (aber nicht niedergeschlagen ist) besteht, kann nach dem, was ich auf dem II. internat. Dermatol. Congress in Wien gezeigt habe, nicht bezweifelt werden. Es kommt nämlich vor, (dass Pigmentkörperchen sich mit Methylenblau smaragdgrün fär- ben, was aus einer Mischung zweier Farben zu erklären ist, der Farbe der blau tingirten Grundsubstanz und der des grünlichen Pigments. Kromayer hält aber, wie aus seinen Aeusserungen hervorgeht, dafür, dass die Vertreter des sogenannten hämatogenen Ursprungs des Pigmentes dasselbe für niedergeschlagenen Blut- farbstoff erklären. Soviel mir bekannt ist, ist dies aber bisher von Niemanden geschehen. Ich selbst habe die Sache immer so dar- gestellt, dass der Blutfarbstoff das Materialist, aus wel- chem das Zellprotoplasma das Pigment produeirt, ganz so, wie das Plasmodium Malariae, also ein einzelliger Organismus, nachdem es das rothe Blutkörperchen aus- selaugt hat, nicht einfach den Blutfarbstoff nieder- schlägt, sondern daraus das Melanin bildet. Wir haben es also mit einem chemisch anderen Körper zu thun, der ein Derivat des Blutfarbstoffes ist und der ganz gut viel dunkler sein kann, als die Muttersubstanz selbst, wie wir es Ja von anderen Derivaten sehen. s6 S. Ehrmann: Die Farbe der Blutfarbstoffderivate hängt nicht einmal von ihrem Eisengehalte ab. Es ist ferner selbstverständlich, dass die äusserst geringe Menge des im Serum und in der Lymphe aufgelösten Blutfarbstoffes, welche gewiss grossen Schwankungen unterworfen ist, kommt und geht, nieht so intensiv sein kann, wie die des aufgespeicherten Pigments. Es ist mithin nicht „viel natürlicher“ mit dem noch unbewiesenen Zerfall der Protoplasmafasern eine noch weniger bewiesene „Farbveränderung des Zerfallproduktes“ anzu- nehmen. Kromayer wird allerdings „in dieser Annahme durch den Umstand bestärkt, dass häufig eine theilweise Rückbildung des Pig- mentes zu farblosem Protoplasma stattfindet.‘ Dieser Umstand ist der, dass in einzelnen Objeeten das körnige Oberhautpigment in den basalen Schichten massenhaft vorhanden ist, während es in den oberen Schichten, besonders in der Hornschicht nieht ge- sehen wird. Auch diese Erscheimung kann auf verschiedene in verschiedenen Fällen zutreffende Weise erklärt werden, aber keineswegs in der von Kromayer entwickelten, mit welcher wir uns später befassen wollen. Wie verhält es sich nun mit der Speeifieität der Weigert- schen, respective Kromayerschen Färbung? Kromayer selbst hat damit Keratohyalin gefärbt und ist deshalb zu dem Resultate gekommen, dass das Keratohyalin auch ein Zerfallsproduet der Protoplasmafasern sei. Jetzt kommt er wieder zu dem Resultate, das Pigment oder die Pigmentkörnchen seien ein Zerfallsproduet der Protoplasmafasern, weil es sich mit der W eigert’schen Fär- bung nicht färbt. Man hat mit der Weigert schen Färbung die verschiedensten Dinge tingirt: Fibrin, Keratohyalin, Protoplasma- fasern und Bacterien. Man kann aber doch nicht alle Körper, die die Weigert'sche Färbung nieht annehmen, als Zerfallsproducte dieser Dinge betrachten. Der Weigert’schen Färbung mangelt vielmehr jede Speeifieität, jede Verwendbarkeit als Reagens auf bestimmte Körper. Die Election dabei beruht auf dem rein physikalisch - mechanischen Vorgange «des Schrumpfens. Es ist Kromayer aufgefallen, dass die pigmentirten Zelltheile 1) Dass die Pigmentkörner auch ausserhalb des Zellkörpers in Protoplasmafasern liegen und nicht, wie einzelne Autoren angeben, einfach im Intercellularraum, hat ja Kromayer selbst ganz richtig beobachtet. Die Weigert’sche Fibrinfärbungsmeth. u. d. Studium d. Oberhautpigm. 87 und Protoplasmafasern, welche keinen Anilinfarbstoff aufnehmen, grösser — nach Kromayer's Angabe wie gebläht — erscheinen gegenüber den tingirten, aber pigmentlosen. Es verhält sich aber wohl umgekehrt, wie man sich dureh Controlversuche leicht überzeugen kann. Die pigmentlosen tingirten Protoplasmatheile sind kleiner geworden, haben an Volumen eingebüsst und des- halb erscheinen die pigmentirten relativ grösser. Bei Parallel- färbungen mit anderen Methoden findet man durch Vergleich dass in dennach Weigert gefärbten Schnitten die pigmentirten Theile nieht grösser erscheinen, eher sogar etwas kleiner, als in den Schnitten desselben Objectes, die z. B. mit Saffranin Carmin, Haematoxylin ete. einfach gefärbt wurden. Die pig- mentlosen Bestandtheile halten, indem sie bei der Entfärbung schrum- pfen, den Farbstoff zurück, während die pigmentirten, durch die Anwesenheit des Pigments am Schrumpfen gehindert, denselben abgeben. In meinem obenerwähnten Vortrage, Verhandlungen der deutschen Dermatologischen Gesellschaft, 1891, pag. 2 heisst es: „Es hat bereits Kromeyer hervorgehoben, dass der grössere oder geringere Wassergehalt des Praparates massgebend ist für das Gelingen der Färbung der Fasern. Ich kann nach meinen Erfahrungen Folgendes mittheilen: Die Herxheimer'- schen Fasern färben sich umso sicherer, je weniger die Ge- websbestandtheile Gelegenheit hatten, vor dem Einlegen in Gen- tianaviolett zu schrumpfen und je mehr sie während der Ent- färbung durch Anilinxylol schrumpfen können. Präparate, welche behufs Paraffineinbettung schom vor der Färbung in Xylol oder Chloroform waren, färben sich schlecht, indem sie nachher bei der Entfärbung mit Anilinxylol allen ihren Farbstoff abgeben, wenn sie nicht vorher in Wasser oder verdünntem. Alkohol ge- legen hatten. Die Entfärbung des Bindegewebes geht am lang- samsten vor sich, weil es mehr Wasser hält und folglich auch während der Entfärbung mehr Wasser abgibt und schrumpfen kann. Ich muss deshalb die Färbung für einen mechanischen physikalischen Vorgang halten, vermöge welchem der Farbstoff in den Gebilden, während sie schrumpfen, festgehalten wird und zwar durch den Vorgang beim Schrumpfen selbst, während er nicht schrumpfende oder bereits geschrumpfte Gebilde verlässt. Es muss auch auffallen, dass in der Regel das Mischungs-Ver- hältniss von 1 Anilin: 2 Xylol genügend ist, um die Färbung S8 Ss. Ehrmann: so zu erlangen, dass die Herxheimer schen Fasern gefärbt bleiben; bei solchen Präparaten aber, die, wie oben erwähnt, schon in Xylol oder Chloroform gelegen hatten und dadurch schrumpften, ist es nothwendig, 1 Theil Anilin zu 3, selbst zu 4 Theilen Xylol zuzusetzen. Das Xylol ist nicht bloss‘ als Verdünnungsmittel für das Anilin wirksam, sondern es wirkt selbst beim Zurückhalten des Farbstoffes in einzelnen Gebilden, also bei der Election, mit, indem es sie schrumpfen macht. Möglicherweise ist die spiralige Form mancher dieser Gebilde dureh diesen Vorgang selbst künstlich erzeugt. Dem entsprechend findet man auch, dass sich mittelst der Weigert'schen Methode eine Anzahl von Gebilden färbt, welche morphologisch von ein- ander sehr verschieden sind.“ Um diese Worte verständlicher zu machen, muss ich auf die Weigertsche Methode näher eingehen. Die Schnitte werden zunächst auf entsprechende Weise vom Einbettungsmittel befreit, in Wasser gebracht und von da in einen der stärker färbenden basischen Anilinstoffe (Gentiana- oder Methylviolett) auf dem Objeetträger gefärbt, selbstverständlich in wässeriger Lösung, dann nach Abspülen mit Wasser in Jodjodkaliumlösung gebracht, wodurch die Färbung vollendet wird, dann mit Wasser abge- spült, auf dem Objeetträger ausgebreitet und dureh ein nicht zu starkes Auflegen von Filtrirpapier gewissermassen fixirt, wobei die Präparate einen Theil ihres Wassers verlieren !), aber eine ziemlich beträchtliche Menge desselben noch zurückbehalten. Das zeigt sich bei dem nun folgenden Uebergiessen mit dem Gemisch von Anilinöl und Xylol (1:2 oder 1:4) behufs Entfärbung des Präparates. Hierbei wirkt das Anilin als Lösungsmittel, und es würde, rein angewendet, sofort das ganze Präparat total entfärben. Das beigemischte Xylol wirkt nun nieht blos als Verdünnungs- mittel des Anilins, sondern auch beim Zurückhalten des Farb- stoffes in den Gewebsbestandtheilen auf die gleich zu besprechende Weise. In der Regel genügt die Mischung von 1:2, und die Bilder, die man bekommt, zeigen die einzelnen Bestandtheile in ihrem Situs ziemlieh unverändert. - Wendet man jedoch eine Lö- sung von 1:4 an, so werden die einzelnen Bestandtheile der 1) Kromayer fixirt noch vor der Färbung den Schnitt mit Filtrirpapier. Die Weigert'sche Fibrinfärbungsmeth. u. d. Studium d. Öberhautpigm. 89 sewebe schmächtiger und es entstehen Lücken, die sonst nicht da sind, offenbar die Wirkung einer gesteigerten Schrumpfung durch Wasserentziehung. Die Wasserentziehung kann man Sehritt für Schritt mit blossem Auge verfolgen. Unmittelbar nach dem Uebergiessen zeigt das Präparat einen matten Silberglanz, der ddavon herrührt, dass zwischen dem öligen, stärker liehtbrechenden Anilinxylol und dem Wasser des Präparates eine das Lieht total refleetirende Grenzfläche entsteht. Indem nun das Wasser all- mählich von öliger Flüssigkeit aufgenommen wird, dringt das Oel in das Präparat und der Glanz schwindet. Dann treten in der öligen Flüssigkeit oft sehr schön gezeichnet blaue Schlieren auf, bis ein Moment eintritt, wo diese aufhören und nunmehr beim neuer- lichen Uebergiessen mit Anilinxylol nur etwas diffuse, blaue Flüssig- keit austritt. Nach meiner Erfahrung ist das der Moment, wo die Präparate noch ihre Structur so ziemlich bewahren. Lässt man das Anilinxylol noch weiter einwirken und besonders, wenn 4 Theile Xylol angewendet wurden, so tritt noch etwas blauer Farbstoff aus, aber dann folgt schon die übermässige Schrumpfung. Hält das Präparat auf dem Objeetträger nicht ganz fest, so hebt es sich ab, es krümmt sieh, als würde es über die offene Flamme gehalten, und wird dabei homartig fest. Ist es aber fixirt, so sieht man besonders am Bindegewebe, wie die weniger diehten Stellen desselben noch schütterer werden, indem sie offenbar gegen die diehteren Partien herangezogen werden. Man sieht das auch auf der Abbildung von Kromaver Fig.5. Hat man jene oben erwähnte Grenze eingehalten, so findet man die Ober- haut entfärbt bis auf die Kernkörperehen und die Fasern. Treibt man die Entfärbung weiter, so verlieren auch die Nucleoli ihren Farbstoff. Solche Präparate mit entfärbten Nucleolis wurden von Kromayer nach seiner Angabe bei seinen Untersuchungen verwendet. Man sieht dies aueh aus seinen Abbildungen. Damit ist aber die Thatsache vollständig erklärt, dass die pigmentirten Protoplasmabestandtheile, weil sie wenig oder gar nicht schrun- pfen, ungefärbt bleiben, aber auch, dass sie grösser erscheinen, als die gefärbt gebliebenen. Nur eines scheint auf den ersten Blick mit dieser Erklärung nieht zu stimmen, und das ist Fol- sendes: Wenn das Präparat zu viel Wasser enthält, so gibt es ebenso nahezu vollständig seinen Farbstoff ab. Die Ursache er- giebt sieh aber aueh sehr leieht. Wird ein zu sehr wasserhal- 90 S. Ehrmann: tiges Präparat mit Anilinoxylol übergossen, so merkt man jenseits der Trennungsfläche der öligen und wässrigen Flüssigkeit, also in der Flüssigkeit des Präparates eine diffuse Auflösung des Farbstoffes, dann wird auf einmal die Trennungsfläche durch- brochen, ein Strom von blauer Flüssigkeit ergiesst sich heraus, und das Präparat ist nahezu vollständig entfärbt. Die Sache verhält sich einfach folgendermassen. Bei grossem Gehalt des Präparates an Wasser zieht sieh die Diffusion im die Länge, die Trennungsfläche zwischen beiden Flüssigkeiten wird spät durch- brochen; bis dorthin hat aber das Wasser aus der umgebenden Flüssigkeit Anilin aufgenommen und den Farbstoff des Präpara- tes aufgelöst. Wenn nun auch das Xylol, welches weniger leicht diffundirt, in das Präparat selbst gelangt, hat der Farbstoff die (rewebsbestandtheile bereits verlassen und die schrumpfendeWirkung des Xylols findet schon ganz entfärbte Bestandtheile; der Farb- stoff hat sich in die umgebende Flüssigkeit begeben. Kromayer selber hat dies seinerzeit hervorgehoben. Troeknet man aber nach der Färbung und vor dem Ueber- giessen mit Anilinxylol den Sehnitt an der Luft oder mit Filtrir- papier vollständig, so wird durch «die dabei stattgefundene Schrumpfung der Gewebstheile der Farbstoff so vollkommen zurück- gehalten, dass selbst reines Anilin ihn nicht mehr zu extrahiren vermag; dazwischen liegen nun zahllose Abstufungen je nach der Trockenheit. Ich werde auf die Wirkung der Weigert’schen Methode noch einmal zurückkommen, ich will nur noch emes Momentes gedenken, welches Kromayer zur Unterstützung seiner Anschau- ung anführt: S. 5 des Sep.-Abd.: „Nach dem Vorhergehenden spielt also bei der Pigmentirung der Epithelzelle die Thätigkeit des Zellprotoplasmas die grösste Rolle. Diese Zellthätigkeit findet in folgender Beobachtung einen Ausdruck. Ich legte ein frisch excidirtes Hautstückchen, dessen eine Hälfte ein Leukoderma syph., dessen andere die pigmentirte Randzone enthielt, in mit Arg. nitr. zu '/,°/, versetzten Alkohol; am nächsten Tage war die eine Hälfte schwarz, die andere war weiss geblieben. Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass das Silber fast allein im Epithel der pigmentirten Randzone u. zw. zu etwa °/,. in den Cylinderzellen niedergeschlagen war, während die weissgebliebene Hälfte des lseukoderma kein Silberkörnchen aufwies. Ich habe den Versuch Die Weigert'sche Fibrinfärbungsmeth. u. d. Studium d. Oberhautpigm. Y1 noch einmal mit demselben Erfolg beim Leueoderm wiederholt. Auch an normalen fleckigen Pigmentationen von Thieren (Lippe, Conjunetion!) von Pferd und Ochse) habe ich ähnliche, wenn auch nieht so klare Resultate mit Höllenstein und Goldehlorid erhalten, indem die stärker pigmentirten Stellen auch eine stärkere Reduktion des Salzes aufwiesen. Uebrigens ist dieser Zusammen- hang nicht neu.“ Bei unbefangener Prüfung dieser Stelle kann man nur sagen: dieser Versuch lehrt, dass die pigmentirten Stellen oder das Pigment selbst manchmal stärker reducirend wirken, als die nicht pigmentirten (manchmal auch nicht). Um daraus den Schluss ziehen zu können, dass dies der Ausdruck einer besonderen Thä- tigkeit des Zellprotoplasmas ist, ‚müsste man noch eime ganze Menge von Zwischengliedern kennen lernen, vor allem das Wesen der Reduction selbst. Bis dorthin kann man nur einfach die an sich nicht uninteressante Thatsache registriren. Ich kann deshalb das Resume Kromayer’s, dass das Pigment der Epithelzellen aus den Protoplasmafasern entsteht, dass diese Pigmentation die Folge einer Zellenthätigkeit sei, die experimentell dureh .Reduetion von Metall- salzen Ausdruck findet, nicht als begründet aner- kennen. I: Kromayer beschäftigt sich in einem eigenen Kapitel da- mit: „Was sind die Chromatophoren ?* Soweit seine Auseinander- setzungen darauf begründet sind, dass der Zerfall der Protoplasma- fasern zu Pigment als erwiesen zu betrachten sei, kann ich auf dieselben nicht weiter eingehen, weil ich, wie gesagt, diese An- schauungsweise nicht für genügend gestützt erachte. Ebensowenig kann ich auf die Angaben eingehen, welche auf der Untersuchung dieker Flachschnitte basirt. Etwas anderes ist es, wenn Kro- mayer die von so vielen Autoren als eine Zellart sui generis beschriebenen Chromatophoren oder pigmentirten Langerhans- schen Zellen der Epidermis bloss als „epitheliale, dem Faserver- laufe der Epithelien entsprechende Figuren“ ansieht. Es kann eigent- lich uns nach dem, was wir über die zur Untersuchung angewendete 1) Soll wohl heissen Conjunctiva, 92 S. Ehrmann: Methode erfahren haben, nicht Wunder nehmen. Kromayer selbst sagt: „Die Gesammtheit der Epithelzellen macht hier den Eindruck einer zusammenhängenden faserigen Masse mit einge- lagerten Kernen; so auch das Zerfallsprodukt der Protoplasma- fasern, das Pigment und die Pigmentäste. Treten diese Pigment- äste in grosser Menge und zahlreichen Anastomosen auf, so ent- steht ein zusammenhängendes pigmentirtes Netzwerk, in dessen Maschen die Epithelkerne liegen.“ Man erhält in der That, wenn man in der Behandlung der Präparate mit Xylol, welche so oft durch Wasser gegangen, dass die Bestandtheile des Gewebes damit imbibirt sind, wie es Kro- mayer gethan hat, dazunoch 1:4 Anilinxylol anwendet, — ich weiss es aus eigener Erfahrung — solche Bilder, die den Kromayer'- schen entsprechen. Wir finden bei ihm, speciell in den Abbil- dungen Fig. 5 und 7, dass der Zellleib der Epithelzellen sich vom Kern ganz zurückgezogen hat, so dass der letztere in einer weiten Höhle liegt und die Höhle ist begrenzt von emem aus dünnen Fäserchen gebildeten Korbe, zu welehem durch die Schrumpfung der ganze Zellleib umgewandelt wurde, indem das zwischen den Fasern liegende Protoplasma (Paramitom) an die- selben herangezogen wurde, so dass es scheinbar gar nieht mehr vorhanden ist. Durch das Aneinanderrücken der korbartigen Wände und das Zurückziehen vom Kern, das bei der Schrumpfung eintritt, verschwinden an manchen Stellen die interspinalen Lymph- räume, an anderen Stellen werden sie wieder sehr gross. Die Verhältnisse, wie sie in Wirklichkeit bestehen, sind also bis in’s Unkenntliche verzerrt. Wir können daher auch die Deutung, weleheKromayer auf Grund dieser Bilder den Chromatophoren der Epidermis gibt, nicht als berechtigt anerkennen. Anderer- seits aber muss man bei vollem Festhalten daran, dass die Chro- matophoren Gebilde sui generis sind, zugeben, dass die Frage, ob sie eeto- oder mesodermalen Ursprungs sind, bisher nicht end- giltig entschieden war, weil die embryologische Untersuchung in dieser Frage gefehlt hat. Ich kann hier nur bemerken, dass sie nach meinen Untersuchungen, deren Publication, wie schon er- wähnt, bevorsteht, in letzterem Sinne ausgefallen ist. Aber, wie dem auch sei, selbst wenn man sie für autochtone Gebilde der spidermis hält wie Kromayer, so ist dadurch nichts Stich- hältiges gegen die Einschleppungs-, richtiger „Einströmungstheorie* Die Weigert’sche Fibrinfärbungsmeth. u. d. Studium d. Öberhautpigm. 95 vorgebracht. Dem Schlagworte „Einschleppungstheorie“ liegt die Vorstellung Aeby’s zu Grunde, dass die Chromatophoren des Bindegewebes immer in toto die Cutis verlassen und in die Epidermis einwandern, während ich immer die Anschauung ver- treten habe, dass das Pigment auf Protoplasmabrücken von Zelle zu Zelle viel mehr strömt!), was von Karg seinerzeit bekämpft wurde, weil zwischen den Zellen keine nachweis- baren Verbindungsbrücken bestünden. Inzwischen hat Bieder- mann?) und ich®), Einer unabhängig vom Anderen, beim Farben- wechsel der Frösche gefunden, dass das Pigment der melaninhaltigen Chromatophoren der Cutis auf bestimmten, jedesmal sich wieder- holenden Wegen strömt. Biedermann hat auch zum Theil die Wege im pigmentfreien Zustande anatomisch dargestellt. Die selbständige Existenz von verzweigten Pigmentzellen der Epi- dermis, die etwas von den Epithelzellen verschiedenes sind, ist, soviel mir bekannt ist, nur von Unna und Mertsching angegriffen worden: von Ersterem sind auf Grund einer sehr ein- greifenden Macerationsmethode mit Salpetersäure, und auch die Ausläufer der Chromatophoren der Cutis, die ja zweifelsohne zu Recht bestehen, negirt worden. Von Letzterem wurde in einer Arbeit, die aus seinem Laboratorium hervorging), der absolut negirende Standpunkt wieder aufgegeben. Auch Schwalbe, der ein Geg- ner der Einwanderungstheorie ist, gibt die Existenz dieser Zellen zu, nur hält er ihre feinsten Ausläufer für Ausgüsse der inter- spinalen Räume. Ein bleibendes Resultat der Arbeit Kro- mayers kann nur im Nachweis des Zusammenhanges zwischen Protoplasmafasern und Pigmentlinien liegen, der aber, wie gesagt, von mir schon beschrieben wurde. Der faserige Bau der Epider- miszellen wurde schon seinerzeit von Blaschko auf viel scho- nendere Weise dargestellt. Das schärfere Hervortreten der Fasern und das starre Aussehen, der spiralige Verlauf dürfte dureh die Färbemethode bedingt sein, wie Kromayer selbst zugesteht?). 1) Nebenbei gesagt, kann auch Kromayer nicht umhin, eine Locomotion des Pigmentes anzunehmen. 2) Pflüger’s Archiv, 1892. 3) Physiolog. Centralblatt 1891 und Archiv f. Derm. 1892. 4) Cohn, Zur Anatomie der Epheliden etc. Monatsh. f. Dermat. Ba. 11. 5) Archiv f. Dermat. u. Syph. 1890, S. 94, 94 S. Ehrmann: Was bedeuten nun die Protoplasmafasern ?” Aus den bereits von mir eitirten Stellen geht hervor, dass ich sie als Wege betrachte, auf denen das Pigment wandert. Es ist ja bekannt, dass das Pigment in linearer Richtung Verschiebungen erleidet, es ist an der Haut der Amphibien, an der Retina wiederholt nachgewiesen wor- den, und es wäre die Sache Kromayers gewesen, ehe er die Annahme gemacht hat, dass die Pigmentreihen aus Zerfall der Protoplasmafasern hervorgehen, dieses auszuschliessen. In neuester Zeit ist Ja durch die schönen Untersuchungen von Solger, Zimmermann und Ballowitz der direkte Nachweis geliefert worden, dass im den Chromatophoren der Cutis die Pigmentkörnchen in der Richtung der Protoplasma- fäden der Filarsubstanz zu Reihen angeordnet sind und dass die Bewegung des Pigments auf diesem Wege stattfindet. Es bleibt uns nun noch übrig, zu zeigen, dass die Annahme Kromayer's, nach welcher das Pigment manchmal beim Auf- steigen in der Epidermis entfärbt werden soll, nicht nothwendig ist. Kromayer sagt hierüber: „Bei der Pferdelippe verliert sich das in den unteren Zelllagen diek angehäufte Pigment je näher der Hornschiecht umsomehr, so dass schliesslich nur ein- zelne Stachelzellen spärliche Pigmentkörner aufweisen. Die Pigmentkörner liegen zwischen den wohlausgebildeten Protoplasma- fasern, einzeln, ungeordnet — verkümmert. Was ist aus dem Pigmente geworden, während die Cylinder- zelle aufstieg und sich der Verhornungszone immer mehr und mehr näherte? Folgende Erklärung scheint mir die einzig mögliche : Das Pigment, wie aus den Protoplasmafasern entstanden, wird unter Entfärbung wieder zum Aufbau derselben benutzt. Jeden- falls geht das Verschwinden des Pigmentes und das Entstehen der Protoplasmafasern Hand in Hand.“ Für diese ungemein weitgehende und an sich schon unwahr- scheinliche Annahme, (dass aus dem Zerfallsprodukt eines chemisch so complieirten Körpers, wie eine Protoplasmafaser es ist, die- selbe sich wieder reconstruiren sollte, obzwar das Zerfallsprodukt schon so weit verändert sein müsste, dass es sogar eine andere Farbe annimmt; für diese Annahme bringt Kromayer nichts weiteres vor, als dass in gewissen Objekten, in den höheren Schichten, kein oder nur wenig Pigmentkörnchen gefunden wer- den, obzwar in den basalen Schichten sich dieselben in grosser “ Die Weigert’sche Fibrinfärbungsmeth. u. d. Studium d. Oberhautpigm. 95 Menge vorfinden. Gegen diese Auffassung lässt sich vieles vor- bringen, was auch in verschiedenen Fällen zutrifft. Erstens ist es möglich und kommt beim Haare und anderen Objekten ganz bestimmt vor, dass das Pigment in den oberen Schichten diffus in der Substanz der Hornzellen vertheilt ist, so dass deshalb keine Pigmentkörnchen wahrgenommen werden. Zweitens ist es nicht nothwendig, dass die Cylinderzelle in toto mit ihrem Pigment nach oben steigt, sondern es ist möglich, und ich habe das auch wiederholt gesehen, dass sie sich theilt, dass em Theil, der nach oben steigt, wenig Pigment, und, der unten bleibt, viel Pigment enthält. Es ist das bei einem und demselben Objekt verschieden, z. B. an den Pfotenballen schwarzer Hunde. Einmal enthält die Hornschicht mehr Pigment, ein anderes Mal weniger oder gar keines. Es muss ja das Pigment nicht in.demselben Masse aufsteigen, als es in der Basalschichte vorhanden ist, und es steigt auch nicht in demselben Masse auf. Darin liegt auch der Grund, warum das Pigment in der Basalschichte der Epi- dermis der Säugethiere sich anhäuft, weil es contimuirlich aus der Cutis in die Basaltschiehte aufsteigt, und von hier aus in die Hornsehieht nur langsam und diseontinnirlich ; damit erklärt sich auch der Einwand, den viele Autoren gegen die Einströmungs- theorie erheben, der nämlich, dass bei Säugethieren das Pigment in der Cutis viel spärlicher ist, als in der Basalschichte der Epidermis. Ueber die Erörterungen, welehe Kromayer auf Grund seiner eigenen Befunde gegen die Einströmungstheorie des Pig- ments in die Epidermis richtet, konnte ich mich nach dem Ge- sagten in keine Discussion einlassen. Ich stellte mir bloss die Aufgabe, das Thatsächliche, was Kromayer vorgebracht hatte, und was mit der von ihm angewendeten Methode erreicht wird, also auch die Art und Weise zu beleuchten, wie beides zur Be- weisführung verwendet wurde. Die Einwände anderer Autoren, besonders den Umstand, dass in der Papille pigmentreicher Haare oft kein Pigment ge- funden wird, der so wie er ist, thatsächlich gegen die Einströ- mungstheorie sprechen würde, durch andere aber sich sehr wohl in dieselbe einfügt, muss ich mir für die oben erwähnte Gelegen- heit aufsparen. Einstweilen glaube ich: et haee meminisse juvabit, 96 F. Brandis: Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. Von Dr. F. Brandis (Friedrichsberg, Hamburg). II. Theil: Ursprung der Nerven der Medulla oblongata. Hierzu Tafel V. III. Acusticusgruppe. a) Nervus cochlearis. Während der Spalt des Centralcanals durch die Abtlachung der Seitentheile des Bodens des vierten Ventrikels immer weniger tief wird, so dass er schliesslich nur noch eine flache Längsfurche in der Mittellinie bildet, rückt allmählich der laterale Theil der Hinterstränge zugleich mit den Hinterhornresten, die jetzt von jenem umschlossen werden, weiter ventralwärts, so dass dorsal vom intracerebralen Vagusstamme nur noch der mediale Theil der Hinterstränge übrig bleibt. Dieser wird nach innen von dem immer mehr von der Mittellinie abrückenden Respirationsbündel be- grenzt, seine Fasern verlaufen im Ganzen der Peripherie parallel, zum Theil ziehen sie aber auch nach innen zur vorderen Com- missur. Während sie anfangs noch ziemlich zahlreich sind, werden sie weiter proximalwärts immer spärlicher und schliesslich wird der grösste Theil dieser Gegend nur noch von netzförmig angeordneten feinen Fasern übersponnen, »zwischen denen zahl- reiche mittelgrosse, meist bläschenförmig erscheinende Ganglien- zellen liegen, die durch einen ziemlich grossen Kern ausgezeich- net sind. Der sich immer mehr vergrössernde Abstand zwischen dem Vaguskern und dem Funieulus solitarius wird durch graue Sub- stanz ausgefüllt, welche nur spärliche feine Nervenfasern enthält und ziemlich zahlreiche kleine, mit Karmin sich wenig färbende Zellen zeigt, die man in der stärker gefärbten Grundsubstanz Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 97 für Lücken halten könnte, wenn man nicht darin die runden Kerne erblickte. Wie wir schon früher gesehen haben, überschreiten weiter proximalwärts die fibrae arcuatae dorsalwärts ziehend den in- tracerebralen Vagusstamm und gelangen somit in jene Gegend des medialen Theiles der Hinterstränge, und zwar wendet sich ein grösserer Theil der Fasern dorsal vom Vagus mehr nach aussen, wie schon erwähnt wurde, während ein kleinerer, der auch erst etwas weiter proximal auftritt, mehr nach innen zieht und die Gegend dorsal vom funieulus solitarius erreicht. Ursprünglich stammen diese Fasern nur aus dem ventralen Theile der Raphe, je mehr man aber proximalwärts fortschreitet aus einem um so grösseren Theile derselben entspringen sie; sie beschreiben einen um so flacheren Bogen und bilden um so schwächere Stränge, je weiter dorsalwärts an der Raphe ihr Abgangspunkt liegt. Auf diese Weise wird die Gegend dorsal vom Vagusstamme wieder bedeutend faserreicher, es entsteht hier ein sehr dichtes Fasergewirr, in dem auch zahlreiche Gruppen von Faserquer- schnitten liegen, welche besonders an der Peripherie, dorsalwärts und nach innen von der Kleinhirnseitenstrangbahn angeordnet sind. Nieht selten z. B. bei Syrnium überwiegen solche Fasern beträchtlich, die von innen nach aussen verlaufen, wodurch diese Gegend ein ganz charakteristisches Aussehen erhält (siehe Fig. 8 des vorigen Theiles). Zwischen den Fasern erblickt man jetzt im Ganzen etwas grössere Ganglienzellen, die häufig eine deutlich multipolare Form zeigen und sich durch Karmin stärker als ihre Umgebung färben, wodurch sie von den weiter medialwärts liegenden Zelleomplexen unterschieden sind. Diese eben geschilderte Anordnung dehnt sich allmählich immer mehr medialwärts aus, indem zahlreiche Fasern aus dieser segend, welche sich auch etwas dorsalwärts über das Niveau des vierten Ventrikels zu der von Turner sogenannten Eminentia acustica erhebt, die funieuli solitarii sowohl ventralwärts wie dorsal- wärts umziehen und sich in der Umgebung ausbreiten. Die graue Substanz zwischen Respirationsbündel und Vaguskern wird dadurch mehr und mehr eingeengt und schliesslich durch jene Fasern in der Weise überzogen, dass sie gänzlich in jene Formation einbe- zogen wird und nur dadurch sich noch gewöhnlich unterscheidet, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 ( 98 F. Brandis: dass hier jene zahlreichen Gruppen stärkerer Faserquerschnitte fehlen, die aus den umbiegenden fibrae arcuatae herstammen. Darauf umschliessen die Faserzüge auch den Vaguskern in der- selben Weise und senden besonders einzelne Fasern an der Peripherie entlang bis zur Mittellinie. Nach aussen von den funieuli solitarii, ziemlich dieht an der dorsalen Peripherie und auch dem lateralen Rande mehr oder weniger genähert treten weiter proximalwärts zwischen den Faseranhäufungen allmählich gröbere, dieht aneinander liegende Fasern auf, die von innen nach aussen verlaufen und anfangs einen kleinen diehtgeschlossenen Complex bilden, in welchen bei manchen Vögeln auch einige der fibrae arcuatae hineinziehen. Zwischen diesen durch ihre Stärke auffallenden Fasern treten dann Zellen auf, die ziemlich gross sind und sich durch die Form von allen anderen in der Umgebung unterscheiden, sie haben eine ovale, häufig langgestreckte Gestalt, sie können quer- getroffen auch rundlich oder in Folge der Härtung eckig er- scheinen, zeigen jedoch nicht die Fortsätze anderer multipolarer Zellen, sie erinnern durch die Form auffällig an die Zellen der Spinalganglien. Weiter proximalwärts werden sie immer zahl- reicher, breiten sich immer mehr nach innen aus und bilden schliesslich einen umfangreichen, länglichen, an der dorsalen Peripherie des Querschnittes liegenden Kern, den wir zur kür- zeren Bezeichnung oben schon „grosszelligen Kern‘ genannt haben (Fig 1,b). Derselbe unterscheidet sich von anderen Nerven kernen ausser durch die Form seiner Zellen auch durch die dichte Lagerung derselben, die nur einer sehr geringen Menge von Grundsubstanz Raum lässt, der noch mehr durch die zwischen ihnen verlaufenden zahlreichen Nervenfasern eingeschränkt wird. Um diesen Kern herum, besonders aber einerseits an der dorsalen und lateralen, andererseits an der ventralen und medialen Seite sammeln sich jetzt immer zahlreicher jene kräftigen Fasern an, die hier theils als Querschnitte sichtbar einen eerebralwärts gerichteten Verlauf haben, theils aber besonders dorsalwärts des Kernes längs der Peripherie von innen nach aussen verlau- fen. Diese letzteren vereinigen sich mit andern, die direkt aus dem Kerne nach aussen ziehen, zu einem starken Nervenstamme, weleher an der dorsalen und äusseren Ecke des Querschnitts austritt (Fig. 1. N. VIIla) und den N. eochlearis bildet. Untersuehungen über das Gehirn der Vögel. 3) Weiter"proximalwärts zeigt der grosszellige Kern sehr häufig dadurch eine Complication, dass sein ventraler und äusserer Theil sich stark vergrössert und zu einem mehr oder weniger gesonderten Fortsatze entwickelt, der sich auch durch seine Strue- tur häufig von der des eigentlichen Kernes unterscheidet, indem seine Zellen kleiner sind und mehr zerstreut in einer an Nerven- fasern reichen Grundsubstanz liegen. Aber auch aus diesem Theile ziehen Fasern zum anstretenden Cochlearisstamme und bilden dessen ventralen Abschnitt. Als ein modifizirtes Stück des grosszelligen Kernes muss man ferner noch ein Gebilde ansehen, welches dem austretenden Cochlearisstamme aussen anliegt und durch Zellen, die in den Nervenstamm selbst eingelagert sind, in jenen Kern übergehen (Fig. 1a). Man findet hier sowohl verhältnissmässig grosse bläs- chenförmige wie kleine multipolare Ganglienzellen, die denen des grosszelligen Kernes sehr ähnlich sein können, in einem dichten Netze von Nervenfasern angeordnet, welches besonders an der dorsalen Peripherie einen dichten Saum von Querschnitten bildet. Auch aus dieser äusseren Abtheilung des Üochleariskernes, welehe bei den verschiedenen Vögeln in sehr verschiedener Grösse entwickelt ist, schliesst sich eine seinen Verhältnissen entsprechende Anzahl von Fasern dem Nervenstrange an, andere dagegen kreu- zen den letzteren und ziehen weiter ventralwärts, sie stehen nicht in Beziehung zum Hörnerven, sondern, wie man weiter proximalwärts sieht, zum corpus restiforme. Der Nervus eochlearis entspringt also aus einem Zellen- complex, welcher sich zwar in drei auch der Struetur nach ver- schiedene Bestandtheile differenziren kann, aber doch besonders nach dem Befunde bei ganz jungen Thieren und auch bei er- wachsenen Individuen gewisser Species als ursprünglich einheit- lich angesehen werden muss. Sowohl die Lage dieses Kernes unmittelbar an der äusseren und dorsalen Peripherie des Quer- schnittes als auch die Form und Anordnung der Zellen, wie sie besonders im eigentlichen grosszelligen Kern noch vorhanden sind, lassen es als annehmbar erscheinen, dass hier ursprünglich ein Ganglion bestand, welches allmählich in die Substanz der Medulla oblongata eingelagert wurde. Die weiter cerebralwärts verlaufende Bahn des Hörnerven ist in ihrem ersten Abschnitte sehr deutlich. Man sieht nämlich 100 BEsBrandiıs: in dieser Gegend vom dorsalen Ende der Raphe aus starke Fasern zum inneren Theile des grosszelligen Kernes ziehn, sie bilden da- bei einen dorsalwärts eoncaven Bogen, kreuzen den Vagusstamm dieht am äusseren Rande seines dorsalen Kernes (der ventrale ist in dieser Gegend bereits verschwunden), ziehen dann theil- weise durch den funieulus solitarius hindurch und erreichen das innere Ende oder die ventrale Peripherie des grosszelligen Kernes. Von hier strahlen die Fasern divergirend in den Kern ein, so dass die Zellen desselben zwischen den fächerförmig angeordne- ten Fasern liegen. Ein Theil der Fasern scheint bier cerebral- wärts umzubiegen und in sagittaler Richtung weiterzuziehen, man sieht die Querschnitte derselben sich besonders an der dor- salen Peripherie ansammeln. Weiter proximalwärts werden die Fasern zwischen Raphe und grosszelligem Kern immer zahlreicher, sie bilden ein starkes Bündel, welches ich der Kürze wegen hier Bogenzug (Fig. 1 u. folg. d.) nennen will: er trennt auf seinem Wege den Theil des Querschnittes dorsal vom intercerebralen Vagus- resp. Glossopharyngeusstamme in zwei ungleiche Abschnitte, der eine grössere ist mehr ventralwärts gelegen und enthält, wie schon erwähnt worden ist, zahlreiche gröbere Fasern, die zum grossen Theil als Gruppen von Querschnitten erscheinen und daher als proximalwärts ziehende Fasern aufzufassen sind. Der kleinere Abschnitt, der mehr dorsalwärts und nach innen liegt, erhält nur netzförmig angeordnete feine Fasern, doch ziehen aus ihm den Bogenzug kreuzend diese Fasern ziemlich zahlreich in den erstgenannten Theil hinüber, ebenso ziehen stärkere Faser- züge, wenn auch spärlich, als Fortsetzung der fibrae arcuatae aus jenen if diesen hinein; hauptsächlich jedoch erhält er noch Zuwachs von zahlreichen feinen Fasern, die aus der formatio reticularis den Bogenzug kreuzend hierherziehen. An der Raphe angelangt, fasern sich die einzelnen Bündel des Bogenzuges auf und überschreiten die Mittellinie, indem sie alle mehr oder weni- ger in der Raphe ventralwärts ziehen. Auf der entgegengesetzten Seite scheinen sie einen zweifachen Verlauf einzuschlagen, die einen nämlich, welche am meisten dorsalwärts bleiben, strahlen _ jenseits nach aussen von (den Fortsetzungen der Vorderstränge, welche der Raphe anliegen, etwas divergirend ventralwärts in die formatio reticularis aus, die anderen, welche weiter in der Raphe ventralwärts verlaufen, biegen auf der gegenüberliegenden Seite Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 101 wahrscheinlich eerebralwärts um und schliessen sich den der Raphe anliegenden sagittalwärts verlaufenden Fasern an. Man sieht nämlich auf Horizontalschnitten nicht selten, dass diese Fasern gerade in dieser Gegend medialwärts umbiegen und die Mittel- linie überschreiten. Ich möchte annehmen, dass diese letztere Faserkategorie die centrale Fortsetzung des Acustieus bildet, und dass die zuerst erwähnte zum Kleinhirnschenkel der ande- ren Seite ziehende Fasern enthält, da sie später markhaltig werden wie die zum Acustieussystem gehörenden Fasern des Bogenzuges. Ausser dieser centralen Fortsetzung des Cochlearis gibt es vielleicht eine solehe, welche zum Kleinhirn führt. Man könnte diese in den Fasern suchen, die in der Umgebung des grosszelligen Kernes liegend hier zuerst einen sagittalen Verlauf haben und dann weiter proximalwärts dorsalwärts umbiegen, um in den Kleinhirnschenkel an der inneren Peri- pherie desselben einzutreten, von wo sie den Kleinhirnschenkel kreuzend zu den lateralen Theilen der Rinde des Cerebellum ziehen. Es gelingt zuweilen auf einem Schrägschnitte einen Ueberblick über diesen Verlauf zu gewinnen, wie ihn Fig. 2 nach einem Schnitte aus dem Gehirn eines jungen Distelfinken zeigt. Nachdem der N. cochlearis und sein Ursprungsgebiet so ihre höchste Entwieklung erreicht haben, treten bei ihrer allmählich erfolgenden Verkleinerung eine Reihe von Verände- rungen ein, die zwar bereits in einer gewissen Beziehung zum Aufbau des Kleinhirnschenkels stehen, deren Schilderung jedoch des Zusammenhangs wegen kurz hier erfolgen soll. * Weiter proximalwärts wird der Bogenzug immer umfang- reicher, er verliert mehr und mehr seine einfache Beziehung zum grosszelligen Kerne und bildet den Weg, auf dem zahlreiche Fasern aus dem ganzen Querschnitte der Medulla oblongata zum Kleinhirnschenkel ziehen. Es schliessen sich ihm Faserzüge an, die weiter ventralwärts aus der Raphe entspringen und dann dorsalwärts und nach aussen ziehen, diese kreuzen dabei theilweise die aus dem dorsalen Rapheende entspringenden Fasern nahe ihrem Ursprunge und ziehen dorsalwärts derselben weiter nach aussen. Andere Züge gehen von der Raphe direkt nach aussen und strahlen in die Gegend ventral vom grosszelligen Kerne ein. Es ist hier 102 BReBrandis: noch dieselbe Formation dorsal vom intracerebralen Vagus- resp. (lossopharyngeusstamme vorhanden, wie sie oben geschildert wurde. Sie ist von unregelmässig sich kreuzenden Fasern durch- zogen, die sich weiter proximalwärts immer dichter zusammen- drängen und immer mehr Querschnitte zeigen, die sich einerseits besonders ventral vom grosszelligen Kerne zu festgeschlossenen Massen verdichten, andererseits «dlorsalwärts und nach innen von der Kleinhirmseitenstrangbahn sich anhäufen. Die Ganglienzellen (dieser Gegend sind von mittlerer Grösse, meistens hell und bläs- chenförmig, jedoch finden sich auch dazwischen multipolare For- men, die sich mit Karmin dunkel färben. Die ventrale Grenze des grosszelligen Kernes sieht man besonders bei bestimmten Vögeln ziemlich auffällig einen schmalen Streifen bilden, der aus nicht sehr dieht gelagerten, einander parallel verlaufenden Fasern gebildet wird, die theils aus dem Bogenzuge, theils aus der Raphe stammen und nach aussen ziehen. Etwas weiter proximalwärts zeigt sich zuerst zwischen dem gross- zelligen Kerne und seiner ventralen Faserbegrenzung, bei ande- ren Vögeln im grosszelligen Kerne selbst der Anfang eines proxi- malwärts sich bedeutend vergrössernden Zelleomplexes, der hier als „kleinzelliger Kern“ bezeichnet werden soll. (Fig. 1 ec.) Er besteht aus einer dichten, dunkel erscheinenden Grundsubstanz, in der zahlreiche feme Nervenfasern und gewöhnlich ziemlich spär- liche Zellen liegen, die zwar in der Grösse bei den verschiedenen Species sehr wechseln, durchschnittlich aber klein sind. Sie färben sich mit Karmin dunkel, haben eine multipolare, häufig länglich-schmale Form und nehmen mit ihrer Längsachse ge- wöhnlich eine dorso-ventrale Lage ein, die also senkrecht auf der Längsachse des kleinzelligen Kermes steht, sie bilden häufig in der Mitte dieses Kernes eine lange, schmale in der dunkeln Grundsubstanz heller erscheinende Zone. Der kleinzellige Kern hat distalwärts auf dem Quersehnitte eine schmale, von innen nach aussen langgestreckte Form und begrenzt den grosszelligen Kern gewöhnlich ventralwärts in seiner ganzen Länge, weiter proximalwärts dringt er jedoch in denselben ein und zerlegt ihn in einen inneren und äusseren Theil, wobei der letztere dem oben beschriebenen differenzirten Fortsatze des grosszelligen Kernes entspricht. Der kleinzellige Kern nimmt nun auf Kosten des grosszelligen immer mehr an Grösse zu, er wächst auch in dor- Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 103 saler Riehtung stark und erreicht, zwischen die beiden Theile des grosszelligen Kernes sich eindrängend, fast «den Boden des vierten Ventrikels, von dem er nur noch durch einen schmalen Faserzug \getrennt bleibt. (Fig. 3 e.) Der innere Theil des grosszelligen Kernes wird während dessen immer ärmer an Zellen, die sieh ganz in die imnerste Ecke desselben zurückziehen (s. Fig. 3b), ihr Platz wird durch dichte Ansammlungen von Fa- sern eingenommen, die zum Theil auf dem Wege des Bogen- zuges aus der Raphe hierher ziehen, zum Theil aber auch aus den Faserzügen der ventralen Begrenzung des kleinzelligen Kernes stammen und durch diesen hindurchziehen. Inzwischen haben sich nämlich ventral vom kleinzelligen Kerne dichte Züge von Nervenfasern angesammelt, welche fast von der ganzen Länge der Raphe entspringen und zum Theil direkt in den Kleinhirn- schenkel einstrahlen, zum Theil jedoch den kleinzelligen Kern erst als einzelne Fasern passiren und vielleicht dort durch die Zellen eine Unterbrechung erleiden. Der kleinzellige Kern erinnert so einerseits durch seine Beziehungen zum Kleinhirn, andererseits aber auch durch seine Structur an die einfach ge- bauten unteren Oliven niederer Säuger. Allmählig verschwindet der innere Theil des grosszelligen Kernes ganz, und seine Stelle am Boden des vierten Ventrikels wird von jener Faseransammlung eingenommen. Ebenso wird der äussere, durch den kleinzelligen Kern abgetrennte Theil immer schwächer und verschwindet allmählich zwischen den Fasern der Umgebung, seine letzten Reste scheinen sich häufig mit demje- nigen Theil des Cochleariskernes zu vereinigen, welcher nach aussen von dem Nervenstamm gelegen war. Dieser Theil, welchen ich kurz als Eckkern bezeiehnen will (Fig. 3a), besteht auch in dieser Höhe noch, allerdings in veränderter Form, meistens bedeutend vergrössert und ohne nachweisbare Beziehung zum Cochlearisursprung. Er bildet einen ziemlich umfangreichen, an der dorsalen äusseren Ecke des Querschnittes gelegenen Kern (s. Fig. 5) von ungefähr bohnenförmiger Gestalt, er enthält zahl- reiche Ganglienzellen mittlerer Grösse und ein ziemlich lockeres Netzwerk markhaltiger Fasern. Von ventralwärts her dringen die Fasern des corpus restiforme, welche jetzt allmählich eine Riehtung dorsalwärts einschlagen, in ihn hinein, indem sie ihn gleichsam einstülpen ohne in nähere Verbindung mit ihm zu treten ; 104 BY Byandis: während seine innere Peripherie von den äussersten fibrae ar- cuatae begrenzt wird. Was die Verschiedenheit im Cochlearisursprung in der Reihe (der Vögel anbelangt, so sind es hauptsächlich die schwierig zu beurtheilenden Grössenverhältnisse der Kerne, die Zahl der Zel- len, welche sie enthalten und schliesslich auch die mehr oder weniger fortgeschrittene Differenzirung der einzelnen Theile, welche nach dieser Richtung in Frage kommen. Bei den untersuchten Sperlingsvögeln (Corvus, Sturnus, Frin- eilla, Phyllopneuste, Hirundo) zeigten sieh der grosszellige Kern gut entwickelt, der äussere Theil desselben, der «durch seine Struetur, kleine und mehr zerstreut liegende Ganglienzellen mit zahlreichen Nervenfasern dazwischen deutlich unterschieden ist, wölbt sich ventralwärts ziemlich stark vor, mit dem Auftreten (des kleinzelligen Kernes nimmt er jedoch sehr schnell wieder an Grösse ab und verschwindet, ohne mit dem Eekkerm in nähere Verbindung zu treten. Dieser letztere zeigt in seinem distalen Theile zwischen den diehten Nervenfasern nur sehr vereinzelte kleine Zellen, die ganz denen des äusseren Theiles des gross- zelligen Kernes gleichen, nach dem Verschwinden des Cochlearis- stammes jedoch bildet er einen ziemlich grossen rundlichen Kern mit zahlreichen kleineren multipolaren Zellen. Nach innen wird er von dem kleinzelligen Kerne begrenzt, welcher sich hier mit seinem äusseren Theile dorsalwärts wendet und den grosszelligen Kern ganz von aussen und ventralwärts einschliesst. Der klein- zellige Kern ist gut entwiekelt und zeichnet sich besonders bei der Schwalbe durch seine Grösse aus, seine Zellen sind ziemlich klein. Bei den Papageien (Cacatua, Conurus, Melopsittacus) ist der grosszellige Kern umfangreich, er wird nach aussen breiter und zeigt hier grössere Zellen als im inneren Theile, weiter proximal- wärts wird von ihm ein Stück durch den kleinzelligen Kern ab- getrennt, welches sich dann gewöhnlich mit dem Eekkerne ver- einigt, dieser letztere ist grösser als bei den Sperlingsvögeln und zeigt auch schon weit distalwärts zahlreichere und grössere Zellen; weiter proximalwärts nimmt er bedeutend an Grösse zu und dehnt sich besonders von innen nach aussen aus. Der kleinzellige Kern ist recht bedeutend und zeigt die gewöhnliche Struktur. Unter den Raubvögeln ist bei Falco der grosszellige Kern Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 105 kräftig aber wenig differenzirt, im äusseren Theile sind die Zellen nur etwas kleiner, sie verlieren nach ihrer Abtrennung durch den kleinzelligen Kern sehr bald ihre charakteristische Form und ver- schwinden zwischen den Nervenfasern. Der Ecekkern ist eben- falls wenig entwickelt und wird erst nach dem Verschwinden des Cochlearisstammes deutlich. Der kleinzellige Kern zeigt einen bedeutenden Umfang, sein äusserer Theil ist sehr breit und stark dorsalwärts gerichtet, auch sind seine Zellen grösser als bei an- deren Vögeln. Syrnium hat einen in jeder Richtung sehr ausgedehnten gross- zelligen Kern mit sehr zahlreichen, jedoch ziemlich kleimen Zellen, im äusseren Theile wird die Lagerung derselben etwas unregel- mässiger und weniger dieht, während sie selbst etwas grösser werden. Der Eekkern ist distalwärts klein und besteht eigentlich nur aus einigen Zellen, die zwischen den Nervenfasern liegen, proximalwärts wird er umfangreicher und verschmilzt mit dem äusseren Theil des grosszelligen Kernes. Entsprechend den zahl- reichen Zellen des letzteren finden sich auch in seiner Umgebung sehr viele Nervenfasern in diehten Schichten angeordnet, so dass man daraus den Schluss ziehen kann, dass eine feinere Ausbildung des Gehörs nieht nur auf Vervollkommnung des schallleitenden und aufnehmenden Apparates beruht, sondern auch auf Vermehrung der nervösen leitenden Elemente. Der kleinzellige Kern ist gleichfalls bei der Eule sehr gut entwickelt, die Zellen sind verhältnissmässig gross, rundlieh und gleichmässig durch den ganzen Kern vertheilt. Auch bei der Taube ist der grosszellige Kerm umfangreich, er bildet einen emheitlichen Complex von ziemlich gleiehgrossen und gleichgeformten Zellen, die sich nach aussen bis zum Eek- kern erstrecken. Weiter proximalwärts theilt sich dieser Complex dadurch in zwei Theile, dass die Zellen in der Mitte desselben verschwinden, und so ein innerer Theil entsteht, welcher dem grosszelligen Kerne im engeren Sinne entspricht, während ein äusserer sich dem Eekkerne anschliesst. Der kleinzellige Kerm erscheint erst verhältnissmässig weit proximalwärts, nachdem der grosszellige Kern bereits in zwei Theile zerfallen ist; er begrenzt dann den inneren "Theil als eine schmale, meist nur aus zwei Reihen bestehende Schicht kleiner Zellen, durch welche distal- wärts noch die Fasern des N. ceochlearis hindurchziehen; eine be- 106 F. Brandis: deutende Zunahme besonders auch der Nervenfasern in seimer Begrenzung erfährt er erst mit dem Verschwinden des grosszel- ligen Kernes. Bei den Hühnervögeln, von welchen Lophortyx, Phasianus und Numida untersucht wurden, ist der grosszellige Kern durch Umfang und Zellenreiehthum ausgezeichnet und schmiegt sieh ganz (der dorsalen Peripherie des Quersehnittes der Medulla oblongata an, sein äusserer Theil unterscheidet sich nur dadurch, dass er sehr spärliche Zellen in einer diehteren Grundsubstanz enthält. Der Eekkerm ist gut entwickelt. Der kleinzellige Kern ist bei Phasianus schmal und langgestreckt, er bildet ähnlich wie beim Strauss einen schräg von innen und dorsalwärts nach aussen und etwas ventralwärts verlaufenden Streifen, welcher die dorsale und äussere Ecke des @Querschnittes bis in die Nähe des äusseren Randes abschneidet. Bei den beiden anderen Species ist der kleinzellige Kern breiter und seine Form in sofern eine ganz an- dere, als er einen ungefähr rechten Winkel bildet, in welehen dann der innere Theil des grosszelligen Kernes eingelagert ist. Beim afrikanischen Strauss ist der grosszellige Kern im ge- wöhnlichen Verhältnisse entwickelt, der Eekkerm ist distalwärts sehr unbedeutend und wird erst nach dem Verschwinden des grosszelligen Kernes deutlich und bleibt eine längere Strecke in den dorsalen Theil des eorpus restiforme eingebettet sichtbar; er scheint sich nieht mit einem Theile des grosszelligen Kermes zu verbinden. Sehr stark entwiekelt ist der kleinzellige Kern, man sieht ihn schon makroskopisch als einen auffälligen hellen Strei- fen, weleher die dorsale und laterale Ecke (des (Querschnitts ven- tralwärts begrenzt, er ist sehr gefässreich und enthält nur ver- hältnissmässig sehr kleine Zellen. Weiter proximalwärts tritt er bald ganz an die Stelle des grosszelligen Kernes und rückt der dorsalen Peripherie so nahe, dass er nur durch eine sehr schmale Schicht von Nervenfasern dorsalwärts begrenzt wird, und die Hauptansammlung der sonst ziemlich gleiehmässig auf beiden Seiten vertheilten Faserzüge hier ventralwärts sich anlagert. Bei den Sumpfvögeln (Machetes, Fulica) ist der grosszellige Kern gut entwickelt und besitzt sehr zahlreiche, wenn auch et- was kleine Zellen, der äussere Theil ist nieht besonders diffe- venzirt. Der Eckkern zeigt die gewöhnliche Stärke und Form. Bei Phoenicopterus (s. Fig. 1) bildet der ganze Kern eine zusam- Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 107 menhängende Masse, in dessen äusserem Theile die Zellen etwas spärlicher sind, der Eckkern ist anfangs sehr unbedeutend, nimmt aber proximalwärts die gewöhnliche Grösse an. Ganz kleine runde Zellen lassen sich hier im Nervenstamme bis zu seinem Durchtritt dureh die Pia constatiren. Der kleinzellige Kern tritt erst ziem- lieh weit proximalwärts auf, er ist schmal und langgestreckt, übrigens von geringem Umfang. DieSchwimmvögel (Öairima, Anser, Cygnus) haben einen gross- zelligen Kern von den gewöhnlichen Verhältnissen ohne besonders entwickelten äusseren Theil, der Eckkern ist kräftig und beginnt bereits früh distalwärts. Besonders ausgeprägt ist der kleinzellige Kern, der ähnlich wie bei bestimmten Hühnerarten aus zwei winklig zu einander liegenden Theilen besteht, von denen der eine dorsal, der andere ventral vom grosszelligen Kern liegt, zuerst erscheinen beide getrennt und der erstere kann früher auftreten als der zweite. Weiter proximalwärts vereinigen sie sich jedoch zu einer ungefähr rechtwinkligen Figur von bedeutender Breite. Bei Larus ist der N. cochlearis und sein Ursprungsgebiet ziem- lich klein, besonders im Verhältniss zu dem kräftigen N. vestibu- laris. Der grosszellige Kern hat einen geringen Umfang, ist-aber auffällig differenzirt, indem nur ein ziemlich kleiner- innerer Theil das typische Verhalten des grosszelligen Kernes zeigt, der äussere Theil dagegen mehr zerstreute, grössere Zellen von unregelmässiger Form enthält. Beide Theile werden sehon weit «istalwärts durch den kleinzelligen Kern getrennt, worauf der äussere sich schnell dem gleichfalls wenig umfangreichen Eekkerne anschliesst. Der klein- zellige Kern ist recht kräftig entwickelt, seine Zellen sind ver- hältnissmässig gross, er hat eine einfache langgestreekte und fast gradlinige Form. Nach dieser Zusammenstellung scheint es, als wenn die Sperlingsvögel sowohl durch die Grösse des Ursprungsgebietes des Cochlearis als auch durch die am weitesten vorgeschrittene Differenzirung desselben sich von den anderen Vögeln auszeich- neten, nur von der Eule werden sie wenigstens durch die Grösse des wichtigsten Kernes und durch die Zahl seiner Zellen über- troffen. 108 1 F. Brandis: b) Nervus vestibularis. Während der grosszellige Kern noch in seinem ganzen Umfange besteht, zeigt die Gegend ventral von ihm und dorsal von dem noch vorhandenen intracerebralen Glossapharyngeusstamme, der Jetzt allmählich von der Peripherie anfangend verschwindet, zwi- schen ihren dichten wnregelmässigen Faseransammlungen zahl- reiche und verhältnissmässig grosse multipolare Ganglienzellen mit rundem Kern, welche sich mit Karmin gut färben. Diese vereinigen sich stellenweise zu grösseren Gruppen, besonders in der Mitte ungefähr tritt bei manchen Arten eine grosse rundliche Ansammlung davon deutlich hervor. Durchzogen wird diese Ge- gend in unregelmässiger Weise von Faserzügen, die fast von der ganzen Länge der Raphe entspringend nach aussen und dorsal- wärts ziehen und sich theils in den Faseranhäufungen hier ver- lieren, indem sie wahrscheinlich einen sagittalen Verlauf ein- schlagen, theils sich der Nervenfaserbegrenzung ventral des gross- zelligen, weiter proximalwärts des kleinzelligen Kernes anschliessen. An der lateralen Peripherie bemerkt man jetzt zuerst ein- zelne, je aus mehreren Fasern bestehende Stränge, welche sich ventral an den Cochlearisstamm anschliessend, die hier liegenden Fasern des corpus restiforme durchsetzen, so dass dieselben auf dem (@uerschnitte als Reihen kurzer Faserabschnitte erscheinen. (Fig. 5 Nr. VIIIb.) Es sind dieses die intracerebralen Fasern des N. vestibularis, sie sind dabei zugleich etwas dorsalwärts und ziemlich stark proximalwärts gerichtet, so dass man erst auf weiter eerebralwärts liegenden Schnitten sieht, wie diese Fasern allmählich weiter nach innen fortscehreiten. Weiter proximalwärts werden diese Fasern zugleich bedeutend zahlreicher und nehmen ein grosses Stück der lateralen Peripherie des Querschnittes ein; man sieht nun, wie sie nach dem Verschwinden des Cochlearis- stammes in etwas umregelmässigem Verlaufe nach innen ziehen, wobei sie mit den dort liegenden Ganglienzellen keine Verbindung eingehen und besonders auch die beschriebene grössere Ansamm- lung derselben umgehen, ohne in Beziehung zu ihr zu treten. Während im äusseren Theile des Quersehnittes, innerhalb des corpus restiforme und nach innen davon diese Faserzüge sehr deutlich zu verfolgen sind und ziemlich lange Abschnitte derselben sichtbar werden, wird ihr Verlauf mehr nach innen durch zahl- Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 109 reiche, unregelmässig sich kreuzende Nervenfasern, die meistens von ventralwärts herkommen und zur Umgebung des kleinzelligen Kernes ziehen, durchsehnitten und dadurch für das Auge in kurze, schwer zu verfolgende Abschnitte zerlegt, jedoch kann man noch immer constatiren, dass sie ihre Hauptrichtung nach innen bei- behalten. Besser ist ihr Verlauf auf solehen Querschnitten zu übersehen, die schräg zur Längsaxe und zwar in der Weise an- gelegt sind, dass die Mittellmie weiter cerebralwärts getroffen wird als die laterale Peripherie der einen Seite, auf diesen Schnit- ten findet man, dass der grösste Theil der Vestibularisfasern die Raphe erreicht, die meisten auf direktem Wege, einige von dor- salwärts gelegenen aber auch, indem sie sich dem Bogenzuge anschliessen (Fig. 4. Besser noch ist der Weg der Vestibularis- fasern auf Horizontalsehnitten zu verfolgen, auf denen er häufig in einem Stücke von der Peripherie bis zur Raphe zu übersehen ist; auch Sehnitte aus den Gehirnen einiger Tage alten Vögel geben sehr deutliche Bilder, da die Vestibularisfasern ähnlich wie die der motorischen Nerven bereits sehr früh markhaltig werden und dann durch die Markscheidenfärbung von der Umgebung leicht gesondert werden können. Von dem Ursprung dieser Fasern war bisher noch gar nicht die Rede, wir finden ihn ausserhalb der medulla oblongata in einem der Peripherie sehr genäherten umfangreichen Ganglion. Dasselbe berührt häufig den Cochlearisstamm, steht aber nicht in Verbin- «dung mit demselben. Es enthält zahlreiche, grosse, spindelförmige, durchaus typische Ganglienzellen mit rundem Kern, umgeben von einer kernhaltigen, bindegewebigen Hülle. Die oben beschriebenen Fasern entsprechen also nicht einem Nervenstamme im gewöhn- lichen Sinne, sondern der Verbindung zwischen Kern und höher gelegenen Centren. Haben diese Faserstränge die Raphe erreicht, so lösen sie sich in die Einzelfasern auf, und diese überschreiten ohne bedeutende Abweichung in ventraler oder dorsaler Richtung die Mittellinie und verschwinden jenseits derselben zwischen den der Raphe anliegenden Faserzügen, welche den Resten der Vor- derstränge und dem hinteren Längsbündel entsprechen. Da die letzteren in dieser Höhe bedeutend zunehmen, so ist es wahr- scheinlich, dass sich die Vestibularisfasern ihnen anschliessen und mit ihnen cerebralwärts weiter ziehen. Es gelang aber auch auf experimentellem Wege einen Beweis dafür zu erbringen. Einer 110 F. Brandis: erwachsenen Taube wurde nämlich das Vestibularisganglion ex- stirpirt; als sie nach drei Wochen starb, zeigten sich in der nach der Marchi’schen Methode untersuchten Medulla oblongata die Vestibularisfasern fast gänzlich im Stadium des Zerfalles und mit den charakteristischen schwarzen Körnchen angefüllt, ausserdem war aber auch ein grosser Theil und zwar der am meisten nach innen gelegene des hinteren Längsbündels auf der gegenüber- liegenden Seite entartet. Wie der Nerv der Schnecke zeigt auch der des Vorhofes wahr- scheinlich eine centrale Verbindung mit dem Kleinhirn. Man sieht nicht selten, wenn auch gewöhnlich nur an einzelnen der intra- cerebralen Vestibularisfasern und am güngstigsten bei ganz jun- sen Vögeln, wie sie dorsalwärts umbiegen und sich der Faser- ansammlung ventral vom kleinzelligen Kern anschliessen oder auch in diesen selbst eintreten, in anderen Fällen ziehen sie auch direkt, indem sie schon weiter nach aussen sich dorsal- wärts wenden, in die Erhebung, welche sich dem Kleinhirnschen- kel entgegenwölbt, hinein. Da nun die Nervenfasern aus dieser Gegend fast sämmtlich in den Kleinhirnschenkel gelangen, so darf man annehmen, dass auch jene Vestibularisfasern die gleiche tichtung einschlagen und sei es direkt oder aber durch die Zellen des kleinzelligen Kernes oder seiner Umgebung unter- brochen zum Kleinhirn ziehen. Für das letztere scheinen mir die Bilder zu sprechen, welche durch die Golgische Färbung gewonnen werden. Schon Held hat gefunden, dass die Achsen- eylinder des Nervus vestibularis sich bald nach ihrem Eimtritt in das (Gehirn in zwei Aeste theilen; bei den Vögeln richtet sich der eine derselben nach innen und zieht in der Riehtung zur Raphe weiter, (der andere wendet sich dorsalwärts zur Gegend des kleinzelligen Kernes oder direkt zum Kleinhirnschenkel und fasert sich hier bald auf, es gelang mir jedoch leider nicht, eine der Zellen, welehe ihre Endbäumchen wahrschemlich umfassen, zu imprägniren. Unterschiede m dem Bau des N. vestibularis und in seinem Ursprung sind bei den verschiedenen Ordnungen der Vögel kaum vorhanden, von Wichtigkeit ist nur die dureh die Grösse des Ganglion und die Anzahl der Nervenfasern ausgedrückte stärkere 1) Die Endigungsweise der sensiblen Nerven im Gehirn, von Hans Held. Arch. f. Anat. u. Physiol., Anat. Abth., 1892, p. 37. Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 111 oder schwächere Entwieklung; und diese scheint mehr auf der Lebensweise der Species als auf der inneren Verwandtschaft der Arten zu beruhen. . Die guten Flieger, wie Möve, Falke, Schwalbe, ganz besonders auch Oypselus haben einen sehr starken Vorhofsnerv und übertreffen hierin die übrigen Vögel, unter denen die Hühnervögel am weitesten zurückstehen, mit Ausnahme des Strausses, bei welchem dieser Nerv eine in jeder Richtung sehr schwache Entwicklung zeigt. Die Sper- lingsvögel im Allgemeinen haben zahlreichere Vestibularisfa- sern als die Sumpf- und Schwimmvögel und zeigen keinen bemerkenswerthen Unterschied den Klettervögeln gegenüber. Von früheren Autoren haben Angaben über den Acustieus der Vögel hauptsächlich Stieda!) und Turner?) gemacht. Der erstere besehreibt eine vordere oder untere und hintere oder obere Wurzel riehtig als beide dem Acustieus angehörig, während vor ihm die vordere allgemein als N. facialis angesehen worden war. Diese beiden Wurzeln entsprechen dem N. cochlearis und vesti- bularis, da letzterer weiter proximal- und zugleich ventralwärts entspringt als der erstgenannte. Ferner beschreibt Stieda als „Kern der hinteren Acustieuswurzel“ jene Zellenanhäufung, welche hier als „grosszelliger Kern“ bezeichnet wurde, und als Nucleus faleiformis port. commissuralis jenes Gebilde, welches hier klein- zelliger Kern“ genannt wurde. Eine Beziehmmg zu irgendwelchen Faserzügen konnte bei dem letzteren nicht erkannt werden. Stieda ist auch der Entdecker des Ganglion in der vorderen Acustieuswurzel, er beschreibt dasselbe genau, benennt es jedoch nicht als Ganglion und findet, dass es sich durch seine Nerven- zellen von den Ganglien der Intervertebralnerven und des Sym- pathieus wesentlich unterscheide. Die Nervenfasern des N. vesti- bularis breiten sich nach seinen Befunden, nachdem sie m das verlängerte Mark eingetreten sind, pinselförmig nach allen Seiten aus, es wird aber auch erwähnt, dass ein Theil der Wurzelfasern sich in den vorderen Abschnitt der Commissur unter dem Suleus centralis verfolgen lässt. Turner unterscheidet die beiden Bestandtheile des Aecusti- 1) Studien über das centrale Nervensystem der Vögel und Säuge- thiere, von Dr. Ludwig Stieda. Leipzig 1868, p. 35 u. f. 2) Morphology ofthe Avian Brain by €. H. Turner. 'The Jour- nal of Comparative Neurology, 1891, p. 271 u. f. 112 F. Brandis: eus nicht von einander, sondern hält es auch für unmöglich, die Wurzelfasern des N. facialis von jenen zu trennen und beschreibt die Ursprungskerne jener drei Nerven, wie die eines einzigen gemischten Nerven. Er erwähnt unter dem Namen „Nidulus L“ emen Kern, welcher unserem „Eckkern“ entsprechen dürfte, sein „Nidulus B* ist hier „grosszelliger Kern“, be- nannt, während sein „Nidulus Y‘“, der als dorsal von unserem „Bogenzuge“ liegend beschrieben wird, von mir nicht als ein besonderer Kern wegen des Mangels an charakteristischen Ganglienzellen angesehn wurde, da, wie auch Turner selbst an- giebt, hier nur wenige, ganz zerstreute spindelförmige Zellen liegen. Das zur Acustieusgruppe gehörige Ganglion wird gut beschrieben und auch als solches bezeichnet. Vier Faserzüge setzen nach Turner die gemeinsame Facialis- Acustieuswurzel zusammen. Von diesen zieht einer vom Kleinhirn herab, die an- deren werden als Traetus L, der von dem gleichnamigen Kerne herkommt, als Traetus B, weleher den grosszelligen Kern um- giebt und zur Raphe weiterzieht, und als Traetus D bezeichnet; letzterer ist ein schmales Bündel, welches vom gemeinsamen Ursprunge jener Nerven medialwärts zur Raphe ziehen soll, wahr- scheinlich ist es der imtracerebrale Facialisstamm oder es sind auch Vestibularisfasern, welehe darunter verstanden werden. Wenn wir die bei den Vögeln gefundenen Verhältnisse mit denen der Säugethiere und auch des Menschen vergleichen wollen, so bedarf es nieht der Erwähnung, dass was bei diesen gewöhnlich noch als laterale untere oder hintere Wurzel be- schrieben wird, dem B. eochlearis entspricht, die mediale, obere oder vordere Wurzel dagegen den N. vestibularis. Diese beiden Theile werden bei den Vögeln noch nicht durch das corpus resti- forme getrennt, da dasselbe in dieser Gegend noch nicht soweit ddorsalwärts gerückt ist, vielmehr wird es wie beschrieben wurde, durch die Vestibularisfasern durchbrochen. Als Hauptursprungsstelle für die radix cochlearis gilt all- semein der accessorische odere vordere Kern und das beim Men- schen sehr schwach, bei niederen Säugethieren häufig ausseror- dentlich kräftig entwickelte Tubereulum laterale. Während dem letzteren der „Eckkern“ der Vögel entsprechen dürfte, der eine stärkere Entwicklung als dasselbe Gebilde beim Menschen zeigt, aber hinter dem der Nagethiere weit zurückbleibt, möchte ich Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 113 f: o den grosszelligen Kern der Vögel mit dem accessorischen oder vorderen Kern der Säugethiere vergleichen, der dann allerdings bei den Vögeln weiter nach innen gerückt wäre, woran er bei jenen durch das corpus restiforme verhindert wird. Es würde dadurch die schon hervorgehobene Aehnlichkeit mit einem Spi- nalganglion des grosszelligen Kernes, worauf seine eigene Form und die Gestalt seiner Zellen hinwies, eine neue Stütze erhalten, da schon His!) und später Onufrowiez?) darauf hingewiesen haben, dass der accessorische Kern der Säugethiere einem Gan- slion entsprechen dürfte resp. sich aus einem solchen entwickelt habe. Es würde demnach scheinen, als wenn dieser Körper sich bei den Vögeln bereits weiter differenzirt habe als bei dem Men- schen, doch ist dieses nichts Abnormes, wenn man bedenkt, dass bei den Nagethieren jene Theile eine noch weit höhere Entwick- lungsstufe erreicht haben. Von den weiter centralwärts ziehenden Bahnen jener Kerne dürfte der „Bogenzug“ der Vögel, wenn auch nur in seinem dem Acustieus angehörenden Theile den Striae medullares entsprechen, welehe allerdings auch nur zum Theil einen ähnlichen Verlauf haben. Es konnte dagegen eine dem corpus trapezoides ent- sprechende Bahn als centrale Fortsetzung des n. cochlearis bei den Vögeln nicht aufgefunden werden; während umgekehrt eine zum Kleinhirn ziehender Faserzug bei den Säugethieren weder als vom Ecekkern noch als vom accessorischen Kerne ausgehend erwähnt wird. Während die Verhältnisse des n. vestibularis bei den Vö- geln sehr einfach zu liegen scheinen, sind sie bei den Säugern, wenigstens wenn man nach den meisten Autoren urtheilen will, ausserordentlich eomplieirte. Das sehr grosse und auffällige Vestibularisganglion der Vögel, welches der hohen Entwicklungs- stufe der Bogengänge in dieser Klasse entsprieht, dürfte mit der Intumescentia ganglioformis Scarpae im Meatus auditorius internus identisch sein; da, wie His jun.?) näher ausführt, das beim 1) Zur Morphologie der Kopfnerven von Wilhelm His. Archiv für Anat. u. Physiol., Anat. Abth., 1882, p. 374. 2) Experimenteller Beitrag zur Kenntniss des Ursprungs des Nervus acustieus des Kaninchens. Von Br. Onufrowiez. Archiv f. Psychiatrie. XVI. 1885. 3) Zur Entwicklungsgeschichte des Acustico-Facialisgebietes beim Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 S 114 F. Brandis: menschlichen Embryo noch vorbandene Ganglion vestibulare später zu diesem Gebilde wird. Wenn sich dieses so verhält und wir annehmen, dass die intracerebralen Vestibularisfasern nur einer weiter eentralwärts führenden Bahn entsprechen, so brauchen wir nicht nach einem weiteren Ursprungskeine des n. vestibularis resp. der vorderen Wurzel zu suchen, und werden es ganz natür- lich finden, dass weder Onufrowiez!) auf experimentellem Wege noch Sala?) mit der Golgi’schen Färbemethode einen solchen entdeeken konnten; der letztere war dagegen noch im Stande nachzuweisen, dass weder der Deiters’sche oder grosszellige Kern noch der sogenannte hintere oder Hauptkern etwas mit den Aeustieusfasern zu thun hätte, da die Nervenfortsätze ihrer Zel- len sich nach einer ganz anderen Richtung erstreckten. Der Deiters’sche Kern der Säugethiere dürfte übrigens bei den Vögeln seiner Lage nach jenen grossen Ganglienzellen entsprechen, welche zwischen den intwacerebralen Vestibularis- fasern liegen, ohne jedoch zu derselben in Beziehung zu treten, während der innere oder Hauptkern durch jenen Theil des Bo- dens des vierten Ventrikels repräsentirt werden dürfte, der dorsal vom Bogenzuge liegt. Eine Verbindung des n. vestibularis mit dem Kleinhirm bei den Säugethieren wird von den meisten Autoren angegeben, und es wird diese Verbindung auch gewöhnlich als eine indirekte aufgefasst. Um noch einmal kurz die Verhältnisse des Acustieusur- sprungs in der Klasse der Vögel zu recapituliren, so haben wir zwei nur extracerebral eine kurze Strecke vereinigte Nerven vor uns, den N. eochlearis und vestibularis, beide entspringen aus einem besonderen Ganglion, von diesen ist das des Cochlearis allerdings bedeutend modifieirt und hat sich mit dem Hirmstanım gänzlich vereinigt; das Ganglion vestibulare dagegen ist demsel- ben zwar sehr nahe gerückt, hat aber alle Eigenschaften eines Spinalganglion bewahrt. Die centralen Bahnen sind bei beiden Menschen, von Dr. Wilhelm His jun. Arch. f. Anat. u. Physiol, Anat. Abth., 1889, Suppl.-Band, p. 14. la 1 Bgree 2) Sur l’orgine du nerf acoustique. Note preventive du Dr. Luigi Sala. Archives italiennes de Biologie. Tom. XVI. 1891. Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 115 Nerven wahrscheinlich doppelte, indem sich je eine dem Klein- hirnschenkel anschliesst, und die andere auf der entgegenge- setzten Seite der Raphe cerebralwärts weiterzieht. ec) Nervus faeialis. An der ventralen Grenze der intracerebralen Vestibularis- fasern sieht man gleichlaufende Nervenfasern in das verlängerte Mark eintreten, welche sich von jenen durch das stärkere Vo- lumen, die intensivere Färbung und dadurch unterscheiden, dass die einzelnen Fasern hier gröbere Bündel bilden. Es sind dieses die Nervenfasern des Facialis (s. Fig. 4 u. 5). Die einzelnen Stränge, die etwas entfernt von einander austreten, vereinigen sich weiter nach innen zu einem compacten Zuge, der zwischen den Vestibularisfasern und der aufsteigenden Trigeminuswurzel hindurehtritt, aber auch die letztere zuweilen durchbricht. Der Verlauf ist wie derjenige der Vestibularisfasern zugleich ziemlich stark cerebralwärts und etwas dorsalwärts gerichtet. Ungefähr in der Mitte zwischen der äusseren Peripherie und der Raphe sieht man den compakten Nervenstrang plötzlich verschwinden und findet, dass die einzelnen Fasern desselben scharf ventral- wärts umbiegen und zu einer Gruppe von ziemlich grossen multi- polaren oder bläschenförmig erscheinenden Ganglienzellen ziehen, in welchen sie endigen (Fig. De). Man muss diese daher als den Faecialiskern auffassen. Dieselbe ist in ihrem Auftreten und Wiederverschwinden ganz an die Facialisfasern gebunden ; sie zeigt auf einem Querschnitte höchstens ungefähr zwanzig einan- der ziemlich nahe liegende Zellen, welche gewöhnlich einen rundlichen Kern bilden. Derselbe liegt zwischen der aufsteigen- den Trigeminuswurzel und dem Abducenskern in der Mitte und zwar zugleich etwas dorsalwärts von ersterer und etwas ventral- wärts von letzterem. In ihrer proximalen Fortsetzung, jedoch ohne continuirlichen Zusammenhang liegt ein Theil des motori- schen Quintuskernes. Neben den Fasern des Faeialisstammes verlassen noch andere Nervenfasern den Kern an seiner dorsalen Peripherie, diese ziehen jedoch darauf mehr nach innen, sie er- reichen das dorsale Ende der Raphe und überschreiten dann die Mittellinie; man hat in diesen wahrscheinlich die centrale Balın des Facialis vor sich. sesonders bemerkenswerth ist es, dass man häufig in der 116 F. Brandis: Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. direkten Fortsetzung des intracerebralen l'acialisstammes Fasern findet, welehe aus ihm hervorgehen, aber nicht ventralwärts zum Kerne umbiegen, sondern nach innen zur Raphe weiterziehen. Ob diese Fasern in irgend einer Beziehung zum Ganglion geni- euli stehen, welehes auch den Vögeln?!) nicht fehlt, konnte ich bisher nieht entscheiden. In den verschiedenen Ordnungen der Vögel zeigt der Fa- cialis weder in seinem Verlaufe noch in seiner Stärke eme nen- nenswerthe Verschiedenheit. Stieda?) beschreibt in seiner oben erwähnten Arbeit den intracerebralen Facialisstamm gut, ohne jedoch den Kern dessel- ben auffinden zu können, während Turner, wie schon erwähnt, den Facialis nicht von der Acustieusgruppe trennen kann und auch den Kern desselben nicht anführt. Der Facialis der Vögel hat, wie aus der Beschreibung hervorgeht mit der der Säuger sehr grosse Aehnlichkeit, der Unter- schied beruht hauptsächlich darauf, dass den ersteren das Zwi- schenstück oder der aufsteigende Schenkel fehlt. 1) Siehe Vögel von Hans Gadow in Dr. Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Leipzip 1891, p. 385. 0:0 D: 108: Erklärung der Abbildungen auf Tafel V. Fig. 1. Phoenicopterus roseus, ca. 12mal vergrössert. Fig. 2. Carduelis elegans juvenis. Hartnack Obj. 1, Oe. 1. Fig. 3. Corvus corone. Hartnack Obj. 1, Oe. 1. Fig. 4. Phyllopneuste trochilus. Hartnack Obj. 1, Oc. 4. Fig. 5. Columba. Hartnack Obj. 1, Oe. 1. an Eelkkern. N. VIIIa.=n. cochlearis. b. = grosszelliger Kern. N. VIII b.=n. vestibularis. ce. =kleinzelliger Kern. d. = Bogenzug. e. = Faeialiskern. r.a. = radix ascendens trig. E17 (Aus dem Ill. anatomischen Institute zu Berlin.) Die Hornzähne der Cyclostomen nach Unter- suchungen an Myxine glutinosa, Petromyzon fluviatilis und marinus. Von Martin Jacoby. Hierzu Tafel VI. Auf Anregung des Herrn Professor Hertwig begann ich im Herbst 1892 eine Untersuchung der Zähne der Cyelostomen. Derartige Untersuchungen schienen von Interesse, weil über dieses Thema zwei Arbeiten vorlagen, welche die Kritik im weiten Umfange herausforderten : „Die Beard’sche Veröffentlichung (1) und eine kurze Mittheilung von Behrends (3).“ Beard hatte, um hier vorläufig nur das Wesentlichste herauszugreifen, eine weitgehende Homologie zwischen den Zäh- nen der Cvelostomen, insbesondere der von Myxine und Bdello- stoma und den Zähnen der übrigen Vertebraten angenommen und sprach beiden Myximoiden von Odontoblasten, Schmelz ete. Behrends widersprach in keinem wichtigeren Punkte Beard und bot durch verschiedene Angaben nur Grund zu neuen Angriffen. — Ich kam nun durch meine Untersuchungen zu dem sicheren Ergebniss, dass die Zähne der Cyclostomen in viel weiterem Umfange, als wie Beard es glauben machen will, rein epitheliale Gebilde sind, dass also die durch Behrends nicht beseitigten Behauptungen Beards zu verwerfen sind. Ich hatte von meinem Resultate bereits Herrn Professor Hertwig Mittheilung gemacht, als eine neue ausführliche Arbeit von Behrends über dasselbe Thema erschien. Zu meiner Be- friedigung sah ich, dass Behrends jetzt seine Ansichten von Grund aus geändert hatte und dass ich seine Ergebnisse durch meine Befunde bestätigen konnte. Ich hätte damals meine Ergebnisse, namentlich deshalb, 1185 MartinJacoby: weil sie, so weit es die Petromyzonten angeht, nicht an dem- selben Material gewonnen waren, sogleich veröffentlicht, wenn mich nicht zweierlei davon zurückgebracht hätte. Erstens war ich durch äussere Umstände veranlasst, zuvor eine andere Unter- suchung zu Ende zu führen und sodann fand ich es wünschens- werth, die Auffassung, welche von Behrends und von mir in Bezug auf die Öyelostomenzähne vertreten wird, durch eingehende Untersuchungen mehr zu präzisiren. Endlich hielt ich es nur für möglich, mit einem grösseren und mannigfaltigeren Materiale die Frage abschliessend zu untersuchen. Myxine glutinosa erhielt ich zum Theil durch die Güte des Herrn Professor Hertwig, zum Theil durch die Ver- mittelung des Museums zu Bergen. Ich benutzte nur tadellos conservirtes Material, welches mit verschiedenen Methoden be- handelt war. Von Petromyzon fluviatilis hatte ich eine Anzahl äusserst brauchbarer Exemplare zur Verfügung. Petro- myzon marinus erhielt ich zum Theil aus den Sammlungen ddes zweiten anatomischen Institutes (Herrn Prof. Hertwig), zum Theil aus den Materialien des Museums für Naturkunde zu Ber- lin, wofür ich Herrn Geheimrath Professor Möbius und Herm Professor Hilgendorf verpflichtet bin. Für bestimmte, zum Theil vergleichende Zwecke fertigte ich einige Serien von Ammocoetesköpfen und berücksichtigte einige Selachierzähne und Zähne von Säugerembryonen. Allen Denen, die mir bei Beschaffung meines Materiales behülflich waren, sage ich an dieser Stelle meinen ergebensten Dank ; ganz besonders Herrn Prof. Hertwig zugleich für die gütige Anregung zu der Arbeit, als auch für die freundlichst übernommene Prüfung meiner Resultate. Seitdem wir durch die Untersuchungen Hertwigs die nahen Beziehungen der äusseren Haut zu den Zahngebilden kennen gelernt haben, ist es n. m. E. auf diesem Gebiete un- möglich geworden, von Homologien zu reden und ontogenetische oder phylogenetische Untersuchungen über Zähne anzustellen, ohne zugleich die Haut der betreffenden Objeete zu untersuchen. Wäre Beard so vorgegangen, so wäre er jedenfalls weniger kühn in der Aufstellung von Homologien zwischen den Zähnen Die Hornzähne d. Cyclostomen n. Untersuch. an Myxine glutinosa, ete. 119 der Cyelostomen und denen der übrigen Vertebraten gewesen. Ja, er hätte bei litterarischer Betrachtung dieser Fragen bereits finden können, dass Hertwig schon 1874 aus dem Bau der Cyelostomenhaut a priori die Unwahrscheinlichkeit einer derar- tigen Homologie geschlossen hatte. Diese Methode der Beweis- führung hat sich auch Behrends völlig entgehen lassen. Ich habe nun durch Hertwigs Untersuchungen darauf hingeleitet, die Haut der Cyelostomen, soweit es für meine Zwecke nützlich schien, untersucht und war hierbei, was Myxine angeht, fast ganz auf eigene Beobachtungen angewiesen, da ich in der Litte- ratur hier fast nichts vorgearbeitet fand. Ich werde nun zunächst meine Ergebnisse bei Myxine glu- tinosa, dann die bei den Petromyzonten berichten, um dann zum Schluss allgemeine und vergleichende Bemerkungen anknüpfen zu können. Myxine glutinosa. Präparirt man sich die Zunge mit ihren Zahnreihen heraus, so springt zunächst die Enge der Sehlundspalte von Myxine ins Auge. Sogleich fällt dann die ausserordentliche geringe Grössenentwickelung der Zähne von Myxine im Verhältniss zur Körpergrösse des Thieres auf. Es ist vielleicht wichtig, diese Thatsache im Zusammenhange mit den sonstigen Befunden bei Myxine zu verwerthen, welche auf eine niedrige Entwieklungs- stufe, oder vielmehr auf eine durch die parasitische Lebensweise bedingte Rückbildung hindeuten. Ich fand, dass sich immer die concave Seite je eines Zahnes um die convexe des nächsten Zahnes legt. Die Spitze weicht - fast immer, jedoch mehr oder weniger, von der Längsachse des Zahnes ab. Diese Verhältnisse erschweren die Orientirung der verschiedenen Zähne einer Reihe für die Anfertigung genau gleich gerichteter Schnittserien erheblich, machen sie jedoch nicht unmöglich. Die Zähne sind von heller, gelber Farbe, die Spitze ist besonders glänzend. Sie sind scharf und von recht fester Con- sistenz. Im Museum für Naturkunde hatte ich Gelegenheit, die An- ordnung und die äussere Erscheinung der Zähne von Bdello- stoma zu studiren. Ich konnte mich überzeugen, dass eine Aehn- 120 Martin Jacoby: lichkeit der Art besteht, dass die Bilder, welehe man bei Bdel- lostoma erhält, wie Vergrösserungen derjenigen von Myxine er- scheinen. Zum weiteren Studium habe ich nun sowohl Sehnittreihen durch den ganzen Kopf von Myxine, als auch durch einzelne Zähne und Zahnreihen untersucht. Quersehnittsbilder dureh den Kopf zeigen am besten die genauere Anordnung der Zähne und der Zahnreihen. Wir bemerken, dass je zwei Zahnreihen nach der dorsalen Seite hin convergiren, ohne jedoeh ganz zusammen- zutreffen. | Behrends bezeichnet die beiden vorderen Zähne einer Jeden Zahnreihe als Doppelzahn; er giebt an, dass bei diesen beiden Zähnen sowohl die Hornkegel als auch die Weichtheile, insbesondere die Pokalzellenkegel nicht von einander getrennt wären, sondern im Gegensatz zu den Verhältnissen bei den übrigen Zähnen in einander übergehen. Ich bin, namentlich auf Grund der Bilder, die ich bei Querschnitts- serien durch den ganzen Kopf erhielt, zu etwas anderen Resul- taten gelangt. Ich betone, dass Johannes Müller (8), der, wie Behrends angiebt, diese Verhältnisse übersehen haben soll, mehr als er beobachtet hat, und dass ich seine Angaben bestä- tigen und noch etwas genauer ausführen kann. J. Müller sagt (Seite 21): „die Zungenzähne liegen ganz parallel wie die Zacken eines Kammes da und sind an ihren jasen in der Hornsubstanz des Zahnes verwachsen, so dass jede Reihe auf jeder Seite nur einen gemeinsamen, auf einer gleich- geformten Matrix hohlaufsitzenden Zahn darstellt.“ (S. 58): „Das ganze Zahnwerk besteht nur aus einer in Spitzen ausge- zogenen, hohlen, hornig-harten Platte.“ Das ist in der That so. Auf entsprechenden Schnitten erhält man eine eontinuirliche Hornkappe, welche sich über die Weich- theile sämmtlicher Zähne einer Reihe fortsetzt. Auch die Weich- theile sind auf diesen Schnitten nieht durch Epithellagen ge- trennt, wie Behrends wohl aus der makroskopischen Beob- achtung geschlossen hat. Ebenso sind seine hierhergehörigen Angaben in Bezug auf seine „Pokalzellenkegel“ nicht völlig zutreffend. Allerdings sind sie noch am meisten getrennt und was sie angeht, sind in der That die beiden Zähne des Behrends’schen Doppelzahnes am meisten unterschieden von Die Hornzähne d. Cyelostomen n. Untersuch. an Myxine glutinosa, ete. 121 den übrigen Zähnen. Aber andererseits habe ich doch in meinen Serien auch Präparate, welche drei Pokalzellenkegel in entspre- ehender Verschmelzung zeigen. Es ist, glaube ich, nieht unnöthig, diese Beobachtungen hervorzuheben, weil sie im Hinblick auf ähnliche Verhältnisse bei den Petromyzonten von Interesse sind. Im Wesentlichen zeigt ein Zahn von Myxine (Fig. 1 u. 2) folgende Anordnung: Die äusserste Schicht besteht aus der Horn- kappe, welche von heller, gelber Farbe ist. Auf Schnitten sieht man häufig dunkle Flecken im Horn, Behrends hat sie als luftführende Kanäle gedeutet. Man wird doch ohne Zweifel darunter verstehen sollen, dass diese Luftkanäle intra vita vor- handen wären, sonst wäre ja, die Hervorhebung dieser Thatsache ganz belanglos. Eine derartige Erscheinung wird aber bei emi- ser Ueberlegung als äusserst unwahrscheimlich erkennbar. Um mir eine positive Auffassung des Hornes und seiner Flecken bilden zu können, habe ich die Hornkappe mit concen- trirter Kalilauge behandelt, mit welcher Methode ich sehr cha- rakteristische Bilder erhielt. Diese Methode, die ja vielfach sich für das Studium der Hornbildungen bewährt hat, ist bei Petromyzon Planeri von F. E. Sehulze (12) angewandt worden. Unter dem Einfluss der Kalilauge verwandelt sich das bis dahin mit Ausnahme der Flecken und einiger Streifung ho- mogene Horm in ein continuirliches Zellnetz. Wir sehen typische, längliche Epithelzellen mit scharf hervortretenden, breiten Zell- grenzen. Im Innern der Zellen erblickt man den Kern, er ist in ein blasenartiges Gebilde umgewandelt, das unzweifelhafte Zer- fallsandeutungen erkennen lässt. Da wir, wie schon bemerkt, eine continuirliche Zelllage vor uns haben, so ist ohne Weiteres klar, dass für die Annahme von luftführenden Kanälen als intra vitam bestehenden und nicht nur scheinbar vorhandenen Gebilden kein Raum gegeben ist. Dass Luft in die Zellen und in die Intereellularlücken eindringen kann und dass wir sie in den schwarzen Flecken erkennen, soll dagegen nicht geläugnet wer- den, zumal diese Erscheinung bei Verhornungsprozessen nichts ungewöhnliches ist. Die Horrkappe steckt an ihrer Basis in einer Horngrube oder Hornrinne, wie die Autoren die betreffenden Stellen des Epithels nennen. Ich möchte vorschlagen, diese Gebilde, die m analoger Weise wie die Nagelfalze der Säuger aus Zellen des 122 Martin Jacoby: rete Malpighii bestehen und sich ringförmig um die Enden der Hornkappe legen „ringförmigen Zahnfalz“ zu nennen. Das Horn ist hier nicht glatt begrenzt, sondern endet zackig. An den Parthieen, welche unmittelbar in dem Zahnfalz ruhen, erkennt man auf vielen Präparaten (ohne weitere Behandlung) noch die Zellgrenzen als Anzeichen der noch nicht lange ver- tlossenen Verhornung. Die Epithelschichten, welehe hier dem Horn anliegen, zeigen eine säulenförmige Anordnung der Zellen; man beobachtet hier ähnliche Bilder, wie Beard abgebildet hat, ohne sie jedoch im Text zu beschreiben. Das rete Malpighii der Mundschleimhaut ändert da, wo es den Zalnfalz bildet, etwas seinen Charakter. Die wichtige, dem Bindegewebe aufliegende Grenzschicht des Epithels allerdings, das stratum eylindrieum, welches aus pallisadenförmigen, hohen eylindrischen Zellen besteht, setzt sich unverändert in die Horn- grube fort. Im Uebrigen aber zeigen die Epithelzellen, wie schon erwähnt, die Anordnung in Säulen, welche nach dem Horn hin convergiren, und es ist höher und hat mehr Schichten, als das übrige Epithel. Diese Zahnfalze umgeben die Basis der Hornkappe, wie auch Beard annimmt. Wie meine Abbildungen zeigen, hört der Zahnfalz, der innen nur schmal ist, als soleher dann auf und nur das stratum eylindrieum setzt sich, nach unten um- biege, fort, erreicht den Zellkegel, den Beard Odontoblasten- kegel, Behrends Pokalzellenkegel nennt, und bildet hier die untere Begrenzung. Ebenfalls als solche steigt diese Zell- lage an der Einstülpung empor, in welehe die Bindegewebs- papille sich hineinerstreckt, um dann an der andern Seite die- selbe Anordnung zu wiederholen. Behrends giebt an, dass der Zahnfalz, den er Hornrinne nennt, auf der ganzen Innenseite direkt unter dem Horn gelagert ist, ja sogar unter der Spitze wieder zu einer breiteren Schicht wird. Ich muss das auf Grund meiner sämmtlichen Beobachtungen auf das Entschiedenste ab- lehnen. Meine klaren Präparate zeigen einmal ein derartiges Emporsteigen des Zahnfalzes nieht; weiterhin sieht man auf den schön gefärbten Schnitten deutlich das Epithel umbiegen. Meine Befunde sind aber auch die zu erwartenden, da doch das stra- tum eylindrieum, welches ja ohne Zweifel, und wie auch Beh- rends zugeben muss, die untere Begrenzung der Horngrube Die Hornzähne d. Cyelostomen n. Untersuch. an Myxine glutinosa, ete. 123 bildet, an der unteren Grenze des Epithels bleiben muss. Und da auch Behrends, wie ich, die Grenze des Epithels an die untere Grenze des Pokalzellenkegels verlegt, so muss man ja erwarten, dass hierhin sich das stratum eylindrieum in eontinuir- licher Schicht fortsetzt. Beard hat für Bdellostoma zwar keine bestimmten Angaben hierüber gemacht und auch seme Abbildun- gen entsprechen nur ganz ungefähr den thatsächlichen Verhält- nissen; aber was er an seinen, offenbar nur unzureichenden, Prä- paraten sehen konnte, bildet auch eine Bestätigung für meine Beobachtung. Behrends ist anscheinend durch theoretische Erwägungen zu seinem Irrthum veranlasst worden, und ist ein soleher sehr wohl verständlich. Denn wie wir sehen werden, besteht: von der Horngrube und dem stratum eylindrieum zu den Zelllagen unter dem Horn keine scharfe Abgrenzung, sondern ein unbestimmter Uebergang. Sodann kann man an schlecht gefärb- ten Präparaten die schmale Zellschicht, welehe von der Horm- grube nach dem Pokalzellenkegel führt, leicht übersehen. Wenn schliesslich Behrends in seiner vorläufigen Mittheilung bei der Kritik der Beard’'schen Angaben behauptet, keine Epithel- schieht steige von der Basis des Zahnes herauf, sondern Muskel- fasern träten hier an die Horngrube heran, so ist das dahin zu berichtigen, dass die Muskelfasern ganz unabhängig von dem Epithel ausserdem die Horngrube erreichen. Später wird es klar werden, dass diese Ergebnisse in Einklang zu bringen sind mit den Verhältnissen bei den Petromyzonten. An der Basis des Zahnes biegt die Grenzschicht des Epi- thels um und überzieht den oberen Rand der Bindegewebspapille. Es bildet demnach das Epithel einen Hohlkegel, dessen Höhlung durch die Bindegewebspapille ausgefüllt ist. Die untersten drei bis vier Schichten dieses Epithels entsprechen den Schichten, welehe man in den tieferen Lagen der Epidermis findet. Wir sehen gleichmässig rundliche Epithelzellen, keine durch besondere Grösse oder durch charakteristischen Kerm auffallende Zellen. bBemerkenswerth ist jedoch, dass man in diesen Lagen des Epi- thels unzweifelhafte Zelltheilungen mit karyokinetischen Bildern findet. Wir können daraus wohl mit Sicherheit schliessen, dass von hieraus die Bildung und Regeneration der darüber lagernden Epithelsehicht Statt hat. Wir sehen denn auch die Zone, welche Kerntheilungsfiguren aller Phasen (z. B. deutliche Kernspindeln) 124 Martin Jacoby: enthält, unmittelbar in die jetzt zu bespreehenden Zelleneomplexe übergehen. Diese Zelleneomplexe bilden einen Zapfen, den der Zahn in das Bindegewebe entsendet, welches seinerseits wiederum dureh eme Papille den Zapfen ausstülpt. Die Gestalt des Zapfens ist etwa die eines Kegels (s. Fig. 1 u. 2), dessen Spitze nach der Oberfläche des Zahnes hin gerichtet ist. Dieser Kegel ist nach seiner Aussenseite hin gegen die dort lagernden Epithelschichten scharf geschieden, einmal dureh die völlig verschiedene Grösse und den Charakter der Zellen; sodann finden wir auf vielen Präparaten eine Lücke an der Oberfläche des Zellkegels. Diese Lücke muss auf Schrumpfung zurückgeführt werden, welche künstlich durch die Manipulationen bei der Conservirung und Einbettung des Materiales hervorgerufen wird. Aus dem Um- stande aber, dass diese Lücke sich auch nieht ganz selten bei Objeeten fand, die mit der allerpeinliehsten Sorgfalt behandelt waren und in der That sonst keine Erscheinungen der Sehrum- pfung oder nur äusserst geringfügige zeigten, lässt sich doch ent- nehmen, dass hier eine scharf ausgeprägte Gewebsseheidung wohl namentlich hinsichtlich der Consistenz der Gewebe vorliegt. "Die nach aussen gerichteten Zellen des Zellkegels sind von den einwärts gelagerten unterschieden. Sie bilden eime bogen- förmig angeordnete Reihe von Zellen, welche die inneren an Grösse übertreffen. Diese Zellen der äusseren Reihe (Fig. 5 u. 6) haben eine längliche Gestalt, nach aussen hin liegt der Theil der Zelle, weleher «len Kern birgt; dieser Abschnitt ist verbrei- tert. Auch nach der Innenseite zu ist die Zelle ein wenig ver- breitert, sie endet abgerundet. Der nach innen gerichtete Theil der Zelle, den man auch mit Behrends als Ausläufer bezeich- nen kann, ist auf vielen Präparaten nieht klar bis an sein Ende zu verfolgen, so dass man leicht beim Anbliek der vielen Zell- fortsätze den Eindruck bekommt, ein aus diesen Fortsätzen sich zusammensetzendes verfilztes Netz vor sich zu haben. Zu diesem Resultat ist Behrends gelangt. Nun habe ich an einer An- zahl von Schnitten, die besonders dünn angefertigt und dazu sehr glücklich gefärbt waren, eine grosse Menge Zellen bis zu ihrem blinden Ende genau verfolgen können. Zum Mindesten steht also fest, da meine Präparate mit ihrem positiven Resultate keinen Zweifel zulassen, dass es sehr viele Zellen hier giebt, Die Hornzähne d. Oyclostomen n. Untersuch. an Myxine glutinosa, ete. 125 welche völlig. isolirbar sind, und zwar ihr Ende nicht etwa am innern Rand des Zellkegels erreichen, bis wohin — wie Beh- rends glaubt — die Fortsätze verlaufen, sondern nur etwa in der Tiefe der Kerne derjenigen Zellen, die gleich unterhalb der äussersten Reihe des Kegels liegen. Die Fortsätze der der Spitze zu liegenden Zellen scheinen länger als die übrigen zu sein. Die Kerne dieser Zellen sind gross, scharf eonturirt und haben viel Chromatin. Sie haben regelmässig ein Kernkörper- chen, welches sich auf memen Präparaten durchweg intensiv mit Carmin färben liess. Wiehtig ist es nun, zu diseutiren, wie es sich mit «den Fortsätzen der Zellen verhält. Beard beschreibt die Form der Zellen bei Bdellostoma und giebt für Myxine an, dass dort die- selben Verhältnisse obwalten. Nach ihm haben die Zellen eine polygonale spitz zulaufende Form. Von Fortsätzen als solchen meldete er nichts, doch ist offenbar mit der spitz zulaufenden Form etwas Aehnliches gemeimt, da auch seine Abbildungen das vermuthen lassen. Behrends gab bereits in seiner vorläufigen Mittheilung folgende Beschreibung von diesen Fortsätzen und ge- hören die diesbezüglichen Angaben zu den wenigen, die er nicht später in der ausführlichen Arbeit widerrufen hat. Er berichtet: „Nach der Innenseite entsenden die Zellen einen langen Ausläufer, der sich fast bis an den Rand der Pulpa erstreckt. Diese Ausläufer haben eine Länge von 0,17 mm und bilden mit einander em filzartiges Gewebe.“ Wir haben bei der Mittheilung unserer Beobachtungen schon auf das Bestimmteste beweisen können, dass Behrends Angaben nicht zutreffen. Was Beard angeht, so hat er so wenig aus- gesagt, dass etwas Falsches sich nicht in seiner Bemerkung fin- det, allerdings ist sie auch positiv nicht verwerthbar. Eine weitere Frage betrifft die Structur des Protoplasınas der Zellen. Beard giebt an, dass die Zellen sehr deutlich längs gestreift und die Streifen etwas wellig sind. Behrends hat nur gesehen, dass die Zellen auf Schnitten eine feine Strichelung zeigen, welche sich nur undeutlich auf den Ausläufer der Zelle fortsetzt. Mir ist es weder an dieken noch an dünnen, weder an intensiv noch an schwach gefärbten Schnitten gelungen, eine Striehelung oder gar eine Streifung mit Sicherheit nachzuweisen, obgleich ich alle optischen Hülfsmittel bis zur apochromatischen, 126 Martin Jacoby: homogenen Immersion angewandt habe. Dagegen ist nicht zu verkennen, dass das Protoplasma einen nicht völlig homogenen Eindruck macht und dass man bei gewissen Einstellungen der Mikrometerschraube beinahe von einer streifigen Structur zu reden in Versuchung kommt. Ohne die Ergebnisse der Autoren direkt als Kunstprodukte bezeichnen zu wollen, muss ich doch hervorheben, dass Beard sich bei seinen Angaben im Wesentlichen auf Bdel- lostoma stützt, deren Zähne er mit der Koch ’'schen Schleif- methode zu präpariren genöthigt war, und er daher nicht erwar- ten konnte, feinere histologische Details mit der nöthigen Sicherheit festzustellen. Auch lag es für ihn nahe, bei seiner Auffassung der Zellen als Odontoblasten in einen Irrthum zu verfallen, weil er theoretisch die Anwesenheit von Dentinröhrehen hier vor- aussetzte. Schliesslich wäre auch noch die von Beard vermuthete und für die Beurtheilung der Zellen nieht unwesentliche Verkal- kung zu diseutiren. Beard begnügt sich mit der Angabe, der Zellkegel wäre besonders bei Bdellostoma deutlich verkalkt und führt neben der Härte nur an, dass der Kegel nach wochen- langem Liegen in Pikrocarmin nicht macerirt gewesen sei. Beh- rends musste auf eine Nachprüfung dieser Frage verzichten, weil ihm nur durch Säuren fixirtes Material zur Verfügung stand. Ich habe diese Frage an in Alkohol fixirten Exemplaren von Myxine geprüft und muss für dieses Thier eine Verkalkung des Zellkegels ziemlich bestimmt ablehnen, weil ich sie bei der Be- handlung mit Salzsäure nicht nachweisen konnte, während die- selbe Methode für den Knorpel von Myxine zu einem positiven Resultate führte. Ueber die Anordnung der Zellen im Kegel ist nicht viel zu sagen. In der äussersten Schieht oder öfters den äussersten Schiehten liegen die Zellen mit den ausgeprägten Ausläufern. Im zweiten Falle ist die Anordnung eine alternirende in der Art, (lass zwischen zwei Ausläufern der äusseren Zellreihe der kern- haltige breite Theil der Zellen der zweiten Reihe liegt. Nach innen findet man dann Zellen, die weniger in ihrer Form von den Epithelzellen abweichen, aus denen sie entstanden sind, wie ich oben gezeigt zu haben glaube. Die Grösse der am tiefsten liegenden Zellen übertrifft nicht die derjenigen Epithelzellen, welehe in Theilung begriffen sind. Die Hornzähne d. Cyelostomen n. Untersuch. an Myxine glutinosa, ete. 127 Die unteren Epithelschichten, die wir vorher besprochen haben, liegen nun auch seitlich dem Pokalzellkegel an, aber nur in den unteren Parthieen. Weiterhin ziehen sie dann, wie schon angedeutet, hinüber zum Hornfalze. In den oberen Parthieen ist die Lücke zwischen dem Zellkegel und der Hornkappe von einem nachher zu besprechenden Gewebe ausgefüllt. Jetzt wollten wir nur darauf kommen, dass von dem Epithel sich eine einzelne Schicht absondert, welehe die ganze Oberfläche des Kegels über- zieht. Wenn wir die Bilder, die man auf den einzelnen Schnit- ten erhält, combiniren, ergiebt sich ein Hohlkegel, der tütenförmig über den Pokalzellkegel gestülpt ist. Die Epithelschicht zeigt nämlich auf seitlichen Schnitten das Bild einer Parabel, den mittleren eines Dreiecks. Auf diesen Schnitten sehen wir an der Spitze des Dreiecks eine Anhäufung der Epithelzellen, die daher rührt, dass hier nach einem kleinen Raum hin die Zellen von allen Seiten her zusammenkommen. Die Zellen dieser Schicht sind länglich, haben in der Mitte einen rundlichen, sich gut färbenden Kern; das Protoplasma der Zelle enthält zahlreiche dunkle Körnehen. Diese Beschaffen- heit des Protoplasmas tritt um so deutlicher hervor, weil sowohl die nach innen von diesen Zellen liegende Pokalzellen, als auch die später zu besprechenden, aussen liegenden Zellen diese Eigen- schaft nicht zeigen. An der Spitze des Pokalzellenkegels bleibt zwischen ihm und der beschriebenen Epithelschicht ein Raum übrig. Diese Stelle (Fig. 3 u. 4) ist mit einer bei schwacher Vergrösserung scheinbar fast homogenen Masse ausgefüllt, welche sich mit Carmin mässig intensiv färbt. Schon bei mittlerer Vergrösserung sieht man jedoch, dass die Schicht nicht homogen ist, sondern ver- schiedentliche Streifungen zeigt.. Es ist hier nothwendig, zweier- lei Streifensysteme zu unterscheiden. Die hauptsächlichsten Strei- fen verlaufen von der Spitze der Epithelschicht zum Pokalzellen- kegel hin und treten sehr deutlich bereits bei mittlerer Ver- grösserung hervor. Ohne Weiteres erkennt man, dass sie mit den Zellgrenzen der oben liegenden Epithelzellen in Beziehung stehen. Das andere Streifensystem verläuft concentrisch zu der äusseren Begrenzungslinie des Pokalzellenkegels und besteht aus ganz feinen, eng aneinander liegenden, erst bei stärkeren Ver- grösserungen deutlicher werdenden Streifen. Wir werden die 128 Martin Jacoby: zuletzt erwähnten Streifen, die nur den optischen Ausdruck feinerer Strueturverhältnisse darzustellen scheinen, vernachlässigen können, während die andern Streifen die zellige Natur des Gewebes wahr- scheinlich machen. 3eard hat die Epithelschicht bei Bdellostoma nur zum Theil, bei Myxine gar nicht gesehen. Dagegen hat er die Anhäufung der Epithelzellen an der Spitze auch beobachtet, konnte aber — wie leicht verständlich — auf diese Weise keine Erklärung für sie finden. Zwischen der Epithelanhäu- fung und seinem Odontoblastenkegel sah Beard bei Bdello- stoma immer eine grosse, bei Myxine gelegentlich eine, und zwar eine sehr kleine „Schmelzkappe.“ Das ist wenigstens seine Deutung, gesehen hat er nur eine gänzlich homogene Sehieht. Dass er diese Kappe nur manchmal bei Myxine fand, während sie ganz regelmässig anzutreffen ist, wird leicht ersicht- lich. Die Kappe wird nämlich nur auf den ganz durch die Mitte geführten Schnitten getroffen und bei grösserer Dicke der Schnitte nur auf emem: man kann also nur bei Serienbetrachtung (darauf rechnen, die Kappe constant vorzufinden. Zum Mindesten muss Beard sehr diek geschnitten haben oder sein Material und seine Methode nicht ausreichend gewesen sein, wenn er trotz der starken von ihm angewandten Vergrösserung keinerlei Strei- {ung an der Kappe wahrgenommen hat. Behrends hatte in seiner vorläufigen Mittheilung die Kappe ganz übersehen und glaubte, dass Beard sie mit der Epithelanhäufung an der Spitze verwechselt hätte. Mittlerweile hat er diese Angaben allerdings bereits wesentlich modifizirt. Unterhalb der Epithelanhäufung berichtet er jetzt von einem System von Streifen, welche als Ausläufer der Epithelzellen so- wohl von den seitlichen Parthieen als von oben ausstrahlen und über dem Pokalzellenkegel sich kreuzen. Auch diese verbesserte >eschreibung ist n. m. M. noch nicht im Stande, eine Vorstellung von den thatsächlichen Verhältnissen zu geben, da man einmal soweit Beard zustimmen muss, dass wir hier — abgesehen von dem Streifensystem — eine durchaus auffällige homogene Sehieht vor uns haben: Weiterhin müssen aber auch die Streifen und zwar mit der von mir gemachten Unterscheidung als Beweis für die zellige Natur des Gewebes verwerthet werden. Zwischen der zuletzt beschriebenen Epithellage und dem Die Hornzähne d. Cyelostomen n. Untersuch. an Myxine glutinosa, ete. 129 Horn findet sich nun ein Gewebe, über das wir uns kurz fassen können. Beard beschreibt es als geschichtetes Epithel und weiss von Spalten in diesem Epithel zu melden, die er dadurch erklären will, dass dieses Epithel von verschiedenen Riehtungen seinen Ursprung genommen hat. Behrends hat sich durch den oberflächlichen Eindruck dieses Gewebes in seiner vorläufi- gen Mittheilung verleiten lassen, von Bindegewebe zu sprechen, steht aber später auf dem richtigen Standpunkte, dass wir hier ein Gewebe vor uns haben, von dem Charakter der Schmelz- pulpa der Säugethiere. Er stützt sich mit Recht auf die Be- funde Känsche’s (6), der für Petromyzon Planeri die Entste- hung aus Epithel nachweisen konnte. Ich kann hinzufügen, dass ich bei Petromyzon fluviatilis und Petromyzon marinus ähnliche Verhältnisse vorfand. Ebenfalls riehtig ist es, mit Behrends die Spalten im Gewebe als Folgen der Zerrung anzusehen, welche hier bereits beim lebenden Thiere in Folge der umgebenden harten Gewebe wirksam ist und nach der Conservirung und Ein- bettung noch mehr hervortreten wird. Das wird um so wahr- scheinlicher, da ich nachweisen konnte, dass die Lage der Spal- ten durchaus inconstant ist. Im Uebrigen muss noch betont werden, dass auch bei Myxine die Entstehung dieses Gewebes durch Zerrung geschichteten Epithels ersichtlich ist, wenn man auf die unteren Theile des Gewebes achtet. Diese Theile sind weit weniger der Zerrung ausgesetzt und hier finden wir denn auch noch viel mehr eine epitheliale Anordnung der Zellen. Unter der epithelialen Grenze treffen wir nun Bindegewebe mit ziemlich reichlichen Blutgefässen an. Zwischen den Binde- websfasern verlaufen dann viele Muskelfasern. Das Bindegewebe legt sich um die Zahnfalze in Form von Säckchen und entsendet in den aus den Pokalzellen bestehenden in das Bindegewebe hineinragenden Zapfen seinerseits eine Papille. Die Bindegewebssäckchen enthalten neben Bindegewebe Blutgefässe und Muskelfasern. Die Papille enthält ebenfalls diese Elemente, ist aber im Wesentlichen erfüllt von einem sehr zellen- reichen Gewebe. Die Zellen liegen in einem gewissen Abstande, von einander; die Kerne sind ziemlich gross und zeigen bei Carminfärbung ziemlich reichlich Chromatin. Behrends spricht von emer epithelialen Anord- nung dieses Gewebes. Ich habe davon nichts gesehen: nach Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 9 130 Martin Jacoby: meinen Beobachtungen liegen die Zellen in einem grossen dieh- ten Haufen. Ist nun die Bedeutung dieses Gewebes jedenfalls sehr un- sicher, so gilt das nicht von den Knorpelbildungen, über die wir jetzt zu berichten haben. . Zunächst findet sich unter der Matrix des Gaumenzahnes eine Knorpelplatte, welche von den Zahn dureh eine dünne Faserschicht getrennt ist; diese Knorpel- platte hat Behrends bereits beschrieben. Räthselhaft ist mir jedoch geblieben, wie Behrends weiter berichten kann: „Die Zungenzähne besitzen keine solche teste Unterlage, sondern haben in der Muskulatur der Zunge ihren Halt.“ An einer anderen Stelle steht sogar: „Die Zähne der Geotria haben ein Stützorgan in Gestalt eines Knorpelstäbehens, das bei Myxine nirgends vorkommt.“ Ich hätte diesen Widerspruch, der offenbar nur auf einem Versehen beruht, gar nicht erwähnt, wenn nicht die angezogene Thatsache an betreffender Stelle zur Stütze eines Beweises be- nutzt würde. Wie liegen nun die Verhältnisse bei den Zungenzähnen ? Auch hier, wie in so vielen Punkten der Anatomie der Myxinoi- den hat J. Müller bereits die gröberen Verhältnisse auf das Genaueste beschrieben; auf S. 55 seiner Anatomie der Myxinoi- den“ sagt er: „Die Matrix der ersten Zahnreihe sitzt jederseits auf der Oberfläche des vorderen Randes des Knorpels auf; die Ma- trix der hinteren Zahnreihe sitzt jederseits über «dem hintern Rande des Knorpels,“ und auf S. 58: „am Rande der Matrizen verwächst das Periehondrium der Zungenknorpel mit der Matrix zu einer zahnfleischartigen, saumförmigen Falte, die sich an die Basis der Zähne anlegt und von Schleimhaut bekleidet wird.“ Dem entsprechend fanden wir dicht unter dem Zahn, mei- stens nieht weiter von ihm entfernt, als das Knorpelplättchen des Gaumenzahnes, in der Muskulatur Knorpelplatten, die unter einem oder zwei Zähnen gelagert sind. Die verschiedenen Platten hängen mit fibrösem Gewebe unter einander zusammen. Die Knorpelnatur dieser Platten ist über jeden Zweifel erhaben. Wir haben grosse runde Zellen mit grossen, reichlich Chromatin Die Hornzähne d. Cyelostomen n. Untersuch. an Myxine glutinosa, ete. 131 enthaltenden Kernen; die Zellen sind von Kapseln umgeben, die von der Grundsubstanz gebildet werden; die ganze Platte ist durch ein Perichondrium von der Umgebung abgegrenzt. Wieso bestreitet nun Behrends die Existenz dieser Platten? Leicht verständlich ist das nur unter der Vorrausetz- ung, dass er nur herauspräparirte Zähne von Myxine geschnitten hat, und sich nicht, wie ich, die Mühe gemacht hat, auch die ganze Zunge mit allen Zähnen in situ in Serien zu zerlegen ; denn dann kann er die Zähne so herauspräparirt haben, dass der Knorpel zurückblieb, wie ich das auch gelegentlich gethan habe. Auch der Einwand, diese Knorpelplatten hätten für die Zähne keine Bedeutung, kann von Behrends nicht erhoben werden, da er die entsprechende Platte des Gaumenzahnes für wichtig genug hält, um sie im Gegensatz zu Angaben von J. Müller hervorzuheben. An die Untersuchung der Zähne von Myxine knüpfte ich die Untersuchung der Haut. Ihre Beschreibung kann jedoch hier unterbleiben, da das Resultat der Untersuchung bei der ge- wählten Fragestellung ein negatives war. Es lassen sich in der Haut keine Gebilde nachweisen, welche die Berechtigung geben, von näheren Beziehungen zu den Zähnen zu reden. Ich meine, es ist nunmehr so viel klar, dass die Zähne von Myxine im Wesentlichen epitheliale Gebilde sind, und dass sie sich mit Ausnahme der kleinen, von uns erwähnten Bindegewebs- papillen gänzlich vom Epithel ableiten lassen. Ich denke, dass insoweit die von Beard aufgestellten Behauptungen, nachdem sie bereits Behrends in seiner zweiten Arbeit erschüttert hatte, gänzlich beseitigt sind. Um nun meine Untersuchungen auf eine breitere Basis zu stellen, habe ich Petromyzonten, soweit sie mir zur Verfügung standen, untersucht und zwar: 132 Martin Jacoby: Petromyzon fluviatilis und Petromyzon marinus. Von den frühern Untersuchern war im Wesentlichen Petro- myzon Planeri, der ja fluviatilis schr nahe steht, herangezogen worden, marinus wird zwar von Beard und einigen Andern mit wenigen Worten erwähnt; in der Hauptsache aber ist dieses Ma- terial für die uns interessirenden Fragen noch nieht verwerthet worden. Bei den Petromyzonten pflegt man bekamntlich die Zähne gewöhnlich nach dem Orte ihrer Befestigung als Zungenzähne, Gaumenzähne ete. zu bezeichnen. Für uns genügt es, da wir nicht systematische Zwecke verfolgen, nach der Art ihrer Zu- sammensetzung zwei Gruppen von Zähnen zu unterscheiden. Wir werden von Schleimhautzähnen reden und damit die- jenigen bezeichnen, welche keinen Knorpelkern besitzen und von Zähnen mit basalem Knorpelkern, unter denen wir natürlich die Zähne mit Knorpelkern verstehen werden. Die Schleimhautzähne (Figur 7T—9) der Petromy- zonten, die wie bei fluviatilis und marinus ziemlich ähnlich fanden, sind die am einfachsten gebauten Zähne, die bei den Cy- clostomen vorkommen. Ein soleher Zahn besteht aus einer verdiekten Stelle des Schleimhautepithels, welehe durch eime kleine Papille des Binde- gewebes vorgewölbt ist und nach aussen hin ein wenig über die Oberfläche emporragt. Das Epithel ist an der Aussenseite verhornt und ist diese Hornlage ungefähr drei Epithelschichten breit. Die seitliche Befestigung dieser Hornlagen im übrigen Epithel wird von F. E. Schulze erwähnt; er giebt an, dass die Hornplatte mehrere Lagen tief in’s Epithel eindringt, um hier scharf zu enden. In der Tiefe des Epithels, jedoch noch einige Schiehten von der unteren Grenze entfernt, findet sich eine zweite Hornkappe, die sich von der oberen nur wenig unterscheidet. In der oberen finden wir mehr dunkle Fleeken der Art, wie sie auch bei My- xine zur Beobachtung kamen, und bei Behandlung mit Kalilauge wird die Struktur der Zellen nur allmählicher und nicht so voll- ständig bei der oberen wie bei der unteren hergestellt. Wir haben in diesen Differenzen offenbar einen Unterschied des Grades zu erkennen, bis zu dem die Verhornung vorgeschritten ist. Die Hornzähne d. Cyelostomen n. Untersuch. an Myxine glutinosa, ete. 153 Das Epithel zwischen den beiden Hornkappen- ist wenig verändert; auf seitlichen Schnitten zeigt es völlig den Charakter des allgemeinen Mundschleimhautepithels, auf den mittleren Schnit- ten liegen die Zellen in weiteren Abständen und die Intercellular- brücken sind gedehnt. Wir werden später sehen, dass dieser Befund insofern von Interesse ist, als er gewissermassen eine Stufe der Entwicklung darstellt, welche die höher entwiekelten Petro- myzontenzähne mit basalem Knorpelkerne sowohl sicher als auch in ähnlicher Weise die Zähne der Myxinoiden wahrscheinlich in ihrer Entwickelung durchlaufen. Ueber die Zähne mit Knorpelkern von Petromyzon fluvia- tilis (Fig. 11) brauche ich nach dem schon Mitgetheilten nicht viel zu reden. Den Hauptunterschied von den Schleimhautzähnen habe ich schon im Namen angedeutet: der Knorpel des Mund- ringes entsendet in die Bindegewebspapille einen papillenförmigen knorpeligen Fortsatz. Alsdann sind diese Zähne bekanntlich viel grösser, als die Schleimhautzähne und kräftiger ausgebildet. Das Epithel zwischen den beiden Hornkappen fanden wir auf sehr vorgeschrittener Stufe der Entwicklung mit stark ge- dehnten Intereellularbrücken, schon sich dem Bilde eimer Schmelz- pulpa nähernd. Dass in der That die Entwieklung resp. Umbil- dung dieses Epithelgewebes weit vorgeschritten sein muss, wird verständlich, wenn wir mittheilen, dass die oberste Hornkappe bereits sich anschickte, den Contact mit dem Zahngebilde zu ver- lieren. Denn auf unsern Präparaten war das Hom an den Seiten oft schon aus der Horngrube gelöst und das Gewebe zwischen den Hornkappen fehlte bereits an vielen Stellen. Diese durch die Methoden beeinflussten Trennungen haben aber sicherlich auch schon bis zu einer gewissen Grenze in der Natur bestanden. Behrends bemerkt in seiner zweiten Arbeit, dass die Gau- menzähne von Geotria nicht, wie bei Petromyzon über eine glatte Epidermis hervorragen, sondern reihenweise in kleine Hautfalten versenkt sind, aus denen nur die Hornspitzen der grösseren Zähne hervorragen. Dazu muss ich betonen, dass auch bei den untersuchten Petromyzonten die Gaumenzähne jedenfalls keineswegs durchgängig „über eine glatte Epidermis hervorragen.“ So sind z. B. die Schleimhautzähne häufig im solche Schleim- hautsfalten eingesenkt und auch bei den Zähnen mit Knorpel- kernen findet man diese Taschen. 154 Martin Jacnhby: Es wird hier wohl der Platz sein, zu bemerken, dass sich bei den Petromyzonten oft die Neigung der benachbarten Horn- kappen geltend macht, zusammenzufliessen und eine Art Horn- kiefer zu bilden. An macerirten Exemplaren von Petromyzon inarinus gelang es nie mit Leichtigkeit. ganze Hornplatten. aus denen «die einzelnen Zahnspitzen wie Kuppen hervorragten, von ihrer Unterlage abzuheben. Diese Thatsachen sind interessant im Hinblick auf «ie erwähuten Verhältnisse bei Myxine und bei Berücksichtigung der ähnlichen von Behrends bei Geotria erhaltenen Befunde. Eine gesonderte Besprechung verlangen die Zähne mit Knor- pelkern von Petromyzon marinus (Fig. 12). Wir sehen hier auch von den so mannigfaltigen Unterschieden der gröberen Formen ab, die für unsere Zwecke belanglos sind, da der Autbau der Schiehten bei den verschiedenen Zähnen der gleiche ist. Was zunächst die Bindegewebspapille mit dem Knorpel an- geht, so ist nichts weiter im Gegensatz etwa zu den Verhältnissen bei fluviatilis hervorzuheben: wir werden uns im Folgenden aus- schliesslich mit dem Epithel besehäftigen. Zu unterst trifit man die Grenzschicht des Epithels zum Bindegewebe him, die hohe eylindrische Zellen aufweist. Auf sie folgt noch eine reichliche Anzahl echter Epithelschiehten ; unsere Abbildung lässt aber deutlich erkennen, dass sich etwa auf hal- ber Höhe zwischen der Bindegewebsgrenze und der ersten Horn- lage eine Anzahl von Epithelzellenlagen von den andern dadureh abseheiden, dass sie den Farbstoff nur sehr schlecht aufgenommen haben im Gegensatz zu den übrigen gut gefärbten Schichten. Die Hornlage, die dann folgt, zeigt ebenso wie die obere ähnliche Verhältnisse wie bei Petromyzon fluviatilis; das Gewebe zwischen «den Hornlagen ist nieht minder stark verändert, die Intercellularbrücken sind gedehnt und die Zellen erhalten so eine schöne Sternform. Sehr gut können wir an diesen Objekten die Enstehung dieses Gewebes und den Grund dieser Umbildung stu- diren. Wir sehen nämlich deutlich, wie das Epithelgewebe an den seitlichen 'Theilen der Schnitte direkt in das so veränderte Gewebe übergeht, und ausserdem erkennen wir noch unmittelbar über der unteren Hornlage und ebenso unter der oberen eine un- veränderte Schieht von Epithelzellen. Es wird hier also ganz klar, dass das in seinem Aussehen der Schmelzpulpa der Säuger ähn- Die Hornzähne d. Oyelostomen n. Untersuch. an Myxine zlutinosa, ete. 135 liche Gewebe durch die Zerrung, welche durch den Zug der Horngebilde wirksam ist, aus Epithelgewebe sich bildet. Der Erklärung bedürfen jetzt noch die Reihen von Epithel- zellen, welehe — wie vorhin erwähnt wurde — den Farbstoff nur sehr sehleeht angenommen haben. Voraus sei bemerkt, dass (diese Beobachtungen keineswegs Kunstprodukten ihren Ursprung verdanken. Diese Schichten befinden sich inmitten von Epithel- lagen, die sich ausserordentlich intensiv färbten. Und «da wir überhaupt den Farbstoff sehr lange Zeit einwirken liessen und im Allgemeinen ausserordentlich intensiv gefärbte Präparate erzielten, so kann die mangelhafte Färbung dieser ganz bestimmten Zell- lagen wohl sicherlich nur auf natürlichen Verhältnissen beruhen. Ich glaube nun, dass diese Zone, die in ihrer Lage und Anord- nung sich parallel und gleich den Hornlagen verhält, den ersten Anfang «ler Verhornung eines neuen Zahnes oder die Anlage eines Ersatzzahnes vorstellt, wie die Autoren diese Bildung nennen. Zu dieser Deutung wird man durch einen Ueberblick über die Literatur gedrängt. Einerseits hat Beard bei Petro- myzon marıinus drei Hormkegel über einander gefunden und Behrends hat für einige Zahnbildungen von Geotria einen unbeschränkten dauernden Zahmwechsel wahrscheinlich gemacht; andererseits wissen wir aus den allgemeinen Untersuchungen über den Verhornungsprocess, dass im Verlaufe dieses Processes die Epithelzellen und speziell ihre Kerne die Fähigkeit verlieren, den Farbstoff aufzunehmen. Endlich hat Känsche (6) auf entspre- chende Verhältnisse bei Petromyzon Planeri hingewiesen. Des Weiteren liegt aber auch hinreichende Veranlassung vor, anzunehmen, dass auch bei Petromyzon marinus en dau- ernder Zahnwechsel stattfindet. Unsere Präparate lassen nämlich neben der Vorbereitung einer dritten Hormplatte auch Anzeichen erkennen, dass bereits eine Hornplatte an der Ober- fläche abgestossen worden ist. Um diese Behauptung zu stützen, werden wir auf die Ver- hältnisse der Horngruben etwas einzugehen haben. Horn- grube nennt Beard die Stellen des Epithels, in denen seitlich die Hornkappen stecken und er beschreibt diese Horngruben in gleicher Weise bei den Myxinoiden und Petromyzonten. Beh- rends glaubt auf Grund seiner Befunde bei Geotria die Benen- 136 Martin Jacoby: nung und den Begriff „Hormgrube“ in „Hornrinne“ modifieiren zu müssen. Unter Hornrinne versteht Behrends die dem Horn anliegende Epithelschicht, welche die ganze Innenseite des Hor- nes auskleidet, und welche zum Wachsthum und zur Regeneration des Hornes beiträgt. Diese Auffassung halte ich nieht für be- rechtigt, während ich die Namen für ziemlich gleich gut zur Be- zeichnung der richtigen Verhältnisse halte. Am wenigsten entsprechen die Ausführungen von Behrends den Befunden bei Myxine. Für dieses Thier glaube ieh oben bewiesen zu haben, dass der von mir dort beschriebene „Zahn- falz“ (welcher der Beard’'schen Horngrube entspricht) als solcher aufhört und die Epithelschicht nach der Basis des Zahnes hin umbiegt. Das Gewebe, das sich in den übrigen Theilen unter dem Horn findet, ist das durch die Zerrung veränderte und macht nicht mehr den Eindruck als ob es noch bei der Hornbildung wirksam sein kann. Allerdings findet man die Zellen gleich un- ter dem Horn bei Myxine häufig dichter und weniger verändert und bei Petromyzon marmus sah ich, wie Behrends, sogar unter dem Horn eine wohlerhaltene Epithelschicht. Aber ich erin- nere daran, dass man auch an den Seitentheilen des betreffenden Gewebes eine grössere Dichte der Zellen findet, wie ich es so- wohl bei Myxine zwischen der herabsteigenden Epithelgrenze und dem Pokalzellenkegel, als auch in Uebereinstimmung mit Kän- sche bei den Petromyzonten gesehen habe. Ferner fand Beh- rends bei Geotria und ich namentlich bei Petromyzon marinus auch die unterste Lage des Gewebes, welche direkt dem Ersatz- zahn aufliegt, unverändert. Man wird wohl nach alledem diese Erscheinungen sämmtlich so erklären können und auch müssen, dass die Zerrung natürlich an den Rändern weniger erheblich wirksam ist und daher hier das Gewebe am meisten seinen ur- sprünglichen Charakter bewahrt hat. Wenn wir also darauf hingewiesen haben, dass die Horn- gruben sich von den sternförmigen Zellen hinreichend abgrenzen lassen und das Gewebe der sternförmigen Zellen zu dem fertigen Horngebilde und der Regeneration des Hornes keine Beziehungen hat, so muss man andererseits nicht vergessen, dass das Gewebe ein Produkt der Processe ist, welehe sich bei der ersten Bildung des Hornes abspielen, und in diesem Sinne sind auch die An- gaben Känsche's verwerthbar. Die Hornzähne d. Cyelostomen n. Untersuch. an Myxine glutinosa, ete. 157 Die wahren wirklichen Horngruben, die man also nur bei fertig entwickelten Zahngebilden, z. B. nicht bei den Schleim- hautzähnen der Petromyzonten suchen muss, sind nun aber auch wohlcharakterisirte Bildungen sowohl bei Myxine als auch bei den Petromyzonten. Sie lassen deutlich ihre Funetion erkennen für die Regeneration und Weiterbildung des Homes beim fertigen Zahn zu sorgen und schliesslich zur gegebenen Zeit ihn abzu- stossen. Man beobachtet nämlich, dass das Horn in ihnen nicht glatt endet, sondern zackig begrenzt ist; die Hornbildung steht nie still, sondern an der Grenze des fertigen Hornes findet man stets Zellen, welche im Stadium der beginnenden und vorschrei- tenden Verhornung sich befinden. Behrends hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Horn- gruben bei Geotria erst sehr spät, vielleicht erst kurz vor der Abstossung des Gebrauchszahnes sich zurückbilden. Das ist ganz richtig; ja, ich sah sogar — und so kehren wir zum Zahnwechsel bei Petromyzon marinus zurück — bei diesem Thier die Horn- grube in ihrer Form noch da erhalten, wo offenbar der Zahn schon durch Abstossung gänzlich beseitigt war. Wir hatten also bei demselben Gebilde vermuthlich noch die Reste der Hormgrube eines bereits abgestossenen Zahnes, zwei ausgebildete Hornkappen und wie früher besprochen wurde, schon die Vorbereitung eines sich bildenden Zahnes. Das sind Ver- hältnisse, die wohl die Sicherheit eines permanenten Zahnwechsels gewähren. Endlich verdienen noch die Grenzen des Epithels zum Binde- zsewebe eine besondere Besprechung (Fig. 10). Dass die Grenze keine durchaus glatte ist, wie man früher die Verhältnisse bei den Cyelostomen aufzufassen pflegte, wurde schon erwähnt. Wir haben bereits von den Papillen gesprochen, welche die Cutis in die Zahnanlagen entsendet; dass diese Papillen bei Petromyzonten häufig einen Knorpelkern enthalten, ist auch schon mitgetheilt worden. Hinzugefügt mag werden, dass sich auch ausserhalb der Zahnbildungen in der äusseren Haut, und namentlich in der Mundschleimhaut der Cyelostomen ähnliche Papillen finden; so- dann ist aber auch die Grenze, wenn man von den grösseren Papillen absieht, auch sonst nieht glatt. Man sieht von der Cutis aus kleine und allerkleinste Papillen sich vorbuchten und das Epithel vorstülpen. Diese Papillen sind oft so fein, dass man 138 Martin Jacoby: bei etwas weniger genauem Zuschauen glauben kann, es wären keine Papillen, sondern Bindegewebsfasern, welche in das Epithel eindringen. Wir müssen hervorheben. «dass «die Sehlennhaut des Mundes une der Zunge in der Gerend der Zähne diese feineren Hervor- ragungen des Bindegewebes kaum zeigt und dass es darum dem Beobachter um so mehr auffällt, dass die Papille des Zahnes selbst im Gegensatz hierzu bei den untersuchten Petromyzonten diese feinen Papillen in schönster und reichliehster Ausbildung zeigt. Hierbei muss man unwillkürlich an die sogenannten Seeundär- papillen denken, welche bei den höheren Thieren sich an den grösseren Papillen der Zunge finden. Nachdem wir namentlich bei den Petromyzonten ein so in- niges Ineinandergreifen des Epithels und des Bindegewebes kennen zelernt haben, wird es von Interesse sein, aut eime Beobachtung von Schuberg die Aufmerksamkeit zu lenken. Schuberg, der die Beziehungen «des Epithels zum Bin- (degewebe (der Haut bei Amphibien, aber auch bei Ammocoe- tes studirt hat, berichtet, dass Fortsätze von Zellen der Unter- haut-Bindegewebes die Cutisschiehten durchdringen und sich an (die nach innen gerichteten Enden der Epidermiszellen ansetzen. Wir haben hier nicht nöthig, eine Nachprüfung darüber anzu- stellen, ob sich die feineren Verhältnisse des Zusammenhanges der Bindegewebsfasern mit den Epidermiszellen in der That so verhalten: für uns ist es von Interesse, dass auch bei Ammo- coetes jedenfalls ein enges Ineinandergreifen der Bindegewebs- elemente und der Epidermis nachgewiesen worden ist. Der Voll- ständigkeit halber bleibe nicht unerwähnt, das schon Leydig (12) auf einen Zusammenhang zwischen Epithel- und Bindegewebs- zellen in der Haut von Petromyzon fluv. und mar. hingewiesen hatte. Anmerkung. In Bezug auf die „Kolben“ und die „Körner- zellen“ in der Petromyzontenhaut bin ich ziemlich zu denselben Re- sultaten wie Pogojeff gelangt, namentlich was den wichtigen Punkt der Nervenversorgung der Kolben anbelangt. Die Behauptung F. E. Schulze's, dass bei Petromyzon Planeri Kolben frei in der Epi- dermis gefunden werden, halte ich durch die Erörterungen Pogo- jeff’s, der nur Fluviatilis untersucht hat, nicht für widerlegt. Die Hornzähne d. Cyelostomen n. Untersuch. an Myxine glutinosa, ete. 139 Zusammenfassender und allgemeiner Theil. Es wird nunmehr unsere Aufgabe sein, zu untersuchen, welche Anschaunngen wir bei Beendigung unserer Beobachtungen und Veberlegungen uns über einige allgemeinere Fragen werden zu bilden haben, wobei ich folgende Punkte besprechen will: I. Ueber die Zusammensetzung des Myxine- und des Petromy- zonten-Zahnes aus seinen verschiedenen Schichten und die Ableitung der Zahnbildungen aus den Keimblättern. II. Ueber die Beziehungen der Myxinoidzähne zu den Petromy- zonten-Zähnen. Ill. Ueber die vermuthliche Entwicklung der Cyelostomen-Zähne. IV. Ueber die Beziehungen der Oyelostomen-Zähne zu den wirk- lichen Zähnen der Vertebraten und zu den Plaeoidschuppen. l: Wenn wir früher ausführlich Besprochenes hier noch ein- mal kurz zusammenfassen, so handelte es sich bei den Zähnen von Myxine im Wesentlichen um folgende Schichten: Myxine. 1) Die Hornkappe; 2) das sternförmige Gewebe; 3) die Zahnfalze, die sieh in die unteren und seitlichen Epi- thellagen fortsetzen, welche den Pokalzellenkegel begrenzen; +) der Pokalzellenkegel selbst; 5) das Bindegewebe mit semen Papillen und den Knorpelplatten. Bei den Petromyzonten finden wir an mehr oder weniger ausgebildeten Zähnen : Petromyzonten. 1) Die verschiedenen Hornkappen: >) das sternförmige Gewebe in verschiedenster Ausbildung; 5) die Horngruben und die eigentlichen Epithelschiehten, wozu auch die noch in der Bildung begriffenen Hornkappen ge- hören: 4) das Bindegewebe mit seinen Papillen und eventuell hier Kuorpel. Es ergiebt sich aus den Tabellen, dass sowohl die Myxi- noidenzähne als auch die Petromyzontenzähne aus Schichten be- stehen, die dem äusseren, und aus Schichten, die dem mittleren 140 Martin Jacoby: Keimblatt angehören. Zugleich ist aber auch ohne Weiteres klar, dass das mittlere Keimblatt in seiner Betheiligung gegenüber dem äusseren sehr zurücktritt und dass die charakteristischen Bildungen und die wesentlichsten Theile der Zähne von dem äusseren geliefert werden. Nm Alle Cyelostomenzähne, die wir untersucht haben, gehören der Mundschleimhaut an. Sie bestehen sämmtlich im Wesent- liehen aus den vom Epithel gelieferten Schichten und haben Pa- pillen, welche vom mittleren Keimblatt ihren Ursprung nehmen. Dass die von Beard behauptete grössere Bedeutung und Aus- dehnung der Mesoderm-Elemente bei den Cyelostomenzähnen nicht zu Recht besteht, glaube ich völlig sicher gestellt zu haben. Wenn wir auf die einzelnen Theile der Zähne eingehen, so unterliegt die Homologie von 1 bis 3 beider Tabellen und von 5 der ersten mit 4 der zweiten wohl keinem Zweifel. Jedem Be- obachter muss aber sofort einleuchten, dass ein wesentlicher Unterschied sich durch die Existenz des Pokalzellenkegels bei den Myxinoidzähnen herausstellt. Auch Behrends ist das aufgefallen und er hält den Pokal- zellenkegel für die Anlage eines Ersatzzahnes, wie er bei den Petromyzonten sich findet. Wir wollen seine Gründe dafür dis- eutiren. Zunächst führt er einen physiologischen Grund ins Feld, der zur Folge gehabt haben soll, dass die Anlage des Petromy- zonten-Ersatzzahnes sich bei Myxine in so umgewandelter Gestalt zeigt. Er sagt: „Die Zähne der (von ihm untersuchten) Geotria haben fast sämmtlich ein Stützorgan in Gestalt eines Knorpelstäb- chens, das bei Myxine nirgends!) vorkommt.“ Des weiteren führt er aus, dass der Ersatzzahn sich bei Myxine in Gestalt des Pokalzellenkegels zu ‘einem Stützorgan umgewandelt habe. Erstens nun — und das ist von geringerer Bedeutung — weiss Ja auch Behrends, dass sieh viele Petromyzontenzähne ohne ein Knorpelstäbehen begnügen; namentlich aber haben, wie 1) Vom Autor nicht hervorgehoben. Die Hornzähne d. Cyelostomen n. Untersuch. an Myxine glutinosa, ete. 141 wir an gehöriger Stelle ausführlieh erörterten, die Zähne der Myxine eine Knorpelplatte als Grundlage, welche sich zwar nicht in die Papille hineinerstreckt, aber doch mit der starken Musku- latur zusammen, ein stattliches Stützorgan liefert. Noch einmal sei hier darauf hingewiesen, dass Behrends das Knorpelstäbchen unter dem Gaumenzahn selbst beschrieben hat und er das wohl bei seinen späteren Ausführungen übersehen hat. Einen weiteren Grund, dass man eine abgeänderte Anlage eines Ersatzzahnes in dem Pokalzellenkegel zu erblieken habe, will Behrends in der eigenthümlich bogenförmigen Stellung des Epithels am unteren Rande des Kegels erkennen. Es ist zuzu- geben, dass der äussere Habitus entfernt an die Anordnung der Elemente bei Petromyzon erinnert; aber die Erklärung hierfür liegt viel näher. Wir haben hier bei Myxine die in jeder Be- ziehung charakteristische Grenze des Epithels vor uns, die auf ebenfalls typische Art und Weise in der Mitte von der Binde- gewebspapille vorgewölbt ist, wodurch ganz bestimmte Formen der Gebilde bedingt sind. Und eben dieselben Bedingungen walten bei den Petromyzonten und liefern die gleichen Resultate. Die sich hier anschliessenden Erörterungen von Behrends halte ich für etwas «dunkel und um Missverständnissen auszu- weichen, will ich die Stelle hier wörtlich anführen: „Vergleichen wir diese Zellen (die Zellen des unter dem Pokalzellenkegel lagernden Epithels) mit denen der Horn- rinne und mit denen einer neuen Anlage eines Ersatzzahnes bei Geotria oder Petromyzon, so finden wir grosse Aehnlich- keit, sowohl was den Aufbau als was die Anordnung dieser Zellen betrifft, mit den Epithelzellen in der Pulpa von Myxine!), so dass wir die Letzteren als die Reste der für den sich entwickelnden Ersatzzahn bestimmten Hornrinne anzusehen haben.‘ Mit dem Namen Zahnpulpa belegt Behrends in seiner Arbeit in durchaus zutreffender Weise den unzweifelhaft meso- dermalen Theil der Zahnbildungen, die bindegewebige Zahn- papille. Die Zellhaufen, die sich in dieser Papille finden, als epithelartig zu bezeichnen, haben wir schon früher als verkehrt hingestellt und würde, wenn Behrends in der That hier diese 1) Vom Autor nicht hervorgehoben. 142 Martin Jacoby: Zellen meint, nur die Richtigkeit meiner Ansicht bewiesen sein, denn es ist doch ein Unding, diese unzweifelhaft mesoderma- len Bildungen mit der Hornrinne der Petromyzonten, offenbar eetodermalen (Gebilden, homologisiren zu wollen. Aber nehmen wir an, dass Behrends nur sich ungenau ausgedrückt hat und die Epithelschichten, die unter dem Pokalzellenkegel direkt fol- gen, gemeint hat, so ist auch da kein Grund vorhanden, sie für die Reste der Hornrinne des Ersatzzahnes zu halten. Denn von einer Hornrinne kann man doch eigentlich nur reden, wenn ein dazu gehöriges Horngebilde vorhanden ist oder gewesen ist. Gegen die Annahme des Ersatzzahnes, der eigentlich nur auf den ersten Bliek durch die Lagerverhältnisse und durch die Analogie der Petromyzontenzähne hier vermuthet werden kann, spricht aber die hochentwickelte und eigenartige Ausbildung der Pokalzellen und die Art ihrer Entstehung aus den angrenzenden Epithelzellen. Wie oben ausgeführt wurde, gelang es mir, in den Zellen, die an die Pokalzellen angrenzen, eine besonders lebhafte, nach dem Typus der Karyokinese sich abspielende Zelltheilung zu entdecken und die Vermuthung zu stützen, dass diese Pokalzellen nicht nur einigermassen modifieirte Epithel- zellen, sondern wesentliche und für den Myxinezahn charakteri- stische Bildungen sind. Dafür spricht nicht zum Mindesten ihr histologischer Bau, ihre Grösse und ihre Anordnung. Ich halte also die Auffassung des Pokalzellenkegels als Anlage eines Ersatzzahns für nicht erweisbar. Mehr Berechti- gung würde dazu noch die einschichtige Epithellage haben, welche den Pokalzellenkegel überzieht. Denn die Lageverhält- nisse gestatten dieselben Schlüsse und ausserdem zeigt das Proto- plasma dieser Zellen deutliche dunkle Körnchen im Gegensatz zu den Pokalzellen und zu den sternförmigen Zellen (vielleicht ein Hinweis auf Eleidinbildung ?). Aber auch diese Vermuthung hat nur geringe Wahrscheinlichkeit für sich. III, Es wird so lange eine missliche Aufgabe sein, sich über die muthmassliche ontogenetische und phylogenetische Ent- wieklung der Öyelostomenzähne auszusprechen, als wir noch über die Entwicklung der Myxinoiden gänzlich auf Vermuthungen angewiesen sind. Vielleicht ist Aussicht vorhanden, dass hier Die Hornzähne d. Cvelostomen n. Untersuch. an Mvxine olutinosa, ete. 143 . D [eo] I endlich etwas Wandel geschafft wird, da Beard (2) in einer vorläufigen Mittheilung bekannt macht, dass er sehr jugendliche Myxines zur Untersuchung erhalten hat und imteressante neue Befunde in Aussicht stellt. Was wir über die Entwicklung der Zähne von Petromyzon Planeri wissen, verdanken wir im Wesentlichen den Untersuchun- gen Känsche's. Doch auch diese spärlichen Kenntnisse ge- statten uns manche Schlüsse auf die Entwicklung . der übrigen Oyelostomenzähne, da wir von den fertigen Zahngebilden aus-. gehen und so Wahrscheinlichkeitssehlüsse auf die Entwicklung machen können. Sowohl bei Myxine als auch bei den Petromyzonten senkt sich vermuthlich das Epithel zunächst ein und bildet Taschen der Art, wie wir sie in der Haut der Cyelostomen auch sonst antreffen und wie man sie auch bei der Entwicklung der Zähne (der höheren Vertebraten vorfindet. Diese so wohl charakterisirte Stelle verdiekt sich dann und wird durch eine Papille des Bndegewebes vorgestülpt. Dann verhornen die obersten Schiehten, wie des Näheren von Kän- sche geschildert wird. Wenn bei den Petromyzonten die Ver- hornung des ersten Zahmes weit vorgeschritten ist, beginnen bereits tiefere Schichten, die durch eine Anzahl vorläufig noch unveränderter Epithellagen von dem oberen Zahn getrennt sind, zu verhormen. Einen solchen in der Verhomung begriffenen Zahn haben wir bei Petromyzon marinus beschrieben. Erst jetzt, wo schon der Ersatzzahn angelegt ist, beginnt sich das Epithel zwischen den Homkappen umzubilden. Para- digmata für dieses Stadium der Entwicklung fanden wir in den Schleimhautzähnen der Petromyzonten. Dort beobachteten wir noch ziemlich nnveränderte Epithellagen zwischen den Hornkap- pen, mit der Einschränkung, dass im den mittleren Theilen be- reits die Epithelzellen im weiteren Abstande mit Lücken zwischen sich gefunden wurden. Im fertigen Zahn wird nun das Horn nur noch in den seitlichen Epithelgruben, den Hormgruben, gebildet. Das geht einmal daraus hervor, dass wir hier constant in der Verhormung begriffene Zellen während der ganzen Lebensdauer des Zahnes finden. Weiterhin aber haben die Schichten zwischen den Hornkap- pen, nachdem sie sich wie bei den Knorpelzähnen zu dem Gewebe 144 Martin Jacoby: der sternförmigen Zellen umgebildet haben, zu sehr jede Eigen- schaft aetiven Epithels verloren, als dass von hier aus noch Neu- bildung von Horn statthaben könnte. Für Myxine ergiebt sich nach dem über die Petromyzonten (resagten Vieles von selbst. Auf eine brauchbare Entwieklungs- geschichte des Pokalzellenkegels muss man wohl bei der Lage der Dinge noch im Wesentlichen verzichten, während das Vor- kommen der Schicht der sternförmigen Zellen keine Schwierig- .keit zu machen scheint. Die mechanischen Bedingungen, die bei den Petromyzonten für die Zerrung des Gewebes wirksam sind, bestehen auch hier, nur mit dem Unterschied, dass hier anstatt einer zweiten Hornkappe anderweitig verhärtetes Epithelgewebe thätig ist. IV. Ich habe schon in der Einleitung betont, dass O. Hertwig bereits in seiner Arbeit über die Placoidschuppen der Selachier ete. die Methode vorgezeichnet hat, nach der man Homologien der Wirbelthierzähne prüfen muss und ich habe schon bemerkt, dass nach Hertwig die Haut der Cyelostomen nieht viel Aus- sicht eröffnet, in den Zähnen der Cyelostomen Bildungen zu finden, welche den Zähnen der übrigen Vertebraten homolog sind. Er weist darauf hin, dass die Haut der Cyelostomen dauernd auf einer phylogenetisch älteren Entwicklungsstufe stehen bleibt, die von ihm als ein sehr frühes embryonales Stadium von Selachierembryonen beschrieben wird. Ein Hautzahn, wie wir ihn in der Haut der Selachier finden, besteht nach den Untersuchungen Hertwig’s bekannt- lich im Wesentlichen aus einem von dem Eetoderm gelieferten Schmelzorgan und einer verknöcherten Mesodermpapille. Auch die Zähne der Cyelostomen sind keine rein ectodermalen Gebilde sondern haben eine Mesodermpapille. Soweit herrscht Ueberein- stimmung und die Verschiedenheit ist keine absolut trennende; beide Arten von Gebilden sind eben hoch entwickelte Organe der Körperdecken. Die für die Placoidsechuppen so wesentliche hohe Ausbil- dung der Mesodermpapillen, die Odontoblasten und die Ver- knöcherung der Papille fehlt bei den Cyelostomen vollkommen und ist daher eine Homologisirung der fertig entwiekelten Pla- eoidsehuppen mit den Oyelostomenzähnen zu verwerfen. Dass Die Hornzähne d. Cyelostomen n. Untersuch. an Myxine glutinosa, ete. 145 auch der Knorpelkern in der Papille der betreffenden Petromy- zontenzähne nicht in dem angedeuteten Sinne verwerthbar ist, braucht nicht weiter erörtert zu werden. Auch giebt es in der Mesodermpapille keine Zellen, die wir als „Odontoblasten‘“ ansprechen könnten. Wir finden hier weder Dentin oder überhaupt nur Ablagerung einer festen -Sub- stanz, noch sind mesodermale Zellen vorhanden, welche durch ihre Lage, Anordnung oder dergleichen an die Odontoblasten der Selachier oder der übrigen Vertebraten erinnern. Die Zell- haufen in der Papille sind hierfür nicht verwendbar. Was sich am eetodermalen Antheil der Bildungen an Ver- gleichspunkten finden lässt, beruht entweder auf allgemeinen Eigenschaften des Eetoderms, oder auf Analogien, die sieh na- türlich nicht zur Aufstellung von morphologischen Homologien verwerthen lassen. Es existirt keine dem Schmelz vergleichbare Substanz und kem Schmelzepithel in der Art, wie es die Selachier besitzen. Bei der so allgemeinen Tendenz der Eetodermzellen, zu verhornen, kann es uns nicht verwundern, dass wir an derselben Stelle, an der bei Myxine die Hornkappe sich findet, wir bei höheren Vertebraten das nach Waldeyer aus verhorn- ten Zellen bestehende Schmelzoberhäutechen beobachten. Zum Homologiesiren berechtigt das nicht, da das Schmelzober- häutehen sich nur bei in der Entwicklung vorgeschrittenen und nicht primitiven Formen findet. Ebenso verhält es sich mit der Aehnlichkeit des Gewebes der sternförmigen Zellen mit der Schmelzpulpa der höheren Wir- belthiere. Wohl besteht histologische Aehnlichkeit, gleiche Lage, gemeinsame Abstammung aus dem Eetoderm und gleiche mecha- nische Bedingungen, welche eine äusserst ähnliche Umbildung des Epithels bewirkten; aber trotz aller dieser Momente bleibt aus den oben angeführten Gründen die Aufstellung einer Homo- logie ein kühnes Unternehmen. Nicht anders liegen die Verhältnisse bei der von Beard entdeckten Schmelzkappe. Dieselbe, d. h. eine homogene Schieht mit von anssen nach innen verlaufenden Streifen, die durch die Zellgrenzen der verlängerten Zellen gebildet wer- den, ist nieht — wie Behrends es unternimmt — wegzuläug- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 10 146 MartinWJacoby: nen, und sie ist aus leicht ersichtlichen Ursachen nicht ohne In- teresse, aber damit ist auch Alles gesagt. Wirklicher Schmelz, weleher dem der übrigen Vertebraten homolog oder auch nur vergleichbar wäre, ist die Sehieht durch- aus nicht. Eine Homologie der Cyelostomenzähne mit den fertigen oder auch nur in der Entwieklung vorgeschrittenen Hautzähnen der Selachier besteht also nicht. Das blosse Vorhandensein von Papillen ohne charakteristische Ausbildung ist nieht verwerthbar, da Papillenbildung den verschiedensten Organen des Integumen- tes gemeinsam ist. Literatur. 1. Beard, Morphological Studies. Zool. Jahrb. von Spengel. 1889. Bd. III. Anatomie. 2, Derselbe, Notes on Lampreys and Hags (Myxine). Anatom. Anz. 189. 2.u.3. 3. Behrends, Untersuchungen über die Hornzähne der Myxine glutinosa. Zool. Anz. 1891. No. 358. 4. Derselbe, Ueber Hornzähne. „Nova Acta der Kaiserl. Leop.- Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher. Bd. 58, No.6, 1892. Hertwig, O. Ueber Bau und Entwicklung der Placoidschuppen und der Zähne der Selachier. Jenaische Zeitschr. Bd. VIII. 1874. 6. Känsche, Beiträge zur Kenntniss der Metamorphose des Ammo- coetes branchialis in Petromyzon. Zool. Beiträge von Anton Schneider, Bd. I, Heft 3. Kölliker, Ueber den Inhalt der Schleimsäcke der Myxinoiden und die Epidermis der Neunaugen. Würzb. naturwissensch. Zeitschr. 1860. 8. Müller, Joh., Vergleichende Anatomie der Myxinoiden. Berlin, 1855. 9. Poggojeff, Ueber die Haut des Neunauges. Arch. f. mikrosk. Anatomie. 1889. 10. Sehuberg, Ueber Zusammenhang von Epithel- und Bindegewebs- zellen. Sitzungsberichte der phys.-med. Gesellschaft in Würzburg, 1891, No. 4 u. 5, und Verhandlungen der Deutschen zool. Gesell- schaft, 1891, S. 36—41. 11. Schultze, Max, Ueber die kolbenförmigen Gebilde in der Haut von Petromyzon. Arch. für Anatomie, Physiologie und wissensch. Mediein. 1561. | | Die Hornzähne d. Cyclostomen n. Untersuch. an Myxine glutinosa, ete. 147 12. Sehulze, F. E., Ueber euticulare Bildungen und Verhornungen von Epithelzellen bei Wirbelthieren. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. V. 13. Derselbe, Ueber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. Erste Mittheilung: Ueber das Epithel der Lippen, der Mund-, der Ra- chen- und Kiemenhöhle erwachsener Larven von Pelobates fuscus. Aus den Abhandlungen der Königl. Preuss. Akad. der Wissensch. Berlin, 1888. 14. Derselbe, Ueber Drüsen- und Epithelzellen. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. III. 15. Waldeyer, Ueber Bau und Entwicklung der Zähne. Strieker’s Handbuch der Histiologie. 16. Derselbe, Untersuchungen über die Histiogenese der Hornbil- dungen, insbesondere der Haare und Federn. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI. Abkürzungen. B. = Bindegewebe. Es Hornkappe. Bs. — Bindegewebssäckcehen. Ho. = Homogene Schicht an der Blu. = Blutgefässe. Spitze d. Pokalzellenkegels. E. = einschichtige Epithellage. RK. = Knorpel. Ez. = Anlage eines Ersatzzahnes. Pa. = Papille. F,. = deutliche Streifen in der Po. = Pokalzellenkegel. homogenen Schicht. St.Z.= Gewebe der sternförmigen Fa. = Strichelung in der homo- Zellen. genen Schicht. Zf. = Zahnfalz. Mikroskop und Systeme, wo nicht anders vermerkt, Zeiss, ebenfalls Zeiss ’sches Zeichenprisma. Fig. 1. Ziemlich seitlicher Schnitt eines Zungenzahnes von Myxine glutinosa. A. 1. 160. Fig. 2. Mehr zur Mitte zu gelegener Schnitt eines Zungenzahnes von Myxine glutinosa. A. 1. 160. Fig. 3. Theil eines mittleren Zahnschnittes von Myxine glutinosa. {>} D. 1.4160: Fig. 4. Theil eines mittelsten Zahnschnittes von Myxine glutinosa. D. 3. 160. Pokalzelle von Myxine glutinosa, am Rande des Kegels aus der Gegend der Spitze. F. 1. 160. Fig. 6. Pokalzellen vonMyxine glutinosa, am seitlichen Rande des Kegels. F. 1. 160. Seitlicher Schnitt eines Schleimhautzahnes von Petromyzon fluviatilis. A. 1. 132. 3 ge [ob >) ge —1 148 W. vw: Nathusius: Fig. 8. Mittlerer Schnitt eines Schleimhautzahnes von Petromyzon fluviatilis. A. 1. 152. Fig. 9. Mittlerer Schnitt eines Schleimhautzahnes von Petromyzon fluviatilis. D. 1. 152. Fig. 10. Epithel- und Bindegewebsgrenze von einer Zalmpapille von Petromyzon fluviatilis. Koristka, Apochromatische Im- mersion 2 mm, Apert. 1,30. Zeiss Comp- ©. 4. Fig. 11. Schnitt eines Zahnes mit basalem Knorpelkern von Petro- myzon fluviatilis. A. 1. 160. Fig. 12. Theil eines seitlichen Schnittes eines Zahnes mit basalem Knorpelkern von Petromyzon marinus. A. 3. 160. Fig. 13. Endigung des Hornes in der Horngrube von Petromyzon marinus. D. 1. 160. Die Fibrillen der Hornzellen der Haare und die Beziehungen der Pigmentkörperchen zu denselben. Von W.v. Nathusins, Halle. Hierzu Tafel VI]. Ueber die fibrilläre Struktur der Hornzellen der Haare machte ieh eine kurze Mittheilung in N. 404 v. 1892 des Zool. Anz., welche ieh jetzt ergänzen kann, nachdem es gelungen ist, durch Erwärmung unter Druck die für den Erfolg erforderliche Einwirkung des Ammoniaks abzukürzen und damit bei einer grösseren Zahl verschiedener Haare und auch bei Federn die Resultate zu vergleichen. Die auf mein Ersuchen durch Dr. Morgen und Dr. Gerlach in der hiesigen Versuchsstation des landwirthschaftlichen Centralvereins mit versehiedenen Woll- proben und andern Haaren angestellten Versuche ergaben, dass schon dureh 2stündige Digestion in eimem Druckfläschehen mit 10°/,iger Ammoniaklösung bei 87°C., oder auch Anwendung von 5°/,iger Lösung bei 96—98° während desselben Zeitraums be- Die Fibrillen d. Hornzell. d. Haare u. d. Bezieh. d. Pigmentkörp. z. dens. 149 friedigende Resultate erzielt wurden. Wird stärkere Erwärmung, also stärkerer Druck angewendet — wobei Vorsichtsmassregeln ge- gen Explosionen räthlich sind — so tritt leicht eine Zerstörung der Fibrillen ein. Ich habe dann auch recht brauchbare Resultate erhalten, indem ich die Haare in einem gewöhnlichen Fläschehen mit eingeriebenem Stöpsel mit 10°/,iger Ammoniaklösung wäh- reng Zmal 24 Stunden in die mässig warme Röhre eines Stuben- kachelofens stellte, wobei ich die Wärme auf 30—40°C. schätzte. Bei letzterem Verfahrem lässt sich bei einiger Uebung der Grad der Einwirkung bemessen. Wird die Einwirkung so weit ge- trieben, dass die Haare beim Schütteln zerfallen, so lassen sich bei leichtem Zerzupfen sehöne Hornzellen massenhaft isolirt dar- stellen. Bei der Einfachheit dieses Verfahrens und der kurzen Zeit, welche es in Anspruch nimmt, dürfte es sich auch für Demonstrationen empfehlen. Bei weiter gehender mechanischer Zertheilung lassen sieh dann auch die Fibrillen erkennen, und theilweis isoliren. Es kann hierfür zweekmässiger sein, die Digestion etwas früher zu unterbrechen, dagegen sorgfältiger zu zerkleinern, da mit dem fortschreitenden Zerfall die Fibrillen zarter und wundeutlicher werden. Leider steht es so, dass mit der Erweichung und Auf- lösung der die Fibrillen verbindenden Zwischensubstanz durch das Ammoniak auch schon ein gewisser Angriff auf die Fi- brillen statt findet, und es ist mir nicht gelungen, Zeitdauer und Temperaturgrad, welche das günstigste Resultat ergeben, so ge- nau festzustellen, dass ich hierfür eine konstante Regel zu geben wage: die verschiedenen Haare dürften sich auch hierin nicht ganz gleichmässig verhalten. Meistens wird man in den Präpa- raten bei zweckmässiger Zerkleinerung die verschiedensten Stadien der Desaggregation erhalten, und durch Absuchen der Präparate auffinden können. Für diese Zerkleinerung finde ich aber die gewöhnliche Methode des Zerzupfens ungenügend. Die isolirte Hormzelle ist ein zu kleines Objekt, um auch feinen Nadeln passende Angriffs- punkte zu gewähren. Am zweckmässigsten fand ich, nachdem durch Zerzupfen isolirte Zellen reichlich vorhanden sind, ein star- kes Zerdrücken mit der Fläche einer Federmesserklinge. Eine reibende Aktion wird man dabei möglichst zu vermeidern haben. da hierdurch in Klümpehen zusammengeballter Detritus entsteht 150 W. v. Nathusius: Eskommt darauf an,in den Präparaten eine so grosse Anzahl theilweis oder vollständig in Fibrillen aufgelösten Hornzellen zu erhalten, dass man nieht mühsam nach denselben zu suchen braucht. Dieses wird aber durch em sehr lange fortgesetztes Zerkleinerungs- verfahren, besonders dann, wenn dasAmmoniak stark eingegriffen hat, nur unvollkommen erreicht, denn dann bildet sich vorwie- gend der schon erwähnte klumpige Detritus. Recht gute Resultate habe ich nach längerem Hin- und Herprobiren dadurch erreicht, dass ich reichliehe Portionen des Materials nach vorläufigem Zerzupfen in ziemlich viel Wasser mit der Federmesserklinge oder einem sonstigen geeigneten In- strument, z. B. einem Platinspatel, bearbeitete und dann von der Oberfläche der trüben Flüssigkeit vorsichtig Tröpfehen entnahm, welehe zur weiteren Behandlung auf den Objektträger gebracht wurden. So werden vorwiegend die feineren und feinsten Theil- chen gewonnen, und die gröberen bleiben zurück. Noch bessere Resultate erhielt ich in einzelnen Fällen, wo ich Material zur Disposition hatte, das nach dem Mazeriren in Wärme noch mehrere Monate der Einwirkung des Ammoniaks in ge- wöhnlicher Temperatur ausgesetzt war, bis die Hornsubstanz nur noch Flocken zeigte. Dann genügte heftiges anhaltendes Sehütteln, um vollständig in Fibrillen zerfallene Hornzellen im genügender Menge zu erhalten. Zunächst hatte ich mir die Auf- sabe gestellt, die Dieke der Fibrillen bei verschie- denartigen Wollen und auch anderen Haaren fest- zustellen. Abgesehen von bekannten Schwierigkeiten der Messung so feiner Objekte traten solehe besonders durch die geringe Re- fraktion der in Wasser aufgequollenen zarten Fibrillen hervor. Durch einen glücklichen Zufall wurde ich darauf geführt, «dass die Messungen sich mit grösserer Sicherheit ausführen lassen, wenn das Präparat unter dem Deckglas eingetrocknet ist. Um hierdurch gute Resultate zu erlangen, muss aber vor der feineren Zerkleinerung sorgfältig ausgewaschen werden. Der grösste Theil des Präparats besteht aus mehr oder weniger beschädigten Hornzellen und Detritus, aber es finden sich, wenn die Zerkleine- rung genügend war, solche Mengen von Fragmenten isolirter Fi- brillen, dass es an Objekten zur Messung nicht fehlt. Es bedarf einer gewissen Vorsicht, um nicht zufällige Verunreinigungen des Präparats mit wirklichen Hormfibrillen zu verwechseln. Am sichersten lernt man die Bilder der Letzteren zu unterscheiden, Die Fibrillen d. Hornzell. d. Haare u. d. Bezieh. d. Pigmentkörp. z. dens. 151 wenn man sich an solche Fibrillen hält, welche mit der Horn- zelle, aus welcher sie theilweis gelöst sind, noch in Zusammen- hang stehen. In Fig. 1 sind solche Fibrillen und Gruppen derselben abgebildet. Letztere dürften zugleich zeigen, dass Anastomosen und Verzweigungen der Fibrillen vorkommen. Die Umrisse der trockenen Fibrillen sind so scharf und bestimmt, dass die Messung besondere Schwierigkeiten nicht hat. Ich habe sie mit dem Okularmikrometer und einem Zeiss- schen-Apochromat von 0,25 mm theoretischer Brennweite zu Wasserimmersion, dessen Vergrösserung bei 23,8 Projektion (16mm Tubuslänge und Oe. 9) ich auf 871 bestimmt hatte, vorgenom- men. Die Einheit des Mikrometers entspricht dabei 1,32 u. Untersucht sind folgende Proben: 1. Sogenannte „ganz edle“ Sächsische Merino- wolle. Die Probe ist vor langen Jahren durch einen an- erkannten Sachverständigen als typisch ausgesucht. Haar- durehmesser durchsehnittlich 17—18 u. 2.Schwarzbraunes Marschschaf. Probe durch Pro- fessor Freytag a. d. Thierpark-Halle. Durchschnittlicher Durchmesser 30,5 u. 3. Cotswold 4 (englische Langwollige Rasse) Durchmesser durchschnittlich 42 u. | 4. Pferde-Schweifhaar. Clydesdale 2 Mary Queen of scots d. Thierparks Halle. Durchschn. Durchmesser ca. 200 u. Raben-Kakadu. Schwungfeder. Schabsel der Hornschicht des Schafts und Theile der Strahlen der Fahne. In allen diesen Proben schwanken die Durchmesser der ein- zelnen isolirten trocknen Fasern erheblich, im Allgemeinen zwi- schen ?/, und !/,; u. Der Unterschied gegen meine früheren An- gaben begründet sich schon darin, dass jene sich auf in Wasser gequollene Fibrillen bezogen. Bei der Kakadu-Feder kommt eine Messung oder Schätzung auf nur 0,25 u vor. In den mei- sten Proben erreichen einzelne Objekte 1 u, aber die Verschie- denheiten stehen in keinem bestimmten Verhältniss zu der Stärke oder Schwäche der Haare. In den starken Pferdeschweit- haaren ist die diekste der gemessenen Fibrillen 0,75u, in der zarten sächsischen Merinowolle lu. Ebenso in der Cotswold-Probe, dagegen beim Marschschaf nur 0,3 u. Offenbar handelt es sich N 152 W.eNathmuisıius: bei diesen Verschiedenheiten nur um Zufälligkeiten, und ich darf wohl das Resultat dahin aussprechen, dass zwischen den ver- schiedenen Haaren und wohl auch bei der Feder, namentlich auch zwischen Schafwollen von sehr verschie- denen Feinheit kein Unterschied in der Dieke der Fibrillen nachweisbar ist. In den Thiel’schen landwirthschaftl. Jahrbüchern Bd. XXII habe ich kürzlich eine Arbeit über die Strukturver- hältnisse von Wollhaaren veröffentlicht, welche vorwiegend technische Gesichtspunkte behandelte. Darin war, von andern Strukturverhältnissen ausgehend, als Vermuthung ausgesprochen dass die Dieke der Fibrillen für die verschiedenen Wollen ceha- rakteristisch verschieden sein könnte. Das: vorstehend Mitge- theilte hat diese Vermuthung als unbegründet erwiesen), aber es sind bei den jetzigen Untersuchungen noch Gesichtspunkte in den Vordergrund getreten, welche ein allgemeineres histologi- ches Interesse beanspruchen dürften. In jener Arbeit glaube ich nachgewiesen zu haben, dass die sogenannnten Pigmentkörnehen der farbigen Haare ein Strukturverhältniss darstellen, welches auch in farblosen Haaren vorhanden ist. Von farblosen menschlischen Kopfhaaren hat schon Kölliker kleine Einsehlüsse als „Lufträume“ betrachtet. In farbigen Pferdehaaren lassen sich die sogenannten Pigment- körnehen auf feinen Quersehnitten bestimmt als schwächer licht- brechende Körperchen nachweisen. Behandelt man farblose Haare mit kochender wässeriger Lösung von Methylgrün, so erscheinen innerhalb des schwächer diffus gefärbten Horms kleine intensiv und zwar vorzugsweise an ihren äusseren Schichten gefärbte Körperchen, welche in ihrer Anordnung und ihren Dimensionen einerseits genau den scheinbaren Hohlräumchen der farblosen Haare, andrerseits den sogenannten Pigmentkörnchen des von Natur gefärbten Haars entsprechen. Danach gelange ich zu dem Schluss 1) Die zootechnische Wichtigkeit dieser Frage liegt darin, dass die ältere Wollkunde sich um phantastische Vermuthungen über sub- stantielle Verschiedenheiten der sogenannten „edelen“ Wollen drehte. Schon vor beinahe 30 Jahren hatte ich nachgewiesen, dass es sich da- bei nur um Formunterschiede handele, nachdem aber das neue Moment der fibrillären Struktur der Hornzellen hervorgetreten, kam es darauf an, zu prüfen, ob hierin Strukturunterschiede bestehen. Die Fibrillen d. Hornzell. d. Haare u. d. Bezieh. d. Pigmentkörp. z. dens. 155 dass in allen drei Fällen dasselbe Strukturverhältniss der Horn- zelle zur Geltung kommt. Wesentlich wird dieses auch dadurch bestätigt, dass in den durch Ammoniakdigestion isolirten Hornzel- len und Fibrillen farbiger Schafwollen, in denen durch das Am- moniak die Pigmentkörperchen an Intensivität der Farbe verloren haben, wenn die Färbung mit Anilinroth eine mässige geblieben ist, die Pigmentkörperehen, ganz wie bei der Methylfärbung der intakten farblosen Haare, eine intensive Färbung annehmen. Auf diese Präparate komme ich noch zurück. Jedem der farbige Haare sorgfältig beobachtet hat, wird entgegengetreten sein, dass die Pigmentkörper in Reihen, welche mit der Längs-Achse der Hornzellen korrespondiren, angeordnet sind. Schon hieraus ergiebt sich, dass sie in gewissen Beziehun- gen zu den Hornfibrillen stehen; der Nachweis, dass sie wirklich in den Fibrillen liegen, schien mir aber von solchen Interesse, dass ich versucht habe, ihn bestimmter zu führen. Wird die Digestion mit Ammoniak so weit geführt, dass nur floekige Rückstände bleiben, und Fibrillen auch unter dem Mikroskop nicht mehr zu erkennen sind, so zeigen sieh bei ge- nügend starker Vergrösserung noch grosse Mengen dureh die Einwirkung des Ammoniaks zwar etwas abgeblasster Pigment- körperehen, welehe grossen Theils noch in Reihen oder Schnüren angeordnet sind und bei den schwarzen Pferdeschweifhaaren, mit welchen ieh zuerst operirte, etwa 0,6—0,4 u Durchmesser haben. Sind die Haare nur soweit destruirt, dass der- grösste Theil der Hornzellen noch, wenn auch vielfach lädirt, erhalten ist, so zeigen die in der früher angegebenen Weise zerzupften und zerriebenen Präparate bei der Beobachtung in Wasser eine gewisse Anzahl von Fibrillen, welche als solche noch erkennbar sind, und Reihen von Pigmentkörperchen enthalten (vgl. Fig. 2 u. 3). Es bedarf eines sorgfältigen Absuchens der Präparate, um eine befriedigende Anzahl zur Abbildung geeigneter Objekte zu finden. Unter den isolirten Fibrillen enthält der grössere Theil keine Pigmentkörperehen. Dieses wird durch Fig. 4 ver- ständlich. Sie stellt eine vollständig isolirte und so weit de- struirte Hornzelle, dass ihr fibrillärer Charakter hervortritt, bei schwächerer Vergrösserung mit den in ihr enthaltenen Pigment- körperchen dar. Man sieht — und das wird auch durch feine Querschnitte 154 WEzeNAtchmisauNs.: farbiger Pferdehaare bestätigt —, dass die Pigmentkörper- chen nur im Innern, um die Längsachse gruppirt liegen, und die peripherischen Schichten solche nicht enthalten. Da bei der Zerkleinerung Fibrillenfragmente vorwiegend von den äussern Theilen der Hornzellen gewonnen werden, erklärt sich die Seltenheit der pigmentirten Fibrillen. Dass die aufgequollenen Fibrillen bei der Beobachtung in Wasser nur sehr zarte Bilder geben, ist schon erwähnt. So sind scharfe Umrisse an denselben nicht zu erkennen. Dies macht die Beobachtung dessen, dass die Pigmentkörper in den Fibrillen selbst liegen, zu keiner so präzisen als erwünscht wäre. Indess ist ein Zweifel doch wohl ausgeschlossen, da häufig mit Bestimmt- heit auftritt, dass ein durch seine Refraktion sich kennzeichnen- der Faden oder Faser die Pigmentkörperchen verbindet. Auf den Zeiehnungen liess sich dieses Verhältniss nicht wohl anders, als durch einen mögliehst zarten Umriss darstellen. Wie schon erwähnt, zeigen eingetroeknete Präparate Fasern mit scharfem Umriss, dann ist aber ihre Refraktion so stark, dass sich in ihnen befindliche Pigmentkörperehen nicht erkennen lassen. Hiermit waren meine Untersuchungen zu einem gewissen Abschluss gelangt, als ieh von der später eingehender zu erwäh- nenden Kromayer'schen Arbeit über Protoplasmafaserung der Epithelzellen!) Kenntniss erhielt und auf die Färbungsversuche zurückkam. Methylgrün hatte, . wie früher berichtet, nicht we- sentlich gefördert. Als ich nun eine alkoholische Lösung von Fuchsin auf ein noch vorhandenes eingetrocknetes Präparat von der Wolle des schwarzbraunen Marsehschafes anwendete, erhielt ich ein sehr schönes Resultat. Lebhaft wurde die Färbung nur bei diekeren Massen und den intakten Zellen; aber auch isolirte Fibrillen liessen sich bei der Beobachtung in Wasser in matt- röthlicher Färbung erkennen, und gerade diese matte Färbung liess die wie schon früher erwähnt intensiv roth gefärbten Pig- mentkörperchen deutlich hervortreten. Fig. 5 stellt dieses Re- sultat dar, das wohl die Beziehungen zwischen den Fibrillen und den Pigmentkörperchen genügend feststellt. Ein ganz ähn- liches Resultat ist aus einem mit Methylviolett gefärbten Prä- parat in Fig. 6 dargestellt. 1) Arch, f. mikrosk, Anat. Bd. 39, H. 1, S. 141-150 m. T. VI. Die Fihrillen d. Hornzell. d. Haare u. d. Bezieh. d. Pigmentkörp. z. dens. 155 Kromayer’s Verfahren bei der Färbung mit Methylviolett ist dem Zweck entsprechend, die Fibrillen in feinen Schnitten der Epidermis zur Anschauung zu bringen, ein sehr komplizirtes. Für mich handelte es sich nur darum, die schon isolirten Fibril- len, so zu färben, dass sie sich schärfer und auch in Medien be- obachten lassen, welche Dauerpräparate geben, und ich konnte die Färbung erst nach Isolirung der Fibrillen anwenden, da durch dieselbe das Material so erhärtet oder so spröde wird, dass die Zerkleinerung die gewünschten Resultate nicht ergab. Wie schon erwähnt, kam es für mich darauf an, vorwiegend die feinsten Theilchen in den Präparaten zu erhalten. Ich fürchtete, dass dieses bei einem so komplizirten Verfahren kaum gelingen würde, und jedenfalls erhielt ich schon durch den einfachen Zu- satz einiger Tropfen einer mässig konzentrirten wässerigen Lö- sung von Methylviolett 5B zu den in Wasser zerklemerten Prä- paraten so befriedigende Resultate, dass ich für den der Kro- mayer’schen Arbeit entnommenen Hinweis auf dieses Färbemittel sehr dankbar bin. Die Färbung tritt augenblicklich ein, und wenn der Zusatz allmählich und mit kleinen Mengen geschieht, so wird das Färbemittel so weit absorbirt, dass die Flüssigkeit farb- los erscheint. Indem man den Effekt unter dem Mikroskop kon- trohrt, lässt sich eine intensive Färbung erreichen, ohne dass ein Auswaschen erforderlich ist. Eine gewisse Schwierigkeit liegt in der Herstellung von Dauerpräparaten. Kanadabalsam und Glyeerin entfärben, aber mit dem Zusatz von Chlorcaleiumlösung zu dem vorläufig ohne Deckglas fast eingetrockneten Präparat habe ich befriedigende Resultate erreicht, indem keine Wiederauflösung des Farbstoffs eintritt. Bei den seit 3 Monaten in Chlorcaleium eingeschlosse- nen Präparaten ist die Violettfärbung noch vollständig erhalten. Die Fig. 7, 8 und 9 stellen charakteristische Objekte aus sol- ehen Präparaten dar: die erstere in derselben starken Vergrösse- rung als die meisten der anderen Abbildungen, die letzteren bei nur 50%/,, da diese schwächere Vergrösserung zur Wiedergabe des Gesammt-Eindrucks genügt, und es doch nieht wohl möglich sein würde, bei Fig. 8e und d jede einzelne Fibrille naturge- treu wiederzugeben. Ein Uebelstand bleibt bei diesen Chlorcaleium-Präparaten. In manehen derselben scheidet die Flüssigkeit nach einiger Zeit 156 WE Nat hiıstars:: violette Krystallnadeln aus, welche sich häufig sternförmig grup- piren. In einem 14 Tage alten Präparat finde ich einzelne an beiden Enden lanzettförmig zugespitzte bis 135 u Länge und 6u Breite: auch abgestumpfte Nadeln von 62u Länge und 2,5u Breite. Da diese Präparate, wie früher gesagt, nach dem Zusatz von Methylviolett nicht ausgewaschen wurden, liegt es wohl so, dass in der Flüssigkeit noch vorhandener Farbstoff durch das Chlorealeium krystallinisch ausgeschieden ist. In anderen, schon einige Monate alten Präparaten finden sich diese Krystalle nicht. Vielleieht ist ihre Bildung durch vorsichtigeren Zusatz des Me- thylviolett zu vermeiden; ich möchte aber dem die Intensivität der Färbung nieht opfern, denn diese Krystalle sind leicht von den Fibrillen und Hornzellen zu unterscheiden, und Fremdkörper in diesen Präparaten zu finden, darauf muss man immer gefasst sein. Bezüglich Fig. 9 muss ich noch auf einen Nebenpunkt ein- gehen. Meine älteren Untersuchungen hatten das für die Zoo- technik wichtige Resultat ergeben, dass bei den verschiedenen Schafwollen, aber auch bei anderen Thierhaaren keine charakte- rıstischen Unterschiede in den Dimensionen der Hornzellen nach- weisbar waren. Die enorme Grösse der Hornzellen in den Seiten- strahlen der Kakadufeder war darmach so überraschend, dass ich Anfangs einen Irrthum oder Messungsfehler vermuthete; wiederholte Kontrolen haben aber ergeben, dass wirklich, wie dies bei Fig. 9a und b der Fall ist, bei den isolirten Hornzellen der Federstrahlen die Längen ungefähr zwischen 0,18 und 0,16 mm liegen, während sie bei den in Fig. Saa abgebildeten Hornzellen grober Schafwolle nur 0,058—0,054 mm erreichen. Dagegen scheinen die Hornzellen der Federstrahlen verhältnissmässig stärker abgeplattet. Die Frage, ob dieses für alle Federn und auch für den Schaft gilt, muss ich hier offen lassen. Die Beziehungen des von mir Gefundenen zu früheren, hier einschlagenden Untersuchungen sind nun in Betracht zu ziehen. Erst im Lauf dieser Untersuchungen ist mir entgegengetreten, dass schon Schwann in dem bekannten bahnbrechenden Werk !) Heft 1, Taf. II, Fig. 13 Abbildungen giebt und im Text S. 97 erläutert, nach welchen ich annehmen muss, dass ihm die fibril- 1) Mikroskopische Untersuchungen ete. Berlin, 1838. Die Fibrillen d. Hornzell. d. Haare u. d. Bezieh. d. Pigmentkörp. z. dens. 157 läre Struktur der Hormzellen der Feder wohl bekannt war. Dann hat Waldeyer an mehreren Orten, am ausführlichsten in den als Festschrift für Henle erschienenen Beiträgen zur Anatomie und Embryologie (Bonn, Cohen & Sohn, 1882) in seiner Arbeit: Untersuchungen über die Histogenese der Horngebilde, aber auch in seinem Atlas der menschlichen und thierischen Haare (Lahr 1884) des Zerfalls der Hornzellen des Haares und der Feder in ganz feine Fibrillen gedacht, und dabei die Angaben Ranvier’s!) über den fibrillären Bau der Epidermiszellen er- wähnt. In jener Festschrift geht Waldeyer auch auf die Ge- nesis der Marksubstanz ein und zitirt dabei das Schwann sche Werk. Die oben erwähnte Sehwann’sche Abbildung wird er also nicht übersehen haben, scheint aber die dort abgebildeten Fibrillen für etwas anderes, als die von ihm beschriebenen zu halten. Einzelmnheiten der Schwann’schen Abbildung und einige Ausdrücke in dem sehr knapp gefassten Schwann’'schen Text können allerdings Zweifel erregen, und schliesslich hat die Frage, ob Schwann schon die wirklichen Hornfibrillen bekannt gewesen seien, nur ein historisches Interesse. Eine gewisse Differenz von dem durch mich Beobachteten muss ich darin sehen, dass Waldeyer einen Zusammenhang der Hornzellen durch die Fibrillen, oder einen Uebergang der Fibrillen aus einer Zelle in die andere an- nimmt, und Fibrillen gefunden hat, welche viel länger waren, als die einzelnen Hornzellen. Schon früher ?) erwähnte ich, dass in den untersuchten Schafhaaren nichts Aehnliches zu finden war. Ebenso wenig ist dies in den jetzt bearbeiteten Pferde- haaren und Federn der Fall. Halbzerstörte Hornzellen zeigen Ausfaserungen, aber, wie meine Fig. 5u.9 ergiebt, bieten sie, un- beschädigt aus ihrem Zusammenhange gelöst, Bilder, welche mir mit einem solchen Verhältniss unvereinbar scheinen. Kromayer’s schon erwähnte Arbeit in Bd. 39 des Arch. f. mikrosk. Anat. giebt schöne Abbildungen von den mit Methyl- violett und Jod-Jodkalium gefärbten und theilweis wieder ent- färbten feinen Schnitten der Epidermis. Dass diese so darge- stellten Faserzüge den Eindruck eines Ueberganges aus einer in die andere Zelle machen, ist nicht zu verkennen. Kromayer 1) Compt. rend. T. 45, p. 1374. 2) Zool. Anz. No. 404, 1892. 158 W. vw. Nathusıus: führt, wieauch Waldeyer dieses Verhältniss auf den Zusammen- hang zurück, welcher schon in der sogenannten Stachelschicht zwischen den Hornzellen besteht. Ich wage zur Erklärung dieser Differenz nur die Bemerkung, dass mir bei meinen älteren Unter- suchungen von Haaren eine Stachelschicht nicht entgegengetre- ten ist. Dieses kann ein Uebersehen sein, aber mir sind auch anderweitig bestimmte Darstellungen von Stachelzellen aus Haaren nicht erimnerlich. Auffallend tritt mir m der Kromayer schen Arbeit noch Folgendes entgegen. Seine Schnitte zeigen die Fasern nur in den unteren oder inneren Schichten. In der äusseren Schicht soll ein Zerfall der Fasern eintreten, und die Produkte dieses Zerfalls das sogenannte Eleidin sem. In der That zeigen die Abbildun- gen bier einen Uebergang der Faserung in eine unregelmässige Punktirung oder Fleekung. Die zu äusserst liegende Hormschieht der Epidermis ist gleichmässig violett getärbt, zeigt also keine Fasern. Waldeyer und ich haben die Fasern aus verhornten Zellen dargestellt. Die Möglichkeit, dass durch Mazeration in Ammoniak auch aus der verhornten Epidermis Fasern darstellbar sein könnten, ist nieht zu leugnen, aber bis auf Weiteres sind die isolirten Fibrillen der Hornsehicht mit den durch Kromayer in den noch nieht verhornten Schichten zur Anschauung gebrachten nicht kurzweg zu identifiziren, ‚so wahrscheinlich es auch sein mag, dass genetische Beziehungen zwischen ihnen bestehen. Es kann nicht gut unterbleiben, hier auf fibrilläre Strukturen im Allgemeinen einzugehen. Kromayer gebraucht schon in der Ueberschrift den Ausdruck Protoplasma-Faserung und ich dlarf vielleicht annehmen, dass auch Waldeyer dazu neigt, in diesen Fibrillen den Ausdruck einer protoplasmatischen Struk- tur zu sehen. Es ist ein eigenes Ding, wenn jetzt, nachdem doch evident ist, dass die Protoplasmahypothese von Max Sehultze nieht mehr haltbar ist, dieser Ausdruck noch so viel gebraucht wird. Protoplasma sollte ein strukturloses Wesen sein, welches, die wunderbare Eigenschaft, zugleich fest und flüs- sig zu sein, besitzend, als Stoff die Eigenschaften des Lebens haben sollte. Die Strukturlosigkeit ist jetzt wohl allgemein aufgegeben, und die Physik und Mechanik hat keineVeranlassung gefunden, sich mit der Statik eines|Phantasiegebildes zu beschäftigen, das die widerspreehenden Eigenschaften der Festheit und der Flüssig- Die Fibrillen d. Hornzell. d. Haare u. d. Bezieh, d. Pigmentkörp. z. dens. 159 keit vereinigen sollte. Der jetzt vorherrschenden Annahme, dass die Struktur des sogenannten Protoplasma eine fibrilläre sei, ist Bütschli bekanntlich neuerdings entgegengetreten, aber die von ihm vermuthete „schaumartige‘‘ wäre immerhin eine Struk- tur. Wäre es berechtigt, die Gewebe, um welche es sich hier handelt, mit dem der Epidermiszellen dem generellen Begriff des Protoplasmas zu unterstellen, so wäre sowohl durch Kromayer's Färbungs-Präparate, als durch Waldeyer's und meime Isolirung der Hormfibrillen der Beweis geliefert, dass Bütschli zu Unrecht die Bilder von Fibrillen für eine optische Täuschung erklärt hat, denn von einer solchen kann hier nicht die Rede sem. Ich möchte nicht so weit gehen, dieses dagegen geltend zu machen, dass die von Bütschli vermuthete Struktur in andern Geweben vorhanden sein könnte. Ich halte es überhaupt für unberechtigt, ganze Reihen noch wenig bekannter Gewebe in eine Kategorie zusammenzuwerfen; noch dazu unter einer so bedenklichen und jetzt jedenfalls so unbereehtigten Bezeichnung als „Protoplasma* ist. Die Fälle, im welchen Fibrillen als Bestandtheile von Ge- weben, sei es wie hier im Zelleninhalt, sei es in Zellmembranen, oder auch extrazellulär nachgewiesen sind, haben sieh so ver- mehrt, dass der Gedanke auftreten könnte, die Fibrille als einen sogenannten „Elementar-Organismus“ zu betrachten. Ich würde diesen Gedanken nicht folgen können. Langgestreckte feine Cylinder können einem für sie alle passenden mathematischen 3egriff unterstellt werden, der sich beschreibend anwenden lässt ; aber für ihre histologische, oder tiefere morphologische Bedeutung ist diese Formähnlichkeit nicht entscheidend. Da die verschiedenen Fi- brillen so verschiedene physiologische Funktionen verrichten, ist eine verschiedenartige Beschaffenheit derselben vorauszusetzen, aber die Untersuchung der feineren Struktur so zarter Objekte allerdings keine leichte Aufgabe. In den gröberen Fasern der Schalenhaut der Reptilien-Eier habe ich schon früher einen von der Hülle diffe- renten Inhalt, in den feineren wenigstens einen beim Einlegen in Balsam sich darstellenden Luftkanal nachgewiesen !), neuerdings auch in der Faser der Membrana testae des Hühner-Eis nach Behandlung mit Gold-Chlorid?). So hatte die bestimmte Hindeu- 1) Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. XXI und XXXVII. 2) Das Ban az 160 W. vw. Nathusıus: tung auf Struktur in den feinen Fibrillen der Hornzelle, welche doch darin liegt, dass die Pigmentkörperchen in ihnen enthalten sind, ein besonderes Interesse. Dabei ist allerdings das wichtig, dass diese Pigmentkörperchen sich in den Haaren als ein wirk- liches Strukturverhältniss, das auch in farblosen Haaren vorhan- den sein kann, und dann durch künstliche Färbung zur An- schauung zu bringen ist, und nicht als blosse körmnige Ablage- rungen von Farbstoff ergeben haben. Allerdings widerspricht Letzteres einer, wie ich fürchte, in der Zootomie weit verbreiteten Auffassung, welche, wo Färbun- gen in Organismen auftreten, den Ursprung des „Farbstoffs“ in andern Organen, in welchen er entstanden sein soll, sucht. Dieses liegt wohl an der unglücklichen Methode, die Dinge „erklären“ zu wollen. Wie und warum durch die Vorgänge des Lebens Theile des Organismus eine Beschaffenheit annehmen, durch welche sie so auf das Licht wirken, dass sie unserm Auge als farbig erscheinen, wird freilich dadurch um Nichts klarer, dass (diese Vorgänge vermuthungsweise in andre Organe verlegt wer- den, aber es klingt doch wie eine „Erklärung“. Namentlich bei der Färbung der Vogel-Eischale hat diese Erklärerei, wie überhaupt bei der ganzen Genesis derselben, eine Rolle gespielt, obgleich die thatsächlichen Verhältnisse ihre Unzulässigkeit zeigen. Was die dunkel gefärbten Haare betrifft, so habe ich bei noch im Wachsthum begriffenen schwarzbraunen Schathaaren schon vor längerer Zeit beobachten können, dass die Färbung erst mit dem Prozess der Verhornung eintritt, indem das Keimlager der Hornzellen, d. h. der sogenannte Bulbus, noch kein Pigment besitzt. Dass dieses für jeden Verhornungsprocess gelte, wird hiermit nieht behauptet. Beim Fohlenhuf habe ich im Gegensatz damit gefunden, dass das Keimlager des Horns ziem- lich stark pigmentirt war, und diese Färbung beim fertigen Horn zurücktrat; aber auch hier ist die Cutis, aus welcher doch das Pigment in die Hornschicht gelangen musste, wenn es nicht erst in letzterer sich entwickelte, pigmentlos. Die Fibrillen d. Hornzell. d. Haare u. d. Bezieh. d. Pigmentkörp. z. dens. 161 "no Rie. 2. Fig. 3. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII. Wolle eines schwarzbraunen Marschschafes (Haar- durchmesser durchschnittlich 30,3 u). Vereinzelte Fibrillen der Hornzellen und Gruppen von solchen. Nach einem Trocken- präparat mit Zeiss Apochrom. 0,25 mm Brennweite, Wasser- immersion u. Oc. 8. Zeichnung bei 19%/,. Raben-Kakadu. Theils in Fibrillen aufgelöste Hornzelle und einzelne Fibrillen mit Pigmentkörperchen in denselben aus feinen Schabseln des dunkeln Schafts. In Wasser beob- achtet, sonst wie Fig. 1 und bei 19%), gezeichnet. Schwarzes Pferde-Schweifhaar. Isolirte Fibrillen, theils mit Pigmentkörperchen in derselben Weise beobachtet und gezeichnet wie Fig. 2. Schwarzes Pferde-Schweifhaar. Stark desaggregirte Hornzelle mit Pigmentkörperchen in Wasser beobachtet. %#/,. Wolle eines schwarzbraunen Marschschafes. Isolirte Fibrillen und Spitzen von Hornzellen, mit Fuchsin in Alkohol gefärbt, mit Wasser ausgewaschen und darin beobachtet mit Zeiss Apochrom. 2,5 mın Brennweite und Wasserimmersion, ge- zeichnet bei 1%0/,. In den schwach gefärbten Fibrillen sind die stark gefärbten Pigmentkörperchen, welche durch die längere Digestion in Ammoniak ziemlich entfärbt waren, zu erkennen. Ein Körper- chen ist durch Abreissen der Fibrille fast herausgefallen. Schwarzes Pferde-Schweifhaar. Aus Detritus hervor- stehende isolirte Fibrille, mit Methylviolett 5B theilweis so schwach gefärbt, dass zwei in derselben liegende Pigment- körperchen stark gefärbt hervortreten. In Chlorcaleium, sonst wie Fig. 5 beobachtet und gezeichnet. Sogenannte „ganz edle* sächsische Merinowolle (Durchmesser der Haare durchschnittlich 17—18 u). Fragmente von nach Digestion mit Ammoniak zerrissenen und zerquetsch- ten Hornzellen, mit Methylviolett 5B gefärbt, und in Wasser sonst wie Fig. 5 und 6 beobachtet und gezeichnet. Wolle eines schwarzbraunen Marschschafes bis zum Zerfall in Floeken in Ammoniak digerirt. Nach dem Auswa- schen vorsichtig zerkleinert und mit Methylviolett 5B gefärbt. In Chlorealeium mit Zeiss Apochrom. Amm Brennweite und Oe. 6 beobachtet und bei °®/, gezeichnet. aa) Isolirte aber intakte Hornzellen. Die eine nur am Ende etwas gespalten. 5 b) Theilweis in Fibrillen aufgelöste Hornzelle. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 11 162 August Brauer: ce) Eine solehe fast ganz in Fibrillen aufgelöst. Vielleicht ist der dunkle Fleck in der Mitte der Kern. d) Eine solche vollständig in Fibrillen zerfallen. e) Isolirte Gruppe von Fibrillen mit Anastomosen und Ver- zweigungen. Fig. 9. Raben-Kakadu. Aus den Strahlen einer Schwungfeder nach Digestion in 10%, Ammoniak: zwei Tage in verschlossenen Fläschchen bei 20—30° C. und fast 6 Monate in Stubentempe- ratur. Die flockige Masse ist nach dem Auswaschen durch starkes Schütteln weiter vertheilt, wie Fig. 8 gefärbt und beobachtet. 5%/,. a) Intakte isolirte Hornzelle. b) Eine solche, deren Zerfall beginnt. ecec) Mehr oder weniger isolirte Fibrillen. ad) Zwei Markzellen, welche noch zusammenhängen. e) Vollständig isolirte Markzelle. (Aus dem zoologischen Institut in Marburg.) Zur Kenntniss der Reifung des partheno- genetisch sich entwickelnden Eies von Artemia salina. Von Dr. August Brauer. Hierzu Tafel VIII—XI. Um meine Untersuchungen über die Frage, welche die Reduction der Chromosome in den Geschleehtszellen betrifft , zu einem gewissen Abschluss bringen zu können, schien mir ausser einer möglichst genauen Feststellung der Entstehungs- weise der viertheiligen Uhromosome unbedingt nothwendig, die Reifung eines parthenogenetisch sich entwiekelnden Eies zu verfolgen. Es lagen zwar bereits mehrere Abhandlungen über diesen Gegenstand vor, so die von Weismann (55), Bloch- mann (10), Weismann und Ischikawa (58, 59), Plat- Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies ete. 163 ner (42) und Lameere (35), indessen sie beschränkten sich alle auf die Entscheidung der Frage, ob bei parthenogene- tisch sich entwickelnden Eiern zwei oder nur ein einziger Richtungskörper abgeschnürt werden, ob also das bekannte Zahlengesetz der Richtungskörper für alle Formen Gültigkeit hat oder nicht; nur Weismann hat in einer zweiten Mit- theilung über Artemia salma (57) genauere, Zahl und Bau der Chromosome berücksichtigende Angaben gegeben. Diese stimm- ten aber in wiehtigen Punkten so wenig mit den Resultaten, welche ich bei der nahe verwandten Form, Branchipus (15), ge- wonnen hatte, überein und erschienen mir für eine Entscheidung der Frage, ob auch bei dem parthenogenetischen Ei eine Re- duetion der Chromosome stattfindet, so wenig genügend, dass ich eine neue Untersuchung für nothwendig hielt. Da man die Ostracoden, Cladoceren und Inseeten hierfür theils wegen der grossen Zahl zu kleiner Chromosome, theils wegen der Schwierig- keit der Behandlung nach den bisherigen Angaben für unge- eignet halten musste, Artemia aber von vornherein wegen der Verwandtschaft mit Branchipus, also wegen der wohl zu erwar- tenden ebenfalls günstigen Verhältnisse, vor allem wegen der be- quemen Behandlung und leichten Orientirung der Eier, sich em- pfahl, so wählte ich dieses Thier. Um das Material zu gewinnen, konnten zwei Wege einge- schlagen werden: entweder man zieht die T'hiere aus Eiern, die in getrocknetem Schlamm liegen, auf oder man fängt sie sich in ihrer Heimath. Weil mir von meiner Arbeit über Branchipus bekannt war, dass derartige Fragen wie die hier zu behandelnde nur mit Hülfe eines sehr grossen Materiales gelöst werden können, eine Aufzucht aber viel zu mühsam und zu wenig ergiebig ist, so beschloss ich,. nachdem ich die erwähnte Untersuchung abge- schlossen hatte, im Frühjahr 1892 nach Capodistria bei Triest zu sehen, dessen Salinen bereits von Siebold (49) und Claus (18) Material geliefert hatten. Durch das K. K. österreichische Ministerium für Kultus und Unterricht erhielt ich auf der z00- logischen Station in Triest einen Arbeitsplatz ; ich sage dem- selben hierfür- meinen besten Dank. Anfangs war es meine Absicht in Capodistria selbst zu wohnen und die Artemia selbst zu fangen und besonders nebenbei biologischen Fragen, die sich an dieses interessante Thier knüpfen, 164 August Brauer: meine Aufmerksamkeit zu widmen, indessen wurde ich durch andere Arbeiten an Triest gebunden. Durch Vermittelung des Inspectors der Station, Herrn Dr. Graeftfe, wofür ich ihm bestens danke, erhielt ich dureh einen Salinenwächter an bestimmten Tagen der Woche vom Anfang Juni bis zum Anfang Juli mit dem ersten Frühdampfer von Capodistria überreichliche Mengen von Artemien, die an demselben Morgen in der Frühe gefangen worden waren. Da die Thiere in der mitgeschickten Lauge sich nur kurze Zeit hielten, wahrscheinlich, weil die Durchlüftung keme genügende war, und da für eine Entscheidung der auf die Bildung von Subitan- und Dauereiern ete. sieh beziehenden Fragen eine durch lange Zeit fortgesetzte Züchtung das erste Erforderniss war, so beschränkte ich mich lediglich auf das Sammeln von Material für die vorliegende Untersuchung. Wie schon Joly (33) von der Artemia bei Marseille, Ley- dig (38) von der bei Cagliari und von Siebold (49) von der bei Capodistria, also meinem Fundort, angeben, findet man zu gleicher Zeit sowohl Thiere, welche Subitaneier bilden, die eine durchsichtige dünne Schale haben, und die sich im Uterus noch bis zum Metanauplius entwickeln, als auch solche, welche Dauer- eier ablegen, die mit harter Schale versehen und aus dem Uterus bereits, wie es scheint, entfernt werden, wenn die Keimblätter- bildung beendet ist, und eine Ruheperiode durchmachen müssen !). Um etwaigen Einwänden, welche gegen die Deutung ein- zelner Beobachtungen erhoben werden könnten, zu begegnen, bemerke ich, dass ich unter den vielen Tausenden von Thieren, welehe ich gesehen habe, auch nieht ein einziges, wegen der erossen Greifzangen kaum zu übersehendes Männchen gefunden habe, und dass ieh auch in den Uteri der vielen Hunderte von Weibchen, welehe ich geschnitten habe, niemals Spermatozoen, die nach Leydig (38) denen von Branchipus gleich gebaut sind, angetroffen habe. Zum Conserviren benutzte ich wieder wie bei Branchipus heisses Sublimat, und ebenso färbte ich mit Alaun-Hämatoxylin. 1) Die Angabe Düsing’s (19) über Artemia: „Im Sommer legt sie parthenogenetisch Sommereier, aus denen sich sofort wieder Weib- chen entwickeln; bei Eintritt des Mangels im Herbst aber erscheinen auch die Männchen und es werden dann befruchtete Wintereier gelegt“ muss ich für irrthümlich erklären. Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Kies ete. 165 Abgesehen davon, dass andere Flüssigkeiten in Pikrinessigsäure, Pikrinschwefelsäure, Chromosmiumessigsäure in kaltem oder er- wärmtem Zustande oder in Verbindung mit heissem Wasser un- brauchbare Bilder lieferten, war mir eine möglichst gleiche Be- handlung wie bei Branchipus erwünscht, um einen Vergleich besser und sicherer durchführen zu Können. Wie schon erwähnt wurde, liegen über die Reifung des Artemia-Eies zwei Untersuchungen von Weismann vor, von denen er die eine mit Ischikawa (59), die andere mit vom tvath (57) ausgeführt hat. Die erste Mittheilung beschränkt sich nur auf den Nachweis eines einzigen Richtungskörpers bei Artemia, ohne genauere Angaben über Zahl, Bau und Entstehung der Chromosome zu geben. Solehe finden sich dagegen in der zweiten Mittheilung. . Aus derselben führe ich nur folgende an: „Aus den früheren Untersuchungen desselben Materials wusste ich schon, dass das Keimbläschen, wenn es an die Oberfläche steigt, eine grosse Zahl ziemlich gleichmässig vertheilter Chroma- tinkörnehen enthält. Es zeigte sich jetzt, dass diese Körnchen- nieht etwa schon die definitiven Chromosome oder Idanten sind; sie sind kleiner und viel zahlreicher (Fig. IX, 1). In einem Keim- bläschen zählte ich deren 115, in einem, welches schon zur Spindel sich umwandelte, zählte ich deren 115, die alle in der Aequatorialebene lagen (Fig. IX, 2), in emem zweiten nur 77, einem dritten 70 und in einem vierten nur 57. In der Aequatorial- platte der fertigen Richtungsspindel aber liegen zu einem Doppel- kranz geordnet stets 48--52 kuglige Idanten (Fig. IX, 3a). Diese Letzteren müssen also durch Verschmelzung mehrerer der primären Chromatinkörnehen entstehen, und die grosse Verschie- denheit in der Zahl der Letzteren muss darauf beruhen, dass in dem einen der untersuchten Keimbläschen dieser Verschmelzungs- process schon weiter vorgerückt war, als m dem andern. Von den 48—52 Idanten der Aequatorialplatte rücken 24—28 nach dem einen und ebenso viele nach dem andern Pol“ (p. 75). „Dafür“ (dass die erste Riehtungstheilung beibehalten ist in der Form der Reduetionstheilung) „spricht dann noch ferner der Umstand, dass es Herrn Dr. vom Rath niemals gelang, in der Aequatorial- platte der Richtungsspindel von Artemia einfache Idanten zu 166 Ausust Brauer: beobachten; sie waren stets doppelt, zwei grosse, runde Körner übereinander (Fig. IX, 3)“ (p. 75). Während ich die Angaben der ersten Mittheilung im All- gemeinen bestätigen kann, weichen die letzteren von den Resul- taten meiner Untersuchung so sehr ab, dass ich keinen Versuch machen kann, sie mit denselben in Einklang zu bringen, sondern mich auf ihre Wiedergabe beschränken muss. I. Die Reifung des Eies. Die früheren Untersuchungen, besonders diejenige von Claus (18), haben bereits gezeigt, dass Artemia in Bezug auf den Bau der Geschlechtsorgane, von geringfügigen Punkten abgesehen, fast völlig mit dem ihr nahe verwandten Branchipus übereinstimmt, und deshalb brauche ich hierauf nicht näher einzugehen, sondern kann auf die Arbeit von Claus (15) und auf die meinige (15) verweisen: ich möchte nur hervorheben, dass auch bei Artemia neben den Eizellen Nährzellen vorhanden sind, nieht fehlen, wie Claus angiebt. - Auch der Verlauf der Bildung und Entwieklung der Eier ist im Allgemeinen wesentlich derselbe wie bei Branchipus. Nach- dem .die Substanz der Nährzellen vom Ei aufgenommen und zum Dotter umgewandelt ist, und gleichzeitig auch die Ausbildung der Chromosome für die erste Richtungsspindel erfolgt ist, rücken die Eier aus den Ovarien in die Oviducte und dehnen deren dem Uterus am meisten genäherten Theile stark nach allen Seiten aus, so dass die Eier jederseits in einer weiten Tasche zu liegen scheinen. Da eine Begattung nicht erfolgt und da ferner an der Uebergangsstelle von den Ovidueten in den Uterus keine die Mün- dung verengende Zellpolster wie bei Branchipus vorhanden sind, welche eine vorzeitige Befruchtung und ein vorzeitiges Uebertreten der Eier in den Uterus verhindern, so ist der Zeitpunkt, wann die Eier in den Uterus übertreten, bei Artemia nicht so scharf begrenzt wie bei der anderen Form, wo es erst möglich ist, wenn die Begattung erfolgt ist. Manchmal kann man beobachten, dass die Eier nur ganz kurze Zeit in den Taschen der Oviduete ver- weilen, manchmal aber auch mehrere Stunden. Mit Bestimmtheit lässt sich feststellen, dass im den Eiern, wenn sie in den Uterus übertreten, bereits die erste Richtungsspindel ausgebildet ist, die Theilung aber niemals vollzogen ist. Da die Oeffnung, welche Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies ete. 167 in den Uterus von den Ovidueten hineinführt, sehr erweiterungs- fähig ist, so brauchen sich die Eier nieht durchzudrängen wie bei Branchipus, sondern können übertreten, ohne ihre Form we- sentlich zu verändern. Kurz nachher erfolgt die Abschnürung des Richtungskörpers, und weiter die Furchung und Keimblätter- bildung; von hier ab verhalten sich, wie oben erwähnt wurde, die Eier verschieden, je nach“ dem es Subitan- oder Dauereier sind. Die meisten der von mir untersuchten Eier waren Subitan- eier, doch habe ich genügend viele Stadien von Dauereiern ge- sehen, um angeben zu können, dass die Reitung hier in derselben Weise verläuft, die folgende Schilderung für beide Arten von Eiern also Gültigkeit haben kann. Auf die genauere Untersuchung der Keim- und Wachsthums- zone der Ovarien, wo die Theilungen der Ovogonien und die Aus- bildung der Chromosome der Ovoeyten vor sich gehen, habe ich verzichten müssen, weil die Verhältnisse hier noch viel ungün- stiger als bei Branchipus liegen, nämlich die Zahl der Chromo- some wider Erwarten eine bedeutend grössere, die Grösse der Kerne der Ovogonien sowie der jüngsten Keimbläschen fast die- selbe ist. Man sieht in der Keimzone zwar häufig Spindeln, und auch in den Ovoeytenkernen erkennt man feinere und dichtere Knäuel und längere und kürzere Segmente und man kann deshalb ver- muthen, dass die sich hier abspielenden Vorgänge ähnliche sein werden wie bei Branchipus, aber irgend ein näherer, eine be- stimmte Angabe gestattender Einblick in dieselben ist völlig un- möglich. Ich beginne deshalb meine Darstellung erst mit dem Sta- dium, wo die Dotterbildung bereits begonnen hat, und wo die Chromosome in dem Keimbläschen schon fertig ausgebildet, aber noch nicht in der Aequatorialplatte der ersten Richtungsspindel angeordnet sind; es ist dieses das erste Stadium, wo es möglich ist, über die Zusammensetzung und die Zahl der Chromosome sich sicher zu orientiren. Wie die in Fig. 1 abgebildeten vier Schnitte dureh ein Keimbläschen auf diesem Stadium zeigen, sind die Chromosome dureh den ganzen Kernraum ziemlich gleichmässig vertheilt und liegen, wie bereits Weismann und Ischikawa (59) ange- ben, in einem weitmaschigen Netzwerk von Lininfäden. Zwischen 168 August Brauer: ihnen lagert ein runder, homogen erscheinender, sich mit Häma- toxylin sehr wenig färbender Nueleolus (Fig. 1b). Die Zahl der Chromosome beträgt 84; zwar findet man zuweilen Keimbläschen, in welchen man einige wenige mehr oder weniger zählt, doch ist 4 die Zahl 84 so vorherrschend und die Grenzen, in welehen die- selbe schwankt, sind so nahe an einander liegend, dass man nicht zweifeln kann, den Grund für die abweichenden Zahlen darin zu suchen, dass einige Chromosome durchschnitten, und ihre Theil- stücke als ganze Ohromosome gerechnet sind, oder dass einzelne durch das Schnittmesser abgetrennt sind. Da dieses Stadium jünger ist als dasjenige, auf welchem nach Weismann 115 Körnehen vorhanden sein sollen, indem dieselben sehon in einer Platte angeordnet sind, so kann ich mit Bestimmtheit für Arte- mia die Ansicht für irrthümlich erklären, dass bei der Ausbildung der Richtungsspindel eine Verschmelzung von Chromomen statt- findet. Die Grösse der Chromosome ist eine oft auffallend verschie- dene; neben grösseren kommen auch kleine vor. Der Bau ist aber bei allen derselbe und stimmt genau mit demjenigen über- ein, welchen nach den bisherigen Beobachtungen die Chromosome fast aller Spermato- und Ovocytenkerne zeigen, das heisst, ein jedes Chromosom setzt sich aus vier Theilen zusammen, die so einer quadratischen Grundfläche eingeordnet sind, dass ein jeder eine Ecke (derselben einnimmt. Da jeder die Form eines sehr kurzen Stäbehens mit rundem Querschnitt hat, so sieht man bei einer Polansicht vier Kugeln, welche dieht an einander stos- sen, nur durch einen schmalen Spalt, der mit einer sich nur we- nig färbenden Kittmasse (lame intermediaire van Beneden’s) ausgefüllt ist, getrennt sind, und zwischen welchen in der Mitte ein sternförmiges Lumen erkennbar ist. Hat man von dem Chro- mosom eine Seitenansicht vor sich, so erblickt man statt vier Kugeln zwei Stäbchen, die allerdings kaum diese Bezeichnung verdienen, weil ihre Länge nur sehr wenig ihre Dieke übertrifft. Liegen die Chromosome schief, so gehört schon einige Uebung dazu, um über ihre Zusammensetzung klar zu werden. Je nach der Lage sieht man ein Paar der vier Stäbchen ganz, von dem anderen einen mehr oder weniger grossen Theil unter dem ersten hervorragen, oder es liegen drei Stäbchen derart, dass das mitt- Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies etc. 169 lere am höchsten, die beiden anderen seitlich und etwas tiefer sich befinden. Die grosse Zahl der Chromosome, welche sieben Male mehr beträgt als die von Branchipus, und der Umfang des Keimbläs- chens, welcher bewirkt, dass man dasselbe niemals auf einem, sondern meist auf 5—4 Schnitten erhält, machen es unmöglich, eine klare Uebersicht über die Spindelbildung zu gewinnen. Was man sehen kann, berechtigt zu dem Schluss, dass die „Spindel sieh innerhalb des Kontours des Keimbläschens bildet“ (Weis- mann und Ischikawa), wenigstens zum grössten Theile. Die ausgebildete Spindel hat zuerst stets in allen Eiern, wie die soeben genannten Forscher richtig beobachtet haben, eine tangentiale Lage. Entsprechend der grösseren Chromosomenzahl ist der Umfang der Spindel ein ganz auffallend grosser (Fig. 2—10, Fig. 51). Sie besteht aus zwei abgestumpften Kegeln, welche sich mit ihren Grundflächen in der Aequatorialplatte be- rühren. Während sie mit ihren Seiten theils an das eine schmale Zone um das ganze Ei bildende Rindenplasma theils direkt an dien Dotter anstösst, findet man an den Polflächen entweder eben- falls Dotter oder in mehr oder weniger starker Ausbildung (z. B. Fig. 6—8) eine meist kugelförmige Ansammlung von feinkörnigem Protoplasma. Centrosome sowie eine deutlich ausgeprägte Strah- lung oder radiäre Anordnung des anliegenden Dotters habe ich in keinem Falle gesehen. Sollte die feinkörnige Masse an den Polen auf das Vorhandensein von Centrosomen und Strahlungen schliessen lassen, so würde auffallend sein, ebenso wie ich es bei Branchipus hervorgehoben habe, dass der innere Theil der Spindel- fasern sich erhält, dagegen der äussere nebst dem Centrosom nicht, und weiter verdiente der Unterschied hervorgehoben zu werden, welcher zwischen diesen Spindeln und den später zu beschrei- benden Furehungsspindeln besteht, imdem hier trotz. der gleichen Konservirung der Eier Centrosom und Strahlung sehr auffallend hervortreten. Der innere Theil, zugleich der grössere, der Spindel- fasern ist auf manchen Präparaten sehr gut, auf anderen weniger klar erhalten; auf den ersteren lässt sich ebenfalls dieselbe That- sache wie bei Branchipus feststellen, dass an jedes Chromosom vier Spindelfasern herantreten, also je zwei an ein Tochterehro- mosom, und dass jede Faser ihren Anhaltspunkt an einem der vier Stäbchen hat (Fig. 6, 10). Auf den weniger guten Präpa- 170 August Brauer: raten erschienen die Fasern nicht homogen, sondern körnig, doch lässt sich auch hier zuweilen noch die Zahl der mit jedem Chro- mosom sich verbindenden Fasern feststellen (z. B. Fig. 7). Was nun die Zahl der Chromosome betrifft, so könnte man glauben, dass in Folge der grossen Menge eine Zählung sehr er- schwert wäre, kaum mit Sicherheit vorgenommen werden könnte. Indessen ist dieses nicht der Fall. Denn im ähnlicher Weise wie man z. B. bei Ascaris megalocephala findet, dass die chromatin- reicheren Kerne von bivalens grösser sind als die von univalens und für die Untersuchung mindestens ebenso bequem sind, über- trifft auch hier der Umfang des Keimbläschens, wie ich schon oben hervorhob, sowie der Aequatorialplatte und auch der spä- teren Kerne entsprechend der grösseren Chromosomenzahl bedeu- tend den der Spindeln und Kerne bei Branchipus, wo nur 12, bezw. 24 Chromosome vorhanden sind. Nur zuweilen trifft man kleinere Spindeln (z. B. Fig. "); es dürfte dieses vielleicht mit der Grösse des Thieres in einem Zusammenhang stehen. Nur insofern erschwert die Grösse der Kerne und Spindeln die Unter- suchung, als man einmal die für eine genaue Zählung unbedingt nothwendigen, völlig genauen Polansiehten sehr selten, oft unter 40—50 Eiern sogar nicht eine einzige brauchbare, erhält, man also grosses Material zur Verfügung haben muss, und ferner die Spindel stets auf mehrere, meist drei bis vier Schnitte trotz der Dieke von 8—10u vertheilt wird, und man deshalb bei Seiten- ansichten nicht stets die peripher liegenden Chromosome wie bei Branchipus für die Zeichnung auswählen kann, sondern sich be- gnügen muss, einen beliebigen Schnitt, welcher in einer Ebene liegende Chromosome klar zeigt, zu nehmen. Es lässt sich mit- hin aus der blossen Betrachtung von Seitenansichten noch nicht auf die Stellung der einzelnen Chromosome in der Aequatorial- platte schliessen, wie es bei Branchipus möglich war, sondern man ist hier allein auf die Polansichten angewiesen. Diese lassen nun mitunter sehr deutlich, mitunter weniger eine sehr regelmässige Anordnung erkennen. Die Aequatorial- platte ist kreisrund (Fig. 2—5), zuweilen erscheint sie zwar etwas in der Richtung des Radius abgeplattet, doch möchte ich glauben, dass hier eine kleine Zusammendrückung durch andere Eier oder bei der Behandlung stattgefunden hat. Wie besonders Fig. 4 Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies etc. 171 ausgezeichnet erkennen lässt, sind die stets in der Zahl 84 vor- handenen Chromosome nicht nur über die Peripherie vertheilt, sondern, wie es überall, wo die Zahl der Chromosome gross ist, und diese die Form kurzer Stäbehen oder von Kugeln haben, der Fall zu sein scheint, über die ganze Platte vertheilt und zwar in meist fünf eoncentrischen Kreisen; der Mittelpunkt der Platte wird ebenfalls von einem Chromosom eingenommen. Wer noch immer glaubt, dass die Viertheiligkeit der Chro- mosome in den Spindeln der Ovo- und Spermatocyten in einer zufälligen Verklebung von einzelnen selbständigen Chromosomen seinen Grund hat, und bezweifelt, dass alle vier nur durch dop- pelte Spaltung entstandene, noch mit einander durch die Lame intermediaire verknüpfte Theile eines Chromosoms sind, der möge die Fig. 2—5 und Fig. 12a betrachten und erklären, wie eine derartig regelmässige Zusammenordnung von 356 Chromosomen zu 84 Gruppen von je vieren stets ohne Unterschied in gleicher Weise bei allen Eiern zufällig geschehen kann!). Da ein jedes Chromosom in der Polansicht zweitheilig er- scheint, so geht daraus hervor, dass alle derart in der Aequatorial- platte angeordnet sind, dass je ein Paar der vier Theile je einem Pol zugekehrt ist. Zuweilen liegen zwar einige Chromosome et- was schief (Fig. 5), indessen möchte ich glauben, dass diese Lage nicht die wirkliche ist, sondern durch das Mierotommesser her- beigeführt ist. Wie man sofort erkennt, sind die Chromosome bald radial, bald tangential, bald noch anders gestellt; hierdurch er- scheint die Anordnung mitunter unregelmässiger als sie in Wirk- lichkeit ist, indem nämlich einige radial liegende über den Kreis, dem sie zugshören, hinaus ragen. Eine solche Gesetzmässigkeit und Abhängigkeit der Lage des einen Chromosoms von der des benachbarten wie bei Branchipus konnte ich hier nicht feststellen, weil wegen der grossen Zahl eine sehr grosse Anzahl von Pol- ansichten zum Vergleiche nothwendig sind. 1) Neuerdings gibt Häcker (24) wieder eine neue Entstehungs- weise der viertheiligen Chromosome an, auf Grund welcher man sie zu betrachten habe als zwei mit einander verbundene, durch einfache Spaltung zweitheilig gewordene Chromosome. Ein Hinweis auf meine Arbeit über Ascaris (17) wird genügen, um zu zeigen, dass ich dieser Deutung nicht zustimmen kann.. 172 August Brauer: Zwischen den einzelnen Chromosomen fand ich sehr oft ein Netz. von Protoplasma, in dessen Maschen die ersteren lagen. Um das Bild nicht zu verwirren, habe ich dasselbe nicht ein- gezeichnet. So lange die Eier in den Ovidueten sich befinden, behält die Spindel in den meisten Fällen ihre tangentiale Lage, doch kann häufiger als bei Branchipus der Anfang und ganz vereinzelt auch die völlige Drehung um 90° in eine radiale Stellung con- statirt werden (Fig. 9—-10); gewöhnlich erfolgt sie aber erst im Uterus. Oft schon während des letzten Processes, sicher aber nach demselben erfährt die Spindel eine sehr starke Kontraction sowohl in der Längs- wie in der Querrichtung, indem einmal die beiden abgestumpften Kegel der Spindel sehr kurz werden, und dann die Chromosome enger an einander rücken, und die Acqua- torialplatte hierdurch an Grösse verliert (Fig. 11). Wegen der starken Konvergenz der Fasern lassen diese sich sehr schwer er- kennen, fast stets nur eine sehr kurze Streeke vom Chromosom aus verfolgen. Nach den herrschenden Ansichten darf man wohl die Ursache der Verkleinerung der Spindel, besonders der Zu- sammenschiebung der Chromosome in einer Kontraetion der Fa- sern vermuthen. Etwas später, aber, wie es scheint, nieht eher als bis die Spindel sieh radial eingestellt hat, beginnt die Trennung der Tochterplatten (Fig. 12, 52). Da die Chromosome in kurzer Zeit noch immer enger sich an einander lagern, und zudem oft, viel- leicht in Folge einer stärkeren Kontraetion der peripheren Fasern, besonders die äussere Tochterplatte an ihren Rändern nach dem Pol zu gekrümmt wird, so ist es bald unmöglich genau noch den Bau aller Chromosome festzustellen, geschweige denn eine Zäh- lung vorzunehmen. Das in der Figur 12 abgebildete Stadium, welehes den Beginn der Trennung der Tochterplatten darstellt, ist das letzte, wo ich mit Sicherheit mir einen Einblick verschat- fen konnte; von der anderen, zugehörigen Tochterplatte waren leider einige Chromosome durch den Schnitt abgetrennt. Wie Fig. 12a lehrt, ist die Zahl, der Bau und die Anordnung der Chro- mosome noch im Ganzen dieselbe wie auf den der Trennung vor- hergehenden Stadien, nur sind sämmtliche näher aneinander ge- rückt, und hierdurch ist der Durchmesser der Platte um etwa !/, kleiner geworden gegen früher. Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies ete. 173 Wenn man die folgenden Stadien (Fig. 13—19) betrachtet und mit den in Fig. 2—11 abgebildeten vergleicht, so könnten Zweifel aufkommen, ob die ersteren den letzteren sich direet anreihen, ob man es hier mit der ersten und nicht mit der zweiten Spindel zu tlıun habe. Diese Zweifel sind nicht berech- tigt. Abgesehen davon, dass ich auf meinen vielen Präparaten dann überhaupt nieht die erste Spindel, die sicher die häufigste ist, hätte, möchte ich nur betonen, einmal, dass in den meisten Fällen die Dotterhaut hier noch fehlt, die sich, nach Branchipus zu schliessen, sicher vor dem zweiten Richtungskörper bildet (wie es auch der Fall ist), ferner dass einzelne durch den Schnitt von der Platte abgetrennte Chromosome in Polansichten als zweitheilig sich erwiesen, und endlich dass ich T'hhiere, welehe die Eier in den Oviduettaschen trugen, isolirte und in bestimmten, kurz ein- ander folgenden Zeiträumen abtödtete, so dass ich mit Sicherheit eine Reihe der wichtigsten hintereinander liegenden Stadien er- halten musste; daraufhin darf ich wohl diese Spindel als die erste ansprechen. Wenn man reichliches Material zur Verfügung hat, lässt sich die Abschnürung des ersten Richtungskörpers auf den Schnitten Schritt für Schritt verfolgen (Fig. 15—19, 55). Kurz nach dem Beginn der Trennung der Tochterplatten beobachtet man das Auftreten der Verbindungsfäden, von denen je einer zwischen zwei einander gegenüberliegenden Theilen der zweitheiligen Toch- terechromosome sich ausspannt. Somit gehören zu jedem Chromo- som zwei Fäden, die Gesammtzahl aller Verbindungsfäden ist mithin halb so gross als die der Spindelfasern. Ferner erkennt man sehr früh schon im Aequator der Spindel eine Ringfureche auftreten, die anfangs kaum merklich ist, bald aber, wenn sie gegen die Mitte zu einzuschneiden beginnt, klar hervortritt. Zu gleicher Zeit erhebt sich die zum Richtungskörper werdende Hälfte der Spindel, anfangs wenig, dann allmählich immer stärker über die Oberfläche des Eies und rundet sich mehr und mehr zur Ku- gel ab; zuletzt erkennt man zwischen beiden Hälften nur noch einen dünnen Verbindungsstrang, bis auch dieser reisst, und da- mit die Theilung vollendet ist. Wie die Polansicht des Richtungs- körpers (Fig. 18) erkennen lässt und auch aus den Seitenansichten hervorgeht, ist die Zusammenlagerung der Chromosome jetzt so 174 { August Brauer: stark geworden, dass sie nicht nur mehr neben einander liegen, sondern sogar über einander geschoben sind. Obwohl eine Befruchtung fehlt, also der die Abscheidung einer Dotterhaut veranlassende Reiz nieht vorhanden ist, wird dieselbe doch stets abgesondert und zwar fast zu derselben Zeit wie bei dem befruchtungsbedürftigen Ei von Branchipus, nämlich meist nach der Abschnürung des ersten Richtungskörpers, in ei- nigen, allerdings nicht so seltenen Fällen wie bei der anderen Form, auch schon während der ersten Theilung; es lässt sich alsdann nachweisen, dass auch der Richtungskörper noch an ihrer Bildung Antheil nimmt. (Fig. 15, 14.) Weismann und Ischi- kawa (59) beobachtete sie ebenfalls bei Artemia, und auch La- meere (35) fand sie bei dem Ei von Asplanchna Sieboldii, da- gegen vermisste sie O. Hertwig (29) beim Seesternei im Falle parthenogenetischer Entwicklung. Nachdem der dünne Verbindungsstrang zwischen den Hälften der ersten Spindel zerrissen ist, wird, soweit mir die sehr zahl- reichen Fälle, welche ich gesehen habe, eine bestimmte Angabe erlauben, der erste Riehtungskörper stets von dem Abschnürungs- punkte entfernt; ich habe ihn niemals direet an demselben oder nahe demselben, wie Weismann und Ischikawa angeben, gefunden, sondern er lag stets wie bei Branchipus entweder, wenn die Dotterhaut später gebildet wurde, mit mehreren zusammen an irgend einer Seite des Uterus oder zwischen den Eieın cder wenn sie früher auftrat, unter der Dotterhaut, aber dann von der Stelle, wo der sich ausbildende Eikern lag, entfernt. 3is zu diesem Punkte der Reifung verhielten sich alle Eier von Artemia, welche ich untersucht habe, völlig gleich; es ist mir weder ein Unterschied in der Zusammensetzung der Aequa- torialplatte, besonders im Bau und in der Zahl der Chromosome, aufgefallen, noch habe ich gefunden, dass unter den in einem Uterus liegenden Eiern einige den anderen in der Entwicklung merklich voraus waren, oder dieselbe noch nicht soweit vorge- schritten war. Nur einmal habe ich eine Aequatorialplatte ge- funden, die aber für das soeben Gesagte keine Aenderung herbei- führen kann, weil ihre Zusammensetzung völlig abnorm war. Um (die normal entwickelten und angeordneten Chromosome lagen nämlich noch eine grosse Zahl von zum Theil sehr grossen, un- regelmässig gestalteten Chromatinbrocken, deren Herkunft mir völlig £: Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies etc. 175 "äthselhaft ist. Am ehesten könnte man noch an Reste eines degenerirten Kernes einer Nährzelle denken. Von diesem Zeitpunkte aber ab nimmt die weitere Entwick- lung einen verschiedenen Verlauf: entweder es bildet sich die im Ei verbliebene Hälfte der ersten Richtungsspindel sofort zum Ei- kern um, oder es wird die zweite Theilung vorbereitet und voll- zogen, der zweite Riehtungskörper wird aber nicht abgeschnürt, sondern bleibt im Ei und wandelt sich wie seine Schwesterhälfte zum Kern um; die Chromosome beider Kerne, also des Eikerns und des zweiten Richtungskörpers, treten alsdann in der Aequatorial- platte der Furchungsspindel zusammen. Die Vertheilung der Eier, welche nach dem einen oder an- deren Modus reifen, ist nicht etwa derart, dass alle Eier, die in einem Uterus liegen, sich in diesem Punkte gleich verhalten, son- dern neben solchen, die nach dem einen Modus reifen, findet man andere, die den zweiten Weg eingeschlagen haben, Erster Modus. Nachdem der erste Riehtungskörper abgesehnürt ist, scheint eine ziemlich lange Zeit zu verstreichen, ehe sich die im Ei ver- bliebene Hälfte der Spindel zum Eikern umzuwandeln beginnt. Ich schliesse dieses hauptsächlich daraus, dass ich dieses Ueber- gangsstadium verhältnissmässig sehr oft erhalten habe, während es mir z. B. bei Branchipus weit seltener begegnet ist, hier die Ausbildung des Eikernes der Abschnürung des zweiten Richtungs- körpers sofort zu folgen scheimt. Doch ist dieses Stadium kein völliges Ruhestadium, sondern es verläuft ein sehr eigenthümlicher Process, der vielleieht mit der Unterdrückung des zweiten Rich- tungskörpers in einem Zusammenhang stehen kann (Fig. 20). So- weit ich gesehen habe, findet man bei allen Eiern, die in diesem Stadium sich befinden, dass über der Stelle, wo die Tochterplatte liegt, ein Protoplasmahügel sich über die Peripherie des Eies er- hoben hat. Seme Form ist wechselnd, doch durehweg erscheint seine Oberfläche nicht glatt, sondern in Fortsätze ausgezogen ; er besteht nur aus Protoplasma, das ganz das Gefüge wie das Rin- denplasma des Eies zeigt; COhromatin habe ich niemals in ihm gefunden. Da dieser Hügel oder Schopf niemals vor diesem Sta- dium gefunden wurde, auf diesem und auf späteren aber stets vor- 176 Auenst Brauer: handen war in meist gleicher Grösse und Ausbildung!), so muss man diese Bildung wohl für eine normale halten ; und da ferner er stets genau über der Stelle liegt, wo die im Ei verbliebene Chromatinmasse sich befindet, diese oft auch eine kleine Erhebung gegen den Hügel hin zeigt, so liegt es nahe an einen Zusammen- hang zwischen beiden zu denken. Später werde ich noch eine Beobachtung anführen, die vielleicht über diese räthselhafte Bil- dung eine Erklärung möglich macht. Leider ist es nicht möglich, überall auf diesem Stadium Form und Stellung der Chromosome wegen ihrer engen Zusammenlagerung festzustellen und hierdurch zu entscheiden, ob die zweite Rich- tungsspindel überhaupt noch angelegt wird, oder ob auch dieses nicht mehr geschieht. In nicht wenigen Fällen konnte ich mit Bestimmtheit erkennen, dass alle Chromosome wieder radial ein- gestellt waren, das heisst also, dass die zweite Spindel angelegt war (Fig. 34). Da indessen dieses Stadium sicher auch in den zweiten Entwicklungskreis, wo die zweite Theilung auch voll- zogen wird, hineingehört, so kann ich natürlich nicht bestimmen ob die Bildung der zweiten Spindel auch bei den Eiern geschieht, welche nach dem ersten Modus reifen. In den meisten Fällen sieht man nur einen dichten Haufen von Körnern, die nicht regel- mässig angeordnet zu sein scheinen. Muss ich diese Frage somit unentschieden lassen, so kann ich dagegen mit Sicherheit angeben, dass eine Theilung, auch wenn sie vorbereitet wäre, nicht vollzogen wird. Die Chromatin- masse geht als Ganzes in den Eikern ein. Die Fig. 21 zeigt, dass schon eine Vacuole sich um dieselbe gebildet, und damit die Receonstruction des Kernes ihren Anfang genommen hat. Zwar kann ich den einzig entscheidenden Nachweis, dass die in der Vakuole eingeschlossenen Chromosome auch wirklich zweitheilig sind, nicht bringen, da die Bilder selbst von mehr isolirt liegenden zu unklar sind; es schien manchmal eine Einkerbung vorhanden zu sein (Fig. 21), aber eine sichere Angabe ist mir unmöglich. Doch auch ohne diesen Nachweis glaube ich gestützt auf die genaue 1) Auf den Figuren erscheint der Hügel zuweilen kleiner, kaum ausgebildet; die Ursache liegt darin, dass der Schnitt etwas schief ge- sangen war, und der Hanpttheil sich deshalb erst auf dem benach- barten Schnitt befindet. Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies ete. 177 Durehmusterung eines sehr grossen Materials behaupten zu können, dass bei diesen Eiern nur ein Riehtungskörper gebildet ist. Auch die weitere Entwicklung spricht für diese Ansicht. Nach der Bildung der Vacuole beginnen die Chromosome ihre Theilehen über ein feines Maschenwerk aus Lininsubstanz, das vornehmlich besonders auf älteren Stadien, wo der Kernraum bedeutend gewachsen ist, sich über die Wände ausbreitet, zu vertheilen. Anfangs lassen sie sich noch als stärker hervortre- tende Knotenpunkte verfolgen, aber mehr und mehr schwinden auch diese, und zuletzt am Schluss der Vertheilung sieht man nur unzählige, wegen ihrer Kleinheit kaum hervortretende Körn- chen von gleicher Grösse, so dass die Kerne fast achromatisch erscheinen (Fig. 26—32). Nucleolen wurden zuweilen bemerkt (Fig. 23b). Gleichzeitig beginnt der Eikern von der Peripherie abzurücken und sich gegen die Mitte des Eies zu bewegen (Fig. 26, 27, 55). Sein Weg wird noch lange durch eine im Anfange der Bewegung sehr breite, dann schmälere Protoplasmastrasse, die frei von Dotterkörnehen ist, gekennzeichnet. Sie erstreckt sich vom Eikern bis zur Peripherie und lässt hierdurch noch lange die Stelle bestimmen, wo die Reifung vor sich gegangen ist, das einzige Merkmal hierfür neben dem Protoplasmahügel, welcher die Peripherie des Eies nach wie vor noch überragt, aber, wie es scheint, nicht abgeschnürt ist. Vorn stösst der Eikern direkt an den Dotter. Von einer Strahlung, bezw. einem Uentrosom ist bis jetzt noch Nichts zu sehen. Dieses wird meist erst sichtbar, wenn der Eikern (Fig. 28, 56) eine kleine Strecke zurückgelegt hat. Dann findet man dem Eikern dicht anliegend, auf seiner der Ei- peripherie zugewandten Seite, in der Mitte des Protoplasma- schweifes ein Centrosom, von dem nach allen Seiten Strahlen ziehen, die das Protoplasma in dem anliegenden Theil der Strasse radiär einstellen. Auf etwas späteren Stadien wird auch bereits eine ähnliche Anordnung der umliegenden Dotterkörner sichtbar, die bald so weit greift, dass man die Reihen bis zur Peripherie verfolgen kann. Nachdem das Centrosom noch etwas gewachsen ist (Fig. 29, 30), theilt es sich, und die beiden Hälften rücken wie überall nach zwei von dem Punkte, wo das Centrosom zu- erst sich zeigte, um 90° entfernten Stellen, welehe mit den Polen der künftigen Furchungsspindel zusammenfallen (Fig. 31, 32,57,58). Auf den Kanadabalsam-Präparaten erscheint das Centrosom als Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 12 178 August Brauer: eine grosse helle Kugel, deren Inneres von einem ziemlich grob- maschigen Gerüstwerk von sehr wenig färbbaren Fäden durch- setzt ist, so dass das Centrosom ganz das Aussehen eines kleinen ruhenden Kernes darbietet. Ein Centralkorn war nicht zu er- kennen. Dagegen habe ich bei einer Untersuchung unter Wasser besonders auf etwas älteren Stadien des Eikerns häufig zwei bis drei stark liehtbrechende Körner im Centrum gesehen, die auf den Kanadabalsam-Präparaten nicht hervortraten und sich auch nieht gefärbt hatten. Weil die angewandten Reagentien im All- gemeinen für die Konservirung des Achromatins nieht befriedigende Resultate liefern, so beschränke ich mich auf die Wiedergabe des Befundes. Sehon zu der Zeit, wo die Centrosome ihre Wanderung nach den Polen begonnen haben, erkennt man die ersten Anzei- chen der Ausbildung der Chromosome für die Furchungsspindel. Ueber die Anfangsstadien dieses Processes kann ich kurz hinweg- sehen, weil ein Eindringen in das Detail verhindert ist. Man sieht, dass das Gerüstwerk sich zusammenzieht und die Chro- matinkörner auf bestimmten Fäden sich aneinanderreihen, und weiterhin, dass auch getrennte Fäden vorhanden sind, aber die Zahl derselben ist eine zu grosse und die Länge zu bedeutend, um einen Versuch zur Combination und Zählung wagen zu kön- nen, zumal die Kerne immer über mehrere Schnitte vertheilt, und hierbei die langen Segmente zu oft durchschnitten werden. Auch in den Fig. 23 und 24 abgebildeten Kernen sind dieselben noch ziemlich lang, und es kann deshalb eine Zählung nie ein genaues Resultat ergeben, sondern man muss aus dem Durch- schnitt auf die richtige Zahl schliessen. Dass die Segmente ver- schieden lang erscheinen, hat zum Theil darin seinen Grund, dass die kürzeren nur Stücke eines Segmentes sind, zum Theil aber auch darin, dass sie senkrecht zur Papierfläche verlaufen oder derartig gekrümmt sind, dass ihre wirkliche Länge auf dem Präparat wohl durch verschiedene Einstellung erkannt, aber in der Zeichnung nicht zum Ausdruck gebracht werden kann. Der Aufbau der Fäden aus Körnern tritt immer sehr deutlich hervor. Verschiedene Zählungen ergeben das Resultat, dass 84 Segmente ausgebildet werden. Die Zahlen, die man erhält, sind durchweg etwas höher, dieses kann aber nach dem oben Gesagten nicht auffallen. So haben z. B. die Kerne der Fig.23 85, Fig. 24 89 Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies ete. 179 und Fig. 25 85 Segmente. Je kürzer sie werden, um so ge- nauer wird naturgemäss auch die Zählung ausfallen. Die Ver- kürzung geht noch etwas weiter als Fig. 25 sie zeigt, ich habe leider keine für eine Zeichnung geeignete Ansicht der Aequa- torialplatte der Furchungsspindel erhalten, kann aber mit Be- stimmtheit angeben, dass eine weitere Theilung der 84 Chromosome nicht stattfindet, sondern dass auch in der Spindel diese Zahl vorhanden ist. Die Gestalt der Chromosome ist die kurzer, ge- krümmter Stäbehen, wie Fig. 42 von einem späteren Stadium zeigt; es ergibt sich mithin auch hier wie bei vielen anderen Formen, dass die Chromatinmasse in den Reifungsspindeln stär- ker eoneentrirt ist als in den übrigen. In Folge der Krümmung ist es schwer zu entscheiden, ob mehr als eine einfache Spaltung vorhanden ist, und auch die früheren Stadien geben keinen Auf- schluss, weil die Körner zu klein sind. Die Spaltung habe ich zwar klar bei allen Segmenten erst ziemlich spät (Fig. 25) ge- sehen, doch manchmal schien auf früheren Stadien schon eine zweireihige Anordnung des Chromatins vorhanden zu sein. In Bezug auf die Ausbildung der Furehungsspindel kann ich nur angeben, dass der grösste Theil sicher aus dem Kern sich herausbildet. Auffallend stark ausgeprägt war in der ferti- gen Spindel der Unterschied zwischen dem inneren und äusseren Theil, in welchem die Centrosome mit ihren Fasern lagen (Fig. 33, 59). Zweiter Modus. Wenn ich bei der Beantwortung der Frage, welcher Modus am verbreitetsten ist, der erste oder der zweite, das Material, welches ich untersucht habe, in Rechnung ziehe, so muss ich angeben, dass der zweite bei weitem seltener ist als der erste. Nur mit grosser Mühe ist es mir gelungen, überhaupt eine eini- germaassen gute Serie aufeinander folgender Stadien zusammen- zustellen. Mehrere von den abgebildeten habe ich überhaupt nur einmal angetroffen; man muss allerdings auch berücksichtigen, dass es, da man das Ei nicht orientiren kann, und da immer nur wenige unter den im Uterus befindlichen auf die gleich zu beschreibende Weise sich entwickeln, ein Zufall ist, gewisse Sta- dien in brauchbarer Ansicht zu erhalten. Der Ausgangspunkt für diesen Entwieklungsgang muss das 180 August Brauer: in Fig. 34 dargestellte Stadium sein. Alle Chromosome sind wieder radial gerichtet, wie ich auf mehreren Präparaten, die eine gute Seitenansicht enthielten, erkennen konnte. Sie liegen noch so eng zusammen wie wir sie nach der Abschnürung des ersten Richtungskörpers verlassen haben. Damit ist die zweite Spindel angelegt. Die nächstfolgende Fig. 35 — leider ist der Schnitt schief gegangen — lehrt, dass auch eine Trennung der Tochterplatten erfolgt, aber ausser einigen später zu erwähnen- den Fällen, die eine andere Beurtheilung verdienen, habe ich eine völlige Abschnürung des zweiten Richtungskörpers, ja auch nur eine Erhebung der Spindel über die Oberfläche des Eies wie bei der ersten T'heilung nicht beobachtet, vielmehr lassen alle sich hier anschliessenden Bilder mit ziemlicher Sicherheit folgern, dass eine solche auch nicht stattfindet, oder wenn sie doch ge- «+ schieht, eine normale Entwicklung wahrscheinlich ausgeschlossen ist. Die Tochterplatte, welche den zweiten Richtungskörper liefert, bleibt im Ei und bildet sich ebenso wie die andere zum Kern um (Fig. 36). Hiermit stimmt überein die vom Anfang an vorhandene enge Aneinanderlagerung der beiden Kerne. Die Vorgänge, welche jetzt folgen, sind ganz dieselben, welehe ich oben für den einen Kern geschildert habe. Beide Kerne, die meist etwas übereinander liegen, rücken (Fig. 37, 38) gemeinsam gegen das Centrum des Eies, hinter ihnen findet sich ebenfalls wieder die dotterfreie Protoplasmastrasse. Auf eimem Stadium, wo die Kerne von der Peripherie schon etwas abgerückt und gewachsen sind, habe ich zum ersten Male Centrosome und zwar zwei beobachtet (Fig. 39). Ob vorher hier auch nur eins vor- handen ist, das dureh Theilung die beiden liefert, oder ob sofort zwei auftreten, kann ich nicht entscheiden, weil ich jüngere Stadien vom Centrosom als das im Fig. 39 abgebildete nieht ge- habt habe. Da kein Grund zu der Annahme vorhanden ist, dass der zweite kichtungskörper nieht ausser dem Chromatin auch ein Centrosom hat wie der Schwesterkern, so erscheint die letztere Mögliehkeit nicht ausgeschlossen; freilich lassen einige Bilder (Fig. 40, 45), auf welchen die doppelte Strahlung nur Beziehung zu einem Kern zu haben scheint, eher die Deutung zu, dass nur das Centrosom eines Kernes zur Entwicklung kommt. Die Reeonstruction der Kerne und damit auch die Ausbildung der Chromosome für die Furehungsspindel scheint nicht immer Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies ete. 181 in beiden gleichzeitig zu verlaufen; so ist z. B. m Fig. 40 der eine Kern noch in der Ruhe, der andere dagegen schon im der Ausbildung der Segmente begriffen, und das in Fig. 41 abge- bildete Stadium kann man als ein etwas älteres von Fig. 40 be- trachten, indem hier in dem einen das Gerüstwerk sich erst in längere Fäden zusammengezogen hat, im anderen schon kürzere, gespaltene Segmente vorhanden sind. Noch grösser ist der Unter- schied des Alters der beiden Kerne in Fig. 45. Doch dass der Verlauf nicht immer so zu sein braucht, lehrt die Fig. 42, wo beide Kerne auf demselben Stadium sich befinden. Schon der Kern a der Fig. 41, in dem man 85 Segmente zählen kann, lässt vermuthen, dass die Aequatorialplatte der Furehungsspindel nicht 34, sondern zweimal 84 — 168 Chromo- some aufweisen wird. Die Richtigkeit dieser Vermuthung be- weist das Stadium Fig. 43, das kurz vor der Bildung der Spindel steht. Durch Austritt von Kermsaft sind die Kernräume schon bedeutend geschrumpft, die Membranen kaum mehr zu erkennen, und deshalb ist auch die Grenze zwischen beiden Kernen nicht mehr so leicht wie früher festzustellen, doch lässt die Vertheilung der Chromosome sowie die Einkerbungen an den Umrissen der Kerne entscheiden, welche von den ersteren zum einen Kern, welehe zum anderen gehören. Mit wünschenswerther Genauigkeit ergibt die Zählung für jeden Kern 84, für beide also 168. Sehr interessant ist das letzte Stadium dieser Reihe, welches die Fig. 44 zeigt, besonders wenn man es vergleicht mit dem der Fig. 55, weil daraus hervorgeht, dass genau wie bei befruchte- ten Eiern die Chromosome beider Kerne bis zum Schluss getrennt bleiben, erst in der Aequatorialplatte zusammengeführt werden. Nachdem sieh ergeben hatte, dass die Reifung des partheno- genetisch sich entwiekelnden Eies von Artemia auf zwei veır- schiedene Weisen verlaufen kann, und dass in dem eimen Fall die Furehungsspindel 84 Chromosome wie die Richtungsspindel erhält, im anderen Falle dagegen 168, die doppelte Zahl, musste naturgemäss die Untersuchung weiter gehen und festzustellen suchen, ob diese Zahlendifferenz auch auf späteren Stadien der Entwieklung sieh erhält, und ob es für die letztere gleichgültig ist, auf wie viele Theile das Chromatin vertheilt ist. 182 August Brauer: Da die Kerne auf den älteren, der Blastula!) folgenden Stadien zu klein sind, um eine Zählung der Chromosome aus- führen zu können, so konnten für die Lösung der obigen Frage nur die Furchungsstadien in Betracht kommen. Aber auch hier gelang dieselbe nicht in völlig befriedigender Weise. Es glückte unter den vielen Eiern, welche ich durchmusterte, auf verschie- denen Stadien einige aufzufinden, in deren Kernen die Ausbildung der Chromosome so weit fortgeschritten war, dass eine Zählung vorgenommen werden konnte. Die Tafel XI zeigt in A die zwei Kerne der beiden ersten Furchungszellen kurz vor dem Beginn der Ausbildung der nächsten Spindel. In beiden zählt man je 84 Chromosome (oder genauer 92 bezw. 89); in B sind ebenfalls die beiden Kerne eines anderen Eies, das ebenso alt war, abge- bildet, aber jeder enthält 168 Chromosome (oder genauer 172 bezw. 178). Die Kerne der Fig. C und D sind älteren Fur- chungsstadien von 16 bezw. 8 Zellen entnommen. Der eine Kern enthält 84 (oder genauer 88). Der andere 168 (oder genauer 160) Chromosome. Es ist mir zwar auf diesen späteren Stadien nicht möglich gewesen, in allen Kernen desselben Embryos die Chromosome zu zählen, weil nicht alle genau gleich weit entwickelt waren, etwas längere Segmente aber eine Zählung nicht gestatteten, oder weil die Lage des Kernes keine günstige war, indessen glaube ich, wird die Ansicht, dass alle Kerne eines Eies in Bezug auf die Zahl sich gleich verhalten, kaum auf Widerstand stossen. Eine Stütze erhält sie dadurch, dass die Kerne mit 34 Chromosomen kleiner sind als solehe mit 168; hierdurch hat man einen Anbhalts- punkt für eine Entscheidung, wenn eine Zählung unmöglich ist. Hierdurch ist zwar die Thatsache festgestellt, dass auch in den Furchungsstadien die Zahlendifferenz erhalten bleibt, aber es 1) Die Furchung und Keimblätterbildung verläuft ganz so wie bei Branchipus (15). Wie Lieydig (38) bereits beobachtete, ist die erstere total äqual und hat zum Endresultat eine Cöloblastula. Das Entoderm entsteht durch polare Einwanderung. Eetoderm- und Ento- dermzellen sind gleichmässig mit Dotter erfüllt. Wie die in Folge der leichteren Conservirung klareren Bilder erkennen liessen, bleiben nach der Verdrängung der Furchungshöhle durch die Entodermzellen die Zellgrenzen erhalten, gehen also nicht, wie ich für Branchipus ange- geben habe, verloren. Ueber die weitere Entwicklung hoffe ich in einer anderen Arbeit ausführlich berichten zu können. Zur Kenntn. d. Reifune d. parthenozenet. sich entwickelnden Bies ete. 185 o Oo ist noch nieht entschieden, ob beiderlei Ei auch entwicklungs- fähig sind. Für die Eier mit 54 Chromosomen möchte ich un- bedenklich die Frage bejahen; denn einmal trıfft man sie sehr häufig und immer normal, und dann lässt sich auch noch auf dem Blastulastadium zwar nur schätzungsweise, aber doch mit voller Bestimmtheit feststellen, dass keinenfalls mehr wie 84 Chromosome vorhanden sind. Dagegen nicht so entschieden kann die Antwort für die Eier mit 168 Chromosomen lauten. Die Eier sind leider selten, und noch seltener findet man Kerne, die fertige Chromosome haben, mithin kurz vor der Ausbildung der Spindel stehen, welches Stadium allein eine Zählung gestattet. Das eme Ei, bei dem es möglich war und von dem ein Kern in Fig. D abgebildet ist, enthielt neben 3 anderen normalen Kernen noch 2 pluripolare Spindeln, deren Vorhandensein beweist, dass dieses Ei keinen normalen Embryo geliefert hätte. In anderen Eiern hingegen, deren Zellen und Kerne ein völlig normales Aussehen hatten, liess die Grösse der Kerne im Vergleich zu denjenigen der anderen, in demselben Uterus liegenden Eiern mit Sicherheit schliessen, dass sie zu denjenigen gehörten, die 168 Chromosomen in ihren Spindeln haben. Ich möchte daher mich dahin entscheiden, dass in einzelnen Fällen Eier mit 168 Chromo- somen entwicklungsfähig sind, in anderen nieht. Die Entwick- lungsfähigkeit dürfte von dem Grade abhängen, wie die Einbe- ziehung des Richtungskörpers gelingt. Die ungleichzeitige Ent- wieklung und die verschiedene Grösse der beiden Kerne, des Eikerns und des zweiten Richtungskörpers, wie wir sie in ein- zelnen Fällen kennen gelernt haben, lassen auf Variationen schliessen. Die auffallende 'Thatsache, dass die Zahl der Chromosome }e nach dem Ablauf der Reifung bei den Eiern von Artemia wechselt zwischen 84 und 168, bestätigt einmal das Gesetz von der Constanz der Zahl der Chromosome, dass nämlich ausser bei den beiden Reifungstheilungen!) stets so viele Chromosome sich wieder aus dem ruhenden Kern ausbilden, wie in denselben 1) Da in den meisten Fällen bei Artemia die Zahl der Chromo- . some nicht nur in den Reifespindeln, sondern auch in den übrigen 84 beträgt, so hat hier und vielleicht überall, wo nur ein einziger Rich- tungskörper gebildet wird, das obige Gesetz volle Gültigkeit, erleidet keine Ausnahme. 184 August Brauer: eingegangen sind, und ferner zeigt sie, dass für die Einleitung einer normalen Entwicklung eines Thieres die Zahl der Chromo- some gleichgültig ist, wenn nur die Masse dieselbe ist. Die letztere Behauptung fusst zwar nur auf der Annahme, dass ein jedes der 84 Chromosome doppelt so viel Chromatin enthält als eines der 168. Leider war es mir nicht möglich, trotz vieler Mühe mit Sicherheit zu entscheiden, wie die ersteren gebaut sind, ob auch zweitheilig oder ob viertheilig. Da die Chromosome die Form kurzer, etwas gekrümmter Stäbchen haben, so erhält man so gut wie niemals eine reine Polansicht, welche allein eine sichere Auskunft über die Zusammensetzung geben kann, weil der even- tuell vorhandene sternförmige Spalt zwischen den vier Theil- stücken durch das untere umgebogene Ende verdeckt werden muss. In einigen Fällen, wo der Schnitt nur den Kopf eines Stäbehens abgeschnitten hatte, man also einen wirklichen Querschnitt vor sich hatte, schien es, als ob vier Stücke vor- handen wären, aber die Verhältnisse sind zu klein, und man sieht zu leicht etwas in derartige Bilder hinein, was man zu sehen wünscht, als dass ich irgendwie bestimmt mich äussern kann. Theoretisch würde ich einen viertheiligen Bau für sehr wahrscheinlich halten. Denn wir sahen, dass bei den Eiern, welche nur einen Richtungskörper bildeten, zweitheilige Chromo- some in den Eikern eingingen, und beide Stücke noch durch die Lame intermediaire verbunden waren. Wenn man annimmt, dass diese Trennung nur in der Theilung der Spindel vor sich gehen kann, so wäre es verständlich, dass bei der Auflösung der Chromosome in Kömer und bei deren Vertheilung im Ge- rüstwerk zum Zweck des Wachsthums und der Spaltung die Körner paarweise verbunden verblieben, und dass sie in dieser Verbindung wachsen und sich spalten und die nun wieder vier- theiligen Körner sich allmählich zu grösseren Gruppen und diese zuletzt zu Chromosomen zusammen ordnen würden. Wenn eine Trennung der zwei Theile vor der Reconstruction oder während derselben erfolgte, so wäre schwer zu verstehen, warum dann nicht auch 168 Chromosome sich ausbildeten, wie wir es in den Kernen sahen, die so viele Chromosome besitzen, die entstanden sind durch die Trennung der 84 zweitheiligen bei der Bildung des zweiten Richtungskörpers. Da ich die Viertheiligkeit aber nicht mit Sicherheit habe nachweisen können und ebensowenig Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies ete. 185 die ersten Vorgänge, welche sich bei der Ausbildung der Chromo- some abspielen, wegen der Kleinheit der Verhältnisse verfolgen konnte, so ist selbstverständlich, dass das soeben Gesagte nur den Werth einer Vermuthung haben kann. Neben dem Unterschied in der Zahl der Chromosome fällt ein anderer auf, nämlich derjenige, welcher in Bezug auf das Hervortreten des Centrosoms und der zugehörigen Strahlung bei den Richtungsspindeln und bei dem Eikern und dessen Abkömm- lingen besteht. Während bei den ersteren in keinem Falle mit Sicherheit ein Centrosom oder eine Strahlung constatirt, nur aus einigen unklaren Bildern auf das Vorhandensein eines solchen geschlossen werden konnte, tritt es am Eikern und später so deutlich hervor, und die Strahlung ist so scharf ausgeprägt, dass sie schon bei ganz schwacher Vergrösserung in die Augen fallen muss. Dieser Unterschied ist auch sonst schon beobachtet worden. Ich erinnere hier z.B. an Branchipus (15), die der Artemia sehr nahe verwandte Form, wo ebenfalls bei den Richtungsspindeln nichts Deutliches von einer Strahlung zu erkennen war, beim Spermakern dieselbe aber auffallend stark entwickelt war, ferner an Ascaris megalocephala!). Hier „zeigt sich“, schreibt Boveri (14), „die auffallende Erscheinung, dass an der Theilungsfigur, durch deren Vermittelung das Ei entsteht, gar keine Centrosome vorhanden sind, so dass also, allem Anscheine nach ein Ei-Cen- trosoma hier überhaupt fehlt“ (p. 415). „Sowohl die erste und zweite Riehtungsspindel sind von ganz anderer Beschaffenheit, sie ent- stehen anders und auch die Theilungsmechanik scheint eine an- dere zu sein“ (p. 469). Später sind bekanntlich bei Ascaris die Centrosome sehr klar zu sehen. Die mitgetheilten Beobachtungen über Artemia können, wie mir scheint, zur Aufklärung der Frage, ob aus dem Unterschied wirklieh auf ein Fehlen des Centrosoms in den Richtungsspin- deln und somit auf eine Ungleichheit des Ei- und Spermakerns zu schliessen ist, einen Beitrag liefern, zumal der Vortheil hier der Betrachtung zukommt, dass sie zum Vergleich die Verhält- 1) Ferner hat auch Fick (19a), dessen Arbeit leider erst nach der Fertigstellung der vorliegenden erschien, in den Richtungsspindeln und am Eikern kein Centrosoma gesehen. 186 August Brauer: nisse von Branchipus, also eines befruchtungsbedürftigen Eies, heranziehen kann, welches ausserdem noch genau nach derselben Methode behandelt ist wie das von Artemia. Wenn man annimmt, dass das Centrosom ein permanentes Organ wie das Chromatin in der Zelle und nicht eine bald ver- schwindende, bald wiederkehrende Erscheinung ist, dann muss man meiner Ansicht nach unbedingt das Centrosom, welches am Eikern von Artemia kurz nach seinem Abrücken von der Peri- pherie sichtbar wird, ableiten von einem solehen der Richtungs- spindel, und zwar wird man es suchen in den feinkörnigen, dotter- freien Protoplasmaansammlungen, welche mehr oder weniger deutlich an den Polen der Spindel auf den Präparaten erkennbar waren. Hat man diese bei Artemia so zu deuten, so wird man auch aus den ganz ähnlichen, welche ich bei Branehipus beob- achtete, auf das Vorhandensein von Centrosomen schliessen müs- sen. Es ist auch nicht einzusehen, weshalb diese Theilungen, die doch in allen übrigen Punkten, besonders im Vorhandensein von Spindelfasern, in der Art der Ueberführung der Tochter- platten u. s. w. sich vollständig dem Schema einer mitotischen Theilung anschliessen, in diesem einen Punkte abweichen soll- ten. Die Annahme eines Fehlens eines Centrosoms, des Thei- lungsorgans, würde eine völlig verschiedene Theilungsmeehanik bedingen, wie Boveri annimmt, und damit diesen beiden Thei- lungen allerdings eine besondere Stellung neben der anderen zu- weisen. Uebrigens wird von Lebrun (36) neuerdings angegeben, dass er Centrosome bei den Richtungsspindeln von Ascaris ge- funden hat. Der Unterschied in dem Hervortreten des Centrosoms und der Strahlung dürfte wahrscheinlich darin seinen Grund haben, dass die Leistung in beiden Fällen eine ganz andere ist, indem es in dem einen Fall sich am eine Zellknospung handelt, im an- deren dagegen um eine Zelltheilung. Bei der Spermatogenese 7. B. von Ascaris, wo dieser Unterschied nieht vorhanden ist, finden wir bei den entsprechenden Theilungen das Centrosom und die Strahlung ebenso klar entwickelt wie später. Muss somit meiner Ueberzeugung nach auch das Vorhanden- sein eines Centrosoms bei den Richtungsspindeln in allen Fällen unbedingt angenommen werden, so ist damit aber noch nicht die Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelndee Eies ete. 187 Frage entschieden, ob das Eikerncentrosoma auch überall bei befruchtungsbedürftigen Eiern ebenso wie bei den parthenogene- tisch sich entwickelnden wieder bei der Anlage der Furchungs- spindel zur Ausbildung kommt. Die Beobachtungen Fol’'s (20) und später Guignard's (23) und Blane’s (7), nach welchen bei Asteracanthion, Lilium und bei der Forelle sowohl das Sperma- wie das Eikerncentrosoma zur Entwicklung kommen, und beide sich vereinigen, könnten zu dem Schluss drängen, dass dieselben für alle Fälle Gültigkeit haben dürften, und lediglich Mangel der Beobachtung und Unter- suchungsmethoden die Ursache ist, weshalb man in den meisten bisher untersuchten Eiern das Eikerneentrosoma nicht gesehen hat. Dieser oder ein ähnlicher Schluss ist auch bereits von mehreren Forschern gezogen worden. So lautet z. B. bei O0. Hertwig (30, p. 212) eimer der „Fundamentalsätze für den Befruchtungs- process bei Thieren und phanerogamen Pflanzen“ folgender- maassen: „Beim Befruchtungsakt verschmelzen die zwei Theil- hälften eines männlichen Centralkörperchens mit den entsprechen- den Theilhälften eines weiblichen Centralkörperehens, aus welcher Verschmelzung die zwei Polkörperehen der ersten Kerntheilungs- figur hervorgehen.“ Eine solche Verallgemeinerung der Resul- tate oben genannter Forscher scheint mir indessen nicht begrün- det zu sein, wenigstens lassen sich vorläufig noch mehrfache Bedenken dagegen geltend machen. Das Spermacentrosoma bei Branchipus und das Eikerneen- trosoma bei Artemia verhalten sich in allen Vorgängen völlig identisch. Beide werden fast zu derselben Zeit sichtbar, beide theilen sich, und ihre Theilhälften rücken nach den künftigen Spindelpolen auseinander, bevor die Kerne das Centrum des Eies erreicht haben. In vollständigem Gegensatz zu ihnen steht der Eikern von Branchipus, indem er von der Peripherie nach der Mitte des Eies wandert, ohne dass auch nur die geringste Proto- plasmaansammlung, die man vielleicht als Strahlung deuten könnte, um ihn bemerkbar ist; hier verharrt er, bis der Spermakern mit seinen Strahlungen und Centrosomen sich ihm nähert, dann lagert er sich ihm an und wird zwischen die beiden Strahlungen auf- genommen. Dieser auffallende Unterschied, der sich z. B. auch bei Ascaris findet, kann nicht dadurch seine Erklärung finden, dass man schlechte Conservirung oder dergleichen angibt, weil 185 August Brauer: es nicht verständlich wäre, weshalb das Spermacentrosom sich ausgezeichnet deutlich erhält, das Eikerncentrosom dagegen in demselben Ei völlig unsichtbar bleibt, und bei Artemia das letz- tere wieder so klar ist wie das Spermacentrosom bei Branchipus. Weiter darf man wohl annehmen, dass wenn ein Eikerneentro- som doch zur Entwieklung kommt, die Vereinigung der beiden dann in ähnlicher Weise erfolgt wie bei Asteracanthion, Lilium und bei der Forelle, dass also das Centrosom vorher heran- wächst, sich theilt und dann die Hälften mit denen des Sperma- centrosoms, das dieselbe Entwicklung durchgemacht hat, ver- schmelzen. Da aber derartige Processe nach den bisherigen Be- obachtungen stets so verlaufen, dass sie nachweisbar sind, fast überall mindestens von einer Strahlung begleitet sind, und da hiervon nichts zu sehen ist, so hat man wohl ein Recht anzu- nehmen, dass deshalb von einem Eikerncentrosoma nichts zu erkennen ist, weil es nicht zur Entwicklung gekommen ist. Dieser Schluss macht es unmöglich, dass das Centrosom Träger der Erbmasse sein kann, weil das Kind väterliche und mütterliche Eigenschaften ererbt, also auch väterliche und mütterliche Sub- stanzen auf dasselbe übertragen werden müssen. Dass ein Oen- trosom zu Grunde gehen kann, beweisen die Beobachtungen über (las Schicksal überzähliger Spermatozoen und über pluripolare Spindelbildung, in welchen Fällen man anfangs noch Uentrosome erkennt, die sich aber in späteren Stadien mehr und mehr ver- lieren und zuletzt nicht mehr zur Entwicklung kommen oder untergehen. Somit scheint mir, dass man auf Grund der bis jetzt vor- liegenden Beobachtungen die Frage, in welcher Weise geht die Reduction der Centrosome vor sich, dahin beantworten kann, dass zwei Wege eingeschlagen werden: entweder kommen die Oentrosome beider Kerne beim Befruchtungsprocess zur Entwick- lung, und dann vereinigen sich die beiden Hälften je eines Cen- trosoms kurz nach der Theilung, so dass zusammen zwei gebildet werden, von denen jedes die normale Grösse besitzt, oder es kommt nur ein Centrosom, und zwar, wie es scheint, in den meisten Fällen das des Spermakerns, zur Entwicklung, es theilt sich, und jede Hälfte wächst auf die normale Grösse heran wie bei jeder gewöhnlichen Theilung. Es würde hieraus hervor- gehen, dass es für die weitere Entwicklung gleiehgültig ist, Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies etc. 189 woher die Centrosome der Furchungsspindel stammen, ob aus einem oder aus zwei verschiedenen. Dass ein einziges ausreichen kann, beweist das parthenogenetisch sich entwickelnde Ei von Artemia. Eine so grosse Bedeutung, wie man vielfach auf Grund der Fol’schen Beobaehtung oder wie sie Boveri dem Üentro- som beilegt, scheint mir dasselbe nicht zu haben. Meiner An- sicht nach ist dasselbe weder Träger der Vererbungssubstanz noch spielt es eine besondere Rolle bei der Befruchtung (Boveri): es hat hier keine andere Bedeutung als diejenige, welche es bei jeder Theilung hat, das heisst als Theilungsorgan. Es ist des- halb gleichgültig, ob es vom Spermakern oder vom Eikern oder von beiden geliefert wird, wenn es nur geliefert wird. II. Abnorme Entwicklung. Während ich bei meiner Untersuchung der Entwieklung des Eies von Branchipus stets sämmtliche Eier, welche in einem Uterus sich befanden, in normaler Entwicklung angetroffen hatte, oder nur dann vereinzelte unentwickelte, wenn, wie sich zweifel- los nachweisen liess, beim Fange die Thiere stark beunruhigt worden waren, und in Folge dessen einige Eier zu spät in den Uterus übergetreten waren, oder sonst eine Beschädigung vorlag, begegnete mir bei Artemia eine ganz auffallend grosse Zahl von abnorm sich entwickelnden Eiern. Schätzungsweise mochte kaum die Hälfte der Thiere, welche ich untersucht habe, nur normale Eier im Uterus tragen, bei den übrigen fand ich eme sehr schwankende Zahl von Eiern, deren Entwicklung nicht normal verlaufen war, und welche auf keinen Fall einen Embryo gelie- fert hätten. Manchmal waren es nur ein oder zwei Eier unter etwa 40—60, meist waren es mehrere, in vereinzelten Fällen waren dieselben so überwiegend, dass man nur sehr wenige fand, welche sich entwickelt hatten). 1) Auch unter den Artemien, welche von Siebold untersucht hat, scheinen einige gewesen zu sein, die abnorm entwickelte Eier im Uterus hatten. Er berichtet nämlich Folgendes (49, p.193 ff.): Bei einer Untersuchung einer viviparen Artemia, die drei Embryonen geboren hatte, stellte sich heraus, „dass in dem Sack noch ein toter und zwei lebende Embryonen vorhanden waren, deren abgestreifte sehr dünne, 190 August Brauer: Der Umstand, dass man in solchen Fällen in demselben Uterus normal und abnorm sich entwickelnde Eier nebeneinander hat, ist für die Beurtheilung von grossem Werth, indem die er- steren uns einen Anhalt geben zu entscheiden, auf welchem Sta- dium die letzteren sich befinden würden, wenn ihre Entwieklung nicht einen unregelmässigen Verlauf genommen hätte. Schon oben habe ich erwähnt, dass bis zur Abschnürung des ersten Riehtungskörpers alle Eier fast genau auf demselben Stadium sich befinden. Von hier ab tritt mitunter dadurch eine Ungleich- mässigkeit ein, dass diejenigen wenigen Eier, welche 168 Chro- mosome haben, meist etwas hinter den übrigen zurück sind, was seinen Grund darin haben dürfte, dass sie auch noch die zweite Richtungstheilung vollzogen haben; aber diese Unregelmässigkeit ist doch weniger bemerkbar. Wenn wir also anders entwickelte Eier treffen, so dürfen wir wohl schliessen, dass die Entwick- lung frühestens von dem Ende der Reifung an einen abnormen Gang genommen hat, dass sie also bei normalem Verlauf auf dem Stadium sich befinden würden, welches die anderen Eier zeigen. Auf diese Weise ist es möglich, mit vollkommener Sicher- heit eine Serie von einander folgenden Stadien zu gewinnen und das Schieksal der Eier zu entscheiden. Hin und wieder trifft man schon Eikerne und Furchungs- spindeln, deren Habitus, besonders in Bezug auf den Bau der Chromosome von den früher dargestellten abweicht, indem die Stäbehen etwas verschwommen, nicht scharf begrenzt erscheinen und sich weniger färben; ob aber diese Bilder als abnorm zu beurtheilen sind, kann ich nieht entscheiden, weil die Ursache auch in einem verschiedenen Ausfall der Conservirung liegen kann. Ich beginne deshalb die Darstellung sofort mit einem Ei, wasserhelle Eihäute im zerknitterten Zustande sich zwischen den übri- gen Eiern vorfanden. Ein Paar unverletzte Eier enthielten innerhalb der zarten Eihaut ebenfalls noch fertig entwickelte Embryonen, die übrigen von einer zarten Eihaut umgebenen Eier besassen keinen Embryo in ihrem Inneren, sondern liessen durch Pressen zwischen Glasplatten aus der zerrissenen Eihaut eine reichliche Dottermasse hervorquellen, welche aus sehr vielen dicht aneinander klebenden Dotterzellen bestand. von denen eine jede zwischen den Dotterkörnchen einen Kern umschloss, der einem hellen Eiweisströpfehen ähnlich sah“, Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies ete. 191 über dessen Beurtheilung kein Zweifel aufkommen kann, nämlich mit einem zweizelligen Stadium, das im Uebergang zum vierzelli- gen sich befindet. Während bei den meisten Eiern, die in demselben Uterus liegen, die erste Furche völlig durchgeschnitten, das Ei in zwei gleich grosse Hälften zerlegt hat, und die Kerne bereits zur neuen Theilung sich vorbereitet haben oder in derselben begriffen sind, sind einige Eier vorhanden, bei welchen die Furche gar nicht oder nur eine verschieden weite Strecke von der Oberfläche in den Dotter eingedrungen ist. Bei dem Ei (Fig. 60) liegt in der Mitte zwischen den Rändern der Furche eine oder richtiger zwei unregelmässig gebaute Kermfiguren. Das Chromatin ist in jeder dreistrahlig angeordnet und nach je drei Seiten sieht man Fasern ausgehen und sich in drei Centren vereinigen, in denen ich aber keine Centrosome erkennen konnte. Um die ganze Figur befindet sich ein ziemlich grosser dotterfreier Protoplasma- hof, der sich zu gleichen Theilen auf die zwei unvollständig ge- trennten Zellen vertheilt. Es würde zu weit führen und auch ohne grossen Werth für den hier behandelten Gegenstand sein, wollte ich alle Sta- dien, welche ich gesehen habe, in ausführlicher Weise darstellen. Da die Figur stets auf mehrere Schnitte sich vertheilte, und auch durch Combination der Theilfiguren, besonders später, wo das Bild sehr complieirt wird, ein völlig sicherer Ueberblick nicht zu gewinnen war, so beschränke ich mich hier auf eine kurze Uebersicht über den allgemeinen Verlauf der abnormalen Entwicklung, zumal die Figuren ja klar erkennen lassen, dass die pluripolaren Spindeln mit denjenigen ganz übereinstimmen, welche an günstigeren Objeeten von Arnold (1, 2), Schott- länder (46), O. und R. Hertwig (29, 32), Henneguy (26), Hansemann (25), Kostanecki (34) u. a. beobachtet worden sind. Im achtzelligen Stadium (Fig. 61)!) sehen wir den Rest der ersten Furche noch, neue sind nicht aufgetreten, dagegen ist die Kernfigur grösser geworden, und die Masse des Chromatins hat zugenommen; die Figur erscheint emheitlicher durch die engere 1) Die Angaben, auf welchem Stadium die Eier sich befinden, beziehen sich natürlich auf die in demselben Uterus liegenden, normal sich entwickelnden Eier, wie oben näher ausgeführt ist. 192 August Brauer: Verbindung der Aegqnatorialplatten und der Fasersysteme der Kerne. In Folge der verschiedenen Wirkung der von verschie- denen Seiten die Chromosome fassenden Spindelfasern kommt nicht eine einzige gerade Aequatorialplatte mehr zu Stande, son- (dern das Chromatin wird in mehreren, aber zusammenhängenden Platten angeordnet. Das in der Fig. 61 dargestellte Bild, wel- ches ein mittleres, grösseres und zwei von dessen Enden aus- gehende, eingekniekte Stücke zeigt, ist häufig zu finden. Verschiedene Zwischenstadien, die ich nicht näher be- schreibe, weil sie doch immer ein mehr oder minder ähnliches Bild geben, lassen erkennen, dass aus den meisten pluripolar gebauten Spindeln, besonders in etwas älteren Stadien, nicht inehrere Kerne hervorgehen, sondern nur ein einziger grosser, der mit jedem Stadium wächst. Nach der Aehnliehkeit mit nor- malen Bildern zu urtheilen, findet nach der Spindelbildung, viel- leicht auch erst, nachdem ein Versuch der Trennung der Tochter- platten gemacht ist, eine Vertheilung der Chromatinkörner in einer Kernvacuole oder in mehreren, dann aber meist zusammen- hängenden statt; man findet vollständige Ruhestadien. Es folgt die Ausbildung der Chromosome für die nächste Theilung ; so zeigt z. B. Fig. 65 einen Kern (eines etwa 32zelligen Stadiums) mit zahllosen kurzen, gekrümmten Stäbchen kurz vor der Aus- bildung einer neuen Spindel. Da der Kern mit jeder Theilung in Bezug auf seinen Umfang und seine Uhromatinmasse wächst, so folgt daraus, dass auch hier das Ruhestadium wie gewöhnlich die Bedeutung hat, Wachsthum und Spaltung des Chromatins zu ermöglichen. Dass allerdings die wieder sich ausbildenden Chro- mosome normal beschaffen sind, möchte ich bestreiten. Ich habe viele Kerne, die kurz vor der Anordnung der Chromosome in der Aequatorialplatte standen, mit starken Vergrösserungen durch- mustert, um eventuell eine Zählung zu versuchen und den Bau festzustellen, aber der Versuch scheiterte stets an der ungleich- mässigen, abnormen Form derselben. Während einige die Gestalt von Stäbchen, die aber in demselben Kern verschieden lang waren, hatten, waren andere zu mehreren zu einem Faden ver- knüpft; bei allen erschienen die Ränder nicht scharf abgesetzt, die Färbung war keine distinkte, sondern diffus. Oft liess sich auch eine helle Linie in denselben erkennen, die wohl mit einer Spaltung zusammenhängen dürfte, aber dieselbe ging nicht con- Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies etc. 193 tinuirlich durch das ganze Stäbchen oder den langen Faden, sondern überall fand man zwischen den beiden Hälften noch kleine, aber klar genug hervortretende chromatische Querbrücken (Fig. 64), so dass z. B. das lange Chromatinband, welche Form die Aequatorialplatte hatte, wie durchlöchert erschien. Es ist mir deshalb zweifelhaft, ob die Theilung über den Versuch einer Trennung der Tochterplatten hinauskommt. Je weiter die Furehung an den normalen Eiern fortschreitet, um so eomplieirter werden die Kernfiguren in den abnormen, in- dem das Chromatin in immer zahlreicheren Aequatorialplatten vertheilt, diese in mannigfachster Art, meist sternförmig (Fig. 62), angeordnet werden, und die Fasersysteme an Zahl zunehmen. Doch schon wenn man sich dem Endstadium der Furchung, der Blastula, nähert, werden pluripolare und überhaupt Spindeln in den abnormen Eiern seltener. An Stelle der noch ziemlich regelmässig zusammengesetzten Aequatorialplatten und der deutlichen Fasersysteme, treten Fi- guren auf, in denen das Chromatin zum Theil in Körmnern zer- streut liegt, und die jeglichen regelmässigen Bau vermissen lassen, so dass man sie kaum noch als Spindeln bezeichnen darf. Da- gegen werden ruhende Kerne von grossen Dimensionen, welche deshalb besser Riesenkerne genannt werden, häufiger. Offenbar ist das Theilungsvermögen verloren gegangen, und eine Ausbil- dung der Spindel unmöglich, sei es, weil das Chromatin so mas- senhaft geworden ist, dass eine Ausbildung und Anordnung der Chromosome nicht mehr bewirkt werden kann, oder weil die Öentrosome, bezw. Spindelfasern zu Grunde gehen. Die Riesen- kerne zeichnen sich immer durch die intensive blauschwarze Färbung auf den Präparaten aus, welche darin ihren Grund hat, dass die Vacuole mit dieht gedrängten, grossen nnd kleinen Chromatinkörnern vollständig erfüllt ist. Die Lage solcher Rie- senkerne kann wechseln, bald findet man ihn im Centrum, bald mehr der Peripherie des Eies genähert (Fig. 65, 67). Wie ein Vergleich älterer, kurz vor dem Naupliusstadium stehender Eier mit jüngeren zeigt, dauert das Wachsthum des Chromatins immer noch fort. In einzelnen Fällen (Fig. 66) konnte ich auch zwei Riesenkerne finden, die vielleicht ihre Entstehung einer in den ersten Stadien der Furchung wirklich erfolgten Theilung einer Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 13 194 AugustBrauer: Spindel und einer dann folgenden selbstständigen Ausbildung eines jeden Kernes zu einem Riesenkern verdanken. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass man die Riesen- kerne nicht nur in Subitan-, sondern auch in Dauereiern findet (Fig. 67). Neben dem im Vorigen skizzirten Entwicklungsgang lässt sich noch ein anderer verfolgen. Die folgenden Fälle zeigen noch geringe Abweichungen und dürften sich dem ersteren noch einfügen lassen. Es braucht näm- lich nieht immer nach dem Spindelstadium das Chromatin nur in einer Vacuole sich zu vertheilen, sondern es kann sich jede Platte der pluripolaren Spindel zu einem Kern ausbilden, so dass viele Kerne um ein gemeinsames Centrum gruppirt werden und ein mehr traubenförmiges Gebilde entsteht (Fig. 68) oder es kann, allerdings selten, auch eine reihenförmige Anordnung der Keme vorkommen (Fig. 69). "In anderen Eiern fand ich Strahlungen mit Centrosomen ganz isolirt, unabhängig vom Chromatin (z. B. Fig. 70). Bedeutender aber ist die Abweichung in folgenden Fällen, und sie verdienen eine besondere Betrachtung. Während allen oben besprochenen Eiern das Gemeinsame zukommt, dass keine Zelltheilung erfolgt ist, ist dieses bei den folgenden in mehr oder minder hohem Grade der Fall. Ganz vereinzelt habe ich Eier getroffen, weiche im Anfang ziemlich normal sich abgefurcht hatten (Fig. 71). Das Ei setzt sich aus mehreren, wenn auch ungleich grossen Zellen zusammen ; ein Theil von ihnen hatte etwa die Grösse der Zellen eines acht- zelligen Stadiums, eine dagegen war bedeutend grösser, und in ihr lag”eine Kernfigur, welche durch ihren Bau deutlich zeigte, dass sie durch Verschmelzung mehrerer Kerne entstanden ist. Dass die Furchung hier völlig regelmässig verlaufen ist, das heisst also, dass das Ei zuerst in zwei, dann in vier gleich grosse Zellen sich getheilt hat, und dann erst bei der nächsten Theilung die Entwicklung in einer, bezw. zwei benachbarten Zellen einen ab- normen Verlauf eingeschlagen hat, möchte ich bezweifeln. Mir ist wahrscheinlicher, dass die erste Furche nieht vollzogen ist, dass aber die zwei ersten Kerne sich getrennt haben und dass der eine sich regulär weiter getheilt und seine Abkömmlinge dann einen Theil des Eies abgefurcht haben, der andere dagegen ab- Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies etc. 195 norm sich weiter entwickelt hat. Hierfür spricht, dass in dem Ei ausser der abnormen Kermfigur nur noch 4 Kerne zu zählen sind. Wie gesagt, sind derartige Fälle sehr selten; in allen übri- gen Eiern war durch später erfolgende unregelmässige Zerklüf- tung und Abfurchung nur eines Theiles das Ei in eine verschie- dene Zahl von Zellen zerlegt worden. Es scheint, dass hier die ersten Furchungskerne im ungetheilten Dotter sich vertheilt und später zum Theil die ihnen anliegende Masse abgegrenzt haben, zum Theil scheinen einige Kerne auch in kleine Körner zerfallen zu sein (Fig. 74, 75), zum Theil zur Bildung eines Riesenkernes sich vereinigt zu haben. Leider war es mir, weil ich über die ganze spätere normal verlaufende Entwicklung noch nicht völlige Klarheit gewonnen habe, nicht möglich zu constatiren, ob aus den getrennten Zellen sich bestimmte Organe und welche ent- wickeln. Zuweilen zeigen sich Zellen derart regelmässig zusam- mengeordnet, wie in einem normalen Ei. In Figur 72 zum Bei- spiel ist das Eetoderm, allerdings nur auf der einen Seite, entwickelt, während alles Chromatin der das Uebrige lefernden Kerne in einem Riesenkerne vereinigt liegt. Im Ei der Fig. 74 ist ein noch grösserer Theil des Eetoderms ausgebildet, daneben ist das Mesoderm durch Körner vertreten. Der Rest des Ectoderms und das völlig fehlende Entoderm dürfte wohl in den vielen grossen Chromatinkörnern an dem einem Ende des Eies zu suchen sein. Die letzte Figur 75 endlich stellt ein Ei dar, dessen Entoderm gut ausgebildet ist, vom Eetoderm etwa ebenso viel wie in dem zuletzt besprochenen Ei; dort aber, wo das Mesoderm sein sollte, liegen zum Theil Kerne, zum Theile viele kleine Chromatin- körner. Derartige Eier liessen sich auch auf noch älteren Stadien nachweisen, aber in allen, selbst wenn sie deutlich Organe des Nauplius entwickelt zu haben schienen, war immer nur ein Theil abgefurcht, ein anderer von der Entwicklung völlig unberührt geblieben. IM. Die Beurtheilung der abnormen Bilder wird wesentlich von der Entscheidung der Frage abhängen, ob die Ursachen für die abnorme Entwicklung in zufälligen, ungünstigen Lebensbedingun- 196 August Brauer: gen wie z. B. die Echinodermeneier im Frühjahr 1887 in der Adria durch den kalten Nachwinter geschädigt wurden (O. Hert- wig 29), oder in anderen äusseren Verhältnissen zu suchen sind oder ob sie in der inneren Organisation des Eies selbst liegen, und in einem Zusammenhang mit der parthenogenetischen Ent- wicklung stehen. Im ersteren Falle würden wir den Beobach- tungen nur denselben Werth beimessen wie allen übrigen bisher gemachten über abnorme Entwicklung, im letzteren dagegen könn- ten wir hoffen, einen Schritt weiter vorwärts zu thun in der Lö- sung der Fragen, unter welchen Bedingungen ist eine Entwick- lung eines Eies ohne Befruchtung überhaupt möglich, und in welcher Weise hat sich Parthenogenese ausgebildet. Die erstere Möglichkeit möchte ich auf Grund folgender Erwägungen völlig ausschliessen. Die Lebensbedingungen, welche die Artemia in der Saline hat, sind im Grossen und Ganzen wäh- rend der Zeit ihres Betriebes die gleichen ; selbst starke Regen- güsse, die auch im Anfang der Zeit, wo ich sammelte, zuweilen vorkamen, können dem Thier nieht schaden, weil dasselbe als- dann sich solange in die tieferen salzreicheren Schichten der klei- nen Löcher an den Ecken jeder Saline, in denen sie lebt, zurück- zieht, bis durch die in Folge der grossen Hitze rasch vor sich gehende Verdunstung der normale Salzgehalt im ganzen Bassin wie- der hergestellt ist. Aber selbst wenn derartige zufällige, schädliche Bedingungen eintreten würden, so würde man wohl eher erwarten dürfen, dass die ganzen Thiere hiervon getroffen würden und nicht nur die im Uterus liegende Brut, oder dass wenn die Eier geschädigt werden sollten, alle Eier und nicht nur einzelne ab- norm sich entwickeln würden. Ferner waren alle Thiere, welche ich erhalten habe, stets erst an demselben Morgen in aller Frühe gefangen worden und kamen völlig frisch in meine Hände. Die Menge von Nauplien und anderen Larven sowie die kräftige Kier- produktion seitens aller erwachsenen Weibchen beweisen zur Ge- nüge, dass die Thiere nicht krank waren. Da dieselben noch an demselben Tage getödtet wurden, so ist die Vermuthung, das Leben im Aquarium könnte einen schädigenden Einfluss auf die Entwieklung gehabt haben, nicht begründet. Am entscheidendsten ist mir aber die Thatsache, dass die abnorme Entwicklung bei den einzelnen Eiern nicht auf irgend einem beliebigen, stets ver- schiedenen Stadium begonnen hat, wie man bei emer Schädigmng Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies ete. 197 durch zufälliges Eintreten ungünstiger Lebensbedingungen erwarten sollte, sondern dass der Anfang derselben bei allen Eiern in die- selbe Zeit fällt, nämlich in die Zeit, wo die Entwicklung des Eies beginnt. In dieser Auffassung der abnormen Bilder muss man be- stärkt werden, wenn man die Beobachtungen, welche man bisher über die Entwieklung von Thieren, bei welchen die Parthenoge- nese nicht regelmässig, sondern wie bei Artemia nur exceptionell auftritt, mit den meinigen vergleicht. Es wird genügen, einige am besten beglaubigte Fälle herauszuwählen, und zwar diejenigen von Bombyx mori, Liparis dispar und Aglıa tau. Von den zahlreichen Angaben über den Seidenspinner greife ich nur folgende heraus, die von von Siebold (47T) nnd Leu- kart (37) gegeben worden sind. Der letztere erhielt von Gundelach „eine Anzahl Seiden- spinnereier, die mit vielen anderen nach 24 stündigem Zögern von einem unbefruchteten Seidenschmetterling abgelegt waren. Gundelach, der den Rest behielt, gab später an, dass seine Eier unverändert geblieben seien, allein mit den mir übergebenen Eiern verhielt es sich anders. Vielleicht der vierte Theil der- selben durchlief in den folgenden Wochen jenen eigenthümlichen Farbenwechsel, der schon seit lange als charakteristisches Zeichen der beginnenden Embryonalentwicklung bekannt ist. Zu einer vollständigen Entwicklung des Embryo brachten es übrigens nur einige wenige Eier und auch bei diesen kam es nicht bis zum Ausschlüpfen der Räupchen. Trotz des Farbenwechsels ver- schrumpften die Eier gegen Ende des Winters ebenso, wie es die übrigen gelb gebliebenen Eier schon früher gethan hatten. Die zwei oder drei am weitesten entwickelten Eier enthielten ein zusammengetrocknetes, doch bereits deutlich erkennbares Räupchen. Diese Beobachtung war mir um so interessanter, als ich aus einer älteren Mittheilung von Herold entnehmen durfte, dass solche Fälle eines frühzeitigen Absterbens bei unbefruchteten Seidenspinnereiern eben nicht selten sind und jedenfalls viel häufiger vorkommen, als bei befruchteten* (p. 50). Zu einem ganz ähnlichen Resultat führten die Versuche von Siebold’sund Schmid's. Ueber des letzteren Versuche berichtet-von Siebold (l. ec. p. 133): „Was die Zahl der le- bensfähigen Eier betrifft, welehe Schmid von 24 unbefruchteten 198 AugustBrauer: Seidenspinnern erhalten, so bemerkte derselbe, dass keiner dieser unbefruchteten Schmetterlinge lauter lebensfähige Eier legte, son- dern dass von einem und demselben Individuum hintereinander unregelmässig wechselnd bald lebensfähige, bald nicht lebens- fähige Eier gelegt wurden, indem nach 4 oder 10 oder 15 lebens- fähigen Eiern gleich wieder ebenso viele oder mehr oder weniger Eier ohne Lebensfähigkeit gezählt werden konnten ; zuweilen wurden ganze Haufen von Eiern gelegt, unter denen nur 1, 2, 3 oder 4 lebensfähige Eier zu bemerken waren.“ Weismann (57) hat „in Gemeinschaft mit Ischikawa ver- schiedene Schmetterlingseier, welche unbefruchtet geblieben waren, auf ihre Entwicklungsfähigkeit untersucht und konnte beobachten, dass in der That einzelne Eier in die Embryogenese eintreten, dass von diesen aber die meisten auf einem früheren oder spä- teren Stadium stehen bleiben und nur ganz wenige es bis zur vollen Ausbildung des Räupchens bringen. So erhielten wir von vielen (etwa 100) unbefruchteten Eiern von Aglıa Tau nur ein völlig ausgebildetes Räupchen, viele Eier schrumpften nach einigen Tagen, andere aber blieben prall, und diese zeigten dann meist eine grössere Anzahl von Blastodermzellen im Dotter, entwickelten sich sehr langsam und wohl auch unregelmässig weiter und hielten sich so einen ganzen Monat lang, bis auch sie schrumpften und zu Grunde gingen“ (p. 104). Ueber die Parthenogese von Liparis dispar liegt mir leider nur eine Angabe vor, welche Genaueres über die Zahl der ent- wiekelten und unentwickelten Eier enthält, nämlich die von 3ock’s (11). Von einer grossen Anzahl von unbefruchteten Eiern, die von zwei Weibchen abgelegt waren, waren nur 20—25 ausgekommen. Die mitgetheilten Beobachtungen zeigen also dieselbe auf- fallende Erscheinung wie die meinigen über Artemia, dass näın- lich, wenn eine Befruchtung nicht stattfand, nur ein Theil der abgelegten Eier sich normal entwickelte, bei den übrigen dagegen entweder der Beginn der Entwieklung überhaupt nieht constatirt werden konnte oder dass sie verschieden weit fortzuschreiten schien, aber nicht beendet wurde. Diese Uebereinstimmung zwi- schen Thieren, bei welchen die Parthenogenese nur exceptionell auftritt, muss uns einmal in der Ansicht bestärken, dass die Ur- sache der Nichtentwicklung nieht in einer zufälligen, ungünstigen Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies ete. 199 Aenderung der Lebensbedingungen zu suchen ist, sondern in Ver- hältnissen, welche mit dem Ausbleiben der Befruchtung in einem Zusammenhang stehen, und ferner lässt sie vermuthen, dass weil das Resultat ein gleiches ist, auch die Ursache in allen diesen Fällen dieselbe sein wird. Die zu beantwortende Frage kann dleshalb schärfer in der Weise gefasst werden: lassen sieh mor- phologische Vorgänge nachweisen, welche nur bei einigen Eiern, nicht bei allen auftreten oder welche bei den einen anders als bei anderen verlaufen? Da wir gesehen haben, dass bis zur be- endeten Abschnürung des ersten Richtungskörpers kein Ei Unter- schiede aufweist, alle sich gleichmässig verhalten sowohl was die Zeit wie den Verlauf der Processe betrifft, und da wir anderer- seits mit ziemlicher Bestimmtheit feststellen konnten, dass fast in allen Fällen die abnorme Entwicklung bereits mit dem Zeitpunkte, wo die erste Furche aufzutreten pflegt, ihren Anfang nahm, so ist das Gebiet, in dem sich obige, vermuthete Vorgänge abspielen könnten, sehr eng begrenzt, es liegt nämlich zwischen dem Zeit- punkt der beendeten Abschnürung des ersten Richtungskörpers und der Bildung der Furchungsspindel. Wie die Untersuchung gelehrt hat, wird entweder nur ein einziger Richtungskörper ge- bildet und abgeschnürt, oder es wird auch der zweite gebildet, aber nieht aus dem Ei entfernt, sondern in demselben zurück- behalten, und er wandelt sich zum Kern um und fügt sein Chro- matin zu dem des Eikerns in der Furchungsspindel. Die Bedeu- tung dieser Abweichungen von einer normalen Reifung eines befruchtungsbedürftigen Eies wird ohne weiteres darin zu sehen sein, dass das Ei von Artemia dieselbe Chromatinmasse erhalten soll wie ein befruchtungsbedürftiges; besonders das Schicksal des zweiten Richtungskörpers drängt nothwendig zu dem Schluss, dass er die Chromatinmenge, die dem Ei durch das Ausbleiben des Spermakerns fehlt, ersetzen soll. Da wir in beiden Fällen mit ziemlicher Sicherheit feststellen konnten, dass derartig reifende Eier entwicklungsfähig sind, so liegt es nahe für die abnorme Entwicklung vieler Eier die Ursache darin zu suchen, dass sie nicht die nothwendige Ohromatinmasse besitzen und zwar, dass ihnen diese genommen ist dadurch, dass der zweite Richtungs- körper nicht nur gebildet, sondern auch abgeschnürt ist, und ein Ersatz seines Chromatins nicht stattgefunden hat. Einen Beweis für diese Annahme durch Beobachtungen zu 200 AugustBrauer: bringen, ist leider mit grossen Schwierigkeiten verknüpft, weil man zu sehr dem Zufall überlassen ist. Selbst wenn es gelänge, Eier zu finden, die im Begriff sind, den zweiten Richtungskörper abzuschnüren und derart günstig orientirt sind, dass man von diesem Vorgange ein klares Bild gewinnt, so würde damit doch nicht der volle Beweis erbracht sein, dass dieses Ei sich auch wirklich abnorm entwickelt hätte. Andererseits ist es wieder schwer, an Eiern, die sich abnorm entwickeln, noch den zweiten Riehtungskörper aufzufinden, weil er, wie man aus dem Schicksal des ersten und aus den Beobachtungen bei Branchipus wohl ohne Weiteres schliessen darf, von der Abschnürungsstelle entfernt wird, und das Auffinden am Ei nicht so einfach ist, und man selbst dann nicht sicher ist, dass man auch wirklich den zweiten und nicht etwa den ersten, der, wie wir wissen, in einzelnen Fällen auch erst nach der Bildung der Dotterhaut abgeschnürt werden kann, vor sich hat. Ich habe derartige Gebilde, welehe meiner Ueber- zeugung nach nur zweite Richtungskörper waren, häufiger an solchen Eiern aufgefunden, aber ich muss die Möglichkeit, dass es auch erste sein können, zugestehen. Ebenso ist es möglich, dass die Bilder wie z. B. Fig. 46 eins zeigt, hierher gehören ; auf ihnen erschemt nämlich die im Ei verbliebene Tochterplatte des ersten Richtungskörpers breiter als in den meisten Fällen, besonders sind die Chromosome nicht so eng zusammengedrängt, wodurch sie ganz das Aussehen gewann wie eine solche von Branchipus, die sich zur zweiten Spindel vorbereitet. Vielleicht ist sie ähnlich zu deuten, dass also hier dıe Bildung und Ab- schnürung des zweiten Riehtungskörpers so vor sich gehen wird wie bei einem befruchtungsbedürftigen Ei. Einige Fälle sind mir aber zur Beobachtung gekommen, deren Beurtheilung keinem Widerspruch begegnen wird und welche die oben gemachte Annahme wesentlich stützen werden. Die Fig. 47 zeigt ein Ei, das in der Abschnürung des zweiten Rich- tungskörpers begriffen ist. Ein Vergleich mit den Figuren auf Tafel VIII dürfte genügen, um den Einwand, es möchte der erste sein, zurückzuweisen. Ausserdem lehren die übrigen, in dem- selben Uterus liegenden Eier, dass das Stadium der Bildung des ersten Richtungskörpers bereits lange überschritten ist, indem der Eikern sich nicht nur ausgebildet hat, sondern auch schon eine Strecke weit von der Peripherie abgerückt ist. Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies etc. 201 Die Fig. 45—50 führen drei sehr interessante Fälle vor. Hier ist das Ei bemüht, den zweiten Richtungskörper, welcher fast abgeschnürt worden ist, wieder einzubeziehen, und, wie man sieht, ist der Versuch verschieden weit vorgeschritten. Ob hierbei aller- dings das Ei oder der Richtungskörper der aktive Theil ist, möge vorläufig dahin gestellt sein bleiben. In allen drei Fällen sehen wir die im Ei verbliebene Hälfte der zweiten Richtungsspindel bereits zum Eikern umgewandelt; das Chromatin hat sich schon in einem feinen Netzwerk von Linin gleichmässig vertheilt. Ausser dem Eikern finden wir noch einen zweiten Kern, der auch be- reits ein feines Chromatingerüst zeigt; derselbe liegt in Fig. 49 und 50 dem ersteren dieht angeschmiegt, in Fig. 48 dagegen etwas von ihm entfernt, aber durch eine achromatische, faserige Brücke (s) verbunden mit demselben. Nach der Eiperipherie zu geht von allen diesen drei Kernen ein kanalartiger Fortsatz aus und mündet hier in einen bei den drei Eiern verschieden grossen ehromatinhaltigen Körper. In Fig. 48 und 49 liegt der letztere frei; er erscheint nackt, in der Fig. 49 auch noch in zwei Stücke getheilt oder vielleicht nur eingesebnürt, dagegen ist er in Fig. 50 von einer unregelmässig begrenzten Protoplasmamenge einge- schlossen. Der Kanal selbst tritt in den ersten zwei Eiern we- niger scharf hervor als in Fig. 50, was darin seinen Grund hat, dass hier derselbe mit Chromatinkörnern dieht erfüllt ist. Die Deutung, die man diesen Bildern geben kann, muss meiner Ansicht nach die oben angegebene sein, dass also die drei Eier den zweiten Richtungskörper nicht nur gebildet, sondern auch fast abgeschnürt haben, nun aber wieder versuchen, ihn wieder in das Ei zurückzuziehen. Wenn man den Strang s in Fig. 45 als den Rest der Verbindungsfasern der zweiten Rich- tungsspindel auffassen könnte, so würde der ganze Process der Einbeziehung verständlich erscheinen, da die Annahme, dass der Richtungskörper selbstständig wieder einwandert, wohl ausge- schlossen werden kann. Wir könnten dann schliessen, dass wie bei den Eiern, die nach dem zweiten Modus reifen, die Trennung der Tochterplatten erfolgt ist, nun aber, bevor die völlige Ab- schnürung geschieht, die im Ei bleibende Hälfte zum Eikern sich umzuwandeln und in die Tiefe von der Peripherie fortzurücken beginnt und hierdureh die andere Hälfte, mit der sie noch in Verbindung geblieben ist, nach sich zieht. In den Fällen der 202 AugustBrauer: Fig. 485—50 wäre die Abschnürung nur einen ziemlich grossen Schritt weiter erfolgt als gewöhnlich, indem hier der Richtungs- körper schon aus dem Ei ausgetreten ist. Ob diese Eier ent- wicklungsfähig gewesen wären, möchte ich bestreiten, da entweder die Einbeziehung der chromatischen Substanz nieht vollständig glückt, wie es z. B. Fig. 49 vermuthen lässt, oder dieselbe sieh ungleichmässig entwickelt, indem ein Theil, der in der Kernva- euole bereits befindliche, schon in einem Gerüst vertheilt ist, also wachsen kann, während der andere noch unverändert ausserhalb des Eies liegt, und da ferner die starke diffuse Färbung des Kern- saftes der Kerne in Fig. 49 und 50 auf eine pathologische Ver- änderung deutet. Eine Erwähnung verdient noch die Protoplasmamasse, welche in Fig. 50 das ausserhalb des Eies liegende Chromatin einschliesst, weil sie eine auffallende Uebereinstimmung mit der bei anderen Eiern beobachteten (s. 0.) zeigt. Da sie unzweifelhaft zum zwei- ten Richtungskörper gehört, und da die früher beobachtete auch zu dieser Zeit zuerst gefunden wurde, nämlich nach Abschnürung des ersten Richtungskörpers und vor Bildung des Eikerns, so kann man an einen Zusammenhang denken und zwar in der Weise, dass bei der Bildung des zweiten Richtungskörpers die Zelltheilung noch erfolgt, aber die Tochterplatte nicht überge- führt wird, sondern im Ei zurückbehalten wird. Dadurch könnte die räthselhafte Bildung vielleicht eine Erklärung finden). Aehnliche Beobachtungen über die Umwandlung des zweiten Richtungskörpers zu emem Kern sind von Boveri (12, 1 u. 5) und O0. Hertwig (29) bei Ascaris, Pterotrachea und Astera- canthion gemacht worden, also bei Thieren, wo eine parthenoge- netische Entwicklung bisher gar nicht oder nur einmal beobachtet wurde. Sie constatirten, dass der erste Richtungskörper abge- schnürt worden war, der zweite gebildet, aber im Ei zurückge- 1) Sollte die obige Deutung richtig sein, so müsste man die Fig. 34, welche ich als das Stadium der fertigen zweiten Spindel be- zeichnet habe, insofern anders beurtheilen, als die Bildung des Proto- plasmahügels, die hier schon erfolgt ist oder erfolgt, bereits das Ende der zweiten Theilung anzeigen würde. Doch dürfte es nicht zweifel- haft sein, dass ein ähnliches Stadium, wie das in Fig. 34 dargestellte, unbedingt in die Reihe der Eier hineingehört, welche nach dem zwei- ten Modus reifen. Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies ete. 203 halten wurde und hier wie die andere Tochterplatte zum Kern sich umgewandelt hatte. Zur weiteren Stütze der vorgetragenen Hypothese mögen endlich noch einige Angaben über das Schicksal von Kernen, welche nur mit halber Chromatinmasse ausgerüstet sind, hinzu- gefügt werden. Die betreffenden Beobachtungen beziehen sich auf Polyspermie bei Echinodermeneiern (O.u. R. Hertwig 29, 32) und bei Selachiereiern (Rückert 43). In beiden Fällen wurden pluripolare Mitosen, complieirte Kerntheilungsfiguren und Riesenkerne beobachtet. „Bemerkenswerth erscheint“, schreibt Rückert, „dass die redueirten Merocytenkerne von Torpedo“, welche er als Abkömmlinge von Spermaköpfen nachgewiesen hat, „schon während und unmittelbar nach ihrem Austritt aus der Keimscheibe theilweise die Neigung zeigen, sich mit einander zu vereinigen, was im Anschluss an vollzogene Theilungen zu ge- schehen scheint. Es bilden sich auf diese Weise schon frühzeitig vereinzelte pluripolare Mitosen aus, deren einzelne Abtheilungen übrigens die verringerte Zahl der Chromosomen erkennen lassen. Auch eine Verbindung der chromatischen Theile der Kermfigur kann dabei zu Stande kommen. Vielleicht entstehen die Riesen- kerne, welche in späteren Stadien in grosser Zahl im Dotter sich finden, durch solche Verschmelzungen und nicht allein durch aussergewöhnliches Wachsthum der Kerne.“ Wenn man nun auch anerkennen wird, «dass die Beurtheilung der mitgetheilten Beobachtungen über Artemia und ferner der- jJenigen, welche über Eier, welche nicht regelmässig, sondern nur faeultativ parthenogenetisch sich entwickeln, vorhanden sind, und anderer, welche die Frage berühren, eine richtige und die hier- auf fussende Hypothese eine begründete ist, so wird man dieses wahrschemlich nur für bestimmte Fälle zugestehen und zum Be- weise, dass eine Verallgemeinerung unzulässig ist, auf die Beob- achtungen Blochmann’s und Platner’s hinweisen, welche zu beweisen scheinen, dass eine normale Entwicklung eines Eies auch mit halber Chromatinmasse möglich ist, indem sie nämlich beobachteten, dass bei den parthenogenetischen Eiern von Apis (10) und Liparis (42) zwei Richtungskörper abgeschnürt werden. 204 August Brauer: Würden sie in der That diesen Nachweis enthalten, so würde meiner Ansicht nach der Hypothese jeder Boden entzogen werden. Ich bin erstaunt gewesen darüber, dass man diese Angaben ohne jede weitere Kritik als beweisend hingenommen hat und zur Erklärung dieser Ausnahmen zu sehr künstlichen Hilfshypo- thesen gegriffen hat. So lange sich gegen die Beobachtungen wichtige Bedenken äussern lassen, so lange scheint es mir un- nöthig zu sein, die sonst gut begründete Hypothese fallen zu lassen. Dass bei Liparis, wenn das Ei nicht befruchtet wird, zwei Richtungskörper gebildet werden können, darüber kann nach den bestimmten Angaben Platner’s nicht der geringste Zweifel auf- kommen. Denn er sagt: „Die beiden Tochterplatten der ersten Richtungsspindel gehen direkt in neue Spindeln über, ohne dass also ein Ruhestadium dazwischen eingeschaltet wäre. Diese bei- den Spindeln liegen hintereinander senkrecht auf die Oberfläche orientirt. Die innere stellt die zweite Riehtungsspindel dar; ihre Theilung schreitet rascher vor als die der äusseren Spindel, so dass sie ihr Ende nahezu erreicht hat, ehe die Metakinese der letzteren beginnt.“ „Von den aus der doppelten Theilung ent- standenen vier Kernen treten die drei äusseren an die Peripherie — Richtungskerne —, der vierte innere — weiblicher Pronu- eleus — rückt nach dem Spermakern hin, um mit diesem zu ko- puliren, oder in den parthenogenetischen Eiern an die diesem entsprechende Stelle unter dem animalen Pol. Die Wanderung des weiblichen Pronucleus ist also nicht von der Gegenwart des Spermakerns abhängig.“ Hat Platner somit bewiesen, dass das parthenogenetische Ei von Liparis dispar zwei Richtungskörper abschnüren kann, so ist damit aber durchaus noch nicht entschieden, dass derartige Eier auch entwicklungsfähig gewesen sind. Liparis gehört zu den Thieren, welche nur exceptionell parthenogenetisch sind. Aus den Angaben von von Bock wissen wir, dass bei Liparis nur ein Theil der Eier sich entwickelt, ein anderer nicht, falls die Befruchtung ausbleibt. Platner äussert sich hierüber leider nicht, doch lässt seine Angabe über die Lage der ersten Fur- chungsspindel bei parthenogenetischen Eiern auf einen unregel- mässigen Verlauf der Entwicklung in vielen Fällen schliessen. Sie lautet: „Die erste Furchungsspindel steht in den befruchteten Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies ete. 205 Eiern parallel zur Eiaxe, senkrecht auf die Kopulationsriehtung. Die gleiche Lage hat sie in den parthenogenetischen Eiern, je- doch kommen hier Abweichungen häufiger und in beträchtlicherem Maasse vor.“ Der einfache Befund von zwei Richtungskörpern gibt meiner Ansicht nach noch kein Recht zu dem Sehluss, dass immer zwei abgeschnürt werden. Es wäre dasselbe, wollte ich im Hinbliek auf die Bilder (Fig. 34, 35, 47) dieselbe Angabe für Artemia machen, die sicher falsch wäre. Und weiter muss man bedenken, dass in den Fällen, wo der erste Richtungskörper allein abgeschnürt wird, die erste Spindel nicht anders aussehen dürfte als bei befruchtungsbedürftigen Eiern, und dass ferner die we- nigstens oft eintretende Verschmelzung der Richtungskörper zu einer Masse auch nicht immer gestatten wird, ob in diesen Fällen drei verschmolzen sind oder nur die zwei Theile des ersten. Kurz vorläufig scheint mir noch nicht entschieden zu sein, dass stets bei Liparis das parthenogenetische Ei zwei Richtungskörper ab- schnürt. Hierfür scheint mir die Untersuchung eines weit grös- seren Materials und die Feststellung des Baues und der Zahl der Chromosome nothwendig. Für den anderen Fall, die Biene, ist, da hier so gut wie stets eine normale Entwicklung des unbefruchteten Eies erfolgt, eine gleiche Deutung wie für Liparis ausgeschlossen. Gegen die Untersuchung Blochmann s muss man zwei Einwände erheben : einmal ent- hält sie zu grosse Lücken; es sind nur sehr wenige Stadien be- schrieben, worauf der Nachweis, dass zwei Richtungskörper ab- geschnürt werden, sich gründet — Die zweite Richtungspindel fehlt zum Beispiel überhaupt! — und die wenigen Bilder sind durch- aus nicht so klar, um eine sichere Beurtheilung zu gestatten; und dann findet sich in derselben eine Angabe und zwar sehr wichtige, welehe wohl ohne grosse Bedenken als irrthümlich bezeichnet werden darf!). Bei Apis soll nämlich der zweite Richtungskörper sich theilen. „Bei Apis“ sagt Bloehmann (l.c.p. 88), „scheint recht häufig eine Theilung dieses zweiten Richtungskörpers vor- 1) Es bedarf kaum der Erwähnung, dass ich dem Forscher hier- aus durchaus keinen Vorwurf mache, weil das Bienenei ein schwer zu behandelndes Object ist und weil man zu der Zeit auf Zahl und Bau der Chromosome, kurz auf die Details noch nicht so viel Werth legen konnte wie heute und weil die hier behandelte Frage noch nicht so scharf gefasst war. 206 AugustBrauer: zukommen. In Fig. 5 und 6 lässt sich davon nichts erkennen, dagegen tritt dies in den den Figuren 7 und 8 zu Grunde liegenden Präparaten deutlich hervor. In Fig. 7 sehen wir an Stelle des zweiten Richtungskernes deutlich zwei getrennte Körnehengruppen, in Fig. 8 liegen dieselben noch näher zusammen und zwischen denselben ist eine Zellplatte angedeutet. Dass die Dreizahl der Körnchengruppen (Richtungskerne) nicht wie sonst durch eine Zweitheilung des ersten Richtungskernes zu Stande kommt, ist hier ganz sicher, da dieser stets direkt unter der Oberfläche des Eies und ziemlich weit von den beiden anderen Körnehengruppen getrennt liegt und da an ihm in keinem Präparat die Andeutung einer Theilung beobachtet werden konnte.“ Nach allen bisherigen Beobachtungen der neueren Zeit, wo man auf den Bau der Chro- mosome Gewicht gelegt hat, sind die Toechterehromosome der zweiten Richtungsspindel eintheilig gebaut, mithin zu einer Thei- lung nicht fähig, falls nicht etwa ein Ruhestadium, das aber noch niemals beobachtet ist, eingeschoben würde, während der erste Richtungskörper zweitheilige Chromosome besitzt und deshalb sich noch einmal theilen kann. Da gegenüber den bestimmten, oben mitgetheilten Angaben an eine Verwechslung des ersten und zweiten Richtungskörpers nicht zu denken ist, so bleibt meiner Ansicht nach nur übrig eine andere Deutung zu versuchen, nämlich diejenige, dass die zwei neben einander liegenden Chromatinportionen, welche Blochmann für die zwei Tochterplatten des zweiten Richtungs- körpers hält, nicht diese Bedeutung haben, sondern vielleicht nur die eine Tochterplatte des ersten darstellen, der sich, wie man weiss, ziemlich allgemein bei Insekten noch einmal theilt. Doch mag diese Vermuthung richtig sein oder nicht, jedenfalls darf wohl behauptet werden, dass die Blochmann schen Beobach- tungen ebenso wenig wie diejenigen Platner’s als genügend betrachtet werden können, um das durch zahlreiche Beobachtungen gut begründete Zahlengesetz der Richtungskörper zu Fall zu bringen. Meiner Ueberzeugung nach hat es volle Gültigkeit. Dass man aber trotzdem nur mit Vorsicht die Hypothese vertreten kann und vor allem keine Verallgemeinerung in dem Sinne wagen darf, dass ein Ei mit halber Chromatinmasse über- haupt nicht entwicklungsfähig ist, lehrt das bekannte Experiment Boveri’'s (13), die Befruchtung eines kernlosen Eistücks mit einem Spermatozoon und die Entwicklung eines normalen, nur Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies etc. 207 kleineren Embryos aus demselben. Indessen darf man wohl hier- bei auf einen Unterschied gegenüber den Arthropodeneiern, der nicht ohne Bedeutung sein dürfte, aufmerksam machen, dass es sich nämlich hier um ein Eistück, nicht um ein ganzes Ei handelt. In den Fällen bei Artemia äusserte sich die Wirkung des Man- gels an Chromatin vornehmlich darin, dass eine Theilung des Eies unterblieb, dass die ersten Furchen wohl einzuschneiden be- gannen, aber nieht das Ei vollständig zerlegten. Dagegen findet man in anderen Fällen und auch bei anderen Thieren, dass, wenn erst mehrere Kerne gebildet und diese durch den Dotter vertheilt sind, dann eine Zerklüftung des Eies möglich ist, wobei jeder Kern eine anliegende Parthie des Protoplasmas abschnürt. Ferner sehen wir, dass eine Entwicklung des ganzen Eies bei den Echinodermen im Falle von Nichtbefruchtung bisher noch nieht beobachtet wurde, vielmehr wenn ein Ansatz zu derselben gemacht wurde, der Nachweis erbracht wurde, dass der zweite Riehtungskörper nicht abgeschnürt worden ist. Um Missverständ- nissen vorzubeugen, möchte ich betonen, dass ich nicht der An- sicht bin, dass ein Ei mit halber Chromatinmenge, soweit die Qualität wichtig ist, nicht im Stande ist, einen normalen Embryo zu liefern, sondern dass ich glaube, dass die Quantität hier allein in Frage kommt, besonders für die ersten Theilungen des Eies. Man könnte entgegenhalten, dass, da man allgemein das Centrosom als das die Zelltheilung beherrschende und bewirkende Organ ansieht, die unterbleibende Zelltheilung ihren Grund nicht in einem Chromatinmangel, sondern in einer Schädigung oder zu geringen Grösse des Centrosoms haben muss. Es ist natürlich, dass diese Ansicht das Richtige treffen kann, zumal man es in der That zuweilen, aber durchaus nicht immer in solehen Fällen nicht so klar entwickelt gefunden hat wie sonst, aber es ist da- gegen zu bedenken, dass einmal in dem Experiment Boveri’s, das zu einem völlig normalen Resultat geführt hat, in der That nur ein Öentrosom von gleicher Grösse vorhanden gewesen ist, und dann dass es wenig glaublich ist, dass das Centrosom der zweiten Spindel anders beschaffen sein sollte als das der ersten, da in beiden Fällen eine mitotische Theilung vorliegt, und dass das der ersten völlig genügt, wie das parthenogenetische Ei zeigt. 208 Aueust Brauer: Wenn ich somit auch den obigen Beobachtungen, welche gegen die Richtigkeit der Hypothese, dass ein Ei mit halber Chromatinmasse nicht entwieklungsfähig ist, zu sprechen scheinen, nicht eine volle Beweiskraft zuerkennen kann, wie es von an- derer Seite geschehen ist, so liegt es mir doch fern, jede Mög- liehkeit, dass sie nicht richtig wäre, auszuschliessen, und sie für bewiesen zu halten. Hierfür bedarf es einer weit ausgedehnteren Untersuchung parthenogenetisch sich entwickelnder Eier, und vor allem kann hier meiner Ansicht nach das Experiment entschei- dend mithelfen. | Ich würde vollkommen befriedigt sein, wenn die Unter- suchung zu neuen Arbeiten in dieser Riehtung anregen sollte. Uebrigens glaube ich kaum, dass die vorgetragene Anschau- ung irgendwo auf besonders heftigen Widerstand *stossen wird. Denn sie wird bereits fast durchweg von allen Autoren, welche über die Frage, unter welchen Bedingungen ist Parthenogenese möglich, sich ausgesprochen haben, mehr oder minder vertreten; man kann sehen, dass der Grundgedanke der Hypothese, dass die Masse für die Entwicklung eines Eies von Wichtigkeit ist, schon aufgetaucht ist, ehe man über die Bedeutung der Riehtungskörper Klarheit gewonnen hatte. Die beiden Thatsachen, die Ausstos- sung der Riehtungskörper und die Aufnahme eines Spermatozoons, mussten nothwendig zu dem Schluss drängen, dass das, was durch die ersteren verloren geht, durch das letztere dem Ei wieder ersetzt wird, und hieran musste sich die weitere Folgerung knü- pfen, dass im Fall einer Nichtbefruchtung die Eier Nichts ab- geben dürfen. So spricht schon Balfour (3 p. 73) aus, dass „nach der Bildung der Polzellen der innerhalb des Eies zurück- bleibende Ueberrest des Keimbläschens (der weibliche Vorkern) zu weiterer Entwickelung unfähig ist ohne Hinzufügung des nu- celearen Theiles des männlichen Elements (des Spermatozoons, und dass, wenn keine Polzellen gebildet würden, normaler Weise Parthenogenesis eintreten müsste.‘“ Dieser Grundgedanke findet sich dann wieder bei Strasburger (50), Weismann (55—57), Boveri (12), O0. Hertwig (29)u. a. und wurde nur mit dem allmählichen Fortschreiten unserer Kenntnisse über die Bedeutung der Richtungskörper und über die Einzelvorgänge bei diesen Theilungen modifieirt. So bekam dureh die Entdeekung der Bil- Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies ete. 209 dung nur eines Richtungskörpers bei parthenogenetischen Eiern durch Weismann (55) und Bloehmann (9, 10) der Satz, dass die parthenogenetischen Eier keine Richtungskörper ab- sehnüren, folgende Fassung: „Der Unterschied zwischen parthe- nogenetischen und befruchtungsbedürftigen Eiern liegt darin, dass bei ersteren nur eine primäre Richtungszelle ausgestossen wird, bei den letzteren deren zwei* (Weismann 56 p. 16). Dieses Zahlengesetz der Richtungskörper schien sich anfangs durch die zahlreichen Beobachtungen Weismann’s und Ischikawa’s (58, 59), Bloehmann’s (9) u. a. als durchgängig richtig zu erweisen, bis die Beobachtungen Blochmann's und Platner’s, welche ich oben angeführt habe, dass nämlich bei den unbefruchteten Eiern von Apis und Liparis zwei Riehtungskörper abgeschnürt würden, das- selbe stark erschütterten. Man nahm dieselben als völlig ein- wandfrei hin und selbst Weismann, der das Gesetz durch Beobachtungen und durch seine ausgezeichneten, stets anregenden Schriften zur Geltung gebracht hatte, erkannte die Ausnahme an. Die auffallende Erscheinung, „dass Parthenogenese auch dann noch möglich ist, wenn die Quantität des Keimplasmas im Ei auf die Hälfte vermindert wurde“ (Weismann 57 p. 99) suchte man Jetzt damit zu erklären, dass die Eier von Apis und Liparis nur fakultativ, diejenigen, die stets nur einen Riehtungskörper abschnüren, stets parthenogenetisch sind, und dass — indem man an der Annahme, dass eine bestimmte Masse von Chromatin zur Entwicklung nothwendig ist, festhielt, — eme Vermehrung desselben auf die normale Masse dureh irgend einen beson- deren Vorgang stattfinden müsse. Dass derartige Erklärungen nicht befriedigen können, liegt auf der Hand; «denn einmal ist die Biene sicher zu denjenigen Thieren zu reehnen, bei denen die Parthenogenese regelmässig, nicht exceptionell auf- tritt, und dann sind derartige Vorgänge, besonders starkes Wachs- thum und dergleichen, welche die Ergänzung des Chromatins herbeiführen sollen, bisher noch in keinem Falle beobachtet, und es ist nach allem, was wir über das Wachsthum des Chromatins wissen, im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass sie vorkommen. Werden die Beobachtungen Platner sundBlochmann's als völlig beweiskräftig angenommen, was sie meiner Ansicht nach keineswegs sind, wie ich oben auseinander gesetzt habe, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 14 210 Ausust Brauer: so kann meiner Ueberzeugung nach die Hypothese nicht aufrecht erhalten werden. Durch die oben schon kurz angeführten Beobachtungen Boveris (12) bei Ascaris und Pterotrachea und O. Hertwig's (29) bei Asteracanthion, bei welchen Formen die Eimbeziehung des zweiten Riehtungskörpers in das Ei und seine Umwandlung zum Kern verfolgt wurde, erhielt die ganze Frage eine weit bestimm- tere Fassung und Beantwortung. Schon 1857 sprach sich Boveri über die Parthenogenese folgendermaassen aus: „Ich bin der Ueber- zeugung, dass auch bei den parthenogenetisch sich entwickelnden Eiern zwei aufeinander folgende Theilungen eingeleitet werden, aber nur die eine wirklich zu Stande kommt, die andere dagegen, und zwar wohl sicher die zweite, sich im Wesentlichen auf die Theilung der chromatischen Elemente beschränkt, welche Rück- bildung mehr oder weniger weit ausgebildet sein kann. Vielleicht entsteht, wenigstens in manchen Fällen, noch eine zweite Rich- tungsspindel mit Tochterplatten, die dann in den Ruhezustand zurückkehrt, oder es erfolgt nur einfach noch eme Theilung der Elemente. Es wäre dann die parthenogenetische Entwicklung nicht so aufzufassen, dass die Bildung des zweiten Richtungskör- pers unterbliebe, sondern eher so, dass dieser zwar entsteht, aber im Ei zurückgehalten wird und nun sein Kern mit dem Eikern verschmilzt. Der zweite Richtungskörper würde so gewisser- maassen die Rolle des Spermatozoons übernehmen, und man könnte nicht ohne Berechtigung den Satz aussprechen: Die Parthenoge- nese beruht auf einer Befruchtung durch den zweiten Richtungs- körper.“ (12!) p. 495.) Und ebenso klar äussert sich O. Hert- wig (3la p. 127): „Bei Eiern, die zu parthenogenetischer Ent- wicklung bestimmt sind, hat eine Reduction der Kermmasse, die ja eine nachfolgende Befruchtung zur Voraussetzung hat, keinen Zweck mehr. Daher unterbleibt bei ihnen die Bildung des zweiten Riehtungskörpers, durch welchen sonst die Reduction bewirkt wird, entweder ganz (gewöhnlicher Vorgang bei der Parthenogenese) oder es legt sich noch die zweite Riehtungsspindel an, zwei Kerne entstehen aus ihr, verschmelzen aber wieder nachträglich unter- einander. So wird der Vorbereitungsprocess für die Befruchtung wieder rückgängie gemacht (Uebergang zu parthenogenetischer Entwicklungsweise). Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies ete. 211 Dieser kurze Ueberblick wird genügen, um zu zeigen, dass die oben im Anschluss an meine Beobachtungen besprochene Hy- pothese, dass das parthenogenetische Ei nur entwicklungsfähig, wenn es (die normale Masse an Chromatin, das heisst dieselbe Masse wie ein befruchtetes Ei besitzt, keineswegs neu ist, sondern bereits von den früheren Forschern, besonders von Weismann, Boveri und OÖ. Hertwig vertreten und bis in das Einzelne angeben worden ist. Meine Untersuchung, hoffe ich, wird ihren Auseinandersetzungen eine gute Stütze geben. Zum Schluss möge noch auf einige andere, speeciellere Fra- gen, welche mit meinen Beobachtungen zusammenhängen, einge- gangen werden. Die Chromosome, welche bei Artemia in die Aequatorialplatte der ersten Riehtungsspindel eintreten, sind viertheilig d. h. also sie sind derartig gebaut wie die eines befruchtungsbedürftigen Eies, das Ei von Artemia ist mithin stets befruehtungsfähig '), indem es den zweiten Riehtungskörper abschnüren und hierdurch die Chroma- tinmenge auf die für eine Befrüchtung nothwendige Quantität redueiren kann. Da die letztere ausbleibt, so hilft sich das Ei selbst, indem es entweder nur den ersten Riehtungskörper ab- schnürt, oder indem der zweite zwar gebildet, aber nicht abge- sehnürt wird, im Ei verbleibt und hier zum Kern sich umwan- delt, und sein Chromatin später zu dem des Eikerns in der Fur- chungsspindel hinzutritt. Im ersteren Falle enthält der Eikern die halbe Chromatinmasse, die sich im folgenden Ruhestadium wieder auf Eins ergänzt, im zweiten dagegen wie beim befruch- teten Ei nur ein Viertel, das fehlende Viertel bringt der zweite Richtungskörper hinzu; beide Viertel wachsen im Ruhestadium wieder auf je '/,, die sich in der Furchungsspindel zu Eins ad- diren. Somit zwei Wege, aber ein und dasselbe Resultat! bei genauerer Erwägung ergeben sich indessen einige wich- tige Unterschiede zwischen beiden. Im ersten Falle, wo der Ei- 1) Eine andere Ansicht (16) habe ich bereits für irrthümlich erklärt. Dass ich hier die Theilungen der Ovocyten ebenfalls nicht als Re- duetionstheilungen im Sinne Weismann’s auffasse, bedarf wohl kaum einer ausdrücklichen Erwähnung. 212 AugustBrauer: kern zugleich Furchungskern im wahren Sinne des Wortes (wahr- schemlich das emzige Mal, da bei befruchteten Eiern in den bei- den Kernen, auch wenn die Vacuolen verschmelzen, ihr Chromatin stets bis zur Bildung der Furchungsspindel getrennt bleibt) ist, hat die Zelle, welche in die Entwicklung eintritt, einen ganz an- deren Werth als im zweiten Falle, wo die Befruchtung durch den zweiten Richtungskörper erfolgt; dort ist sie nämlich gleich- werthig einer Ovoeyte zweiter Ordnung, hier dagegen dem Ei. Diesen Unterschied hat Boveri (12?) bereits hervorgehoben ; er glaubt, dass „auch bei weitestmöglicher Rückbildung doch wenigstens noch eine Halbirung der von der ersten Richtungs- spindel her im Ei verbleibenden Chromosomen nachweisbar sein muss.‘ (p. 68.) Wie Artemia gelehrt hat, scheint in den meisten Fällen die Trennung der Tochterplatten der zweiten Spindel nicht zu erfolgen, und auch bei den Thieren, wo Parthenogenese regel- mässig vorkommt, Aphiden, Rotatorien u. a. ist immer nur eine Theilung beobachtet worden. Die Thatsache, dass bei diesen Thieren eine jüngere Zellgeneration als gewöhnlich die Entwick- lung beginnt, ist allerdings überraschend, indessen ist, wie mir scheint, in Wirklichkeit die Differenz keine wesentliche. Denn das Protoplasma und der Dotter smd dieselben in der Ovoeyte wie im Ei, und das Chromatin ist, da die Chromosome bereits fertig für die zweite Theilung ausgebildet in die erste eintreten, und da ein Ruhestadium fehlt, auch das nämliche. Ob die eine Hälfte erst noch sich trennt von der anderen und dann wieder zu ihr zurücktritt, oder ob dieses unterbleibt, dürfte für die Ent- wicklung gleichgültig sein; denn das Wachsthum und die Spal- tung wird in einer einzigen Vacuole genau ebenso vor sich gehen wie in zwei Vacuolen. Ein anderer wichtiger Unterschied betrifft die Zahl der Chromosome. In den meisten Eiern zeigt die Furchungsspindel und ihre Abkömmlinge 84, in anderen 168. Wie, wird man fragen, geht die Reduetion der Chromosome vor sich? Bei einem be- fruchtungsbedürftigen Ei, wissen wir, treten die Chromosome in der Ovocyte nur in der halb so grossen Zahl auf wie sonst, fer- ner sind sie viertheilig und nicht zweitheilig gebaut. In den Fällen!), wo 168 Chromosome die Furchungskerne aufweisen, nnd 1) Die Entwicklungsfähigkeit solcher Eier wird vorausgesetzt. Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies etc. 215 84 viertheilige sich in der Aequatorialplatte der ersten Richtungs- spindel finden, dürfte die Reduetion wohl in der gleichen Weise wie beim befruchtungsbedürftigen Ei erfolgen. Die Zahl 168 wird also für Artemia die normale sein, das heisst diejenige Zahl, welehe im Falle einer Befruebtung in den Furchungskernen u. a. sich finden wird. Anders liegt aber die Sache bei den Eiern, welche die Zahl 84 nieht nur in den Reifespindeln, sondern auch in allen übrigen besitzen. Hier kann von einer Reduction keine Rede sein. Denn die Zahl 84 ist bereits die redueirte Zahl. Falls nicht in den späteren Stadien, die ich in Bezug auf diesen Punkt nicht enträthseln konnte, ein Zerfall der 84 in 168 ein- treten sollte, was mir aber im Hinblick auf die sonst beobachtete Constanz der Zahl der Chromosome sehr unwahrscheinlich ist, so bleibt keine andere Annahme übrig als diejenige, dass die Aus- bildung der Chromosome im Keimbläschen für die erste Rich- tungsspindel nicht anders erfolgt als wie in den übrigen Kernen für jede andere Spindel. Die Zahl der Quertheilungen der Seg- mente muss dieselbe sein, da wir dieselbe Zahl von Chromosomen finden, und auch die der Spaltungen kann keine grössere sein, da dieses sonst wieder eine Unterdrückung einer Quertheilung bedingen würde, oder nur dann, wenn die zweitheiligen Chromo- some, welche in den Eikern übergehen, zu einem später ver- schmelzen und in allen Spindeln also nur zweitheilige auftreten würden: es würde dann aber jedes Tochterehromosom doppelt so gross wie in anderen Fällen sein, was wieder eine Aenderung des Theilungsapparates zur Folge haben müsste. Um diesen Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, möchte ich daher an- nehmen, dass die zwei Theile eines der 84 Chromosome, welche in den Eikern übergehen, verbunden bleiben, oder nicht ver- schmelzen und jeder Theil in dieser Verbindung mit dem anderen wächst und sich spaltet, dass mithin die Chromosome in der Aequatorialplatte jeder Spindel stets viertheilig sind, und dass bei der Ausbildung derselben für die Richtungsspindel nicht zwei Spaltungen wie bei befruchtungsbedürftigen Eiern, sondern nur eine erfolgt. In Folge der Viertheiligkeit sind mithin auch diese Eier stets befruehtungsfähig, denn sie können den zweiten Rich- tungskörper abschnüren. Vergleicht man die beiden Modi, nach welehen die Reifung 214 August Brauer: von Artemia verläuft, und zieht ferner noch die Fälle in Betracht, in denen keine Entwicklung erfolgte, weil wahrscheinlich der zweite kichtungskörper abgeschnürt worden war, so wird man unwill- kürlich veranlasst, in diesen drei Modi drei Stufen zu sehen, welche den Weg anzeigen, wie die Parthenogenese sich allmäh- lieh aus dem befruchtungsbedürftigen Ei ausgebildet hat. Es ist keine Frage, dass die Parthenogenese bei Artemia seeundär aufgetreten ist, dass die Befruchtung für das Ei früher ebenso eine Nothwendigkeit gewesen ist wie jetzt für den ihr nahe stehenden Branchipus. Aus welchen Gründen die Unter- drückung der Männchen erfolgte, diese Frage wird sich schwer- lieh lösen lassen, man wird sich hier mit der „Erklärung“, es liege eine „Anpassung an die Lebensverhältnisse“ (vgl. Taschen- berg 55) vor, vorläufig begnügen müssen. Am Beginn der Ent- stehung der Parthenogenese haben wir es jedenfalls mit Eiern zu thun, welche noch zwei Richtungskörper abschnüren. Durch das Ausbleiben der Männchen fehlt dem Ei Chromatin. Ein Ersatz konnte zunächst, da die ganze Reifung wie früher ver- laufen musste, nur geschafft werden, wenn, wie schon Weismann u. a. erörtert haben, der zweite Richtungskörper nicht abgeschnürt wurde. Dereine Fall, welcher uns eine Verbindung zwischen dem Eikern und dem schon fast ganz abgeschnürten zweiten Richtungs- körper zeigt (Fig. 48), kann uns den Weg angeben, auf welchem dieser Process erfolgt ist. Es ist kaum wahrscheinlich, dass wenn (ie Abselmürung vollständig durchgeführt ist, «der zweite Rich- tungskörper selbstständig wieder zurückwandert, da er jede Be- ziehung zum Ei verloren hat. Es scheint mir eine Einbeziehung nur möglich, wenn derselbe nicht das Ei verlässt, sondern in ihm zurückgehalten wird. Dieses wird im Anfang nur in der Weise haben geschehen können, dass die Trennung der Tochterplatten nicht zu Ende geführt wurde, dass die untere sich schon zum Kern, also zum Eikern, umwandelte, wenn die Theilung noch im (range ist, wenn der Richtungskörper noch nieht über die Ober- fläche des Eies sich erhoben hat. Es wird somit der Eikern den zweiten Riehtungskörper zurückhalten. Je mehr die Parthenogenese die herrschende Fortpflanzungs- weise geworden ist, um so mehr wird die zweite Theilung unterdrückt sein und «die Entwicklung eine Abkürzung erfahren haben. Es Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies ete. 215 wird sich nur die Spindel noch ausgebildet haben, und zuletzt ist selbst dieses unterblieben, und die Hälfte des ersten Richtungs- körpers wandelt sich direkt zum Eikern um. Es müsste interes- sant sein, die Artemia in Bezug auf die Reifung dort zu unter- suchen, wo die Männchen noch ziemlich regelmässig auftreten wie 7. B. bei Odessa oder Cagliari, ob hier die Fälle, in denen der zweite Richtungskörper den Spermakern ersetzt, häufiger sind als diejenigen, wo nur noch ein einziger abgeschnürt wird. Die Stufe, wo die Ovoeyte zweiter Ordnung zugleich die Embryo- nalzelle ist, und wo in Folge dessen die redueirte Zahl der Chro- mosome sich durch die ganze Entwicklung erhält, würde auch die letzte sein müssen, welche ein parthenogenetisches Ei er- reichen kann, wenn nieht die Möglichkeit einer Befruchtung ver- loren gehen soll. Sie scheint erreicht zu sein bei den Thieren, bei denen bisher nur ein einziger Richtungskörper nachgewiesen ist, wie Aphiden, Rotatorien. Die Eier bleiben immer befruch- tungsfähig; der viertheilige Bau der Chromosome bedingt die Durchführung der ersten Theilung, da sonst zu viel Chromatin vorhanden wäre. Eme Unterdrückung derselben würde eine Be- fruchtung unmöglich machen; sie könnte nur geschehen, wenn das Keimbläschen sofort Furchungskern würde, die bisherigen 3eobachtungen berechtigen zu dem Schluss, dass mindestens ein tiehtungskörper bei allen Eiern stets abgeschnürt wird. Zuletzt mögen noch die beiden Formen, Artemia und Bran- ehipus, welche aus einer gemeinsammen Stammform hevorgegangen sem dürften, in Bezug auf die hier behandelten Punkte verglichen werden; es ergeben sich hierbei kleine interessante Unterschiede: Branchipus ist befruchtungsbedürftig; eine Parthenogenese ist noch niemals beobachtet worden, und Versuche (18, 15), Eier zur par- thenogenetischen Entwicklung zu bringen, sind gescheitert. Es schliesst dieser negative Erfolg nicht die Möglichkeit einer sol- chen aus, aber sie ist von vornherein sehr wenig wahrscheinlich, weil wir bei diesem Thiere schon Einrichtungen finden, welche offenbar als Anpassung an die Begattung entstanden sind. Am Uebergang nämlich vom Oviduct zum Uterus finden sich bei Bran- chipus hohe Zellenpolster (Claus 18), welche die Oeffnung schr verengen, und welche den Zweek zu haben scheinen, eine vor- zeitige Befruchtung der Eier m den Ovarien und Ovidukten zu 216 August Brauer: verhindern, ferner aber auch ein vorzeitiges Uebertreten der Eier in den Uterus unmöglich zu machen, bevor die Begattung erfolgt ist. Denn es bleiben die Eier stets so lange im den Oviducten, bis die letztere vor sich gegangen ist. Diese beiden Processe stehen, wie man leieht beobachten kann, in einem ganz auffal- lenden Zusammenhang. Bei Artemia dagegen finden wir, wie Claus (18) schon hervorgehoben hat, die Zellenpolster nicht. Ob sie noch nicht vorhanden gewesen sind, als die Parthenoge- nese sich ausbildete oder ob sie in Folge derselben wieder rück- sebildet sind, möge dahingestellt bleiben, jedenfalls ist ihr Fehlen für die Mögliehkeit einer partbenogenetischen Entwicklung von grosser Wichtigkeit, indem ein Uebertreten der Eier im den Ute- rus ermöglicht ist, auch ohne dass eine Begattung erfolgt. Wäh- rend somit Branchipus an die Begattung gebunden erscheint, und hier Einrichtungen sich ausbilden, welche eine solehe bedingen, ist Artemia auf dem Wege, sieh ganz der parthenogenetischen Fortpflanzung anzupassen. Ein Theil der Eier schnürt noch beide Richtungskörper ab und geht in Folge dessen zu Grunde, bei einigen wird der Versuch gemacht, den zweiten wieder in das Ei einzubeziehen, bei anderen gelingt es, es bilden sich aber noch zwei Kerme aus, und endlich bei dem grössten Theil ist die Bil- dung des zweiten Riehtungskörpers ganz unterdrückt, damit die letzte Stufe, welehe möglich ist, erreicht, wenn nieht die Mög- liehkeit einer Befruchtung völlig ausgeschlossen werden soll. Marburg in Hessen, Zoologisches Institut, Juli 1895. Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies etc. 217 IN, SQ 2. 10. lei 14. 15 Literatur. J. Arnold, Ueber Theilungsvorgänge an den Wanderzellen, ihre progressiven und regressiven Metamorphosen. Arch. f. mikrosk. Anatomie. Bd. 30. 1887. Derselbe, Weitere Mittheilungen über Kern- und Zelltheilungen in der Milz ete. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 31. 1888. F.M. Balfour, Handbuch der vergleichenden Embryologie. Uebers. vw. Vetter. Bd/T Jen2 1880. M. A. 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Cl. bayer. Akad. Wiss. München, 3. Bd. 1873. 96. IT. 59: August Brauer: E. Strasburger, Neue Untersuchungen über den Betruchtungs- vorgang bei den Phanerogamen als Grundlage für eine Theorie der Zeugung. Jena 1884. Derselbe, Histologische Beiträge. Heft 1. Jena 1888. Derselbe, Histologische Beiträge. Heft 4. Jena 1892. OÖ. Taschenberg, Historische Entwicklung der Lehre von der Parthenogenesis. Halle 1592. A. Weismann, Beiträge zur Naturgeschichte der Daphniden. II—IV. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 28, 1877 und Bd. 33, 1880. Derselbe, Die Continuität des Keimplasmas. Jena 1885. Derselbe, Ueber die Zahl der Richtungskörper. Jena 1887. Derselbe, Amphimixis. Jena 1891. Derselbe und Ischikawa, Ueber die Bildung der Richtungs- körper bei thierischen Eiern. Ber. Naturf. Ges. Freiburg i. Br. Bd. III. 1887. Dieselben, Weitere Untersuchungen zum Zahlengesetz der Rich- tungskörper. Zool. Jahrb., Abth. f. Anat. Bd. III. 1889. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VIIE—XI. Tafel VIII. Alle Figuren sind gezeichnet bei Zeiss, Apochrom. Hom. Imm. 2,00, Apert. 1,30. Oc. 8. Vergr. 1060. la—d. Keimbläschen. g. 2—5. Polansichten der Aequatorialplatte der ersten Richtungs- spindel. 6—8. Seitenansichten der ersten Richtungsspindel. .9—11. Drehung der ersten Spindel aus der tangentialen in die radiale Lage. ale: Trennung der Tochterplatten der ersten Spindel; 12a Pol- ansicht einer Tochterplatte. 13—18. Abschnürung des ersten Richtungskörpers. ig. 19—22. Umwandlung der im Ei bleibenden Hälfte der ersten Spin- del zum Eikern., . 23a—d. Eikern; Ausbildung der Chromosome. Zur Kenntn. d. Reifung d. parthenogenet. sich entwickelnden Eies ete. 221 Tafel IX. Die Figuren 24, 25, 34, 55, 41, 42 sind gezeichnet bei Zeiss, Apochrom. Hom. Imm. 2,00, Apert. 1.30. Oe. 8. Vergr. 1060; die übrigen bei Zeiss, Hom. Imm. 1/,, Oc. 2. Vergr. 490. Fig. 24a—e und 25a—d. Eikern; Ausbildung der Chromosome. Fig. 26—27. Abrücken des Eikerns von der Peripherie. Fig. 28. Auftreten des Centrosoms. 7 Fig. 29. Etwas älteres Stadium wie Fig. 28. Fig. 30. Theilung des Centrosoms. . Auseinanderrücken der Centrosome. 2. Eikern kurz vor Ausbildung der Furchungsspindel. loy| = on n u Fig. 32 Fig. 33. Furchungsspindel. Fig. 54. Zweite Richtungsspindel. Fig. 35. Trennung der Tochterplatten der zweiten Spindel. Fig. 36. Umwandlung derselben zu Kernen. Fig. 37, 35. Abrücken der beiden Kerne von der Peripherie. "ig. 39. Zwei Centrosome. fig. 40, 41 a—d. Zwei Kerne, verschieden weit entwickelt. Fie. 42, 43. Die beiden Kerne kurz vor der Ausbildung der Furchungs- spindel. Fig. 44. Furchungsspindel. d Tafel X. Die Figuren 46-50 sind bei Zeiss, Apochr. Hom. Imm. 2,00, Apert. 1,30, Oc. 8 gezeichnet, Fig. 45, 63, 64 bei Zeiss, Hom. Imm. 1/5, Oe. 2, Vergr. 490, die übrigen bei Zeiss, C. achrom. Oe.2, Vergr. 130. Fig. 45. Eikern und zweiter Richtuneskörper, letzterer noch klein. Fig. 46. Die im Ei verbleibende Tochterplatte der ersten Spindel. Fig, 47. Abschnürung des zweiten Richtungskörpers. Fig. 48—50. Drei Eier im Begriff, den zweiten Richtungskörper wieder | in das Ei zurückzuziehen. s = Verbindungsstrang. Fig. 51—59. Reifung und Ausbildung des Eikerns und der Furchungs- j spindel bei den meisten Eiern von Artemia. Fig. 51. Erste Richtungsspindel in tangentialer Lage; Fig. 52. Trennung der Tochterplatten der ersten Richtungsspindel; Fig. 53. Abschnürung des ersten Richtungskörpers; Fig. 54. Um- wandlung der einen Hälfte zum Eikern; Fig.55. Abrücken des Eikerns von der Peripherie; Fig. 56. Auftreten des Centrosoms; Fig. 57, 58. Auseinanderrücken der zwei Centrosome nach den Polen der künftigen Furchungs- spindel; Fig. 59. Furchungsspindel. Fie, 60-75. Abnorme Bilder. 392 A. Brauer: Zur Kenntn. d. Reif. d. parthenog. sich entwick. Eies etc. Fig. 60—62. Pluripolare Spindeln. Fig. 63. Ausbildung der Chromosome in einem Riesenkern. Fig. 64. Aequatorialplatte einer pluripolaren Spindel. Fig. 65, 66, 67. Riesenkerne. Fig. 68. Traubenförmige Anordnung von Kernen. Fig. 69. Reihenförmige Anordnung von Kernen. Fig. 70. Isolirte Strahlungen mit Centrosomen. Fie. 71. Abgefurchtes Ei mit einer pluripolaren Spindel. Fig. 72—75. Aeltere Stadien abnormer Entwicklung. Tafel XI. Die Figuren sind gezeichnet bei Zeiss, Apochr. Hom. Imm. 2,00, Apert. 1,30, Oc. 8. Vergr. 1060. Fig. A zeigt die zwei Kerne eines zweizelligen Stadiums mit je 84 Chromosomen. Die 4 Schnitte der ersten Reihe gehören zu dem einen, die 3 der zweiten Reihe zu dem zweiten Kern. Fig. B zeigt die zwei Kerne eines zweizelligen Stadiums mit je 168 Chromosomen. Die 4 Schnitte der ersten Reihe gehören zu dem einen, die 5 Schnitte der zweiten Reihe zum zweiten Kern. Fig. Ü zeigt 3 Schnitte durch einen Kern eines älteren Furchungssta- diums (16 Zellen) mit S4 Chromosomen. Fig. D zeigt 4 Schnitte durch einen Kern eines älteren Furchungssta- diums (8 Zellen) mit 165 Chromosomen. Beitrag zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Herzens. Von Joh. Dogiel. Hierzu Tafel XII und XIII und 3 Textfiguren. Trotz aller Sehwierigkeiten, welche bei der Erforschung des Baues und der Funetion des Herzens zu überwinden sind, beschäftigen sich doch hin und wieder recht Viele mit der Herbei- schaffung des nöthigen Materials zu einem vollendeten und soli- den, wenn auch in weiter Zukunft zu Stande kommenden Bau, der uns über das Wesen der Lebensäusserungen des mensch- lichen Herzens Aufschluss zu ertheilen vermag. Ueberzeugt, dass hierbei jeder neue, zuverlässige, wenn auch noch so winziger Baustein nieht unbeachtet bleiben kann, liefere ich den sich für diese Frage Interessirenden die vorliegende kurze Notiz als Ma- terial zu dem oben erwähnten Bau, wenn auch dieses Material noch so gering sein möge. Noch gegenwärtig wünschen einige Phystologen sich von der Richtigkeit der von A. Haller!) stammenden Behauptung, dass die durch das Blut stimmulirte Herzmuskulatur ohne Be- theiligung des Nervensystems rhythmische Contractionen auszu- führen vermag, zu überzeugen. Scheinbare Unterstützung findet dieser beharrliche Wunsch einiger Untersucher in folgenden ana- tomischen und physiologischen Erscheinungen. Der Bau der Herzmuskulatur erscheint, wenigstens bei höheren Thieren und beim Menschen, um Einiges complieirter als solcher der Skelett- muskulatur. Einige Gifte verhalten sich in ihrer Wirkung auf die Herzmuskulatur anders als auf die Muskeln anderer Organe. Bis in die Gegenwart leistet man der Meinung Vorschub, dass es Thiere gebe, deren Herzen weder Nervenzellen noch Nerven enthielten, während solche Herzen sich doch rhythmisch eontra- 1) Elementa Physiologiae. 1754. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 43 15 224 Joh. Dogiel: hirten; ebensolehe Contraetionen führe die abgeschnittene Spitze des Froscehherzens unter gewissen Bedingungen aus. Es wird die Thatsache hervorgehoben, dass das embryonale Herz, in wel- chem noch keine Nervenelemente zu unterscheiden sind, sich auch rhythmisch zu eontrahiren vermag. In letzterer Zeit bestreiten L. Krehl und E. Romberg!) aus entwieklungsgeschichtlichen Gründen und sich auf ihre Ver- suche am Kaninchenherzen basirend, die Betheiligung der Nerven- ganglien an den automatischen Herzbewegungen und der Regu- lirung der Herzthätigkeit: „Nach ihrer Entwicklungsgeschichte schienen sie weder automatische Centren der Herzbewegung, noch Vermittelungsorgane der Vagus- oder Acceleranswirkung zu sein.“ Allein die soeben angeführten Data sind entweder nur theil- weise richtig, oder aber zweifelhaft, also sorgfältiger Controle be- dürftig, oder sie sind endlich ganz falsch. Wie in der Mathematik ist in den Naturwissenschaften das endgiltige Resultat der zu lösenden Aufgabe in dem Maasse richtig oder falsch, in welehem die zum Auffinden des Unbekannten gegebenen Grössen richtig oder falsch waren. Eine Antwort erhält man wohl im beiden Fällen, dieselbe ist jedoch nur im ersteren Falle wahr; im letz- teren Falle aber wird trotz des sorgfältigsten und regelrechten Ganges der Lösung ein falsches Resultat erzielt. Genau ebenso müssen die zur Erlangung einer endgiltigen, walhrheitsgemässen Antwort in Bezug auf die von A. Haller vertretenen Theorie der Herzbewegungen herbeigezogenen Daten auf genauen anato- mischen und physiologischen Thatsachen, gleichviel ob dieselben vom Autor selbst oder aus den Arbeiten anderer stammen, ge- gründet sein. Widrigenfalls können die erlangten Resultate, so zahlreich die Versuche und so sorgfältig ihre Ausführung sein möge, nieht auf Genauigkeit Anspruch machen und die Wissen- schaft bereichern. Solehe Resultate nähern uns nicht der Wahrheit, sondern, ganz im Gegentheil, entfernen uns von ihr und hemmen die Ent- wieklung des wissenschaftlichen Wissens. So erscheinen mir 1) Ueber die Bedeutung des Herzmuskels und der Herzganglien für die Herzthätigkeit des Säugethiers. Archiv f. experim, Pathol. u. Pharmakologie. Bd. 30, p. 49. Beitrag zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Herzens. 225 auch die von Krehl und Romberg erhaltenen Resultate, in 3ezug auf die Bedeutung der Muskulatur und der Ganglien des Herzens für die Thätigkeit des letzteren, mehr als zweifelhaft, weil sie von solchen anatomischen Daten ausgehen, welche nicht allein unrichtig sind, sondern auch schon lange vom wissenschaft- lichen Standpunkte aus jedes Interesse verloren haben. Krehl und Romberg behaupten (p. 62), dass die Herzspitze des Fro- sches weder Ganglien noch Nerven enthalte („Froschherzspitze bekanntlich nicht nur "Ganglien, sondern auch nervenfrei sein soll“). Nun ist es aber bekannt, dass in der oberen und unteren Hohlvene, im Venensinus, in den Vorhöfen, auf der Vorhofscheide- wand, im Ventrikel, in der Ventrikelspitze und im Bulbus aortae des Froschherzens eine solche Menge von Nerven enthalten sind, dass es schwer wird zu sagen, ob mehr Muskelelemente oder mehr Nerven an der Zusammensetzung des Herzens überhaupt und der Herzspitze insbesondere sich betheiligen!). Bezüglich der Vertheilung der Ganglien im Herzen des Frosches und der Säugethiere smd Krehl und Romberg, wie es scheint, die Untersuchungen von Joh. Dogiel?) und A. Kasem-Beck?°) unbekannt geblieben. Joh. Dogiel hat Grup- pen von Nervenzellen im oberen Drittel des Ventrikels, unterhalb der Atrioventrikularklappen, und einzelne Nervenzellen unterhalb des oberen Drittels des Ventrikels beschrieben (vergl. Fig. 4 u. 5 des eit. Joumals). A. Kasem-Beck hat im Laboratorium von Joh. Dogiel das Herz vom Schaf, Kalb, Hunde, Ferkel, von der Ente, Truthenne und vom Huhn untersucht und längs des Suleus longitudinalis anterior beim Schafherzen Ganglien in einer Entfernung von 25mm von der Ventrikelbasis und einzelne Nervenzellen in einer Entfernung von 35mm gefunden. In der hinteren Längsfurche traf er Gruppen von Nervenzellen in einer Entfernung von 20—25 mm von der Ventrikelbasis und einzelne Nervenzellen auf dem linken Ventrikel den Nerven entlang (1Omm 1) J. Dogiel und Tjumianzew, Zur Lehre über das Nerven- system des Herzens. Arch. f. mikrosk. Anat, Bd. 36. 2) J. Dogiel, Die Nervenzellen des Herzventrikels beim Frosche. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 21. 3) A. Kasem-Beck, Ueber das Vorkommen von Ganglien und einzelnen Nervenzellen auf Herzventrikeln des Menschen, der Säuge thiere und der Vögel. Centralbl. f. med. Wiss. 1887, No. 42, 226 Joh. Dogiel: weit von der hinteren Längsfurche) in einer Entfernung von 50 mm von der Ventrikelbasis. Die Länge des zur Untersuchung die- nenden Schafherzens, von der Basis bis zur Spitze, betrug 75mm. Ausserdem fand Kasem-Beck auf dem Herzventrikel vom Kalbe, Hunde und Ferkel Gruppen von Nervenzellen in beträcht- licher Entfernung von der Ventrikelbasis. Wenn dieser Autor auch keine Gelegenheit hatte, in dieser Hinsicht noch das Kanin- chenherz zu untersuchen, so wird wohl kaum die Structur und die Function des Herzens bei diesem Thier sich von der der von ihm untersuchten übrigen Säugethiere stark unterscheiden. Es ist also unverständlich, weshalb Krehl und Romberg keine Nervenzellen auf der Ventrikeloberfläche des Kaninchenherzens finden konnten. („Keine Ganglien besitzen die Ventrikel, abgesehen von den vereinzelten Zellen am oberen Rande des Conus arterio- sus. Insbesondere ist die Ventrikelscheidewand und also auch die Stelle, an der Kroneker und Schmey ein Coordinations- centrum suchten, frei von Ganglien.*) In unserem Zweifel wer- den wir noch dadurch bestärkt, dass Krehl und Romberg auch die sehr eingehende Untersuchung von Vignal!) über den Ganglienapparat der Säugethiere überhaupt und des Kaninchens speeiell unbekannt geblieben ist. Sagt doch Vignal (p. 241) unter Anderem: „A la partie superieure de ce plexus (plexus cardiaque proprement dit?), juste au-dessous des arteres et des veines coronaires et par eonsequent ä la base m&me du ventri- eule, on trouve d’autres ganglions formes seulement de quelques cellules, ils sont generalement situes au-dessous du pericorde vis- cerale.*“ Auch Vignal ist der Meinung (p. 245), dass kein grosser Unterschied in der Vertheilung des Nervenapparates im Herzen der Katze, des Hundes, Schafes und Kaninchens besteht („Jai trouv& chez tous ces animaux une disposition de cet appa- reil peu differente de celle qui existe chez le lapin“). Derselbe Vignal hat ferner den Nervenapparat beim Affen (Macacus simi- eus) untersucht, wobei er zur folgenden Schlussfolgerung bezüg- lich der Nervenzellen des Herzens bei demselben gelangte (p. 246): „Sur le tiers superieur de ce plexus (les branches des plexus 1) Recherches sur l’appareil ganglionaire du eoeur des vertebres (Laboratoire d’histologie du College de France), Travaux de l’annee 1881 publies sous la direetion L. Ranvier. Beitrag zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Herzens. 227 coronaires), prineipalement sur les petites branches, on reneontre, outre les ganglions superfieiels deja deerits par Remak, un nombre considerable d’autres plus petits, qui die viennent de moins en moins abondants ä mesure que l’on s’approche de la pointe du coeur, et qui disparaissent presque totalement, environ au point de naissance du deuxieme tiers du ventrieule. J’ai dit presque totalement, car les nerfs proches des gros vaisseaux partent des ganglions sur toute la moiti& superieure du ventrieule.“ Der Zweck der vorliegenden Abhandlung ist jedoch keine eingehende Erörterung aller von den Nachfolgern der A. Haller’- schen Theorie zur Bekräftigung der selbstständigen rhythmischen, vom Nervensystem unabhängigen Herzeontractionen angeführten Hinweise. Dieser Artikel soll nur einige anatomisch-physiolo- gischen Thatsachen in Bezug auf das Herz des Flusskrebses (Astacus fluviatilis), das längere Zeit hindurch als Paradigma eines von Nervenzellen und Nerven freien Herzens diente, bringen. A. Brandt!), welcher im Laboratorium von S. Setsche- now den Einfluss physikalischer und chemischer Reize auf das Herz des Flusskrebses untersucht hat, ist bezüglich der Herz- nerven dieses Thieres zu keinen positiven Resultaten gelangt. („Ueber die Herznerven scheint nichts Näheres bekannt zu sein.‘“‘) Es weist auf Literaturangaben hin, welehe aber nur die Voraussetzungen einiger Autoren enthalten (von C. Carus?), Newport?), Warnek®), Haeckel’)). Uebrigens giebt A. Brandt die Möglichkeit zu, dass die Herznerven des Krebses von Nervus stomatogastrieus ihren Anfang nehmen. („Demnach wäre es nicht unwahrscheinlich, dass das Herz sowohl vom Stomato- gastricus, als auch von der Bauchkette mit Nerven versorgt 1) A. Brandt, Physiologische Beobachtungen am Herzen des Flusskrebses. Melanges biologiques de l’Academie des sciences de St. Peterbourg- T. V (1865—66). 2) C. Carus, Von den äusseren Lebensbedingungen der heiss- und kaltblütigen Thiere. Leipzig 1824. (4. Beilage, No.2, Ueber Herz- schlag und Blut der Weinbergschnecke und des Flusskrebses.) 3) Newport, On the nervous system of the Sphinx ligustri. Philosop. transactions. 1832— 1834. 4) Warnek, Leber des Flusskrebses. Diss. St. Petersburg. 1847 (russisch). 5) Haeckel, jUeber die Gewebe des Flusskrebses. Müller’s Ar- chiv. 1857. 228 Joh.Dogiel: wird“). Ausserdem finden wir bei A. Brandt angegeben, dass es Jarschinski im Laboratorium von Prof. F. Owsjannikow missglückt sei, Nervenganglien im Herzen des Flusskrebses nach- zuweisen. Weiter hat A. Meyer!), wie Jarschinski, sich vom Vorhandensein der Nervenganglien im Herzen des Flusskrebses nicht überzeugen können. Auch Eekhard?) erhielt negative Resultate in Bezug auf die Nervenganglien des Herzens von Cancer pagurus, ungeachtet dessen, dass es ihm gelungen war einen Nerven, welcher auf das Herz des von ihm untersuchten Thieres ähnlich dem Vagus bei anderen Thieren einwirkte, nach- zuweisen. Durch Reizung dieses Nerven konnte Eckhard zwei Minuten lang dauernden Stillstand des Herzens herbeiführen. Endlich erschien 1890 die prachtvolle Monographie von G. Retzius?) über das Nervensystem der Krebse, in welcher leider gar nichts über die Nervenzellen und Nerven des Herzens vom Flusskrebse zu finden ist. Nur auf der letzten, XIV. Ta- belle, welehe aber auch nicht den Ganglien und Nerven vom Flusskrebs (Astaeus fluviatilis) gewidmet ist, finden sich zwei Abbildungen über Nervenendigung im Herzen — in der Muskulatur desselben —, von Palamon squilla; doch ist aueh hier nichts von Nervenzellen des Herzens bei diesem Thiere erwähnt. Der Autor dieser Zeilen konnte sich, einige von ©. Carus und A. Brandt angeführten physiologischen Thatsachen in Betracht ziehend, nicht der Zweifel entwehren, ob auch die Angaben über ‚den negativen Befund bezüglich der Ganglien und Nerven im Herzen der Crustaeeen richtig seien. Dieser Zweifel wurde durch folgenden Umstand noch verstärkt: im Herzen von Thieren, welche auf einer niedereren Entwieklungsstufe als der Flusskrebs stehen, im Herzen von Inseeten (Corethra plumicornis) sind von J. Dogiel‘) Nervenzellen nachgewiesen worden. Dazu kommt 1) A. Meyer, Das Hemmungsnervensystem des Herzens. Berlin 1869. 2) Eckhard, Beiträge etc. IV. 1867. 3) G. Retzius, Zur Kenntniss des Nervensystems der Crustaceen. Stockholm 1890. Mit 14 Tafeln. 4) J. Dogiel, Anatomie und Physiologie des Herzens der Larve von Corethra plumicornis. Memoires de l’Academie des sciences de St. Peterbourg. 1877. Beitrag zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Herzens. 229 noch, dass nicht jedes negative Resultat zur Lösung einer be- stimmten Frage herbeigezogen werden kann: eme neue Unter- suchungsmethode, oder eine und dieselbe, aber sorgfältiger und bewusster angewendete Methode kann bei der Erforschung einer Frage nicht selten ein negatives Resultat in ein positives ver- wandeln. Alles das veranlasste zur neuen Untersuchung des Baues und der Funetionen des Herzens der Urustaceen. J. Dogiel hat schon 1875 die Resultate seiner Unter- suchungen über den Bau und die Funktionen des Herzen einiger Mollusken!) und Meerkrebse (Hummer, Languste und Krabbe) am Meeresufer des südlichen Frankreichs in einer kurzen Notiz an die Academie der Wissenschaften zu Paris?) über das Herz der Crustaceen niedergelegt. Einen eingehenderen Artikel über diesen Gegenstand hat er ein Jahr darauf in dem Journal für normale und pathologische Physiologie abgedruckt?). Die Erforschung des Baues und der Funktionen des Herzens früher des Hummers, jetzt des Flusskrebses aus der Wolga be- stand in einer makro- und mikroskopischen Untersuchung des Baues und der Funktionen dieses Organes: das freigelegte Herz wurde vor und während der mechanischen oder elektrischen Rei- zung, oder unter dem Einfluss der erhöhten oder herabgesetzten Temperatur und einiger Gifte direkt beobachtet. Entfernt man die Schale des Flusskrebses, entsprechend der Lage des Herzens (Fig. 1,a), so kann eine rhythmische Bewegung einer bestimmten Stelle, welche von dem unter einer verhältniss- mässig dicken und festen Haut befmdlichen und sich eontrahi- renden Herzen abhängt, leicht wahrgenommen werden. Nach der Entfernung dieser Haut erscheint das Herz in der Form eines unregelmässigen Vierecks (Fig. 1,c), das am vorderen Ende etwas breiter als am hinteren ist; eine ebensolehe Form besitzt das des Hummers. Die Verbindung des Herzens beim Flusskrebse mit Blutgefässen ersieht man aus Fig. 1, e, d. Fast von der gan- zen Herzoberfläche gehen dünne Fäden aus, welche sich verschie- 1) J. Dogiel, Die Muskeln und Nerven des Herzens bei einigen Mollusken. Arch. f. mikrosk. Anatomie. Bd. XIV. 2) J. Dogiel, Compt. Rend. des seances de l’Acad. des seiences. Paris 1876. 3) J. Dogiel, Archives des physiol. norm. et pathologique Brown- Sequard, Charcot et Vulpian. 1877. 230 Joh. Dogiel: denartig durchflechten und hernach zu breiteren Bändern ver- einigen und als Ligamenta cordis betrachtet werden können (Fig. 1, f und Fig. 2, ec). Die obere und die untere Oberfläche des Herzens, oder richtiger gesagt, des Herzventrikels des Flusskrebses ist von einem verschieden geformten Epithel bedeckt (Fig. 5). Die untere Fläche des Herzens (des Ventrikels?) liegt auf einer dünnen, durchsichtigen Membran, welche den Ventrikel von der Leber, den Gesehlechts- und Verdauungsorganen trennt (Fig. 6). Diese Membram ist unter dem Namen Pericardialmembran (peri- cardium) bekannt, obwohl sie eher als Diaphragma bezeichnet werden könnte. An der Peripherie besteht sie aus stark aus-. gebildeten quergestreiften Muskelfasern, und in der Mitte aus einer sehnigen Ausbreitung (Fig. 6, b, a). Diese Membran, zusammen mit den anderen Theilen, welche den Herzventrikel umgeben, und der oben erwähnten Haut, welche ihn von oben bedeckt, um- schliessen das Herz wie ein Sack, welcher schon mehr an einen Herzbeutel erinnert. Doch entspricht dieser Herzbeutel, besonders sein unterer, unterhalb des Ventrikels befindliche Theil, seiner Funktion nach dem Vorhof anderer Thiere (atrium eordis), so dass am Herzen des Flusskrebses dieses Gebilde einerseits als Herzbeutel, andererseits als Vorhof aufgefasst werden kann. Die innere und äussere Fläche des Herzbeutels — der oberen und un- teren Membran — ist von einem flachen Epithel bedeckt (Fig. 5). Ueber den Bau des Ventrikels und des Vorhofs vom Fluss- krebsherzen lässt sich noch Folgendes sagen: Zu den Bestand- theilen des Herzens vom Flusskrebse gehören ausser dem seine äussere und innere Fläche bekleidenden Epithel und dem Bin- degewebe noch Muskeln, Nervenzellen und Nerven. Der Herz- ventrikel dieses Thieres enthält keine Blutgefässe als seine Er- nährung vermittelnden Bestandtheil; derselbe steht jedoch in Ver- bindung mit der Arteria cephalica am Kopfende und mit der der Arteria sternalis und der Arteria abdominalis ihren Ursprung gebenden Arterie. Das Herz der Crustaceen ist nach Milne Edwards!) als ein Organ, welches zur Weiterbeförderung des arteriellen und nicht des venösen Blutes dient, aufzufassen. Bei dieser Weiterbeför- derung des arteriellen Blutes durch das Herz des Flusskrebses 1) Legons sur la physiologie et l’anatomie comparee. 1858, p. 183. Beitrag zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Herzens. 231 betheiligen sich die Oeffnungen im Ventrikel. Oben finden sich nach Milne Edwards zwei Paar Oeffnungen, unten ein Paar, vorn, zum Kopfe, und hinten zu je einer Oeffnung, zu Anfang der Arterien. Beim Flusskrebs sieht man thatsächlich nach der Eröffnung des den Ventrikel bedeckenden Perieardiums zum Kopf- ende hin zwei, an der unteren Ventrikelfläche befindlichen Oeff- nungen durchschimmern. E. Berger!) fand nach Behandlung mit Chlorgold oder Osmiumsäure und Isolation einzelne Nervenzellen nur in dem hin- teren Theile des Herzens: „Ich habe sie blos im hinteren Theil des Herzens finden können.“ In letzterer Zeit beschreibt Lydia Pogoschewa aus dem Laboratorium von Prof. F. Owsjannikow nicht allein einzelne Nervenzellen, sondern Ganglien, Gruppen von 4—6 Zellen, welche in dem durch die Muskulatur ziehenden Nervenstamm ge- lagert sind?). Doch konnte Pogoschewa im Herzen des Fluss- krebses nicht mehr als nur einen Knoten auffinden. Sowohl Berger wie Pogoschewa vergleichen die Ner- venzellen im Herzen des Flusskrebses mit den Zellen des Abdo- minalknoten, doch sollen erstere etwas kleiner als letztere sein. Die Nervenzellen des Flusskrebsherzens beschreibt Pogoschewa als ein — zwei- und dreipolare, ovale Zellen mit ganz rundem Kern und Kernkörperchen. Bei ihren Untersuchungen bediente sie sich der Vergoldungsmethode mit Zerzupfen und Schnitte nach vorhergegangener Erhärtung und nachträglichem Färben der Prä- parate mit Pikrokarmin. Bei einer Controluntersuchung der Vertheilung der Nerven- zellen und der Nerven im Herzen des Flusskrebses konnte ich mich überzeugen, dass im Herzen dieser Thiere nicht allein Ner- venzellen, wie Berger glaubte, und nicht allein ein einziger Knoten, wie Pogoschewa wähnt, sich vorfinden, sondern dass die Nervenzellen in eine der ganzen Länge des Herzens entlang ziehenden Kette, welche hauptsächlich aus zwei Gruppen, einer vordern und hintern (Fig. 7) besteht, wobei jede Gruppe aus 1) Ueber das Vorkommen von Ganglienzellen im Herzen vom Flusskrebs. Wiener Sitzungsber. d. k. Akademie d. Wiss. Bd. 74. 1877. 2) Die Nervenzellen der Scheeren und des Herzens vom Fluss- krebs. Bote für Naturwissenschaften. St. Petersburg. 1890. No. 5 (russisch). w RT) DD Joh. Dogiel: mehreren Zellen (5—6) zusammengesetzt ist, angeordnet sind. Ausserdem finden sich einzelne Nervenzellen an anderen Stellen des Herzens. Die Hauptgruppen der Nervenzellen befinden sich in der Nähe der oben beschriebenen Oeffnungen und erinnern durch ihre Anordnung theilweise an die Ganglien von Remak und Bidder. Die Grösse und die Form der Nervenzellen ist eine ziemlich verschiedenartige; ihre Form ist mehr eine birn- förmige (Fig. 12). Jede Zelle besteht aus dem Inhalt, Proto- plasma und einem grossen Kern; sie sind uni- und multipolar, mit sich verzweigenden Fortsätzen, welche verschiedenartig zwi- schen den Muskeln verlaufen. Die bipolaren Nervenzellen erin- nern ihrer Form nach an die Nervenzellen von Fischen (Fig. 8). Die Nervenzellen und Gruppen derselben sind zwischen den Bün- deln der sich baumartig verzweigenden Nervenfasern (Fig. 7, 8, 9 und 15) gelagert. Nieht ohne Interesse ist die Thatsache, dass die Nerven- faserbündel gegenseitig Fäserchen austauschen (Fig. 13), was an die Nervenanastomosen im Herzen der Frösche, der Säugethiere und des Menschen erinnert. Man stösst auch auf Nervenfasern, welehe sich unter scharfen Winkeln theilen (Fig. 10). Eine solche Theilung geht besonders scharf an den Stellen, wo sich Nerven- zellen befinden, vor sich. Am eaudalen Ende ist die Substanz unschwer nachzuweisen, welehe unter dem Namen Punktsubstanz bekannt ist und der- jenigen ähnelt, die schon in den Ganglien der Hauptnervenkette des Flusskrebses vorgefunden (Retzius?) wurde (Fig. 11). Die Muskeln des Herzventrikels vom Flusskrebs gleichen ihrem Bau nach mehr den Herzmuskeln von Insekten (Corethra plumicornis), als solehem anderer Thiere, wie des Frosches, Kaninchens ete. In den Muskeln des Herzens wird kein Kern, wie in den Herz- muskeln der übrigen Thiere siehtbar. Die Fasern der Muskel- bündel zerfallen in feinste quergestreifte Fibrillen (Fig 4). Die Muskelbündel sind vom Bindegewebe umgeben. Die das Herz von den Geschlechts- und Verdauungsorganen trennende und, wie erwähnt, als Vorhof aufzufassende Membran ist mit zahlreichen Nerven ausgestattet (Fig. 5), welehe von der Bauchkette entspringen und theils im Vorhofe enden, theils auf den Ventrikel übertreten. Einige dieser Nerven gehen zum Ven- trikel längs den Ligamenten des letzteren. Ueber den Verlauf Beitrag zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Herzens. 233 dieser Nerven habe ich schon früher im Compt. rend. 1876 ge- sprochen: „Du ganglion situ& chez la langouste, entre la deu- xicme et la troisieme paires de pattes, il part des fibres nerveuses, qui se dirigent en haut et en dehors, puis viennent se diviser en partie dans les muscles voisins du pericorde, ets’unissent ensuite avec les museles eelui-ei.“ Indem ich hiermit die Beschreibung des Baues des Herzens vom Flusskrebse beende, muss ich noch einige Zeilen über die Untersuchungsmethode selbst, welche dabei zur Anwendung kam, hinzufügen. Bei der Untersuchung der Nervenzellen und Nerven des Flusskrebses kamen zur Verwendung 2°/, Chlorgold- und 20°/, Ameisensäurelösung. Zuerst wurde das Herz in zwei Hälften zerschnitten, in eine obere und eine untere, und dann nach Möglichkeit so ausgespannt, dass eine möglichst grosse Oberfläche dieser Ventrikeltheile erst mit Ameisensäure- und darauf mit Chlor- soldlösung in Berührung gebracht werden konnte. Die ausge- spannten Theile des zerschnittenen Ventrikels kamen zuerst auf 3—D Minuten in die Ameisensäurelösung, wurden hierauf mit Wasser ausgewaschen und alsdann mit 2°/, Chlorgoldlösung 5-—20 Minuten hindurch behandelt, aufs Neue mit Wasser ausgespült und wieder in eine 20°/, Ameisensäurelösung gebracht, worin sie 12 und mehr Stunden verblieben. Die gefärbten, durch Amei- sensäure aufgelockerten Ventrikeltheile kamen auf den Objekt- träger, wo sie mit Deekgläschen bedeckt wurden. Ein leichter Druck auf das letztere genügt nun, um das Präparat derart aus- zubreiten, dass bei geringer Vergrösserung (Hartn., Syst. 4, Ocul. 5) der Verlauf der Nervenstämme und die Vertheilung der Nerven- zellen zwischen den Nervenfasern, in oben beschriebener Anord- nung sehr deutlich zu sehen ist. Am schönsten wird das Gerüst von Nervenbündel und Nervenknoten erhalten, wenn man nach der Behandlung mit Chlorgold die Ventrikeltheile (oberer und unterer) in 20°/, Ameisensäurelösung 2—-3 Tage liegen lässt und hierauf die aufgelockerten Muskelfasern mittelst Pinsel, unter be- ständiger Erneuerung des Glycerins, allmählich entfernt. Ausser Chlorgold habe ich auch 1°/, Osmiumsäurelösung angewendet. Der Verlauf der Nerven auf dem Pericardium konnte auch durch Methylenblau sehr deutlich gemacht werden. Zu diesem Zweck wurde eine Lösung desselben auf die unterhalb des Herzens be- findliche Membran, nach Entfernung des letzteren, gebracht. Die 234 Joh. Dogiel: Vertheilung der Nerven, welche nach der letzten Methode am Vorhof zur Anschauung kam, zeigt Fig. 5. Aus dem über die Structur des Herzens beim Flusskrebs Gesag- ten geht hervor, dass dem Herz dieses Thieres Nervenzellen nicht abgehen, sondern im Gegentheil, dass dasselbe sehr reichlich mit Nervenzellen und Nervenzweigen ausgestattet ist. Schon diese anatomischen Daten beweisen zur Genüge, dass diese Menge von Nervenelementen zwischen den Herzmuskeln des Flusskrebses nicht bei der Thätigkeit dieses Organs theilnahmslos bleiben können. Auch machen diese anatomischen Thatsachen uns verständlich, warum das aus dem Körper entfernte Herz des Flusskrebses fast eine Stunde lang sich zu contrahiren fortfährt. Selbst der in zwei gleiche Theile zerschnittene Ventrikel verliert nicht die Fähigkeit sich rhythmisch zu contrahiren: jeder Theil schlägt wie vordem. Die Untersuchung dieser Herzeontractionen des Flusskrebses nöthigt uns in dem Herz die Existenz einer seine Contractionen regulirenden Vorrichtung anzunehmen. Thatsächlich hat schon ©. Carus!) in seinem Artikel über diesen Gegenstand eine Beobachtung, welche die Richtigkeit einer solchen Voraus- setzung bestätigt, angeführt: nach, dem Abschneiden des Kopfes beim Flusskrebs sah er Verlangsamung der Herzbewegungen sich einstellen; mechanische Reizung der Ganglienkette hatte eine ebensolche Verlangsamung und diastolischen Stillstand des Her- zens zur Folge; zuweilen habe das Herz 5 Minuten lang still gestanden. A. Brandt?) spricht zum Schluss seines von uns eitirten Aufsatzes, dass die Zerstörung des centralen Nervensystems des Krebses sowie die Eröffnung der harten Schale diastolischen Herz- stillstand herbeigeführt habe. Die direkte Reizung des Herzens mit indueirtem oder galvanischem Strome sei von Herztetanus be- gleitet gewesen, woraus er schliesst, dass das Herz beim Krebs eine Mittelstellung zwischen dem Wirbelthierherzen und den Ske- lettmuskeln einnehme. Hierher gehören auch meine früheren, die Abhängigkeit der Herzeontraetionen vom Nervensystem demonstrirenden Beobach- tungen über die Herzfunetion bei Meerkrebsen: „Lorsque chez Dale DIILRG, Beitrag zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Herzens. 235 la langouste, le homard ou d’autres erustaces, l’on exeite le cor- don ganglionnaire, on observe un ralentissement du coeur ou meme son arröt eomplet en diastole. On peut toujours provoquer un arret en diastole, si on irrite, au moyen de l’eleetrieite, non seu- lement la chaine ganglionnaire, mais encore le pericorde“). Meine neuerdings vorgenommenen Untersuchungen über die Funktionen des Herzens beim Flusskrebs bestätigen sowohl die Angaben der mit dieser Frage beschäftigt gewesenen Forscher als auch meine früheren Betrachtungen am Meerkrebs. Reizt man mittelst Induetionsstrom die Ligamenta des Herzens beim Flusskrebs am vorderen oder hinteren Herzende, so erhält man diastolischen Herzstillstand, welcher 10—15 Secunden dauert. Durchschneidet man am vorderen (cephalen) oder hinteren (cau- dalen) Rande den Vorhof von oben, so stellt sich dabei zuweilen auch Heırzstillstand ein. Am promptesten tritt diastolischer Herz- stillstand auf und dauert am längsten, wenn die in Fig. 1 mit hı bezeichnete, in der Mitte der das Herz von den Athmungsor- ganen trennenden Membran, in der Nähe der Muskeln %, %k be- findliche Stelle mittels Inductionsstrom gereizt wird. Dieser Still- stand hängt davon ab, dass hier die Nerven zum Vorhof und dem Ventrikel verlaufen (Fig. 14). Zur Illustration des Gesagten seien hier einige Versuche angeführt. Versuch I. Bei einem grossen Wolgakrebs wurde die harte Schale über dem Herzen entfernt, ohne die weiche den Ventrikel von oben bedeckende Haut zu verletzen. Das Herz schlägt hiernach 8—9 mal in 10 Secunden, zeitweilig 9 Secunden lang stillstehend. Reizung mittels Inductionstrom, bei einem mittel- grossen Grenet’schen Element und bei Spiralenabstand von 3 cm des Inductoriums von Gaiffe, der in Fig. 1 mit h be- zeichneten Stelle gab diastolischen Herzstillstand auf 40 Secun- den. Nun wurde die das Herz von oben bedeckende Membran (ein Theil des Pericardiums) eröffnet. Das Herz schlug hiernach viermal in 10 Seeunden. Neue Reizung derselben Stelle gab 40 Seeunden lang dauernden Herzstillstand. Nach der Einstellung der Reizung führte das Herz 9 Contractionen in 10 Seeunden aus. Versuch IH. Nach der Entfernung der harten Schale in der Herzgegend eines grossen Flusskrebses beobachtete man, wie Dalze. 236 Joh. Dogiel: gewöhnlich, langdauernden Stillstand des Herzens im Diastole. Eröffnung der oberen, weichen Haut (des Pericardiums). Hier- auf wurden 5 Herzschläge in 10 Secunden gezählt, dazwischen Pausen, welche bis 21 Seeunden dauerten. Reizung der im Ver- such I angegebenen Stelle — der Stelle durch welche die Ner- ven von der Bauchkette zum Herzen gehen -—— mittels Induetions- strom von derselben Stärke wie im vorhergehenden Versuch, rief diastolischen Herzstillstand, welcher 2 Minuten und 30 Secunden dauerte, d. h. während der ganzen Dauer der Reizung anhielt, herbei. Nach der Reizung schlug das Herz 2 mal in 10 Secun- den und etwas später 13 mal in 10 Secunden. Eine neue Reizung mit demselben Strom hatte neuen Herzstillstand auf 22 Seeunden zu Folge. Versuch II. Nach der Eröffnung der harten Schale und des Pericardiums bei einem grossen Flusskrebs betrug die Zahl seiner Herzschläge 15 in 10 Seeunden. Reizung derselben Stelle, wie in den vorhergehenden Versuchen, mittels Inductionsstrom, bei gleichem Spiralenabstand und demselben Grenet schen Ele- ment, gab 25 Seceunden lang dauernden diastolischen Herzstillstand. Die vorgeführten drei Beobachtungen zeigen, dass die Rei- zung mittels Inductionsstrom der Stelle, an welcher die extra- cardialen Nerven zum Herzen des Flusskrebses verlaufen, ‚jedes- mal einen diastolischen Herzstillstand von 22 bis 150 Seeunden langer Dauer zur Folge hat. Nach der Einstellung der Reizung trat bald eine Beschleunigung der Herzeontractionen von 30 bis auf 78 Schläge in der Minute auf. Wurden die Herzeontractionen des Krebses mittels eines empfindlichen Hebels, ähnlich demjenigen, welchen Marey!) zum gleichen Zweck angewendet, verzeichnet, so erhielt man folgende Diagramme: 1) E. Marey, La circulation du sang & l’Etat physiologique et dans les maladies. Paris 1881. Beitrag zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Herzens. 237 Das Diagramm A zeigt normale Herzeontractionen des Fluss- krebses. Das Diagramm B zeigt dasselbe Herz bis zur Reizung — ab —, während der Reizung der Hemmungsnerven — be — mittels Inductionsstrom bei 5 em Spiralenabstand des Gaiffe- schen Induetoriums, und endlich nach der Reizung — e d. Der Herzstillstand währte 23 Secunden. Diese Curven zeigen ebenfalls, dass die Reizung mittels Inductionsstrom der in oben angeführten Versuchen näher bezeich- neten Stelle eine mehr oder weniger lange dauernden diastoli- schen Herzstillstand, weleher 15—30 und mehr Secunden währt, herbeiführt. Zur Reizung diente das Inductorium von Gaiffe bei einem mittelgrossen Grenet’schen Element. Reizt man mittels Induetionsstrom das Herz (den Ventrikel) des Flusskrebses unmittelbar, so stellt sich bald, wie das Dia- gramm C uns vorführt, anstatt des diastolischen Herzstillstandes systolischer Herzstillstand — Tetanus — ein. Dieser Unterschied in der Wirkung der direkten Reizung des Herzens mittels In- duetionsstrom beim Krebs und bei anderen Thieren erklärt sich meiner Meinung nach durch die verschiedene Struktur der Herz- museulatur bei ersterem im Vergleich zu der beim Frosch und bei den Säugethieren. Das Diagramm © zeigt die Herzthätigkeit des Fusskrebses vor der Reizung ab —, während der direkten des Herzven- trikels mittels Induetionsstrom, bei 5 mm Spiralenabstand des Induktoriums von Gaiffe be und nach der Reizung — ce d. Achnlichen Tetanus habe ich bei der direkten Reizung des Hummerherzens beobachtet !). Die Herzthätigkeit des Flusskrebses verändert sich nicht allein durch die Elektrieität oder höhere und niedere Temperatur- grade, sondern auch unter dem Einfluss einiger Gifte: Curare, Coffein, Aconitin, Digitalin ete. Es sei hier das Diagramm der 1) J, Dogiels)ze 238 Joh. Dogiel: Herzeontraetionen unter dem Einfluss von Aconitin auf das Herz des Flusskrebses vorgeführt: Das Diagranım ]) zeigt normale Herzeontractionen des Fluss- krebses und das Diagramm E — unregelmässige Contractionen — Arhythmia — desselben Herzens unter dem Einfluss einer Lösung von deutschem Aconitin. Somit sprechen anatomische und physiologische Thatsachen deutlich genug für die Abhängigkeit der Herzthätigkeit des Fluss- krebses von im Herzen selbst befindlichen Nerven und Nerven- zellen. Ausserdem ist die Struktur und die Funktionen des Her- zens vom Flusskrebs in Vielem ähnlich, wenn auch nicht gleich, der Strucktur und der Funktion des Herzens von den übrigen Thieren. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XII und XIII. Fig. 1. a=harte Schale; b= die den Herzventrikel (ce) unmittelbar bedeckende Membran von Astacus fluviatilis; d, e, e = Blutge- fässe; f, f= Ligamenta cordis; g —= Athmungsorgane; i = knor- pelartige, die Athmungsorgane von Geschlechts- und Ver- dauungsorganen und vom Herzen trennende Membran; h = Reizungsstelle der Nerven mittels Induetionsstrom; k,k = Muskeln, durch welche die Nerven zum Ventrikel und zum Vorhof gehen; 1,1 = Klappen. Fig. 2.2 a= Ventrikel; b = Klappen; ec, e = Ligamenta; d = Muskeln. Fig. 3. Das die innere und die äussere, sowohl obere wie untere, Oberfläche des Ventrikels und des Pericardiums bekleidende Epithel. Fig. 4. Ventrikelmuskulatur. Zeiss Syst. 4, Ocul. 12. Fig. 5. Ein Theil des Vorhofs: a= Muskeln; b=Nerven. Hartn. Syst. 4, Ocul. 3. Beitrag zur vergleichenden Anatomie und Physiologie des Herzens. 239 Fig. 6. Membran, welche den Herzventrikel des Astacus fluviatilis von den Geschlechts- und Verdauungsorganen trennt — das Peri- cardium der Autoren, oder der Vorhof. a=Sehnige Aus- breitung; b = Muskelfasern. Fig. 7. aa= Zellengruppen in den Nervenbündeln b; Hartn. Syst. 2, Oeul. 2. Fig. 8. Uni- (1) und bipolare (2) Zellen und Nerven (ec). Hartn. Syst. 7, Oceul. 3. Fig. 9. Nervenverzweigung| zwischen den Muskeln des Herzventrikels (aa) und Nervenzellen (b, b). Hartn. Syst. 2, Ocul. 3; Tubus halb herausgezogen. Fig. 10. Theilung der Nerven unter Winkelbildung (aa). Hartn. Syst. 7, Oeul. 3. Fig. 11. Punktsubstanz. a = Nervenfasern und b = Nervenzellen. Fig. 12. Nervenzellen mit langen Fortsätzen und mit Kernen im Herzen beim Flusskrebs. Zeiss Syst. 4, Ocul. 4; Tubuslänge 21 mm. Fig. 13. Nervenanastomose im Herzen von Astacus fluviatilis. Hartn. Syst. 2, Ocul. 2. Fig. 14. Nerven (aa), welche von der Hauptkette durch die Muskeln (bb) in der Nähe des Herzens gehen und im Vorhof und im Ven- trikel enden. . 15. Gruppen von Nervenzellen (aa) mit langen Fortsätzen und Nerven. Fig. 16. Nervenzellen aus dem Flusskrebsherzen mit Kern (b) und ‚Kernkörperchen (a). Hartn. Syst. 7, Ocul. 3. Ueber Leimbildung aus Marksubstanz. Von W,. v. Nathusius, Halle. In No. 356 v. 1890 des Zool. Anzeigers von Carus hatte ich eine Mittheilung über Leimerzeugung aus Marksubstanz von Federschäften gemacht. In der Kontroverse über die Genesis der Marksubstanz war mir von beachtenswerther Seite nahe ge- legt, den Nachweis, dass die Marksubstanz Leimbildner sei, voll- ständiger zu führen, als bisher geschehen war, da dies als ein wichtiges Moment bezüglich der Frage, ob sie ein epidermoidales Gewebe sei, oder zu den Bindegeweben gehöre, betrachtet wurde. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 16 240 W. v. Nathusıus: Aus dieser früheren Mittheilung führe ich hier nur an, dass Dr. Morgen in der hiesigen Versuchsstation des landwirthschaft- lichen Central-Vereins aus von mir durch Zerkleinerung der Schäfte von Gänsefedern gewonnenem Material durch 40stündiges Kochen in Wasser und Eindampfen der filtrirten Flüssigkeit 2,67 gr feuch- ten Leim — lufttrocken 1,171 gr — gewonnen hat. Dieses Re- sultat wurde von mehreren kompetenten Personen, welchen ich das Produkt in noch feuchtem Zustande vorlegen könnte, als beweiskräftig für die Leimbildung aus Federmark betrachtet. Dass Herr Dr. Oscar Liebreich schon vor einiger Zeit in diesem Archiv die Frage wieder aufnahm !), konnte mir nur erfreulich sein, ich bedauere aber, dass ihm anscheinend nur meine ältere Erwähnung der Leimbildung aus Marksubstanz?) vorgelegen hat, nieht die hier Eingangs angeführte, denn in Letzterer waren schon einige Umstände ausdrücklich hervorgehoben, welche sonst wohl berücksichtigt worden wären. Wenn ich mir erlaube, hier an dieselben im Interesse der Sache zu erinnern, so muss ich um Entsehuldigung bitten, dass dies so spät ge- sehieht, was nur durch Zufälligkeiten veranlasst ist. Kurz darf ich darauf zurückkommen, dass Liebreich aus entfetteten Spähnen von Kuhhom durch mehrstündiges Kochen unter höherem Druck Flüssigkeiten gewann, welche er als Keratin- Lösungen betrachtet. Er vergleicht ihre Reaktionen auf ver- schiedene Zusätze mit denen von Glutin- und Chondrin-Lösungen, findet ein verschiedenes Verhalten der letzteren auch gegenüber von aus dem Mark von Federn und Hystrix-Stacheln erhaltenen selatinirenden Lösungen und gelangt endlich zu dem Schluss, „dass das Mark von Hystrix-Stacheln eine Glutinbildung durch das Gelatiniren der erhaltenen Lösungen vortäuscht“. Zunächst muss ich die Bemerkung wiederholen, dass Kuh- hörner keineswegs markfrei sind. ° Das Rinderhorn wird nieht nur von einem centralen, allerdings ziemlich schwachen Mark- kanal bis zur Spitze durchzogen, sondern auch überall von Mark- strängen, welehe von den Papillen ausgehen, mit welchen die Kutis des Hornzapfens dicht besetzt ist. In Bezug auf dieses, übrigens sehr leicht zu konstatirende Verhältniss darf ich mich nieht nur auf eigene Untersuchungen, sondern auch auf Siedam- 9) Ba. 40, Heft 2 v. 189%, $. 32%0 u. ff. | 2) Wollhaar des Schafs. Berlin 1866. Ueber Leimbildung aus Marksubstanz. 241 gsrotzky!) berufen. Dass Letzterer von meiner Auffassung der Genesis der Marksubstanz dissentirt, hat mit der Thatsache des Vorkommens von Marksträngen im Rinderhorn niehts zu thun. Sollen die Umwandlungsprodukte des reinen Horngewebes oder des sogenannten Keratins untersucht werden, so muss markfreies Horn verwendet werden. Als solches habe ich früher schon feine Wolle von gewissen Merinoschafen empfohlen, welche markfrei ist, wie sich mikroskopisch leicht konstatiren lässt; denn alle mir bekannten stärkeren oder mächtigeren Horn- bildungen sind mit Mark durchwachsen. Was die von Liebreich nach seinen Versuchen angege- bene Methode zur analytischen Trennung von Glutin, Chondrin und Keratinlösungen betrifft, so erlaube ich mir einen Hinweis auf das, was die ältere Literatur über die sehr schwan- kenden Reaktionen der Leimsubstanzen ergiebt, namentlich auf das mn Simon’s Handb. d. angewandten medizinischen Chemie Th. I., Berlin 1840 S. 106 u. ff. Gesagte. Im Allge- meinen wird (S. 111) bezüglich des Glutins bemerkt, dass sein Verhalten gegen chemische Reagentien für die aus verschiedenen Stoffen bereiteten Arten verschieden sei. Im Einzelnen ergeben sich erhebliche Differenzen gegen das von Liebreich Ange- gebene. Nach Letzterem soll Sublimat im Ueberscehuss in Chon- drin- und Glutinlösungen keine Niederschläge bewirken. Bei den von Simon selbst sorgfältig präparirten Substanzen gab Chon drin allerdings mit Quecksilberchlorid ‚selbst in einer ziemlich koneentrirten Lösung sogleich keine Fällung, sondern erst nach einiger Zeit eine Trübung ;“ dagegen gab Quecksilberehlorid in Glutin aus Knochen eine ziemlich starke, bei Glutin aus Perito- naeum dargestellt „eine sehr starke Fällung.‘“ Simon hat ferner käuflichen Tischlerleim sorgfältig auch durch Alkoholfäl- lung und Wiederauflösung in Wasser möglichst gereinigt. In die- sem Glutin „erzeugte Quecksilberchlorid eine sehr starke Fällung, die sich aber im Ueberschuss des Glutins leicht löst.“ Dieses widerspricht doch dem, das L. das Keratin aus Glutinlösungen durch einen Ueberschuss von Sublimat, so ausfällen will, dass das Glutin in Lösung bleibt. Ferner macht Simon auf die in- teressanten Abweichungen aufmerksam, welche das Verhalten des 1) Ueber die Struktur und das Wachsthum der Hornscheiden der Wiederkäuer ete. Dresden 1871. 942 W.v. Nathusius: Fischleims gegen Reagentien ergiebt. Ich kann auf diese Einzeln- heiten hier nicht weiter eingehen und bemerke nur noch, dass Simons Arbeiten zwar älterer Zeit angehören, dass ich sie aber auch in der neueren Literatur noch zitirt und mehrfach bestätigt finde, dass ihnen also doch noch eine gewisse Klassizität beizu- messen ist. Aus Gmelin’'s Handb. d. Chemie (Bd. 8, 1858 S. 435) gestatte ich mir noch folgende Anführungen : ‚Von den Erd- und Metallsalzen wird Glutin nur durch Queceksilberehlorid, Platinchlorid und schwefelsaures Platinoxyd gefällt.“ Ebenda- selbst S. 453: „Gegen die indifferenten Lösungsmittel, gegen Hitze, Queeksilberchlorid, Gerbsäure, Chlor, Jod, Brom, Kreosot verhielt sich Chondrin ganz wie Glutin.“ Ferner aus Fehlings Handwörterbuch der Chemie, Braunschweig 1875 Bd. 2. S. 657: „Dagegen macht Quecksilberchlorid in Chondrin- lösungen nur eine Trübung, während Glutinlösungen da- von gefällt werden.“ Das. S. 1149: „Quecksilberehlorid trübt die Glutinlösung, der Niederschlag löst sich anfangs beim Um- rühren wieder auf, wird aber bei Zusatz eines Ueber- schusses von Quecksilbersalz bleibend.“ Nichts liegt mir ferner, als danach Liebreich’s Angaben für unrichtig zu erklären, sondern ich gelange nur zu dem Re- sultate, dass solche Reaktionen der verschiedenen Leimarten, je nach ihrem Ursprung und je nach ihrer Bereitung, so wie nach den daraus hervorgehenden Beimischungen, welche sie enthalten können oder müssen, viel zu inkonstant sind, als dass ich die Schlussfolgerung: der aus Marksubstanz hergestellte Leim sei kein wirklicher Leim, weil er in einzelnen Reaktionen sich von ein- zelnen andern Leimpräparaten unterscheide, als eine berechtigte anerkennen könnte. Ueberhaupt kommt es hier keineswegs darauf an, ob der Leim aus Marksubstanz sogenanntes Glutin, wie er auch weder durch mich noch Stohmann bezeichnet ist, oder auch sogenanntes Chondrin sei: bei den Verschiedenheiten, welche unter den bis jetzt eingehender geprüften Leimarten bestehen, können doch recht wohl noch andere gefunden werden, welehe wieder verschiedene Reaktionen zeigen. Mir scheint, dass eine chemische Definition der nach ihrem physikalischen Verhalten als Leim zu bezeich- nenden Substanzen bis jetzt nicht wohl thunlich ist, und ich Ueber Leimbildung aus Marksubstanz. 243 möchte die Berechtigung in Frage stellen, diese Präparate oder einzelne derselben als bestimmte rein dargestellte chemische Verbindungen zu betrachten. Die beliebte Anhängung der En- dung „in“ an ein lateinisches oder griechisches Wort giebt mei- ner Auffassung nach diese Berechtigung noch nicht. Es sind Umwandlungsprodukte gewisser Gewebe, nicht chemisch definirter Stoffe, welche sich durch die Fähigkeit zu gelatiniren einiger- massen charakterisiren und danach als Leim bezeichnet werden. Bis jetzt ist m. W. aus keinem unzweifelhaft epidermoidalen Ge- webe Leim dargestellt. Soll dieses versucht werden, so wird, wie ich schon andeutete, markfreie Schafwolle das empfehlenswertheste Material sein. Erst wenn es gelänge, aus diesem oder sonstigem reinen Horngewebe gelatinirenden Leim darzustellen, würde ich die Bedeutung der Leimbildung aus Marksubstanz in Frage ge- stellt sehen. Dass es bedenklich sein kann, morphologische Fragen nur ‘nach chemischen Gesichtspunkten entscheiden zu wollen, gebe ich vollständig zu; so machte ich den Umstand, dass die Mark- substanz kollagen ist, nur als eine, aber doch nicht unwichtige Bestätigung der auf anderem Wege gewonnenen Ueberzeugung ihres bindegewebigen Ursprungs geltend. Hier und jetzt auf diesen anderen Theil der Frage einzugehen, wäre nicht angemessen; aber ich darf mir doch vielleicht erlauben, darauf hinzuweisen, dass ich schon 1869 in Reichert ’s Archiv (S. 69 u. ff.) ver- sucht habe, diesen Nachweis zu führen. Dass er wenig oder gar keinen Anklang gefunden hat, darüber täusche ich mich nicht. Trotzdem kann ich nicht zugeben, dass dasjenige, was mir später, als für den epidermoidalen Charakter des Marks geltend gemacht, bekannt geworden ist, die unter Anderen aus der Untersuchung des Pferdehufs und des Flotzmauls von Kälbern gewonnenen Re- sultate zu beseitigen geeignet ist. Da wo, wie an diesen Ob- jekten, die Papillen so lang sind, dass sich ihr Uebergang in die Markstränge gänzlich ausserhalb des Keimlagers der Hornzellen be- findet und mitten in dem schon vollständig ausgebildeten Horn liegt, ist m. A. n. die sicherste Entscheidung zu suchen. Die Haut der Öetaceen wird wegen der Länge ihrer Papillen auch ein günstiges Objekt darbieten, und vielleicht gewinne ich die Zeit, an dieser die Frage noch einmal wieder aufzunehmen. 244 Davıd Hansemann: Ueber die Specificität der Zelltheilung. Von Dr. David Hansemann, Privatdocenten und Assistenten am pathologischen Institut zu Berlin. Hierzu Tafel XTV. In einer kürzlich erschienenen Monographie (1), sowie in einer Reihe kleimerer Abhandlungen habe ich den Beweis zu er- bringen versucht, dass die Zellen verschiedener Gewebe bei der mitotischen Theilung ganz bestimmte Charaktereigenschaften er- kennen lassen. Was darüber durch andere Untersuchungen bis- her bekannt war, wurde in dieser Monographie ebenfalls bespro- chen und kann hier darauf verwiesen werden. Schon der Umstand, dass man von vorneherein das Studium der karyokinetischen Processe an ganz bestimmten Zellarten vornahm, dass man die Chromosomen an dieser Zellart, die Spindeln an einer anderen, die Centrosomen an eimer dritten u. s. w. studirte, zeigt uns, dass den einzelnen Zellarten verschiedene Theilungsformen eigen sind. Dahin deutet auch die Geschichte des Wortes „Ohromosom*. Ursprünglich als Kernfaden oder Schleife bezeiehnet, fand man, dass für manche Zellarten dieser Ausdruck nicht passe, da die betreffenden Gebilde kugel-, stäbchenförmig, oder sonstwie be- schaffen waren. Waldeyer (2) erfand deshalb den sehr passen- den Namen Chromosom, weil sie alle die gemeinsame Eigenschaft haben, sich mit den sogenannten Kernfarben zu färben. Wenn ich mich nun in der oben angeführten Abhandlung ausschliesslich auf die Angaben über menschliches Material be- schränkt habe, so geschah dies nur deshalb, weil mir daran lag, aus diesen Befunden weitere Schlüsse auf die menschliche Patho- logie, speciell auf die Geschwulstlehre zu ziehen. Bei der Klein- heit der menschlichen Zellen würden jedoch meine Resultate auf schwachen Füssen stehen, wenn sie sich nicht bei anderen Thie- ren bestätigen liessen und speeciell bei solchen, deren Zellen gross und deutlich genug sind, um in all ihren Theilen der Unter- suchung zugänglich zu sein. Ich habe mich deshalb bemüht, Ueber die Speeifieität der Zelltheilung. 245 die Specifieität der Zelltheilung auch bei anderen Thieren nach- zuweisen, und gefunden, dass dies um so leichter gelingt, je grösser und deutlicher die Zellfiguren entwickelt sind. Unter- sucht wurden darauf Kaninchen, Ratten, Mäuse, Meerschweinchen, Hunde, Katzen, Murmelthiere, Larven von Fröschen, verschie- denen Tritonarten, von Siredon und von Salamandra maeculosa. Wenn ich nun weit davon entfernt bin, ‚alle Gewebe all dieser Thiere systematisch durchuntersucht zu haben, so glaube ich, dass das auch nicht gefordert zu werden braucht nach der aus- führlichen Darstellung, die ich von menschlichem Material ge- geben habe und dass eine Reihe von Stichproben genügen, um behaupten zu können, dass die Speeifieität der Zelltheilung auch für die obengenannten Thiere zu Recht besteht. Bei den Warm- blütern beschränkte ich meine Untersuchungen auf diejenigen Theile, die normaler Weise Mitosen enthalten und auf einige Gelegenheitsbefunde bei pathologischen Experimenten an den übrigen Geweben, also vorzugsweise auf Epidermis, Schleim- häute, Darm, Lymphdrüsen, Bindegewebe und Cornea. Bei den niederen Thieren und speciell bei Larven, die in toto geschnitten werden, ist es ja verhältnissmässig einfacher, eine allgemeine Uebersicht zu bekommen. Es würde jedoch zu weit und zu zahlreichen, werthlosen Wiederholungen führen, wollte ich alle die Erfahrungen hier aufzählen, die sich bei diesen Untersuchungen ergeben haben. Da es sich hier nur um das Princip der Speecifieität der Zell- theilung handelt, so genügt ein recht deutliches Beispiel, das gewissermaassen als Schulfall dienen kann, das jeder leicht nach- prüfen und von seiner Richtigkeit sich überzeugen kann. Deshalb habe ich dem Folgenden das klassische Unter- suchungsobjeet, die Larve von Salamandra maeulosa zu Grunde gelegt, die überall leicht zu haben ist und deren Mylohyoidplatte, Kiemenplättehen und Lungen es gestatten, mit Leichtigkeit Flä- chenpräparate herzustellen. Zum Vergleich wähle ich drei Zell- arten, die Epithelien der Mylohyoidplatte, die Bindegewebszellen der Kiemenplättehen und die rothen Blutkörperchen, die haupt- sächlich in den Lungen, aber auch in den beiden anderen Or- ganen oder an anderen Körperstellen studirt werden können. Als Fixirungsmittel dienten Flemming’sche und Hermann’sche Flüssigkeit in verschiedener Concentration, concentrirte Sublimat- 246 David Hansemann: lösung und Chromsäure 2°/go. Die Sublimatlösung, die für menschliches Material sich so vorzüglich bewährt, ist für Sala- manderlarven ziemlich untauglich. Dagegen muss ich der Chrom- säure entschieden das Wort reden. An allen Theilen, zu denen .sie unmittelbar gelangt, z. B. der äusseren Haut, den Kiemen- platten, den Lungen und auch den Mylohyoidplatten erzeugt sie in keiner Weise die Kunstproducte, die sie so sehr in Misskredit gebracht haben. Diese treten nur an inneren Organen ein, zu denen die Chromsäure erst spät gelangt. Bei Warmblütern ist die Chromsäure ja, wie bekannt, ganz untauglich zur Fixirung feinerer Zellstrukturen. Für die vorliegenden Zwecke aber leistet sie, wie Vergleiche unzweifelhaft darthun, dasselbe wie die Flemming’sche und Hermann’sche Lösung, hat aber vor die- sen den Vorzug der einfacheren Herstellung und Anwendbarkeit. Zur Färbung benutzte ich Hämatoxylin-Eosin, Saffranin, Brasilin, verschiedene Anilinfarben und besonders das Biondi’sche 3 Far- bengemisch. Die Zeichnungen, die der beigefügten Tafel zu Grunde liegen, sind in folgender Weise entstanden. Die Zellen entstam- men sämmtlich der Chromsäurefixation, und waren gefärbt mit Biondi’schem Gemisch. Sie wurden dann mit der Zeiss’schen apochromatischen Oelimmersion 2,0, Apertur 1,50 bei einer Tubus- länge von 160mm, Projeetionsokular 2 und Balglänge 50 cm photographirt. Das ergiebt etwa eine Vergrösserung von 600. Von den Erythroeyten wurden wegen ihrer platten Gestalt nur einfache Aufnahmen gemacht. Die übrigen Zellen doppelt auf- genommen und nach der von mir (3) angegebenen Methode stereos- kopisch vereinigt. Die groben Umrisse der Figuren wurden nach den Photogrammen zur Zeichnung durchgepaust und die Details nach den stereoskopischen Bildern und den Originalen ausgeführt. Dadurch sind die Bilder rein naturalistisch, stellenweise sind die ihnen anhaftenden Präparationsfehler abgebildet. Allein chema- tisirt wurde der Zellinhalt der Figuren 1 bis 5, weil es hier nur auf den allgemeinen Eindruck ankam, und der Zellkörper eben- sogut hätte ganz weggelassen werden können. Wenn man nun die Tafel betrachtet, so genügt schon ein oberflächlicher Blick, um die 3 Typen herauszufinden und ohne weitere Anweisung wird es jedem Geübten möglich sein, die zu- sammengehörigen Gruppen (1—5, 6—9, 10—15) von einander Ueber die Speeifieität der Zelltheilung. 247 zu scheiden. Ganz abgesehen von den Grössenunterschieden der ganzen Zellen trägt jede Art einen bestimmten Charakter, der an der Zeiehnung zunächst durch die Form und Anordnung der Chromosomen, dureh die Stellung der Spindel und die Grösse der Centrosomen gegeben ist. Bei genauerem Studium der Thei- lungsvorgänge ergeben sich noch eine ganze Reihe anderer Unter- scheidungsmerkmale. Ganz besonders eharakteristische Eigenschaften haben die Theilungsfiguren der Erythroeyten. Von dem Augenbliek an, wo der Kern sieh zur Theilung anschiekt, wird er schwieriger zu färben, als die übrigen Zellen desselben Präparates. Um aus- reichend gefärbte Chromosomen der Erythrocyten zu erlangen, muss man das Präparat überfärben. Das beruht jedoch zweifel- los nieht auf einer Eigenthümlichkeit der Chromosomen, sondern auf einer Undurchlässigkeit der Zellkörper, oder vielleicht der Zellmembran, denn von dem Moment an, wo die Zelle sich ein- sehnürt, färben sich die Chromosomen der Tochterzellen fast ebenso leicht, wie die anderer Zellen. Von da an, wo in dem fast homogenen Kerne deutliche Fäden auftreten (Fig. 10), fängt die ehromatische Figur an, schnell zu wachsen, so dass sie bei voller Ausbildung des Monospirems die ganze Zelle ausfüllt und die sehr langen Chromosomen sich am Rande umbiegen, um sieh der Form der Zelle anzufügen (Fig. 12 und 15). Nur selten findet man zu dieser Zeit Bilder, in denen der Zellkörper die ehromatische Figur nieht vollständig umschliesst (Fig. 11). Die geringe Dicke der Zellen führt es auch herbei, dass die ziemlich geräumigen Tochtersterne von der Axe abknicken und zwar, wie es scheint, mit dem Pol stets nach derselben Seite, so dass die Sterne in der Zelle nebeneinander liegen, ihre Chromosomen vielfach fingerförmig imeinander greifen und leicht für ein unge- wöhnlich grosses Monospirem gehalten werden könnte, wenn man nieht die beiden Polfelder wahrnehme (Fig. 13), die nicht immer so deutlich sind, wie in der Fig. 15. Von einer achromatischen Figur habe ich bei diesen Erythrocyten niemals etwas gesehen, einmal, weil der sich stark färbende rothe Farbstoff der Zellen dieselbe verdeckt und dann, weil die diehte Masse ker Chromo- somen die Zelle fast ganz ausfüllt. Die Chromosomen selbst, sind nieht, wie bei den meisten anderen Zellen scharflinig be- grenzt, sondern bestehen aus Reihen einzelner, unregelmässig ge- 248 David Hansemann: . formter Körper, die vielfach miteinander eonfluiren, so dass sie im ganzen wie zerzupft aussehen. Dass es sich hier nicht um Kunstprodukte handelt, geht daraus hervor, dass die Untersu- chungsmethode darauf ohne Einfluss ist, dass sämmtliche Erythro- eyten ohne Ausnahme diesen Zustand zeigen und dann, dass neben solchen Zellen gelegentlich Gefäss- oder Epithelzellen mit vollkommen glatten Chromosomen liegen, die entweder gar nicht aus einzelnen Elementen zusammengesetzt sind oder deren Gra- nula so fein sind, dass man sie bei gewöhnlichen Präparations- methoden nieht erkennt (4). Die Längstheilung der Chromo- somen findet verhältnissmässig spät statt, gewöhnlich wenn (Fig. 12) bereits ein deutlicher Stern entwickelt ist. Dagegen tritt die Zelleinschnürung sehr früh ein und verläuft offenbar sehr schnell, denn sehon zu einer Zeit, wo noch vollständige Tochtersterne zu erkennen sind (Fig. 15), ist die Einschnürung vollendet und die Tochterzellen rücken weit auseinander. Vergleicht man mit dieser Schilderung die Theilungsvor- gänge der beiden anderen Zellarten, so treten die Unterschiede scharf hervor. Bei den Bindegewebszellen werden die Fortsätze fast ganz eingezogen, so dass nur noch spärliche Reste davon zu sehen sind (Fig. 7). Dass auch hier die’ chromatische Figur die Zelle in gewissen Stadien ziemlich ausfüllt, fällt einmal weniger auf, da auch schon der ruhende Kern diese Eigenschaften hat, dann aber auch dieses Ausfüllen nur in den Anfangsstadien (Fig. 6) vorhanden ist, wenn die*’Fortsätze noch zum Theil aus- gestreckt sind. Später ist immer so viel Raum vorhanden, dass man die achromatische Figur deutlich sieht. Bei den Epithel- zellen der Mylohyoidplatte ist dagegen die chromatische Figur stets wesentlich kleiner, als die Zelle und überschreitet an Grösse nur wenig den ruhenden Kern. In beiden Zellarten sind die Chromosomen, wie oben schon angedeutet, glattrandig und stäb- chenförmig, bei den Bindegewebszellen jedoch meist am Ende etwas kolbig angeschwollen und umgebogen, ähnlieh wie ich das (a. a. O0.) von den Lymphocyten des Menschen beschrieben habe. Die Längstheilung erfolgt bei den Bindegewebszellen sehr früh- zeitig, sie ist im Monasterstadium so weit vollendet, dass man die zusammengehörigen Segmente nicht mehr erkennt. Auch bei den Epithelzellen beginnt sie schon im Monospiremstadium. Im Mo- naster (Fig. 3) liegen sie jedoch noch so weit aneinander, dass Ueber die Speeifieität der Zelltheilung. 249 sie als parallele Schleifen zu erkennen sind. In diesem Stadium sind die Öhromosomen der Epithelzellen ungemein schlank, machen Jedoch hier, wie im ganzen Verlauf der Theilung einen starreren Eindruck als die der beiden anderen Zellarten, was wohl daran liegt, dass sie fast immer gerade endigen, während die beiden anderen häufig umgebogen sind, die der Erythrocyten durch die Zellgrenze, die der Bindegewebszellen auch ohne diesen Zwang. Die achromatische Spindel ist sowohl bei den Epithel-, als den Bindegewebszellen sehr deutlich, bei den ersteren wesentlich stumpfer (nieht abgebildet), als bei den letzteren (F ig. 1); Die Centrosomen sind bei den Epithelzellen sehr klein, bei den Binde- gewebszellen meist gross und plump, wenn auch nicht so gross, wie bei den Wanderzellen. Bei den Bindegewebszellen sah ich mehrmals das Üentrosom ausserhalb’ des Kernes von eimem sich dunkler färbenden Archiplasma umgeben zu einer Zeit, wo an dem Kern noch keinerlei Theilungserscheinung wahrnehmbar war. Bei den Epithelzellen habe ich das nie finden können. Die erste Andeutung des Centrosom tritt erst im lockeren Knäuel auf. Man sieht dann (Fig. 2) zwei Centrosomen durch eine kleine Spindel verbunden und je von einer Sonne umgeben mitten im- Kernraum liegen. Sie liegen mitten in der Kernfigur und nichts deutet darauf, dass sie jemals ausserhalb des Kernes liegen, was bei Bindegewebszellen sicher vorkommt. Indessen fehlen mir die allerersten Stadien der OCentrosomentwicklung dieser Zellen. Trotz langen Suchens waren sie nicht aufzufinden. Diese Angaben mögen genügen, um die Speeifieität dieser 5 Zellarten zu charakterisiren und es sei nur noch bemerkt, (dass an jeder gut fixirten Zelle der bestimmte Charakter deutlich er- kennbar ist und dass Uebergänge von einem zum anderen nie- mals gefunden werden. Es ist wichtig, dass hervorzuheben, weil ich (1, S. 21) sagte: „Auch giebt nicht immer jede erste beste mitotische Figur Aufschluss über den Artcharakter, da sowohl kleine, physiologische, individuelle Abweichungen bestehen mögen, als auch bei der Kleinheit der Objeete die Lage der Zelle und sonstige Zufälligkeiten, besonders auch allerhand Kunstprodukte, den Typus der Mitose verwischen können?“ Diesen Satz benutzt Ribbert (5) zu dem ‚Einwand: „Wenn aber Hansemann sagt, dass keine Uebergänge von einem Mitosentypus zum ande- ren vorkomme, so scheint mir das einmal nicht ganz verträglich 250 Davıd Hansemann: mit der Angabe, dass man durchaus nicht jeder Mitose den Art- charakter ansehen kann, denn es könnten ja doch vielleicht in solehen weniger scharf ausgeprägten Formen die Uebergänge gegeben sein, und zweitens könnte man ja auch sehr wohl an- nehmen, «dass die Zelle, während sie sich metaplastisch änderte, keine Theilung eingeht, also auch keine Mitose enthält. Dann würde sich jenes Fehlen der Uebergänge von selbst erklären.“ Beide Einwände zeugen mehr von einer Speculation, als von einer Kenntniss, der wirklichen Vorgänge. Sie sind aber geeignet, einer durch intensives Studium der Thatsachen gewonnenen Ueber- zeugung von vorne herein den Kredit abzuschneiden und deshalb muss ich ihnen energisch entgegentreten. Jeder, der sich mit menschlichen Zelltheilungen beschäftigt hat, weiss, dass man es hier mit äusserst kleinen Dingen zu thun hat, die zahllosen Zu- fälligkeiten unterworfen sind und darauf bezog sich meine obige Angabe, die ich der Wahrheit gemäss machen musste, wobei ich aber das richtige Verständniss voraussetzte, dass eben menschliche Zellen zu solchen Untersuchungen nur mit Aus- wahl zu benutzen sind und dass die Zuverlässigkeit und die Uebung des Untersuchers dabei eine wichtige Rolle spielt. Wer (diese Dinge nicht eingehend und lange studirt hat, wird, selbst wenn er sonst der beste Mikroskopiker ist, sie an menschlichen Zellen nicht erkennen. Bei Salamanderlarven kann es Jeder, beim Menschen gehört ein langes Gewöhntsein an diese Dinge dazu. Den ersten Theil seines Einwandes würde Ribbert nicht gemacht haben, wenn ihm diese Schwierigkeiten genügend be- kannt wären. Der zweite Theil des Ribbert'schen Einwandes gehört zu jener Klasse von Behauptungen, die man nicht beweisen und nicht widerlegen kann. Möglich ist noch Vieles, es ist nur fraglich, ob die Thatsachen dazu zwingen, alle die Möglichkeiten zu berücksichtigen und zu erwägen. Es ist hier nicht der Ort, die ganze Frage der Metaplasie zu besprechen, und ich behalte mir vor, bei anderer Gelegenheit ausführlich auf diesen Theil des Ribbert schen Einwandes zurückzukommen. Es finden sich jedoch nicht nur allein keine Uebergänge der speeifischen Mitosen, sondern dieselben sind auch bei aller- hand Eingriffen ungemein constant. Ich habe Salamanderlarven mit dem verschiedensten Protoplasmagift behandelt, mit Chinin, Ueber die Speeificität der Zelltheilung. 251 Chloralhydrat, Aconit, Apomorphin, Alkohol. Die Gifte wirkten kurze Zeit in stärkerer und lange Zeit in schwächerer Concen- tration. Die Vergiftung wurde stets bis zur Bewusstlosigkeit der Thiere fortgesetzt und dieselben dann sofort, nach Stunden oder Tagen untersucht. Ich liess Thiere einfrieren, viele blieben nach dem Aufthauen am Leben und wurden nach verschieden langer Zeit untersucht. Ich hielt sie Tage lang in lauwarmem Was- ser. Durch nichts war eine Veränderung im Charakter der Mi- tosen herbeizuführen. Selbst nach Verletzungen, die sich leicht an den Kiemenplättehen und der Mylohyoidplatte anbringen lassen, blieb der Charakter der Mitose unverändert. Nur traten dann zuweilen 5 Theilungen ein, die ich übrigens einmal auch in der Lunge eines anscheinend normalen Thieres fand. Berlin, den 2. December 1893: Literaturangabe. T. Hansemann, Studien über die Specifieität, den Altruismus und die Anaplasie der Zellen. Berlin 1893. 2. Waldeyer, Ueber Karyokinese und ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. Dieses Archiv, Bd. XXXII, 1888. 3. Hansemann, Ueber stereoskopische Vereinigung mikroskopischer Photogramme. Archiv für Physiologie, 1892. 4. Altmann, Die Elementarorganismen. 2. Auflage. 5. Ribbert, Deutsche medie. Wochenschrift. 1893. No. 46. S. 1172. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV. Fig. 1—5. Zelltheilungsfiguren aus dem Epithel der Mylohyoidplatten. . 6—9. Zelltheilungsfiguren der Bindegewebszellen der Kiemen- plättchen. Fig. 10—15. Zelltheilungsfiguren der Erythrocyten. Im Uebrigen sehe man die Erklärung im Text. 952 Karl Sehaffer: (Aus dem histologischen Laboratorium der psychiatrischen und Nervenklinik zu Budapest.) Beitrag zur Histologie der secundären Degeneration. Zugleich ein Beitrag zur Rückenmarksanatomie. Von Dr. Karl Schaffer, Dozent. Hierzu Tafel XV. Eine neue Untersuchungsmethode, von einem italienischen Forscher Marehi herrührend, gab der Lehre der seeundären Entartung einen besonderen Aufschwung. Während nämlich bis- her die distinete Darstellung der seeundär-entarteten Nervenbah- nen nur im ziemlich vorgeschrittenen Stadium des Entartungs- processes möglich war, d. h. zur Zeit, als die Markhüllen der Nervenfasern total zu Grunde gegangen, mit dem Weigert’schen Kupferlackverfahren ein gelblicher, der Stelle der degenerirten Nervenbahn entsprechender, markloser Fleck sichtbar gemacht werden konnte, so sind wir im Stande, mit der Marchi’schen Osmio-biehromat-Methode die, 8—10 Tage nach der Durchtren- nung erfolgte Entartung sicher zu veranschaulichen. Es werden nämlich mit dem Osmio-biehromat jene Myelinschollen, welche in der zu entarten beginnenden Nervenbahn auftreten, tiefschwarz gefärbt, so dass an einem derart behandelten Präparat die de- generirte Nervenbahn mit dunklen Körnern reichlich besetzt er- scheint und sich dadurch vom gesunden, asch-bräunlichen Marke lebhaft und gut abgegrenzt abhebt. Die Marehi’s Methode hat daher den Vortheil, die Entartung positiv darzustellen im Gegensatze zur Weigert's-Färbung, welche nur em negatives Bild der Entartung, den Mangel einer Balın, bietet, und ist so- mit in dieser Beziehung eine empfindlichere Methode. Beitrag zur Histologie der secundären Degeneration. 253 Die Golgi-Cajal’sche Imprägnation ergab eine Menge der neueren nervenhistologischen Funde, deren Verhältniss zur Lehre der seeundären Degeneration bisher in Ermangelung einer em- pfindlichen Methode ungelöst ist. Das Marchi’sche Verfahren aber erscheint vollkommen fähig zu sein, auf mehrere feine und neueste hirnhistologische Fragen Antwort zu geben. Als wesent- lieh von mehreren Fragen heben wir hervor: 1. wie ist das Loos jener Collateralen, welche aus den Fasern des degenerirten Hinter- stranges entspringend, das Hinterhorn passiren, um mit ihren Endbäumechen im Vorderhorne zu enden?, 2. wäre es wichtig zu wissen, wie die, durch die Cajal’sche Imprägnation nachgewie- senen, absteigenden Schenkeln der Hinterwurzelfasern enden ? Die Lösung dieser Fragen durch das Thierexperiment ist relativ leicht; aus naheliegenden Gründen interessiren uns aber vielmehr jene pathologischen Fälle am Menschen, welche eine Antwort auf die oben angeführten Fragen gestatten. Ich ergriff daher mit Bereitwilligkeit die Gelegenheit, einen Fall von traumatischer (Qmerläsion des Rückenmarkes zur genauen histologischen Unter- suchung zu bringen. Julie P., 18jähriges Mädchen, wurde am 2. Februar 1892 wegen eines Schusses in ihren Rücken auf die chirurgische Ab- theilung des Johannes-Spitals aufgenommen; die Patientin sah ich, in Folge gütiger Erlaubniss des Herrn Direktors, Dr. Ludvik, am 6. Februar, und konnte von ihr folgenden neurologischen Status aufnehmen: Complete und schlaffe Paraplegia lumbalis. Der Sohlen- und Bauchreflex fehlen ; Epigastrialreflex wohl ausgeprägt. Achilles- sehnenreflex und Kniephänomen nicht zu erhalten. Auf beide Unterextremitäten sich erstreckende und tiefe Paraanästhesie, deren obere Grenze links und vorne die Inquimalbeuge, seit- und rückwärts die Crista ilei ist; auf der rechten Seite bildet seit- und rückwärts gleichfalls die Crista ilei die Grenze, während die Anaästhesie vorne in die Regio hypogastriea sich erstreckt, und 2 querfingerbreit unterhalb des Nabels endet. Im anästhe- tischen und analgetischen Gebiete ist zugleich complete Thermo- anästhesie vorhanden. Die Haut der Unterextremitäten zeigt auffallende Neigung zu trophischen Störungen; dem rechten Tro- ehanter major entsprechend ist eine ausgebreitete Röthe sichtbar, und die Haut der Unterextremitäten mit lauwarmem Löffel be- 254 KarlSchaffer: rührt, entsteht an dieser Stelle sofort eine Bulla. Der Bauch weist diffuse Hyperalgesie auf. Aufwärts von der angegebenen Grenze der Anästhesie sind sämmtliche Qualitäten der Hautem- pfindlichkeit normal. Der Muskelsinn fehlt in den Unterextremi- täten vollkommen. Die elektrische Untersuchung wies normale neuromuseuläre Erregbarkeit nach. Patientin sah ich seit der Aufnahme nicht mehr. Ich er- fuhr, dass sie unter Erscheinungen immer mehr sich ausbreiten- den Deeubitus und Sepsis am 11. Juni 1892 starb. Die Sektion erwies, dass das Rückenmark in der Höhe der XI. Dorsalwirbel durch ein Projektil zerstört wurde, welches in einer derb-fibrösen Kapsel liegend, die Stelle der vollkommen zerstörten Rückenmarksubstanz einnahm (s. Fig. 1). Wir hatten somit einen reinen Fall completer Querläsion vor uns. Das Gehirn und Rückenmark wurde in Müller’sche Flüssigkeit gelegt und nach 14 Tagen nahm ich aus verschiedenen Höhen !/, em dicke Scheiben, welche in das Marchi’sche Osmio-bichromat auf 5—8 Tage kamen. Nachher wurden die einzelnen Scheiben in strö- mendem Wasser durch 12—20 Stunden ausgewaschen und nach- ber der gewohnten Procedur unterworfen. — Meine histologischen Funde möchte ich in Folgendem resumiren. Unmittelbar ober- und unterhalb der Läsion erscheint das 3jild der sogenannten traumatischen Degeneration, indem über den ganzen Querschnitt des Rückenmarks eng nebeneinander äusserst zahlreiche Myelintropfen um Scholla liegen, ohne jed- welcher strangförmiger Differenzirung, wodurch das Präparat be- reits mit freiem Auge gemustert gräulich-schwarz erscheint. Von der Stelle der Läsion mehr auf- und abwärts, vertheilt sich die Degeneration verschieden. Abwärts fallen folgende Momente auf: 3eide Seitenpyramiden befinden sich in ausgeprägter Ent- artung, indem diese Stellen mit zahlreichen, dicht gelagerten Myelinschollen besetzt erscheinen. Der restliche Theil des Seiten- stranges, sowie der Vorderstrang weist diffuse und spärlichere Degeneration auf (s. Fig. 3, Taf. XV). Im Sacralmarke sehen wir die Entartung ausschliesslich auf die Peripherie des Vorder- Seitenstranges sich beschränken (Fig. 2 und 3, Taf. XV). — Die interessantesten Veränderungen weisen die Hinterstränge auf. Diese weisen eine beinahe diffus-gleichmässige und eompakte Beitrag zur Histologie der seeundären Degeneration. 255 Degeneration auf, indem unzählige russ-schwarze Myelinschollen eng nebeneinander liegen, welche nur relativ die sogenannte Wurzelzone, ferner Flechsig's Medianzone entlang des Sept. posterius freilassen. Eine genauere Besichtigung der Hinter- stränge des Lumbalmarks ergab, dass die bedeutendste Degene- ration in der Fleehsig’schen vorderen und hinteren Wurzelzone zu constatiren sei, während die mittlere Wurzeizone weniger af- fieirt erscheint. Doch sind diese Differenzen — wie ich dies nochmals hervorheben möchte — bei oberflächlicher Betrachtung nicht ins Auge springend. — Im oberen Saeralmarke findet man eine derartige genauere Territorial-Differenzirung der Hinterstränge nieht. Vor Allem fehlt hier die Flechsig’sche Medianzone, welche hier bereits verschwunden ist; ferner erscheint die vor- dere Wurzelzone der Hinterstränge, d.h. der mit der Hinter- commissur benachbarte Theil der Hinterstränge bereits vollkom- men degenerationsfrei zu sein. Die hauptsächliche Degeneration ist mehr in den, mit dem Medianrande des Hinterhornes benach- barten Theilen der Hinterstränge zu sehen; besonders stark sind die Wurzeleollateralen degenerirt. Die dem Sept. med. post. be- nachbarten Theile sind weniger affizirt. — Die Subst. spongiosa des Hinterhorns ist mit Degenerationskörnern reichlich besetzt. Die auffallende Degeneration der Hinterstränge ist bis zum Filum terminale zu verfolgen, derart, dass die Entartung immer mehr abwärts auch suecessär spärlicher wird. Es sei zugleich hervorgehoben, dass die durch die Hinterhörner in die Vorder- hörner einstralenden Collateralen (Anteroposteriores) durchwegs degenerirt erscheinen, indem die, entlang dieser Wurzelfasern rosenkranzförmig angeordnet liegenden Myelinschollen ohne Unter- brechung aus dem Hinterstrange zwischen die motorischen Ner- venzellen der Vorderhörner zu verfolgen sind. Die gelatinöse Substanz, gleichwie die Vorderhörner sind mit feinsten Myelin- tropfen reichlich besäet. — Jene Collateralen, welehe in die Clarke’schen Säulen eindringen, sind degenerirt; die Substanz dieser Säule ist selbst mit Myelinkörner diffus besetzt (s. Fig. 1, 2 und 3, Taf. XV). — Von der Querläsion aufwärts, abgesehen auch hier von der, auf geringe Distanz sich erstreckenden traumatischen De- generation, fallen folgende Veränderungen auf. Im unteren Dorsalmarke zeigen beide Vorderseiten- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 | 17 256 KarlSchaffer: stränge ausgeprägte Degeneration, jedoch ist bereits in dieser Höhe jener Theil der Seitenstränge, welcher der direkten Klein- hirnbahn entspricht, dichter degenerirt, als die übrigen Theile des Vorderseitenstranges. Die Hinterstränge zeigen gleichfalls hochgradige Entartung, welche aber nicht gleichmässig ist, da der mittlere Theil beider Hinterstränge durch einen lichteren, ovalen Fleck oceupirt wird (s. Fig. 4, Taf. XV), welcher einem bereits mehr vorgeschrittenen Stadium des Markzerfalls entspricht; diese liehteren Stellen werden rechts und links, d. h. medial- und lateralwärts durch einen dunklen Streifen dichter Degenera- tion eingerahmt, welcher somit die erwähnten lichten Stellen von «ler Hintercommissur, vom hinteren Septum, vom Hinterrande des Hinterstranges und vom medialen Rande des Hinterhornes sepa- rirt. Die hintere Wurzelzone ist vollkommen degenerationsfrei. — Somit finden wir in jedem Hinterstrange des unteren Dorsal- segments dreierlei Territorien; vor Allem die in der Mitte des Hinterstranges liegende, lichtere Stelle, welche in einem vorge- schritteneren Stadium der Degeneration sich befindet, da die Glia bereits hyperplastisch ist und das Myelin nicht mehr frei, sondern in den zahlreichen Fettkörnchenzellen liegt; zweitens den latera- len, in floridem Markzerfalle befindlichen, daher mit zahlreichen Myelinkörnern dicht besetzten Abschnitt; endlieh drittens die ge- sunde Wurzelzone. Die aus dem Hinterstrange in das Vorder- horn eintretenden Collateralen sind durchwegs degenerirt. Im mittleren Dorsalmarke hebt sich die Entartung der Kleinhirn-Seitenstrangbahn dadurch besser hervor, dass die übrigen Partieen des Vorderseitenstrangs in bedeutend geringerem Grade degenerirt sind als die eorrespondirenden Abschnitte des unteren Dorsalmarks. Jenes ovale Territorium aber, welches im unteren Dorsalmarke noch ungefähr die Mitte der Hinterstränge oceupirte, ist nun ganz zur hinteren Medianfissur gerückt und erscheint als ein dreieckiger hellerer Fleck. Lateralwärts von demselben der tiefschwarz tingirte, daher ausgesprochen entartete ;urdoch’sche Strang; die Wurzelzone ist auch hier intaet. Im oberen Dorsalmark resp. im untersten CGer- viealmarke sind die Verhältnisse ganz unverändert, nur ist zu bemerken, dass die Cerebellarbahn noch distineter erscheint, indem die diffuse Degeneration des Seitenstrangs bereits sehr spärlich ist. Durch denselben Umstand erscheint die Entartung Beitrag zur Histologie der secundären Degeneration. 257 des Gowers’schen unterolateralen Strangs deutlicher, welche in unserem Falle von der Cerebellarbahn ventralwärts zu liegen kommt; derselbe ist durch seine feinere und spärlichere Degene- ration von der Kleinhirn-Seitenstrangbahn wohl getrennt, während das vordere Ende des Gowers’schen Trakts mit der Randde- generation des Vorderstrangs innig verschmilzt (s. Figg. 6, 5, 4). — In der Halsanschwellung (s. Fig. 7) sind die Verhältnisse unverändert: keilförmiger Goll’scher Strang, L-förmiger Bur- dach’scher Strang, beide (jedoch verhältnissmässig) degenerirt, gesunde Wurzelzone, distinet degenerirte Cerebellarbahn, Seiten- strang mit äusserst spärlichen Myelintropfen besetzt, Vorderstrang mit Randdegeneration versehen, welche in den gleichfalls dege: nerirten Gower’schen Strang übergeht. — In der Höhe der 2. Cerviealwurzel (s. Fig. 8): Goll’scher Strang ist flaschen- förmig, erreicht mit seiner Spitze jedoch nicht die Hintereommis- sur; Burdach'scher Strang L-förmig, der verticale Schenkel des L erstreckt sich von der Hintercommissur bis zum hinteren Rand des Hinterstrangs: der horizontale Schenkel des L zieht entlang des hinteren Randes des Hinterstrangs bis zur Lissauer’schen Randzone. Es sei hier ausdrücklich hervorgehoben, dass ich im Bereiche der Lissauer’schen Randzone nirgends eine Degene- ration ceonstatiren konnte. — Wurzelzone vollkommen intact, er- scheint als ein vergrössertes Dreieck, welches tief in den dege- nerirten Burdach’schen Strang eindringt. Seitenstrang, ausge- nommen die entartete Cerebellarbahn, degenerationsfrei; Gowers’- scher Vorderseitenstrang verschwunden; äusserst feine und leichte Randdegeneration des Vorderstrangs. — In der Höhe der Pyra- midenkreuzung (s. Fig. 9) sind die Verhältnisse gleich, nur die gesunde Wurzelzone erscheint bedeutender an Flächenausdehnung ; der Burdach’sche Strang ist durch die Seitwärtslagerung der Hinterhörner sichelförmig geworden; der Goll’sche Strang er- reicht mit seiner Spitze die Hinterecommissur. Die gesunde Wurzelzone wird durch zahlreiche, mit Myelintropfen rosenkranz- ähnlich besetzte, daher degenerirte Collateralen durchquert. Die Cerebellarbahn erscheint als ein dreieckiges Territorium. Am Rande des rechten Vorderseitenstrangs eine geringfügige Degene- ration. Im untersten Theile der Medulla oblongata geht die, dem Goll’- und Burdach schen Strange entsprechende Degeneration 258 Kiıarlsscha ffer;: in den Kern des zarten resp. Keilstrang, über, doch ist es klar und deutlich ersichtlich (Fig. 10), dass aus dem entarteten Marke des Burdaeh’sehen Strangs degenerirte Strängchen, entlang der inneren Bogenfasern in die Schleifenkreuzung, und somit in das contralaterale sensorische Feld gelangen. Auf diese Weise ent- steht ein entarteter Fleck, welcher, wie dies besonders deutlich an Fig. 11 zu sehen ist, zwischen Pyramide, innerer Nebenolive und dem Rande der Med. oblongata liegt. — Ein anderer und zwar kleinerer Theil der degenerirten, inneren Bogenfasern ver- läuft nach erfolgter Kreuzung theilweise am Rande, theilweise durch die Substanz der Pyramiden, und zieht über die entartete Cerebellarbahn hinweg, um in den Striekkörper zu gelangen (Fig. 11). — In der Höhe der Mitte der Med. oblongata (Fig. 12) finden wir degenerirt die Hinterstrangreste und sehen deutlich, wie die Cerebellarbahn in den Striekkörper übergeht. Jener Theil des Lemniseus, welcher zwischen Nebenolive und Pyramide liegt, ist bereits mit spärlicheren Myelinschollen be- setzt. — In der Höhe des Acustieus (Fig. 13 u. 14) sind die Hinterstrangreste nur mehr in Form einzelner degenerirter Bündelehen, seitwärts vom aufsteigenden Vagus, zu sehen; der Striekkörper, mit welehem die Cerebellarbahn vollkommen ver- schmilzt, zeigt umschriebene Degeneration. Entartet sind ferner noch die Stria acustiea und. jener Theil der Schleife, weleher mit der inneren Nebenolive benachbart ist. Ich resumire folgend. Nach einer Querläsion des Rückenmarks, verursacht durch das Eindringen eines Projektils in die Substanz des Rückenmarks in der Höhe der XI. Dorsalwirbel, entwickelten sich nach eirea 5 Monaten folgende Degenerationen: I. In absteigender Richtung degenerirten: a) In typischer Weise die Seitenstrangpyra- miden; b) ziemlich diffus der ganze Hinterstrang, besondersdicht injenem Territorium, wel- ches nach Sehultze die kommaförmige De- generation erfährt; freiblieballeinFlech- sig’s Medianzone. Die Thatsache, dass nach Querläsion ausser der typischen, deseendirenden Pyramidendegeneration auch noch die Hinter- Beitrag zur Histologie der secundären Degeneration. 259 stränge in absteigender Richtung eine Entartung erleiden, findet hie und da bereits in der neurologischen Literatur vor 10—12 Jahren Erwähnung, jedoch vielmehr als auffallende, beinahe ab- norme Erscheinung (Kahler und Pick, Schultze, Westphal, Strimpell). — So sahen Kahler und Pick!) in einem Falle .von Fraetur der Halswirbelsäule mit Compression des Rücken- marks (Tod erfolgte nach 12 Wochen) 2,5 em unterhalb der Com- pressionsstelle in den Grundbündeln der Hinterstränge, den Ban- delettes externes entsprechende Antheile degenerirt; diese Ver- änderung liess sich bis zum oberen Lendentheil verfolgen, woselbst sie verschwand. K. und P. nehmen an, dass es sich um durch aussergewöhnliche Umstände veranlasste Degeneration „kurzer Bahnen“ handelte. — Ich selbst sah in einem Falle von chroni- scher Myelitis des mittleren Dorsalmarkes folgendes. Abgesehen von der typisch aufsteigenden Degeneration des Goll’schen Stranges und der Cerebellarbahn, erschienen in absteigender Richtung ausser den Seitenpyramiden noch gewisse Abschnitte dder Hinterstränge entartet. Es ist aus Figg. 15—18 deutlich zu sehen, dass im obersten Lumbal-, resp. untersten Dorsalmarke (Fig. 15) zwei wohl umschriebene Stellen des Hinterstranges degenerirt sind, und zwar erstreckt sich ein Degenerationsstreifen von den Glarke’schen Säulen sichelförmig bis zum hinteren Rande des Rückenmarkes: derselbe ist lateralwärts durch gesunde Nervensubstanz vom Hinterhorne, durch die intacte Wurzelzone getrennt. Im innersten und hintersten Abschnitte des Hinter- stranges erscheint ein dreieckiges, zwickelförmiges Degenerations- feld, mit seiner Basis dem hinteren Rande des Rückenmarks an- liegend, mit seiner Spitze in die hintere Medianfissur auslaufend, ohne aber die hintere Commissur zu erreichen. Dieser Zwickel ist von dem erwähnten sichelförmigen Degenerationsfeld durch eine Brücke gesunder Substanz getrennt. Im Lumbalmarke (Fig. 16) ist das sichelförmige Feld faktisch in ein kommaartiges Feld verkleinert, welches bereits dem Hinterhorne näher gerückt ist. Wie ferner die Figg. 17 und 18 darthun, ist im Sacral- marke endlich das Kommafeld in die Wurzelzone selbst hinein- gerückt und somit an den inneren Rand des Hinterhornes ange- 1) Weitere Beiträge zur Pathologie und pathologischen Anatomie des Centralnervensystems. Arch. f. Psych. Bd. X. 260 KarlSchaffer: langt, um sich hier zu erschöpfen. — Das zwickelartige Dege- nerationsfeld, wie dies Figg. 16 und 17 beweisen, wird allmäh- lich schmächtiger, um im untersten Lumbalmarke zu verschwinden. Die eigentliche Bedeutung dieser absteigenden Degeneration der Hinterstränge wurde erst durch die neueren hirnanatomischen Arbeiten so ausgezeichneter Forscher wie Ramön y Cajal,, Kölliker und Lenhossek, sowie van Gehuchten klar. Dieselben wiesen an Föten und Neugeborenen der Säugethiere nach, dass jede hintere Rückenmarkswurzel bei ihrem Eintritt in einen auf- und absteigenden Schenkel zerfällt, somit erscheint die absteigende Degeneration der Hinterstränge gewissermaassen als Postulat vor uns. Ich selbst konnte an Föten der Blind- schleiche nachweisen, dass jede hintere Spinalwurzel in beinahe gleich mächtige, auf- und absteigende Schenkel sich theilt!). Mit diesen anatomischen Thatsachen stimmen einige neuere Expe- rimentalarbeiten vollkommen überein. Ich erwähne den kurzen Be- richt von Od di und Rossi?) sowie die Studie von Berdez°); m beiden handelt es sich um die Durchtrennung hinterer Wurzeln, worauf die genannten Autoren übereinstimmend absteigende Degene- ration in den Hintersträngen sahen. Oddi und Rossi durchsehnitten sechs hintere Wurzeln des linken Lumbalplexus; nach 15 Tagen auf der linken unteren Extremität trophische Störungen und voll- kommene Anästhesie. Am 21. Tage wurde das Thier getödtet. Einem zweiten Hunde wurden 5 linke Sacralwurzeln durchschnit- ten. Ihre Resultate lassen sich kurz wie folgt zusammenfassen. 1. In Folge von Hinterwurzel-Durchschneidung findet man eine intensivere Degeneration auf der Seite der Operation in den Hin- tersträngen, eine mindere contralateral. Die Degeneration be- schränkt sich im Dorsal- und Cervicalmarke auf die Goll’schen Stränge. — 2. Ausser der aufsteigenden konnten Autoren auch eine absteigende Degeneration constatiren, welche sich aber ausschliesslich auf den Hinterstrang der Operationsseite beschränkte. 1) Vergleichend-anatomische Untersuchungen über Rückenmarks- faserung. (Aus dem Senkenberg’schen Institut in Frankfurt a. M.) Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXXVII. 2) Archives italiennes de Biologie. 1890. 3) Referat im Neurolog. Centralbl. 1892. No. 16. Recherches ex- perimentales sur le trajet des fibres centripetes dans la moölle Epiniere. — Revue med. de la Suisse romande. — 1892, 20. Mai. Beitrag zur Histologie der secundären Degeneration. 261 Dieselbe liess sich bis in die Cauda equina verfolgen und oceu- pirte den medialsten Abschnitt des Hinterstranges. Berdez führte an Meerschweinchen Wurzeldurchschneidungen in verschie- dener Höhe des Markes aus. Die Thiere wurden 21—55 Tage nach der Operation getödtet und das Mark nach Marchi be- handelt. Mittels der seeundären Degeneration konnte auch dieser Verfasser die Existenz absteigender Fasern im Hinterstrang be- stätigen. Sie bilden ein Band, das sich vom vorderen Winkel bis gegen die Mitte der Peripherie des Hinterstranges zieht. Ausserdem wurden absteigende, degenerirte Fasern in den Vorder- seitensträngen beobachtet, doch weniger zahlreich, wie die auf- steigenden degenerirten Fasern desselben Stranges. Sie schliessen sich anfangs an die graue Substanz an, um sich dann allmählich zur Peripherie zu wenden. InmeinemieigenenEallerssah ich einediffuse, aufdie ganze Fläche desHinterstranges sich er- streckende Degeneration, welche gegen das Filum terminale allmählich und gleichmässig abnimmt. Wie jedoch die Figg. 1 und 2 beweisen, findet man noch im untersten Ende des Rückenmarks die Hinterstrangdegeneration, ferner erscheinen die Hinterwurzel-Collateralen ausgesprochen degenerirt. Meiner Auffassung nacherschöpft sichdie beschriebene, absteigende Degeneration durch Vermittelung soleher degenerirten Collateralen, welche, wie be- kannt, ins Vorderhorn einstrahlen. Ich folgere aus meinem Falle, dass die absteigenden Schenkel der hinteren Spinalwurzeln mit- tellange Fasern darstellen; ihre Länge entspricht allerdings jener des Lumbal- und Sacralmarkes. II. In aufsteigender Richtung degenerirten: a) Die, Ceze,bellarbahn; b) das Gowers’scehe Bündel; e) in abnehmender Intensität und diffus der Vorderseitenstrang; d)der Hinterstrang. Bei diesem Punkte müssen wir einer auffallenden Thatsache gerecht werden. Vorliegender Fall lehrt nämlich, dass wir nicht nur im sogenannten Goll’schen Strange eine mit den bisherigen Angaben übereinstimmende, typische Degeneration sahen, sondern 2362 KarlSchaffer: dass auch der äussere Abschnitt des Hinterstranges, der soge- nannte Burdach’sche Strang, eine zweifellos ausgeprägte, von der Läsionsstelle (XI. Dorsalwirbel) bis zur Med. oblongata, zum Nuel. funie. euneati hinaufreichende Degeneration erfuhr. Intaet erscheint nur die Wurzelzone. Diese Thatsache, welche kurz gefasst in der langge- streekten Degeneration des Burdach’schen Stranges (wie @oll) besteht, harmonirt nieht mit der herrschenden Auffassung über die Entartung des genannten Stranges. Die Sache ist all- zusehr bekannt, als dass eine ausführliche literarische Darlegung er- wünscht wäre. Ich erwähne nur P. Marie’s!) Beschreibung über die seeundäre Degeneration des Burdach’schen Stranges, welche er in der 5. Vorlesung (Degeneration ascendante conseeutive aux lesions transverses de la moälle) in prägnanter und zusammen- fassender Weise bietet. Aus derselben geht hervor, dass dieser Strang, welcher nahe ober der Läsionsstelle fast ganz affieirt ist, erhält in der Höhe einer jeden neueren Hinterwurzel eine Anzahl gesunder Fasern, welche anfangs am medialen Rande des Hinter- horns gruppirt sind, wobei dieselben die kranken Fasern ein- wärts drängen; es ist daher der äussere und hintere Abschnitt jener Theil des Burdach’schen Stranges, in welchem sich die aufsteigende Degeneration zuerst erschöpft. Die vordere, d. h. ventrale Region, welche der hinteren Commissur entspricht, bleibt durch eine längere Strecke unverändert (ungefähr 2—4 Wurzel- paaren entsprechend), da die Fasern dieser Gegend nicht dem Systeme der hinteren Wurzeln angehören, sondern jenen der Commissuralfasern, welche die verschiedenen Höhen der grauen Substanz mit einander verbinden. Die Degeneration des Bur- dach schen Stranges wird allmählich der Fläche nach kleiner und erschöpft sich von aussen nach innen, von rückwärts nach vorne, verlässt schliesslich vollkommen diesen Strang, um in das Bereich des Goll’schen Stranges definitiv überzugehen. Die Lehre von der Lagerung der aufsteigend-degenerirten Fasern wurde experimental zuerst von Singer?), später erneut von 1) Lecons sur les maladies de la moälle. Paris. 1892. 2) Sitzungsberichte der Kais. Akademie, Wien, 1881. Ueber die secundäre Degeneration im RM. des Hundes. Beitrag zur Histologie der seeundären Degeneration. 263 Singer und Münzer!), ferner Kahler?), später von Berdez (l. e.), sowie von Oddi und Rossi (]. e.) nachgewiesen. Die Fälle von Cornil und Martineau°), Leyden®), Th. Simon), Kah- ler und Pick®), sowie Schultze?), endlich Barbacei ergaben übereinstimmend, dass auf die anatomische Läsion der hinteren Wurzeln erfolgende aufsteigende Degeneration im unteren Theile des Rückenmarks auf den ganzen Hinterstrang sich erstreckt, während im oberen Theile dieselben nurmehr auf den Goll’schen Strang sich beschränkt. Aeusserst instructiv sind diesbezüglich die Beobachtungen von Sottas®), welcher auf Grund dreier Fälle — wovon der erste eine careinomatöse Verwachsung des Plexus sacralis darstellt, der zweite (Fall Dejerme) in der ab- nehmenden Atrophie der Hinterwurzeln vom Il. Cervicalnerven beginnend bestand, und der dritte die tubereulöse Verwachsung des linken Plexus brachialis repräsentirte — zu folgenden Schluss- resultaten gelangt: Vor allem bekräftigt er das Kahler’sche Gesetz, laut welchem im medialen Abschnitt des Hinterstranges die langen Bahnen der Sacralnerven enthalten sind, während die langen Fasern der Cervicalnerven mehr den lateralen Abschnitt des Hinterstranges einnehmen. Den Goll’schen Strang lässt er durch das Septum intermedium begrenzt sein, seine vordere Grenze ist unsicher. Sottas sieht durch seinen III. Fall, sowie durch die Fälle von Pfeiffer®) und Gombault für erwiesen, dass die langen Fasern der oberen Spinalwurzeln lateral vom Sept. inter- 1) Denkschriften der Kais. Akademie, Wien, 1890. — Beiträge zur Anatomie des Centralnervensystems. 2) Zeitschrift f. Heilkunde, 1882. Ueber die Veränderungen, die sich im RM. in Folge einer geringgradigen Compression entwickeln. 3) Comptes rendus de la Societe de Biologie. 1865. 4) Klinik der Rückenmarkskrankheiten, II. p. 301, 307. 5) Arch. f. Psychiatrie, V. Beiträge zur Pathologie und patholo- gischen Anatomie des Öentralnervensystems. 6) Arch. f. Psychiatrie, X, p. 196. 7) Arch. f. Psychiatrie, 1883, p. 364. 8) Revue de me£edecine, 1883. Contribut. ä l’etude des degene- rescences de la mo&lle consec. aux l&sions des racines posterieures. 9) Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. — Zwei Fälle von Lähmungen der unteren Wurzeln des Plexus brachialis. 264 KarlSchaffer: medium, d. h. ausserhalb des Goll’schen Stranges liegen. Sie sind daher im Burdach schen Strange situirt und enden auch im Kern desselben, im Nuel. fun. cuneati. Aus dieser Uebersicht ergibt sich, dass eine langgestreckte Entartung des Burdach’schen Stranges nur im Cervicalmarke, nach einer hier stattfindenden Wurzeldurchtrennung oder Com- pression zu erwarten ist. Mein Fall aber wies mit vollster Klar- heit nach, dass eine Querläsion des untersten Dorsalmarkes ge- nügt, um eine langgestreckte Degeneration im Burdach schen Strange hervorzurufen. Darausmusste ich mit zwingen- der Nothwendigkeit folgern, dass im äusseren Abschnitte des HinterstrangesbereitsimDorsal- marke ebenfalls langgestreckte Bahnen enthal- ten sind. Wie ist aber diese Incongruenz der Beobachtungen zu erklären? Da an die Exaktheit eitierter Beobachtungen nicht der geringste Zweifel reicht, so möchte ich ausschliesslich die Methode als Quelle difterenter Resultate ansehen. Querläsionen des Rückenmarkes des Menschen wurden bisher — soweit meine Uebersicht reicht — ausschliesslich mit Weigert's Kupferlack- Verfahren behandelt; was hierbei übersehen werden kann, erhellt aus der Aeusserung Mendel’s „dass die Weigert’sche Methode, die ja so ausgezeichnete Dienste leistet, wenn sie positive Ergeb- nisse gibt, doch eine gewisse Vorsicht erheischt, wenn die mit ihr gewonnenen Resultate negativ sind“. Dass Weigert’s kost- bare und elegante Methode nicht für alle Fälle secundärer Dege- neration ausreicht, sah ich deutlich in jenem Falle von chroni- scher Myelitis, worüber ich kurz oben referirte. Die beigegebe- nen Abbildungen I—IV sind insgesammt nach, mit Müller scher Flüssigkeit erfolgter Härtung der Querschnittfläche, makrosko- pisch nachgezeichnet; die degenerirten Stellen des Hinter- stranges fielen durch ihre bedeutend lichtere Verfärbung leicht auf. Um so auffallender war es, dass die sorgfältig angestellte Tinetion nach Weigert zu keinem Resultate führte, indem die mit dem Kupferlackverfahren behandelten Präparate, trotz dem zweifellosen makroskopischen Befunde, keine entschieden und eircumseript-degenerirten Stellen im Hinterstrange aufweisen. Bei einer genaueren Prüfung bekam die Sache jedoch ihre natürliche Lösung. Jede seeundäre Degeneration zerfällt ihrem zeitlichen Verlaufe nach in zwei Perioden. Die erste ist der Markzerfall, . Beitrag zur Histologie der secundären Degeneration. 265 die zweite die Aufsaugung des Myelins und die Gliahyperplasie. Weigert'’s Hämatoxylinfärbung gibt jedoch nur über den defi- nitiven Faserausfall zweifellosen Aufschluss, gleichwie Marchi’s Reagens nur den ersten Abschnitt des Degenerationsprocesses, jenen des Markzerfalls zur Darstellung bringt. Nun zeigt mein Fall in äusserst instruetiver Weise, dass die einzelnen Bahnen des Rückenmarks, wenn auch die Durehtrennung derselben zugleich ge- schah, zeitlich different entarten. So konnte ich nachweisen, dass der Goll’sche Strang, während seines ganzen Verlaufs von der Läsionsstelle an gerechnet bis zur Med. oblon- gata, im letzten Stadium der secundären Degeneration, in jenem des totalen Faserausfalles und der Gliahyperplasie sich befindet; dieser Umstand manifestirte sich dadurch, dass Marchi’s Rea- gens nunmehr Fettkörnchenzellen spärlich zerstreute und kleine Myelinkörnchen nachweisen konnte, während Weigert’s Häma- toxylinfärbung den typisch-keilförmigen, bräunlichen Fleck als entarteten Goll’schen Strang auf den ersten Blick erkennen liess. Ganz anders verhielt sich der aufsteigend entartete Bur- dach’sche Strang, das Gowers’sche Bündel, die Cerebellarbahn, sowie der absteigend degenerirte Hinterstrang. Die genannten Bahnen erscheinen durch Marchi’s Flüssigkeit tiefschwarz, indem ihre Stellen mit, mit Osmium geschwärzten Myelinschollen dicht besetzt sind; sie repräsentiren ein jüngeres Stadium der Entar- tung. Mit Weigert s Färbung sind diese Stellen kaum merkbar resp. gar nicht krankhaft verändert, so dass der exakte Auf- schluss über den Zustand derselben mit Marchi’s Reagens er- möglichte. — Endlich repräsentiren die absteigend-entarteten Seiten- strang-Pyramiden ein Zwischenstadium der Degeneration. Die- selben erscheinen, nach Weigert gefärbt, als etwas hellere Flecken — wohl nicht so hell-braun, als die Goll’schen Stränge —, vach Marchi behandelt, als Stellen, in welchen grössere Myelin- schollen in etwas spärlicher Anzahl liegen. Die Degeneration der Pyramiden hält also die Mitte zwischen beginnender Entar- tung, gekennzeichnet durch den floriden Markzerfall und abge- laufener Degeneration, charakterisirt durch totalen Faserausfall und Gliahyperplasie. Den zeitlichen Verlauf der seeundären Entartung im Rücken- marke lässt sich nach meiner Beobachtung folgenderweise prä- 266 J. Aug. Hammar: eisiren. Nach der Querläsion degenerirt vor allem und am raschesten der Goll’sche Strang: ihm folgt der Pyramiden-Seitenstrang, während die absteigende Entartung der Hinterstränge, die aufsteigende Degeneration des Burdach’schen, des Gower’schen Stranges, der Cerebellarbahn erst später erfolgt. Als interessante Thatsache möchte ich schliesslich erwähnen, dass aus dem aufsteigend entarteten Burdach schen Strange in allen Höhen gleichfalls degenerirte Collateralen entspringen, welche insgesammt in das Vorderhorn einstrahlen. Daraus folgt, dass nicht nur die Hinterwurzeln Collateraläste abgeben, sondern auch die langen Fasern der Wurzeln, und zwar in allen Etagen. Ueber den feineren Bau der Gelenke. Von Dr. med. J. Aug. Hammar in Upsala. Erste. Hälfte. Abth. 1: Die Gelenkmembran!). Hierzu Tafel XVI, XVII, XVID. Im Folgenden soll das Hauptsächlichste einer in schweldi- scher Sprache erschienenen Abhandlung wiedergegeben werden. 1) Die Wände der Gelenkhöhlen sind bekanntlich gewöhnlich theils weich, membranös, theils hyalin-knorpelig. Ich spreche von die- sen verschiedenen Theilen unter den Namen Gelenkmembran und Gelenkknorpel. Mit ersterem verstehe ich also die Weichtheile, welche die Gelenkhöhle begrenzen, sei es dass dieselben aus einem einzigen zusammenhängenden Lager festen Gewebes bestehen, oder eine Differenzirung in der Synovialmembran mit darunter liegendem subsynovialen Gewebe und in der fibrösen Gelenkkapsel aufweisen. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 267 Die historischen Daten im übrigen übergehend, will ich hier nur daran erinnern, dass die von Henle!) gegründete Lehre von einem die Gelenkhöhlen auskleidenden Epithel von Hueter?) 1866 angefochten wurde. Nach Hueter ist die Synovialhaut weder eine seröse Haut noch eine Schleimhaut; sie ist eine bindegewebige Membran, welche sehr viele Zellen enthält. In dem Streit, der hierdurch hervorgerufen ward, scheint die Lehre von einer kontinuirlichen Zellenausklei- dung der Synovialhäute — einem Endothel — besonders von Tillmanns in mehreren Publieationen ?) verfochten — den Sieg davon getragen zu haben. Wenigstens findet man diese Lehre in den meisten neueren, histologischen Lehrbüchern vertreten. Von den mir zugänglichen schliessen sich nur Schäfer ’s „Histology“ und die von demselben Verfasser redigirte „Quains Anatomy“*) der Hueter’schen Ansicht an. Auch Nicolas?) scheint sich einer ähnlichen Ansicht zuzuneigen. Dass die Acten in dieser Frage noch nicht als abgeschlos- sen betrachtet werden können, geht doch schon aus der grossen Divergenz in den Ansichten der neuesten Untersucher der Synovial- häute hervor. So bezeichnet Soubbotine®) die Gelenkkapsel als „une 1) Henle, J., Ueber die Ausbreitung des Epithelium im mensch- lichen Körper. Müller’s Archiv, 1838. Dito, Allgemeine Anatomie 1841. 2) Hueter, C., Zur Histologie der Gelenkflächen und Gelenk- kapseln. Virchow’s Archiv, Bd. 36, 1866. Vergl. auch: Dito, Klinik der Gelenkkrankheiten, 1870—71. 3) Tillmanns, H., Beiträge zur Histologie der Gelenke. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 10, 1874. — Dito, Zur Histologie der Synovial- membranen. Arch. f. klin. Chirurgie, Bd. 19, 1875. — Dito, Untersuchun- gen über die Unzuverlässigkeit der Versilberungsmethode für die Hi- stologie der Gelenke. Virchow’s Archiv, Bd. 67, 1876. — Dito, Unter- suchungen über die Lymphgefässe der Gelenke. Chirurg. Centralblatt, Bd. 2, 1875. — Dito, Die Lymphgefässe der Gelenke. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 12, 1876. 4) Schäfer, E. A. and Thane, G. D. Quain’s Elements of Anatomy. Vol. I: 2, 10th ed. 1891. 5) Poirier, P., Trait& d’anatomie humaine. T. I, fasc. 2, 1893. 6) Soubbotine, M., Recherches histologiques sur la structure des membranes synoviales. Arch. de physiol. norm. et pathol. Ser. II, T. 7, 1880, auch Gaz. med. de Paris, Bd. 51, 1880. 268 JA Hanmar: glande close“. Ihre Oberfläche wird von Zellen, die meistens mehrgeschichtet sind, gedeckt. Diese Zellen können auf den Villi synoviales den Charakter von Becherzellen, ähnlich den in dem Darm befindlichen annehmen. Tourneux und Herrmann!) wiederum lassen die Innen- fläche der Synovialhaut von einer dünnen Schicht gefässlosen Knorpels ausgekleidet sein, während Hagen-Torn°), für die Hueter’sche, Schneidemühl?) dagegen für die Tillmann sche Ansiebt eintreten. Seit 1884 scheint nichts Neues in der Frage veröffentlicht zu sein. Mein Untersuchungsmaterial bestand aus Gelenken von Thieren (Hund, Katze, Kuh und Pferd), aber auch und haupt- sächlich aus Gelenken von Menschen, und zwar gehörten sie grösstentheils den grösseren Gliedern an (Knie-, Hüft-, Schulter- und Fussgelenk). Sie stammten von Individuen verschiedenen Alters, meistens von solehen über dem mittleren Alter. Das Unter- suchungsresultat von den Gelenken der letzteren ist indessen, so weit es hier unten angeführt worden, dasselbe gewesen wie das- jenige von Gliedern jüngerer Individuen; unter diesen befanden sich solche, die bei voller Gesundheit von Traumata getroffen worden, welche eine primäre Amputation des 'beschädigten Glie- des veranlasst hatten ®). Das angewendete Material war in den meisten Fällen von ausgezeichneter Beschaffenheit. Eimige Glieder stammten von einem hingeriehteten, 35-jährigen Mann (beginnender Lebereir- rhose), andere von zwei Selbstmördern (Männer von etwa 50 Jah- ren), die noch warm zum hiesigen anatomischen Institut gebracht wurden. Schliesslich stand mir eine grosse Anzahl amputirter 1) Tourneux, F. et Herrmann, G. Contributions a l’etude des membranes synoviales. Gaz. med. de Paris, Bd. 51, 1880. 2) Hagen-Torn, ©. Entwicklung und Bau der Synovialmem- branen. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 21, 1882. 3) Schneidemühl, G., Beitrag zum feineren Bau der Gelenke bei den grösseren Hausthieren, speeiell des Kniegelenks beim Pferde. Archiv f. wissensch. u. prakt. Thierheilk., Bd. 10, 1884. 4) Besonders betonen muss ich, dass auch bei diesen jüngeren, gesunden Individuen die unten geschilderten Anzeichen einer stattge- fundenen Abnutzung auf der Innenseite der Wände der Gelenkhöhlen wiederzufinden waren. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 269 Gliedmassen zur Verfügung, die allerlei krankhafter Processe oder Traumata wegen zur Operation gelangt waren. Auch bei diesen war bei der Conservirung des Materials die Lebenswärme oft noch nicht entwichen. Die Innenfläche der Wände der Gelenkhöhlen, wie sie sich bei einem frischen, geöffneten Gelenk zeigt, bietet — auch bei Nichtbeachtung der knorpeligen Gelenkflächen — ein verschie- denes makroskopisches Aussehen auf verschiedenen Stellen. Bald glatt und eben, bald rauh durch hereinragende Falten und Zotten, scheint die Fläche auf gewissen Theilen aus ver- hältnissmässig lockerem Bindegewebe zu bestehen, auf anderen ist sie sehnig glänzend oder gleicht dem Fettgewebe. Trotz dieser Verschiedenheiten gelingt es aber durch vor- siehtige Präparirung das Vorhandensein einer dünnen, oberfläch- lichen Bindegewebshaut („der Intima“, Zellenschicht“) auf den meisten Stellen nachzuweisen und zwar auch auf solchen Gebie- ten, wo die Fläche ein fettähnliches oder sehniges Aussehen dar- bietet. Es giebt indessen Stellen, — gewöhnlich von festerer, sehnenähnlieher Struktur —, wo eine solche Synovialbekleidung zu fehlen scheint. Dies ist der Fall an dem Knorpelrand entlang bei einer Zone von sehr wechselnder Breite, der Randzone („Grenz-* oder „Ansatzzone“, „Proliferationszone“); ferner auf der grössten Ausdehnung der Labra cartilaginea und der Meniscen, bisweilen auf der Rückseite der Sehne des M. quadrie. femoris u. m. a. nicht immer konstanten Stellen. Im allgemeinen scheinen aber diese Gebiete solchen Theilen der nieht (hyalin) knorpeligen Wand der Gelenkhöhle zu entsprechen, wo ein grösserer Druck ausgeübt wird. In der Ausdehnung sind die synovialisbekleideten Flächen in den meisten grösseren Gelenken die unverhältniss- mässig umfangreichsten. Diesen Verschiedenheiten im makroskopischen Bilde ent- sprechen auch gewisse Unterschiede im mikroskopischen Bau. Das Auftreten solcher Unterschiede in den synovialisbekleide- ten und symovialisfreien Flächen ist auch einigen früheren Ver- fassern nicht entgangen. Unter denselben hebt besonders Albert!) die Thatsache hervor. 1) Albert, E, Zur Histologie der Synovialhäute. Wiener Sitzungsberiehte, Bd. LXIV, Abth. II, 1871, p. 434. 270 J. Aug. Hammar: In gewissem Grade halte ich mich für berechtigt wegen dieser Verschiedenheiten von zwei — ich brauche wohl nicht zu sagen in einander übergehenden — Typen zu sprechen. Wegen des makroskopischen Aussehens könnte man von einem Typus des lockeren Bindegewebes und von einem sehnen- ähnlichen Typus sprechen. Rücksichtlich der auffallendsten mi- kroskopischen Differenzen wollte ich sie wieder den zellenreichen resp. zellenärmeren Typus nennen. Ich werde nun jeden für sich schildern. A. Der zellenreiche Typus. Wenn man an einer Stelle, wo die Fläche ein relativ lockeres Aussehen zeigt, einen Schnitt senkrecht gegen dieselbe macht — einen Vertikalscehnitt — und diesen mit einem kernfärbenden Mittel behandelt, so findet man bei der mikro- skopischen Untersuchung, dass der innere Schnittrand aus einem ziemlich schmalen Streifen kernreichen Bindegewebes besteht. Diese ist die eigentliche Synovialhaut. Sie hat feinere Binde- gewebsbündel, festeres Gewebe und grösseren Kernreichthum, als das darunter liegende, lockere subsynoviale Bindege- webe (die „Adventitia*, „Faserschicht“), in welches sie con- tinuirlich und ohne scharfe Grenze übergeht. In den fetthaltigen Theilen der Gelenkmembran findet man, dass die Fettzellen gerade in diesem subsynovialen Gewebe vor- wiegend ihren Platz haben, während die Synovialis in Gestalt einer oft sehr dünnen Bindegewebshaut sich über sie hinüber- zieht. Im Uebrigen liegen die Verhältnisse auch hier so, wie unten geschildert wird. Am inneren Rand der Synovialis sieht man an Vertikal- schnitten im Allgemeinen gerundete Kerne. Stückweise kommen sie recht dicht vor, bald in einer Reihe liegend, bald dem Anscheine nach unregelmässig über einander gehäuft, zwei oder drei in der Höhe. An anderen Stellen liegen die Kerne mehr zerstreut, in wechselnder Entfernung von einander. Solche kerm- reichere und kernärmere Partien von variirender Ausdehnung können regellos abwechseln. Auf begrenzten Strecken kann das Bild endothelähnlich sein mit einer einfachen Reihe von mehr oder weniger länglich Ueber den feineren Bau der Gelenke. 271 ovalen, an dem Rande liegenden und in regelmässiger Entfernung auftretenden Kernen. Auf anderen Stellen ist die Aehnlichkeit mit einem Epithel nicht so unbeträchtlich. Besonders ist dies der Fall, wo man am inneren Rand des Schnittes eine einfache Reihe dicht liegender, runder Kerne antrifft. Nach ihrer Form und Lage zu urtheilen, könnte man glauben, ein kubisches Epithel vor sich zu haben. In dem einen wie dem anderen Fall kann das Bild m der Nähe einen anderen Charakter aufweisen und die Lage der Kerne mehr regellos sein. Eine solche unregelmässige Anordnung ist auch die gewöhnlichste. Ein Flächenschnitt vom entsprechenden Gebiet der Gelenkmembran und auf gleiche Weise behandelt zeigt bei der Einstellung für die innere (gegen die Gelenkhöhle gekehrte) Fläche eine Menge rundlicher Kerne von übrigens ziemlich wechselnder Form und etwas verschiedener Grösse. Seltener sind sie gleich- mässig über das ganze Gesichtsfeld zerstreut; gewöhnlich liegen sie fleekenweise dichter. Um viele solcher Kerne herum kann man deutlich einen breiteren oder schmäleren Rand ungefärbten Protoplasmas wahr- nehmen. Diese protoplasmatischen Zellenkörper können auf den kernreicheren Flecken eine mosaikähnliche Zeichnung von etwa gleich grossen, polygonalen Feldern hervorrufen, ähnlich dem Flächenbilde eines kubischen oder eylindrischen Epithels, aber ohne dessen schöne Regelmässigkeit. Hiermit sei nicht gesagt, dass man nicht auch auf Präpa- raten von bisher beschriebener Art auf günstigen Stellen mehr oder weniger deutliche Bilder der Art antreffen kann, wie sie hier unten näher geschildert werden. Die oben beschriebenen sind indessen das Wesentlichste, was man auf nur kerngefärbten Präparaten von den Einzelheiten der Struktur in den angedeuteten Stellen der Gelenkmembran sieht. In Betreff der wirklichen Form und des übrigen Aussehens der Zellen, deren Kerne hier gefärbt erscheinen, und in Betreff der gegenseitigen Lage und Anordnung dieser Zellen geben einfach kerngefärbte Präparate spärliche und unsichere Aufklärung. Ja, nicht einmal die Lagenverhältnisse dieser Zellen zum Bindegewebe in der Synovialmembran lassen sich mit Sicherheit nachweisen, da die Mehrzahl der Zellen, wie Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 15 WD —1 IND J. Aug. Hammar: aus dem Folgenden hervorgeht, nicht auf, sondern in dem Binde- gewebe eingebettet liegen. Dessen ungeachtet habe ich es mir angelegen sein lassen, anzudeuten, wie viel, oder eigentlich, wie wenig man mit dieser sewöhnlichsten unserer Färbemethoden sieht!). Dies mag um so grössere Befugniss haben, als diese Bilder nebst den weiter unten geschilderten Silberbildern in wesentlichem Grad den Be- schreibungen mehrerer Verfasser über die Zellen der Synovial- häute zu Grunde gelegen zu haben scheinen. Bei Anwendung einer Protoplasmafarbe nehmen die Bil- der bedeutend an Schärfe zu. Als ein solches Färbemittel habe ich unter Anderen das Eosin gebraucht. Kompbinirte Hämato- xylin- und Eosinfärbung ist die Methode, mit der ich vorzugs- weise gearbeitet habe. Die Innenseite des geöffneten Gelenkes wird mit Müller’scher Flüssigkeit?) abgespült und in diese Lösung gelegt, die wiederholent- lich im Laufe von 14 Tagen erneuert wird; danach Auswaschung in fliessendem Wasser 1—2 Stunden; successive Härtung in 70°, und 90%, Weingeist?). Die Schnitte des auf diese Weise vorbereiteten Materials werden in einer nicht allzu starken Hämatoxylinlösung ein wenig überfärbt. Ranvier’s neues*) und Delafield’s Hämatoxylin haben sich dabei als recht brauchbar erwiesen. Wenn neben der Kernfarbe ein diffuser blaugrauer Farbenton auf dem Bindegewebe hervorgetreten, so werden die Schnitte in Aq. dest. abgespült und in Eosinlösung gelegt (spiritus- lösliches Eosin®)) 1 Theil, 60°, Weingeist 60 Theile: hiervon 5—10 Tropfen in einem Uhrgläschen Wasser. Hier bleiben sie etwa eine Stunde liegen, werden dann in Aq. dest. abgespült und zur Differen- zirung der Farbe in Kochsalzglycerin gelegt (Aq. dest. und Glycerin gleiche Theile, Kochsalz im Ueberschuss; wird nach 24 Stunden filtrirt). In geschlossenem Gefäss müssen sie hier wenigstens 24 Stunden liegen (noch besser 2—3 Mal 24 Stunden). Ein Theil der Eosinfarbe geht dabei ins Kochsalzglycerin über. Letzteres dient auch als Einschluss- Flüssigkeit. 1) Vergl. Poirier, Traite d’Anatomie, T. I, Fig. 487. 2) Hinsichtlich der Motive in der Wahl der Konservirungs-Flüs- sigkeit siehe Abth. III. 3) Der Kürze wegen wird diese Methode in der Folge als Här- tung in M. F.-Spiritus bezeichnet. 4) Ranvier, L., Trait@ technique d’histologie 1875, p. 1069. 5) Diese und die übrigen von mir gebrauchten Anilinfarben sind von Grübler in Leipzig bezogen. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 273 Aber auch andere Methoden geben gute Resultate. In einzelnen Fällen habe ich als Kontrole die Citronensaft- Goldehloridmethode nach den von Ranvier!) gelieferten Vor- schriften angewendet. Aus mir unbekannten Ursachen scheint sie hier nicht so sicher wie auf Bindegewebe im allgemeinen zu wirken, wo aber die Imprägnation gelingt, sind die Bilder oftmals sehr schön. Ferner besitzen noch viele andere Anilinfarben die Fähigkeit einer bisweilen recht distinkten Protoplasmafärbung. So z. B. Methyl- violett (0,15%, Wasserlösung 1/„—1 Stunde; Abspülen in Aq. dest.; Differenzirung in gewöhnlichem Glycerin 24 Stunden; Untersuchung in Glycerin). Wasserblau, u.a. Recht brauchbare Bilder giebt auch in Flemming'’s Flüssigkeit fixirtes Material (3—12 Std. Nachhärtung in Weingeist) durch Ueber- färbung (6—12 Std.) mit einer alten Ehrlich’'s Hämatoxylinlösung und Entfärbung mit salzsäuresaurem Spiritus (70°/, Spiritus versetzt mit HCl bis 1/,°/, Säuregehalt); Aq. dest. Alkohol; Nelkenöl; Balsam. An Zuverlässigkeit, Einfachheit und Haltbarkeit wird die Hämatoxylin-Eosinmethode von keiner anderen, die ich geprüft habe, übertroffen. Vielleicht übertrifft sie Renaut's „eosine hematoxylique* an Differenzirungsfähigkeit, aber dieses färbt langsamer und erfordert ausserdem eine gewisse Genauigkeit zur Vermeidung der Ueberfärbung. Bei gut abgepasstem Färbungs- srad werden die Zellen roth, die Kerne und die Grundsubstanz im Bindegewebe blau — besonders scharfe Bilder. Ein nach der Hämatoxylin-Eosinmethode behandelter Flä- chensehnitt von gehöriger Dünne gibt aber auch ebenso schöne als distinkte Bilder: rothe Zellen, blaue Kerne und blassrothe Intercellularsubstanz. Alle oberflächlichen Zellen, oder wenigstens fast alle erscheinen nun verzweigt?). Diese Zellen, welche ich hiernach ganz kurz Synovialiszellen benennen werde, bieten grosse Variationen in der Zahl, der Länge, der Dicke und Ver- zweigung ihrer Fortsätze. Die Zellenform kann also auf vielerlei Art wechseln. Dessen ungeachtet sind aber ein paar recht gut charakterisirte Typen ganz gewöhnlich. Der eine hat sternförmige Zellen: ein oder ein paar runde oder ovale Kerne sind von einem etwas platten, unregelmässigen, protoplasmatischen Zellenkörper umgeben. Dieser verlängert sich 1.1. ‚e; ,p- Sl 2) Dass die verzweigten Zellen die überwiegende Mehrzahl bilden, ist unwidersprechlich. Weiter unten wird aber gezeigt, dass daneben auch unverzweigte Zellen vorkommen können. I) —] er J. Aug. Hammar: in mehreren Richtungen zu gröberen oder feineren, im Allgemeinen gerundeten, bisweilen anscheinend etwas platten Fortsätzen, die sich gewöhnlich rasch in eine grosse Anzahl feiner Zweige zer- theilen. Kein bestimmter Typus ist bei der Verzweigung vor- herrschend:; bald sieht man einen Hauptzweig, der feine Seiten- fortsätze entsendet, bald geschieht die Theilung dichotomisch (Ra RVEERNE 27). Der andere Zellentypus besitzt mehr runde Zellenkörper nebst spärlicheren und gröberen, fadenähnlichen Fortsätzen (Taf. XVII, Figg. 1, 3). Häufig sind nur 1—2 vorhanden; in ersterem Falie erhält die Zelle eine kolben- oder retortenähnliche Form; in letzterem gehen die Fortsätze oft diametral ab, so dass die Zelle spindelförmig wird. Die Fortsätze können oft ein Stück unverzweigt fortlaufen, ehe sie sich dendritisch oder diehotomisch auflösen. Auch diese Zellen sind gewöhnlich 1—2kernig. Der Kern ist oft rundlich oval, aber auch nicht selten unregelmässig, in seiner Form offenbar von der Totalforn des Zellenkörpers be- einflusst. So kann er sich mit längeren oder kürzeren Verlän- gerungen bis in die basalen Enden der gröberen Fortsätze hinein erstrecken. Wie bereits angedeutet, kommen ausser den hier angegebenen Zellentypen eine grosse Anzahl Uebergangsformen verschiedenen Aussehens !) vor. Die allgemeine Form der Zellen wechselt oft innerhalb sehr kleiner Gebiete, bisweilen geht sie mit wenigen oder fast keinen Uebergangsformen von einem wenig verzweigten zu einem reich verzweigten Typus, von einer etwas platten zu einer runden Form über. Bereits aus dem nur kerngefärbten Präparat liess sich er- sehen, dass die Zellen häufig gruppenweise angeordnet sind und 1) Eigentlich hautähnliche Zellen oder rein blattähnliche Fort- sätze scheinen kaum in den Gelenken vorzukommen. Dies im Gegen- satz zu Weichselbaum’s (Die senilen Veränderungen der Gelenke und deren Zusammenhang mit Arthritis deformans. Wiener Sitzungsber. 1877, Jahrg. 75, Abth. III, p. 199.) gelieferte Beschreibung der Binde- gewebszellen in der Synovialis als „länglich kernhältige, selbst mit einzelnen kurzen Fortsätzen versehene Platten (Bindegewebsendo- thelien)“. Dagegen sind solche platten Zellen in den Schleimbeuteln keines- wegs ungewöhnlich. Sie können hier viel umfangreicher als die oben beschriebenen Zellenformen sein (vergl. Taf. XVII, Fig. 4). Ueber den feineren Bau der Gelenke. 275 zwar mit dazwischen liegenden zellenärmeren Gebieten. Wo dies der Fall, ist die Form der Zellen und die Art der Verzweigung gewöhnlich dieselbe in der ganzen Gruppe. Liegen die Zellen dieht zusammen in einer Gruppe, so können nur die peripherisch gelegenen deutlich verzweigt er- scheinen, während die im Innern der Gruppe liegenden beim ersten Augenschein nieht selten wenige oder keine Fortsätze zeigen. Die peripherischen Zellen entsenden ihre Fortsätze srösstentheils in die zellenärmere Umgebung, wo sie ein nach den Verhältnissen diehteres oder loseres Netz- oder Flechtwerk bilden. In der Zellengruppe liegen die Zellenkörper oft ziemlich dicht neben einander, zeigen eine langgestreckte oder unregel- mässig polygonale Form und sind so an einander gepasst, dass das Ganze bei mässiger Vergrösserung einen mosaikähnlichen Eindruck macht. Das Bild ist offenbar von derselben Art, wie das bei einfacher Kernfärbung hervortretende (vgl. Taf. XVIH, Fig. 15 e). Man könnte versucht sein, von einer „epithelioiden“ Anordnung der betreffenden Zellen zu reden. Indessen braucht man auf solchen Stellen bisweilen nur dem Tubus eine etwas höhere Einstellung der imneren Fläche der Synovialmembran ent- sprechend zu geben, um hier ein Flechtwerk von verzweigten, protoplasmatischen Fäden, ähnlich deu Ausläufern in der Peri- pherie der Zellengruppe, hervortreten zu lassen. Noch deutlicher treten diese Bilder hervor, wo eine solche Zellengruppe an einem dünnen Rand des Schnittes zu liegen kam. Während die unterliegenden Zellen an den diekeren Thei- len des Schnittes mehr oder weniger das Geflecht der Fortsätze verdunkelt, lichten sich die Zellen an dem dünnen Rand und dieser selbst zeigt wenige oder gar keine Zellen, nur Fortsätze. Diese sind zu einem gewöhnlich recht diehten, teppichähnlichen Gewebe verflochten. Ihr Zusammenhang mit naheliegenden (resp. unterliegenden) Zellen lässt sich gewöhnlich an mehr als einer Stelle nachweisen (Taf. XVII, Fig. 1). Die Fortsätze verlaufen häufig regellos und verflechten sich in einander nach allen möglichen Richtungen. Zuweilen trifft man sie mehr gleichlaufend an mit einer gewissen Hauptrichtung. Die Zellenform ist in diesem Fall gern die oben beschriebene uni-bipolare. Die Frage, in wie fern naheliegende Fortsätze anastomo- 276 J. Aug. Hammar: siren, ist nicht so leicht zu entscheiden. Sicherlich ist dies nicht so oft der Fall, wie sich beim ersten Anblick vermuthen liesse. : Die Fortsätze liegen nämlich sehr oft neben einander oder kreuzen sich, ohne trotz der unmittelbaren Nähe zusammen- zuhängen. Erst bei starker Vergrösserung und guter Beleuchtung kann eine richtige Auffassung erhalten werden und auch dann können Bilder hervortreten, wo man nicht entscheiden kann, ob die Anastomose scheinbar oder wirklieb ist. Daneben lassen sich aber einige anscheinend unzweideutige Verbindungen zwischen naheliegenden Fortsätzen nachweisen — ja, ausnahmsweise schei- nen solehe von ein und derselben Zelle zusammenhängen oder sogar vollständig zusammenlaufen zu können. Wenn man den dünnen Rand eines Flächenschnittes unter- sucht, fällt es auf, dass man nur ausnahmsweise freiliegende Fort- sätze antrifft. Die Zwischenräume derselben sind von einer dünnen, blassen oder fast farblosen Haut von homogenem oder fein paral- lelstreifigem Aussehen eingenommen. Am schärfsten tritt diese Haut an der äusseren Begrenzungslinie der dünnen Randpartie des Schnittes hervor, indem sie auch hier die Lücken zwischen den Fortsätzen ausfüllt. Die betreffende Linie wird dadurch viel weniger bogig, als was sonst der Fall sein würde (Taf. XVII, Pie. I TV). Versucht man bei dem m Müllers Flüssigkeit oder Müllers Flüssigkeit + Aq. ana conservirten Material die Zellen zu isoliren, so bleiben sie fast niemals ganz, sondern werden mehr oder weniger verstümmelt '). Aber auch diese Zellenfragmente hängen nicht selten an Ueberbleibseln der eben beschriebenen Haut fest, — sind gewissermassen über dieselbe gebreitet und daran fest- geklebt. Auch grössere Partien dieser Haut mit daran hängenden Zellen lassen sich recht oft loslösen ?). 1) Die isolirten Zellen besitzen wenigstens Ueberbleibsel von Fortsätzen und erhalten dadurch leicht eine Kolben- oder Flaschen- form. Solche Bilder giebt Tillmanns („Beiträge“ etc.) in seinen Figg, 3, 7 u. 15 in bemerkenswerthem Gegensatz zu den gerundeten Zellen- formen („Beiträge“, Fig. 4) der isolirten Endothelhaut. 2) Es scheint als ob eine solche Haut mit daran hängenden Zellen von mehr als einem Forscher losgelöst und als eine Epithel- resp. En- dothelhaut demonstrirt worden sei. Dies ist wahrscheinlich der Fall Ueber den feineren Bau der Gelenke. DI, Die Erklärung dieser Bilder hängt innig mit der Frage von der Lage der Synovialiszellen im Verhältniss zum Bindegewebe der Synovialhaut zusammen. Dies lässt sich gut an Vertical- schnitten, welche der Hämatoxylin-Eosinfärbung unterworfen worden, studiren. Aus solchen Präparaten geht hervor, dass die grösste Mehr- zahl der Synovialiszellen nieht auf der Bindegewebsfläche, sondern im Bindegewebe eingebettet liegt. Die Deutlichkeit, mit welcher dies hervortritt, hängt wesent- lich davon ab, wie dünn der Schnitt ist und in welchem Grade es gelungen ist, dem Bindegewebe einen vom Zellenprotoplasma abweichenden Farbenton zu geben. Ausserdem ist sie aber auch durch die Anzahl und Vertheilung der Zellen in der Synovialhaut bedingt. Am klarsten treten diese Thatsachen in den beim Menschen verhältnissmässig seltenen (bei kleineren Thieren, wie es scheint, gewöhnlicheren) Fällen hervor, wo man die Zellen spärlich ge- sät, durch die ganze Dieke der Synovialhaut und von einander dureh relativ dieke Bindegewebsbündel getrennt (Taf. XVI, Fig. 1) antrifft. Man sieht dann auch ohne Schwierigkeit, wie diese zwischen den Zellen bis zur Oberfläche hervordringen und dass die letztere von Bindegewebe gebildet ist. Hier und da liegt eine Zelle dieht unter der Oberfläche; nur spärlich trifft man solehe, die ihren Platz unbestreitlich auf derselben haben. Von den im Bindegewebe liegenden Zellen scheinen hier und da Zellenfortsätze abzugehen, die sich zwischen den Binde- gewebsbündeln durchdrängen. Die oberen dieser Zellen entsenden einige ihrer Fortsätze zur Oberfläche. Hier hören sie entweder auf — wenigstens schembar — oder biegen um, so dass man mit Tillmanns („Beiträge“). Dass das, was er auf seiner Fig. 4 ab- bildet, nicht nur ein „in Falten abhebbares Zellenhäutchen“ (p. 439) ist, zeigt sich am freien (linken und unteren) Rand des betreffenden Häut- chens. Es fällt nämlich nicht mit den Konturen der zunächst liegenden Zellen zusammen, sondern geht den Interstitien zwischen diesen grade vorbei unabhängig von denselben. Augenscheinlich tritt zwischen den Zellen ein Gewebebestandtheil hervor, der sich stückweise recht weit über dieselben vorschieben kann. Dass dieser Gewebebestandtheil nichts anderes als eine Haut ist, auf der die Zellen ruhen, scheint mir schon aus dem Aussehen der Zeichnung annehmbar. 278 J. Aug. Hammar: ihnen ein längeres oder kürzeres Stück am äusseren Rande des Schnittes folgen kann. Sie verhalten sich hier so, wie weiter unten näher angegeben wird. Gewöhnlich liegen aber die Synovialiszellen nicht diffus in der ganzen Dieke der Synovialhaut zerstreut, sondern vor- wiegend an dem inneren Rand derselben gesammelt (Taf. XVI, Figg. 2, 3, 6, 7). Je näher sie an einander liegen, je schmaler und weniger auffallend sind natürlich die Bindegewebszüge, welche sie trennen. Je näher der Oberfläche, je schwerer ist auch das Vorhandensein der oberflächlichen Bindegewebsdecke der Zellen zu eonstatiren. Diese kann oft zu einem sehr dünnen Häutchen redueirt sein. In solehen Fällen ist bei mittelstarker Vergrösserung der Umstand nur durch die glatte Beschaffenheit der Randeontur des Verticalschnittes angedeutet, wo sie unge- stört an den Zellen und Ausläufern vorbei verläuft. Eine stär- kere Linse zeigt dann eine feine, gleichmässige Linie, die sich innerhalb der Zellen hinzieht und zwischen denselben mit dem Bindegewebe zusammenhängt (Taf. XVI, Fig. 1 u. 7 fh). Dieser Zusammenhang ist aber gewöhnlich nicht inniger, als dass er sich auf einigen Stellen theilweise löst. Es ist dann nicht weiter schwer sich zu überzeugen, dass die Linie der optische Querschnitt eines äusserst dünnen Häutchens ist. An einer solehen oberen Begrenzungshaut oder, wie ich sie im Folgenden der Kürze wegen nennen werde, Flächenhäutchen entlang findet nun oft die Ausbreitung der oberen Zellenfortsätze statt. Ihre Lage im Verhältniss zu derselben ist oftmals recht schwer zu bestimmen. Sie treten oft als Verdiekungen in der Linie auf, die am Verticalschnitt das Vorhandensein des Häutchens markirt. Sie buchten über dieselbe hervor sowohl nach Innen als nach Aussen, ohne dass die Linie sich auf irgend einer Seite verfolgen lässt. Wie solche Bilder recht zu verstehen sind, ist mir nicht klar; möglich wäre, dass die betreffenden Fortsätze wirklich in dem Flächenhäutchen liegen. An einigen Stellen sieht man wiederum Fortsätze, die offenbar unter demselben liegen; an anderen durchbrechen sie dasselbe eben so deutlich, um sich gewöhnlich dicht an seiner inneren Fläche entlang zu schmiegen oder bisweilen wieder franzenähnlich in die Gelenkhöhle hinein- zuragen (Taf. XVI, Fig. 1 fa). Die Flächenhäutchen sind zwar recht gewöhnliche, aber de) Ueber den feineren Bau der Gelenke. on keinenfalls eonstante Strukturtheile. In unmittelbarer Nähe von Strecken des eben geschilderten Aussehens kann man andere er- blicken, wo die innere Begrenzung am Vertikalschnitt uneben ist. Die oberen Zellenfortsätze können dann gleich den obersten Zellen frei gegen die Gelenkhöhle liegen, ohne von einer Bindegewebs- schieht bedeckt zu sein (Taf. XVI, Fig. 9 av). Die Anzahl der oberflächlichen Fortsätze steht im Allge- meinen in gewisser Beziehung zur Anzahl der oberflächlichen Zellen. Wo Letztere unter der Oberfläche gehäuft liegen, sieht man die Fortsätze am inneren Rand des Schnittes als Striche und Punkte, dieht an der Flächenhaut, wo eine solche vorhanden, entlang gereiht und dieselbe stellenweise mehr oder weniger ganz verbergend (Taf. XVI, Fig. 2 a a). Ein ander Mal kann man am inneren Rand des Sehnittes eine einzige, hier und dort unterbrochene Reihe von Zellen sehen, während der tiefergelegene Theil der Synovialis wenige und streckenweise fast keine Zellen besitzt. Hier sind nur wenige und zerstreut liegende oberflächliche Fortsätze vorhanden (Taf. Ru Biss. 6,u. 7): Die Zellen der Synovialhaut mögen nun viele oder wenige sein, die eine oder die andere Anordnung aufweisen, immer wird man solehe antreffen, die unbestreitbar nicht in dem Bindegewebe, sondern auf der Oberfläche desselben liegen. Eine solche Zelle scheint bald mit dem unterliegenden Gewebe innig ZUu- sammenzuhängen, bald liegt sie mehr oder weniger frei. In jenem Falle ist es ziemlich wahrscheinlich, dass die Zelle wirk- lich bei Lebzeiten den Platz inne hatte, auf dem wir sie finden, in diesem Falle ist jedoch immer die Möglichkeit vorhanden, dass sie der Synovia angehörten und bei der Auflösung derselben durch die Fixirungsflüssigkeit an die Wand der Gelenkhöhle abgesetzt wurde. Diese an der Oberfläche liegenden Zellen sind gewöhnlich spärlich gesät (Taf. XVI, Fig. 1 fz). Bisweilen trifft man aber Stellen an, wo der innere Rand des Schnittes auf längeren oder kürzeren Streeken von einer Reihe solcher freiliegender Zellen besetzt ist (Taf. XVI, Figg. 5 u. 8). Bisweilen, aber selten, sieht man sie auf einander geschichtet liegen. An Vertikalschnitten zeigen sie sich bald wnregelmässig geformt, bald linsenförmig und abgeplattet, parallel mit der Ober- 280 J. Aug. Hammar: fläche. In letzterem Falle kann das Bild durch solche, einiger- maassen regelmässig auftretende Zellen eine gewisse Aehnlichkeit mit einem Endothel darbieten (Taf. XVI, Fig. 5). Man braucht aber gewöhnlich nicht weit in der Umgebung zu suchen, ehe das Bild seine Regelmässigkeit verliert, die an der Oberfläche liegen- den Zellen erscheinen mehr regellos oder fehlen gänzlich. Die Mehrzahl der an der Oberfläche liegenden Zellen zeich- nen sich durch eingekerbte — gleichsam angefressene — Kon- turen aus, welche nebst einer von derjenigen der übrigen Zellen abweichenden Färbungsfähigkeit des Protoplasmas und der Kerne (hiervon weiter unten) sie auch am Flächenschnitt erkennbar macht. Hier erscheinen sie oft mit wenigen und kurzen oder gar keinen Fortsätzen (Taf. XVII, Fig. 22”). Welcher Art sind alle eben geschilderten Zellen in der Synovialhaut? Sie liegen eingebettet im Binde- gewebe zwischen den Bündeln desselben; sie sind verzweigte Gebilde, die in Allem wesentlich dasselbe Aussehen haben wie die tieferen Zellen !) der Synovialis. Auch fehlt jedwelche scharfe Grenze zwischen den oberflächlichen und den tiefen Synovialiszellen. Zwar können jene, wie bereits bemerkt, dicht gedrängt am inne- ren Rand der Synovialis liegen, aber zwischen diesem zellen- reicheren und dem äusseren, zellenärmeren Gebiet giebt es immer Uebergänge, niemals eine scharfe Grenzlinie. Alles spricht also bestimmt dafür, dass diese obertfläch- lichen Zellen der Synovialhaut wie die tiefen ge- wöhnliche fixe Bindegewebszellen sind. Die be- findliehen Verschiedenheiten sind einerseits durch ihre gedrängte Lage, andrerseits durch die Veränderungen bedingt, welche sie unter dem Einfluss der in den Gelenken herrschenden funktionel- len Verhältnissen erleiden. Ich finde also in den angeführten Bildern volle Bestätigung 1) Ich sehe hierbei von den Modifikationen ab, welche die innersten Synovialiszellen darbieten und die mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit dem Abnutzungsprocess an der Fläche der Synovialhaut zuzuschreiben sind. Zu diesen Abnutzungsbildern gehören unzweifelhaft die an der Oberfläche liegenden, unverzweigten Synovialiszellen. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 281 von Hueter’s!) Darstellung der Synovialhaut als einer besonders zellenreichen Bindegewebsmembran. Indessen finden sich in den vorstehenden Schilderungen zwei Thatsachen, die wohl kaum von Hueter ihre volle Beto- nung erhalten und von einigen folgenden, der Hueter’schen Ansicht sich anschliessenden Forschern sogar falsch dargestellt worden sind. Es betrifft die Zellen, die eine „epithelioide* Anordnung zu haben scheinen. Ich glaube hervorheben zu müssen, 1) dass auch diese Zellen verzweigt sind, 2) dass auch diese Zellen im Bindegewebe eingebettet liegen. Dass Ausnahmen beider Regeln anzutreffen sei, verringert in keinem erheblichen Grad ihre all- gemeime Gültigkeit. Nur dureh ein Uebersehen dieser beiden Thatsachen ist es meines Erachtens möglich gewesen, dass die Lehre von der „Epithel- oder Endothelbekleidung“ der Synovialmembran eine so allgemeine Ausbreitung gefunden, deren sie sich gegenwärtig erfreut. Denn, wie Tillmanns?) bemerkt, zwischen (an der Oberfläche liegenden) Bindegewebszellen mit „epithelioider* (mach Tillmanns „endothelähnlicher*) Anordnung und wirklichem Endothel ist der Schritt kein grosser. Die tiefe Lage der Zellen haben übrigens schon Schäfer?) und Hagen-Torn?) betont. Die Verzweigung der „epithelioiden“ Zellen scheint mir aber auch aus den Darstellungen dieser Verfasser nicht deutlich genug hervorzutreten. eu mn D Kann man es nun für abgemacht halten, dass die Synovialis- zellen Bindegewebszellen sind, so bleibt noch übrig, auf eine nähere Auseinandersetzung ihres Aussehens und ihrer Beschaffen- heit einzugehen. Bei einer Untersuchung des frischen Gewebes in indifferen- ter Flüssigkeit, erscheint gewöhnlich nur der den Kern zunächst umgebende Theil des Zellenprotoplasma. Es zeigt in der Regel ein homogenes, etwas glänzendes Aussehen ohne markirte Körnig- 1) Klinik der Gelenkkrankheiten, p. 33. 2) „Zur Histologie“ etc., p. 704 ft. 3) Quains Anatomy. Al.ce. 282 J. Aug. Hammar: keit. Etwa dasselbe Bild erhält man nach der Härtung in M. F.- Spiritus, während Ueberosmiumsäure dem Protoplasma ein mehr feingranulirtes Aussehen verleiht. Der Kern weist im gehörig vorbereitetem Material!) in den meisten Zellen ?) ein typisches Aussehen auf und zwar eine distinkte Kernmembran, ein den ganzen Kern durchziehendes, feinfaseriges Chromatinnetz, eine oder mehrere Nucleoli (resp. Pseudonucleoli) und einen achromatischen Kernsaft. Bei in M. F.-Spiritus konser- virtem Material erscheint das Kernnetz viel grobfaseriger, gleich- sam verschrumpft und retrahirt gegen das Centrum des Kerns. Die innerhalb der Kernmembran zunächst liegende Peripherie ist frei davon. Die Nucleoli markiren sich wenig; der Kern färbt sich diffus (z. B. Taf. XVII, Fig. 2 2). Nicht alle Zellen haben aber ein Protoplasma mit oben ge- schilderten Charakteren. Schon am ungefärbten Schnitt lassen sich einzelne Zellen mit einem grobgranulirten Zellenkörper finden. Die Körner weisen eine ausgeprägte Verwandtschaft den basi- schen Anilinfarben gegenüber — die Zellen sind offenbar soge- nannte „Mastzellen“. Ausser Ehrlich’s®) und Ehrlich-Westphal’s®) Färbemetho- den habe ich bei diesen Untersuchungen mit besonderem Vortheil Färbung mit Methylgrün gebraucht (Alkoholhärtung; 3%/, Wasserlösung des Färbemittels während 2—3 Stunden; Abspülen in Aq. dest.; Alkohol; Nelkenöl; Kanadabalsam). Alle Zellenkerne treten hierbei grün hervor, die Körner in den Mastzellen stark violett, das Protoplasma im Uebri- gen ungefärbt?). Der scharfe Farbenkontrast und die Durchsichtigkeit der Kernfarbe bewirken, dass sich schon bei schwacher Vergrösserung und «relativ dieken Schnitten die basofilen Zellen mit Sicherheit wieder- finden lassen. Auch diese Zellen zeigen häufig Fortsätze, die aber weder lang noch besonders reich verzweigt sind. Noch häufiger ist Jedoch der Zellenkörper unverzweigt, mehr oder weniger platt oval oder länglich eckig. 1) Betreffs der angewendeten Methoden siehe p. 302. 2) Ueber Ausnahmen hiervon siehe p. 302 u. ff. 3) Ehrlich, P., Beitrag zur Kenntniss der Anilinfärbungen. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 13, 1877, p. 265. 4) Westphal, Ueber Mastzellen. Inaug.-Diss., Berlin 1880, p. 18. 5) Schon Westphal (l. e.) hat diese Farbenreaktion angemerkt und erklärt sie als verursacht durch die Verunreinigung des grünen Färbemittels mit Methylviolett. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 283 Die Mastzellen folgen hier wie anderswo in ihrer Ausbrei- tung gern dem Lauf der Gefässe. Wo das Gewebe locker, ge- fässreich ist, ist auch ihre Anzahl demgemäss am grössten. Man findet sie einzeln zerstreut, selten gruppirt, durch die ganze Dicke der Gelenkmembran, vor Allem in dem subsynovialen Bindege- webe und der Synovialhaut selbst. Im letzterer liegen sie ge- wöhnlich ziemlich tief; nur ausnahmsweise sieht man eine Mast- zelle dicht an der Oberfläche. Nebst den bisher beschriebenen Zellenformen findet man, aber gewöhnlich nur ausnahmsweise, einzelne oberflächlich ge- legene Zellen — mit oder ohne Fortsätze — von einer homogenen, perizellulären Masse umgeben, die in Allem mit derjenigen’ über- einstimmt, welche weiter unten unter dem Namen Kapselsubstanz beschrieben wird. Solche eingekapselten Zellen gehören indessen vorzugsweise den zellenärmeren Theilen der Synovial- membran, weshalb ich ihre nähere Beschreibung bis zu diesem Kapitel aufschieben werde. Relativ spärlich habe ich Leukoceyten in der Synovial- haut angetroffen. Dies ist um so auffallender, als Zellen mit dem Aussehen der Wanderzellen und mit amöboider Bewegung sich in nicht so unerheblicher Menge in der Synovia nachweisen lassen, wie wir unten sehen werden. Diese Zellen müssen auf ihrem Wege in die Gelenkcavität durch die Synovialhaut, wenn auch nicht durch ihre ganze Dieke, gedrungen sein. Dass Leukocyten so selten anzutreffen sind, kann auch nicht den gebrauchten Tinktionsmethoden zugeschrieben werden. Es ist nämlich mit keiner grösseren Schwierigkeit verknüpft ge- wesen, schon bei den hämatoxylin-eosingefärbten Präparaten an den kleinen, stark farbeaufnehmenden, häufig multiplen Kernen solche Zellen wiedererkennen, wo sie unter pathologischen Ver- hältnissen durch die Synovialhaut zerstreut angetroffen wurden ; auch dann, wenn ihre Anzahl nicht besonders gross war. Ferner habe ich Härtung in Flemming’s Flüssigkeit und Kernfärbung mit Hämatoxylin angewendet — eine für den betreffenden Zweck viel vortheilhaftere Methode — ohne bei solchen Präparaten glück- lichere Erfolge in meinem Forschen nach Leukoeyten zu erzielen. Ich glaube daher berechtigt zu sein anzunehmen, dass solche Zellen wirklich nur in geringer Anzahl in der normalen Synovial- haut vorkommen. 284 J. Aug. Hammar: Vielleicht kann dies mit der oberflächlichen Lage der Blut- gefässe gegen die Gelenkeavität zusammenhängen, wodurch aus- gewanderte Leukoeyten ohne Schwierigkeit direkt in dieselbe hineinschlüpfen können. Besonders liegen die feineren Gefässe ganz nahe an der Oberfläche nur von einer dünnen Bindegewebs- schicht!) bedeckt. Von der fibrillären Grundsubstanz zwischen den Synovialiszellen ist nicht viel zu sagen. Ihre Bündel sind fein und dieht verwebt. Zwischen denselben sieht man in den tiefe- ren Theilen der Synovialhaut spärliche und feine elastische Fasern. In den mehr oberflächlichen, zellenreicheren Partieen lassen sie sich nieht wahrnehmen, sei es nun, dass sie hier fehlen oder nur von den dicht liegenden Zellen verdeckt werden. Unter den im allgemeinen feinen Bindegewebsfaseikeln der Synovialhaut können an einzelnen Stellen besonders grobe, rund- liche Bündel auftreten. Gewöhnlich besitzen dieselben eine wenig ausgeprägte Fibrillirung und enthalten keine oder wenige Zellen. Sie sondern sich dadurch scharf von der Umgebung ab, besonders wenn sie, wie häufig der Fall ist, an der inneren Fläche der Synovialhaut entlang ziehen. Am Flächenbild sieht man einen solehen von Eosin gewöhnlich ziemlich stark gefärbten rothen Strang gleichsam einen zellenfreien Weg in dem sonst von Zellen erfüllten Gewebe bilden (vergl. Taf. XVII, Fig. 18b/). Nach einem solehen oberflächlichen Verlauf können sie sich wieder in die Tiefe senken; an andern Stellen erheben sie sich frei über die innere Fläche der Synovialhaut und bilden das Gerüst eines Synovialvillus von mehr oder weniger complieirtem Bau. Nirgends habe ich in der Synovialmembran eine formlose Grundsubstanz angetroffen. Wenn eine oberflächliche Zelle ver- schrumpft war und einen Theil des Raumes, den sie ursprüng- lich ausfüllte, frei liess, so sieht man freilich hier und da scharfe Randkonturen an diesem Raum. Sie können sich auch an den 1) In Uebereinstimmung mit Albert (l. c.), v. d. Sluijs (Zur Histologie der Synovialhaut. Niederländisches Archiv f. Zool., Bd. II, 1876—77), Hagen-Torn (l.c.) u. a. habe ich dagegen keine gegen die Gelenkhöhle nackt liegende Gefässe angetroffen, wie Hueter sie be- schreibt. Untersuchungen injieirter Gelenkmembranen im Vertikal- schnitt liefern in dieser Hinsicht ganz unzweideutige Bilder. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 285 gröberen Fortsätzen entlang fortsetzen, so dass man den Ein- druck erhält, als lägen sie in Kanälen mit eigenen, präformirten "Wänden. Wo die Umstände eine nähere Erforschung eines sol- chen Bildes zuliessen, habe ich doch an den meisten Stellen keine besondere Wandschicht um den betreffenden Raum kon- statiren können. Vielleicht wird die scharfe Randlinie in solchen Fällen von besonderen Licehtbreehungsverhältnissen bei den Binde- sewebsbündeln selbst hervorgerufen (Taf. XVI, Fig. 2 u. 9zv/; Par R VII, "Fig#1): Wo hingegen eine wirkliche Randlinie mit doppelten Kon- turen vorkommt, repräsentirt sie vielleicht das erste Stadium einer Kapselbildung. Alle diese Bilder sind übrigens keineswegs konstant. Noch häufiger sieht man die Synovialiszellen in Bindegewebsspalten liegen, die nur von den blassen, wenig distinkten Rändern der umgebenden Bündel begrenzt sind). B. Der zellenärmere Typus. Hier zeigt bereits der Vertikalschnitt emige auffallende Ver- schiedenheiten von oben geschilderten Thatsachen. Das Bindegewebe hat einen durchweg festeren Bau. Seine Bündel sind gewöhnlich grob, innig verwebt; ein subsynoviales, lockeres Bindegewebe fehlt. Die oberflächlichen Bündel sind aber oft etwas feiner und weisen ausserdem nicht selten eine Faser- richtung auf, die von derjenigen der tieferen Theile abweicht ?). Feine elastische Fasern durchkreuzen in losem Netzwerk dieses Bindegewebe (Taf. XVI, Fig. 4 ee‘). Zellen sind spärlich vorhanden. Sie treten bald einzeln, bald in kurzen, mit der Oberfläche parallelen Reihen auf. Re- lativ selten sieht man sie dieht an der freien Oberfläche. Ge- wöhnlich sind sie von derselben durch nicht unerhebliche Züge fibrillärer Grundsubstanz getrennt. Nur ausnahmsweise lassen sich einzelne Zellen oder ganze Zellenreihen nachweisen, die dicht unter oder sogar auf der freien Oberfläche liegen. 1) In Betreff der oberflächlichen Kittsubstanz, die von einigen Verfassern beschrieben wird, siehe unten. 2) Man könnte aus diesem Grunde wirklich mit einigem Recht wie gewisse ältere Verfasser sagen, dass die Synovialmembran sich auch auf diesen Gebieten fortsetzt, aber mit der Unterlage verwachsen. 236 J. Aug. Hammar: Am Flächenschnitt sieht man die Zellen auch isolirt oder in Reihen oder gerundeten Gruppen verschiedener Grösse und Entfernung zusammenliegen (Taf. XVII, Fig. 7). Ein grosser Theil dieser Zellen sind verzweigt. Von den Gruppen strahlen Zellenfortsätze oft nach allen Seiten, bisweilen nehmen sie aber fast alle dieselbe Richtung. Einzelne Anasto- mosen scheinen vorzukommen. Auch im Inneren der Gruppe liegen die Zellen gewöhnlich nicht dichter, als dass sich die Fortsätze auch hier mit Leichtig- keit wahrnehmen lassen. Im Allgemeinen sieht man die in der Peripherie der Gruppe liegenden Zellen mit längeren Fortsätzen ausgerüstet als die eentralen. Letztere können sogar nur kurze, knospenähnliche Verlängerungen besitzen oder ganz unver- zweigt sein. Von solchen Abweichungen abgesehen ist das Aussehen der bisher geschilderten Zellen in Allem wesentlich dasselbe, wie in dem zellenreichen Typus. Im Allgemeinen gehören sie der dort näher beschriebenen, spärlich verzweigten Zellenform (Taf. XVII, Fig. 92): Die Mehrzahl dieser Zellen scheint unmittelbar von der fibrillären Grundsubstanz des Bindegewebes umgeben — unein- sekapselt — zu sein. Durch die spärliche Lage dieser Zellen entsteht keine Schwierig- keit beim Konstatiren der verzweigten Zellenform. Dies geht auch daraus hervor, dass die Aestigkeit dieser Zellen schon von mehr als einem Forscher entdeckt und beschrieben worden, der auf der übrigen Gelenkmembran Endothel gefunden hat. Dies war der Fall mit Land- zert!), Tizzoni?) und Weichselbaum?°). Dass ein solcher Befund vom Standpunkt der erwähnten Verfasser schwer zu erklären war, beweisen die verschiedenen, von ihnen gegebenen Deutungen. Im Gegensatz zu diesen findet man andere Zellen, die durch eine durchsichtige, häufig structurlose, die Zellen gewöhnlich ringförmig umschliessende Substanz von den Bindegewebsbündeln getrennt sind. Die Zelle ist oft gerundet und zeigt dann das 1) Landzert, Zur Histologie der Synovialhaut. Centralbl. f. d. medieinischen Wissensch. 1867. 2) Tizzoni, Sulla istologia normale e patologica delle cartila- eine ialine. Archivio per le seienze mediche 1877, II mach Ref. in Hofmann-Schwalbe’s Jahresber.). Syke: Ueber den feineren Bau der Gelenke. 287 typische Bild einer eingekapselten „Knorpelzelle“ (Taf. XV, Fig. 4. Taf. XVII, Figg. 6 u. 8). Die Kapseln haben nicht alle dasselbe Aussehen. Bald sieht man (bei Hämatoxylin-Eosin-Fär- bung) eine solche als eine ebene, ziemlich schmale, glänzende, rothe Linie, die bei starker Vergrösserung deutlich doppeleon- tourirt ist, die Zellen ringförmig umgeben. Bald erscheint um dieselbe eine im Allgemeinen breitere Zone von gleichfalls rother, aber schwächer lichtbreehender Einbettungsmasse. Gewöhnlich kommt bald die eine, bald die andere Art Kapseln, um eine Zelle vor. Seltener sieht man beide Arten um ein und dieselbe. Die schmale, glänzende Linie habe ich dann immer an der Innenseite gefunden. Durch seinen etwas gelb- rothen Farbenton im Verein mit seiner stärkeren Lichtbrechungs- fähigkeit hebt sie sich gut von der mehr rosafarbenen, breiteren, äusseren Zone ab. Ihre Grenze ist gewöhnlich scharf (Taf. XVII, Fig. 8 2). Ob es sich hier wirklich um zwei verschiedene Substanzen oder um eine vielleicht ganz unbedeutende Modification einer und derselben handelt, lasse ich dahingestellt sein. Sicher ist indessen, dass recht eonstante Verschiedenheiten vorkommen, die eine besondere Beschreibung jedes dieser beiden Bilder nöthig machen. Der Kürze wegen will ich dabei die schmale, glänzende Kapsel Innenkapsel (ik) benennen, die im Allgemeinen breitere und blassere aber Aussenkapsel (ak). Ich halte mich bei der Wahl dieser Namen an die Lage der Kapseln bei ihrem gleichzeitigen Vorkommen um eine Zelle. Die schmale Linie der Innenkapsel ist gewöhnlich ein- fach; bisweilen kann sie sich, häufig nur an einem Theil der Peripherie der Zelle, in zwei bis drei gleichlaufende Linien zer- theilen. Einzelne dieke Kapseln können ‘sich am optischen Durch- schnitt sogar als eine Art Netzwerk mit concentrischen Maschen erweisen. Bisweilen ist die innere, gegen die Zelle gewendete Contour der Innenkapsel nicht glatt, sondern erscheint fein zackig. Das Flächenbild einer solchen Kapsel gibt eine Netzzeichnung, wo die Fäden im Netz und die Zacken einander deutlich entsprechen. Aussenkapseln kommen in jeder Dieke vor, von sol- chen an, wo die Kapselwand die Zelle an Breite übertrifft, bis Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 19 288 J. Aug. Hammar: zu blossen Andeutungen. Im Allgemeinen sind sie aber, wie bereits erwähnt, breiter als die Innenkapsel. Die diekeren Aussenkapseln haben häufig scharfe, äussere Begrenzung; bisweilen können sie auch von den umgebenden 3indegewebsbündeln durch eine Spalte getrennt auftreten. Ein ander Mal vertont sich die Farbe auswärts zwischen den Binde- gewebsfibrillen. Wo die Kapsel dünn ist, scheint dies die Regel zu sein. Es ist sogar nicht selten, solche Zellen zu finden, die direkt von den Fibrillen des Bindegewebes umgeben sind, zwischen denen, den Zellen zunächst, eine nach aussen blässer werdende Rosa-Färbung bemerkbar ist. Man erhält den Eindruck, dass die Kapselsubstanz in diesem Fall die fibrilläre Grundsubstanz gleich- sam infiltrirt hat, in jenem aber die Fibrillen zur Seite geschoben. Diese Kapseln sind im Allgemeinen linsenförmig, von der Oberfläche gesehen rund, am Vertikalschnitt bikonvex (Taf. XVI, Fig. 4 ak). Manchmal sieht man eine solche Kapsel sich nach einer Seite zu einem soliden Strang von Kapselsubstanz verlängern. Andere Male zeigt sie einen oder mehrere schmälere, aber auch compakte Fortsätze, die geschlängelt, gleichsam gedreht, oder gerade sind. Die Totalform der Kapsel kann in letzterem Fall recht sehr an die Gestalt einer mit Fortsätzen versehenen Zelle erinnern (Taf. XVI, Fig. 4. Taf. XVII, Fig. 8 u. 9 ak’). In der Regel zeigt sich die Aussenkapsel völlig homogen. Bisweilen erbietet sie aber eine concentrische Streifung in ihrem ganzen Umfange oder in einem Theil desselben (Taf. XVII, Fig. 6). In andern Fällen schliesst sie Häufchen von feinen, glänzenden Körnern ein. Während die Innenkapsel in der Regel nur 1—2 Zellen einschliesst, ist es ganz gewöhnlich, 2 bis mehrräumige Aussen- kapseln zu finden, die eine entsprechende Anzahl von Zellen umschliessen. Wo eine Innenkapsel vorkommt, erbietet die eingekapselte Zelle häufig — wenn nicht constant — gewisse auffallende Cha- raktere. Sie besitzt 1, 2, 3, bisweilen mehrere runde Kerne in einem protoplasmatischen Zellenkörper von mehr oder weniger regelmässig sphärischer Gestalt. Das Protoplasma ist reichlich vorhanden, feinkörnig; es füllt bei meinen in M.-F. Spiritus ge- härteten Präparaten die Kapsel fast niemals ganz aus. Auch bei dem mit Osmium behandelten Material ist es häufig verschrumpft Ueber den feineren Bau der Gelenke. 289 oder vakuolisirt. Dagegen sind aber die nur von Aussenkapseln umgebenen Zellen gewöhnlich mit spärlicherem Protoplasma eines mehr compakten und glänzenden Aussehens ausgerüstet. Die Körnigkeit des Protoplasmas ist wenig oder gar nicht ausgeprägt. Seine Schrumpfung ist unerheblich ; nicht selten scheint die Zelle ihre Kapsel vollständig auszufüllen (Taf. XVII, Fig. 8 z und 2). In welchem Verhältniss stehen diese eingekapselten, runden Zellen zu den vorher geschilderten verzweigten? Gibt es Zwischen- formen zwischen denselben — verzweigte, eingekapselte Zellen — und wie sind dann diese aufzufassen ? Das Vorkommen soleher Zwiscehenformen ist nicht schwer zu constatiren und zwar sowohl betreffs der mit Aussen- wie betreffs der mit Innenkapseln umgebenen Zellen. Bei jenen sieht man also die Kapsel nicht selten als eine schmale, glänzende Linie, sich an einem oder ein paar oft recht reich verzweigten Ausläufer entlang fortsetzen. Je mehr die Ver- zweigung fortgeht, je schmaler wird die Randlinie, bis sie sich allmählich ganz verliert. Die Fortsätze besitzen ein feinkörniges Protoplasma und eine runde, oft auffallend gleichmässig breite Form, so dass die Zweige dem Stamm wenig oder gar nicht an Mächtigkeit nachgeben. Ueberall schliessen diese Zweige mit abgerundeten (nieht zugespitzten) Enden ab. Nebst diesen grösseren befinden sich auch kürzere Fortsätze bis herab zu kleinen, knospenähnliehen Auswüchsen an den von Innenkapseln umgebenen Zellen. Auch die mit Aussenkapseln versehenen Zellen können mit langen Fortsätzen ausgerüstet sein. Gewöhnlich erbietet die Zelle dann im Uebrigen keine bemerkenswerthe Abweichung von den uneingekapselten. Ihre gewöhnlich gerundete, kernführende Haupt- partie liegt bald central, bald excentrisch m der Aussenkapsel. Bisweilen schliesst sich die Kapsel (wenn man sie unter solchen Verhältnissen so nennen darf), sogar nur einseitig, als ein sichel- förmiges Gebilde der Zelle an. Auch die Aussenkapsel kann sich an den Fortsätzen entlang verlängern und als ein schmaler, rother Rand den gröberen Verästelungen folgen, um sich allmählich der Beobachtung zu entziehen (Taf. XVII, Fig. 8 a). Aber auch andere Bilder kommen vor: Kleine, eckige, un- regelmässig gestaltete Zellen, in eine häufig recht grosse, ge- 290 J. Aug. Hammar: wöhnlich gerundete Masse von der Substanz der Aussenkapsel eingebettet. Die Zellenfortsätze sind kurz, oft sehr fein, faden- ähnlich und überschreiten nur unbedeutend oder gar nicht das Kapselgebiet. Bald gehen sie in radiärer Richtung, bald schwen- ken sie eireulär um, und umschreiben also die Zelle selbst, aber immer von der Substanz der Kapsel umschlossen (Taf. XVII, Kg! 8. TaAEXYMIT Fig. 15). Es kommt mir wahrscheinlich vor, dass diese Gebilde nicht nur morphologische Zwischenformen sind, sondern eine weit- gehendere Bedeutung haben, dass sie auf einen vitalen Ueber- gangsprocess nach der einen oder anderen Richtung zwischen den runden, eingekapselten und den verzweigten, uneingekapselten Zellen hinweisen. Hierbei kann daran erinnert werden, dass schon Tillmanns!) und Colomiatti?) einen Uebergang von den Endothelzellen der Ge- lenkmembran zu Knorpelzellen und Hagen-Torn?) eine ähnliche Um- wandlung der Bindegewebszellen angenommen haben. Besonders habe ich in Betreff der nur mit Aussenkapseln umgebenen Zellen einige Bilder gefunden, die mir allzu auf- klärend erscheinen, als dass sie mit Stillschweigen übergangen werden dürften. Man findet also, dass die mit den längsten Fortsätzen ver- sehenen Zellen protoplasmareich und gut erhalten sind, ihre Kapseln verhältnissmässig dünn; dass die kürzeren Fortsätze oft ein weniger gut erhaltenes Protoplasma aufweisen; dass die häufig äusserst feinen Fortsätze, die das Kapselgebiet nicht über- schreiten, Anzeichen eines ausgeprägten, kömigen Zerfalls zeigen können; schliesslich dass sich in dieken Kapseln leere Kanäle vorfinden können, die mit dem von der Zelle selbst eingenommenen Raum communieiren. Hierzu kann gefügt werden: dass die dieksten Kapseln nicht selten besonders kleine, protoplasmaarme Zellen umgeben; dass diese nicht selten deutliche Anzeichen einer beginnenden Fett- wandlung und Zerfalls aufweisen; dass in diekeren, mehrräumigen 1) Beitr. z. Histol. d. Gelenke, p. 418. 2) Colomiatti, J. V., Contribuzione allo studio delle articola- zione. Giorn. delle R. Acad. di Medieine di Torino 1876 (nach Ref. in Hofmann-Schwalbe’s Jahresber.). SB). 7:0638; Ueber den feineren Bau der Gelenke. 291 Kapseln einige Hohlräume oftmals angetroffen werden, die nur von freien Fettkörnern eingenommen sind; dass der Oberfläche zunächst zellenfreie Kapseln, deren Hohlräume nur von solchen Fettkörnern ausgefüllt sind, spärlich vorkommen können oder auch scheint der Hohlraum verschwunden zu sein und die Kapsel tritt als ein solides Gebilde auf. Es fällt in die Augen, dass die hier geschilderten Bilder einerseits auf einen in centripetaler Richtung in der Zelle vor sich gehenden Zerfallsprocess zu deuten scheinen, andererseits auf eine ungefähr parallel damit gehende Bildung der Kapsel- substanz. In welchem Masse diese beiden Processe in causalem Zusammenhange zu einander stehen, ist eine Frage, für deren Entscheidung mir hinreichende Haltepunkte fehlen. Frägt man wiederum, welehe Kräfte zur Hervorbringung dieser Veränderungen in Thätigkeit sind, so scheinen mir die Präparate eine ziemlich bestimmte Weisung zu geben. Die Kapsel- substanz gehört nämlich, so weit ich habe finden können, vor- zugsweise der oberflächlichen Schicht der Gelenkmembran. In wechselnder Entfernung von der freien Oberfläche auftretend, nimmt sie in mehr oder weniger auffallendem Grade gegen die- selbe an Masse zu; und nur dieht an derselben kommen die dieksten (resp. soliden) Kapseln vor. Dies führt den Gedanken ungesucht auf die Einflüsse, die sich von der inneren Fläche der Gelenkmembran geltend machen. Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich dabei zuvörderst an den hier wirkenden Druck denke. Es ist nämlich eine schon lange bekannte Thatsache, dass das Bindegewebe, wo es einem grösseren Druck ausgesetzt ist, gerne den Charakter eines „Binde- gewebsknorpels“ annimmt. Und die eingekapselten Zellen kom- men gerade vorzugsweise auf den Gebieten der membranösen Wand vor, die dem grössten Druck ausgesetzt sein dürften. Ist die Substanz der Kapseln wirklich Knorpelsubstanz und verdienen also die Zellen den Namen Knorpelzellen? Dass ana- loge eingekapselte Zellen im Flächenlager des Gelenkknorpels vorkommen, geht aus der weiter unten gegebenen Schilderung hervor. Hiermit ist freilich die Frage noch nicht beantwortet. Vielleicht kann dies erst auf dem Wege der chemischen Unter- suchung geschehen. Soviel lässt sich aber aus den unten ange- führten Untersuchungen ersehen, dass die strukturlose Substanz 292 J. Aug. Hammar: der Kapseln in mehr als einer Hinsicht auffallende Abweichungen von der Hauptmasse in der Grundsubstanz des „hyalinen“ Knor- pels aufweisen. Aus diesem Grunde habe ich im Obigen die Benennung „Knorpelzelle* vermieden und sie mit dem mehr in- differenten Namen „eingekapselte Zellen“ ersetzt. Aus guten Gründen kann in Frage gestellt werden, ob sich analoge Schlussfolgerungen in Betreff der mit Innenkapsel ver- sehenen Zellen ziehen lassen. Anzeichen eines successiven Zer- falls der Zellenfortsätze und der Zellen selbst habe ich hier nicht angetroffen. Auch halte ich die von mir gefundenen Bilder über- haupt für keine hinreichende Unterlage einer bestimmten Auf- fassung ihrer Bedeutung. Es ist also ein recht buntes Gemisch von Bildern, das sich dem Auge in diesen zellenärmeren Gebieten darbietet: verzweigte und unverzweigte Zellen mit oder ohne Kapseln, leere Kapseln und solide Klumpen von Kapselsubstanz. Diese verschiedenen Bilder können gleiehmässig unter ein- ander vermischt vorkommen. Vielleieht sind am Flächenschnitt noch häufiger bald die uneingekapselten, bald die eingekapselten Zellen im Gesichtsfeld vorherrschend. Jene liegen, wie erwähnt, nicht selten gruppenweise, diese gewöhnlich in relativ kleinen Häufehen spärlicher Zellen, oder ganz isolirt. Schliesslich sei bemerkt, dass auch hier unter den uneinge- kapselten Zellen, Mastzellen vorkommen und zwar besonders in der Nähe der Gefässe. Im Allgemeinen sind sie aber spärlich vorhanden und auf längeren Strecken fehlen sie gänzlich. C. Oberflächliche Modifikationen des Gewebes der Gelenkmembran. Nachdem ich oben eine Uebersicht vom allgemeinen Bau der Gelenkmembran zu geben versucht habe, bleibt noch die Be- schreibung einiger Modificationen und Eigenthümlichkeiten übrig, die das Gewebe gewöhnlich der freien Oberfläche zunächst auf- weist. Diese Modificationen umfassen sowohl die Grundsubstanz als die Zellen. 1. Die Bindegewebsbündel scheinen in nicht un- erheblieher Anzahl von Fällen der Oberfläche zunächst em mehr homogenes Aussehen anzunehmen und sich dabei sowohl durch Ueber den feineren Bau der Gelenke. 293 Hämatoxylin und Eosin als auch durch mehrere andere Färbe- mittel (Methylviolett, Methylgrün u. A.) stärker zu färben. Die oberflächlichere, dunkler gefärbte Schicht geht ohne scharfe Grenze in den blassen Farbenton der tieferen über. Es ist vermuthlich dieses modifieirte Aussehen des ober- flächlichen Bindegewebes, welches einige Forscher veranlasste, es als eine mehr oder weniger eigenartige Substanz aufzufassen. Während v. d. Sluijs!) dabei nur von einer homogenen Zwi- schensubstanz zwischen den zahlreichen, oberflächlichen Zellen spricht, findet Hagen-Torn, dass die Zellen gleichsam in einer Kittsubstanz fester Beschaffenheit annähernd der des Knorpels eingestreut liegen. Tourneux und Herrmann?) beschreiben eine dünne oberflächliche Knorpelschicht, deren Grundsubstanz homogen, leicht körnig, bisweilen streifig ist. Nur Hagen-Torn motivirt seine Auffassung, indem er sagt?): „— — die Kittsubstanz — — scheint von festerer Beschaffenheit zu sein, wofür das körnige Aussehen, hauptsächlich aber die stark licht- brechenden Eigenschaften sprechen“. In der That lassen sich die unterliegenden Bindegewebs- bündel sowohl an Schnitten als auch an Isolationspräparaten bis hinauf zur Oberfläche verfolgen, wobei man konstatiren kann, dass die stärkere, oberflächliche Färbung an das schwach-streifige Ende der Bündel selbst gebunden ist. Untersucht man die freie Fläche der Gelenkmembran, so findet man recht wechselnde Bilder. So sieht man nicht selten, dass sich dünne Häutchen oder Fetzen loslösen, die sich bald durch einen freien, viel- leicht umgebogenen Rand auszeichnen, während der übrige Theil des Häutehens an der Oberfläche festhängt, bald in grösserer Ausdehnung frei liegen und dabei gewöhnlich mehr oder weniger gefaltet sind. Sie können das fibrilläre Aussehen des Bindegewebes auf- weisen, ein ander Mal erscheinen sie völlig homogen. Sie nehmen von Silbersalz starke Färbung an und treten an der Oberfläche eines so behandelten Gewebes mit besonderer Deutlichkeit hervor. In den zellenreichen Theilen der Gelenkmembran sind solche Häutehen spärlich vorhanden, aber nicht selten recht umfang- 10), db @: ZIRl.RcC. 3), 1.6, 4p. 630: 294 J. Aug. Hammar: reich. Sie sind zweifellos von derselben Art wie diejenigen Häutchen, welche man häufig die oberflächlichen Zellen und Fortsätze bedecken sieht und die ich oben unter der Benennung Flächenhäutchen schilderte. Bisweilen lassen sie sich, wie er- wähnt, ohne weitere Schwierigkeit über ziemlich grosse Strecken isoliren. Dass sie sich auch intra vitam ablösen, wird durch das Vorkommen solcher Gebilde in der Synovia wahrscheinlich. Zahlreich werden solche Häutchen in den zellenarmen Ge- bieten angetroffen. Sie tragen hier mehr den Charakter von der Oberfläche losgelöster Fetzen, die sehr klein sein können und erst bei starker Vergrösserung hervortreten. Häufig geben sie aber der Oberfläche durch ihre Menge und Grösse auch bei schwacher Linse ein rauhes oder splittriges Aussehen, wobei sie die darunter liegenden Einzelheiten der Struktur in hohem Grade verbergen. Ein anderes Mal trifft man bei einer Untersuchung der Innenseite der Gelenkmembran von derselben absprossende und mit dem einen Ende freiliegende Stränge (Taf. XVII, Fig. 2415). Das festsitzende Ende kann ein streifiges Aussehen haben und die Fäden der Bindegewebsfläche lassen sich hier bis in den Strang hinein verfolgen. Je weiter entfernt vom Anheftepunkt, je undeutlicher wird die Streifung. Das freie Ende ist gewöhn- lieh völlig homogen und färbt sich stark durch Hämatoxylin. Dieser Theil des Strangs ist ferner recht häufig keulenähnlich verdickt, und das Gebilde im ganzen vielmals wie zusammen- gedreht. Die Dicke und die Länge sind sehr wechselnd. Man findet alle Uebergangsformen von äusserst feinen und kurzen Gebilden an, die erst bei starker Vergrösserung hervortreten, bis zu solchen, bei denen man nicht weiss, ob sie eigentlich als kleine Villi zu betrachten wären (Taf. XVII, Fig. 26). Nur ausnahmsweise enthalten sie Zellen mit oder ohne Kapseln. Nicht immer gehen sie direkt von der Bindegewebsfläche aus. Sie können beispielsweise nebst den eben beschriebenen, oberflächlichen Häutehen vorkommen und dann ist es nichts Un- gewöhnliches, ein solches Häutehen oder Fetzen an seinem freien Ende zu einem Strang oben beschriebenen Aussehens zusammen- gedreht zu sehen. Dass die „Flächenhäutchen“ und die „Flächen- stränge“ von bindegewebiger Natur sind, davon zeugt offenbar Ueber den feineren Bau der Gelenke. 295 ihr faseriges Aussehen und ihr deutlicher Zusammenhang mit der fihrillären Grundsubstanz der Gelenkmembran. Nicht ganz so leicht ist es aber, eine bestimmte Deutung der Netzzeichnung, die man oft an der inneren Fläche der Gelenkmembran antrifft, zu geben. Das Netz hat ein wechseln- des Aussehen; bisweilen frappirt es durch seine schöne Regel- mässigkeit. Seine Fäden können deutlich wie im Relief über der Fläche erhoben, gleichbreit oder ungleichmässig höckerig sein. Die Maschen sind von sehr verschiedener Weite. Manch- mal sieht man gröbere Fäden weite Maschen bilden, dureh die feinere Fäden ziehen, die gleichfalls netzartige Anordnung haben. Gewöhnlich liegen dann die gröberen Fäden in einer mehr ober- flächlichen Ebene als die feinen (vergl. Taf. XVII, Fig. 11). Die Form der Maschen ist rund oder polygonal (Taf. XVII, Fig. 9; Taf. XVII, Fig. 1 fn), bald mehr oder weniger langge- streckt (vergl. Taf. XVII, Fig. 11). Jenes scheint im allgemeinen in Gelenken mit allseitiger Bewegungsfähigkeit wie im Schulter- gelenk der Fall zu sein, dieses in solchen, wo die Bewegung vorwiegend nur in einer Richtung wie im Kniegelenk geht. Diese Richtung und der längste Diameter der Maschen im Flächennetz scheinen sich dann ziemlich genau zu decken. Der Charakter dieses Netzwerks ist um so schwerer zu er- mitteln, als man nicht selten die Zellenfortsätze den Fäden des Netzes folgen sieht, an ihrer unteren Fläche entlang schmiegend. Wo die Fortsätze aufhören, treten die Fäden als ihre scheinbare Fortsetzung auf. Eine nähere Untersuchung hat aber nirgends der Annahme eines wirklichen Zusammenhangs Stützpunkte ge- geben. Im Gegentheil bin ich in der Ueberzeugung befestigt worden, dass auch hier eine eigenthümliche Umgestaltung im Bindegewebe der Oberfläche vorliegt. Wie diese Umgestaltung entstanden, darüber kann ich nur eine Vermuthung äussern. Undenkbar erscheint es mir aber nicht, dass die oberflächlichen Bindegewebsspalten sich unter dem Einflusse der Reibung vergrösserten, und die sie begrenzenden Bindegewebsbündel sich zu den Fäden des betreffenden Netzes zusammendrehten. Eine andauernde Reibung dürfte dazu bei- tragen, diese Fäden noch mehr in ihrer Form und Anordnung zu modifieiren. Jedenfalls scheinen mir die Fäden des Netzes ihre Binde- 296 J. Aug. Hammar: gewebsnatur durch eine mehr oder weniger deutliche Längsstrei- fung und eine mit derjenigen des Bindegewebes übereinstimmen- den Tinktionsfähigkeit zu offenbaren. Hierzu kommt, dass man häufig sieht, wie Stränge sich von der Oberfläche des Netzes ablösen, die, wenn auch im allgemeinen sehr klein, offenbar von derselben Art wie die an anderen Stellen direkt von der Binde- gewebsfläche abgehenden sind (Taf. XVII, Fig. 9; Taf. XVII, Fig. 24 fs). Am deutlichsten sieht man diese Flächennetze in den zellen- armen Gebieten, wo sie recht ausgedehnte Strecken einnehmen können. Doch können die schmalen, oberflächlichen Bindege- websbündel zwischen den dicht liegenden Zellen in der Synovial- membran ein ähnliches Bild aufweisen — auch ein Beweis für die Richtigkeit meiner oben ausgesprochenen Vermuthung hin- sichtlich der Entstehungsart des Netzes. Es giebt andere Flächenbilder, die ich vorzugsweise an sol- chen Flächen angetroffen, die sich nur in ein und derselben Bahn gegen einander reiben, also vor allem in den Sehnenscheiden. Sie stehen aber den eben beschriebenen so nahe, dass ich mir erlaube, in Kürze auch auf diese einzugehen. Die betreffenden Flächen erscheinen deutlich gestreift; bis- weilen ist dieses Aussehen durch breite, parallele, hier und da unterbrochene, bandähnliche Gebilde bedingt, zwischen denen die Zellenfortsätze durchlaufen. Bisweilen ist die Streifigkeit viel feiner, mit kurzen, unterbrochenen oder zusammenhängenden, oft verzweigten, erhabenen Linien, die in einander greifen. Die Flä- chenzeiehnung erhält dadurch ein gewisses, chagrin-ähnliches Aussehen (Taf. XVIII, Fig. 14). lch glaube keineswegs, dass alle vorkommenden Variationen der Gestaltung der Bindegewebsfläche hiermit nur annähernd er- schöpft seien. Das Angeführte dürfte aber genügen, um eine bestimmte Auffassung zu liefern, dass die Reibung, der die Gelenk- membran bei Lebzeiten ausgesetzt ist, hier zuvörderst eine Auf- lockerung (mit daraus folgenden Modifikationen in der Färbung, Lichtbrechung u. s. w.) der fibrillären Grundsubstanz des Binde- gewebes bewirkt. Das Studium der Formbestandtheile der Synovia (vergl. Abth. III) zeigt, dass nach dieser Auflockerung ein Abstossen entsprechender Theile folgen dürfte. Der Grad dieses Abnutzungsprocesses scheint in bestimmter Ueber den feineren Bau der Gelenke. 2a Beziehung zu dem verschiedenen Druck (insofern dieser sich ab- schätzen lässt) zu stehen, dem die verschiedenen Theile der Wand- fläche der Gelenkmembran ausgesetzt sind. Es ist aber schon a priori wahrscheinlich, dass auch die von der fibrillären Grundsubstanz umschlossenen Gebilde mit der- selben einer Abnutzung unterworfen sind. Dass dies wirklich der Fall ist, erhellt aus dem Folgenden. 2. In Betreff der elastischen Fasern ist bereits erwähnt, wie sie sich in den zellenreicheren Theilen der Gelenkmembran nicht bis zur Oberfläche verfolgen lassen. Sind sie hier vorhan- den, so werden sie von den dicht liegenden Synovialiszellen be- deckt. In den zellenärmeren Gebieten dagegen findet man nicht selten an oder auf der Oberfläche losgelöste Reste elastischer Fasern. Im Gewebe gehen die Fasern gewöhnlich mehr oder weniger parallel mit der Oberfläche und hören schliesslich an derselben mit freien Enden auf; diese sind bisweilen gerade, häufiger gekrümmt, geschlängelt oder eingerollt; nieht so ganz selten bilden sie wirkliche Gewirre oder verwickelte Knoten. Letztere Bilder treten gewöhnlicher und mehr ausgeprägt in den subeutanen Bursen auf mit ihrem Reichthum an elastischem Ele- ment. Wirkliche, kompakte Knäuel elastischer Fäden lassen sich hier antreffen. Es sind indessen nur die feinen und mittelstarken Fasern, welehe mehr direkt abgerissen scheinen. Die gröbsten Fasern der Schleimbeutel — von einem Caliber ohne Gegenstück in der Gelenkmembran — scheinen zuerst einem körnigen Zerfall unter- worfen zu sein: anfangs ist die Faser nur uneben, am Rande eingekerbt; allmählich scheint sie sich zu einem körnigen Strang auflockern zu können, der zuerst seine gleichbreite Form beibe- hält (Taf. XVII, Fig. 17 k), aber nachher sich auf verschiedene Art umgestalten kann (Taf. XVII, Fig. 16k), ehe die Abstos- sung stattfindet. Der Zusammenhang dieser kömigen Stränge mit typischen elastischen Fasern macht die Deutung obiger Bilder verhältnissmässig leicht und sicher. Bei der ersten Betrachtung frappirt es, dass die allermeisten dieser Bilder nicht in der Oberfläche hervortreten, sondern gleich unter derselben liegen. Eine genauere Ueberlegung macht aber begreiflich, dass die elastischen Fasern des Bindegewebes sich 298 J. Aug. Hammar: bei ihrer Abnutzung eben so verhalten dürften, wie die Kautschuk- fäden eines Gummigewebes, wenn es in gespanntem Zustand ab- geschnitten wird. In beiden Fällen retrahiren sich die frei ge- wordenen Enden der elastischen Elemente in die nicht elastischen Bestandtheile des Gewebes. 3. Die Synovialiszellen. Es ist bereits angedeutet worden, wie einige oberflächliche Synovialiszellen durch gewisse Eigenthümlichkeiten von den übrigen abstechen. Sie sind also durch einen mehr homogenen, glänzenderen und stärker rothtin- giblen Zellenkörper ausgezeichnet. Häufig sind sie voluminöser und dieker als ihre tiefer liegenden Nachbarn. Ihre Fortsätze sind gewöhnlich kurz, gleichsam keulenförmig angeschwollen (Taf. XVI, Figg. 5 und 8; Taf. XVII, Fig. 22%. Bisweilen fehlen Fortsätze ganz (Taf. XVII, Fig. 2z’ und z“). Die Zellen- ränder sind nieht selten mehr oder weniger eingekerbt, gleich- sam zerrissen; manchmal scheint der ganze Zellenkörper mit seinen Fortsätzen im Begriff, in einige sehr unregelmässige, roth- gefärbte und glänzende Schollen oder Körner zu zerfallen. Die hochgradigsten Veränderungen dieser Art trifft man vorzugsweise in den vom Bindegewebe unbedeckten, an der Ober- fläche liegenden Zellen. Andererseits kann man einer Zelle an- sichtig werden, deren Hauptmasse unverändert im Bindegewebe eingebettet liegt, während nur ihre ah der Oberfläche entlang laufenden Fortsätze knollig verändert erscheinen (Taf. XVI, Fig. la). Diese beiden Bilder scheinen mir darauf hinzudeuten, dass das modifieirende Element von der inneren Oberfläche der Gelenkmembran aus wirkt. Von den hier geschilderten Veränderungen unabhängig kommen Zeichen eines Vakuolisirungsprocesses des Protoplasmas der oberflächlichen Symovialiszellen vor. Man sieht solche Va- kuolen als helle Flecke von verschiedener Grösse und Gestalt nicht nur in dem diekeren, kernführenden Theil des Zellenkör- pers (Taf. XVI, Fig. 9zv; Taf. XVII, Fig. 2z° u. z“), sondern vielleicht noch mehr in den oberflächlichsten Fortsätzen ausge- prägt. Bald sind sie rund und klein, liegen in Fortsätzen von gewöhnlicher Breite, bald gross und können dann blasenförmige Verdickungen auf dem sonst schmalen Fortsatz hervorrufen (Taf. XVII, Fig. 1v). Schliesslich kann man langgestreckte Va- Ueber den feineren Bau der Gelenke. 299 kuolen antreffen, welehe den Fortsatz — bisweilen auf recht langen Strecken — zu einem hohlen, röhrenförmigen Gebilde ver- wandeln können (Taf. XVII, Fig. 3v). Wo solche Fortsätze zahlreicher auftreten, erhält man bisweilen auf Vertikalschnitten ein eigenthümliches Bild, mdem der Rand gleichsam von solehen im Querschnitt gesehenen Vakuolen perforirt erscheinen kann WRabSNX\V. 1, Fig. am): Wie die Grösse und Gestalt, so kann auch die Menge der Vakuolen wechseln. Ich habe sie indessen in keinem von mir untersuchten Gelenk ganz fehlen sehen. Mit Recht kann man die Frage aufwerfen, ob diese Va- kuolen nicht Kunstprodukte der einen oder anderen Art sind. Tillmanns!), Soubbotine?) u. a. beschreiben intrazelluläre Schleimtropfen. Solche habe ich nicht wahrgenommen. Kann dieses vielleicht von der Eigenschaft der Müller’schen Flüssig- keit die Synovia und also auch ihre schleimähnlichen Bestandtheile aufzulösen herrühren? Dass dieses nicht der Fall, dass die Vakuolen nicht durch Auslösung solcher „Schleimtropfen‘“ entstanden sind, scheint mir daraus hervorzugehen, dass sie auch auf Präparaten anzutreffen sind, die z. B. mit Flemming’s Flüssigkeit oder Rabl’s Chromameisensäure-Mischung, welche die schleimige Sub- stanz der Synovia niederschlagen, fixirt sind. Die Spiritusbehandlung. des Materials (oft nur mit 709, Weingeist) kann auch nicht für eine so hochgradige Fettextrak- tion verantwortlich gemacht werden, dass die betreffenden Vakuo- len als der Platz ausgelöster Fetttropfen betrachtet werden kön- nen. In der That habe ich nicht einmal in den grösseren dieser Gebilde Fett angetroffen. Auch bei ın Osmium gehärteten Prä- paraten treten Vakuolen und Fetttropfen unabhängig von ein- ander auf. Nun ist die Möglichkeit übrig, dass die Vakuolisirung einer unvollständigen Fixirung des Protoplasmas zuzuschreiben wäre. Dass eine solche künstliche Vakuolisirung bei mit Müller’s Flüssigkeit behandeltem Material wirklich stattgefunden, davon zeugen vor Allem die in Innenkapseln eingeschlossenen Zellen. Ihr Protoplasma zeigt, wie bereits erwähnt, eine Menge Schrumpfungs- bilder, unter denen auchVakuolen vorkommen. Aber von der Unwahr- 1) Beitr. zur Histol. d. Gelenke, p. 410. 2) Archives de physiol. 1880, p. 546. 300 J. Aug. Hammar: scheinlichkeit abgesehen, dass die oberflächlichen, von der Fixi- rungsflüssigkeit zunächst beeinflussten Zellen, die am schlechtesten konservirten sein sollten, habe ich, wie bereits erwähnt, auch Vakuolen bei in Osmium oder in Flemming's Flüssigkeit be- handeltem Material angetroffen. Schliesslich ist es mir vorge- kommen, als ob den künstlichen Vakuolen gewöhnlich die schar- fen Grenzen und der nicht selten grosse Umfang dieser Gebilde fehlen. Mir erscheinen die betreffenden Vakuolen als wirklich präformirte Gebilde. Im Protoplasma trifft man besonders bei den oberflächlichen Zellen Fetttropfen. Bisweilen habe ich solche in sehr reichlieher Menge angetroffen, aber gewöhnlich in solehem Material, das nicht genügende Garantie für das Vorhandensein normaler Ver- hältnisse liefern konnte. Wo kein Grund vorhanden, an patho- logische Veränderungen zu denken, habe ich allerdings auch Fett gefunden, aber in viel geringerer Menge. Für diese Untersuchungen habe ich vorzugsweise Material von Thieren: Hund, Katze, Pferd gebraucht. Gute Bilder ergeben Fixirung mit 1/5'/, Osmiumlösung — 1ä 2 Tage —, gründliche Auswaschung in fliessendem Wasser, Nachhärtung mit 70°/, Weingeist, Färbung mit Alaunkarmin und Untersuchung in Glycerin. Das Fett erscheint am häufigsten als äusserst feine, schwarze Körner, um den Kern gesammelt; gewöhnlich ist ihre Zahl recht gering. Hier und da sieht man eine solehe Körnung sich bis in die Fortsätze hinein erstrecken. Die Menge des intrazellulären Fettes wechselt übrigens auf verschiedenen Flecken. Streckenweise kann es ganz fehlen; auf anderen Stellen sieht man Fetttropfen um fast jeden obertläch- lichen Kern. Grössere und reichlichere Tropfen kamen aber nur in den oberflächlichen eingekapselten Zellen vor. Dass Fetttropfen auch hier frei in einer übrigens leeren Kapselhöhle liegen können, ist schon erwähnt. Annehmbar scheint es mir, dass ein Theil dieses Fettes (z.B. das der eingekapselten Zellen) durch eine Fettwandlung der Zellen entstanden ist. Ob alles Fett auf solche Weise entstanden, kommt mir dagegen nicht so sicher vor. Die Möglichkeit einer Fett- resorption aus der Synovia und ein intrazelluläres Vorkommen des aufgenommenen Fettes scheint mir nach dem, was Man von der Resorption aus den Gelenken weiss, nicht ganz ausgeschlossen. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 301 Im Zusammenhang mit dieser Fettresorption aus der Synovia steht vielleicht auch das Auftreten von Fetttropfen in den Binde- gewebsspalten ausserhalb der Zellen, Bilder, auf die schon v. d. Sluijs!) und Hagen-Torn?) hingewiesen haben. Sämmtliehe Veränderungen im Aussehen der Zellen können in der ganzen Ausdehnung der Gelenkmembran vorkommen. Es kam mir aber vor, als ob der körnige Zerfall und die Vakuoli- sirung etwas häufiger in den zellenreiehen Gebieten aufträten, der Fettgehalt dagegen grösser in den zellenarmen wäre. Fast überall kommen neben den mehr oder minder stark modifieirten Zellenleibern eine grosse, ja vorwiegende Anzahl unveränderte vor. Auch die oberflächlichen Zellenkerne zeigen auffallende Veränderungen. Bei in M. F.-Spiritus konservirtem und in Hä- matoxylin und Eosin gefärbtem Material fallen besonders zwei Arten von Bildern in die Augen: theils solche Kerne, die durch ihre rothe Farbe von den diffus blaugefärbten Nachbarn abstechen, diese Kerne haben offenbar keine weitere Verwandt- schaft mit der Kernfarbe; ihre innere Struktur, das Kernnetz, braucht darum keine eigentliche Abweichung von derjenigen der umgebenden Kerne aufzuweisen; ein ander Mal kann das Netz als ein einziger eentraler Klumpen zusammengeballt erscheinen ; theils Kerne mit diffuser, hellblauer Farbe, ohne Spur von ge- formten Bestandtheilen im Inneren des Kerns oder mit einzelnen, kleinen, glänzenden Körnern in dem sonst homogenen, blasen- förmigen Gebilde (Taf. XVII, Fig. 22’ und z). Diese Kernbilder treten sehr oft in Zellen auf, deren Proto- plasma eine der oben geschilderten Veränderungen aufweist, ohne dass sich eine Art Kernveränderung einer gewissen Modifikation des Protoplasmas anschliesst. Auch gehen die Veränderungen in diesen beiden Theilen der Zelle nicht immer neben einander. Es ist nicht so ungewöhnlich, einen veränderten Kern von einem dem Anschein nach unbeschädigten Protoplasma umschlossen zu sehen, und umgekehrt. Von der Art der Kernveränderungen giebt das Obige gewiss keine riehtige Vorstellung. Ich habe es aber angeführt, da es von Interesse ist, zur Beleuchtung der Ausdehnung, in welcher 1.ae..p: 868 l. e., p. 630 u. 649. 302 J. Aug. Hammar: die Protoplasma- und Kern-Metamorphosen wahrscheinlich ein- ander begleiten. In dem für Kernstudien fixirten Material habe ich in dieser Hinsicht keine befriedigenden Aufklärungen erhalten. Die Veränderungen des Protoplasmas, insonderheit der körnige Zerfall desselben tritt hier nicht mit erforderlicher Schärfe hervor. Das für meine Kernstudien verwendete Material stammte theils von Menschen (amputirte Glieder), theils von Thieren (Pferd, Kuh, Hund, Katze). In beiden Fällen geschah die Konservirung bei noch erhaltener Lebenswärme des betreffenden Gewebes. Als Kernfixirungsmittel gebrauchte ich theils Rabl’s Chrom- ameisensäure-Mischung (24 Stunden), theils Flemming’'s Flüssigkeit (3—12 Stunden), mit folgender Auswaschung und Härtung in successive 70%/, und 90°, Spiritus. Die Schnitte wurden in Ehrlich’s Hämatoxylin nach der auf p- 273 angegebenen Methode gefärbt. Oder auch wurde 1°/, Wasser- lösung von Safranin nach Flemming oder Ziehl's Karbolfuchsin nach Schenk!) angewendet. Auch Sublimatfixirung und Färbung mit Ehrlich-Biondi’s Lösung sowohl als der p. 282 angeführten Färbung mit Methylgrün haben mir in einigen Fällen gute Dienste geleistet. Bei der Untersuchung der inneren Fläche der auf diese Weise vorbereiteten Gelenkmembran trifft man fast immer Kerne an, die sich durch ihre homogene Färbung auszeichnen. Die bei der Mehrzahl der Synovialiszellenkerne vorkommende typische Kernstruktur fehlt. Statt dessen tritt der Kern als ein diffus gefärbter Fleck hervor. Solche Kerne geben aber in der Grösse und Gestalt be- deutend wechselnde Bilder. Bisweilen sind sie im Umfang grös- ser als die umgebenden unveränderten Kerne, bisweilen ist die Grösse dieselbe, gewöhnlich sind sie aber bis zur Hälfte kleiner. Ihre Gestalt kann oval oder rund sein. Die grössten derselben machen dabei den Eindruck von parallel mit der Ober- fläche gelegenen, ebenen oder gefalteten Platten. An anderen Stellen wiederum sind sie sternförmig mit unebener, stumpf- oder spitzgezähnter Kante (vgl. Taf. XVII, Fig. 1 unten; Fig. 12). Diese eben beschriebenen Bilder sind die gewöhnlichsten in den zellenreichen Theilen. Manchmal trifft man auch hier mehr unregelmässige Kernformen. Vorzugsweise sind diese aber an die Randzone und andere zellenärmere Gebiete gebunden. Die bezweckten Formen sind derartig wie auf Taf. XVIII durch 1) Ref. in der Zeitschr. f. Mikroskopie, Bd. VII, p. 38. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 3053 die Figg. 1—35 k dargestellt worden. Der Kern ist hier oft zu einem oder mehreren runden oder platten, geraden oder gewun- denen Fäden oder Spitzen ausgezogen, und gibt bald das Bild eines zusammengedrehten Strangs, bald hat er eine franzenähnliche Form, nieht selten ist er T-förmig. Solche unregelmässigen Kerne liegen oft schräg im Verhältniss zur inneren Fläche der Gelenk- membran und ragen mit ihren freien Enden zu dieser empor. Dass diese homogen gefärbten Kerne verschiedener Art in den meisten Fällen dem fixen, zellulären Element des Gewebes angehören, darüber fehlen keineswegs Belege. Oft lässt sich auch ohne Schwierigkeit direkt auf dem hämatoxylingefärbten oder noch besser auf dem in Eosin nachgefärbten (in Kochsalz- glyeerin untersuchten) Schnitt constatiren, dass diese Kerne ver- zweigten Bindegewebszellen angehören. Dieses ist auch dureh zahlreiche Uebergangsformen zwischen diesen homogenen und typischen Bindegewebskernen bewiesen. Solche Uebergangsiormen liefern auch einen für die mehr unregelmässigen Kernformen oft nicht ganz überflüssigen Beweis, dass die betreffenden Gebilde wirklich Zellenkerne sind. In den zellenreicheren Gebieten trifft man regelmässig neben diesen Kernen solche, die wenig oder keine Abweichung von typischen Bindegewebskernen aufweisen. Letztere sind gewöhn- lich in entschiedener Ueberzahl; unter ihnen kommen die homo- genen Kerne oder Uebergangsformen dazu nur zerstreut oder ver- einzelt vor. — Etwas anders verhalten sich die unregelmässigen Kerne des zellenarmen Typus. Diese können streckenweise ganz fehlen oder nur isolirt auftreten, während gewisse Flecken von ihnen so überhäuft sind, dass im ganzen Gesichtsfeld jeder oder jeder zweite oberflächliche Kern ein solehes mehr oder weniger ausgeprägtes Bild darbietet. Eine Bewegung an der Stellschraube zur Einstellung von etwas tiefer liegenden Theilen lässt gewöhnlich in letzterem Falle unveränderte Kerne hervortreten. — In den zellenreicheren Theilen der Gelenkmembran habe ich dagegen auch etwas tiefer unter der Oberfläche spärliche, homogene Kerme angetroffen. Neben diesen eben beschriebenen Kernbildern kommen andere vor, die gleichfalls durch stärkere Färbung auffallen. Diese ist gewöhnlich fleckig und diese Kerne weichen also durch Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 20 304 J. Aug. Hammar: eine mehr oder weniger gut ausgeprägte Differenzirung der Fär- bung von den homogenen ab. Sie erbieten allerlei Zwischenformen von unveränderten, typischen Bindegewebskernen bis zu homogenen; wahrscheinlich dürfte wenigstens ein Theil derselben als Formen zu betrachten sein, welche den Uebergang der ersteren zu den letzteren ver- mitteln. Da aber solche Uebergangsformen von theilweise ganz be- sonderer Art im Anschluss an die mehr unregelmässigen Kerne vorkommen, so will ich Anfangs von diesen absehen und mich nur mit den Bildern beschäftigen, die mir geeignet scheinen, das Entstehen der in ihrer äusseren Gestalt relativ mehr unveränderten, homogenen Kerne zu beleuchten. Man sieht also: 1) Kerne mit beibehaltenem Kernnetz von feineren oder gröberen Fäden und mit einem oder mehreren deutlich vergrösserten Chromatinklumpen. 2) Solehe mit undeut- lichem Kernnetz oder ganz ohne ein solches; gegen den unge- färbten Kernsaft heben sich einige unregelmässig geformte, central liegende oder mehr gegen die Kernmembran verschobene Chro- matinbröckeln ab (Taf. XVIII, Figg. 4 und 9). 3) Kerne mit zahlreichen, sehr dicht liegenden Chromatinbröckeln (vergl. Taf. XVII, Fig. 13); ob die schmalen Zwischenräume zwischen denselben auch Farbe angenommen haben, ist “ nicht immer so leicht zu sagen, doch haben mir einige Bilder diesen Eindruck gemacht. Jedenfalls können solche Kerne den homogenen so ähnlich sein, dass sie sich erst bei genauerer Untersuchung von denselben unterscheiden lassen. 4) Kerne mit erhaltenem Kern- netz, keine auffallende Veränderung der Form und Grösse der Nucleoli und Pseudonucleoli, aber mit mehr oder weniger starker diffuser Färbung des Kernsafts (vgl. Taf. 'XVIII, Fig. 12 b). Solche Kerne sind oft kleiner als die typischen, haben auch nicht selten eine zackige oder unebene Begrenzung. Mir schien es auch, als wäre das Kernnetz oft in solchen an Umfang ver- kleinerten Kernen auf einmal feinmaschiger und grobfaseriger als das typische. Die Versuchung liegt nahe, diese verschiedenen Bilder. zu einer Entwickelungsserie zusammenzustellen. Es stellt sich aber heraus, dass eine solche Zusammenstellung der Willkür recht Ueber den feineren Bau der Gelenke. 305 freien Spielraum lässt, weshalb ich auch bei der gegenwärtigen Lage der Dinge glaube darauf verzichten zu müssen !). Ich gehe nun zu den mehr unregelmässig geformten Kernen über. Sie kommen gewöhnlich mit Kernformen obiger Art ge- mischt vor. Häufig findet man auch Uebergangsformen zwischen typischen oder auf eine der oben beschriebenen Arten modificirten Kerne und den irregulären Formen. Man sieht also Kerne von etwa flaschenähnlicher Form, deren breite, runde Enden ein wechselndes Aussehen von einem feinen Kernnetz an bis zu vollständig homogener Färbung zeigen. Das sehmalere (gewöhnlich oberflächliche) Ende ist zu einem längeren oder kürzeren, homogenen Strang ausgezogen (Taf. XVII, Figg. 1k', 3 k’, 6-8). Es scheint also, als könnten diese mehr unregelmässigen Kernformen aus fast jeder beliebigen der vorher beschriebenen entstehen. Aus mehreren Gründen scheint es mir aunehmbar, dass diese mehr unregelmässigen Kernformen unter dem Einfluss eines auf den Kern wirkenden mechanischen Faktors entstehen. Ich denke dabei zuvörderst an den Druck und die Reibung bei den Gelenkbewegungen. Es ist dann leicht begreiflich, dass das äussere Ende des Kerns oft zuerst von der Veränderung betroffen wird, indem es gleichsam zu einer strangähnlichen Form herausgedreht oder herausgezogen wird. Wo ein Kernnetz in einem flaschenähnlichen Kern theil- weise übrig ist, sieht man oft die Fäden desselben gegen das homogene, strangähnliche Ende des Kerns convergiren, um dort zusammenzuschmelzen (Taf. XVII, Figg. 1k‘,353k‘, 8). Dies scheint mir ein Zeugniss davon zu sein, dass der Kern einem gewissen Grad von Dehnung in genannter Richtung ausgesetzt gewesen sei. Gewöhnlich ist auch die Richtung der langgestreckten Kerne eine und dieselbe in einem gewissen Gebiet, was auf die Ein- wirkung einer und derselben richtenden Kraft hindeutet (Taf. X VIII, Figg. 1 u. 3). 1) Vergl. u. a. die Untersuchungen Pfitzner’s über senile Kernveränderungen. Virchow’s Archiv, Bd. 103. 306 . J. Aug. Hammar: Eine nicht unbedeutende Stütze erhält diese Auffassung ferner durch die Aehnlichkeit zwischen mehreren der beschriebenen Kern- formen und den künstlich deformirten Kernen, die v. Bambekel) und vor ihm einige andere Verf. bei der Herstellung von Isolationspräpa- raten entstehen sahen?). Hierbei spielte die Präparationsnadel dieselbe Rolle, wie die Reibung bei der physiologisch im Gelenk vorkommen- den Kerndeformation. Die hier geschilderten Bilder dürften zunächst den von v. Bambeke „noyaux &tires“ benannten entsprechen. Mit den letztgenannten haben sie in mehreren Hinsichten eine auffallende Aehnlichkeit und zwar beschränkt sich dieselbe nicht auf die äussere Form, man findet sie auch in der theilweise oder völlig homogenen Beschaffenheit des Kerns und (nach mehreren Figuren von B. zu ur- theilen) auch in seinem Verhältniss zum Protoplasma. Das Vorkommen dieser unregelmässigen Kerne vorzugsweise in den zellenarmen Gebieten stimmt auch gut mit der Annahme von der Bedeutung des Druckes und der Reibung für ihr Ent- stehen. Dass die Abnutzung hier recht bedeutend ist, davon zeugt die splittrige Beschaffenheit der Oberfläche. Die Art dieser Ab- nutzung und zwar durch ein Abstossen von Bindegewebshäutehen oder oberflächlichen Lamellen grösseren und kleineren Umfangs scheint mir das gruppenweise Auftreten dieser Bilder erklären zu können. Wenn ein solehes Bindegewebshäutchen abgelöst ist, werden die zunächst darunter liegenden Zellen entblösst und da- durch mehr direkt den umgestaltenden Einflüssen des Druckes und der Reibung ausgesetzt. Die regelmässiger geformten Kerne sind gewöhnlich vom Zellenprotoplasma rings umschlossen. Bisweilen findet man aber solehe mehr oder weniger völlig nackte Kerne. Häufig liegen sie dann frei auf der inneren Fläche der Gelenkmembran. Es ist also nieht unwahrscheinlich, dass sie in vielen solchen Fällen von der Synovia herstammen und nur zufällig auf den Platz de- ponirt worden, wo wir sie finden. Die mehr unregelmässig geformten Kerne sind gewöhnlich im grösseren oder kleineren Theil ihrer Peripherie vom Proto- 1) Bambeke, Ch. van, Des deformations artificielles du noyau. Arch. de Biologie, T. 7, 1887. 2) Erwähnenswerth ist, dass die meisten dieser Angaben sich auf Untersuchungen von Pflanzen- oder niederen Thierzellen stützen. Nur diejenigen von Malassez beziehen sich auf Säugethierzellen (Knochenmark). Ueber den feineren Bau der Gelenke. 307 plasma unbedeckt. Die flaschenartigen Kerne ragen oft mit ihrem schmalen, halsartigen Ende frei aus dem Zellenprotoplasma hervor (Taf. XVII, Fig. Ik’ und 8). Die strang- oder franzen- ähnlichen Formen gehen in den meisten Fällen vom oberfläch- lichen Rand der Zelle aus und bilden auf demselben eime Art Belag, von welchem sich Verlängerungen theils in das Zellen- protoplasma hineinziehen, theils in Gestalt von freien Fäden in die Umgebung hinaus erstrecken (Taf. XVIII, Figg. 1 und 2). Man erhält fast den Eindruck, dass der Kern an solchen Stellen aus der Zelle gezogen oder gepresst worden sei. | Betreffs der Beschaffenheit des Protoplasmas, das sich diesen auf allerlei Art modifieirten Kernen anschliesst, habe ich bereits angedeutet, dass das kernfixirte Material im allgemeinen wenig geeignet ist, darüber Aufklärungen zu liefern. Dieses gilt auch, wenn der Kernfärbung eine Eosinfärbung folgte. Ausser den bisher beschriebenen Veränderungen im den Zellenkernen trifft man andere, die ganz kurz als ein Ausdruck der Vakuolisirung der Kerne bezeichnet werden können. Solehe Vakuolen können in homogenen Kernen vorkommen (Taf. XVII, Fig. 10b und e). Am zahlreichsten findet man sie in- dessen in Kernen mit deutlichem Kernnetz, vielleicht aber nur aus dem Grunde, weil solche Kerne im allgemeinen die Mehrzahl ausmachen. Die Fäden des Kernnetzes sind dann gleichsam zur Peripherie der hellen, meistens runden Vakuole gedrängt worden, um welche sie eine Art punktirte Grenzlinie bilden (Taf. XVII, Fig. 10a). Oft ist nur eine Vakuole in einem Kern vorhanden, es ist aber keine Seltenheit, 2—3 zu finden. Die Grösse ist sehr versehieden. Nicht selten sieht man eine einzige den ganzen Kern ausfüllen, der dadurch ein blasenähnliches Aussehen erhält, indem die Begrenzung der Vakuole und die Kernmembran zu verschmelzen scheinen. Solche vakuolisirten Kerne scheinen konstant vorzukommen. Dagegen ist ihre Anzahl in verschiedenen Gelenken sehr ver- schieden. In einigen sind sie seltene Ausnahmen, in anderen machen sie einen sicherlich recht hohen Procentsatz sämmtlicher Kerne aus. Jedenfalls triffit man sie am häufigsten in den zellen- reichen Theilen der Gelenkmenbran und zwar, so weit es mir möglich gewesen, zu beurtheilen, nieht nur deswegen, weil der Kernreichthum dort überhaupt am grössten ist. ! 308 J. Aug. Hammar: Auch das diese vakuolisirten Kerne umgebende Zellenpro- toplasma ist oft vakuolisirt (Taf. XVII, Fig. 10e). Eben so oft sieht man aber die Kern- und Protoplasmavakuolen unabhängig von einander auftreten. 4. Die Fettzellen. Es ist bereits erwähnt, dass diese Zellen oft von einer nur ganz dünnen Bindegewebsschicht bedeckt sind. Wo sie eine solche oberflächliche Lage haben, kann man nicht ohne Grund erwarten, auch unter denselben Spuren vom Einfluss des Druckes resp. der Reibung zu finden. Ich habe indessen nur in einem einzigen Falle solche Spu- ren gefunden und zwar im Kniegelenk eines TOjährigen Mannes, dessen Bein wegen seniler Gangrän amputirt wurde. Unter den oberflächlichen Fettzellen eingestreut wurden hier runde oder ovale, wie es schien von der Oberfläche abge- plattete Gebilde angetroffen. Gewöhnlich erreichten sie nicht die Grösse der benachbarten Fettzellen; bisweilen betrug ihr Diameter nicht mehr als die Hälfte einer typischen Fettzelle. Sie machten den Eindruck von Blasen mit stark gerunzelter oder gefalteter, hautartiger Wand. Wie die Membranen der Fettzellen färbten sich auch diese scharf vom Methylviolett. Bei Osmium- fixirung erwiesen sich die meisten dieser Gebilde als fetthaltig. Die Menge des Fettes stand im allgemeinen im Verhältniss zur Grösse des betreffenden Gebildes. Die grössten waren also ziem- lich mit Fett gefüllt und glichen in erheblichem Grade den be- nachbarten typischen Fettzellen. Die kleinsten dagegen hatten gar kein Fett in ihrem Inneren. Es gelang mir nicht, einen Kern anzutreffen. Dass diese Gebilde eigenthümlich modifieirte Fettzellen waren, erscheint mir höchst wahrscheinlich. Die Bilder scheinen mir am besten durch die Annahme eines Platzens der betreffenden Fettzellen mit partieller oder völliger Entleerung ihres Inhalts erklärt werden zu können. In der stark gefalteten Zellenmem- bran war aber keine Spalte zu entdecken. Es ist kein Grund zu der Voraussetzung , vorhanden, dass diese Veränderungen während oder nach der Amputation künst- lich entstanden seien. Meine Versuche, derartige Bilder an anderem Menschen- Ueber den feineren Bau der Gelenke. 309 oder an Thiermaterial wiederzufinden, führten zu keinem positiven Resultat. Auch in der Synovia bin ich keinen begegnet. Aus diesem einzelnen Befunde allgemeine Schlussfolgerungen zu ziehen, kann natürlich nicht berechtigt sein. Derselbe scheint mir aber die Möglichkeit anzudeuten, dass auch die Fettzellen — wenn auch vielleicht nur unter pathologischen Verhältnissen — an der Innenseite der Gelenkmembran der Zerstörung ausgesetzt sein können. Im übrigen muss natürlich die Frage über das Verhältniss dieser Zellen in betreffender Hinsicht als eine offene bezeichnet werden. Im Vorhergehenden bin ich den Spuren des an der Innen- seite der Gelenkmembran stattfindenden Abnutzungsprocesses ge- folgt und habe sie in den meisten der Gewebsbestandtheile, der fibrillären Grundsubstanz, den elastischen Fasern und den Syno- vialiszellen wiedergefunden. Es giebt indessen Gebilde, die im Bindegewebe der Gelenkmembran eingebettet liegen, sich bis dicht unter ihre freie Oberfläche hinauf erstrecken, deren Verhältnisse in dieser Hinsicht ich aber bisher nicht berührt habe. Ich meine die Blutgefässe!). Es ist mir in der That nicht gelungen, Anzeichen vorzu- finden, dass auch diese Gebilde in den betreffenden Zerstörungs- process mit hineingezogen werden. Wie bereits angedeutet, habe ich sie immer nach der Innenseite der Gelenkmembran zu von einer, wenn auch dünnen Bindegewebsschicht bedeekt gefunden. Stets hat sich die Gefässbahn gut begrenzt gezeigt, ohne Anzei- chen von Trombose oder sonstigen Veränderungen, welche als Vorboten des Untergangs der Gefässe gedacht werden können. Es ist freilich wahr, dass man in der Regel rothe Blutkörperchen in der Synovia antrifft, weiter unten werde ich aber näher die Schwierigkeit hervorheben, beim Herausholen derselben eine Blut- einmischung zu vermeiden. Wenn es sich also erweisen würde, dass die Gefässe bei der Abnutzung des umgebenden Gewebes nieht untergehen, so scheint mir diese Thatsache nieht ganz unerklärlich. Es lässt sich ja denken, dass die ohne Zweifel besseren Nutritionsverhält- nisse des umgebenden Gewebes und — in Betreff der gröberen 1) Das Verhältniss der Nerven ist mir unbekannt. 310 J. Aug Hammar: Gefässe — die grobfaserige Beschaffenheit des adventitiellen Bindegewebes eine erhöhte Widerstandsfähigkeit mit sich führen. Selbstverständlich wird sich unter solchen Verhältnissen ein Ge- fäss resp. Gefässkonvolut mit dem umgebenden Gewebe allmäh- lich über das Niveau der übrigen Fläche als ein isolirter Strang oder Falte erheben. Es kann fraglich sein, ob hiermit nicht in einigen Fällen die Bildung eines Villus oder einer Pliea syno- vialis eingeleitet sein kann. Eine solehe Auffassung braucht aber keineswegs die Annahme mehr activer Bildungsmomente als hierbei thätige Faktoren auszuschliessen. Die Anmerkung lässt sich mit gutem Fug machen, dass ich im Vorhergehenden nicht genügende Rücksicht auf einen Faktor genommen, dessen Wichtigkeit bei der Beurtheilung dieser Processe nicht unterschätzt werden darf — die Regeneration. Die Wiehtigkeit der Frage habe ich zwar nicht übersehen, es fehlen mir aber alle Haltepunkte zur Beurtheilung derselben. In Betreff der normalen Regeneration der fibrillären Grund- substanz ist nämlich unsere allgemeine Kenntniss bekanntlich äusserst dürftig. Es ist mir auch nicht gelungen, meinen Prä- paraten in dieser Hinsicht einige bestimmte Erklärungen abzu- gewinnen. Was die Regeneration der Zellen betrifft, so schienen die Hoffnungen und zwar nicht ohne Grund etwas höher gestellt werden zu können, aber auch hier wurden sie vereitelt. Beim Kernstudium richtete sich meine besondere Aufmerk- samkeit auf das Vorhandensein von Mitosen. Ich traf auch solehe in geringer Anzahl — 3 oder 4 Stück. Ihr Platz war nicht weit unter der freien Oberfläche. Ihr Vorhandensein dürfte eine Art Garantie ausmachen, dass der Mangel an solchen Bildern nicht durch die Art der vorbereitenden Präparation des Materials verursacht sei. Sie zeugten auch vom Vorkommen einer mitotischen Theilung in den Bindegewebszellen der Gelenkmembran. Selbstverständlich lassen sich aber aus einem solehen Resultat bei der Durchforschung einiger hundert Schnitte nieht wohl Schlussfolgerungen über das Vorkonmen einer allgemeineren mitotischen Theilung der Zellen ziehen. Ob dagegen eine amitotische Theilung hier stattfindet, Ueber den feineren Bau der Gelenke. sl ist nicht leicht zu sagen. Die Menge von allerlei unregelmässi- gen, häufig von der Gestalt der Zellen beeinflussten Kernen ist hier so gross, dass man den Formen, die sonst als auf einen Abschnürungsprocess hindeutend aufgefasst werden können, kaum eine Bedeutung beilegen kann, obwohl solche Formen keines- wegs fehlen. Nur in den eingekapselten Zellen sind die Verhältnisse in einigen Fällen überschaulicher. Da sie hier mit den im Knorpel vorkommenden analog sind, so wird hier zu der in Abth. II ge- gebenen Schilderung hingewiesen (Taf. XVII, Fig. 11). Wenn ich auch aus verschiedenen Gründen geneigt bin, die Befindlichkeit eines Regenerationsprocesses in der Gelenkmembran a priori anzunehmen, so bin ich doch nieht im Stande, mir in Betreff des Wesens, des Ausgangspunktes und des Umfangs die- ses Processes einen bestimmten Begriff zu bilden. Ich muss mich also darauf beschränken zu betonen, dass einige meiner gezo- genen Schlussfolgerungen unter solchen Verhältnissen natürlich einen mehr oder weniger bedingten Charakter erhalten müssen. D. Das Verhältniss der Gelenkmembran zur Silber- imprägnation. Erst nachdem man auf diese Art mit anderen Methoden einen einigermaassen guten Einblick in den Bau der Gelenk- membran erhalten hat, kann man sich mit Erfolg dem Studium jener Bilder zuwenden, die man durch Silberimprägnation erhält. Ohne meiner Erfahrung nach eigentlich neue Aufschlüsse zu ge- ben, hat diese Methode dennoch ihr grosses Interesse wegen der Rolle, die sie seit Hueter’s Zeit in der histologischen Gelenks- literatur gespielt hat. Beim Präpariren ist ein Abspülen der Innenseite der Gelenk- membran mit Ya—1°/, NasSO,-Lösung zu empfehlen, als Vorbereitung für die Einwirkung des Silbers. Bei Beobachtung dieser Maassregel bin ich nur wenig durch Niederschlag der Synovia belästigt worden. Im Allgemeinen habe ich mit 1/,0/, Silberlösung gearbeitet. In dem zellenärmeren Typus begegnet man keinen Schwierigkeiten, die erhaltenen Bilder zu analysiren. Man sieht die braungefärbte Grundsubstanz des Bindegewebes als einen Grund, auf dem sich helle Flecke scharf abheben. Diese scheinen beim ersten Anblick ziemlich genau die allgemeine Form der Zellen wiederzugeben, sei es dass diese dann rund sind, kurze, 312 J. Aug. Hammar: kaum angedeutete Fortsätze oder mehr oder weniger reichliche Verästelungen besitzen. Eine nähere Untersuchung zeigt aber bald, dass diese ne- gative Färbung nur die Verhältnisse im groben wiedergiebt. Nicht allein, dass die Fortsätze breiter als bei der Eosinfärbung er- scheinen, sie sind hier auch kürzer und weniger reich verzweigt. Eine stärkere Vergrösserung zeigt auch nicht selten Andeutungen an feineren Fortsätzen, die braungefärbt worden oder von der braungefärbten Grundsubstanz verdeckt sind. Alles deutet darauf hin, dass man in diesen Bildern nicht die feineren Verästelungs- verhältnisse der Zellen genau wiederfindet. In demselben Maasse wie die Menge der Zellen zunimmt und die Anzahl der Fortsätze sich vergrössert, werden die Bilder komplieirter. Sie erbieten eine unendliche Menge von Variatio- nen und können in ein und demselben Gesichtsfeld eine bunte Mischung von bizarren Formen aufweisen, deren Einzelheiten ebenso schwer zu deuten sein können, wie die Bilder schwer zu beschreiben sind. So lange die Zellen in kleineren Gruppen ge- sammelt sind, erscheinen die Verhältnisse noch ziemlich ein- fach. Kernführende, weisse Felder von runder oder länglicher Form entsenden Fortsätze, die auf der braunen Grundfläche zwi- schen den Zellengruppen eine geäderte Zeichnung von weissen, längeren oder kürzeren, verzweigten und unverzweigten Streifen oder unregelmässigen, kleinen Flecken hervorrufen. Solche sind gewöhnlich auch in den Gruppen eingestreut zwischen den grös- seren, kernführenden Feldern zu finden. Wo die Zellen am dicehtesten liegen, haben wir bereits gesehen, dass ihre Fortsätze ‚meistens in einer oberfläch- lieheren Ebene als der kernführende Theil des Zellenkörpers liegen. In Uebereinstimmung hiermit finden wir an der Ober- fläche eine doppelte Silberzeichnung. Es ist nur eine unbedeutende Bewegung an der Stellschraube erforderlich, um das eine Bild verschwinden, das andere hervortreten zu lassen. Von diesen beiden Bildern ist das tiefere das regel- mässigere und überschaulichere (Taf. XVII, Figg. 5t und 10). Stückweise hat es einen recht ausgeprägt epithelioiden Charakter mit einer Netzzeichnung von schwarzen — braunen Linien, die etwa gleichgrosse, kernführende, weisse Felder begrenzen. Die Ueber den feineren Bau der Gelenke. 313 Grenzlinien sind indessen, wie Hueter bereits bemerkt, durchaus nicht so gleichbreit wie die Kittleisten eines Epithels, ausserdem oft braun anstatt schwarz. Die Form des Feldes ist auch nicht immer so regelmässig polygonal wie im Epithel; gewöhnlich sind mehrere Uebergänge zwischen der runden und länglichen Form vorhanden. Je breiter diese Linien sind, mit anderen Worten, je entfernter die hellen Flecken liegen, desto umregelmässiger und länglicher wird ihre Form; oft sind sie sogar mit Fort- sätzen versehen. Solche kommen auch zwischen ‚denselben als isolirte, kleinere, unregelmässige, helle Punkte und Striche vor. Dieses Bild entspricht offenbar Hueter’s epithelioider Zellen- anordnung, wahrscheinlich auch dem, was Tillmanns u. a. als Endothelzellen geschildert hat. Das oberflächlichere Silberbild scheint von Hueter eigenthümlicherweise nicht beachtet worden zu sein; er übergeht es mit Stillschweigen. Tillmanns be- trachtet es dagegen offenbar als artefact, durch einen Silber- Synovia-Niederschlag hervorgerufen. Seine Lage nach innen, von dem Endothelbilde und sein scheinbarer Mangel an Zusammen- hang mit diesem mussten dabei als Stütze für seine Auffassung dienen }). Der Charakter des oberflächlichen Bildes tritt am . deutlichsten hervor, wo die Aderung von weissen Punkten und Stri- chen auf braunem Grund auftritt, wie wir sie eben bei den Par- tieen zwischen den Zellengruppen beschrieben (Taf. XVII, Fig. ob). Es handelt sich hier um ziemlich spärlich liegende Fortsätze. Die braungefärbten Züge, welche sie trennen, sind verhältniss- mässig breit. Nicht selten ist eine bestimmte Hauptrichtung darunter vorwiegend, so dass eine gewisse Parallelstreifigkeit von graderen, oder bogenförmigen oder sogar in Wirbeln geordneten braunen, mit weissen alternirenden Linien entsteht. An anderen Stellen hat das oberflächliche Bild ein mehr endothelartiges Aussehen (Taf. XVII, Fig. 10 ob); feine, schwarze Linien begrenzen ungefärbte Felder. Wesentliche Abweichungen von dem typischen Endothelbild fehlen indessen nicht. Die Linien sind sehr ungleichmässig breit. Hier und dort schwellen sie punktförmig an, oder laufen in un- regelmässigen, grösseren und kleineren Flecken braungefärbter Grundsubstanz aus. 1) Beitr. z. Histol. d. Gelenke, p. 412. 314 J. Aug. Hammar: Die auf diese Art begrenzten weissen Felder zeigen auch bedeutendere Abwechselungen in der Grösse, als was sonst in dem typischen Endothel vorkommt!). Ab und zu kommen un- regelmässige Felder von der Grösse einer Endothelzelle vor; bis- weilen haben sie einen sehr krausen Rand, was die Gedanken zu dem Lymphgefässendothel führt. Die meisten Felder haben aber eine viel kleinere Ausdehnung. Häufig sieht man mehr oder weniger gerundete, die sogar kleiner sind als der Kern einer Bindegewebszelle. Nur die grösseren Felder sind kernfüh- rend und entsprechen somit den oberflächlich gelegenen Zellen, während die kleineren unzweifelhaft Fortsätze repräsentiren. Es ist aber in vielen Fällen keine leichte Aufgabe, sich klar zu machen, wie diese allerdings nicht selten länglichen, aber noch häufiger runden oder unregelmässigen Felder von den oberflächlichen Fortsätzen hervorgerufen werden. An äusserst dünnen Schnitten und an Isolationspräparaten glaube ich aber einige Haltepunkte zur Beurtheilung gefunden zu haben. Die Fortsätze verflechten sich nämlich bei der Kreuzung in so naheliegenden Ebenen, dass ihre scharf gefärbten Grenz- linien bei derselben Einstellung hervortreten?). Andererseits ist wahrscheinlich mehr als eines der kleinen, runden Felder im dem oberflächlichen Silberbilde der optische Querschnitt eines gegen das Auge hinaufgekehrten Ausläufers. Gewöhnlich trifft man dieses endothelartige Bild nur in kleineren Gebieten. Die zahlreichen, schwarzen Grenzlinien las- sen solche Gebiete schon bei schwacher Vergrösserung sich als schwärzliche Flecke abheben, während die Umgebung die braune Grundfarbe hat, die im allgemeinen der Grundsubstanz des Binde- gewebes bei der Silberfärbung eigen ist. Auch in diesen braunen Partieen tritt aber die Grenze zwi- 1) Weit grössere Abwechselungen findet man jedoch, wo in den Schleimbeuteln (oder ausnahmsweise in den Sehnenscheiden) häutchen- ähnliche Zellen (vergl. Taf. XVII, Fig. 4) sich vorfinden. Bedeutend grosse Felder mit Kleinen und Kleinsten untermischt kommen hier vor. 2) Aus ähnlichen Gründen kann man z. B. an dünnen Omenten gleichzeitig die Endothelzeichnungen beider Flächen sehen, wodurch das Bild einer doppelt so dichten, aber viel unregelmässigeren Netz- zeichnung hervorgerufen wird, als wenn man jede Fläche für sich be- trachtet. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 315 schen zwei benachbarten Zellen (resp. Fortsätzen) als eine schwarze Linie auf, wenn die betreffenden Zellen dicht beisammen liegen. Wo die Entfernung grösser ist, sind sie durch eimen braunen Zug getrennt. Einen anderen Unterschied als den von dem ver- schiedenen gegenseitigen Abstand der Zellen oder Ausläufer be- dingten giebt es offenbar nicht zwischen den schwarzen und braungefärbten Gebieten. Auch in diesen letzteren findet man also denselben Wechsel grösserer und kleinerer Flecke von allerlei Gestalt. Die grösseren, kernführenden, entsprechen offenbar oberflächlich liegenden Zellen, die kleineren, kernfreien, entsprechen Ausläufern von diesen und darunterliegenden Zellen. Bisweilen findet man in einem endothelartigen Bild eine grössere Anzahl kernführender Felder, während die tiefere Ein- stellung schr wenige — manchmal fast keine — Zellen zeigt. Hier liegt also die Mehrzahl der Zellen in derselben Ebene wie die Fortsätze und das Bild kann also als in der Mitte zwischen den beiden eben beschriebenen Hauptformen der Silberbilder stehend bezeichnet werden. Ich habe die Verhältnisse bisher so geschildert, als sähe man regelmässig in den Präparaten die Zellen als ungefärbte, helle Flecke markirt. Der Oberfläche der Gelenkmembran zu- nächst trifft man indessen sehr oft eine wechselnde Anzahl von Zellen, die eine Ausnahme hiervon bilden. Beim ersten Anblick entgehen sie leieht der Aufmerksamkeit, da sie eine Art positive Färbung angenommen haben. Man sieht den ganzen Zellenkörper und bisweilen, wie es scheint, auch den Kern mit einer Silber- fällung von dichten, schwarzen Körnehen imprägnirt. Die ganze Zelle wird dadurch schwärzlich und ihre Grenzen wenig markirt. Ich habe indessen zu finden geglaubt, dass diese Zellen im all- gemeinen weniger verzweigt sind als die darunterliegenden, un- gefärbten. Aus dieser Ursache halte ich es nicht für unwahr- scheinlich, dass diese oberflächlichen Zellen den stärker gefärbten, glänzenderen der Hämatoxylin - Eosin - Präparate entsprechen !). 1) Hierbei kann es von Interesse sein, daran zu erinnern, dass wie hier die Rede von absterbenden Zellen sein dürfte, Dekhuyzen (Ueber das Endothel, Verhandl. des X. intern. med. Congresses. Berlin 316 J. Aug. Hammar: Bisweilen sind es nicht die Zellen im ganzen, sondern nur ihre oberflächlichen Fortsätze, die sich in der Silberlösung dunkel färben. Ich habe bereits darauf aufmerksam gemacht, dass die an der Innenseite der Gelenkmembran hängenden Bindegewebshäut- chen und Stränge besonders an silbergefärbten Präparaten hervor- treten. Sie färben sich nämlich zuerst und am stärksten vom Silbersalz. Hierzu trägt vielleicht auch der Umstand bei, dass sie wahrscheinlich mehr oder weniger mit der Synovia imbibirt sind, und dass also in vielen Fällen auch ein Silbersynovia- niederschlag im Anschluss an dieselben stattfinden dürfte. Bei allem diesem wirken diese Flächenhäutchen und Stränge bedeckend auf die darunterliegenden Bilder, und wo sie (wie besonders bei einigen subkutanen Bursen) zahlreich auftreten, vereiteln sie fast eine genauere Untersuchung. Andererseits ist die Gefahr vor- handen, dass diese Gebilde im Ganzen als Niederschlagsprodukte aufgefasst und als solche übersehen werden. Dass sie nicht nur ein Synovianiederschlag sind, erhellt aus dem innigen Zusammenhang mit dem darunterliegenden Gewebe. Bei Ver- suchen sie loszulösen sieht man, dass sie sich deutlich in der Tiefe des Bindegewebes fortsetzen. In grösserer Ausdehnung isolirt können sie als halb gefärbte, halb ungefärbte Gebilde her- vortreten, wo die Lage der Farbengrenze durch die mehr oder weniger eindringliche Wirkung der Silberlösung bedingt ist. Wenn auch nicht aus denselben Gründen wie Tillmanns, so kann ich dennoch nicht unterlassen, die Silbermethode als wenig geeignet für die Gelenkmembranen zu bezeichnen. Einer- seits hebt sie gar nieht oder nur undeutlich befindliche Struktur- verhältnisse hervor (feinere Zellenfortsätze, oberflächliche Zellen und Ausläufer); andererseits giebt sie Bilder, die in vielen Hin- sichten sehr schwer zu deuten sind und kaum ohne Leitung der positiven Färbemethoden ganz verstanden werden können. Im Obigen habe ich es nicht für geeignet gehalten, auf eine nähere Untersuchung in Betreff der Zuverlässigkeit dieser Silberbilder einzugehen. Auch dürfte eine solche Ermittelung 1890, Bd. II: I, Anatomie 1891) gefunden hat, dass untergehende Endo- thelzellen sich gleichfalls dunkel im Silbersalz färben. Ueber den feineren Bau der Gelenke. Sal hier nieht für nothwendig erachtet werden. Die Uebereinstim- mung der angeführten Bilder mit den durch die Hämatoxylin- Eosinmethode erhaltenen" scheint mir in Bezug hierauf hinreichende Garantie zu gewähren. E. Plieae und Villi synoviales. Von der inneren Fläche der Gelenkmembran ragen bekannt- lich Verlängerungen von allerlei Grösse und Gestalt in das Gelenk hinein. Sie erbieten viele Abwechselungen von grossen, von der makroskopiseben Anatomie bekannten und benannten Gebilden, wie die Ligg. alaria, das Lig. mucosum und klemen, erst durch das Mikroskop wahrnehmbaren Gebilden. Diese haben bald das Aussehen von platten Duplikaturen, bald sind sie faden- oder strangförmig. Aus diesem Grunde ergeben sich Plieae und Villi syno- viales — Synovialfalten und Synovialzotten. 1. Von den Plicae synoviales ist wenig zu sagen. Sie können sowohl auf zellenreichen wie auf zellenärmeren Theilen der Synovialmembran vorkommen. In jenen erscheinen sie als wirkliche Falten der Synovial- haut. Zwischen die beiden Blätter der Falte streckt sich dann das lockere, reich vaskularisirte, subsynoviale Binde- oder Fett- gewebe hinein, indem es das verschiedene makroskopische Aus- sehen der Falten bedingt („Plieae vasculosae“ und „Plieae adiposae"). Bisweilen besteht aber die Falte aus einer. einzigen Binde- sewebslamelle; die beiden Faltenblätter scheinen hier zu einem verschmolzen zu sein, das subsynoviale Gewebe fehlt. Der freie Rand dieser Plieae ist gewöhnlich unregelmässig; er ist, besonders wo die Falte dünner ist, durch zahlreiche Villi von wechselnder Gestalt und Grösse gefranzt (Taf. XVII, Fig. 18). Die Synovialfalten mögen so oder so aussehen, in der Regel behalten sie doch den Charakter der benachbarten Synovialmem- bran. Die Anzahl der Synovialiszellen ist oft auffallend gross. In den dünneren Plicae scheinen sie diffus durch die ganze Dicke des Gewebes gestreut zu sein; sonst liegen sie gewöhnlich stark gegen die beiden Flächen der Falte gedrängt. In mehr als ge- wöhnlicher Menge werden nicht selten an der Oberfläche liegende 318 J. Aug. Hammar: Zellen angetroffen. Dies hängt vermuthlich mit der geschützten Lage zusammen, welche solche Synovialfalten meistentheils in den Gelenken einnehmen, und welche blossliegenden Zellen ge- stattet, verhältnissmässig lange auf ihrem Platz zu verweilen. Am freien Rand der dünneren Plicae entlang findet man auffallend häufig einen groben Bindegewebsstrang (Taf. XVII, Fig. 18 bb‘), von demselben Aussehen wie früher (p. 284) ge- schildert worden. Jenseits dieses Stranges beginnen die Synovial- zotten. Es sieht also fast aus, als ob ein solches grobes Binde- sewebsbündel eine Barriere gegen die Ausfranzung gebildet habe. In den zellenarmen Gebieten der Randzone werden in- dessen auch Gebilde angetroffen, welche den Synovialfalten nahe stehen. Es sind blattähnliche, platte Lappen und sprossen mit einer ziemlich breiten Basis in der Nähe des Knorpelrandes ab, während ihr dünnerer, zugeschärfter, freier Rand sieh über die Peripherie der Gelenkfläche des Knorpels hinüberlegt. Im allge- meinen sind sie also im Querschnitt dreieckig. Ihr Bau ist einfach. Sie bestehen aus einem Bindegewebe von gewöhnlich durchweg festem Charakter. In demselben liegen spärliche Zellen mit oder ohne Kapseln eingestreut. 2. Die Villi synoviales gehen theils, wie erwähnt, vom freien Rand der Plicae aus, theils direkt an der Oberfläche der Gelenkmembran. Sie kommen mehr oder weniger reichlich über die ganze Innenseite derselben vor. Wie die Synovialfalten stimmen sie im Bau nahe mit dem in der Nachbarschaft herrschenden Strukturtypus überein. Man kann also mit Recht von zellenreichen und zellenarmen Synovial- Zotten sprechen. Zwischenformen und gemischte Formen werden indess nicht selten angetroffen. Die kleinsten in den zellenreichen Gebieten von mir angetroffenen Villi bilden insofern eine Ausnahme, als sie keine Zellen enthalten (Taf. XVII, Fig. 18v und 19). Ei- oder keulenförmig erheben sie sich mit einem kurzen Stiel oder Fuss von der Innenseite der Gelenkmembran. Ihre Oberfläche ist glatt. Der ganze Villus scheint aus einem undeutlich faseri- gen Bindegewebe ohne Zellen zu bestehen. Durch die Stiel- partie kann man dagegen eine grössere oder kleinere Anzahl Ueber den feineren Bau der Gelenke. 319 Fortsätze (Taf. XVII, Fig. 19a) von den darunterliegenden Sy- novialiszellen einstrahlen sehen. Sie verzweigen sich und schliessen theils mit zugespitzten, theils mit knospenartig ausgeschwollenen, theils mit anscheinend zu einem Knäuel aufgewickelten Zweigen ab. Auch etwas grössere Villi haben ungefähr dieselbe Gestalt. Sie gehen von der Oberfläche aus und zwar mit einer schmaleren Stielpartie von wechselnder Länge, während das freie Ende rund- lich und angeschwollen ist (Taf. XVII, Fig. 22). Das Gerüst ist auch hier Bindegewebe. Seine fibrilläre Beschaffenheit ist gewöhnlich hier besser wahrnehmbar als in den kleinsten Villi. In diesem Bindegewebe liegen im ausgeschwollenen Theil des Villus verzweigte Zellen eingestreut. In den kleineren Villi ist die Anzahl der Zellen ganz gering (ich habe kleine Zotten mit einer einzigen gewöhnlich verzweigten Zelle angetroffen) und ihre Fortsätze treten deutlich hervor. Diese Villi sind dadurch am geeignetsten für das erste Studium im Bau der Synovialzotten. Je grösser ein solcher Villus ist, desto mehr Zellen sind vorhanden und desto diehter liegen sie. In Ueberein- stimmung mit den Verhältnissen der zellenreicheren Theile der Synovialmembran finden wir die Fortsätze grösstentheils in einer mehr oberflächlichen Ebene als die Zellen selbst; dieht an der Oberfläche der Zotte bilden sie ein Flechtwerk, während die runden oder polygonalen, kernführenden Hauptpar- tieen etwas tiefer liegen und zwar nicht selten in mehreren Schichten so übereinander gehäuft, dass die Fortsätze dadurch verborgen werden. Daraus lässt sich erklären, dass diese Zellen im allgemeinen als runde Gebilde beschrieben werden (Taf. XVIII, Figg. 21 und 23x). Obwohl die unverhältnissmässig grösste Mehrzahl im Binde- gewebe eingebettet liegt, trifft man hier wie auf der Synovial- membran selbst einige an der Oberfläche liegende, häufig im Zerfall begriffene Zellen. Auf einigen Villi ist ihre Anzahl sogar sehr bedeutend, so dass die Oberfläche dadurch ein unebenes und zerrissenes Aussehen erhält. Ein anderes Mal ist der ungleichmässige Charakter der Oberfläche durch das Verhalten der Ausläufer bedingt; sie können nämlich in grosser Anzahl frei über das Niveau des Bindegewe- bes hinausragen. Gewöhnlich ist aber die Zottenfläche eben, höchstens hier und da mit einer warzenartigen Erhöhung ver- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 21 320 J. Aug. Hammar: sehen, und zwar dort, wo ein Ausläufer bei seinem Wachsen die Grundsubstanz gleichsam vor sich her getrieben und ausgebuchtet hat (Taf. XVII, Figg. 22f und 23f). Gewöhnlich ist dann nur das angeschwollene Ende eines sol- chen Villus zellenführend. Der Stielpartie fehlen in der Regel die Zellen, oder sind nur einzelne vorhanden. Sie besteht aus einem, von der Synovialhaut abgehenden, groben Bindegewebs- bündel. Dann und wann sieht man an seiner Oberfläche einen Fortsatz von benachbarten Zellen. Ausnahmsweise können solebe Fortsätze ein wirkliches, umspinnendes Netzwerk bilden. Die grösseren dieser Villi haben nicht selten ein ausgeprägt rosenkranzartiges Aussehen. Die Anschwellungen treten mit wech- selnder Regelmässigkeit auf. Gewöhnlich sind sie oval und recht scharf von den Abschnürungen begrenzt. In der Regel nehmen sie gegen das freie Ende der Zotte an Grösse ab. Jede»dieser Anschwellungen hat dieselbe zellenreiche Struk- tur, wie die eben beschriebenen verdickten Enden der kleineren Villi; bei jeder Einschnürung tritt das zellenarme Bindegewebs- bündel der Stielpartie mit oder ohne Fortsätze wieder auf. Dieses Bindegewebsbündel kann sich m den Anschwellun- gen auf zweierlei Art verhalten: entweder löst es sich bei jeder Anschwellung auf und wird gleichsam von den hier liegenden Zellen durehwachsen, um sich am andern Pol der Anschwellung wieder zu einem kompakten Strang zu sammeln (Taf. XVII, Fig. 18), oder auch setzt es sich fortdauernd und mit beibehal- tener Mächtigkeit von dem einen bis zum anderen Ende der Zotte fort. Ausserhalb desselben tritt dann wie ein in gewissen Zwischenräumen wiederkehrender Belag das lockere, zellenreiche Bindegewebe in den Anschwellungen wieder auf. Letztere sitzen an den centralen Bündeln entlang gereiht — gleichsam wie die Perlen an der Schnur eines Rosenkranzes (Taf. XVII, Fig. 21). Ein soleher Villus kann sich ein oder mehrere Mal ver- zweigen. Die Zweige sind auch nicht selten rosenkranzartig, aber haben oft kleinere Anschwellungen. Solche verzweigte Villi scheinen in Ausnahmsfällen anastomosiren zu können. Wie Rainey!) bereits betont hat, sind die kleineren Villi 1) Rainey, G., On the Anatomy and Physiology of the vascular fringes in joints and sheaths of tendons. The London, Edinburgh and Dublin philosophical magazine and journal of science. Vol. 29, 1846. Ueber den feineren Bau der Gelenke. sa gefässfrei. Die grösseren enthalten Gefässschlingen. Diese letz- teren sogenannten Villi sind aber oft nichts Anderes als wirk- liche Duplikaturen der Synovialmembran. Sie enthalten sub- synoviales Binde- und Fettgewebe und nur ihre rundliche Form trennt sie von den Synovialfalten. An diese erinnern sie auch dureh ihr Verhältniss zu den kleineren Villi. Solche und zwar mit dem oben beschriebenen Bau sprossen nämlich von der Spitze der grösseren ab. Daher der Name Primär- und Sekundärvilli, resp. Mutter- -und Toehtervilli. Auf den zellenärmeren Theilen der Gelenkmembran sieht man Villi von anderem Aussehen. Sie bestehen aus ein- fachen oder verzweigten Bindegewebsbündeln, die sich ohne jedwede Zellenbekleidung von der Oberfläche loslösen, um sich mehr oder weniger weit in die Gelenkhöhlung himein zu streeken. Recht häufig ist ihr Ende keulenartig verdickt, seltener verjüngen sie sich nach der Spitze zu. Bisweilen überbrücken sie ein paar nicht allzu entfernte Punkte der Oberfläche der Gelenkmembran sich mit beiden Enden in dieselbe hineinsenkend. Anderwärts findet man schliesslich ähnliche, aber verzweigte Bündel, die sich mit einander zu einer Art Plexus vereinigen — einem Netz von Bindegewebssträngen, die in ihrer äusseren Anordnung etwas an den Bau gewisser Omenten erinnern. Diesen Bindegewebssträngen von allerlei Form können alle Zellen fehlen (Taf. XVII, Figg. 20 und 25). Ein ander Mal trifft man in ihrem Inneren einzelne oder gruppirte Zellen an, die sich gewöhnlich einer oder einigen der in den benachbarten Theilen der Gelenkmembran befindlichen Zellenformen anschliessen. Bald sind es also eingekapselte (Taf. XVII, Fig. 15), bald uneingekapselte, bald verzweigte, bald unverzweigte Zellen, die hier ihren Platz haben. In der Regel ist ihre Anzahl, wie bereits erwähnt, nur gering. Fermer begegnet man nicht selten längsgehenden elastischen Fasern (Taf. XVII, Figg. 15e und 25e) graden oder schlängeln- den, gewöhnlich ziemlich central im Bindegewebsbündel liegenden. Vielleicht ist es ihre Gegenwart, die die eigenthümlich querge- runzelte Oberfläche einiger Villi bedingt. Auch sonst ist die Oberfläche nicht immer glatt. Man findet sie bisweilen theilweise oder in ihrer ganzen Ausdehnung 322 J. Aug. Hammat: von einem Netzwerk erhabener Fasern bedeekt, ähnlich denen, wie sie an der Oberfläche der Gelenkmembran beschrieben wor- den!) (Taf. XVIIL, Fig. 25 fn). Auch einige andere, von mir angetroffene Bilder dürfen nicht unerwähnt gelassen werden. Den betreffenden Villi (Taf. XVII, Fig. 20) fehlten die Zellen ganz; alle enthielten ein axiales, grobes Bindegewebsbündel (bb). Auf demselben befand sich eine Art dieker Belag oder Scheide (s), die bei einigen Villi fort- dauernd von dem angehefteten bis zu dem freien Ende reichte. Bei anderen war sie stückweise unterbrochen; der Villus war hier schmäler und das centrale Bindegewebsbündel lag entblöst (b/). Die betreffende Scheide hatte bei schwacher Vergrösserung ein körmniges, bei starker ein aufgefasertes, undeutlich schuppiges, oder auf anderen Stellen ein schwach retikuläres Aussehen. Gleichzeitig erwies die benachbarte, freie Oberfläche der Gelenk- membran ein ähnliches Bild. Es scheint mir aus dem Grunde nicht unwahrscheinlich, dass die erwähnte Scheide aus einem eigenthümlich umgestalteten, und aufgefaserten Bindegewebe be- stand ?). Selbstverständlich ist es schwer, eine scharfe Grenze zwi- schen den kleineren, zellenarmen — resp. zellenfreien — Villi und den von der Oberfläche durch Abnutzung losgelösten, früher beschriebenen Strängen zu ziehen. Mir erscheint sogar die Frage berechtigt, ob eine solche Grenze wirklich vorhanden. Da die feineren Stränge aus feineren, losgelösten Bündeln des Binde- gewebes hervorzugehen scheinen, ist es nicht undenkbar, dass (die gröberen, oft sehr kompakten Bindegewebsbündel, die man 1) Solche Bilder hat anscheinend auch Tillmanns angetroffen (Beitr. z. Histol. d. Gelenke). Seine Fig. 21 zeigt eine unverkenn- liche Aehnlichkeit mit meiner Fig. 25, Taf. XVIII. Er sagt von diesen Bildern (l. e. p. 428): „Man sieht dann ein eigenthümliches Netzwerk von Linien auf der Zottenoberfläche, die ich für einen Abdruck des Endothelhäutchens auf der Substanz der Zotte halten muss, Bilder, die man auch sonst nach Entfernung von Endothelien oder Epithelien erhält.“ 2) Eine fibrilläre Textur liess sich in dieser Scheide nicht sieher auffinden. Trotzdem war etwas im Bilde, das an die Fibrillenscheide erinnerte, die Key und Retzius auf einigen Subarachnoidalbalken gefunden haben. (Studien in der Anatomie des Nervensystems und des Bindegewebes. Bd. I, 1875.) Ueber den feineren Bau der Gelenke. 323 hier und da an der inneren Fläche der Gelenkmembran entlang streichen sieht, sich auch im Laufe der Abnutzung loslösen und wenigsten einige der Stränge, die hier als zellenarme Villi be- zeichnet worden, erzeugen können. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVIL, XVII u. XVII. Figeg. 5 und 10, Tafel XVII sind von Herrn L. Ljunggren ge- zeichnet, die übrigen vom Verfasser. Tafel XVI. Verticalsehnitte durch die Gelenkmembran. M. F.-Spiritus; Hämatoxylin und Eosin. Hartn. Oeul. III, hom. Imm. No. I, ausge- zogener Tubus. Fig. 1. Hüftgelenk; Synovialis mit ziemlich spärlichen Zellen; dazwi- schen deutliche Bindegewebszüge; fz = auf der Oberfläche freiliegende Zelle; a= oberflächlicher, knollig angeschwollener Ausläufer; fa —= frei hervorragender Ausläufer. Fig. 2. Schultergelenk; zellenreiche Synovialmembran; längs dem freien Rande zahlreiche, dicht liegende Ausläufer = aa. Fig. 3. Schultergelenk; k = diffus gefärbte Kerne ohne Kernnetz. Fig. 4. Schultergelenk; der zellenärmere Typus; z = eingekapselte Zelle; z/= uneingekapselte Zellen; ak = Aussenkapsel; e = längsgeschnittene und e’= quergeschnittene elastische Fasern. Hüftgelenk. Auf der Oberfläche eine Zellenreihe mit endothel- ähnlicher Anordnung. Diese Zellen sind stark gefärbt, ge- schwollen mit gleichsam angefressenen Konturen. Fig. 6. Kniegelenk. Eine Zellenreihe längs dem inneren Rande; a = Ausläufer. Fig. 7. Hüftgelenk. Die Anordnung der Zellen wie in Fig. 6; a= Ausläufer; fh = Flächenhäutchen. Fig. 8. Hüftgelenk; unregelmässig geformte, stark tingirte, auf der Oberfläche liegende Zellen; die linken adhäriren an der Ober- fläche; nach rechts sind sie mehr freiliegend; blg = blutge- füllte Vene. Fig. 9. Schultergelenk; zv und zv’ = vacuolisirte Zellenkörper; av = vacuolisirte Ausläufer längs dem inneren Rande. Tafel XVII. OÖberflächenbilder der Gelenkmembran (mit Ausnahme der Fig. 4 von der Bursa praepat. subeut. und der Fig. 11 von einer Sehnenscheide. Fig. 1. Schultergelenk; r = die dünne Randpartie des Schnittes; diese besteht aus einem Flächenhäutchen mit Zellenfortsätzen, Einige [Bf Fig. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 8. Fig. 10. J. Aug. Hammar: der letztgenannten haben Vacuolen=v. Die rechte Hälfte des Schnittes ist dieker und zeigt sowohl Zellen als Ausläufer. M. F.-Spiritus; Hämatoxylin und Eosin. Hartn. Oc. III, Hom. Imm. No. I, ausgezogener Tubus. Hüftgelenk; oberflächliche Synovialiszellen, die meisten = z sind reichlich verzweigt; z’/, z”, z’’= Zellen mit stärker ge- färbtem Protoplasma, z’ und z” ohne Ausläufer, mit Vacuolen; z’! mit einem kurzen, angeschwollenen Ausläufer; der Kern zeigt in z’ einige glänzende Körnchen, ist übrigens structur- los, diffus lichtblau gefärbt; in z’ ist der Kern völlig struetur- los, übrigens wie in z‘. Fixirung, Färbung und Vergrösserung wie die vorige. Schultergelenk; oberflächliehe Synovialiszellen mit zahlreichen Vaceuolen =v; a = knollig angeschwollener, stark tingirter Ausläufer. Fixirung, Färbung und Vergrösserung wie in Fig. 1 dieser Tafel. Bursa praepatellaris subeutanea; hautartige, von Ausläufern theilweise reichlich gefranzte Zellen. Sublimatfixirung; Fär- bung und Vergrösserung wie in Fig. 1 dieser Tafel. Kniegelenk; oberflächliche und tiefe Silberzeichnungen; t = die tiefe Silberzeichnung mit kernhaltigen Zellenkörpern; ob=die oberflächliche mit einer Aderung von Ausläufern nebst einzelnen, kernhaltigen Zellen. Silbersalpeter 1/,0%/,, Hä- matoxylin. Hartn. Oc. III, Obj. 7, eingeschobener Tubus. Schultergelenk; der zellenärmere Typus der Gelenkmembran; Zellen (=z) mit kurzen Ausläufern (=a) in dieken Aussen- kapseln (= ak) eingeschlossen. Fixirung, Färbung und Ver- grösserung wie in Fig. 1 dieser Tafel. Schultergelenk; Randzone der Gelenkmembran; der zellen- ärmere Typus mit verzweigten, uneingekapselten Zellen in reihenweiser Anordnung. M. F.-Spiritus, Hämatoxylin und Eosin. Hartn. Oc. III, Obj. 7, ausgezogener Tubus. Schultergelenk; der zellenärmere Typus. Mehrere Formen von eingekapselten Zellen; zZ’ =mit nur Aussenkapseln ver- sehene Zellen; z= von Innenkapseln (=ik) und Aussenkap- seln (=ak) eingeschlossene Zellen; a= Zellenausläufer von je einer Verlängerung der Aussenkapsel umgeben; a’k’ = kompakter, strangartiger Fortsatz der Aussenkapsel. Fixirung etc. wie in Fig. 1 dieser Tafel. Der zellenärmere Typus der Gelenkmembran; z = verzweigte Zellen; z’— Zellen ohne (sichtbare) Ausläufer; ak = kompakte Aussenkapsel mit Fortsätzen =a’k‘; fn = Flächennetz; fs = vom Netz ausgehende Stränge. Fixirung etc. wiein Fig. 1 dieser Tafel. Kniegelenk; oberflächliche und tiefe Silberzeichnungen. Die Abbildung, welche an zwei verschiedenen Einstellungen aus- „ geführt ist, lässt die tiefere Silberzeichnung (=t) durch die Fig. 11. Rice. 1 © Ueber den feineren Bau der Gelenke. 325 oberflächliche (= ob) hervorleuchten. Erstere mit ihren ziem- lich regelmässig polygonalen Feldern ist im untersten Theil des Bildes (-t/) allein ausgeführt. Die oberflächliche Zeichnung ist etwas endothelähnlich mit schwarzen Linien, welche Felder von wechselnder Form und Grösse abgrenzen. Silbersalpeter 1/,%,; Hartn. Oe. IH, Obj. 7, eingeschobener Tubus. Flächenbild der Sehnenscheide des M. flex. Hall. long.; | grössere Lücken mit aufgerolltem Rande r). Präparirung etc. wie in Fig. 1 dieser Tafel. Tafel XVII. von der Sehnenscheide, Fieg. 2 und 5 von der Gelenkmembran einer Kuh. Zellengruppen des Fig. alle zellenärmeren Typus; k = unregelmässig geformte, diffus ge- färbte Kerne, mehrere davon ragen aus dem Zellenkörper (= zk) theilweise frei hervor; k’= Kerne, deren eine Hälfte homogen gefärbt und strangähnlich ist, deren andere Hälfte eine Kernstructur besitzt; k” = homogen gefärbte Kerne mehr rundlicher Form. Flemming’s Flüssigkeit; Ehrlich’s Häma- toxylin. Hartn. Oe. III, Hom. Imm. No. I, ausgezog. Tubus. Gelenkmembran einer Kuh; Zellen mit vacuolisirten Kernen — k;in ce hat der Zellenkörper auch einen grossen Vacuole (= v). Fixirung etc. wie in Fig. 1 dieser Tafel. ‚9. 5—8. Einzelne Zellen derselben Art wie in Fig. 1 dieser Tafel mit derselben Buchstabenbezeichnung wie da; Fig. 8 von der Gelenkmembran eines Hundes, die Andere von einer Kuh. Fixirung ete. wie in Fig. 1 dieser Tafel. ‘co. 9 und 10. Chromatolytisch veränderte Kerne der Gelenkmembran einer Kuh. Fixirung etc. wie in Fig. 1 dieser Tafel. Gelenkmembran eines Hundes; eingeschnürter Kern von der Randzone. Fixirung ete. wie in Fig. 1 dieser Tafel. . 12 und 13. Von der Oberfläche des Gelenkknorpels einer Kuh. 14. Fig. 12 —= homogen gefärbte, zackige Kerne. Fig. 13a = un- veränderter Kern; b=Kern mit Kernnetz und gefärbtem Kernsafte; e—= chromatolytisch veränderter Kern. Fixirung ete. wie in Fig. 1 dieser Tafel. Articulatio metatarso-phal. prim. Oberfläche eines zellenarmen Theils der Gelenkmembran. M. F.-Spiritus; Hämatoxylin, Eosin. Bei Hartn. Oc. III, Hom. Imm. No. I in halber Grösse gezeichnet. Theil einer zellenarmen Zotte mit drei von Aussenkapseln (= ak) umschlossenen, verzweigten Zellen; e = elastische Faser. M. F.-Spiritus; Hämatoxylin; Eosin. Hartn. Oc. IH, Obj. 7, ausgezogener Tubus. 16 und 17. Oberflächlich liegende elastische Fasern der Bursa praepatellaris; k = körnig zerfallender Zweig. M. F.-Spiritus; Hämatoxylin; Eosin. Hartn. Oe. II, Hom. Imm. No. TI, aus- gezogener Tubus. Fig. Fig. Fig. Ko” J. Aug. Hammar: Ueber den feineren Bau der Gelenke. 18. 6) g. 20. 21. 22. Der treie Rand einer dünnen Synovialfalte mit davon aus- gehenden Zotten verschiedener Länge; v=kleine knospen- ähnliche Zotten ohne Zellen; b = oberflächlich liegender Binde- gewebsstrang, theilweise von Synovialiszellen unbedeckt (= b/); e—Zellen mit „epithelioider“ Anordnung; a=von solchen Zellen ausgehende Ausläufer. Fixirung und Färbung wie in Fig. 16. Hartn. Oc. III, Obj. 4, eingeschobener Tubus. Die in voriger Figur mit v bezeichneten Zotten. Durch die schmalen Stiele dringen die Zellenfortsätze (= a) in die übri- gens fast homogenen Zotten hinein. Der mittlere Villus ist mit zahlreichen, tropfenähnlichen, schwach glänzenden Körnern unbekannter Art übersäet:. Hartn. Oc. III, Hom. Imm. No. I, ausgezogener Tubus. Endstück einer verzweigten Zotte mit einem axialen Binde- gewebsstrang, der bei b’ nackt, bei b von einer körnigen, stückweise undeutlich reticulirten Scheide (= s) eingeschlossen ist. Fixirung und Färbung wie in Fig. 16. Hartn. Oe. III, Obj. 7, ausgezogener Tubus. Verzweigte Zotte; b= axial verlaufender Bindegewebsstrang, bei b’ freihervorragend. Fixirung und Färbung wie in Fig. 16. Hartn. Oec. III, Obj. 4, eingeschobener Tubus. Kleiner, direkt von der Oberfläche (= ob) der Synovialmem- bran ausgehender Villus mit spärlichen, deutlich verzweigten Zellen; a = Zellenausläufer; f—= warzenähnliche Hervorbuch- tung der Zottenoberfläche in deren Innerem ein Ausläufer sichtbar ist. Fixirung ete. wie in Fig. 16. Endstück einer verzweigten Zotte; x—=gröberer Theil der Zotte; die Zellen sind hier zahlreich, „epithelioid*; die Aus- läufer (=a) liegen meistens oberflächlicher als die Zellen- körper, nur wenige sind in der Abbildung sichtbar; b = aus- grehender, zellenarmer Bindegewebsstrang; xx und xxx —=kleine Sekundärzotten mit deutlich verzweigten Zellen; f= warzen- ähnliche Hervorbuchtung der Oberfläche mit einliegendem Ausläufer. Fixirung etc. wie in Fig. 16 dieser Tafel. fn = Flächennetz mitdavon ausgehendem Flächensstrang (= fS), der an der Base streifig, an dem freien Ende homogen und etwas knollig angeschwollen ist. Fixirung etc. wie in Fig. 15. Zellenfreier Villus; fn = oberflächliches Netz mit reliefartig er- habenen Fasern; o = optische Durchschnittsfläche, eine feine elastische Faser (=el) zeigend. Fixirung etc. wie in Fig. 19. Kleines zottenartiges Gebilde mit streifiger Basis (=b) von der Oberfläche ausgehend; das freie Ende (= a) ist mehr homo- gen; z= eine eingeschlossene verzweigte Zelle. Fixirung und Färbung wie in Fig. 16 dieser Tafel. Hartn. Oc. III, Hom. Imm. No. I, eingeschobener Tubus. 327 (Aus dem II. anatom!schen Institut zu Berlin.) Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. Von Dr. Peter. Hierzu Tafel XIX, XX, XXI und 1 Holzschnitt. Nach der alten, noch gebräuchliehen Eintheilung unter- scheidet man an dem Verbindungsrohre zwischen Rachen- und Paukenhöhle, mit welchem die drei obersten Wirbelthierklassen versehen sind, drei Theile: 1. Enen knorpeligen Theil mit der dazu gehörigen Muskulatur, 2. einen knöchernen Theil, der jedoch einen Absehnitt der Paukenhöhle bildet, und 3. die, die beiden ersten Theile überkleidende Mueosa und Submueosa. Für diese Bestandtheile der Tuba Eusta- chiana, hat man die Bezeichnung knorpelige, bezw. knöcherne, bezw. häutige Tube in die Literatur eingeführt. Bei den verschiedenen Thieren besitzen zwar diese Einzel- gebilde der Ohrtrompete nach Form und Anordnung grosse Ver- wandtschaft untereinander, ihre feineren Formdifferenzen sind aber oft so charakteristisch, dass aus dem Querschnitt der Ohr- trompete das Thier, welchem dieselbe entnommen ist, bestimmt werden kann (Rüdinger).. Man hat diese morphologischen Unterschiede erst bei einer verhältnissmässig geringen Anzahl von Thieren erforscht. Namentlich sind meines Wissens die Tubenanhänge, die sich bei verschiedenen Familien vor- finden, noch nie Gegenstand einer genügend vergleichenden Be- trachtung, sowohl in morphologischer, wie in histiologischer Hinsicht gewesen. Ich habe nun bei einer Reihe von Thieren 328 Pieter: die mit Anhängen ausgestatteten Tuben genauer untersucht und will im Folgenden die eigenartigen Verhältnisse, auf die ich da- bei stiess, näher beleuchten. Da die Tubenanhänge beim Pferde am vollkommensten ent- wickelt sind, beginne ich mit ihm meine Darstellung. Equus eaballus. Trotzdem die Ohrtrompete vor nunmehr 332 Jahren (1562) zum ersten Male von dem römischen Arzte Bartholomaeus Eustachius!) beschrieben wurde, hat man sie erst in dem letzten Vierteljahrhundert beim Menschen und bei den Thieren einge- hender studirt (Rüdinger, Zuekerkandl, Moos, Urban- tschitsch, Zaufal, Tröltseh, Lucae, v. Kostanecki u. A.). Wie es in der Natur der Sache lag, ist die Pferdetube zuerst in der Veterinär-Literatur erwähnt worden. Noch heutigen Tags findet man hier jedoch nur kurze Angaben, welche eine unzureichende Vorstellung von der Beschaffenheit dieses Organs geben. Durch Rüdingers?) Monographie wird diese Lücke auch nicht ausgefüllt, wenngleich daselbst die Pferdetube speziellere Berücksichtigung erfährt. Die Eustachische Röhre des Pferdes nimmt im mehreren 3eziehungen zu der anderer Thiere eine gesonderte Stellung ein. Der Tubenknorpel entspricht in seinen groben Um- rissen der jetzt allgemein anerkannten Grundform, nämlich einer langgestreekten, mit seiner oberen Kante gegen die Medianebene des Kopfes mehr oder weniger geneigten Platte, deren oberer kand lateralwärts umgebogen ist. In Folge der Einrollung hat die Knorpelplatte auf dem Querschnitt ein hakenförmiges Aus- sehen, und man unterscheidet deshalb einen Tubenhaken, eine mediale und eine laterale Lamelle oder Lippe. Die knorpelige Tube des Pferdes hat in situ eine Länge von 11—12cm. Etwa 1cm hinter der Oeffnung hat der Tuben- knorpel die grösste Ausdehnung in dorso-ventraler Richtung (Höhe) gleich 4—4,75 em (vgl. Fig. a, 7). Diese Stelle bezeichnet 1) Opuscula anatomica. De auditus organo, Roma MDLAXI. 2) Beitrag zur vergleichenden Anatomie der Ohrtrompete,. 1870. Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 329 das Auftreten des Tubenhakens und damit den Beginn der late- ralen Lamelle. Beide Lippen verändern nun in ihrem Verlaufe nach oben, aussen und hinten gegen das Tympanieum ihre Höhe derart, dass die mediale schnell ab-, die laterale langsam zunimmt. In der Mitte der Eustachischen Röhre stehen die Lamellen auf der gleichen Höhe von 8,5 mm, welche weiter tympanalwärts = gleichmässig auf 4mm herab- sinkt (Fig. a, 1—7). An dieser Stelle hat der me- diale Knorpel eine Dicke von 5mm und verdünnt sich von hier bis zum Rachen auf 1,5 mm, während die laterale Lamelle durehweg ihre Stärke von etwa I mm bewahrt. med.Tk. Th. Die Mündung der Tube in die Paukenhöhle ist trichter- förmig, jedoch senkrecht zusam- mengedrückt, so dass sie mehr eine trichterförmige Spalte dar- stellt, deren grösste Ausdehnung in transversaler Richtung liegt und 3,6 mm beträgt, während SUTIAUME die Höhe 2,1 mm misst. Ein NEIN 3 . wulstiger Vorsprung des oberen —-— Spaltrandes deutet eine laterale kleinere und eime mediale grös- sere Abtheilung an. In der la- teralen steht die Eustachische Röhre mit der Paukenhöhle in direkter Verbindung. Die knö- ceherne Tube ist ein vollstän- dig geschlossener Ring, an des- sen rauhem Rande sich der Knorpel ansetzt. Lateral ist med.A. der Ring etwas breiter. Er geht hier in den verhältnissmässig langen und starken (15mm resp. 2,75 mm) Griffelfortsatz der Paukenhöhle über, welcher die schwache laterale Lippe 330 Peter: stützt und verbreitert und dem oberen Abschnitt der Röhre feste Anheftung bietet (Fig. a, 1 Pr. st.). In der Verlängerung des Griffelfortsatzes liegt am Rande dieser Lippe, im Bindegewebe eingebettet, ein aceessorischer Knorpel von 1,6mm Höhe und O0,4mm Dieke, sowie mehrere sogenannte Knorpelinseln. Sie treten besonders deutlich auf Schnitten hervor, die mit Hämatoxylin gefärbt sind. Accessorische Tubenknorpel sind beim Menschen und bei den Thieren mehrfach gefunden und von den Autoren!) als Sesamknorpel bezeichnet worden. Der Name ist deshalb ganz passend, weil die Knorpel in die Insertion der Tubenmuskulatur eingeschaltet sind. Die Muskeln der Tube verhalten sich beim Pferde ganz abweichend von denen des Menschen und der grössten Zahl der Thiere. Der M. levator veli palatini, welcher fast allgemein am Tubenboden zu finden ist, ist hier weiter nach aussen gerückt, so dass er medial vom M. tensor veli palatini am lateralen Tubenknorpel inserirt und seine Masse unmittelbar gegen diesen und den Ursprung der häutigen Tube lagert (Fig. a, 4—7). Durch die genannten Muskeln erhält also die laterale Wand der Tube ihre Ergänzung. An die Tubenrachenmündung heften sich ferner oberflächlich verlaufende Muskelbündel von eigenthüm- lichem Ursprung an. Dieselben sind in ihrer Gesammtheit von v. Kostanecki?) Pars palato-salpingo-pharyngea genannt worden und bilden phylogenetisch emen Theil des M. palato- pharyngeus. Die Muskelpartie zerfällt in eine Muskelschieht von geringerer Ausdehnung, welche lateral an den Haken, und eine ziemlich scharf abgesetzte grössere Portion, welche medial an den muschelartigen Abschnitt des Knorpels tritt (Fig. 1, m. s. ph.) ?). Letztere ist als Homologon des M. salpingo-pharyngeus h. zu betrachten. Das Lumen der Tuba ist am Uebergang in die Pauken- höhle ein steeknadelstarker Kanal, welcher sich rachenwärts be- 1) Moos’ Beitrag zur normalen und pathologischen Anatomie und zur Physiologie der Eustachischen Röhre. Wiesbaden 1874. 2) Zur Morphologie der Tubenmuskulatur. Archiv f. Anatomie u. Physiologie. 1891. 3) Die Muskelportion ist in der Abbildung noch von der Rachen- schleimhaut bedeckt. Die Ohrtrompeten der Säusethiere und ihre Anhänge. 331 j R 8 sonders dureh Wölbung des medialen Knorpels mächtig erweitert. Derselbe bildet 3cm vor der Mündung eine muschelartige Aus- buchtung und erhöht hier die Tubenweite auf das beträchtliche Mass von lem im Mittel (Fig. a, 7). Durch rasche Ab-' flachung gegen die Rachenmündung hin nimmt alsdann der Knorpel die Gestalt einer ebenen Platte an. Dieser vorderste, in den Schlundkopf hinemragende Abschnitt der knorpeligen Tube des Pferdes wird mit dem Namen „Decekklappe“ bezeichnet. Die- selbe dient zum Verschliessen des Ostium pharyngeum. Die laterale Begrenzung der spaltförmigen Oeffnung bildet die Rachenwand. Die Schleimhaut derselben ist im un- teren Winkel der Spalte locker und in starke Längsfalten von 0,5—1lmm Höhe gelegt, während sie nach dem oberen Winkel hin glatt wird. Die Entfernung zwischen dem oberen und unteren Winkel, also die Gesammthöhe in der Rachenmündung zeigt, je nach der Grösse der Individuen, einen bemerkenswerthen Unterschied. Bei einer fünfjährigen, grossen Stute ergab die Messung Tem, bei einer 16 Jahre alten, mittelgrossen Hakenstute nur 4cm. Diese beträchtliche Höhe kommt zu Stande durch das Verhalten des M. salpingo-pharyngeus. Derselbe inserirt an der medialen Fläche des Knorpels und hebt sich in seinem Verlaufe nach dem Schlund- kopf aus der Seitenwand des Rachens etwas heraus (vergl. später). Auf diese Weise wird eine Falte gebildet, welche die Tubenspalte an der Rachenmündung um 1—1,5 em höher erscheinen lässt. In den angegebenen Fäfen beträgt sie in Wirklichkeit nur 5,6 bezw. 53cm. Der mediale Knorpel deckt demnach an dieser Stelle im Gegensatz zu dem anderer Thiere das Lumen nicht vollständig. Soweit dieser die mediale Begrenzung der Oeffnung bildet, ist sein Rand scharf und kaum 1 mm stark. Derselbe wird straff von der Schleimhaut überzogen. Die von hier nach dem unteren Winkel hinziehende Falte verstärkt sich allmählich bis auf 2,25 mm. Die Schleimhaut sitzt in diesem Abschnitt wegen ihrer Muskelun- terlage nur sehr locker auf. Der Verlauf des ganzen Randes vom Nasenrachenraum bis in die Höhe des Kehlkopfs bildet eine schwach S-förmig gewundene Linie (Fig. 1. ©. ph.). Der obere Winkel der Spaltöffnung fällt vor, der untere hinter eme durch beide laterale Augenwinkel gelegte Frontalebene. Die Mündungen beider Tuben liegen symmetrisch in den 332 Peter: seitlichen Wänden des Pharynx, genau in der Verlängerung der unteren Nasengänge und bei grossen Pferden in einer Entfernung von ca. Tem vom hinteren Rande des, harten Gaumens. Diese Lage und die Geräumigkeit der Tubenmündungen gestatten ziemlich leicht von den unteren Nasenöffnungen aus die Einführung eines geeigneten Katheters. Auch folgt aus der ana- tomischen Beschreibung, dass die Katheterisirung am sichersten im unteren Winkel vorgenommen werden kann. Der Abstand der Rachenöffnungen von emander ist nahezu gleich der Höhe jeder Mündung. Zwischen beiden liegt der obere Theil der hinteren Rachenwand. Dieselbe hat hier beim Pferde bis zur Schädelbasis hin keine muskulöse Grundlage, son- dern wird nur von der Rachenfaseie und Schleimhaut gebildet. Man bezeichnet diese blindsackartige Abtheilung als Rachenge- wölbe (Fornix pharyngis). In der Rachenschleimhaut zwischen den Tubenmündungen lagern mehr oder weniger deutliche, bis hirsekorngrosse Follikel, welehe in ihrer Gesammtheit den Namen Pharynxtonsille!) erhalten haben. Rüdinger?) hat behauptet, dass die Rachenmündung der Pferdetube im Gegensatz zu der des Menschen und der Mehrzahl der Thiere ?) beständig offen stehe. Da diese Frage nach der Literatur keiner weiteren Prüfung unterzogen worden ist, und ihre Entscheidung für die Physiologie der Ohrtrompete des Pferdes und deren Anhang von Bedeutung ist, möchte ich hier Einiges anführen, was gegen die Ansicht Rüdingers spricht. I Von den zahlreichen Kadavern, welche zu diesem Zweck untersucht wurden, fanden sich nur bei einem einzigen die Rachen- mündungen offen, und zwar war dies ein nicht mehr frisches Prä- parat. Bei allen übrigen Objekten waren sie geschlossen. Die anatomische Beschaffenheit des Pharynxabschnittes lässt auch gar keine andere Deutung zu. Durch die Adhäsion der einander innig berührenden Schleimhautflächen wird schon ein guter Verschluss hergestellt; 1) Franck, Handbuch der Anatomie der Haussäugethiere. 1870. S. 508. 2) Beitrag zur vergleichenden Anatomie der ÖOhrtrompete. 1870. 3) Ausnahme machen die Cetaceen. Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 339 derselbe erfährt nach meiner Meinung noch eine beträchtliche Steigerung durch die elastische Spannung, unter welcher das untere Tubenende in die Seitenwand des Pharynx eingepflanzt ist. Die ausgeschnittene Tube ist daselbst immer mehrere Milli- ıeter schmäler als in situ. Die Deckklappe des Knorpels wirkt in Folge der muschelartigen Krümmung wie eine Feder auf die Schleimhaut. Das Vorhandensein der Spannung kann man durch Abheben der Knorpelplatte von der Wand ceonstatiren; sie schnellt beim Loslassen in ihre frühere Lage zurück. Zuverlässiger beweist den luftdichten Abschluss der Eu- stachischen Röhre der folgende Versuch: Links oder rechts von der Mittellinie eines frischen Pferde- kopfes wird ein Sagittalschnitt angelegt, so dass an der entgegen- gesetzten Seite der Tubenanhang unverletzt bleibt. In denselben wird ein Troikar eingestossen und durch dessen Hülse Luft ein- geblasen. Trotz des nunmehr, innerhalb des Tubenanhangs und und der mit ihm zusammenhängenden Tube, gesteigerten Lutft- druckes, dessen Grösse durch den Maximalwiderstand der häutigen Wandungen gegeben ist, entweicht keine Spur von Luft durch die Rachenmündung der Tube, wie man durch Vorhalten einer Flaumfeder constatiren kann. Hiermit dürfte die Memung Rüdingers, welche auch Zuekerkandl!) vertritt, widerlegt sen. Die Eustachi- sche Röhre des Pferdes nimmt also in Bezug auf das Verhalten ihrer Rachenmündung im Ruhezu- stande durchaus keine Sonderstellung cin. Sie weicht insbesondere nicht von der Tuba des Tapirs ab, bei wel- cher auch alle anderen Verhältnisse homolog denen des Pferdes liegen, wie weiter unten gezeigt werden soll. Der feinere Bau des im Querschnitt auffallend wech- selnden Tubenknorpels ist diesem Wechsel entsprechend ver- schieden. Makroskopisch lässt sich auf Querschnitten schon er- kennen, dass der Knorpel da, wo er eine platte Form hat, in den unteren zwei Dritteln der medialen und der ganzen lateralen Lippe, einen continuirlichen Zusammenhang besitzt. In der cen- tralen Schicht der platten Theile liegen die Knorpelzellen dünn. 1) Ueber die Ohrtrompete des Tapirs und Rhinoceros. Archiv für Ohrenheilkunde. Bd. XXI. 1855. 334 Peter: Die Grundsubstanz ist hier reich an netzförmig ver- flocehtenen elastischen Fasern. In den peripherischen Schichten sind die Knorpelzellen durch wenig Zwischengewebe getrennt. Dagegen zeigt das auf dem Querschnitt zuerst drei- eckige und dann rundliche tympanale Drittel des medialen Knor- pels in der Grundsubstanz zahlreiche Zerklüftungen. Diese treten auf, sobald die mediale Platte die Dieke von 1,5 mm überschreitet und befinden sich in demjenigen lockeren Bindegewebe, welches, mit dem Periehondrium zusammenhängend, innerhalb des Knor- pels befindliche Lücken ausfüllt. Inmitten dieser Bindegewebs- lager befinden sich an Stellen, wo die unregelmässig gestalteten Zerklüftungen fehlen, runde Oeffnungen, die Gefässdurehschnitten ähnlich sehen, sich jedoch nieht in jedem Falle als Gefässe er- kennen lassen. Im Knorpel des neugeborenen Thieres fehlen die Lücken. Der Luftsack. Die häutige Tube entwickelt sich zu einer mächtigen Aus- sackung, welcher der Name „Luftsack“ beigelegt worden ist. Dies ist eine ganz allgemeine, weder anatomisch noch physio- logisch eharakterisirende Bezeichnung. Die Franzosen haben die beiden Säcke „poches gutturales“ benannt, eine Bezeichnung, die nieht zutreffend ist, da sie Anhangsorgane der Ohrtrompete sind und zum Rachen in keiner anatomischen oder funktionellen Beziehung stehen. In Anbetracht dessen gebe ich dem indifferen- ten Namen Luftsack den Vorzug, bis nähere Aufschlüsse über die Funktion eine rationelle Bezeichnung gestatten. Nach Peuch!) ist der Luftsack zuerst von Chabert und Feugre im Jahre 1779 beschrieben worden. Die Luftsäcke riefen bei den Thierärzten insofern ein erhöhtes Interesse hervor, als sie öfter der Sitz gewisser Krankheiten sind. Da diese für gewöhnlich eine operative Behandlung erfordern, musste man die Topographie der Luftsackregion frühzeitig studiren. Dieses Stu- dium beschränkte sich aber vorwiegend auf die für die Operation 1) Dietionaire pratique de medeeine, de chirurgie ete. veteri- naires par Bouley et Renault. Vol. IX, p. 650. Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 335 nothwendigen Kenntnisse. Unterlassen hat man insbesondere, sich einen richtigen Begriff von der Form der Luftsäcke des Pferdes zu verschaffen. Ich bemühte mich daher, zunächst festzustellen, ob die Höhlenbildung immer in bestimmter charakte- ristiseher Form auftritt, und ob diese eventuell einen Anhalt für die bisher noch zweifelhafte Funktion der Luftsäcke bietet. In der deutschen Veterinär-Literatur wird betreffs der aufgestellten Fragen etwa Folgendes berichtet: Die Luftsäcke sind enorme Schleimhautausstülpungen der Ohrtrompeten, welche in der Parotisgegend liegen, theils in der Medianebene des Pferdes aneinanderstossen, theils die angrenzenden Muskeln und Drüsen gleichsam „austapeziren“ und die benach- barten Gefässe und Nerven durch Duplikaturenbildung einschliessen. Ferner wird angegeben, dass diese Schleimhautsäcke vorn an die Schädelbasis grenzen, unten die hintere Rachenwand überziehen, hinten den Atlas und oben den äusseren Gehörgang erreichen. Im aufgeblasenen Zustande sollen sie die Grösse eines Kinds- kopfes haben. Ausführlichere Beachtung wird den Rachentaschen von Seiten der Franzosen zu Theil. Lecoegq') gibt schon ziemlich genau den Inhalt jeder Tasche auf 350—400 cem an. Lavocat?) schätzt ihn auf rund 4 Deciliter, da auf Grund der Ausdehnungsfähigkeit die Capacität wechsele. Derselbe Autor theilt die Säcke nach drei Gegenden ein: a. Intermaxillar-, b. Ohrdrüsenregion, c. hinterer Theil. Dabei werden Muskeln, Nerven und Gefässe jeder Gegend aufgezählt, jedoch ohne nähere Angaben ihres Verlaufs und ihrer Beziehungen zu den Säcken. Diese Eintheilung ist den Formverhältnissen der Anhänge durchaus nicht entsprechend. Sie würde ihre Berechtigung haben, wenn man es mit einfachen, in den genannten Regionen liegenden Höhlen zu thun hätte, eine Vorstellung, welche allerdings die Autoren bis jetzt beherrscht hat. Die Bezeichnung „hinterer Theil“ für die dritte Region ist zu unbestimmt. 1) Dietionaire d’Hurtel et d’ecole veterinaire de Lyon. Dict. pra- tique de medecine etc. 2)Chauveau, Trait& d’anatomie comparce des animaux domesti- ques. 1890. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 22 336 Peter: Der Italiener Perosino') hat 1879 eine kleine Mono- graphie über Anatomie und Physiologie der Luftsäcke veröffent- licht, ohne in topographisch-anatomischer Beziehung etwas Neues zu bringen. Seine Untersuchungen waren besonders auf Erforschung der Funktion dieser Organe gerichtet. Hiervon soll zuletzt die Rede sein. P. gebraucht neben den oben angeführten Namen noch die Bezeichnung „delle saeeocecie acree gutturali*, „Rachenluftsäcke*, also eine Combination der ersten Benennungen. Mit dieser Wort- vereinigung ist selbstverständlich noch nichts Besseres erreicht. Ehe ich mich meinen Untersuchungen zuwende, muss noch bemerkt werden, dass Rüdinger?) den Verlauf der sich aus der Tube hervorstülpenden Schleimhaut im Wesentlichen zu- treffend gekennzeichnet hat: Die Schleimhaut schlägt sich nach seinen Angaben um den unteren Rand der Knorpelplatte, steigt an der medialen Fläche dieser bis zur Schädelbasis empor und kehrt dann weiter als Sack, dicht an den lateralen Muskeln vor- beistreichend, in die Tubaspalte zurück (vgl. Fig. a, 4—6). Die Form des Luftsackes ist aber auch in dieser eingehenderen Schil- derung nieht aufgeklärt worden, und von der Grösse wird ganz zutreffend bemerkt, dass sie theilweise vom Zufalle bei Darstellung der Präparate abhängig sei. Wenn man nämlich nach der üblichen Präparationsmethode den Unterkiefer auslöst, so kann man bei vorsichtigem Präpariren die aussen anliegenden und mit den Säcken nur locker verbun- denen Muskeln und Drüsen abheben und entfernen, ohne den Sack der betreffenden Seite zu zerstören. Die freigelegte Wandung desselben erscheint dann zwischen den Blutgefässen und Nerven als dünne, durehsichtige und sehr elastische Membran, welche beim Einblasen von Luft durch die Rachenöffnung der Tube, blasig hervorquillt. Diese Membran, im Besonderen also die la- terale Wand des Sackes, zeigt bei so starker Luftfüllung jedoch nieht ihr natürliches Gepräge, da die Nachbarschaft, welche ihr dasselbe sozusagen aufdrückte, beseitigt ist. Die Wandung fällt in Falten zusammen, sobald die eingeblasene Luft wieder aus- geströmt ist. 1) Di nuovo sull’ anatomia e sulla fisiologia delle saccoccie acree gutturali dei solipedi. 1879. 2)" 20): Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 337 Um ein möglichst naturgetreues Bild von der Grösse, den Formverhältnissen und den hieraus resultirenden Lagebeziehungen der Luftsäcke zu den benachbarten Organen zu erhalten, habe ich ohne Störung ihres Zusammenhanges mit der Nachbarschaft, Ausgüsse derselben herzustellen versucht. Die ersten Versuche wurden mit einem gefrorenen Pferde- kopfe angestellt. Derselbe wurde durch einen Frontalschnitt in der Richtung des hinteren Unterkieferrandes in 2 Theile zerlegt, sodass der eine zwei vordere, der andere zwei hintere Luftsack- abschnitte aufwies. Diese wurden bis zum oberen Rande mit Gyps ausgefüllt. Nach dem Erstarren desselben und dem Auf- thauen der Objekte wurden die einzelnen Theile aus den Höhlen herausgenommen, und die entsprechenden vorderen und hinteren Abschnitte jeder Seite zu einem Ganzen vereinigt. Die in dieser Art gewonnenen Ausgüsse zeigten deutlich, dass die Luftsäcke ganz eigenartige Höhlen darstellen. Die Gypsausgüsse konnten jedoch bei Berücksichtigung der Herstellungsmethode nicht der beim lebenden Pferde bestehenden Form und Grösse entsprechen, weil nach dem Tode des Thieres die Luftsäcke etwas zusammenfallen und Falten entstehen, die am gefrorenen Objekt stärker hervortreten. Zudem bot das Ausschälen der Stücke trotz grösster Vor- sicht ziemliche Schwierigkeiten, da der Gyps leicht zerbröckelte. Die Unvollkommenheit der Methode drängte zur Aufsuchung eines anderen Verfahrens. Es erschien vor Allem wünschenswerth, Ausgüsse von nicht gefrorenen Köpfen zu gewinnen. Dies gelang nach einigen Misserfolgen in befriedigender Weise unter Verwendung von Baumwachs als Ausgussmaterial. Das Präparat bedarf folgender Zubereitung: Der Pferdekopf bleibt von der Haut bedeckt und im Zusammenhange mit dem 1. und 2. Halswirbel. Mit der Säge legt man senkrecht zur Stirn und in einer Linie, welche die beiden lateralen Augenwinkel verbindet, einen Transversalschnitt durch den Kopf. Der Schnitt trifft gerade auf die Rachenmündungen der Eustachischen Röhren, wie oben erwähnt. Der zusammenhängende Kopf-Halsabschnitt kommt nunmehr in ein Wasserbad von ca. 70° ©. Die Säge- schnittfläche bleibt etwas über dem Wasserspiegel hervorstehen, damit man das Ausgiessen durch die Ohrtrompeten bewerkstelligen kann. Hierzu hebt man die Deckklappen derselben von der N] 2 D to Peter: Schlundkopfwand ab und vereinigt beide in der Mittellinie durch eine Naht oder mittels einer kleinen Klemmpincette. Die Mündungen der Ohrtrompeten stehen jetzt offen und bieten so unbehinderte Ein- gussöffnungen in die Luftsäcke dar. Um ein Missrathen der Aus- güsse gänzlich auszuschliessen, ist es sehr empfehlenswerth, der dureh die Ausgussmasse verdrängten Luft einen besonderen Ab- zug zu verschaffen. Dies geschieht am zweckmässigsten durch triehterförmige Ausschnitte in die Mm. pterygoidei int. an der Aussenseite der grossen Zungenbeinhörner entlang. Auf diesem Wege werden, wie sich gleich zeigen wird, bestimmte Abthei- lungen der Luftsäcke angetroffen. Nach ca. 2 Stunden ist das Präparat genügend durehwärmt, sodass das Erstarren des ver- flüssigten Wachses während der Manipulation hintangehalten wird. In beide Luftsäcke muss gleichzeitig eine möglichst gleiche Menge Wachs eingegossen werden, da dieselben in der Mittellinie auf einem gewissen Bezirke mit ihren membranösen, leicht verschiebbaren Wandungen aneinander stossen. In ein- facher Weise lässt sich dies dadurch erreichen, dass man beide Tubaröffnungen mit einem fingerdicken Gypswall umgiebt und über die Vereinigungssielle der Knorpel eine Gypsbrücke mit einem nach oben ragenden scharfen Rande hinweglegt. Richtet man den Flüssigkeitsstrahl genau auf diesen Rand, so theilt sich die Menge für beide Säcke so gleiehmässig ab, dass ihr Niveau im Innern derselben ebenmässig ansteigt, und die weiche Scheide- wand ihre natürliche Lage behält. Es wird so lange von dem seschmolzenen Wachs hinzugegossen, bis die ausserhalb der Säcke liegenden trichterförmigen Oeffnungen und der Gypsring dauernd angefüllt bleiben. Sobald das Baumwachs erstarrt ist, lassen sich die Ausgüsse ohne Schwierigkeiten freilegen. Nach Entfernung des Unterkiefers, der beiden Halswirbel, aller anliegenden weichen Gewebe und schliesslich der Luftsackmembran selbst, haften die Wachsausgüsse noch an der Schädelbasis, wo sie der Felsenbein- gegend und dem Hinterhauptsbein innig anliegen; insbesondere aber werden sie durch die grossen Zungenbeinhörner in der Lage erhalten. Dieses Präparat wird zum Zwecke der Conservirung, durch längere Maceration im Wasser, von den weichen Gewebe- resten befreit, getrocknet und dann in geeigneter Weise auf einem Stativ befestigt. Die Ausgüsse geben in Gestalt dieses Präpa- rates eine deutliche Anschauung: der Luftsäcke in situ und bilden — Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 339 ein gutes Demonstrationsobjekt. Wenn man vorher die Arterien des Kopfes von den Karotiden aus injieirt hat, gewinnt man gleichzeitig eine klare Uebersicht über das Lageverhältniss der zahlreichen und wichtigen Arterien, welche sich um diese Säcke gruppiren. Zunächst mag die nackte Form der Luftsäcke ihre Erledigung finden. Zu dem Zwecke sind die Ausgüsse am besten vollständig von der Schädelbasis abzunehmen und nebeneinander auf einem geeigneten Stativ anzubringen. Der erste Blick auf die isolirten Ausgüsse zeigt (Figg. 2 und 3, med. A. u. lat. A.), dass jeder Luftsack in eine grössere mediale und eine kleinere laterale Abtheilung zerfällt, welche unter einander in Verbindung stehen. Die Trennung der beiden Räume wird hauptsächlich durch das langgestreckte, mes- serklingenartige, grosse Zungenbeinhorn bewirkt. Der obere Theil desselben schiebt sich mit seinen Muskeln.von hinten nach vorn in das Lumen des Luftsacks em und schnürt gleichsam den lateralen Raum ab. Die laterale Abtheilung hat annähernd die Gestalt eines von aussen nach innen breit gedrückten Kegels, dessen abge- schrägte Basis an dem inneren Flügelmuskel ruht, und dessen Spitze bis zum Grunde der Ohrmuschel reicht und am soge- nannten Griffelfortsatz derselben liegt). Die grösste Ausdehnung des lateralen Raumes liegt im der Richtung eines von der Spitze desselben gefällten Lothes, wel- ches den tiefsten Punkt der Basis des Kegels schneidet. Diese Entfernung misst an dem vorliegenden Präparat, dem Luft- sack eines ausgewachsenen Pferdes, unter normalen Verhältnissen ll em (vgl. Fig.3 ab). Der Rauminhalt beläuft sich auf 95 eem. Die laterale Abtheilung steht zu ihrer Umgebung in fol- genden Beziehungen: Auf die nach aussen gewendete Fläche 1) Dieses Anhängsel der Ohrmuschel des Pferdes ist etwa 2,5cm lang, an seiner Basis von der halben Stärke eines Bleistiftes, verläuft flach gewunden und spitzt sich nach unten zu. Von hier aus geht auf den angrenzenden Theil des Luftsackes ein platter, fibröser Strang über, welcher sich fascienartig über die Kegelspitze ausbreitet. Franck a. a. O.S. 750 schreibt dem Griffelfortsatz durch die Bewegung der Ohrmuschel schwach erweiternde und verengernde Wirkung auf den Luftsack zu. Diese Einwirkung kann, wie aus der Betrachtung erhellt, nur auf die laterale Abtheilung stattfinden. v 340 Peter: tritt von hinten und unten her die Art. max. int. Sie ist mit der Luftsackwandung innig verbunden und in dieselbe bis über die Hälfte ihrer Stärke eingebettet. Demgemäss zeigt sich an der entsprechenden Stelle des Wachsausgusses eine tiefe Furche (vgl. Figg. 3 und 4, B. a. m. i.). Die Arterie umkreist den Kegel von aussen ungefähr in der Mitte, um mittels ihrer bekannten S-förmigen Krümmung nach dem For. pterygoideum zu gelangen. Von den Zweigen dieses Gefässes ist ebenfalls eingebettet die Art. temporalis. Dieselbe steigt nach ihrem Ursprunge gerade nach oben über die Spitze und verliert sich im den Schläfen- muskeln (Figg. 3und4, a. t.). Die Art. auricularis, welche vor jener entspringt, liegt am hinteren Rande der Luftsackabtheilung und ist mit ihr durch Bindegewebe verbunden (Fig. 4, a. au.). In derselben Weise verhalten sich die um die Kegelspitze gruppirten Nerven. &s machen sich deshalb bei Abgüssen an diesem Theile keine weiteren Eindrücke bemerkbar. Der Haupt- nervenstamm dieser Gegend ist der N. facialis, der Nerv des Mandibularbogen.. Nach dem Austritt aus dem Fallopischen Kanal läuft er quer über die Kegelspitze (Fig. 4, n. f.) auf den hinteren Rand des Unterkiefers zu, auf dessen äussere Seite er sich bekanntlich umschlägt. Auf dieser Strecke gibt der Ange- sichtsnervy mehrere Aeste ab, welche bei ihrem Ursprung und im Bereiche des Luftsackes wie der Stamm durch Bindegewebe an die Sackwand befestigt sind. Von dem oberen Rande des Nerven geht kurz nach dem Austreten aus dem Fallopischen Kanal der N. aurieularis int. ab. Derselbe liegt hinter dem erwähnten Griffelfortsatz der Ohrmuschel und tritt nach kurzem Verlauf am Luftsack, dann in das Öhrspeicheldrüsengewebe eingebettet, auf den Proe. styloideus des Hinterhauptbeins, und hierauf in Ge- meinschaft mit einem Zweige der Art. aurieularis inf. durch eine Oeffnung der Öhrmuschel. Der andere Seitenast des oberen Randes, innerhalb des gedachten Bezirkes, ist der N. zygomatico- temporalis. Dieser Nerv verläuft vor dem Griffelfortsatz nach dem oberen Ende des lateralen Theils und verbreitet sieh später in Muskeln der Jochschläfengegend. Aus dem unteren Rande des 7. Nerven entspringen hier die Nn. stylohyoideus und subeutaneus colli. Diese verhältnissmässig dünnen Nerven verlassen bald die Luftsackwand. Der erstere endet in den die mediale Abtheilung von aussen bedecekenden Muskeln, Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 341 der letztere verbindet sich, nach seinem weiteren Verlaufe durch die Parotis, mit einem Aste des 2. Halsnerven. Der N. stylo- hyoideus bildet bei seinem Ursprunge eine kleine Schleife, derart, dass er an seiner Basis einen feinen Faden abgibt, welcher sich bald umschlägt und wieder in den Stamm des N. facialis zurückkehrt. Schliesslich bleibt noch von den Zweigen des Facialis, welche mit dem Luftsack in Berührung kommen, die Chorda tympani zu erwähnen übrig, welche nach dem Austritt aus der Glaser’schen Spalte auf die laterale Abtheilung tritt, die Art. max. int. innen kreuzt und dann zwischen den Flügelmuskeln und dem Unterkiefer in den N. lingualis vom >. Aste des drei- getheilten Kopfnerven einmündet. Das beschriebene Flechtwerk von Gefässen und Nerven umspinnt also, mit Ausnahme des unteren Endes der Paukensaite, nur den oberen Abschnitt der lateralen Abtheilung, welcher deut- lich durch die in die Wand eingelagerte Art. max. int. abge- grenzt ist (vgl. Fig. 4, a.m.i.). Die Räume zwischen den Ge- fässen und Nerven werden völlig von den gelblichen Drüsen- läppchen der Parotis ausgefüllt. Diese bedeekt von der Arterie an die ganze hintere Fläche der Kegelspitze, fast in der Stärke des hinteren Unterkieferrandes. Die in den Bereich des Unter- kiefers fallende äussere Fläche der lateralen Abtheilung berührt innerhalb der Gabel, welche Art. max. int. und Art. temporalis bilden, an einer kleinen Stelle direkt die innere Platte des Kiefers. Die unterhalb der Art. max. int. gelegene Basis des Kegels fällt schräg nach hinten ab. Die schräge Fläche entsteht durch das Verhalten der lateralen und medialen Portion des M. ptery- goideus int. Die Fasern der lateralen Portion laufen nach dem hinteren Kieferrande, sie bilden in ihrer Gesammtheit eine nach hinten abfallende Ebene, gegen welche sich die Basis des Kegels grösstentheils stützt. Ein schmaler vorderer Wandbezirk (Fig. 4, v. Fl.) lehnt sich an die weiter nach innen vorspringende, me- diale Portion, deren Fasern die Richtung nach dem unteren Rande des Kiefers nehmen. Auf diese Stelle trifft man beim Anbringen der zum Ausgiessen erforderlichen Luftabzugsöffnung. Die Verbindung des Luftsackes mit den genannten Muskeln ist eine sehr lockere. 342 Bieitlie tz Oben und vorn grenzt an die laterale Abtheilung der Dila- tator tubae (Rüdinger, a. a. O.), über welchen die Art. max. int. quer hinweg läuft. Dieselbe giebt hier, noch ehe sie auf die Muskeln gelangt, die Art. alv. inf. ab, welche anfänglich in den Luftsack eingebettet ist (Fig. 4, a. a. 1... An dem oberen Ende der Spitze liegt nach vorn ein Ast vom Nerven des Hyoid- bogens, der kurze Stamm des Ramus max. inf.,, welcher am oberen Rande des kleinen Keilbeinflügels aus der Schädelhöhle tritt. Der laterale Tubenknorpel und seine Muskeln trennen ihn vom Luftsack, während ein Zweig desselben, der N. temporalis superfieialis sofort nach seinem Ursprunge in der Richtung nach hinten und unten auf die obere vordere Wandfläche übertritt. Vom Ohrdrüsengewebe bedeckt, am hinteren Kieferrande angelangt, wendet er sich, ähnlich wie der Facialis, auf die äussere Fläche des Kiefers, wo er mit letzterem Nerven Anastomosen bildet (Fig.4, n.t.s.). Nach Müller!) läuft auch ein 2. Ast, der N. pterygoideus, über diese Luftsackgegend. Die innere Wand- fläche der lateralen Abtheilung soll ihre Erledigung später fin- den, da dieselbe gleichzeitig die Scheidewand beider Luftsackab- theilungen ist. Die mediale Abtheilung umfasst den Hauptraum jedes Tubenanhanges. Sie stellt im Grossen und Ganzen einen seitlich zusammengedrückten, beinahe rechteckigen Raum dar, welcher sich vom Oceiput bis zum Pharynx erstreckt. Demgemäss kann man ein oceipitales und einpharyngeales Ende unter- scheiden. Die Entfernung beider beträgt ea. 12cm. Die Höhe des Vierecks ist gleich Tem, während die Tiefe, namentlich durch das Verhalten der Kopfbeuger, verschieden ist. Die Höhle hat einen Rauminhalt von 186,5 cem. Die Lage der oberen Seite wird bestimmt durch die Richtung der Tube, die der un- teren durch den Verlauf der Artt. carotis ext. und max. ext. Von den hinteren Eeken liegt eine in der Fossa condyloidea inf. des Oceipitale, die andere m der Fossa alae des Atlas, die vorderen stossen auf die hintere Wand des Pharynx (vgl. Figg. 2 und 3, 0.E., ph.E.). In der Medianebene des Kopfes berühren sich die Luft- 1) Gurlts Handbuch der vergl. Anatomie der Haussäugethiere, neu bearbeitet von Leisering und Müller. 5. Aufl. S. 728. Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 345 säcke beider Seiten. Die Berührungsfläche umfasst indess nur den kleineren Abschnitt der medialen Begrenzung. Dieses Flächenstück befindet sich am pharyngealen Ende und wird unten und hinten vom Schlundkopf begrenzt. Darüber schieben sich die verschmolzenen bezw. nebeneinander gelagerten paarigen Mm. recti capitis antiei majores et minores, von den Halswirbeln nach der Schädelbasis steigend, zwischen die Luftsäcke ein und drängen die medialen Wände im gerader Linie scharf in das Lumen ihrer Abtheilungen (Fig. 2, M.). An diesen Muskeln steigen die medialen Wände zur Schä- delbasis empor, schlagen sich dann um und gehen über das For. laeerum hinweg in den oceipitalen Theil über. Durch die Umsechlagstellen der medialen Wände beider Luftsäcke entstehen zwei symmetrisch liegende, gegeneinander gerichtete, dreieckige Zipfel (Fig. 2, dr. Z.). Im Bereiche ihrer Berührungsflächen sind die Luftsäcke durch eine dünne Schicht lockeren Bindegewebes aneinander gelöthet, welches mit Hilfe des Fingers leicht lösbar ist. Auch von den genannten Muskeln kann man die hier ver- hältnissmässig starken Membranen ohne Schwierigkeit abtrennen. Die Form des oceipitalen Endes wird hauptsächlich durch die Fossa condyloidea inf. des Oceipitale bestimmt, lateral wird es begrenzt von dem Proe. styloideus dieses Knochens, ferner von der Wand des Tympanieum, hinten und medial von den Processus articulares des Hinterhauptsbemes und des Atlas nebst Kapselband. Mit den genannten Knochen ist der Luftsack ziemlich fest verbunden, während er an der Stelle, an welcher er das Hinterhauptsgelenk überzieht, in leichten Falten liegt. Mit Ausnahme dieser beschränkten Stelle ist die Membran hier dünn und zart. Sie lässt sich nur inclusive Periost ohne Zer- reissen von der Knochenunterlage mit dem Skalpellstiel abheben. Der kuppelartige, in der unteren Grube des Gelenktheils liegende Abschnitt des oceipitalen Endes verdient Beachtung, weil er am höchsten liegt, besonders aber, weil die Lage und das Lumen dieses Theiles stets unverändert bleiben (Figg. 2u.5, u. R.). Der rückwärts nach der Flügelgrube des Atlas sich er- streekende Höhlenfortsatz wendet sich ein wenig lateral, ist ver- hältnissmässig klein und als eine Ausstülpung des vorigen Theiles zu betrachten. Die Raumverhältnisse desselben sind vollständig von der Beuge- und Streek-Stellung des Kopfes abhängig. Die 344 Peter: Grenze zwischen beiden Abschnitten bezeichnet aussen der kleine M. rectus capitis lateralis, welcher mit seinen Fasern am Luft- sack vom Proe. styloideus wagerecht zum vorderen Rande des Atlasflügels läuft. Nach vorn werden die Wände des Atlas- raumes gebildet durch die binteren Ränder des oberen Bauches vom M. digastrieus und des Griffelkinnbackenmuskels, hinten von der Flügelgrube des Atlas. Ueber dem oceipitalen Abschnitt treten grosse Nervenstämme aus der Schädelhöhle hervor und Arterien in dieselbe ein. In der Fossa eondyloidea inf. kommt aus dem Foramen condyloideum der N. hypoglossus, etwas weiter nach vorn aus dem oberen Theile des For. lacerum die Nn. accessorius, vagus und glosso-pharyngeus. Diese 3 Nerven verlaufen nebeneinander über den oeceipitalen Theil nach hinten. Sie werden durch Bindegewebe zusammengehalten. Ihre Lage bezeichnet eine Rinne am Grunde des dreieckigen Zipfels (Fig. 2, B. nn. ac. v. g.). Auf diese Nerven trifft unter spitzem Winkel der N. hypoglossus, welcher hier den N. glosso-pharyngeus als Begleiter annimmt. Beide Nerven, welche ebenfalls lockeres Bindegewebe aneinander- kettet, machen jetzt eine scharfe Wendung nach vorn, ihren Be- stimmungsorten entgegen und erreichen die laterale Wand der medialen Abtheilung. In Folge dieser Richtungsänderung schnü- ren sie die oceipitale Luftsackwand ein, sodass sie in eine wirkliche Duplikatur derselben eingeschlossen werden. Dieselbe kann man als die mediale Wand des Atlasraumes an- sehen (Fig. 1, nn. hp. u. gl.). Der N. aceessorius läuft von jener Stelle ab gesondert und flach eingebettet nach hinten und unten über diesen Raum hin- weg, kreuzt auf demselben die Art. oceipitalis, verlässt hierauf den Luftsack und theilt sieh in der Flügelgrube in seine beiden Aeste. | Der N. vagus liegt auf der Luftsackwand. Er gelangt in einem ganz flachen Bogen auf die laterale Wand zur Theilungs- stelle der Carotis. Der Nerv schlängelt sich auf diesem Wege mehrere Male kurz und giebt zahlreiche Nervenfäden an den Luftsack, den Plexus carotieus und nach Müller!) auch einige an den 9. und 11. Nerven ab. Der Ramus pharyngeus des 10. 1) Leisering und Müller, |. e. 5. 738. Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 345 Nerven geht hier ebenfalls am Luftsacke entlang über die Ca- rotis int. Er trennt sich in zwei Aeste, von denen der untere sich in kleine Zweige auflöst, welche mit Zweigen vom Ramus laryngeus sup., ferner von den Nn. glosso-pharyngeus, sympa- thieus, aceessorius, hypoglossus, cervicalis primus und styloideus den Plexus pharyngeus bilden. Die Zweige dieses Geflechtes verbreiten sich in der Luftsackwand. Auf dem dreieekigen Zipfel des occipitalen Abschnittes entwickelt sich endlich noch der Stamm des N. sympathicus. Hier liegt im For. lacerum um die Carotis int. der Plexus caroticus, welcher aus Fäden des 5.—12. Nerven besteht. Aus diesem Geflecht gehen Fäden nach der oberen Wand des Luftsackes an das Gangl. cervieale supremum des Sympathieus. Der Knoten liegt, mit der inneren Kopfarterie innig verbunden, nur im obe- ren Theile dem oceipitalen Abschnitt an. Er zieht sich in einer Länge von ca. 53cm mehr medial als die genannten Gehirnnerven bis zur Theilung der Carotis am Luftsack herab. Das pharyngeale Ende ist volumimöser; denn es drängen sich in dieser Gegend keine Raum beanspruchenden Organe zwi- schen die medialen Wände. Besondere Ausstülpungen sind hier nicht vorhanden. Untere und pharyngeale Wand gehen unmittel- bar in einander über. Die obere Wand ist schmal und wird von der Schädelbasis begrenzt. Die obere Wand stösst mit -der pharyngealen in der Nähe der Tubenmündung unter rechtem Winkel zusammen {Figg. 3 u. 4, v. W.). Besonderes Interesse beansprucht die laterale Wand der medialen Abtheilung. Neben der unteren Grenze dieser Wand- fläche, fast senkrecht unter dem Atlasfortsatz, liegt die Theilung der Carotis. Von hier wenden sich die Artt. carot. int. und ocei- pitalis auf die oceipitale Wandseite. Die Carot. ext. bleibt auf ihrem kurzen Verlaufe mit dem unteren Bezirke der lateralen Wandfläche in Berührung, also bis zum unteren Rande des grossen Zungenbeinhornes, wo die Thei- lung in Art. max. int. und ext. erfolgt. Hier treten auch die Nn. hypoglossus und glosso-pharyngeus wieder auf, welche die Theilungsstelle aussen bezw. innen kreuzen und nunmehr in Ge- meinschaft mit der Art. max. ext. am unteren Rande des Zungen- beinhornes verlaufend, die Luftsackabtheilung bis zu ihrem Ende an der Rachenwand begleiten. Die Art. max. int. geht sogleich 346 Peter: nach ihrem Ursprung auf die laterale Abtheilung über, wo ihr Verlauf bereits näher geschildert ist. Die laterale Wand dieser Luftsackabtheilung wird weiter im oceipitalen Abschnitt begrenzt durch den Proc. styloideus des Hinterhauptsbeins, den M. ınasto- styloideus, durch den Proe. hyoideus und das verbreiterte hintere Ende des grossen Zungenbeinhornes. Der obere Winkel dessel- ben sitzt am eylindrischen Zungenbeinfortsatz, sein unterer dient zur Insertion des M. masto-styloideus, welcher am Griffelfortsatz des Hinterhauptsbeines entspringt. An demselben Fortsatz be- ginnen der Griffelkinnbackenmuskel, sowie der obere Bauch des M. digastrieus, welche theils das Zungenbein und den vorigen Muskel bedecken, theils direkt der Luftsackwand anliegen. Der übrige Theil des grossen Zungenbeinhornes schnürt mit dem M. stylo-pharyngeus, welcher an der medialen Seite desselben zwi- schen oberem und mittlerem Drittel entspringt, die laterale Ab- theilung von der medialen ab und bildet so zwischen beiden eine unvollständigeScheidewand, welcher von der Schädel- basis her die mediale Lamelle des Tubenknorpels entgegensteht. Als Kommunication bleibt eine grosse, nahezu spindel- förmige Oeffnung, welche demnach hauptsächlich von den aus- geschweiften und gegeneinander gekehrten Rändern der knorpe- ligen Tube einerseits und des grossen Zungenbeinhornes anderer- seits begrenzt wird (Figg. 1 u. a, Co.). Der vom Zungenbein gebildete untere Rand wird rachen- wärts durch die Fasern der medialen Portion des M. pterygoid. int. ergänzt, welche, wie beschrieben, einem vorderen, schmalen Wandbezirke der lateralen Abtheilung anliegen. Die beide Höh- lenabtheilungen verbindende Oeffnung kann demnach durch Muskel- einwirkung etwas verengert werden. Die vorangehende Betrachtung hat also ergeben, dass die Tubenanhänge des Pferdes nicht, wie man früher annahm, einfache gefaltete Säcke von unbestimmter Form sind, sondern dass sie aus Membranen bestehen, welche charakteristisch gestaltete Höhlen umgeben, deren Form durch das constante Lagerungs- verhältniss der anliegenden Knochen, Muskeln, Gefässe und Ner- ven zu einander bestimmt wird. Jeder Tubenanhang (Luftsack) bildet eine laterale und eine mediale Abtheilung, welche mit einander durch eine weite Oeffnung in Verbindung stehen. Die Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 347 laterale Höhle hat ungefähr den halben Raum- inhalt der medialen. Bei der Lage der Anhänge und der häutigen Beschaffenheit ihrer Wände kann nicht behauptet wer- den, dass sie bei demselben Thiere zu verschiedenen Zeiten gleiche Dimensionen haben. Dieselben hängen normal vielmehr von der Kopfhaltung und der Stellung des Unterkiefers ab; jedoch müssen die Anhänge bei jeder Kopfhaltung in der Median- ebene des Pferdes immer dieselben charakteri- stischen Formen annehmen. Die Tubenrachenmündung führt in die mediale Höhlen- abtheilung. Blutgefässe, Nerven und histiologischer Bau des Luftsackes. Die Ernährung des Luftsackes erfolgt selbstverständlich von den ihn umgebenden Gefässen, doch sind an Mennige-Injek- tionspräparaten nur wenige Gefässverbindungen der Luftsack- wand mit den grossen Arterien dem blossen Auge sichtbar zu machen. Die Gefässvertheilung in den Wandungen lässt sich, Dank ihrer Durchsichtigkeit, genau unter dem Mikroskop ver- folgen. Von den oben beschriebenen Arterienstämmen giebt die Carot. ext. kurz vor ihrer Theilung einen zwirnsfadendieken Ast für die mediale Abtheilung ab, welcher horizontal nach hinten verläuft. Dieselbe Richtung nimmt ein Aestehen aus der Max. int. Der Wandbezirk zwischen Oeceipitalis, Carot. int. einerseits, und Carot. ext. nebst Max. int. andererseits bezieht ferner Blut von der Occipitalis vermittelst eines kleinen Stämmcehens, welches sich theilend in die Wand des Luftsackes eindringt. Nerven erhalten die Luftsäcke anscheinend nur vom Vagus, welcher nicht nur vom Stamme aus, sondern auch durch den Ram. pharyng. sup. (Plex. pharyngeus) Fäden in die Schleimhaut hineinschickt. Nervenendigungen in dieser nachzuweisen, gelang weder mit der Ehrlich schen Methylenblaumethode, noch durch die Versilberungsmethode G olgi’s. Das Bindegewebe, durch dass die Tubenanhänge in der bekannten . Weise an ihre Umgebung geheftet sind, wächst in gewissen Bezirken des Luftsackes zu einer grösseren Mächtie- 348 Peter: keit an, als in anderen, woraus sich die verschiedene Stärke und Dehnbarkeit seiner Wandungen ergiebt. Dieselben sind im pha- ryngealen Abschnitt am stärksten, während sie im oceipitalen Theile, soweit sie Knochen überziehen, papierdünn auftreten. Dasselbe gilt von der Partie, welche das Zungenbeinhorn be- kleidet. An diesen Stellen geht das Bindegewebe direkt in das Periost der betreffenden Knochen über. Die Membran ist hier keinen Dehnungen oder Lageveränderungen ausgesetzt und wird durch ihre feste Unterlage gestützt, während die übrigen Ab- schnitte, besonders über dem Pharynx, durch die Bewegungen des Kopfes, durch alle Kau-, Schluck- und Athembewegungen betroffen werden. In das Bindegewebe der Rachengegend ragen die kleinen, zerstreuten Packete der parapharyngealen Lymph- drüsen hinein, ferner findet sich hier eine grössere Menge Fett- gewebe, welches auch an den übrigen Flächen des Luftsackes, dort, wo sich lockeres Bindegewebe vorfindet, hin und wieder in kleinen Träubehen auftritt. Auf den oberen Abschnitt des lateralen Theiles gehen vom Tensor veli quergestreifte Muskel- fasern über, welche sich vereinzeln und im Bindegewebe ver- lieren. v. Kostaneekit) stellt die Perissodaetylen (ebenso die Prosimier) den anderen Säugern als Ausnahme insofern gegen- über, als sich keine Fasern des Abductor tubae am membra- nösen Theil, sondern einzig und allein am lateralen Knorpel- haken inseriren. Perosino?) und Lavocat?) geben an, dass sich ferner Muskelfasern des Pterygo-pharyngeus auf den Luftsack erstrecken. Nach Letzterem soll dieser Muskel deshalb erweiternd auf den Luftbehälter einwirken können. v. Kostanecki) leitet da- gegen diese Fasern vom Palato-pharyngeus und zwar von der Pars-palato-salpingo-pharyngea ab. Die in die Luftsackwand einstrahlenden, quergestreiften Muskelfasern können ihrer geringen Anzahl und Anordnung nach keine Bedeutung für die Funktion des Luftsackes haben. Das lockere Bindegewebe, in welches theils Fettträubchen l Inne. p:*2% Chauveau,l.c. p. 629. 23,100. Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 349 eingelagert sind, theils Muskelfasern einstrahlen, kann nicht mit zu der eigentlichen Schleimhaut gerechnet werden; deshalb wurde bis jetzt der allgemeine Ausdruck „Luftsackwandung“ gebraucht. Weiter nach innen von dem locker gefügten Gewebe wer- den die Bindegewebsstränge fester und dichter. Diese, den gan- zen Sack umhüllende, diehtere Bindegewebsschicht ist als sub- muceöses Bindegewebe aufzufassen. Zur näheren Untersuchung dieser Schicht sowie der Schleim- haut wurde die Luftsackwand in grösseren, zusammenhängenden Stücken möglichst frisch dem Thierkörper entnommen, mittels Igelstacheln auf dünnen Korkplatten ausgespannt und hierauf durch Einlegen in Müller’sche Flüssigkeit fixirt. Die Här- tung erfolgte nach 24stündiger Wässerung, durch allmählich verstärkten Alkohol. So behandelte Präparate können dann in 90°/, Alkohol bis zur gelegentlichen, späteren Verarbeitung auf- bewahrt werden. Bei der mikroskopischen Prüfung lieferte nachstehendes Verfahren in jeder Beziehung zufriedenstellende Resultate. Fixirte und gehärtete Schleimhautstückehen von lem Seite werden in Delafield’s Hämatoxylin, je nach der Concentration der Farbflüssigkeit, !/, bis 1 Stunde oder länger durchgefärbt. Zur Erlangung feiner Schleimhautdurehschnitte werden die gefärbten Stückehen mit Paraffin durcehtränkt. Auf dem Objektträger er- folgt dann die Behandlung der Schnitte mit einem zweiten Farbstoff, gewöhnlich mit alkoholischer Eosinlösung. Oder die ganzen Schleimhautstückechen kommen als Flächenpräparate zur Verwendung, in welcher Gestalt sie sich insbesondere für das Studium der Form und Entwiekelung der Schleimhautdrüsen eignen. Hierzu bedarf es vorher der Entfärbung mittels Salz- säurealkohol. Darauf folgt das Abziehen oder Abkratzen des Epithels mit einer Staarnadel; denn ohne Entfernung desselben kommt ein vollständig ungetrübter Anblick der Drüsen nicht zu Stande. Die Beseitigung des Epithels wird durch die Wirkung des Säurealkohols erleichtert. Zuletzt wird auch hier zur Fär- bung des Zellplasmas Eosinlösung aufgetropft und !/, Mimite in voller Wirkung gehalten. Die Contrastfarbe ist zur Erreichung wirkungsvoller Bilder unerlässlich. Konservirung m Kanada- balsam. Die Tubenanhänge des Pferdes sind, wie die Querschnitte 350 Dieter: zeigen (Fig. 7, muc.), mit Flimmerepithel ausgekleidet. Nach Felisch!) beträgt die Höhe des Epithels, an ganz frischen Schnitten gemessen, 0,036 mm. Es ist nach dem Autor ganz gleich beschaffen, wie in den Nebenhöhlen der Nase. Die Zellen sind stark granulirt und haben einen starken Saum. Meine auf Kork ausgespannten, fixirten und gehärteten Prä- parate ergaben eine Epithelstärke von 33 u. Der Unterschied ist also gering und dürfte der Behandlung oder individuellen Unterschieden zu Gute zu rechnen sein. In dieses Maass ist aber noch eine Schicht eubiseher Zellen einbegriffen, welche nach der angegebenen Färbung über der Basalmembran der Schleimhaut deutlich hervortreten. Zwischen diesen Zellen ver- lieren sich die langausgezogenen unteren Enden der Flimmer- zellen. Von frischen Sehleimhautstückehen durch Drittelal- kohol isolirt und mit Pikrokarmin gefärbt, erscheinen sie als schlanke Zellen mit grossen, runden Kernen, deren Höhe im Mittel 28,15 u beträgt. Auf diese Ausdehnung erscheinen sie in der fast gleichmässigen Breite von 4,2u. Nach unten vom Kern erstreckt sich ein ca. 14,284 langer Fortsatz, sodass die Gesammtlänge von isolirten Zellen ca. 39,41 bis 56,80 u beträgt. Die Fortsätze verlaufen gerade oder ungleichmässig gebogen spitz zu und theilen sich manchmal. Die Flimmer- haare ragen im Maximum 4,1 u über den Saum hinaus. Nach der Oeffnung von Drüsenausführungsgängen hin werden die Flimmerfortsätze der Zellen allmählich niedriger und verlieren sich ganz am Rande der Oeffinung. Der Kern ist oval, Tu hoch und nimmt die ganze Breite der Zelle (4,2 u) ein. Das Proto- plasma ist anscheinend homogen, ohne besonders hervortretende Körnchen. Die Kerne der cubischen Zellenlage sind rund- lich, das Protoplasma dieser Zellen ist ebenfalls klar. Dieselben dürften die unter dem Epithel gelegene „körnerreiche Schicht“ von Felisch darstellen. Mit Rücksicht auf das Vorhandensein dieser Zellen muss das Epithel der Luftsäcke als ein geschich- tetes Flimmerepithel betrachtet werden. Das Epithel sitzt auf einer dünnen, homogenen Basalmem- 1) Beiträge zur Histiologie der Schleimhaut in den Lufthöhlen des Pferdekopfes. Archiv für wissenschaftliche Thierheilkunde. Bd. IV. ES ep Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 3dl bran. Unter dieser folgt eine fast gleichmässige, 43 u starke Schicht, m welcher lange, spindelförmige Kerne ziemlich zahl- reich zwischen Bindegewebsfasern auftreten. Die Kerne sind in ihrer Längenriehtung hintereinander und nebeneinander ange- ordnet; oft findet man 4 und mehr in einer Reihe (Figg. 7 und 8, mf.). Diese Kerne müssen, nach ihrer Anordnung sowie nach den dazu gehörigen spindelförmigen Zellen zu urtheilen, glatten Muskelfasern zugeschrieben werden, welche zahlreich diesen Theil der_ Schleimhaut durchsetzen. In dieser Schicht findet man nie Drüsenläppehen, sondern nur ihre bis an das Epithel schräg verlaufenden Ausführungsgänge (Fig. 7, Atg.). Hieran schliesst sich nach aussen die Submucosa, in welche isolirte, ziemlich grosse Drüsen eingelagert sind. Dieselben sind an der vom Epithel entblössten Schleimhaut schon für das unbewaff- nete Auge sichtbar, und desshalb ist ihre Zahl und Vertheilung leicht festzustellen. Auf den | ]cem kommen 180—200 Drüsen. Am schönsten kommen sie auf den beschriebenen Flächen- präparaten zur Anschauung. Die Drüsen zeigen mit fast sche- matischer Genauigkeit den Bau von tubulösen Einzel- drüsen (Figg. 5—8). Diese Eigenschaft macht sie zur Demon- stration dieser Drüsenform in histiologischen Kursen geeignet. Die leichte Zugänglichkeit und einfache Behandlung des Mate- rials erhöhen noch diesen Vorzug. Die Drüsenkörperehen haben die Gestalt kleiner Baum- zweige, bald von zierlicherem, bald von compakterem Bau, je nach der Gegend, welcher sie entstammen. Entweder sitzen die Neben-Zweiglein an einem ungetheilten Stamme oder an einfach diehotom verzweigten Aesten. Die Stämme bilden die Ausfüh- rungsgänge. Die Stärke derselben variirt bei kleinen und grossen Drüsen zwischen 38,40 u bezw. 54,72 u. An Luftsackschleimhäuten ziemlich ausgetragener Föten und neugeborener Füllen kann man die Entwiekelungsstadien der Drüsen in übersichtlicher Weise beobachten. Von der einfachen Schleimhauteimstülpung, ferner der ersten Theilung bis zur 5, 6, Tfachen Verästelung liegen die Stadien in demselben Präparate nebeneinander (Fig. 6). Der Hauptstamm der grösseren Drüsen ist hier unverhältnissmässig lang und endet in einer Anschwellung, in deren Mitte ein Lumen, die Ausgangsöffnung, bemerkbar ist. In der fötalen Schleimhaut liegen die Drüsen auf eimem gleich Archiv f. mikrosk. Anat, Bd. 43 23 352 Peter: grossen Flächenraum dichter gesät als beim erwachsenen Thiere (700 per Tem). Sie rücken mit dem Weiterwachsen der Tuben- anhänge auseinander, gleichzeitig strecken und verzweigen sie sich. Auf Querschnitten zeigen die Tubuli, je nachdem sie schräg oder senkrecht vom Sehnitt getroffen werden, runde oder ovale Form von 21,5—25,8 u Durchmesser. Das Lumen ist 4,5 u weit. Auf einer strukturlosen Tuniea propria sitzen keilförmige Zel- len mit ihrer breiten Basis, während das schmale Ende dem Lumen zugewendet ist. Die Höhe dieser Zellen beläuft sich auf 8,6u. Sie enthalten leicht granulirtes Protoplasma und einen grossen, runden Kern, weleher in der Nähe der Basis zu liegen pflegt. Die 8,6 u weiten Ausführungsgänge sind ebenfalls mit Cylinderepithel ausgekleidet, welches ein wenig niedriger ist, als das sekretorische Epithel. Die Zahl der Tubuli, welche zu einem Gangsystem gehören, ist verschieden, oft sind mehr als 30 vor- handen. Felisch giebt 16—24 an. Die Querdurehschnitte der Hauptäste messen ca. 30,1 u. Die keilförmige Beschaffenheit des Drüsenepithels wurde schon von Rüdinger beschrieben und dessen Beobachtung von Felisch eitirt. Letzterer (l. e.) beschreibt und zeichnet die Drüsenkörper als oval gestaltete Gebilde, eine Darstellung, welche nach meinen Untersuchungen also nicht zutrifit. In der Unterschleimhaut treten auch die Verzweigungen der oben aufgeführten kleinen Arterien auf. Sie bilden ein weit- maschiges Capillarnetz, aus welchem kleinste Venen hervorgehen. Ein leicht verständliches Bild hiervon bietet das Präparat von Fötusschleimhaut, in weleher die Gefässvertheilung noch ziemlich dieht ist (Fig. 6, a. u. v.). Die Dieke der ganzen Schleimhaut des Luftsackes umfasst 113,6 u, während sie F. nach frischen Präparaten auf 0,30 mm angiebt. Diese Differenz entsteht theils durch das Ausspannen der Schleimhaut, theils dadurch, dass das Fettzellen und Drüsen enthaltende, weitmaschige Bindegewebe auf der Oberfläche des Luftsackes nieht mit zur Schleimhaut gerechnet wurde. Das maschige, submueöse Gewebe erstreekt sich auch bis in das Tubenlumen hinein. Die Maschen werden aber immer enger und fehlen im Haken ganz und gar. Hier ordnet sieh die submueöse Gewebsschicht zu straffen, parallelfaserigen Zügen und nimmt an Mächtigkeit ab. Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 359 Sobald das Bindegewebe diese Beschaffenheit annimmt, fehlen die beschriebenen Drüsen, während sie im ventralen Ab- schnitt des Tubenkanals noch zahlreich vorhanden sind. Die Flimmerepithelzellen nehmen im dorsalen Abschnitt der Röhre an Grösse ab. Sie sind um !/, niedriger, als die des Luftsackes. Das Epithel ist im Tubenhaken einschichtig. Aus dem ceontinuirlichen Zusammenhange der Luftsack- schleimhaut mit derjenigen der Eustachischen Röhre, und aus der histiologischen Uebereinstimmung beider geht schon ohne Inanspruchnahme der Entwicklungsgeschichte hervor, dass der Luftsack integrirender Bestandtheil der Eustachischen Röhre ist. In seiner histiologischen Einrichtung bietet sich indess kein Anhalt für besondere funktionelle Beziehungen zur Tube resp. zum Gehör. Das Gefässsystem ist zu weitmaschig, um der in den Säcken enthaltenen Luft einen höheren Wärmegrad zu verleihen, oder dieselbe chemisch zu beeinflussen. Die Drüsen sind in zu geringer Zahl über die Schleimhaut vertheilt, als dass ihnen eine specifische Aufgabe zugestanden werden könnte. Sie zeigen auch in ihrem feineren Bau keine sesonderheiten. Die Drüsenzellen produeiren wahrscheinlich Schleim, welcher die Oberfläche der Luftsäcke feucht erhält. Zur Entwicklungsgeschichte dieser Anhänge sei hier noch bemerkt, dass auf früher embryonaler Stufe sich zwi- schen Tube und Luftsack kein Unterschied machen lässt. Beide bilden auf Querschnitten durch den Kopf von 7), und auch noch von 15 Wochen alten Föten'!) ein Schleim- hautrohr. Bei der 7!/,;, Wochen alten Frucht misst dieser Hohlraum pharyngeal 1,5 mm in der Höhe und 0,56mm in der Breite, oeeipital im Bereiche des Basisphenoid’s und der Ossa parietalia 2,9 bezw. 0,6 mm (Figg. 9—11). Das Verhalten beweist, dass ein Theil des Lumens Luft- sackraum ist; denn die knorpelige Tube verhält sich in ihrer Lumenweite beim erwachsenen Pferde umgekehrt. 1) Fixirung und Entkalkung in Pikrin-Essigsäure. Auswaschen in verdünntem Alkohol. Härten in allmählich verstärktem Alkohol, Durchfärben in Alaunkarmin; Paraffineinbettung. 354 Pieter: Die fötale Tube legt sich oben an die knorpelige Schädel- basis; ventral treten in einiger Entfernung (0,24 mm) die grossen Zungenbeinhörner auf, welche beim Weiterwachsen des Rohres die Theilung bewerkstelligen dürften. Oder ob die auf diesen Entwieklungsstadien vorhandenen ca. 3,1 mm langen und 0,1 mm schmalen Lücken (Fig. 9, 1.A.) die Anlagen der lateralen Ab- theilungen sind, konnte ich nicht mit Sicherheit entscheiden. Die Lage und Ausdehnung jener spricht zu Gunsten einer solchen Annahme. Knorpelgewebe macht sich zu dieser Zeit noch an keiner Stelle der Begrenzung des rundlichen Hohlraumes bemerkbar. In welcher Periode des fötalen Lebens der Tubenknorpel sich bildet, ist überhaupt noch eine offene Frage. Sicher ist, dass derselbe ziemlich spät erscheint. Bei einem 15 Wochen alten Pferdefötus, sowie bei einigen im Alter nicht genau bestimmbaren, aber doch in der Entwicklung weit älteren Tapir- und Pteropus- föten habe ich keine Tubenknorpel feststellen können. Erst bei einem fast ausgetragenen Hyrax-Fötus war der Knorpel vorhanden. Aus dieser kurzen entwicklungsgeschichtlichen Betrachtung ergiebt sich, dass Tube und Luftsack ursprünglich ein Sehleimrohr bilden, wie es auch aus der Betrach- tung der anatomischen Verhältnisse beim erwachsenen Thiere her- vorgeht. In zweiter Linie erstreeckten sich meine Untersuchungen auf die Einrichtung der Tuben beim Tapir, Klippdachs und bei grossen und kleinen Fledermäusen. Hiervon ist nur bei den Tapiren die Ohrtrompete eingehen- der betrachtet worden, und zwar betrifft dies einen Fall, welchen Zucekerkandl!) Mitte der 80ger Jahre beschrieben hat. Der Autor präparirte den Kopf eines erwachsenen Tapirs, während ich einen Fötus, sowohl mittels Messer und Pincette als auch mikroskopisch untersuchte. Beide Befunde sind daher geeignet, einander zu ergänzen. Tapirus americanus. Es ist nicht überraschend, dass der Luftsack bei den Tapiren sefunden wird, da sie von den Gattungen der Perissodaktylen 1) Archiv für Ohrenheilkunde. 1885, Bd. XX. Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 395 den Pferden am nächsten verwandt sind. Durch die Auffindung des Luftsackes bei den Tapiriden ist nur noch ein neuer Beweis für die Verwandtschaft mit den Equiden erbracht, wie Zucker- kandl a. a. ©. bemerkt. Diesen Beweis hat vor dem Verfasser Fr. Müller!) in Wien schon erbracht, welcher das Vorhanden- sein des Luftsackes beim Tapir im Jahre 1871 erwähnt. Zuckerkandl?) schreibt über die häutige und knorpelige Tube des Tapirs: " „Der sackähnliche Anhang beginnt Smm hinter der Pharyn- gealöffnung und reicht in der Länge von 65 mm bis zum Gelenk- höeker des Hinterhauptsbeimes. Er überragt also das Gehörorgan mit einem hinteren Antheil um 22mm. Oben verbindet sich der Luftsack mit der Basalfläche des Grundbeins, aussen mit dem oberen Aste des. Zungenbeins, dem Tensor palati und den Griffel- muskeln, innen vermittelst seiner rauhen äusseren Fläche mit dem Luftsack der anderen Seite und unten bezw. hinten mit der oberen Wand des Schlundkopfes. Die Grösse des Sackes, wel- eher nicht schlaff herabhängt, sondern durch die oben aufge- führten Organe fixirt wird, lässt sich mit der eines Hühnereies vergleichen. Das Ostinm pharyngeum ist 9mm lang, halbmondförmig, im Ruhezustande geschlossen, von einem zarten, leichten Falten- rande umgrenzt. Nach Spaltung des Sackes sieht man: a) dass derselbe dünnwandig und innen glatt ist, b) dass die Pharyngealöffnung nieht unmittelbar mit dem Luft- sack eommunieirt, sondern durch eine S mm lange, häutige röhre, e) dass der Luftsack in seiner oberen Wand auf 45mm Länge in freier Verbindung mit der Tube steht.“ Aus dieser Beschreibung erhellt, dass der Luftsack des Tapirs dem des Pferdes in den wesentliehsten Punkten gleicht. Hierzu gehört im erster Linie die Lage, welche durch eine l. e. beigegebene Abbildung zur Anschauung gebracht wird. Man er- kennt daraus, dass die oben für das Pferd eingeführten Bezeich- nungen „pharyngeales“ und „oceipitales* Ende auch hier voll- 1) Lehrhueh d. Anatomie d. Haussäugethiere. 2. Aufl. 1871. S. 286. AN ae: 356 Pieer’ kommen gerechtfertigt sind. Der Sack heftet sich oben und hinten an das Hinterhauptsbein und ruht unten auf dem Pharynx. Ob das grosse Zungenbemhorn dieselbe Rolle spielt, wie beim Pferde, ist nicht recht ersichtlich. Die Abbildung Z.s. lässt aber vermuthen, dass es auch hier von hinten her sich in das Lumen des Divertikels einschiebt und eine unvollkommene Tren- nung in eine laterale und mediale Abtheilung zu Stande bringt. Auf einer kleinen Serie von fünf schematisch wiedergegebenen Frontalschnitten!) durch Tube und Luftsack zeigt sich zwar auf No. 3 ein Zungenbeinquerschnitt mehr nach der medialen Seite des Luftsackes; es liegt jedoch hier offenbar eine Unge- nauigkeit in der Zeichnung vor; denn Zuckerkandl erwähnt, dass das Zungenbein aussen mit dem Luftsack in Verbindung tritt. Der auffälligste Unterschied zwischen dem Luftsack des Pferdes und dem des Tapirs, den ich an meinem Objekte kon- statirt habe, ist der, dass sich an der Wand des Luft- sackes ein Muskel inserirt. Im übrigen weichen die Muskeln der Tube, wie besonders für die Mm. tensor und leva- tor veli festgestellt werden konnte, nicht von dem Verhalten der- selben beim Pferde ab. Das mir zur Verfügung stehende Objekt war ein ziemlich ausgewachsener Fötus, Spirituspräparat, aus der Sammlung des II. anatomischen Instituts der Berliner Universität. Dem Direktor des Instituts, Herrn Prof. Dr. Hertwig, spreche ich an dieser Stelle für die Ueberlassung des Materials, sowie für die sonst gewährte Unterstützung meinen verbindlich- sten Dank aus. Der Fötus hat eine Kopf-Steisslänge von 45 em. Wenn man einen Mediansehnitt durch den Kopf legt, so verletzt man beim Fötus nicht die inneren Wände, was beim er- wachsenen Pferde der Fall ist, da sie hier in der Medianebene aneinander stossen, während sie sich bei diesem Fötus in der Mittellinie nicht berühren. Nach Entfernung des unteren Pharynxabschnittes und des Larynx tritt das Luftsäckchen des Fötus zwischen Schädelbasis und langem Zungenbeinast in Haselnussgrösse hervor (Fig. 12, L.). 1) Vgl. Original. Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 397 Das Divertikel heftet sich medial von der Tube an das Basi- Sphenoid und endet nach hinten bei Beginn des Basi-Oceipitale ; unten stützt es sich, und zwar mit dem lateralen Theile gegen den oberen Rand des grossen Zungenbeinhornes, aussen wird es der Hauptsache nach durch die Muskulatur des Unterkiefers be- grenzt, während die hintere Pharynxwand die vordere Begren- zung bildet. Wenn man das linguale Ende des grossen Zungenbein- hörnes vorsichtig zurückgelegt hat (wie die Abbildung zeigt), so sieht man einen deutlich abgegrenzten Muskel von 1,7 mm Breite und Smm Länge an die hintere und mediale Wand des Säck- chens herantreten. Der Muskel kommt von dem oberen Rande resp. der medialen Fläche des temporalen Zungenbemabschnittes, bildet zuerst einen kleinen, rundlichen Muskelbauch und inserirt sich fächerförmig an der hinteren und medialen Wand des Luft- sackes. Einige Fasern laufen von der Insertionszone nach der Seitenwand des Schlundkopfes hin. Diese sind bei der Entfer- nung des letzteren abpräparirt worden (Fig. 12, m. st. ph.). Der Muskel vermag, nach der Richtung seiner Fasern zu urtheilen, den Tubenanhang des Tapirs, und zwar speciell dessen mediale Abtheilung zum Zungenbeinast zu ziehen, d. h. nach hinten und oben zu erweitern. Man kann diesen Muskel mit dem Stylo-pharyngeus h. homologisiren. Beim Pferde beginnt der entsprechende Muskel am unteren Ende des temporalen Theils des grossen Zungenbeinhornes und geht auf dessen medialer Seite zur Seitenwand des Schlundkopfes. Der Muskel liegt mit dem Zungenbein zwischen beiden Luftsackabtheilungen, deren Scheidewand er bilden hilft (vgl. S. 346). Günther!) bezeichnet ihn als Erweiterer der Rachenhöhle. Demnach wäre auch eine funktionelle Uebereinstimmung beider Muskeln fest- gestellt. Die Faserbündel, welche der in Rede stehende Muskel des Tapirs über den Luftsack hinweg nach der Seitenwand des Ra- ehens hinsehiekt, dürften schliesslich jeden Zweifel über die Homologie mit dem Stylo-pharyngeus beseitigen. Der Muskel, welcher beim Pferde Erweiterer der Rachenhöhle ist, wird beim Tapir gleichzeitig Erweiterer oder Spanner des Luftsackes. 1) Topographische Myologie des Pferdes. 1866, S. 84. © St 9) Peter: Auf der lateralen Seite des Tapirluftsackes ist zu beob- achten, dass beide Flügelmuskeln der Wand anliegen. Vom Kiefergelenk ist letztere durch eine starke, fibröse Platte getrennt. Die Rachenmündung der Eustachischen Röhre ist am Fötus spaltförmig, wie beim Pferd, und 53mm lang. Der mediale, scharfe, eoncav ausgeschnittene Rand legt sich mnig an die Pharynxwand an. Auf zwei Drittel der Spalthöhe ist in der Pharynxschleimhaut Längsfaltenbildung angedeutet. Die Tube ist 11 mm lang. Von dem Ostium pharyngeum seines erwachsenen Tapirs berichtet Zuckerkandl a. a. O., dass es 9mm lang, im Ruhe- zustande geschlossen, halbmondförmig und von einem zarten, leich- ten Faltenrande umgrenzt ist. Sämmtliche Eigenschaften treten also am älteren Fötus schon deutlich hervor. Die Tapirtube besteht nach demselben Verfasser histio- logisch aus hyaliner Knorpelsubstanz, welche mit Bindegewebs- zügen durchsetzt ist. Dasselbe entstammt dem äusseren und submucösen Perichondrium. Die centralen Schichten sind fast rein hyalın. Die dieke, zellenreiche, in den äusseren Partien dichte, wellige Bindegewebslager führende Schleimschicht enthält reiech- liche Netze elastischen Gewebes und führt eine Menge von Vor- sprüngen, welche näher am Tubenboden besser entwickelt sind und dichter gedrängt stehen, als in der Umgebung des Hakens. Das Epithel ist Cylinder-, wahrscheinlich Flimmerepithel. An der Basis der Epithelschieht liegen eine Reihe kurzer Er- satzzellen. Der Nachweis von Schleimdrüsen gelang nicht. Die .Wand des Luftsackes besteht aus denselben Thei- len, wie die Schleimhaut der Tube. : Das Epithel ist hier schon # abgefallen. Die oberflächliche Schieht der Mucosa zeigt eine Reihe von niedrigen Leisten, und die äussere Schicht der Wand ist beinahe fibrös. Auch hier findet der genannte Forscher keine Schleimdrüsen, aber wohl adenoides Gewebe in Form von Folli- keln, denen entsprechend die Schleimhautoberfläche leichte Er- habenheiten zeigt. Die Angaben decken sich demnach im Grossen und Ganzen mit der histiologischen Einrichtung der Pferdetube. Ein bemer- kenswerther Unterschied ist der Mangel an Drüsen. Die rechte Tube des von mir untersuchten Fötus und der Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge., 359 betreffende Luftsack wurden nach dem Ausschneiden in Alaun- karnıin gefärbt, gehärtet, in Paraffin eingebettet und das ganze Präparat senkrecht zur Längsachse in Serienschnitte zerlegt. Von diesen sind auf Tafel XXI, Figg. 13—15 drei Stück, einer aus der Nähe des pharyngealen Endes, einer aus der Mitte und einer gegen die tympanale Oeffnung hin gezeichnet. Die Säcke sind eollabirt. Ihre Verbindung mit dem Tubenlumen ist in der Mitte der Tube am weitesten. An der medialen Seite tritt an den Schnitten der Spanner des Luftsackes, lateral der Querschnitt der Art. max. int. auf. Dieselbe nimmt die entsprechende Lage wie beim Pferde ein. Die Höhe des zusammengefallenen Sackes nimmt zuerst von vorn nach hinten zu und dann schnell ab. Sie beträgt an den erwähnten drei Punkten inel. Tube 4,5 mn, 6,2mm, 7,Imm; dann wieder 6 mm, worauf schnelle Abnahme eintritt. Das Lumen der Tube misst an den entsprechenden Stellen 0,1, 0,18 und 0,15 mm. Tubenknorpel ist noch nicht vorhanden. Das Epithel der Tube und des Luftsackes ist abgefallen. Drüsen können in der Unter-Schleimhaut nieht nachgewiesen werden. Wie schon oben bemerkt ist, entwiekeln sieh dieselben beim Pferde erst in einer ausserordentlich späten Periode des Fötallebens, und man kann vielleicht für den Tapir dasselbe annehmen; andererseits muss man allerdings berücksichtigen, dass auch beim erwach- senen Tapir das Fehlen der Drüsen im Luftsack von Zucker- kandl behauptet worden ist. Es stellt sich demnach heraus, dass, mit Ausnahme des vor- geführten Untersehiedes in der Muskulatur und des Mangels der Drüsen, morphologiseh und histiologisch zwischen der Pferde- und Tapirtube grosse Uebereinstimmung herrscht. Auch die im Verhalten der ruhenden Pharyngealöffnung von Zucker- kandl vermuthete Abweichung ist früher widerlegt worden. Hyrax capensis. Die Klippdaehse oder Klippschliefer führte das zoologische System früher, besonders wegen ihrer hufartigen Zehenglieder, deren sie wie die Tapire vom 4, hinten 3 besitzen, als eine Gattung der Hufthiere auf. Heute stehen diese T'hiere als selbst- ständige Ordnung Lamnungia mit der emzigen Gattung Hyrax zwischen den Proboseiden und Carmivoren. Durch die Form des 360 Peter: Gebisses sind die Klippdachse den Nagern verwandt, welchen sie auch an Grösse und sonstigem Habitus nahe stehen. Die erste und bis jetzt einzige Mittheilung über einen Tu- benanhang der Gattung Hyrax giebt nach Zuekerkandla.a. 0. F. Brandt in einem Sitzungsbericht der Petersburger Akademie der Wissenschaften: „Untersuchung über die Gattung Hyrax ee): Es gelang mir nieht, die unten angegebene Quelle zu be- schaffen, doch scheint der Berichterstatter nähere Details über die seltene Einrichtung bei diesem Thiere nicht gegeben zu haben. Ich benutzte deshalb mit einem gewissen Eifer die Gelegen- heit, an einem vollständig ausgebildeten Fötus, welchen ich eben- falls in der Sammlung des Institutes entdeckte, den Inhalt dieser Notiz zu prüfen. Die untersuchte Frucht ist 20,5 em lang. Die Körperober- fläche ist dieht und vollständig behaart, die Unterlippe hat 2em lange Tasthaare. Im Unterkiefer schimmern 4 kleine, etwas nach vorn gerichtete Schneidezähne dureh die Maulschleimhaut. Die Kronen der Backenzähne sind ebenfalls schon fühlbar. Nachdem in derselben Weise, wie beim Tapir, eine Kopf- hälfte präparirt worden war, wurde der Luftsack vollkommen freigelegt. Derselbe trat nach dem Einblasen von Luft durch die Rachenmündung der Tuba in Gestalt und Grösse eines Wei- zenkornes dieht unterhalb des Sphenoidale hervor (Fig. 16, L.). In topographischer Beziehung sind keine wesentlichen Abwei- chungen vom Luftsack des Pferdes und Tapirs zu bemerken. Die Tubenrachenmündung des Fötus ist Smm vom hinteren kande des Gaumens entfernt und liegt genau im Niveau des unteren Nasenganges. Derselbe ist verhältnissmässig geräumig, wie beim Pferd. Die Rachenöffnung der Tube gestattet kaum die Einführung eines Stecknadelkopfes. N Auf Querschnitten, welehe wie bei der Tapirtube gewonnen wurden, zeigt sich, dass der Tubenknorpel hier schon ausgebildet ist, was bei keinem der übrigen von mir untersuchten Föten der Fall war. Die Gestalt des Knorpels ist insoweit von der gewöhn- lichen Form abweichend, als die Umbiegung in die laterale 1) Melang. biolog. Bulletin de l’Academie imp. des sciences de St. Petersbourg. Tome IV, 1862. Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 361 Platte nur schwach hervortritt (Figg. 17—19, 'Tk.). Ein deut- licher Knorpelhaken macht sich erst in dem oberen Absehnitt der Tube bemerkbar. Die mediale Platte hat in der Gegend des pharyngealen Endes eine Höhe von Imm und eine Dicke von 0,&mm, gegen das tympanale eine Höhe von 0,9 mm, wäh- rend die Dicke vom ventralen Rande zum Haken hin bis auf 0,1lmm abnimmt. Die Schleimhaut liegt dem Knorpel nur am Haken an und begrenzt pharyngeal ein dreieckiges, und tympanal- wärts ein spaltförmiges Lumen, welches als die eigentliche Röhre anzusprechen ist. Dieselbe ist verhältnissmässig breiter als hoch und misst an den entsprechenden Stellen 1,7 mm Breite und 0,6 mm Höhe, bezw. 1,2 und 0,2 mm. Im Bereiche des dreieekigen Querschnittes findet sich ein 0,36 mm weiter Gang in den Luftsack (Fig. 18, Üg.). Die Ab- bildung zeigt denselben als unregelmässig gefalteten Hohlraum, da die Scehnittserie nach der Exstirpation des ganzen Organs gewonnen wurde. Man kann an diesen Präparaten die wahre Gestalt des Luftsackes ebenso wenig erkennen, wie bei den Tapirfötus. Es lässt sieh nur konstatiren, dass der Anhang ent- spreehend seiner ovoiden Form nach hinten weiter wird. An einzelnen Stellen ist das Epithel noch erhalten; es ist ebenfalls mehrsehichtiges Flimmerepithel. Auch. stimmt die Wand betrefis der übrigen Bestandtheile mit den bereits betrachteten Luftsäcken überein. In den Maschen der Unterschleimhaut treten die hier noch wenig verzweigten Drüsenschläuche auf. Chiroptera. a) Vespertilio murinus und b) Vespertilio auritus. Schon Rüdinger!) beschrieb in seiner reichhaltigen Mono- graphie auch die Tube der kleinen Fledermäuse und entdeckte an derselben eine lateral gestellte Schleimhautaussackung. Der Vollständigkeit wegen und auch, weil dieser Gegen- stand in der Literatur seitdem keine Berücksichtigung gefunden hat, musste diese Ordnung ebenfalls mit m den Bereich meiner Untersuchungen gezogen werden. Die a. a. O. gemachten An- gaben über den luftsackartigen Anhang besonders genügten nicht für den in dieser Arbeit eingenommenen Standpunkt. — Ganze 362 Peter: Fledermausköpfe wurden in Müller’scher Flüssigkeit fixirt, in Wasser ausgewaschen, in der üblichen Weise mit Alkohol ge- härtet, hierauf in grossen Mengen von 3°/, Salzsäure entkalkt, wieder ausgewaschen und gehärtet. Dann kamen die Präparate zur Durehfärbung aus dem 90°/, Alkohol! 4—5 Tage in Gre- nacher’sche Boraxkarminlösung, hiernach zur Entfärbung meh- rere Tage in salzsauren Alkohol. In dieser Weise behandelte Köpfe wurden in Paraftin eingebettet und senkrecht zur Stirn in Serien zerlegt. Auf den Schnitten ist zu bemerken, dass die laterale Platte des Tubenknorpels, im Gegensatz zu den bis jetzt beschriebenen Spezies, fast im ganzen Verlauf der Tube nur wenig kürzer ist, als die mediale. Erst an der Mündung in das Cavum tympani wird sie niedriger: dagegen ist die Dieke durchweg beträchtlich geringer. Beide Tuben neigen sich etwas mit dem dorsalen Theile gegen die Medianebene. Aus statistischen Rücksichten und zum Zwecke der Vergleiehung mögen hier die Maasse des zierlichen Tubenknorpels erwähnt werden. Mediale Platte 0,53 mm hoch, 0,11 mm dick. Laterale \n3wil 0,30H«, Iudıbno, x Nach der Umbiegungsstelle hin werden beide Platten etwas schwächer. Die freien Ränder sind abgerundet. Die Grössen- verhältnisse des Knorpels vermindern sich nach oben. Derselbe besteht aus hyaliner Knorpelsubstanz. Die laterale Platte unter- liegt bei älteren Individuen im ihrem Randabschnitt strecken- weise einem wmetaplastischen Verknöcherungsprocess (Fig. 21, m. K.). Das Lumen der Tuba beträgt an den weitesten Stellen 0,05 mm. Die Schleimhaut kleidet den dorsalen Absehnitt der köhre aus, trennt sich aber im ventralen von den Lippen, und zwar früher von der lateralen, um einen zierlichen, mehrfach ge- falteten Luftsack von sehr klemen Dimensionen zu bilden. Der- selbe wendet sich beinahe im rechten Winkel medial und um- lagert den freien Rand der entsprechenden Platte, ohne mit dem- selben fest verbunden zu sein (Figg. 20 und 21, L.). Dieser Luftsack erstreckt sich auf den ganzen Verlauf der Tube. In der Nähe ihres vorderen Endes ist der Anhang am weitesten: 0,52 mm lang (beide Katheten der Ausstülpung gemessen), und im Mittel 0,06 mm weit. Nach Rüdinger wendet sich das Divertikel der Fleder- Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 363 maustube lateral, ist länglich-viereckig von Gestalt und misst vom Tubenspalt nach aussen 1,3mm, im Höhendurchmesser 0,140 mm. Es sollen bei den Fledermäusen ferner Muskeln am Tubenboden liegen. Ich konnte indess feststellen, dass sich die Tubenmuskulatur ähnlich verhält, wie beim Pferd. Dieselbe tritt in starken Bündeln an die laterale Platte heran, während der Tubenboden frei bleibt. Der Luftsack ist in Bindegewebe ein- gebettet; medial grenzt derselbe an Fettgewebe. Das Luftsack- epithel ist feines Flimmerepithel. Die zarten Wände werden aus feinen Bindegewebslagen zusammengesetzt. c) Pteropus Edwardsi. Von den grossen Fledermäusen konnte ich nur den fliegen- den Hund zur näheren Prüfung der Ohrtrompete erlangen. Auf Frontalschnitten, in welche der Kopf eines Fötus zer- legt wurde !), verfolgte ich die Eustachische Röhre vom Rachen bis zum Paukenhöhlenende. Die Pharyngealöffnungen münden in tiefen Buchten des Schlundkopfes, welche sich wie zwei Hörner unter der Schädel- basis vielfach gefaltet nach beiden Seiten erstrecken. Der Schlund- kopf bildet auch nach abwärts zu beiden Seiten des Kehlkopfes zwei Aussackungen, welche weiter, aber kürzer sind, als die oberen. Die Tuben sind beim ausgebildeten Fötus verhält- nissmässig weit. Ihr Querschnitt ist in verschiedenen Abschnitten des Organs verschieden gestaltet. Relativ weit sind die Rachen- und Paukenöffnung. Erstere bildet eine unregelmässige Quer- spalte, letztere ein dreieckiges Lumen?) (Figg. 22 und 25, ©. ph., O.t.). Hinter der Rachenöffnung ist dasselbe am engsten und unregelmässig gestaltet. Nur eine dorsale Ausbuchtung bewahrt durchweg dieselbe Form. Die Muskulatur bleibt, bis auf das tynipanale Ende der Tube, an der lateralen Seite. Nur tympanal finden sich auch am Tubenboden Muskeldurehschnitte. Nach dem Befunde an diesem Präparate ist die untersuchte Species mit einer homologen Bildung der Tuba, wie die kleinen Fledermäuse, nicht ausgestattet. 1) Untersuchungsmethode wie bei den Pferdeföten. 2) Die Schnitte liegen nicht völlig senkrecht zur Längsachse des Kopfes und geben deshalb kein genaues Bild. 364 Peter: Mit dem Mangel des Tubenanhanges bei Pteropus ist noch nicht dargethan, dass derselbe den grossen Fledermäusen über- haupt fehlt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Luftsack bei den, unseren Fledermäusen besonders in der Lebensweise näher stehenden Vampyren gefunden wird. Physiologische Betrachtung. Eustachius betrachtete die Ohrtrompete nach der humoral- pathologischen Auffassung der medizinischen Wissenschaft seines Zeitalters als Abzugskanal für die Krankheitsstoffe aus dem In- neren des Ohres!). Mit dem allmählichen Verfall dieser Lehre, welcher sich im Laufe der Jahrhunderte durch die Fortschritte der Naturwissenschaften vollzog, hat diese Ansicht über die Funktion der Tube eine gründliche Modifikation und Erweiterung erfahren. Die Aufklärung über die Funktion der Organe ist namentlich durch Unterstützung der Physik vom früheren teleolo- gischen Standpunkte in vernünftige wissenschaftliche Bahnen ge- lenkt werden. Die Funktion des Gehörapparates ist besonders durch die Untersuchungen von Hansen, Helmholtz, Corti u. A. genau erkannt worden. Für die speeifische Leistung des Gehörorgans spielt die Ohrtrompete nur eine untergeordnete Rolle. Was ihre Aufgabe betrifft, so gesteht man derselben heute noch im Sinne der Eustachianischen Auffassung mutatis mutandis die Eigenschaft emes abführenden Kanals zu. Durch die Flimmerhärchen werden sich in der Trommelhöhle ansammelnde Flüssigkeiten nach der Rachenhöhle befördert. Die Tube hat ferner einen allerdings verhältnissmässig wenig festen Verschluss gegen den Schlundraum. Nach Magnus?) und Hartmann?) 1) Bartholomäus Eustachiusl. e.: Erit etiam medieis hujus meatus cognitio ad reetum medicamen- torum usum maxime utilis, quod scient posthae ab auribus non angu- stis foraminibus, sed amplissima via posse materias etiam crassas vel a natura expelli vel medicamentorum ope, quae masticatoria appellan- tur, commode expurgari. 2) Verhalten des Gehörorgans in comprimirter Luft. 3) Experimentelle Studien über die Funktionen der Eustachischen Röhre. Leipzig 1879. Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 365 beträgt die Dichtigkeit des Tubenverschlusses des Menschen beim Aufenthalt in eomprimirter Luft mehr als 100 mm Hg. Durch Compression der Luft in der Rachenhöhle (positiver Valsalva- scher Versuch) öffnet sich die Mündung schon auf 20—50 mm Hg. Die wichtigste Funktion der Tube ist Ausgleichung des Luftdruckes an der äusseren und inneren Seite des Trommelfells. Da die äusseren Druckverhältnisse nicht schnell wechseln, ist nur zeitweilige Verbindung mit der Rachen- höhle nöthig. Ungleichheit des Luftdrucks an beiden Seiten des Trommelfells würde dessen Spannung ändern und damit tritt, wie seit Johannes Müller bekannt ist, ene Veränderung der Hörfähigkeit ein. Im allgemeinen zeigt sich eine Abnahme derselben, die aber am auffallendsten für tiefere Töne ist!). Für die Paukenfellschwingungen wird der grösste Nutzeffekt er- zielt, wenn das Paukenfell von einer Seite möglichst gegen die Sehallwellen geschützt ist?). Aus diesen Bedingungen, welehe von der Funktion des Mittelohres für ein gutes Hören beansprucht werden müssen, lässt sich folgern, dass bei einem ausgezeichneten Gehör die Rachenmündung der Tuba luftdicht geschlossen sei, dass sie aber nach Bedarf zur Ausgleiehung des Luftdrucks muss geöffnet werden können. Diesen Forderungen ist bei Einrichtung der Ohrtrompete des Pferdes in ausgiebigster Weise Rechnung ge- tragen. Einerseits bildet die unter gewisser Spannung stehende Deckklappe ein sicheres Verschlussstück, andererseits wird durch Anordnung der Mm. tensor et levator veli eine ausgiebige Er- weiterung der Tube ermöglicht. Unterstützt wird diese Wirkung durch den M. salpingo-pharyngeus, welcher vermöge seiner An- heftung die Deckklappe direkt abhebt. Hiermit steht die praktische Erfahrung in Einklang, dass die Pferde äusserst scharf hören. Es ist bekannt, dass man die Mustangs in den weiten Pampas des La Plata nur schwer überraschen kann, weil diese verwilderten Abkömmlinge unseres Hauspferdes durch das Gehör vor jeder noch so vorsichtigen Annäherung des Menschen oder 1) Hermann, Handbuch der Physiologie. II. Thl. S. 57. 2) Mach und Kessel, Die Funktionen der Trommelhöhle und Tuba. Sitzungsbericht der Wiener Akademie. 3. Abthlg. 1872, 366 Peter: eines Raubthieres gewarnt werden und gewöhnlich entkommen. Auch beim Soldatenpferd ist man in der Lage, sich von dem vorzüglichen Gehör des Pferdegeschlechts zu überzeugen. Die Kavallerievorposten einer ruhenden Truppe ptlegen bei Nacht das Ohrenspiel ihrer Pferde zu beobachten, weil dasselbe auf die lei- sesten, dem Reiter noch unhörbaren Geräusche aufmerksam macht. Diese Bevorzugung des Pferdes in der Hörfähigkeit würde also in der Tubeneinriehtung eine ausreichende Erklärung finden; es liegt indess nahe, auch ihre Beziehungen zu den Luftsäcken ins Auge zu fassen. Sind in diesen Apparaten vielleicht Einrichtungen zu er- blieken, welche die Hörfähigkeit ebenfalls steigern ? Bei den übrigen Thierfamilien, von welchen die Luftsäcke bekannt sind, ist im gleicher Weise, wie beim Pferde, auf ein empfindliches Gehörorgan zu schliessen. Die wildlebenden Tapire werden als scheue, nächtliche Thiere geschildert, welche versteckt in den Urwäldern Süd- amerikas leben und beim geringsten Geräusch entfliehen. Diese Thiere sind bei ihrer Lebensweise in den dichten Wäldern weit mehr auf das Gehör angewiesen als auf das Gesicht, welches wegen der umgebenden Bäume und eines beständig herrschenden Liehtmangels nicht zur genügenden Geltung kommen kann. Das Diluvialpferd, der nächste Vorfahr unseres Hauspferdes, lebte unter ganz ähnlichen Verhältnissen, wie heute der Tapir. Wenn sich nun auch die Lebensbedingungen für das recente Pferd geändert haben, so haben sich doch die Formen des Equus fossilis nach den wissenschaftlichen Forschungen bis auf ganz unbedeutende Unterschiede bewahrt ). Und so dürfte sich auch diese Besonderheit in der Einrichtung der Tube erhalten haben. Der Verziehtleistung auf den Gebrauch des Auges sind noch mehr die Nacht-Fledermausarten unterworfen. Es ist anzuneh- men, dass diesen Thieren von der Natur dadurch ein Aequivalent geboten wird, dass der Gehörapparat vorzüglich entwickelt wird. Unmöglich lässt sich das Vorkommen des Luftsackes bei den Vespertilioniden als eine verwandtschaftliche Beziehung zu den Unpaarzehern deuten. Die Tubenanhänge erscheinen hiernach vielmehr als das 1) Nehring, Franck u. A. Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 367 Produkt besonderer und gleicher Lebensbedingungen, als eine Convergenzerscheinung. Unter gleichen äusseren Le- bensbedingungen beobachtet man in der Natur häufig das Zu- standekommen gleicher oder ähnlicher Formen, die aber nicht unter sich im Verwandtschaftsverhältniss stehen. Die Klippschliefer erfreuen sich nach den Berichten, welche ihre Art und Weise in der Freiheit schildern, gleichfalls eines empfindlichen Gehörs. Das Vorhandensein des Luftsackes kann auch bei diesen Thieren als Convergenzerscheinung aufgefasst werden. Alle diese Beobachtungen gestatten die Annahme, dass dieLuftsäcke die Hörfähigkeit vervollkommnen. Welche speeifische Funktion dem Luftsack beim Hören zu Theil wird, gelang bis jetzt nicht einwandfrei festzustellen. Dieser Umstand zeitigte eine Reihe von Hypothesen. Fast jeder Autor hat eine neue Theorie aufgestellt, sodass der bekannte Physiologe Chauveau in seinem Handbuche über Veterinär- Anatomie 1890 mit vollem Recht schreibt!): „Quoi qu'il en soit les fonetions des poches gutturales sont loins d’&tre eonnues“. Es erscheint daher wünschenswerth, den verschiedenartigen Anschauungen eine eursorische Betrachtung zu widmen. Einige Schriftsteller halten die Luftsäcke für elastische Kissen, welche bei starken Beugungen und Streekungen des Atlanto-Oceipitalgelenks den Kopfnerven und Gefässen als Polster dienen sollen. Eine solche Auffassung kann nicht völlig befrie- digen, denn es ist nicht ersichtlich, warum gerade beim Pferde und den wenigen anderen Species ein Schutzpolster für die Ge- fässe und Nerven gegen die Kopfbewegungen nothwendig sein soll. Selbst extremste Beugungen stören bei anderen Thieren die Funktion dieser Organe nicht. Ferner sollen die Luftsäcke das Gewicht des Pferdekopfes vermindern helfen. Diese Aufgabe erfüllen sie auf jeden Fall, denn diese Beziehung derselben zum Gewicht des Kopfes ist wohl durch den Bau des Vogelkörpers ausser Zweifel gestellt. Da die Natur diesem Ge- setz aber bei den Einhufern in weit vollkommener Weise durch die grossen Lufthöhlen der Oberkiefer-, Stirn- und Keilbeine Rechnung trägt, so dürften die Luftsäcke diesem Zwecke erst 1) 1.7€.P..029 Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 24 368 Peter: in zweiter Linie neben einer andern Hauptfunktion dienen. Nur um es zu erwähnen, mag hier des wenig wissenschaft- lichen Argumentes gedacht werden, wonach die Tubenaussackung da wäre, um den Raum zwischen Schädelbasis,Schlund- kopfundAtlas auszufüllen, damitdieOÖhrdrüsen- segend nicht durch tiefes Einfallen entstellt würde. Demgemäss existirten die Anhänge nur aus Schönheits- rücksichten. Von denjenigen Hypothesen, welche den Luftsäcken eine bestimmtere Funktion zuschreiben, ist diejenige am leichte- sten zu widerlegen, welche einen Einfluss dieser Gebilde auf die Stimme des Thieres annimmt. Die Luftsäcke sollen das dem Pferdegeschlecht eigenthümliche Wiehern bedingen und der Stimme einen eigenartigen Klang ertheilen, sowie das Hören der eigenen Stimme unterstützen !)?). Diese Deutung ist schon von verschiedenen Seiten zurück- gewiesen worden. Im Besonderen unterzieht sich der namhafte Autor Perosino?) in seiner Abhandlung der Mühe, zur Führung des Gegenbeweises, alle diejenigen Theile aufzuzählen, welche bei den Zoologen und Physiologen vermöge ihrer Lage, Form und Struktur als Hilfsmittel des Stimmapparates gelten. Wenn man nun die Lage der Luftsäcke hinter dem Pharynx und die ihrer Oeffnungen oberhalb und seitlich vom Kehlkopfe be- denkt, so muss man daraus folgern, dass sie weder Ein- fluss auf die Stimmbildung noch auf die Klangfarbe der Stimme haben können. Zur deutlicheren Wahrnehmung der ei- genen Stimme bedarf es keiner besonderen Vorrichtung. Hierzu ist nur erforderlich, dass die Tubenrachenmündung geöffnet wird. Es ist”aber nieht einzusehen, welchen Vortheil das deutlichere Hören der eigenen Stimmen diesen Thieren bringen soll*). Nach Colin?) vermag auch die Eröffnung der Luftsäcke keine merk- liehe Aenderung in der Qualität der Stimme hervorzubringen. Dr Müller,il..e, 1871785.220. 2) Girard, Anatomie d. Hausthiere, übersetzt von Schwab. 1811. 3 4) Beim Menschen tritt in Folge Offenstehens der Tube Auto- phonie ein, d. i. starkes und dröhnendes Hören der eigenen Sprache. Ostmann, Archiv für Ohrenheilkunde, Bd. 34, H. 2, 1892. 5) Trait& de physiologie. Tom. 1° p. 373. cD Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 36 Die Beziehung, welche die Luftsäcke zur Athmung haben sollten, glaubte Perosino!) im Jahre 1850 entdeckt zu haben. Seine Behauptungen, welche er 1855 durch Experimente zu er- härten strebte, gingen dahin, dass die Luftsäcke bei der Exspi- ration Luft aufnehmen und bei der Inspiration wieder abgeben sollten. Ihr geräumiger Inhalt, ihre verschiedene, aber immer mit den Respirationsbewegungen iso- chrone Spannung führe zu der Annahme, dass ihre Verrichtung vollständig in Beziehung”zur Athmung stehe. Den beständigen Luftwechsel in den Säcken wollte er durch eine Art Alkohol- manometer erkennen. Dieses bestand aus einer U-förmig gebo- genen Glasröhre, deren einer Schenkel durch eine künstlich an- gebrachte Oeffnung im M. masto-styloideus mit dem rechtwinkelig umgebogenen Ende in den Luftsack geschoben wurde, während der andere mit der atmosphärischen Luft eommunieirte. Bei dem Ausathmen stieg der Alkohol im freien Schenkel der Röhre und beim Einathmen senkte sich das Niveau wieder. Bei hefti- gen Exspirationen stieg der Alkohol bis zum Ende der Röhre und bei der darauffolgenden Inspiration wurde derselbe oft zum grössten Theil in den Luftsack eingesogen ?). j Günther?) wiederholte im Jahre 1875 diese Experimente. Er fand Schwankungen einer in gleicher Weise benutzten Wasser- säule sehr gering und ungleich. Sie betrug im Maximum kaum '/,ecm und nachdem sich die Röhre beim „Sparrlen“ drei- mal in den Luftsack entleert hatte, traten keine Schwankungen mehr auf. Nach Günther rühren die anfänglichen Schwankun- gen der Wassersäule von den Bewegungen der hinteren Rachen- wand her, welche durch die Aspiration beim Einathmen einsinkt, beim Ausathmen dagegen durch die gegenstossende Luftsäule gebogen wird und den Raum verkleinert. Wird die hintere Rachenwand durch das eingesogene Wasser beschwert, hören die Bewegungen derselben und damit die Schwankungen der Wasser- säule auf. Die Richtigkeit der Günther ’'schen Gründe wird in bester Weise durch die oben gegebene topographische Beschrei- bung der Luftsäcke gestützt. Hiernach mündet die Glasröhre in ep. €: pl il. 2): 3) Jahresbericht der Thierarzneischule zu Hannover. 1873. 370 Peter: der medialen Abtheilung, deren unterer Abschnitt auf der hinteren Pharynxwand ruht, welche besonders an der bekannten muskel- freien Stelle leicht beweglich ist. Günther vermochte ferner die Bewegungen an todten Thieren an der freigelegten Schlund- koptwand durch Einblasen und Ansaugen von Luft künstlich zu erzeugen. Der Verfasser machte noch die interessante Beobach- tung, dass, als er die Röhre zum 4. Male füllte, das Wasser im freien absteigenden Schenkel stehen blieb, so dass sich das Ni- veau in den communieirenden Röhren nicht ausglich, bis das Wasser bei erneutem „Sparrlen“ in den Luftsack schoss. Hiernach ist der Schluss gerechtfertigt, dass sich die Span- nung im Luftsack nicht ausglich, dass also die Pharynxöffnung während Ein- und Ausathmung geschlossen sein musste. Dieses Experiment bestätigt also ebenfalls das Ergeb- niss, welches auf Grund der oben dargelegten anatomischen Ver- hältnisse gewonnen wurde. Von vielen Seiten hat man endlich den Luftsack als einen Hilfsapparat des Gehörorgans bezeichnet. Von vorn- herein erscheint diese Auffassung als die plausibelste; denn in Folge seiner Entstehung und seines engen anatomischen Verhält- nisses zur Tube gehört der Luftsack zu diesem Sinnesapparat. Ueber die Art der Hilfeleistung sind die Meinungen getheilt: Die Mehrzahl glaubt, dass er die Aufgabe habe, die Pauken- höhle unter allen Umständen, z.B. im schnellen Lauf, mit der nothwendigen Menge vorgewärmter Luft zu versorgen, um das Gehör immer unter den besten phy- siologischen Bedingungen zu erhalten. Dieser Zweck wird that- sächlich mit einer Tube ohne diese Anhänge, wie sie bei den meisten Säugern vorhanden ist, ebenso gut erreicht. Auch kann von einer Vorwärmung und Sättigung der Luft mit Feuchtigkeit nicht die Rede sein, denn die Paukenhöhle steht mit dem Luft- sacke durch die Tube in offener Verbindung. Die Einrichtung lässt vielmehr annehmen, dass die Tuben- anhänge eine Schall verstärkende Funktion haben. Letz- tere Vermuthung ist schon im Jahre 1871 von Franck!) in unzweideutiger Weise ausgesprochen worden. Er schreibt: „Ich halte den Luftsack für einen Resonator, der zum Theil durch 1) 1. e. $. 38 und 737. Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. Sl den Griffelfortsatz der Muschel, zum Theil durch verschiedene Stellung des Kopfes erweitert und verengert und demnach für verschiedene Töne angepasst werden kann. Er würde demnach für das Ohr dieselbe Bedeutung haben, wie das Mikroskop für das Auge. Der Resonator bringt bekanntlich Töne, die gleich dem Eigenton des Resonators sind, noch deutlich zur Wahrnehmung, auch wenn sie für gewöhnlich nieht mehr gehört werden. Der Lutt- sack des Pferdes stellt aber einen sehr vollkommenen Resonator dar, da er auf verschiedene Eigentöne durch Verengerung ge- stellt werden kann.“ Diese Eigenschaft der Luftsäcke würde die Thiere befähigen, Tongemische zu analysiren. Mehrere wei- ter entfernte Schallquellen, deren Schwingungen unregelmässig und ungeordnet als schwaches Geräusch an ein derartig ausge- stattetes Ohr gelangen, könnten schnell auf ihre Zusammen- setzung geprüft werden. Hierdurch liesse sich die Art der Schallwelle erkennen. So würde beispielsweise dem Mustang, dem Tapir u. s. w. der herannahende Feind frühzeitig durch seine Stimme oder in grösserer Nähe durch das Geräusch seiner Bewegungen angekündigt. Wenn die Franck’sche Auffassung von der Funktion der Luftsäcke richtig ist, so muss die Bedin- sung gestellt werden, dass die Schallwellen zu den Räumen freien Zutritt haben. . Derselbe ist natürlich nur durch die Eu- stachische Tube denkbar. Diese müsste sich zu dem Zwecke nach Bedarf öffnen können. Die Eimrichtung der Tubenmusku- latur beim Pferde gestattet, wie oben gezeigt, in der That eine solehe Annahme. Nun haben aber Mach und Kessel!) nach- gewiesen, dass eine gleichzeitige Zuleitung des Schalles von der Tuba und dem äusseren Gehörgang aus die Bewegungen des Trommelfelles herabsetzt und vermindert. Diese Gründe würden also die letztere Auffassung von der Thätigkeit des Apparates für hinreichend starke Schallwellen ausschliessen. Auf entfernte, und mit den gewöhnlichen Hilfsmitteln nicht mehr wahrnehmbare Geräusche dagegen können die Mach schen Sätze keine Anwendung finden, da die hervorgebrachten Luft- schwingungen so schwach sind, dass sie für sich allein das Trommelfell nicht in Bewegung zu setzen vermögen, sondern zur IDElze. os — 109) Peter: Hervorbringung eines Effektes auf dasselbe erst Multiplikation durch den Luftsack-Resonator erfahren müssen. Diese Schwin- gungen der Resonatorluft würden dann natürlich ungeschwächt auf das Trommelfell übertragen und die Gehörwahrnehmung würde so verdeutlicht werden. Eine Probe auf die Richtigkeit dieser Theorie liesse sich dadurch anstellen, dass man den Luftsack durch ein Rohr mit dem eigenen Ohr in Verbindung bringt. Wenn das Rohr luftdicht im äusseren Gehörgang befestigt worden ist, so hat man das eigene Ohr mit dem Resonator des Pferdes bewaffnet und könnte denselben prüfen. Aus Mangel an einem geeigneten Objekte konnte ich diesen Fragen vorläufig nicht näher treten. Literatur. Chauveau, TraitC d’anatomie comparce des animaux domestiques 1890. Colin, Traite de physiologie comparee. Tom. ‚de Eustachius Bartholomaeus, Opuscula anatomiea. De auditus organo, Roma MDLXTI. Franck, Handbuch der Anatomie der Haussäugethiere, 1871. Girard, Anatomie der Hausthiere, übersetzt von Schwab, 1811. Günther, Topographische Myologie des Pferdes, 1866. Derselbe, Jahresbericht der Thierarzneischule zu Hannover, 1875. Gurlt’s Handbuch der vergleichenden Anatomie der Haussäugethiere, neu bearbeitet von F. Leisering und C. Müller. 5. Aufl. 1873. Hartmann, Experimentelle Studien über das Verhalten der Eustachi- schen Röhre. Leipzig 1879. Hermann, Handbuch der Physiologie, II. Theil. v. Kostanecki, Zur Morphologie der Tubenmuskulatur. Archiv für Anatomie und Physiologie, 1891. Lecoeq, Diectionaire d’Hurtel et de l’&cole veterinaire de Lyon. Mach und Kessel, Die Funktion der Trommelhöhle und Tuba, Sitzungsbericht der Wiener Akademie. 3. Abthlg. 1872. Magnus, Verhalten des Gehörorgans in comprimirter Luft. Moos, Beitrag zur normalen und pathologischen Anatomie und zur Physiologie der Eustachischen Röhre, Wiesbaden 1874. Müller, Fr., Lehrbuch der Anatomie der Haussäugethiere. 2. Aufl. 1871. Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 373 Ostmann, Die Würdigung des Fettpolsters an der lateralen Tuben- wand. Archiv für Ohrenheilkunde. Bd. XXXIV. H. 2. 1892. Perosino, Di nuovo sull’ anatomia e sulla fisiologia delle saceoccie aeree gutturali dei solipedi 1879. Peuch, Dictionaire pratique de medeeine, de chirurgie ete. veteri- naires par Bouley et Renault. wüdinger, Beitrag zur vergleichenden Anatomie der Öhrtrompete, 1870. Zuckerkandl, Ueber die Ohrtrompete des Tapir und Rhinozeros. Archiv für Ohrenheilkunde. Bd. XXII. 1885. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XNIX—XXI und Fig. a. Bezeichnungen, welche sich in den Figuren wiederholen: L. = Luftsack. lat. A. —= laterale Abtheilung. med. A. — mediale Abtheilung. o.E. = occipitales Ende. ph.E. — pharyngeales Ende. a — Tuba: Ik. — Tubenknorpel. lat. TKk. — lateraler Tubenknorpel. med. Tk. = medialer Tubenknorpel. o. ph. — Ostium pharyngeum. u..N. — unterer Nasengang. Co. — Verbindung zwischen beiden Luftsackabtheilungen. Ph. — Pharynx. K. — Kehlkopf. 2. — Zungenbeinhorn. ım. — Tubenmuskuskulatur (mm. tensor et levator veli palatini). Fl.m.pt.i. — Fläche der lateralen Abtheilung, begrenzt von der late- ralen Portion des Muse. pterygoideus internus. Ff. — Flügelfortsatz. a.m.i. — Art. maxillaris interna. B.d.a.m.i. = Bett der Art. maxillaris interna. a.al.i. — Art. alveolaris inferior. 2,c. — Art. carotis. m.st.ph. = Muse. stylo-pharyngenus. sph. —= Os sphenoidale. 374 Pieter: bsph. = Basisphenoidale. Afg. — Ausführungsgänge. mf. = glatte Muskelfasern. rw. = rachenwärts. tw. =tympanalwärts. Fig. a 1—7 (Nat. Gr.): Querschnitte durch die rechte Tube eines Pferdes. Tympanal und pharyngeal zeigt sich die Tube als geschlossenes Rohr (Sehnitt 1, 2 und 7), in der Mitte (Schnitt 3—6) bildet die Tuben- schleimhaut den Luftsack, dessen Durchschnitt schematisch angegeben ist. Th. = Tubenhaken. Pr. st. —= Processus styloideus der Paukenbhöhle. w. — muschelartige Wölbung des Knorpels. lu. = weitestes Lumen der Tuba. Tafel XIX. Fig. 1 (1:2): Medianschnitt durch den Pferdekopf. Der Luft- sack ist von innen her geöffnet. Die angrenzenden Organe sind deutlich durch die Höhlenwände sichtbar. D. = Deck- klappe. 0.W.= oberer Winkel. u.W.= unterer Winkel der Tubenrachenmündung. m. s. ph. = Muse. salpingo pharyngea (pars palato-salpingo-pharyngeus. v. Kostanecki). m.pt.i. = Muse. pterygoideus internus (mediale Portion). nn.hp. und &1.— Nn. hypoglossus und glossopharyngeus. m.m. st. = Muse. masto-styloideus. H.—= Hinterhauptsbein. A. = Atlas. V. = Gaumensegel. Fig. 2 (1:2): Wachsausgüsse beider Luftsäckeiisolirtund von vorn gesehen. dr.Z2.—= dreieckiger Zipfel. u.R. = unver- änderlicher Raum der medialen Abtheilung in der Fossa con- dyloidea inferior gelegen. M. — Muskelausschnitt für die mm. recti capitis maiores et minores. B. d.nn.ac. vag. gl. ph. — Bett der nn. accessorius, vagus und glossopharyngeus med. W.— mediale Wand. ©. = Berührungsflächen beider Luftsäcke. o. Wd. — obere Wand, liegt an der Schädelbasis. S.—= Spitze der la- teralen Abtheilung. B.d.t. = Bett des Tubenknorpels. Za. = Ausschnitt für das grosse Zungenbeinhorn. Fig. 3 (1:2): Seitliche Ansicht eines Luftsackausgusses. Ff. = Recessus der medialen Abtheilung, welcher sich in die Flügel- grube des Atlas erstreckt. ab.—=Loth von der Spitze zur Basis der lateralen Abtheilung. B.d.a.t. — Bett der Art. tem- poralis. B.d.a. au. — Bett der Art. auricularis. v. W. = Winkel, in welchem obere und pharyngeale Wand zusammentreffen. Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. 315 Tafel XX. Fig. 4 (2:3): Die Höhlenausgüsse in situ, umgeben von den anserenzenden Gefässen und Nerven. a.c. e —= Art. carotis externa. a. c. i. = Art. carotis interna. a. oc. — Art. oceipitalis. a. au. = Art. aurieularis. a. z. t. — Art. zygomatico- temporalis. a. a. i.= Art. alveolaris inferior. a. m. e. —= Art. maxillaris externa. n. hp. = Nerv. hypoglossus. n. gl. ph. = Nerv. glosso-pharyn- geus. n. st. h.=Nerv. stylo-hyoideus. n. f.= Nerv. facialis. n. au. i.=Nery. aurieularis internus. n.z.t.= Nerv. zygoma- tico-temporalis. n.t.s.— Nerv. temporalis superfieialis. r. m.i. — ramus maxillaris inferior des Nerv. trigeminus. n. m. — Nerv. massetericus. n. pt.—=Nerv. pterygoideus n.a. m. i. = Nerv. alveolaris maxillaris inferioris. n. 1. = Nerv. lingualis. Pr. ar. = Processus articularis des Hinterhauptsbeines. Pr. st. — Processus styloideus. F. c. i.— Fossa condyloidea inferior. Gf. = Griffelfortsatz der Ohrmuschel. Mk. = Muschelknorpel. v.Fl.= vordere Fläche, begrenzt von der medialen Portion des Muse. pterygoideus internus. Fig. 5 (1:34): Tubulöse Einzel-Drüsen aus der Luftsackschleimhaut eines erwachsenen Pferdes. Afg.— Ausführungsgänge. Fig. 6 (1:34): Drüsen der fötalen Luftsackschleimhaut des Pferdes. Fig. Fig. 8. Mdg. = Mündung der Drüsen an der Oberfläche der Schleim- haut a. Nrienewey \\ene. Stark vergrösserter Querschnitt durch die Luftsackschleim- haut. muc. = Mucosa. smuc. = Submueosa. t.— Tubuli. muse. — Bindegewebsschicht, mit mf. = glatten Muskelfasern. Ebenso Endschläuche eines Drüsenzweiges. Figg. 9-11 (1:7): Frontalschnitt durch den Kopf eines 71/, Wochen Fig. Oo 12 alten Pferdefötus. 1. A. = laterale Lücke entspricht der Lage der lateralen Abtheilung des Luftsackes. o.t. = Os temporale. O.sph. = os sphenoidale. Tafel XXI. (Nat. Grösse). Medianschnitt durch den Kopf eines Tapirfötus (Tapirus americanus). bocec. = Basioccipitale. Fiss. 13—15 (1:7): Drei Querschnitte durch rechte Tube und Luftsack des Tapirfötus. Fig. 13 aus der Nähe des Pharynx, Fig. 14 aus der Mitte, Fig. 15 tympanalwärts. Fig. 16 (Nat. Grösse). Medianschnitt durch einen Hyraxfötus (Hyrax capensis). 376 Peter: Die Ohrtrompeten der Säugethiere und ihre Anhänge. Figg. 17—19 (1:10): Drei Querschnitte durch linke Tube und Luftsack von Hyrax. Üg = Uebergang aus der Tube in den Luftsack. Figg. 20—21 (1:24): Zwei Frontalschnitte durch den Kopf der Fleder- maus (Vespertilio murinus). Fg. = Fettgewebe, welches Tube und Luftsack medial angelagert ist. m. K. = verknöcherter Abschnitt der lateralen Lamelle. Figg. 22—25 (1:7): Frontalschnitte durch den Kopf eines Fötus von Pteropus Edw. C.t.=Cavum tympani. 0. t.= Ostium tym- panicum. 377 (Aus dem anatomischen Institut zu Rostock.) Zellstudien. Von Dr. Friedrich Reinke, Privatdocent und Prosektor am anatomischen Institut in Rostock. Hierzu Tafel XXII—-XXIV und eine Figur im Text. Inhalt. Etwas über die feinere Struktur der Keimschichtzellen der menschlichen Haut. Ueber Leukocyten, Körnchenzellen, fixe Bindegewebszellen (Zellplatten), und Bildung collagener und elastischer Fasern. Ueber Pigment, seine Entstehung und Bedeutung (Tropho- plasten). Ueber die Struktur des Kerns (Oedematin, Verhalten der Nucleolen in der Mitose, Kernmembran, Polfeldanordnung). Ueber Differenzirung verschiedener Kernarten. Ei er ou Einleitung. „Die menschliche Histologie ist mit wenigen Ausnahmen so vollständig bearbeitet, dass ohne bedeutende Verbesserung unserer optischen Hülfsmittel wenig Ausbeute in diesem Felde der For- schung mehr in Aussicht steht. Nur durch Anwendung neuer Methoden in der Untersuchung, dürften noch einige Resultate zu erzielen und zweifelhafte Fragen zur Entscheidung zu bringen sein.“ So leitet der Altmeister unserer Färbetechnik J. Gerlach im Jahre 1858 seine „Mikroskopischen Studien“ ein. Es ist nützlich an diesen vor 35 Jahren gethanen Ausspruch zu erinnern und zugleich darauf hinzuweisen, welche eminenten Fortschritte die mikroskopische Forschung seitdem gemacht hat, da es auch jetzt eine pessimistische Strömung giebt, die „den Rahm für ab- geschöpft“ hält. | Neben der Auffmdung günstiger Objekte haben wir that- sächlich durch die Verbesserung der Methoden, sei es auf physi- kalischem, sei es auf chemischem Wege, die Möglichkeit erhalten, Archiv f. mikrosk, Anat, Bd. 43 25 318 Friedrieh Reinke: weiter zu kommen. Grade wie vor 55 Jahren ist auch heute nicht zu sagen, wie wir tiefer in die Geheimnisse des organi- schen Lebens eindringen werden, dass es aber eine andere Grenze als in der vorübergehenden Unfähigkeit des Menschen giebt, die vorhandenen Mittel methodisch auszunutzen, möchte ich bezweifeln. Die geringen Beiträge zur Kenntniss der Zelle, die ich bei meinen Studien errungen habe, sind an günstigen Objekten fast alle durch Anwendung neuerer Methoden gewonnen, die ich theils anderen verdanke, theils selber ausprobirt habe. Leider haben diese Studien dadurch etwas Zerstückeltes, dass sie sich nicht mit einem Kapitel allein beschäftigen. Doch hat dies seinen Grund darin, einmal, dass meine Beobachtungen zu verschiedenen Zeiten gemacht wurden, sodann aber dieselben sich nach dem jeweiligen Material richten mussten, was nicht immer derartig zur Hand ist, dass man in gegebener Zeit ein Problem nach jeder Riehtung hin zur Lösung bringen kann; ich rechne dabei in vielen Punkten auf die Folgezeit. Was die Darstellung betrifft, so kam es mir hauptsächlich darauf an, möglichst klar und einfach zu sein. Es erscheint mir dies auf einem Gebiet, das an und für sich schon schwierig ge- nug ist und wo Wahrheit und Schein so schwer auseinander zu halten sind, in besonderem Maasse nothwendig zu sein. Aus die- sem Grunde sind die Zeichnungen meistens in möglichst grossen Dimensionen und übersichtlich angelegt. Sollte meine Absicht, vor Allem verständlich zu sein nicht ganz gelungen erscheinen, so liegt das sicher nicht am Willen. Wenn auch die Art der Darstellung wesentlich Sache des persönlichen Geschmacks ist, sollte uns jüngern aber nicht doch auch hierin Henle ein uner- reichtes Muster sein? Obschon ich eine genaue literarische Uebersicht aufs Höchste schätze, so lag doch eine Besprechung der gesammten Literatur deshalb nicht im Plan, weil die einzelnen Kapitel, aus oben an- geführten Gründen, nichts Abgerundetes bieten konnten. In allen nothwendigen Fällen ist aber auf die Literatur natürlich hinge- wiesen worden. Ein kleiner Theil meiner Beobachtungen wurde noch im Kieler anatomischen Institut, der grössere und wichtigere hier in Rostock gemacht. Den Leitern beider Institute bin ich dank- barst verpflichtet, für das mir in beiden Zeiten gezeigte Inter- Zellstudien. 379 esse an meinen Bestrebungen, für vielfache Anregungen, Rath- schläge und Unterstützungen; damit wird ja die Selbstständigkeit meiner Arbeit, die allemige Verantwortlichkeit meines Urtheils nicht beeinträchtigt. Schliesslich möchte ich noch bemerken, dass ich hier und da, wo ein exakter Nachweis vorläufig noch nicht ganz möglich war, der Hypothese nieht entrathen konnte. Ich verweise aber auf die Worte Henle’s in dem Programm der „Zeitschrift für rationelle Mediein“: ‚„Ausgerüstet mit Hypothesen, die dem Forscher nur nieht an’s Herz gewachsen sein dürfen, wird er mehr und manches richtiger sehen“ und im „Hand- buch der rationellen Pathologie“: „Der Tag der letz- ten Hypothese wäre auch der letzte Tag der Beobachtung...... Eine Hypothese, die durch neue Fakten verdrängt wird, stirbt eines ehrenhaften Todes; hat sie gar die Thatsachen, durch welche sie vernichtet wurde, selbst zu ihrer Prüfung heraufberufen, so verdient sie ein Monument der Dankbarkeit.“ A. Etwas über die feinere Struktur der Keimschieht der menschlichen Haut. Taf. XXJH, Fig. 1. In diesem Archiv Bd. 42, pg. 1ff. hat Kromayer ‚über das Oberhautpigment der Säugethiere‘ eine Arbeit veröffentlicht, in der er in Begründung einer neuen Lehre über die zwischen den Zellen liegenden Chromatophoren und der Genese des Pig- ments, zu der Ansicht kommt, dass die Chromatophoren keine Zellen seien, sondern zu Pigment umgewandelte Fibrillen der Epithelzellen. Er bezieht sich dabei auf die Thatsache, dass man nicht im Stande sei zu sagen, wo höre die Protoplasmafaser der einen Zelle auf, wo fange die der andern an. Die Kromayer’sche Methode ist sehr schön, allein seine Deduktionen dürften schwerlich allgemeinen Beifall finden. Ich habe schon vor mehreren Jahren im Kieler Institut die Fibrillen dieser Zellen auf folgende Weise zur Darstellung gebracht. Von menschlicher Fingerhaut, in Alkohol gehärtet, werden sehr dünne Paraftinschnitte mehrere Tage in econcentrirt alkoholischer Saffranin- lösung, die halb mit Wasser verdünnt ist, gefärbt, in Wasser gut abgespült, in Jodjodkalilösung 1—3 Stunden gelegt, in absolutem Alkohol mit Pikrinsäure, von der Farbe eines Rheinweins, diffe- 380 Friedrich Reinke: renzirt, noch einmal in reinen absoluten Alkohol gethan und in Bergamottöl (ev. Nelkenöl) und Lack gelegt. Ein derartiges Präparat, aus dem mittleren Theil der Sehicht ist in Fig. 1, Taf. XXII abgebildet. Der Zellleib ist roth, in ihm sieht man die sich kreuzenden dunkelrothen Fibrillen, die sich in die Inter- ceellularbrücken fortsetzen, ob alle Fibrillen eontinuirlich die Zelle durchlaufen, ist mir sehr unwahrscheinlich, an einigen kann man es sicher verfolgen. Um den Kern herum scheint ein Netzwerk zu liegen, in das ein Theil der Fibrillen sich einsenkt. Die Intercellularlücken sind überall als helle Räume deutlich zu sehen. Die Brücken zeigen in ihrer Mitte knopfartige, in manchen Fällen walzen- förmige Verdiekungen, wie Ranvier und Blaschko das be- schrieben haben. Ausserdem sieht man in fast allen Zellen rothe kömige Massen, die hier nur bei a und b wiedergegeben sind und die theilweise zu Kreisen angeordnet, namentlich um den Kern und die Peripherie der Zelle sich finden und die möglicher- weise das sind, was Manille Ide als Membran beschrieben hat. Sind diese Zellen länger ausgezogen, die Fibrillen dieker, wie an der abgebildeten Stelle, so können die Intereellularlücken, wenn die Schnitte nicht sehr dünn sind, verdeckt sein, sie fehlen aber niemals. Natürlich, wenn man die Fibrillen allein färbt, ohne die interfibrillare Substanz, so kann man die Intercellularlücken nieht sehen. Es ist also in der menschlichen Haut Ende und Anfang der Zellfibrille wohl erkennbar, jedes Zellindividuum für sich abgegrenzt. Die morphologische Bedeutung der Knöpfe ist nicht klar. Ich sehe dieselben auch sehr deutlich in einem mit Flemming ’schem Gemisch fixirten und Gentiana gefärbten Epi- theliom der menschlichen Lippengegend. Auch mit der Kro- mayer’schen Methode werden dieselben gut dargestellt, wie ich an einem so behandelten Präparat sah, das Herr Professor von Brunn die Güte hatte mir zu zeigen. Vielleicht könnte man daran denken, dass sie multiplen Zwischenkörperchen entsprechen, wie dieselben von Flemming (dieses Archiv, Bd. 37) an Binde- gewebs- und Hodenzellen beschrieben sind, es wären dann Ho- mologa der pflanzlichen Zellplatten, doch liesse sich das nur an sich theilenden Zellen feststellen und möchte ich diese Deutung nicht als meine feste Ansicht hinstellen. Mit diesen Befunden fällt das Hauptargument von Kromayer über die Natur der Chromato- Zellstudien. 381 phoren. Ueber seine Theorie der Pigmentbildung durch Zerfall der Fibrillen kann ich hier nur sagen, dass ich dieselbe dureh die beigebrachten Argumente in keiner Weise für wahrscheinlich gemacht halte. An so kleinen Objekten dürfte es überhaupt doch wohl misslich sein, die schwierige Frage nach der Bedeu- tung und Entstehung des Pigments zu entscheiden oder auch nur unserem Verständniss näher zu bringen. B. Ueber Leukoeyten, Körnchenzellen, fixe Bindegewebs- zellen (Zellplatten) und Bildung collagener und elastischer Fasern. . Taf. XXI, Fig. 11—18. Flemming!) zuerst und nach ihm M. Heidenhain) haben die Sphärenstrahlung an Leukoeyten des Salamanders be- schrieben und letzterer an Sublimatpräparaten Radiensysteme mit eoncentrischen Kreisen verdickter Partien dargestellt. Ich kann an meinen Präparaten des Bauchfells junger Salamanderlarven die Heidenhain’sche Darstellung im Grossen und Ganzen be- stätigen, doch finde ich einige, wohl durch die verschiedenen Methoden hervorgerufene, allerdings nicht unwichtige Differenzen. Meine Larven wurden in Hermann’schem Gemisch fixirt, in Leitungswasser ausgewaschen und in Merkel’scher Flüssigkeit (Alkohol, Glycerin, Wasser u. a.) aufbewahrt, mit Fuchsin und Methylenblau nach Ehrlich gefärbt, in Alkohol-Orange G dif- ferenzirt und durch Bergamottöl in Lack gebracht. Es waren also keine Schnittpräparate. Zunächst finde ich nicht, dass der ganze Körper des Leukoeyten aus Fäden besteht. Vielmehr sehe ich eine körnig netzförmige Struktur, wobei nicht zu entscheiden, ob es wirkliche Körner oder nur Netzknoten sind, auch nicht ob diese feinkörnigen Bildungen in Fäden oder ausserhalb liegen, zwischen dieser Struktur sehe ich eine hellere Masse. Diese Ver- hältnisse sind in Fig. 11 angedeutet. Ausserdem sehe ich Fäden von Centrosomen ausgehend und theilweise eoncentrische Kreis- bögen bildende stärkere Körner (Mikrosomen). Ferner finde ich in ruhenden oder fast ruhenden Zellen (Fig. 11) die Fäden im Wesentlichen von gleicher Stärke, bei offenbaren Kriechformen 1) Archiv f. mikroskop. Anatomie, Bd. XXXV1. 2) Ueber Kern und Protoplasma, Köllicker’s Festschrift. 382 Friedrich Reinke: aber (Fig. 12 u. 15) sehe ich die Fasern in ihrer ganzen oder theilweisen Ausdehnung sehr beträchtlich verschieden an Stärke, wobei sehr häufig gerade die längsten die stärkeren sind. Ich unterscheide daher feine Strahlen oder Strahlen I. Ordnung von stärkeren Strahlen oder Strahlen II. Ordnung. Auch die aus Verdiekung der Fäden bestehenden Körner der concentrischen Kreisbögen sind in ruhenden Zellen manchmal nicht sichtbar (Fig. 11), bei Kriechformen dagegen (Fig. 12 u. 13) theilweise sehr deutlich. Beide Strukturen scheinen demnach einem bedeu- tenden Wechsel zu unterliegen und zwar erscheint dieser Wechsel parallel den Bewegungsvorgängen, dem Vorstrecken und dem Contrahiren des Protoplasmas. So sieht man bei au.b, Fig. 12 offenbar ceontrahirte Partien, mehrere Strahlen I. Ordnung und keine eoncentrische Verdiekungsreihen. Dagegen bei d, offenbar einer vorschreitenden Partie, 3 Strahlen II. Ordnung und keine conceentrische Verdiekungen, bei e vielleicht einen Uebergang aus dem Vorstrecken in die Ruhelage oder beginnende Zurückziehung. Fig. 13 zeigt bei a u. b die nämlichen Gegensätze. Ich erwähne noch, dass Fig. 12 bei d in auffälliger Weise der Abbildung ähnelt, die O. Hertwig, Entwieklungsgeschichte Fig. 13 von der Bildung der Polzellen bei Asterias glacialis gibt, es er- scheint nieht unwahrscheinlich, dass in beiden Fällen eine ähn- liche Mechanik und Morphologie der Plasmabewegung vorliegt. Besonders auffällig ist ferner bei den Zellen in amöboider Bewe- gung die territoriale Abgrenzung der sich vor- und zurückschie- benden Protoplasmapartien, die im ersteren Fall meist Strahlen II. Ordnung zeigt. So Fig. 12 an verschiedenen Stellen, bei e und d der Anfang der Rückwärts- und Vorwärts-Bewegung, bei A das Ende der Rückwärtsbewegung, noch deutlicher ist dies bei Fig. 15 a u. b, wo Strahlen I. u. II. Ordnung sich wirklich an einander zu verschieben scheinen. Ein Blick auf die Abbildun- gen wird das Gesagte wohl am Besten erläutern. In die Me- chanik dieser Phänomene werden wir aber wohl auf theoreti- schem Wege noch nicht recht eindringen können. Die Aehn- lichkeit mit quergestreiften Muskelfasern, die M. Heidenhain heranzieht, ist ja in gewisser Beziehung auffallend, allein mit dem grossen Unterschied, dass wir es hier mit wieder verschwinden- den Erscheinungen zu thun haben. Eher scheint mir der umge- kehrte Weg zu empfehlen, nämlich die Contraktion und Ausdeh- Zellstudien. 383 nung des Protoplasma am vorliegenden Objekt genauer zu stu- diren und das Resultat auf die viel complieirteren Verhältnisse des Muskels zu übertragen. Dazu sind aber experimentelle sehr eingehende Studien an lebenden und fixirten Leukocyten noth- wendig, mit Vermeidung aller Schnittpräparate. Ich füge noch hinzu, dass Flemming in seinem grossen Buch erwähnt, dass er ähnlich wie an Bindegewebszellen, nur feiner, Fäden an lebenden Leukocyten beobachtet hat, es wird also vielleicht möglich sein, diese Strukturen an ein und derselben Zelle lebend und fixirt zu beobachten. Endlich erwähne ich noch, dass ich in Fig. 11 einen Leukoeyten dargestellt habe, dessen Kern sich wahrscheinlich mitotisch getheilt hat, wie ich denn zahlreiche Leukoeyten in mitotischer Theilung und mit Lochkernen, ganz wie Flemming im Bauchfell finde, an jedem derselben ist ein kleines Loch an der Stelle, wo die Strahlen wahrscheinlich im Centrosomen zusammenlaufen. Auch hier scheint, wie ich!) es zuerst an dem Bauchfell der Ratte experimentell wahr- scheinlich gemacht habe, und wie Meves?) es dann am Sala- mander sehr schön bewiesen hat, das Centrosomen mit umgeben- dem Sphärentheil die mechanische Ursache der Lochbildung zu sein. Während in Fig. 11 die Kerne vollständig getrennt sind, ist die Trennung des Zellleibes erst ganz wenig im Werden, da- bei sieht man in schönster Ausbildung eine Zellplatte. Eine ebensolche an fixer Bindegewebszelle zeigt Fig. 18, wie ich sie öfters fand neben multiplen und einfachen Zwischenkörperchen, so, dass ich der Ansicht Flemming’s, dass letztere rudimen- täre Zellplatten seien, durchaus zustimme. Derartige Zellplatten sind ja von Flemming an Knorpelzellen, ferner von Carnoy, R. Hertwig und Henking an vielen Orten beschrieben worden. Körnehenzellen. BanaXoSıll, 3Eie., 14, ,17.519. Diese Zellen kommen bekanntlich massenhaft im Binde- gewebe des Salamanders vor, sie sind hier reich verästelt und sehr gross. (In der Abbildung sind sie im Verhältniss zu den Leukocyten des Raumes wegen viel zu klein gezeichnet.) Sie 1) Untersuchung der biologischen Bedeutung der von Arnold beschriebenen Kernformen. Kiel, Dissertation. 2) Kieler Dissertation. 384 Friedrich Reinke: entsprechen offenbar den Körnchenzellen oder Mastzellen der Säugethiere. Soviel ich sehe sind bisher noch niemals Mitosen in ihnen nachgewiesen worden. Ich bin in der Lage, eine der- artige in Fig. 15, Taf. XXIII abzubilden. Der Zellleib hat sich im Wesentlichen contrahirt, bis auf einige Portionen, die aber, nach der Lage, zu ihm gehören, die Körnchen freien Protoplasma- verbindungen sind nur nicht sichtbar. Im selbigen Präparat ist noch eine derartige contrahirte Körnchenzelle aber ohne Mitose. Leider war von einer Sphärenstrahlung nichts nachzuweisen. In Fig. 14, Taf. XXIII bilde ich eine andere Körnchenzelle ab, die offenbar in Kriechbewegung ist. Der Kern ähnelt dabei dem der Leukoeyten ausserordentlich. Sollten auch diese Zellen sich direkt theilen können? In beiden abgebildeten Zellen und vielen anderen jungen Larven fällt die ungleiche Grösse und Färbbar- keit auf, es dürfte das der Ausdruck des Bildungsprocesses sein. Bildung collagener und elastischer Fasern und körnige Substanz der fixen Bindegewebszellen. Flemming hat in den „internationalen Beiträgen zur wis- senschaftlichen Mediein“, Festschrift Rudolf Virchow gewidmet zur Vollendung seines 70. Lebensjahres I 213, die Bildung der collagenen Fibrillen innerhalb der Zellen des fixen Bindegewebes nachgewiesen. Bei Anschauung derartiger Präparate zweifle ich keinen Augenblick an der Sicherheit des Nachweises und ist mir auch die Disse’sche Kritik in Merkel’s „Ergebnissen der Anatomie“ 1891 nicht recht verständlich, der der Annahme Raum gibt, es könnte sich um Verbackungen handeln. Die Sache ist doch die: Das Bauchfell der Salamanderlarve zeigt einmal durchgehend collagene Fibrillen dicht aneinander liegend, die sehr leicht zu sehen sind, und ihnen anliegend platte verästelte Zellen mit sehr deutlichen Kermen. Bisher konnte man nun an andern Objekten nicht entscheiden, ob die Fibrillen in oder nur an dem Protoplasma der Zellen lägen, dass dieselben über die Grenzen der Zellen hinausgehend auch in der Intercellularsubstanz liegen ist wohl niemals bezweifelt worden. Nun ist in diesen Prä- paraten die Beziehung der Fibrillen zum Protoplasma an ruhen- den Zellen ebensowenig wie sonst zu entscheiden, weil das letz- tere sehr dünn und blass ist. Während der Mitose aber con- trahirt sich das Plasma dieser Zellen einerseits und ihre Grenzen Zellstudien. 385 sind scharf zu sehen, sodann wird, wie auch bei anderen Gewebs- zellen, alle Struktur der Zelle deutlicher und besser isolirt von ruhenden Zellen färbbar, woher das kommt ist bis jetzt nicht aufgeklärt. Durch diese Umstände ist es möglich aufs Deut- liehste zu sehen, dass die Fibrillen, natürlich so weit sie dem eontrahirten Zellterritorium entsprechen, im Protoplasma selbst liegen, also von ihm gebildet werden; breiten sich die Tochter- zellen nach vollzogener Theilung wieder aus und rücken die- selben, wohl einmal durch Zwischenlagerung von Intercellular- substanz, andererseits durch aktive Vorgänge des Protoplasmas, auseinander, so tritt natürlich das alte Verhältniss ein, die Fi- brillen breiten sich mit der Zelle aus, und es ist nunmehr wieder die Entscheidung unmöglich geworden, ob die Fibrillen in oder an der Zelle liegen. Wenn sich aber sicher in der Zelle Fi- brillen bilden, so ist es doch wahrscheinlich ausgeschlossen, dass sich auch einige in der Intercellularsubstanz bilden könnten. Bei der schönen Flemming’schen Darstellung habe ich es für überflüssig gehalten, sie nochmals abzubilden, nur in Fig. 18 ist im Interesse der Zellplattenbildung eine derartige Zelle flüchtig skizzirt. Sie hätte im Verhältniss zu den Leuko- eyten viel grösser gezeichnet werden müssen. Schwieriger erscheint mir jetzt die Frage der Bildungsart der Fibrillen selbst. Flemming ist der Ansicht, dass die Zelle auswächst und damit die in ihr liegenden Fibrillen. Nun ist Ja aber wohl das Wachsthum jeder Zelle ein begrenztes, es müsste demnach das Wachsthum der Fasern m der Zeit bald nach der Theilung der Zelle geschehen, in dem Zeitraum, wo die Tochter- zelle wieder die Grösse der Mutter erreicht, um sich dann wie- der weiter zu theilen oder ungetheilt zu bleiben. Offenbar wird diese Art der Vergrösserung der Fibrillen vorkommen und zu- nächst wohl die einzige sein. Nach der Theilung rücken ja aber auch die Zellen auseinander und es scheint mir wahrscheinlich, dass durch das mechanische Auseinanderrücken der beiden ge- theilten Zellen durch Intercellularsubstanz, während die Fibrillen natürlich in Continuität bleiben, diese sich gleichsam aus dem Zellleib herausspinnen, während indess das kömig netzige Proto- plasma, das man um den Kern liegen sieht, für die Fibrillen neue Substanz bildet, es wäre das also ähnlich, wie man einen Wollfaden aus der losen Wolle ausspinnt, nur mit dem grossen 386 Friedrich Reinke: Unterschied, dass hier das Plasma sich selbst durch Wachsthum ersetzt. Nun fragt es sich, und diese Frage gilt auch für ähnliche Verhältnisse am Haar und vielleicht auch für die Zellen der Keimschicht in modifieirtem Sinne: Sind die Fibrillen gleieh beim Entstehen aus dem netzigen oder schaumigen Plasma (diese prinei- pielle Frage ist dabei gleichgültig) sofort speeifische Fibrillen, hier collagene Fasern, dort Hornfasern, oder wird zunächst eine indifferente, noch protoplasmatische Fibrille gebildet, die dann erst sekundär, durch Aufnahme, Bildung oder Durehtränkung, Imbi- birung, Imprägnirung, oder wie man es nennen will, eines speei- fischen Stoffes, (der speeifisch von der Zellenart gebildet wird, die Protoplasmafasern je nachdem) zur eollagenen oder zur Horn- fibrille wird. Mir will dieser Weg der wahrscheinlichere dün- ken, obschon ich gern zugebe, dass diese Ansicht noch durchaus hypothetisch ist. Zum Beweise müsste man im Haar Kerato- hyalin, in anderen Horngebilden Fibrillen nachweisen können. In diesen Bindegewebszellen wäre das Verhandensein collagener Substanz oder ihrer Vorstufen nachzuweisen. Nun liegt, wie mir scheint, der mangelhafte Nachweis des Keratohyalins im Haar nur daran, dass wir noch keine speeifische Reaktion für Keratohyalin haben, mir ist doch sehr wahrschein- lich, dass es gefunden werden wird, es wird eben sehr fein ver- theilt sen. Für die Zellen der Keimschicht sind die Fibrillen nachgewiesen, für die Henle’sche Schicht der inneren Wurzel- scheide hat, wie ich hier erwähnen darf, Herr Professor von Brunn dieselben in allerjüngster Zeit aufs Schärfste dargestellt. Ich finde nun in diesen Bindegewebszellen zahlreiche, im netzi- gen Protoplasma liegende, färbbare Körnchen, die vielleicht etwas Derartiges sein könnten. In Fig. 16, Taf. XXIII, wo dieselben besonders deutlich waren, habe ich sie abgebildet. Sie liegen in Arkaden angeordnet, kreisartig um die Mitose herum, in vielen Zellen sind sie viel undeutlicher zu sehen, so in Fig. 17, in an- deren sehe ich sie sogar garnicht, das mag aber an der Mangel- haftigkeit der Methode liegen. Auch in ruhenden Zellen sehe ich sie, aber nur bei sehr starker Färbung, es ist eben in ruhen- den Zellen alles Strukturelle schwerer zur Darstellung zu bringen. Natürlich müssen diese körnigen Massen chemisch genauer unter- sucht werden, was mir vorläufig wegen Mangel an frischem Ma- Zellstudien. 387 terial nicht möglich ist. Ob diese Körner in der Filarmasse oder Interfilarmasse sind, ist nieht mit Sicherheit zu entscheiden. Trotz dieser Unsicherheiten möchte ich diese Fragestellung einmal hervorheben, ohne eine Hypothese aufzustellen. Ein zweiter Punkt ist die Frage nach der Bildung der elastischen Fasern, die bis jetzt noch recht dunkel erscheint. Ihre Entstehung aus dem Kern (die Henlet) erst aufgestellt, dann selbst widerrufen hat, und die dann von Kuskow?) in modifieirter Weise wieder aufgenommen ist), dürfte wenig An- hänger haben. Bisher war der Streit darüber, ob sie aus der Grundsub- stanz (Ranvier) oder aus dem Zellprotoplasma (M. Schultze) entstehen, schwer zu entscheiden. Jetzt, nachdem wir wissen (Flemming), dass die collagenen Fasern aus dem Plasma der Zelle entstehen, ist uns diese Frage wieder näher gerückt. Nun wissen wir aber, dass in früher Zeit, wo schon colla- gene Fasern vorhanden sind, sich noch keine specifisch elasti- schen Fasern durch Essigsäure oder Kalilauge (Kölliker, Flemming) nachweisen lassen. Und doch ist es schwer, mit der Topographie des Bindegewebes zu vereinigen, dass die ela- stischen Fasern erst später hineinwachsen, wenn man nicht an- nehmen will, dass dieselben sich direkt aus der Grundsubstanz bilden. Für diese frühere Ansicht der Bildung collagener Fasern, war auch die Entstehung der elastischen Fasern viel leichter zu erklären. Wie aber denken wir uns jetzt nach der Flemming’- schen. Arbeit die Sache? Kölliker hat schon vorher in seiner „Allgemeinen Gewebelehre“ durchweg den Standpunkt vertreten, dass die elastischen Fasern sich zunächst als collagene oder in- differente Fäserchen anlegen. Und dieser Standpunkt scheint nach Allem, was wir wissen, der wahrscheinliche zu sein. Dabei stösst man aber auf eine grosse Schwierigkeit. Die collagenen Fasern verlaufen bekanntlich ungetheilt, die elastischen dagegen verästeln sich. Ich sehe hierbei ganz ab von speciel- len Fällen, wie dem reticulären Bindegewebe der Lymphdrüsen ete., sondern denke zunächst nur an das gewöhnlich lockere Bindegewebe. Wie sollen da aus unverästelt verlaufenden colla- 1) Henle, Allgemeine Anatomie, 1840. 2) Dieses Archiv, Bd. XXX, 388 Friedrich Reinke: genen Fibrillen, verästelte elastische Fasern werden? Es wäre das doch nur so denkbar, dass sich zunächst Bündel von eolla- genen Fasern bildeten, die sich im weiteren Verlauf theilten, durch Auffassung und so die sich theilenden Anlagen der elasti- schen Fasern darstellten. Es müssten diese Bündel dann durch eine Scheide- oder Kittsubstanz oder Derartiges zusammen ge- halten werden und später durch eigenen Stoffwechsel oder Intu- sception sich in elastische Fasern umwandeln. Wäre das richtig, so müsste man schon in sehr früher Zeit, wo sich die collagenen oder indifferenten Fasern bilden, Zellen treffen, wo diese zu dün- nen Bündeln angeordnet sind, die etwa den elastischen Fasern entsprechen könnten. Dies kommt nun thatsächlich vor. Eine derartige Zelle habe ich in Fig. 17 abgebildet. Derartige Bündel eollagener Fasern färben sich in der Regel intensiver, was viel- leicht daran liegt, dass eine Kittsubstanz die Fibrillen vereinigend, stärker färbbar ist, sehr möglich aber auch, dass durch die na- türliche Verklebung allen diese Färbbarkeit veranlasst wird. Es ist natürlich im einzelnen Fall sehr möglich, dass auch eolla- gen bleibende Fasern verkleben, ja es ist zuzugeben, dass hier und da derartige Verklebungen rein artifieiell sind; in derartigen Fällen wie Fig. 17 aber, wo mehrere so ausserordentlich ge- schlängelt verlaufende Bündel verkleben, sprieht manches durch- aus dagegen, dass es reine Artefakte sind. Es ist nicht einzu- sehen, weswegen bei blosser Verklebung die Bündel nicht von sehr verschiedener Dieke sein sollten, weshalb bei derartig ge- schlängeltem Verlauf, wie bei a u. b Fig. 17, gerade diese Fi- brillen untereinander verkleben und nicht mit den gewiss doch daneben liegenden anderen Fibrillen und besonders ist nicht ein- zusehen, warum die Fibrillen immer zu so verhältnissmässig feinen Bündeln verkleben sollten, weshalb nicht gleich Theile oder die Hälfte der Zelle? Wenn ich auch gern zugeben will, dass in gewissen anderen Fällen artificielle Verbackungen vorkommen mögen, der- artige Bündel, wie Fig. 17 zeigt, halte ich für natürliche Vor- kommnisse. Sicherlich dürften aber Fasern, die später zu elasti- schen werden, schon in ihrer Anlage different sein von der gros- sen anderen Menge von Fasern, die es nicht werden. Unsere Mittel reichen nur bis jetzt noch nicht aus, um dies zu erkennen. Nun drängt sich ferner die Frage auf, werden in ein und derselben Zelle collagen bleibende und elastisch werdende Fasern gebildet, Zellstudien. 389 oder sind derartige Zellen, die elastische Faserbündel erzeugen, speeifisch verschieden von denen, die dies nicht thun? Die Frage ist thatsächlich schwer zu entscheiden, theoretisch erscheint es mir aber doch höchst unwahrscheinlich, dass ein und dieselbe Zelle beide Faserarten bilden sollte. Derartige Zellen, wie Fig. 17 abbildet, erscheinen in meinen Präparaten grösser und verästelter als Zellen vom Habitus, Fig. 18 (diese ist hier allerdings aus Platzmangel viel zu klein gezeichnet). Nun finden sich aber that- sächlich in vielen Zellen mit grösstentheils einzelnen Fasern auch des Oeftern derartige allerdings weniger dichte Faserbündel; ob das auch wirklich artificielle Verbackungen sind, ob auch collagen bleibende Fasern unter Umständen derartige Bündel bilden kön- nen, ob endlich doch ein und dieselbe Zelle Fasern verschiedener Art zu bilden vermag, muss ich dahin gestellt sein lassen. In Zellen wie Figur 17 konnte ich keine einzelnen Fasern nach- weisen, bin auch überzeugt, dass nicht etwa mangelhafte Färbung daran schuld ist, denn die Tinktion ist, wie die Erscheinung der Kernspindel zeigt, eine sehr vollkommene. Gewiss sind durch diese Befunde die aufgeworfenen Fragen noch nicht definitiv entschieden, man wird an anderen Objekten (Nackenband, Netzknorpel) weitere Untersuchungen machen müssen. Ich constatire aber, dass derartige feine Faserbündel vorkommen und halte es für möglich, dass aus ihnen, indem sie sich ausser- halb der Zelle spalten, die späteren getheilten elastischen Fasern werden. Vielleicht käme man dem Ziel näher, wenn man ein Mittel fände, junge elastische Fasern von den Theilungsstellen aus zu spalten. Nicht als ob ich meinte, dass man jede diekere elasti- sche Faser in Fasern zerlegen könnte, daran wird schon deshalb schwerlich zu denken sein, weil es ja ganz sicher erscheint, dass dünne elastische Fasern zu dicken auswachsen können, wie man z. B. am Nackenband jüngerer und älterer Kälber sehen kann. Schwalbet), der zuerst diese Verklebungstheorie auf- stellte, konnte bekanntlich durch Alkalien eine zarte, peri- phere Hülle oder Scheide nachweisen, welche sich stärker widerstandsfähig zeigte als die stark lichtbrechende aus Elastin bestehende innere Substanz der Faser und durch Maceration in dünner Chromsäure und faulendem Wasser gelang es, einen queren Rn, 1) His und Braunes Archiv II, p. 236. 390 Friedrich Reinke: Zerfall der Faser in kurze Segmente zu erhalten und Aehnliches berichtet Mall!). Dies Verhalten widerspricht meiner Annahme aber nicht, wenn man bedenkt, das ja auch Muskelfibrillen sich quer zerlegen lassen. Schliesslich füge ich hinzu, dass ich in Jungen Rattenschwanzsehnen, wo man, wie Kölliker nachge- wiesen hat, ein weitmaschiges Netz elastischer Fasern zwischen den groben Bündel collagener Fibrillen findet, glaube eine der- artige Spaltbarkeit, wie oben erwähnt, nach Behandlung mit Lysol gesehen zu haben und habe auch schon in meiner ersten Publikation über Lysolwirkung darauf hingewiesen, dass es viel- leicht mit diesem Mittel gelingen würde, die Genese der elasti- schen Fasern herauszubekommen. Die Versuche müssen an älteren Salamanderlarven wiederholt werden. Leider stehen mir augen- blicklich solche nicht zu Gebot. . Ueber Pigment, seine Entstehung und Bedeutung. Die Frage nach dem Wesen, der Entstehung und Bedeu- tung des Pigments steht seit einigen Jahren im Vordergrund des Interesses. Namentlich haben sich die Dermatologen der Frage bemächtigt und zwar theilweise mit überraschendem Erfolg. In allerneuester Zeit hat Kromayer |. e. die Entstehung des Pigments aus dem Zerfall von Epithelfibrillen und das Vergehen desselben durch Aufbau zu ebensolchen Fibrillen als „einzig mögliche“ Erklärung seiner Präparate aufgestellt. Auf der an- deren Seite leitet Mertsching?) das Pigment ab vom „Zer- fallsprodukt“ der Kerne, des Chromatins, vom Keratohyalin und beweist seine Annahme mit derselben Eleganz. Wir wissen über das Pigment bekanntlich bis jetzt sehr wenig, wir wissen nur, dass es eine ganz ausserordentliche Ver- breitung im thierischen und menschlichen Körper hat, dass es auch an Orten vorkommt, wo von einer rein optischen Wirkung keine Rede sein kann. Ich erinnere an die Ganglienzellen, Thyreoidea, Nebenniere, Riechschleimhaut u. d. OÖ. Dass es aber keine rein zufällige oder nebensächliche Bedeutung für den Stoff- wechsel haben dürfte, dafür spricht dies ausgedehnte Vorkonmen. Mir erscheint auch hier der vergleichend anatomische Weg noch 1) Bericht d. sächsischen Akademie d. Wissenschaften, Bd. XVII. 2) Virchow’s Archiv, Bd. 116. Zellstudien. 391 am meisten Aussicht auf Erfolg zu haben, zumal wir auf diese Weise unsere Studien an bedeutend günstigeren Objekten, wie die menschliche Haut ist, machen können. Fassen wir den Begriff des Pigments zunächst so weit, dass wir darunter überhaupt nur einen in Organismen vorkom- menden Farbstoff verstehen, so müssen wir uns daran erinnern, dass der grüne Farbstoff der Pflanzen, das Chlorophyll von so eigenartiger und eminenter Bedeutung ist, dass ohne ihn die or- ganische Welt überhaupt nicht denkbar wäre. Ferner wissen wir, dass der Farbstoff des rothen Blutkörperchen, das Produkt gewisser Zellen für den thierischen Stoffwechsel von allergrösster Bedeutung wieder ganz andersartig wirkt wie das Chlorophyll. Da ist der Gedanke an und für sich nicht von der Hand zu weisen, dass auch noch andere Farbstoffe, deren Bedeutung uns bisher vollkommen räthselhaft ist, eine solehe von ungeahnter Tragweite zu kommen mag, zumal wir nach Thatsachen aus der Pathologie ein solches Verhalten nicht gut von der Hand weisen können. Es schien mir deshalb nothwendig, zunächst einmal eine fundamentale Untersuchung anzustellen, wie sich Pigment mor- phologisch im thierischen Körper überhaupt bildet und wie weit es etwa mit Gebilden bekannter Art in der Pflanzenwelt zu ver- gleichen wäre. Ich habe deshalb das reichlich vorhandene Pigment im parietalen Bauchfell der Salamanderlarve studirt und gebe im Folgenden meine Befunde. Dies Bauchfell ist deshalb so unge- mein günstig, weil die grossen verästelten Pigmentzellen hier vollkommen platt liegen und man gegenüber der viel ungünsti- geren Schnittmethode, hier die topographisebe Lage sicher über- sieht und es stets mit ganzen Zellen zu thun bat. Es ist das einer der bewundernswerthen Errungenschaften Flemming’scher Technik, der übrigens schon in seinem grossen Buch p. 56 dies Objekt zum Studium des Pigments als sehr dankbar empfohlen hat, auch hieran das Vorkommen von Mitosen nachgewiesen hat. Es kommen hier zwei verschiedene Zellenarten des Pigments von gleicher Form vor, sofern man von den Contraktionszuständen, die beiden in gleichem Maasse eigen sind, absieht. Die einen sind vollgepfropft von kleinen oder grössern Stäbchen, Körnern, Prismen und polygonalen Schollen (Taf. XXII, Fig. 3 u. 4). Man 392 Friedrich Reinke: kann diese Gebilde eigentlich kaum als Pigmentkörner bezeichnen, sie zeigen im Farbenbild nur, besonders während der Mitose, einen sehr zarten lavendelfarbigen Ton. Bei engerer Blende hat derselbe etwas metallisches, nur selten scheint mir derselbe einen eben noch merkbaren Stich in's Grünliche zu haben. Die Einschlüsse der anderen Art von Pigmentzellen sind Körner ungleicher Grösse, vom hellen Grün oder Gelb, bis zum Blau- grün, Braungelb und Braun. Einige derselben sind nm Taf. XXI, in Fig. 6, 7, 8 und 9 abgebildet; bei a ist jedesmal eine klei- nere Portion Körner bei starker Vergrösserung wiedergegeben, während in Fig. 5 und 4 die Gebilde gleich bei starker Ver- grösserung in die Zellen eingezeichnet sind. Im Bauchfell des erwachsenen Thieres und anderen inneren Partien desselben finde ich nur die zweite Art von Pigmentzellen und zwar nur in den ‚dunkelsten Farben; hellere Farben und jene eigenthümlichen Stäbehen und Schollen fehlen, wenigstens soweit ich sehen kann, auch kann ich in der Literatur keine Angaben über ihr Vor- kommen finden, es dürften also nur vorübergehende Bildungen sein. | Zunächst wandte ich mich zur Untersuchung der farbigen Körner und ihres Baues. Zur Depigmentirung wandte ich das von Unna empfoh- lene Wasserstoffsuperoxyd an und fand, dass sie sich auch nach Fixirung in Hermann ’scher Flüssigkeit binnen 24 Stunden noch nicht ganz, nach 2—5 Tagen aber fast ganz von Pigment befreien lassen, so dass im Farbenbild (Abbe’scher Apparat und weitester Blende) nur noch ein leichter Ton bleibt. Enge Blende zeigte dann, dass sie in ihrer Form vollkommen erhalten waren. Nach noch längerem Verweilen in Wasserstoffsuperoxyd schwindet auch dieser zarte Ton vollständig. Um sicher zu sein, dass die Form der Körner auch wirklich erhalten bleibt, dass also das Substrat etwas anderes ist als das Pigment, versuchte ich die entfärbten Körner zu färben. Dies gelang mir auf folgende Weise über- raschend gut. Die Präparate kommen nach 2 Tagen Wasser- stoffsuperoxydbehandlung in Wasser, dann auf 2 Tage in alko- holische Saffraninlösung in !/; mit Wasser verdünnt, dann werden sie in Orangealkohol und reinem Alkohol entwässert und durch 3ergamottöl in Lack gebracht. Auf diese Weise gelang es alle ehemaligen Pigmentkörner roth zu färben; enthielten sie noch Zellstudien. 393 etwas Pigment, so erhalten dieselben einen leichten Stich ins bräunlich gelbe, sonst sind sie rein roth. Taf. XXII, Fig. 10 ist eine derartig behandelte Zelle abgebildet, bei a wieder einige Körner mit starker Vergrösserung. Da sich also das Pigmentkorn vom Pigment befreien und wieder durch einen Farbstoff färben lässt, so dürfte der Schluss gerechtfertigt erscheinen, dass das Substrat etwas Anderes ist als das Pigment. Wie findet die Bildung dieser beiden Theile statt? Wird erst das Pigment gebildet und bekommt es dann eine Hülle, oder entsteht zunächst ein organisches Kom, das entweder Pig- ment in sich aufnimmt, oder in sich selbst bildet. Bezüglich erster Frage möchte ich einige optische That- sachen anführen, die durchaus dafür zu sprechen scheinen, dass neben einer mehr diffusen Vertheilung in vielen Pigmentkörnern der Larve, also während der Bildungsvorgänge, das Pigment im Substrat eine ungleiche Vertheilung zeigt und erst später, also in dem Stadium der Reife, das ganze kugelige Substrat anfüllt. Wir wissen, dass ein stärker als das umgebende Medium lichthreehendes Körnchen, sei es ein Fetttropfen, sei es ein Chro- matinkorn, beim Senken des Tubus dunkel, beim Heben desselben hell wird. Ein solehes Korn ist in Tafel XXII, Abbildung 2, Ia gedacht. Selbstverständlich ist dieser optische Effect völlig der- selbe bei allen Lagen eines solehen, Korges; haben wir es zwi- schen zwei Decekgläsern, so sieht es genau gleich aus, mögen wir es von der einen oder von der andern Seite ansehen. Nehmen wir dagegen ein vollständig durch und durch pigmentirtes Korn, sei es ein Karmin- oder Zinnoberkörnchen oder dergleichen, so sehen wir, wie Fig. 2, Ila zeigt, dass es beim Heben des Tubus dun- kel, beim Senken desselben dagegen leuchtend wird. Auch hier- bei ist die Lage desselben’ gleichgültig. Untersucht man nun die Pigmentkörner der Salamander- larve, so findet man zwar eine grössere Anzahl von Zellen mit Körnern, die sich ganz wie dies Schema II verhalten, sieh also in jeder Lage beim Heben des Tubus dunkel, beim Senken leuch- tend zeigen. Allein eine grosse Zahl von Zellen haben Körner, die dies Phänomen nicht zeigen, sondern die allerdings beim Senken auch lenehtend werden, beim Heben aber nicht dunkel, sondern hell. Hat man ein derartiges Präparat zwischen zwei grosse Deckgläser gelegt und sich die Stelle genau gemerkt und Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 26 394 Friedrieh Reinke: dreht das Präparat derartig um, dass die untere Seite zu oberst kommt, so gewahrt man jetzt, dass dieselben Körner beim Heben des Tubus dunkel, beim Senken leuchtend werden, also jetzt ganz wie Schema ll. Ich habe diese Thatsache so oft probirt und Herr Professor von Brunn hatte die Liebenswürdigkeit es zu kontroliren, dass kein Zweifel an der Thatsache möglich ist. Wie erklärt sich dies Räthsel? Es scheint mir das Nächst- liegendste, anzunehmen, dass das Pigment nieht immer gleich- mässig diffus im Substrat vertheilt ist, sondern dass in manchen Zellen eine ungleichmässige Verdichtung oder Ansammlung des Farbstoffes stattgefunden hat. Ich füge noch hinzu, dass es bei diesem Phänomen gleichgültig ist, ob das Präparat in Wasser oder Lack liegt. Ich habe nun auf den Rath von Herrn Pro- fessor von Brunn einige experimentelle Versuche angestellt, die vielleicht meine Annahme unterstützen dürften. Nimmt man ein farbloses oder fast farbloses Oel, z. B. Cedernöl und macht damit eine wässerige Emulsion, so zeigen die feinen Tröpfehen genau das Verhalten von Schema I. Nimmt man dagegen ein gefärbtes Oel, sei es stark gelbes Olivenöl oder roth gefärbtes Cedernöl, so zeigt dies als Tropfen in Wasser ein Verhalten, wie es bei IV, Fig. 2 abgebildet ist. Beim Heben des Tubus wird das Tröpfehen hell, beim Senken leuchtend. Es würde das einer diffusen Vertheilung des Pigments im Substrat entsprechen, und genau so sein, wie wir es an vielen Pigment- körnern der Salamanderlarve finden. Genau dasselbe Verhalten zeigt ein in Wasserstoffsuperoxyd nicht vollständig depigmentir- tes Körnehen. Aber bei diesem diffus gefärbten Oeltropfen ist es nun ganz gleich, ob wir denselben von oben oder unten be- trachten, ganz wie in Schema IV angedeutet. Nimmt man nun unregelmässig geformte Graphitsplitter, hüllt sie in Oel ein und trifft die richtige Auswahl beim Durchsuchen des Präparats in der Wasseremulsion, so findet man zuweilen Splitter etwa von der Form III, Fig. 2, die so von Oel umhüllt sind, dass sie, ob- schon man sie sehr gut im Tropfen sieht, doch als Oeltropfen von der einen Seite gesehen wirken, d. h. beim Heben des Tubus hell, beim Senken dunkel werden. Andere daneben liegende, gleich grosse, enger vom Oeltropfen umhüllt, wirken ganz wie ein dunkler Körper, wie Fig. 2II. Bei einer derartigen Ver- theilung nun, wie Schema III, Fig. 2 zeigt, würde ein Pigment- Zellstudien. 395 korn also von der einen Seite als Oeltropfen, von der anderen als Pigmentkorn wirken können. Denken wir uns eine derartig gestaltete Pigmentmasse in Schema IV eingezeichnet, so hätten wir genau das Verhalten der Pigmentkörner der Salamanderlarve. Es wirkte dann von der einen Seite als diffus gefärbtes Oel- tröpfehen oder Chromatinkorn u. dergl., von der anderen Seite rein als Pigmentkorn. Noch besser lassen sich diese Verhältnisse an fein zerriebenem Zinn‘ober beobachten. Der Zinnober wird gut mit Cedernöl gemengt und in Wasser emulgirt. Es lassen sich auf diese Weise grössere mit Zinnober beladene Kugeln herstellen, an denen man schon makroskopische Beobachtungen machen kann. Je nach dem Füllungszustande und der Grösse der Kugel sinken die Kugeln zum Boden des Gefässes herab oder steigen in die Höhe. An den herabgesunkenen sieht man nach einiger Zeit der Schwere folgend, den Zinnober im der rechten Hälfte sich sammeln, dabei bemerkt man aber eine eigenthüm- liche Oberflächenwirkung, indem, während nach einiger Zeit die obere Hälfte der Kugel im Uebrigen frei von Zinnober wird, an der Oberfläche eine feine Schicht, die Schwerkraft überwindend, als Mantel sitzen bleibt. Auch nach einigen Tagen ist nur die oberste Kuppe ganz klar geworden. An kleinen Kügelchen ge- wahrt man unterm Mikroskop, dass dieselben beim Heben des Tubus hell, beim Senken leuchtend erscheinen. Dies Hellwerden beim Heben dürfte ein Reflexspiegelbild sein, da von unten kein Licht kommen kann. Wenden wir uns nun wieder den Pigment- körnern der Salamanderlarve zu, so bemerkt man, dass die Kör- ner der ausgewachsenen Thiere, ebenso ein grosser Theil der Körmer der Larven sich wie reine Karmin- oder Zinnober-Körn- chen verhalten, ein anderer Theil verhält sich von der einen Seite gesehen wie ein Kügelehen von Cedernöl, das zur Hälfte mit Zinnober gefüllt ist, von der anderen Seite wie ein massives Zinnoberkorn. Dabei sieht man alle Pigmentkörnchen im Farben- bild als kugelige Gebilde niemals als Halbkugeln. Ich schliesse daraus, dass das Pigment im Substrat einmal diffus vertheilt ist, zugleich aber in eine Hälfte dichter gelagert ist. Lassen sich nun aus diesen Beobachtungen Schlüsse auf die Entstehung des Pigments ziehen? Man könnte allerdings wohl daraus folgern, dass das Substrat an und für sich morpho- logisch nichts mit dem Pigment zu thun hat, dass dieses in ihm 396 Friedrich Reinke: zunächst diffus, dann in einem Theil dichter liegt und schliess- lich das Substrat ganz anfüllt. Darum braucht es ja aber noch nieht vom Substrat durch eignen Stoffwechsel erzeugt zu werden, sondern letzteres könnte den Farbstoff aus der Umgebung in sich aufspeichern. Bisher hatte ich mit Flemming angenommen, dass jene oben erwähnte erste Art von Pigmentzellen etwas ganz Verschie- denes sei wie die zweite. Das ist t#atsächlich nun aber nicht richtig. Vielmehr trifft man bei vielem Suchen auf Zellen, die alle möglichen Uebergänge zeigen zwischen Stäbchen, Körnern und poly- gonalen Schollen mit leichtem metallischen Glanz und zarter, grünlich lavendelartigen Färbung, wie Fig. 3 u. 4, Taf. XXII sie abbildet und den stark gefärbten Körnern in Fig. 6—10. Eine derartige Zelle stellt Fig. 5 dar. Es müssen diese Uebergänge aber wohl sehr schnell geschehen, denn die beweisenden Bilder trifft man recht selten, darum sind sie aber nicht minder zureichend. Der Process scheint einen derartigen Verlauf zu nehmen, dass die Stäbehen sich zunächst in polygonale Gebilde verwandeln von sehr verschiedener Form, diese werden dann voller, runden sich mehr ab und nehmen eine lichtgrüne Farbe an, wirken aber optisch zunächst nicht als Pigment, sondern einfach als starkes, liehtbrechendes Gebilde. Allmählich nehmen dieselben eine im- mer regelmässiger kugelige Gestalt an, werden dabei dunkler und kleiner, verdichten sich also wohl, um schliesslich richtige Pigmentkörner zu werden!). Auffallend ist es, dass dieser Process um den Kern herum am Weitesten vorgeschritten ist, während in den Ausläufern der Zelle der Process erst im Anfang steht. Ferner ist zu erwähnen, dass in derartigen Präparaten die Pig- mentkörner der nächsten Pigmentzellen meist auch ein helles Grün oder Gelb zeigen, wie Fig. 6 u. 7, während ich an Stellen, wo die Farbe der Körner wie Fig. 8 u. 9, also dunkler ist, keine derartigen Uebergänge, ja meist auch keine polygonalen Gebilde, sondern mehr stäbehenförmige in den Zellen mit den fast farb- losen Pigmenten finde. Das Verhalten der polygonalen und polymorphen Gebilde zum Wasserstoffsuperoxyd und Farbstoffen, zeigte sich bei meinen bisherigen Versuchen negativ (Uebergänge wie Fig. 6 konnte ich 1) In den Abbildungen sind diese Dinge etwas zu krystallinisch gerathen. Zellstudien. 397 bei ihrem seltenen Vorkommen noch nicht prüfen). Allein ich will deshalb noch kein sicheres Urtheil abgeben, weil wegen Mangel an Material bis jetzt meine Versuche noch nicht zahlreich genug waren. Ich werde das erst im nächsten Frühjahr zur Entscheidung bringen können. Im Pflanzenreiche kommen sehr viele ähnliche Erscheinungen vor, die man dort als Trophoplasten bezeichnet hat. Unter die- sem Namen fast man hoch organisirte Differenzirungsprodukte des Plasmas zusammen, welehen höchst eigenthümliche und höchst wichtige Funktionen zukommen. Diese Trophoplasten sind kleine, meist kugelige oder ovale Körner aus einer dem Protoplasma verwandten aber doch von ihm unterscheidbaren Substanz. Zu ihnen gehören die Stärkebildner, die Chlorophylikörner. Diese letzteren bestehen aus einem Substrat von Eiweisssubstanz und einem das Stroma durchtränkenden grünen Farbstoff, dem Chloro- phyll, der sich extrahiren lässt. Die gelbe und orangerothe Fär- bung vieler Blüthen lässt sich auf eine besondere Abart derartiger Trophoplasten zurückführen. Auch diese Farbkörner bestehen aus einem protoplasmatischen Substrat — ich eitire nach ©. Hertwig: Zelle und Gewebe — das meist sehr unregelmässig gestaltet ist und bald die Form einer Spindel, einer Sichel, eines Dreiecks oder eines Trapez hat. In diesem Substrat sind Farb- stoffkrystalle abgelagert. Auch hier lässt sich an geeigneten Objekten die allmähliche Entstehung der Farbkörper aus farblosen Trophoplasten nachweisen. Auch hier hat Weiss!) spontane Bewegungen und Formveränderungen wahrgenommen. Ich bitte meine Abbildungen Fig. 5, 4 und namentlich 5, Taf. XXII mit diesen Beschreibungen zu vergleichen und glaube, dass man mir Recht geben wird, wenn ich eine grosse Aehnlichkeit der pflanz- lichen Trophoplasten mit den Pigmentbildnern der Salamander- larve hervorhebe. Ja ich meine, in einem derartig näher unter- suchten Fall erscheint es gerechtfertigt, auch die Bezeichnung „Trophoplast“ direkt zu übertragen, und bin ich der Meinung, dass durch diesen einzelnen Fall die Lehre der Bioblasten uns bedeutend näher gerückt ist als durch die vielen anderen Bei- spiele, die Altmann sonst noch für seine Theorie als Beweis anführt. 1) A. Weiss, Sitzungsbericht d. Königl. Akademie der Wissen- schaften zu Wien, Bd. XC, 1884. 398 Friedrich Reinke: Diese von mir gefundenen Pigmentbildner müssen natürlich noch näher untersucht werden, ob vielleicht auch an ihnen spon- tane Bewegungen und Formveränderungen, wofür meine Präparate in gewissem Sinne sprechen, lebend zu sehen sind. Wenn aber derartige Dinge, die soweit ich sehe, bisher nur an Pflanzen näher studirt sind, auch bei Wirbelthieren vorkom- men, so liegt doch der Gedanke nicht ganz fern, ob nicht auch beim Säugethier und dem Menschen derartige Trophoplasten eine Rolle spielen? Ueber einen weitern in dieser Beziehung sehr wichtigen Befund kann ich hier nur kurz berichten und behalte mir vor, demnächst eingehender darauf einzugehn. Die sechs- eckigen Pigmentzellen der Retina enthalten bekamntlich bei vielen Säugethieren, die ein Tapetum haben, dort wo sich dies aus- breitet, kein Pigment und sollen ganz homogen sein. Wie aber schon Leydig (Lehrbuch der Histologie, pg. 235) sagt, haben dieselben wie die leukotischen Säugethiere einen blasskörnigen Inhalt. Am Auge vom Schaf in Formalin fixirt und in Wasser unter- sucht, finde ich nun, dass diese Zellen ganz vollgepfropft sind mit länglich-rundlichen Körnern, die nach den pigmentirten Stellen zu ganz allmählich in wohl ausgebildete Pigmentkörner übergehen. Ich halte auch diese Körner für Trophoplaste, die nur kein Pigment in sich haben. Sie sind etwas kleiner wie die eigentlichen Pigment- körner, gleichsam etwas atrophisch, haben aber eine ganz ähn- liche Gestalt. Ich werde an Embryonen die Entwickelung des Pigments weiter verfolgen, da ich nach diesem Befund am Schaf vermuthe, dass auch z.B. beim Hühnchen in den Zellen der Pig- mentschicht der Retina vor Beginn der Pigmentbildung bereits derartige Trophoplaste vorhanden sind. Keineswegs will ich aber gesagt haben, dass allen Pigment- körnern eine gleiche Bedeutung zukomme. Im Gegentheil ist es ja ganz sicher, dass einige z. B. die Derivate des rothen Blut- farbstoffes ganz anders entstehen und eine ganz andere Bedeu- tung haben. D. Ueber die Struktur des Kerns. (Oedematin, Dissociation der Nucleolen während der Mitose, Kernmembran, Polfeldanordnung der Struktur des ruhenden Kerns. , Oo Bisher unterschied man am ruhenden Kern folgende Struk- turen: Erstens eine Membran, sodann ein fadiges Gerüstwerk, das Zellstudien. 399 Linin, indem eine feinkörnige, leicht färbbare Substanz des Chro- matin suspendirt ist, einen oder mehrere Nucleolen und der zwi- schen den Maschen des Gerüstwerks liegende „Kernsaft“. Letztere Bezeichnung stammt bekanntlich von ©. Hertwig und ist namentlich vom Eikern hergenommen. 0. Hertwig fasst diesen „Kernsaft* als Ernährungsflüssigkeit auf, der keinerlei morphologische Besonderheiten erkennen lasse. Flemming bezeichnete denselben früher mit dem indif- ferenten Namen „Zwischensubstanz“, hat dann aber später die Bezeichnung „Kernsaft* angenommen, obwohl mit einigem Vor- behalt, indem er in seinem grossen Werk p. 175 sagt: „Allerdings ist über Aggregatzustand und Consistenz dieser Masse nichts Sicheres bekannt, es bleibt durchaus möglich, dass der Kernsaft nicht überall oder niemals tropfbar flüssig, sondern eine weich gelatinöse Masse ist, es ist aber zuzugeben, dass man auch eine solche einen Saft nennen kann.“ Er führt ferner aus, dass Klein an den Kernen der Hautdrüsen von Triton nachge- wiesen hat, dass der Kernsaft einen erheblich grösseren Bre- chungsindex besitzt als Humor aqueus oder ähnliche Flüssigkeiten. Ferner hebt Flemming hervor, dass der Kernsaft tingirbar, also nicht bloss eine wässerige Lösung von Salzen ist, sondern auch organische Bestandtheile enthält. „Bisher lässt sich also noch nicht entscheiden, ob man den Kernsaft eine wirkliche Flüssigkeit nennen soll.“ Dagegen hebt er hervor, dass bisher für die Annahme einer wirklichen Struktur in dieser Substanz kein Grund vorliegt, dass die feinkörnigen Reagentienwirkungen, die man beobachtet, wohl am ehesten für Gerinnungsprodukte zu halten sind. Pfitzner bezeichnet den Kernsaft als Parachromatin, FrankSchwarz!)alsParalinin. Letzterer hat eine grosse Reihe chemischer Reagentien versucht, die namentlich eine auf- fallende Quellbarkeit dieser Substanz zeigen und dieselbe als eine Substanz von ganz besonderer Art kennzeichnen. Vorher hatte schon Carnoy?) in zahlreichen Kernen ein Reticulum und ein Enchylema im „Kernsaft‘“ demonstrirt. Ferner hat Altmann wie im Protoplasma auch im „Kernsaft“ Körnchen 1) Frank Schwarz, Die morphologische und chemische Zusam- mensetzung des Protoplasmas. Breslau 1887. 2) Carnoy, Biologie Cellulaire, 1884. 400 Friedrich Reinke: dargestellt. Endlich haben Löwit, M. Heidenhain und Auerbach in Kernen verschiedener Zellen neben den ehroma- tischen Substanzen körnige Massen durch Färbung nachgewiesen. Am Genauesten hat wohl M. Heidenhain!) diese färb- baren Strukturen des Kernsafts beschrieben. Nach diesem Autor sind es feine Körner von nahe gleicher Grösse, die in feinen Fäden liegen, wenigstens sieht er bei enger Blende zwischen diesen Körnern ungefärbte Verbindungsbrücken. Die Masse der Körner steht in gewissen Kernen zum Chromatin im Verhältniss wie 3:1. Er glaubt nicht, dass diese Substanz ein blosses Nähr- material bilden könnte, da eine so concentrirte Eiweisssubstanz sonst in den Geweben nicht vorkommt. Während der Mitose, beim Uebergang zum lockeren Kraut, nehmen diese Massen be- deutend an Menge ab. Zwischen den Chromosomen findet man ein feingelockertes Fadenwerk und in diese Fäden verläuft ein Strahlensystem, das von den Polen der Centralspindel seinen Ausgang nimmt. M. Heidenhain glaubt, dass manche frühere Beobachtungen über Färbungen und Füllungen im „Kernsaft‘“ mit dieser Substanz in Verbindung zu bringen seien. Weil aber einmal diese Beziehungen noch nicht völlig aufgeklärt sind, die Substanz in histologischer Beziehung gut charakterisirt ist, so be- zeichnet er diese Substanz, die in den feineren Theilen des Kern- gerüstes ebenso suspendirt ist, wie das Chromatin in den gröbern als „Lanthanin‘“ (von Aavbavw ich bin verborgen). M. Heidenhain wandte zur Darstellung Sublimatfixirung und Färbung mit schwach angesäuerter Biondi’scher Lösung an, ferner verschiedene Hämatoxyline und Alaunkarmin. Bei diesen durchaus exakten Methoden stimme ich M. Hei- denhain vollkommen bei, dass der „Kernsaft“ eine hoch- strukturirte Substanz ist, nur möchte ich nach dem Studium der Alaunkarminfärbung glauben, dass jenes lockere feine Fadenwerk zwischen den Chromosomen nieht der körnigen Substanz ent- spricht, sondern dem Linin des ruhenden Kernes und dass diese Körner, nur schwer oder gar nicht färbbar, in diesen Maschen liegen. Ich glaube es auch deshalb, weil ich auf ganz andere Weise ähnliche Körner im Kernsaft und zwischen den Chromo- somen, während der Mitosen darstellen konnte. 1) Kern und Protoplasma (Festschrift für Kölliker). Zellstudien. 401 Im Anatomischen Anzeiger VIII, Nr. 16 u. 18, 1893 habe ich eine vorläufige Mittheilung machen können, über die eigenthümliche Wirkung des Antiseptikum Lysol, eine Lösung von Kresol in neutraler Seife, auf die Kerne, speciell die des Salamanders, wonach am Kern das Chromatin sich löst und eine körnige Struktur auftritt. Ich fand, dass diese Körner bei me- ehanischen Insulten, namentlich beim Zerreissen der Kernmem- bran und dem damit verbundenen Heraustreten des Inhalts zu Fäden sich anordnen, um dann draussen wieder als körnige Ge- bilde zu erscheinen. Fig. 3, Taf. XXIV stellt einen derartigen Kern dar, während Fig. 4 einen ebenso behandelten Kern ohne Sprengung der sehr deutlichen Membran vorstellt. In beiden Fällen sind die Körner noch viel zahlreicher und dichter zu den- ken. Ich nahm wegen dieser Bilder an, dass die Körmer in einem Fadenwerk lägen, ohne aber über die näheren Struktur- verhältnisse zu einem bestimmten Schluss kommen zu können. Ich bitte darüber meine Auseinandersetzungen in Nr. 18, VIII des anatomischen Anzeigers zu vergleichen. Dies hy- pothetische Fadenwerk habe ich nun, allerdings modifieirt, durch weitere Untersuchungen bestätigt gefunden. Legt man eine kleine Salamanderlarve in 10°/, Lysol und zwar etwa 50 cem Flüssigkeit, so kann man nach 24 Stunden ziemlich sicher sein, dass sich fast alles Chromatin gelöst hat. (Ich nehme stets Lysol in Liter- flaschen, da ich bei kleineren Flaschen zuweilen die Wirkung nicht so gut fand), wäscht man dann in !/, Alkohol mit steigen- der Concentration aus (Wasser darf, so lange noch Lysol vor- handen, nicht angewandt werden), und färbt man feinste Paraffin- schnitte mit Alaunkarmin, so erhält man Bilder wie Fig. 1, Taf. XXIV abbilde. Das Chromatingerüst, sowie die durch Lysol sichtbar gemachten Körner sind verschwunden '), der ganze 1) Das gelöste Chromatin macht manche Kerne leicht diffus färb- bar, wie meine Abbildung zeigt, auch die grössere Färbbarkeit des Liningerüstes führe ich auf eine Durchtränkung mit gelöstem Chro- matin zurück. Sehr viele Kerne zeigen von Chromatinkörnern keine Spur, in anderen sehe ich zuweilen noch kleine Bröckel, die wohl auf der Fällung durch Alkohol beruhen, nur quergestreifte Muskel zeigen häufiger Reste der früheren Chromatinstruktur, hier dürfte sich das Chromatin schwerer lösen. Die Kernmembran, der Zellleib, die Inter- cellularsubstanz und bei Epithelien die Intercellularräume nehmen stellenweise diffuse Färbung an, man kann hierbei die Strömung des 402 Friedrieh Reinke: Kern wird durchsetzt von emem sehr zarten Maschenwerk, wie jenes von M. Heidenhain beschriebene lockere Fadenwerk zwischen (den Chromosomen der Mitose, wie ich es schematisirt in Fig. 2, Taf. XXIV abbilde (nach Sublimatfixirung und Alaunkarminfär- bung) und welches nach meiner Memung die grösste Aehnlichkeit mit den künstlichen Schäumen Bütsehli’s!) darbietet und ebenso mit der von diesem Autor dargestellten Struktur der Kerne von Cilioflagellaten?). Eben solche Struktur des „Kernsafts“ finde ich ausser jenen Sublimatalaunkarminpräparaten, auch wäh- rend des loekeren Knäuels an Präparaten, die in Her- mann’scher Flüssigkeit fixirt und mit Fuchsin-Methylenblau ge- färbt, in Orangealkohel differenzirt wurden. Ich zweifle dabei durchaus nicht, dass in diesem Wabenwerk noch feine Fäden verlaufen können, wie M. Heidenhain und Flemming sie beschreiben. Auch möchte ich andererseits wegen dieser Bilder keineswegs für die Bütschli’sche Plasmatheorie eintreten. Denn in diesem Wabenwerk liegen nach meiner Meinung einmal die Chromatinkörner und sodann die durch Lysol darstellbaren Körner. Aehnliche Verhältnisse finden während der Mitose, d. h. während der Zusammenziehung des Chromatins zu Chromosomen statt. Es ist dies hier ähnlich wie in den Talgdrüsen oder den mit Fett- körnern angefüllten Darmepithelzellen, wo die körnigen Einlage- rungen das Plasma des Zellleibes zu einem Wabenwerk zusammen- gedrängt haben. Ich bin der Ansicht, das Linin entspricht dem Zellplasma und wird wie jenes durch die Eimlagerung körniger Substanzen wabig oder schäumig. Diese Körner sind nun zweierlei Art. Erstens Chromatin, zweitens eine im Folgenden zu beschrei- bende Substanz von sehr eigenthümlichen Eigenschaften, die ich wegen ihrer auffallendsten Eigenthümliehkeit, ihrer grossen Quell- barkeit und im Gegensatz zum Chromatin als Oedematin be- zeichne, von oldnua, das Gequollene. ef. Textabbildung S. 410. Es vernothwendigt sich hier eine besondere Bezeichnung, um schon im Folgenden meine Auseinandersetzungen bequemer gelösten Chromatins verfolgen. Dagegen ist bei den Knorpelkernen der Kern ganz diffus gefärbt, der Zellleib bleibt vollständig frei, es scheint fast, als ob hier das Chromatin gehindert sei zu transfundiren. 1) Bütschli, Mikroskopische Schäume und Protoplasma, 1892. 2) Ueber Organisationsverhältnisse der sogenannten Cilioflagella- ten und der Noktiluca. Morphol. Jahrbuch, Bd. X, 1885. Zellstudien. 405 machen zu können, ferner aber weil wir für diese Substanz keinen recht bezeiehnenden Namen haben, denn Kermsaft, Paralinin und Lanthanin geben einmal diesen Gegensatz zum Chromatin nicht wieder und Kernsaft besagt etwas Unrichtiges, Lanthanin umfasst aber auch, ganz abgesehen von seiner subjektiven Bezeichnung, das Fadenwerk zwischen den Chromosomen in der Mitose, wäh- rend die quellbare Substanz hier, wie ich sicher gesehen habe, zwischen den Maschen derselben liegt. Mit der Bezeichnung Oedematin soll natürlich nicht gesagt werden, dass andere Dinge im Kern, z. B. das Linin nicht auch quellen können und sicher quellen, aber das Oedematin thut dies eben in ganz be- sonderem Grade, wie denn auch andere Dinge im Kern färbbar sind, Chromatin’ aber besonders leicht. Meine Auffassung des Linins als Kernplasma bietet den grossen Vortheil, dass es manche ganz dunklen Verhältnisse un- serem Verständniss näher bringt. Erstens wird die Struktur des Kerns, derjenigen des Zellleibes näher gebracht. Wenn wir, wie weiter unten gezeigt wird, annehmen müssen, dass die Kern- membran fein netzförmig ist, so ist es morphologisch nicht un- wahrscheinlich, dass das Plasma des Kerns, mit dem Plasma der Zelle eontinuirlich durch diese Maschen hindurch zusammen- hängt, wie ich das Fig. 1 u. 2, Taf. XXIV dargestellt habe. Dadurch wird die physiologische Wirkung des Kernplasmaimhalts auf den Zellleib ungemein viel verständlicher wie bisher. Zwei- tens lösen sich aber auch gewisse Räthsel nach Schwund der Kernmembran während der Mitose. Wenn wir z. B. an Sublimat- präparaten mit Alaunkarminfärbung das Netzwerk des hellen Hofes ceontinuirlich übergehen sehen in das Netzwerk des Zell- plasma (Darmepithel), so ist das nach meiner Ansicht nicht eine neu entstandene Verbindung, sondern dieselbe ist vor wie nach der Theilung vorhanden. Man vergleiche Fig. 2 mit Fig. 1, Taf. XXIV. Dadurch wird unsere Anschauung viel einheitlicher. Dabei muss zunächst dahingestellt bleiben, weswegen dies Waben- werk des hellen Hofes so schwer darzustellen ist, ebenso weswegen sich das Oedematin, während der Mitose, so viel schwerer oder gar nicht nach der M. Heidenhain’schen Methode färbt. Ueber sein Vorhandensein habe ich mich sicher überzeugt, auch hat ja Altmann seine Körner, die ich für identisch mit Öed ematin halte, in diesen Stadien darstellen können. Drittens dürfte sich in etwas da- 404 Friedrich Reinke: durch das Räthsel des „hellen Hofes“ lösen, dass das Oedematin nach dem Schwinden der Kernmembran sich peripherisch weiter ausdehnt, um nach Ablauf des mitotischen Processes wieder zu- rückzuweichen, obschon ich gern zugebe, dass das Wie dieses Vorganges bislang noch dunkel bleibt‘). Viertens dürfte der Streit, ob die Spindel aus dem Plasma der Zelle oder aus dem Kern entsteht, prineipiell nicht von fundamentaler Bedeutung sein, wenn wir annehmen, dass das Kernplasma, das Linin, wenn auch sicher nieht gleich, so doch ähnlich dem Zellplasma ist, ja es ist nieht auszuschliessen, dass im Kernplasma ähnlich feinste Fäden wie im Zellplasma enthalten sind. Zur näheren Charakteristik des Oedematins lassen sich nun folgende eigenthümliche Eigenschaften desselben feststellen. In Alkohol, Chromsäure und Osmiumsäure und vielen anderen Mitteln der Fixirungstechnik ist es sehr schwer darstellbar. Es schrumpft offenbar und zeigt sich nur dann und wann als feinkörniger Niederschlag. Wie Flemming dies in seinem Hauptwerk Seite 96, Fig. C, ferner Fig. 26, Taf. IIb an Epithelzellen abgebildet hat. Bei der eigenthümliehen Doppel- wirkung des Lysol quillt es zunächst in der alkalischen Seifen- lösung, wird aber zugleich durch das Kresol zur Gerinnung ge- bracht und dadurch so sehr deutlich. Bei Sublimatbehand- lung und Biondi’scher Färbung wird es roth gefärbt. Chromsaures Kaliund Osmiumsäure mit Fuch- sinfärbung stellt es deutlich dar (Altmann). An Pflanzenzellen hat Frank Schwarz im Gegensatz zum Chromatin gefunden, dass das Paralinin (Oedematin) weit- gehende Achnlichkeit mit dem Linin zeigt, so dass Frank Schwarz es nicht ausschliessen will, dass beides gleiche Stoffe seien, dass aber in verschiedenartigen Pflanzen Differenzen be- stehen, während das Chromatin wesentlich gleiehbleibt. Ich kann nach meinen Befunden eime so weit gehende Uebereinstimmung zwischen Linin und Oedematin aber durchaus nicht bestätigen, 1) Es ist dabei sehr möglich, dass sich Theile des Zellplasmas, zwischen das Oedematin schiebend in das Plasma des Kerns eindrin- gen, so ist dies Verhalten an rothen Blutzellen des Salamanders von Flemming und von Torök vom Stadium des lockeren Knäuels an, sicher beobachtet worden. Auch ich sehe das öfters an meinen in Hermann'’schem Gemisch fixirten Präparaten. Zellstudien. 405 auch sprechen die Heidenhain’schen Färbungen bestimmt da- gegen. Ich weise auch darauf hin, dass es Frank Schwarz selbst gelungen ist, das Linin mikroskopisch siehtbar zu machen, im Gegensatz zum Paralinin. Ganz auffallend ist das Quellungs- vermögen des Paralinin nach Frank Schwarz. Dasselbe quillt in Kochsalaenn »#ia052:209], Schwefelsaures Magnesia Monokaliumphosphat ... 5°] Dinatriumphosphat .... 1°, Essissäre era. 2 808] Salzsaure ap ar 2.1 eoncentrirtem doppeltchromsaurem Kali. Ferrum solubile. 55 u ist löslich inRochsalzen ara». 05710815 Dinatriumphosphat .... 5° Kalkwasser Kalilauge 0,1 — concentrirt. Es ist verdaubar in Pepsin und Trypsin. Es wird gefällt in Essigsäure 0,2—3,0°.. Es ist unlöslieh in Salzsäure 1°/, und 20°/,. Es geht aus dieser Liste hervor, dass das Oedematin sicher keine einfache Flüssigkeit ist. Ich füge hinzu, dass reife Eikerne sich in Bezug auf Oedematn ganz abweichend verhalten, wie andere Kerne, da es mir nicht oder nur in sehr geringem Grade möglich war, durch Lysolkörner, die denen an- derer Kerne entsprächen, darzustellen. Auch die Spermatozoen des Salamanders verhalten sich etwas anders, so dass bei den Geschlechtszellen offenbar andere Verhältnisse vorliegen als bei den somatischen Zellen. Ich habe in meiner ersten Publikation (Anatomischer Anzeiger, VIII, 16) gezeigt, dass die Köpfe der Spermatozoen, die nach Flemming wesentlich aus Chromatin bestehen, sofort gänzlich auflösen. Es ist das auch richtig und leicht zu beobachten, wenn man viel Lysol 10 °/, zu wenigen Sperma- tozoen, zumal nicht ganz reifen, zusetzt. Lässt man aber nur wenig Lysol zum Präparat laufen, in dem zahlreichere Spermatozoen liegen, so verlangsamt sich die Wirkung etwas und man kann den Vorgang genau verfolgen. Der Kopf schwillt mächtig auf, 406 Friedrieh Reinke: das Chromatin löst sich und geht an die Peripherie, wo man es noch sehr oft in Tropfenform sehen kann, die sich dann nach Aussen begebend verschwinden. Am Kopf sieht man eine feine Membran und in ihr eine sehr feine Körnchenstruktur des Oede- matins, die Struktur ist so fein, wie ich sie sonst nur bei Gang- lienzellen gesehen habe, hier aber fast noch feiner. (Auffallend ist das sehr deutlich ebenfalls enorm gequollene Mittelstück. Schliesslich verschwindet Alles bis auf dieses.) Es muss also im Spermatozoenkopf das Oedematin in sehr gesehrumpftem und verdichtetem Zustand vorhanden sein. Nun wissen wir aber, dass nach Eintritt des Spermatozoenkopfs ins Ei derselbe stark aufquillt (Hertwig erklärt das durch Aufnahme von „Kernsaft“), woher kommt das? Weswegen quillt ein Spermatozoen in an- deren physiologischen Flüssigkeiten nicht auf, nimmt keinen „Kernsaft“ auf als nur im Ei? Nach meiner Meinung ist es so, dass das stark verdichtete Oedematin nach einem physiologischen Reiz, der im Ei erfolgt, zur Aufquellung gebracht wird und da- durch der ganze Kopf des Spermatozoen aufquillt. Man ver- gleiche doch einmal den Vorgang bei der Lysolwirkung und man wird die Aehnlichkeit des Verhaltens mit Ausnahme der Chro- matinlösung auffallend finden. Ein zweiter Fall ist die physiologische Aufquellung des Oedematins bei Beginn der Mitose. An dem flachen Kern des Bauchfells der Salamanderlarve sieht man nach Fixirung in Hermann’schem Gemisch und Färbung mit Fuchsin-Methylenblau nach Ehrlich und Differenzirung in Orange und Alkohol-Berga- mottöl, als erstes Erkennungszeichen einer Mitose den auffallend stärkeren Glanz und die absolute Unfärbbarkeit des Oedematins, das für sich einen strangförmigen Knäuel neben dem Chromatin- knäuel bildet. Nach dem lockeren Knäuelstadium hört die Er- scheinung wieder auf. Nun finden wir aber bei einigen Kernen eine Vergrösserung desselben während der Mitose, diese geschieht nach meiner Ansicht durch eine physiologische Quellung des Oedematins und es erscheint nicht unmöglich, dass die ganze Er- scheinung der Mitose zunächst eingeleitet wird durch eine Auf- quellung oder eine dem ähnliche Erscheinung der ödematischen Substanz, die dadurch auf die ehromatische Substanz einwirkt und sie gleichsam zur Knäuelform zusammendrängt, freilich möchte ich damit eine aktive Bethätigung der chromatischen Substanz Zellstudien. 407 namentlich im weiteren Verlauf keineswegs ausschliessen. Nach- weisen können wir das an den rothen Blutkörperchen des Sala- manders; nach Flemming 's!) Entdeckung vergrössert sich der Kern während der Mitose derartig, dass es fast die ganze Zelle einnimmt. Das Verhältniss habe ich Taf. XXIV nach Flem- ming (Fig. 29—31) abgebildet. Und zwar geschieht diese Grössenzunahme in den Stadien des Knäuels, genau wie ich den stärkeren Glanz und die vollständige Farblosigkeit des Oedema- tins an anderen Kernen gefunden habe. Es ist die Vergrösserung eine derartige, dass der rothe Blutfarbstoff keinen Platz in der Zelle mehr findet, sondern in oder zwischen das Oedematin im- bibirt wird. Genau dasselbe Verhalten zeigt der Kern dieser Zellen bei Lysolwirkung. Es ist kaum glaublich, wie aus einem so kleinen Kern ein so enorm grosses Gebilde werden kann (Taf. XXIV, Fig. 29-31). Das Chromatin ist nur passiv daran betheiligt, wie Flem- ming und von Torök nachweisen. Eine weitere physiologische Wirkung der Schrumpfung und Quellung scheint bei den Kernen der Leukocyten stattzufinden. Nach der Hertwig’schen Theorie des ‚„Kernsaftes‘‘ müsste bei dem Entstehen der geschnürten Kernform mit verdichtetem Chro- matin ein Austritt des „Kernsaftes‘‘ stattfinden. Ich glaube, dass dies Phänomen auf Schrumpfung des Oedematin beruht, denn zu meinem eigenen Erstaunen gleichen sich diese Einschnürungen bei Lysolbehandlung vollkommen oder fast vollkommen aus, so dass aus der gelappten Form eine runde Form wird (Taf. XXIV, Fig. 20—23); ich habe mich davon so oft überzeugen können, dass kein Zweifel möglich ist. Es ist daher auch physiologisch sehr denkbar, dass analog dem Spermatozoenkopf, gelappte Kerne physiologisch wieder rund werden können, wie Arnold das sicher am Frosche beobachtet hat. Kurz möchte ich noch einmal auf den Umstand hinweisen, dass die Kernmembran bei Lysolwirkung dieker und deutlicher wird. Auch bei den Kernen der rothen Blutkörperchen ist die- selbe mit Lysol nachweisbar und dürfte demnach doch eine allen Kernen zukommende Differenzirung sein. Verschiedentlich sind an ihr Andeutungen von Poren ge- 1) Zellsubstanz, p. 263. 408 Friedrich Reinke: sehen und beschrieben worden, so von Kölliker am Keimbläs- chen von Fischeiern und Zellen der Spinngefässe von Raupen, von Leydig an vielen Kernen von Insekten und Krebsen, auch R. Hertwig sah am Ei der Spinne und Tualanolraupe eine feine Punktirung, die er eventuell als Poren deuten möchte. Carnoy hat dann die Kernmembran als feines oder grobes Retieulum dargestellt durch Einwirkung von Alkalien oder starken Säuren (in Biologie Cellulaire I, p. 251). Er hält dieselbe aber für ge- schlossen und meint, dass das Retieulum eine nur verdichtete Partie sei. Ich habe im anatomischen Anzeiger VIII, Nr. 18 u. 19 nachgewiesen, dass bei Lysolbehandlung die Membran des Kerns sich als ein feines Retieulum zeigt. In dieser Form ist dasselbe sicher ein Artefakt. Allein ich meine nach dem Gesetz des Turgor J=A+S (wobei J= Druck im Inneren BS=J—A A = äusserer Druck S — Spannung der Wand) müsste, wenn das Oedematin und Linin des Kerns quillt und der Druck im Kern dadurch grösser wird, die Kernmembran, wenn sie ge- schlossen wäre, wie ein Gummiballon aufgeblasen und dünner werden, vorausgesetzt, dass sie nieht selbst quillt. Hätte sie diese Elastieität nicht, so müsste sie einfach platzen. Wird sie aber, wie thatsächlich ein Reticulum von gleichmässiger Maschenweite, so ist das nur so zu erklären, dass sie vorher im natürlichen Zustand Poren hat. Denn wäre sie retieulirt, die Maschen aber durch eine feine Haut geschlossen, so müsste sie sich bei Quel- lung des Inhalts, also Erhöhung des Drucks im Innern, an diesen schwächeren Stellen nach Aussen aufblähen. Da nun aber die Membran selbst dieker wird, durch Quellung ihrer eignen Sub- stanz, und dabei natürlich die Porenweite zunimmt, so stimmen diese Bilder sehr gut mit der Annahme präformirter Poren. Aus andern Gründen ist es aber wahrscheinlich, dass das Kermplasma, das „Linin“ der Autoren sich durch diese Poren in das Plasma des Zellleibes fortsetzt und nur durch die Behandlung unsichtbar ist. Indem es selbst quillt, füllt es die durch Quellung der Membran ver- grösserten Poren vollständig aus. Carnoy l.e. ist durch Bilder, die er an den verschiedensten Objekten bei Behandlung mit Acidum chlo- ricum erhielt, zu der Ansicht gekommen, dass die Membran des Kerns in Verbindung stehe mit dem Plasma der Zelle. Andererseits ist eine Zellstudien. 409 Verbindung des Liningerüstes mit der Kernmembran leicht zu de- monstriren wie Taf. XXIV, Fig. 1 zeigt. Da nun aber während der Mitose bei Behandlung mit Sublimat und Alaunkarmin diese Ver- bindung des Linins mit dem Plasma des Zellleibes demonstrirbar ist, so erscheinen mir nach obiger Auseinandersetzung über die Zellmembran und ihr Verhalten bei Drucksteigerung im Kern die Verhältnisse doch höchst wahrscheinlich so zu liegen, dass die Kernmembran enge Poren besitzt, durch die Verbindungsfäden des Kernplasmas mit dem Zellleibplasma hindurchgehen. Dies Verhalten würde physiologisch viel eher zu erklären sein, als wenn es anders wäre, als wenn die Membran vollständig geschlos- sen wäre. Mir scheint, als ob wohl für die Biologie der Zelle es von grösster Wichtigkeit wäre, dass einerseits das Chromatin und namentlich das Oedematin durch eine Membran ganz abge- schlossen von dem Zellleib wäre und dadurch Veränderungen aller Art gehindert würden, andererseits aber eine durchaus ge- regelte Communication aufrecht erhalten würde durch die Substanz des Linin, wodurch einmal Reizzustände, die den Zellleib treffen, dem Chromatin und Oedematin in geeigneter Weise zugeführt werden und sodann Chromatin und Oedematin auf diesen Bahnen wieder eine Wirkung auf den Zellleib ausüben können. Diese Strukturverhältnisse habe ich möglichst gross und klar im der Textfigur pag. 410,schematisch dargestellt. Eine weitere Wirkung des Lysols ist die häufig und zwar an sicher ruhenden Kernen zu machende Beobachtung der Pol- feldanordnung der ödematischen Körner. Ich habe dies Phäno- men bereits im anatomischen Anzeiger VIII, Nr. 16, 18 und 19 beschrieben. Oft ist sie sicher Artefakt, durch äussere Insulte hervorgerufen, aber auch dann immerhin interessant, dass diese Erscheinung so leicht eintritt, oft aber ist sie am Kern zu beob- achten, von Zellen, die durchaus im natürlichen Zusammenhang stehen (natürlich stets an hungernden, ‚ausgewachsenen Thieren, wo sonst keine Mitosen vorkommen), dass ich doch glaube, dass diese Anordnung schon an ruhenden Kernen zeitweise vorkommt, unabhängig von mitotischen Vorgängen. Sicherlich ist sie an vielen Kernen, ja den meisten nicht zu beobachten. Einen der- artigen Kern bilde ich Taf. XXIV ab. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 180) —] 410 Friedrich Reinke: Schematische Darstellung eines Zellkerns in Ruhe. Kernkörperchen und Chromatinkörner schwarz, Oedematinkörner weiss, Linin grau als Grundsubstanz mit eingelagerten feinen Fäden. Kern- membran schwarz mit Poren, durch die die Grundsubstanz mit der Substanz des Zellleibes in Verbindung steht. Zellleib grau angedeutet. Zum Schluss möchte ich mir noch einige Bemerkungen über die Nucleolen erlauben. Dieselben treten ähnlich wie die Membran bei Lysolbehandlung scharf hervor. Dies Verhalten entspricht ganz den Resultaten von Frank Schwarz, der ausser der Differenz der Färbbarkeit die grösste Aehnlichkeit beider Theile im Verhalten gegen chemische Reagentien nachgewiesen hat. Das Verhalten der Nucleolen während der Mitose konnte ich an den Zellen der Mäusemilz verfolgen und habe es in meiner Zellstudien. = 411 Arbeit: „Untersuchungen über die biologische Bedeutung der von Arnold beschriebenen Kernfasern“, Kiel, Dissertation, p. 10, ver- öffentlicht. Da ich aber keine Abbildung gab, ist die Sache auch in den Jahresberichten nicht beachtet worden. Da nun OÖ. Hertwig eine ähnliche Beobachtung inzwischen an Samen- mutterzellen von Ascaris (Die Zelle und die Gewebe. Jena 1892) gemacht hat, nämlich, dass die Nucleolen in der Vorbereitung zur Theilung in kleine Substanztheilchen zerlegt und auf die Chromosomen vertheilt werden, so entreisse ich meine damalige Beobachtung der Vergessenheit, da ich es gegenüber der bis- herigen geringen Kenntniss über das Schicksal der Nucleolen und ihr Verschwinden bei Beginn der Mitose für nützlich halte, der- artige Beobachtungen zu sammeln. Zugleich geben die Abbil- dungen Taf. XXIV getreue Bilder der von Arnold zuerst be- schriebenen Kernfiguren, die ich als eine besondere Form der Mitose 1. c. nachweisen konnte. Von Fig. 44—49 sind Mutterkerne, von Fig. 50—52 Tochterkerne abgebildet in entsprechender Reihenfolge; im Anfang und am Ende der Reihe sind die Kerne in ruhendem Zustand abgebildet. Dabei sind zwischen Fig. 49 und 50 dann alle gewöhnlichen Typen der Mitose vom lockeren Knäuel an zu denken. Diese besondere Form habe ich Speichen oder Melonenform genannt. Im Uebri- gen verweise ich auf meine damalige Beschreibung. Nur erwähne ich, dass Bannwarth!) meine Angaben bestätigend, in seiner Arbeit über die Milz diese Form der Mitose ebenfalls beschrieben hat. Ich benutze diese Gelegenheit zu constatiren, dass R. Heidenhain?) in seiner grossen Arbeit über die Histologie und Physiologie der Dünndarmschleimhaut bereits vor Arnold und mir diese Kernformen beschrieben hat und dieselben gleich mir als Mitosen auffasst, was Arnold sowohl wie mir entgangen ist. E. Ueber die Differenzirung einiger Kernarten. Es giebt bekanntlich bei ein und demselben Thier sehr ver- schiedene Kernformen, ich erinnere, abgesehen von den Geschlechts- zellen, die besonders differeneirt erscheinen, an die grossen 1) Archiv für mikroskopische Anatomie, Bd. 38. 2) Pflüger’s Archiv, Bd. 43. 412 b Friedrich Reinke: Kerne der Ganglienzellen, an die scheibenförmige Anordnung des Chromatins der Stäbehenzellen der Retina bei den Säuge- thieren, an die multiplen und polymorphen Kerne verschiedener Zellen. An die eigenthümliche Veränderung der Kerne von Drüsenzellen während der Ruhe und der Thätigkeit, die R. Heidenhain und Hermann beschrieben haben, ferner an stäbchenförmige Kerne der glatten Muskeln. Viel grössere Unter- schiede kommen bei verschiedenen Thierklassen vor, hier wären als besonders auffallend die Kerne der Chironomuslarven zu nennen, wo, wie Balbiani entdeckte, das Chromatin einen einzigen dicken Kernfaden bildet, dann die verästelten Kerne gewisser Organe der Arthropoden u. s. w. Diese mannigfaltige Form der Kern- struktur beweist aber sicher an und für sich nichts für eine faktische Verschiedenheit der Kerne, denn es ist ja sehr wohl denkbar, dass das Chromatin in anderer Weise geordnet und von verschiedener Reichlichkeit dieselbe wesentliche Wirkung und. Bedeutung in den verschiedenen Kernen haben kann und auch wohl hat, und kann ich in dieser Beziehung der einheitlichen Auffassung der verschiedenen Kernformen von R. Hertwig nur vollkommen beistimmen !). Anders liegt die Sache schon, wenn die Wirkung ein und desselben fixirenden Reagens bei dem einen Kern eine andere ist als bei dem anderen, denn dabei handelt es sich nicht um verschiedene rein morphologische Lagerungen, sondern offenbar um chemisch-physikalische Verschiedenheiten. Dieser Punkt, den Flemming verschiedentlich in seinem grossen Werk hervorhebt, ist bis jetzt wohl deshalb viel zu wenig be- achtet worden, weil es bisher uns mehr darauf ankam, die Ein- heitlichkeit der Strukturen zu betonen. Nachdem aber dieser Gesichtspunkt genügend sicher gestellt erscheint, darf nunmehr auch ein anderer Gesichtspunkt ins Auge gefasst werden, näm- lich, woher kommen die doch augenscheinlichen Differenzen der Wirkung und Beschaffenheit der Zellen, die doch sicherlich einen 1) Während der Correktur dieser Arbeit gelangte das II. Heft d. Bd. 43 dieser Zeitschrift in meine Hände mit der Arbeit von David Hansemann: Ueber die Speeifieität der Zelltheilung, die hier ber Aufzählung der morphologischen Mannigfaltigkeiten der Kerne mit zu erwähnen wäre, aber wie mir scheinen will, dem Prineip der Ein- heitlichkeit der Kernformen keinen wesentlichen Abbruch thut, so inte- ressant und wichtig sie auch an und für sich ist. Zellstudien. 413 physikalisch-chemischen Grund haben und ferner, dass dieser Grund nicht allein am Zellleib, sondern auch am Kern liegen wird, dürfte dem doch kaum zweifelhaft sein, der der Meinung ist, dass der Zellleib vom Kern im Wesentlichen abhängig ist. So hat Flemming in seinem Hauptwerk p. 59 nachge- wiesen, „dass die 2procentige Osmiumsäure, welche den Eikern, den Ganglienkern lebenstreu fixirt, den Kern einer Algenzelle (Spyrogyra) zu einem glänzenden Klumpen schrumpft, bei wieder anderen Zellen (z. B. Epithel und Bindesubstanz) ihn etwas auf- quellend macht. Die Chromsäure wirkt nach Vergleich mit lebenden Objekten so, dass sie sich nicht weit von der Natur entfernt, ziemlich treu conservirend an den Strukturen der meisten Kernarten. Aber dieselbe Chromsäure, die im Kern eines Ecehinodermeneies oder Molluskeneies die Struktur so zeigt, wie man sie am frischen Ei sieht, liefert bei gleicher Concentration im Kern des Säugethiereies meistens unnatürliche Zusammenbal- lungen. Aehnliches lässt sich von der Pikrinsäure sagen. Die chromsauren Salze erhalten im Säugethierei die Struktur des Kerns leidlich, in den meisten Kernarten dagegen bewirken sie starke Veränderungen.“ Diese Beobachtungen müssen doch ernstlich daran denken lassen, dass es sich dabei um differentielle Verhältnisse chemisch- physikalischer Art handelt und namentlich fällt es auf, dass die Eikerne ein so besonderes Verhalten zeigen, was ja auch den rein morphologischen Verhältnissen entspricht, Eikerne sind eben von besonderer Beschaffenheit. Ferner möchte ich in dieser Beziehung hervorheben, dass in einigen Kernarten ganz besondere Bildungen vorkommen, die ebenfalls auf eine differentielle Beschaffenheit hindeuten und die ich nach Kölliker (Gewebelehre, p. 24) 1889 anführe, aller- dings unter dem kritischen Vorbehalt, dass ich nicht weiss, ob sie sich auch in allen Fällen wirklich bestätigen werden und es nicht zu sagen ist, ob diese Dinge nicht, z. B. bei der Mitose, mehr zufällig in den Kern hinein gerathen sind. So sollen vor- kommen: 1. Krystalle, Speicheldrüsen von Nepa cinerea, Carnoy; Keimbläschen von Fischen, Kölliker. 2. Faden- förmige Gebilde eigner Art, Keimbläschen von Fischen, Kölliker. 3. Körperchen unbekannterArt, Fettzellen von Piscicola, Leydig. 4. Amylumkörner, Kerne von Tra- 414 Friedrich Reinke: descantia, Strasburger; von Cereus spinosus, Fromman; von Clivia, Carnoy. 5. Glyeogen, embryonale Leber von Limax, Carnoy. 6. Fetttröpfehen, Noctiluca, Larven von Krusten, Oogonien von Pilzen, Carnoy. 7. Chlorophyll, gewisse pflanzliche Kerne, Weiss, Carnoy. 8 Pigmentkörner, Eier von Krusten, Carnoy. 9. Eiweissähnliche Gebilde und Fermentkörner, verästelte Kerne von Ypomenta, Darm- epithel von Lumbrieus, Carnoy. Wichtiger wie diese Beobachtungen scheinen mir die Unter- suchungen von Frank Schwarz (l. e.) zu sein. Derselbe hat gefunden, dass bei den zahlreichen Kernen verschiedenster Pflanzen- arten und deren verschiedenen Theilen, bei Anwendung einer srösseren Reihe chemischer Reagentien, das Chromatin als ein durchaus eonstanter Körper sich erwies, während Linin und Para- linin (Oedematin) unter sich manche Aehnlichkeit zeigend, die- jenige Substanz zu sein scheinen, durch deren Differenzirung die Verschiedenheit der Zellen bedingt werden könnten, wenn auch die angewandten Mittel nicht ausreichten, um eine gesetzmässig vorkommende Differenz zu demonstriren. Demnach scheint aber, wenn wir tiefer in dieser Hinsicht in die Geheimnisse des Zellorganismus eindringen wollen, nicht das bis jetzt besonders studirte Chromatin, sondern die soge- nannten achromatischen Theile des Kern, Linin und Oedematin die Angriffspunkte unserer Studien sein zu müssen. Einen, nach meiner Meinung sehr wichtigen Befund, hat bereits Flemming (Hauptwerk, p. 131) publieirt, das, wie wir sogleich sehen werden, vollkommen in Einklang mit meinen Be- obachtungen steht: Flemming fand nämlich, dass sich in vielen Kernarten, bei gewissen Vorbehandlungen, der „Kernsaft“ durch Hämatoxylin, Pikrokarmin und Alaunkarmin einen deutlich far- bigen Grundton erhält, s. z. B. bei Epithelkernen. Flemming fährt dann wörtlich fort: „Bei manchen Kernarten gelingt esmirüberhauptniemals, eine diffuse Mitfärbung des Kernsaftes zu erzielen, so z. B. bei den Kernen der Ganglienzellen, wo es bei tagelanger Tinetion in dünnen Hämatoxy- linlösungen stets farblos bleibt, während die Netze dunkelblauschwarzwerden. Aber mitganz denselben Lösungen und gleicher Behandlung Zellstudien. 415 kann man in Epithelkernen und anderen diffuse Mitfärbung des Kerns zu Wege bringen.“ Dies Verhalten spricht doch in hohem Grade dafür, dass der „Kernsaft“ der Ganglienzellen anders beschaffen ist als der- Jenige vieler anderer Zellen. Bei Anwendung des Lysols war es mir nun möglich, die Wirkung.desselben aufdas Oedematin nach Auflösung des Chromatins genauer zu verfolgen und gesetzmässig eineReihevonKern- arten als different in Bezug auf das Oedematin zu erkennen. Leider ist auch diese Methode, wie ich schon bei meiner ersten Publikation betonte, durchaus keine ideale, zu- mal sie erstlich einen furchtbaren Eingriff durch Lösung des Chromatins nothwendig macht, und, sodann weil sich die Prä- parate bis jetzt nur unvollkommen fixiren lassen. Trotzdem kön- nen wir ja froh sein, wenigstens Etwas in dieser Beziehung er- kennen zu können. Lysol ist bekanntlich eine Lösung von Kresolen, d.h. der- jenigen Substanz des Kresols, die nach Entfernung des Phenols bleibt, in neutralen Seifen. Offenbar ein alkalisches Mittel, da es mit Wasser verdünnt wird und Seifenlösungen in Wasser al- kalisch sind. Leider war es mir nieht möglich, aus Kresol und Seife eine Flüssigkeit gleicher Natur herzustellen. Das Lysol- verfahren ist Patent und Geschäftsgeheimniss. Allerdings liefert das Kresol Raschig eine sehr ähn- liche, immerhin aber doch nicht gleiche Wirkung. Bei der Lysolwirkung muss man drei Stadien unterscheiden. I. Stadium: Auflösung des Chromatins. II. Stadium: Sichtbar- werden der Körner des Oedematins. III. Stadium: Weitere Ver- änderungen des Oedematins. Diese 5 Stadien können mit einem Schlage eintreten, sie können sich alle drei verzögern, es kann das Ill. Stadium ganz ausbleiben, ja es kann in seltenen Fällen auch das I. Stadium schwer und unvollkommen eintreten oder auch ganz ausbleiben. Ich wende Lysol derartig an, dass ich kleine Gewebsstücke bis 24 Stunden in 50 cem Lysol (10°/,) lege und vom ersten Augen- blicke an, also in sehr verschiedenen Zeiten untersuche. Eine Conservirung ist möglich dadurch, dass man die Ge- webe 8—14 Tage in täglich oder alle paar Tage zu erneuernde Flüssigkeit legt und dann, ohne mit Wasser in Berührung zu 416 Friedrich Reinke: bringen in 2°/, Osmiumsäure 24 Stunden behandelt (wonach dann beliebige Behandlung eintreten mag). In manchen Fällen ist die Conservirung recht gut, in vielen Fällen tritt aber Schrumpfung ein, so gut wie in Lysol selbst habe ich die Sachen niemals gesehen. Mir scheint die Wirkung des Lysols so zu sein, dass die Seife das Oedematin quellend macht, das Kresol dagegen gerinnend, während das Linin nur quillt, und dass durch diese verschiedene Wirkung das im Linin liegende Oedematin so gut sichtbar wird. Die Differenzirung der verschiedenen Kernarten wird nun dadurch erkennbar, dass das Lysol auf das Oedematin verschie- dener Kerne verschieden wirkt, und dadurch das Bild derselben nach der Behandlung verschieden ausfällt. Ob diese Wirkung eine ehemische oder physikalische ist, lasse ich dahingestellt sein. Da die Untersuchungen sehr genau und sehr zahlreich sein müssen, um sich bei der complieirten Wirkung ein einigermaassen sicheres Urtheil zu bilden, habe ich mich hierbei bis jetzt im Wesentlichen auf das Thier beschränkt, dessen Kerne wohl mit die best untersuchten sind, den Salamander. Säugethierkerne sind zu einer ersten Untersuchung prineipieller Fragen viel zu klein, müssen aber später genauer geprüft werden. Im Gegen- satz zu der vielen Zeit, die ich auf diese Untersuchung ver- wandte, kann ich mich bei der Mittheilung der Resultate sehr kurz fassen, zumal die Abbildungen, die ich möglichst genau zu machen strebte, das Beste bei dieser Beschreibung machen müs- sen. Leider sind diese aber nicht leicht zu entwerfen, da es oft auf gewisse Unterschiede von Hell und Dunkel, von starker und schwacher Liehtbreehung ankommt, Unterschiede, die eigentlich nur am Präparat selbst einleuchtend zu demonstriren sind. Epithelien. Bei den Epithelien der Salamander tritt die Auflösung des Chromatins (I. Stadium) bald ein, das II. Stadium (Siehtbarwer- dung des Oedematins) am Besten nach 6—24 Stunden. Fig. 3 —9a stellt derartig behandelte Kerne dar vom Mundepithel alter Thiere. Das Oedematin hat eine mittlere Liehtbrechung, und zeigt einen bräunlichen Schimmer. Das Stadium der III. Ver- änderung des Oedematins besteht darin, dass der Kern, also das Oedematin heller wird und weiter quillt (Fig. 9a und 9), dabei nimmt die Lichtbrechung ab, das Oedematin wird weniger gut Zellstudien. 417 sichtbar. In Fig. 3 ist das Platzen der Membran und das Heraus- treten des Inhalts in Fadenform, darnach, draussen die Zurück- bildung zu Körnern gezeichnet, sowie die dieke Membran mit Poren, die von der Fläche gesehen das Bild eines feinen Reti- eulum geben. Bei 3 und 4 hätten noch viel mehr Körner ge- zeichnet werden müssen, allein der Deutlichkeit wegen sind diesel- ben weniger zahlreich, aber etwas grösser wiedergegeben. Fig. 8 zeigt die Polfeldanordnung, die ich öfters noch deutlicher ge- sehen habe. Platte Bindegewebszellen und Endothelien. Fig. 10—13 stellt platte Bindegewebszellen und Endothelien dar. Hier tritt das II. Stadium (Fig. 10) oft nur kurz und vor- übergehend auf, dann gleichen die Kerne sehr den Epithelien. Oft aber tritt dann ein III. Stadium auf, mit starker Lichtbre- chung des zum Theil polymorphen Oedematinkorns, wie ich das bei Epithelien niemals sah. Es ist dies, allerdings nur unvoll- kommen in Fig. 11—13 wiedergegeben. Ich glaube, dass hier eine besondere Quellung des Linins mit im Spiel ist. Glatte Muskeln. Dieselben, wie Fig. 14—15 zeigt, lassen am Oedematin nichts Besonderes erkennen, nur tritt die grössere Liehtbrechung hier seltener und später wie bei den platten Bindegewebszellen auf, doch kommt sie auch hier vor. Kerne der verästelten Bindegewebszellen zeigt Fig. 19. Hier tritt das II. Stadium spät ein, das II. sehe ich garnicht. Es muss dann wohl die gerinnende Wirkung des Kresols schon zu stark eingetreten sein und die stärkere Wirkung des Alkalis verhindert haben. Diesen sternförmigen Bindegewebszellen sind am ähnlichsten die Knorpelzellen, nur dass hier das Oedematin einen auf- fallend bräunlichen Ton annimmt, der vielleicht vom gelösten Chromatin herrührt, übrigens auch bei den Epithelkernen vor- kommt. Nach Fixirung mit Alkohol und Färbung mit Alaun- karmin ist der Kern der Knorpelzellen stets diffus gefärbt (Fig. 16—17). 418 Friedrich Reinke: Die Kerne des Leukoeyten zeigen im I. Stadium (Fig. 20) die polymorphen Kerne noch in ihrer natürlichen Gestalt, nach der Lösung des Chromatins und Sichtbarmachung des Oedematins (Fig. 22 und 23) runden sich die Kerne aus, ja werden vollständig rund. Bei den Leukoeyten kommt auch ein III. Stadium vor (wie Fig. 21), wo das Oedematin gröber und stärker liehtbrechend geworden. Die Kerne der rothen Blutkörperchen wie Fig. 24—53 zeigt, sind ausserordentlich variabel bei der Lysolbehandlung, je nachdem sie im Praeparat dieht zusammen oder weiter zerstreut liegen und je nachdem man viel oder wenig Lysol zusetzt. Bei diesen besonders schwierigen Ver- hältnissen fällt sehr die enorme Quellbarkeit der Kerne auf, wie ich sie bei keiner anderen Kernart gesehen habe. Es entspricht das den Verhältnissen während der Mitose. Ich habe zum Ver- gleich Fig. 29, 30, 31 den Umfang der ruhenden Kerne (29), den des engen Knänels, wo die Membran noch vorhanden (30) und endlich den des weiten Knänels ohne Membran (31) nach Flem- ming (Hauptwerk pg. 263) wiedergegeben. Fig. 25, 27, 28 stellen derartige excessive Vergrösserung schon im I. Stadium (der Lösung des Chromatins) dar. Es muss also das Oede- matin und Linin hier eine ganz besondere Quellbarkeit haben. Sollte darauf vielleicht das Verschwinden des Kerns der Säuge- thiere beruhen? Dieser Punkt wäre zu verfolgen, denn der Austritt der Kerne, wie Rindfleisch es beobachtet, scheint mir doch noch nicht sicher die hauptsächlichste Art und Weise des Verschwindens der Kerme zu sein. Oefters tritt bei mässigerer, aber immerhin doch auffallender Vergrösserung im Stadium II das Oedematin deutlich wie Fig. 24 auf (oder wie Fig. 26 vom Frosch), Fig. 32 und 33 stellt Stadien dar, wo Chromatin und Oedematin zusammen zu sehen sind. Ganglienzellen; Hier ist das Oedematin dadurch ausgezeichnet, dass es schwer sichtbar zu machen ist und sehr feine, helle Körner bildet. Stadium III der Lysolwirkung habe ich hierbei bis jetzt über- haupt nicht beobachtet, oft tritt auch bei gewissen Arten Stadium II Zellstudien. 419 nicht ein. Es herrscht hier also der grösste Gegensatz zu den Bindegewebszellen. Fig. 34 und 35 sind Ganglienkerne aus dem Rückenmark vom Salamander. Die Körner sind in der Zeichnung im Vergleich zum Epithel und Bindegewebe noch viel zu pro- noneirt gegeben, sie sind ähnlich wie beim Spermatozoon eben noch mit besten Immersionen zu sehen. Die sympathischen Ganglienkerne vom Frosch Fig. 37—40 zeigen gut den Gegen- satz zu den Kernen der Kapsel. Das Oedematin ist gar nicht oder höchstens andeutungsweise zu sehen. Die Spinalganglien vom Frosch Fig. 41—43 lassen zwar nach tagelanger Einwirkung Körner erkennen, dieselben sind aber sehr zart, noch zarter als in den Ganglien des Rückenmarks vom Salamander. Beim Kalb und Schaf sah ich des Oeftern nach 24 Stunden Körner in Strängen geordnet vom Nukleolen ausgehend auftreten, vielfach aber blieben die Kerne wie Fig. 36 vollständig homogen. Quergestreifte Muskeln. Hier ist die Wirkung des Lysols sehr auffallend different und gegensätzlich zu den Ganglienzellen. Das Chromatin ist auffallend schwer löslich. Das Oedematin tritt leicht auf, um aber meist wieder zu verschwinden und häufig wird mit ihm der ganze Kern unsichtbar. Auch treten öfters Vacuolen auf. Fig. 71 und 72 zeigen 2 solche Kerne im Gegensatz zu einem Gefässendothel Kern 73. Fig. 74—76 zeigen Kerne ver- schiedener Stadien. Drüsen. Auch die Kerne verschiedener Drüsen zeigen einige auf- fallende Versehiedenheiten, doch nicht in dem starken Maasse, wie die oben genannten Gewebe. Darm- und Magen-Epithelkerne zeigen Stadium II leicht. Oedematin ist zart, feinkörnig, aber sehr deutlich und sieht oft dem des Epithelkerns der Mundschleim- haut genau gleich. Fig. 67—70 ist Darm, ebenso 64 und 65. Fig. 57 und 58 Magen. Fig. 65, 68 und 70 zeigt Stadium III, das durchaus anders ist wie Stadium IV der flachen Binde- gewebszellen Fig. 11—13. Fig. 66. zeigt Vacuolenbildung des Darms eines Salamanders, wie sämmtliche Kerne bei diesem Thiere sie zeigten. Vielleicht ein physiologischer Zustand? Die Kerne der körnigen tiefen Zellen des Magens Fig. 55 sehen auffallend dunkel aus, lassen die Körnelung erst spät und schwer 420 Friedrich Reinke: erkennen und fallen besonders durch das grobe, stark licht- breehende Retieulum der Kernmembran auf, die Fig. 56 abge- bildet ist. Ihnen sind ähnlich, aber noch dunkler und mit noch gröberer und klumpigerer Kernmembran die Pankreaskerne, Fig. 53. Bei dieser Gelegenheit habe ich versucht, ob dies Verhalten vielleicht durch Produkte der Zelle bedingt sei. Ich zupfte Mundepithelien und Pankreaszellen zusammen in einem Präparat, fand aber dieselben Erscheinungen. Bei der Leber Fig. 78 und 79 löst sich das Chromatin auffallend schwer. Die Wirkung II, das Oedematin tritt ebenfalls nicht leicht auf, es stellt feine blasse Körnehen dar, ähnlich dem Darm. Fig. 78 zeigt Reste des Chromatins, 79 Oedematin. Die Niere Fig. 54 ist ähnlich der Leber, nur löst sich das Chromatin bedeutend leichter. Es zeigen sich also, wenn man die 5 Stadien der Lysol- wirkung beachtet, im Grossen und Ganzen gesetzmässige Unter- schiede bei der Lysolwirkung auf die Kerne bei einer ganzen Reihe von Kernarten. Und ich glaube daher nicht fehl zu schen, wenn ich diese Erkenntniss mit einem so unvollkommenen Mittel, wie Lysol ist, gemacht für die meisten Kerne postuliere, in der Hoffnung, dass es uns beim weitern Studium des Linin und Oedematin recht bald gelingen möge, durch bessere Methoden dies Gesetz der Differeneirung der Kernarten weiter und tiefer zu begründen. Zum Schluss erwähne ich noch, dass die verschiedenen Wirkungsstadien auch bei Kernen, wo sie im Ganzen regelmässig einzutreten pflegen, z. B. Epithel und Bindegewebe an einigen Kernen später, an andern früher eintreten, ferner dass, besonders bei den Epithelien der Mundschleimhaut die Körner des Oede- matins in einigen Kernen gröber, in einigen feiner sind. Diese Verhältnisse möchte ich als Aenderungen des physiologischen Zustandes des Oedematins im ruhenden Kern ansehen, so mögen z. B. Verschiedenheiten des Alters der Zellen dabei eine Rolle spielen. Genaue Aufschlüsse kann ich hierüber aber noch nicht geben, da meine Untersuchungen auf diesen Punkt nicht speciell gerichtet waren. Abgeschlossen Ende October 1893. Zellstudien. 421 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXII—XXIV. Biel. Fig. 11 Tafel XXI. Feiner Schnitt aus der mittleren Parthie der Keimschicht der menschlichen Haut. Alkohol. Saffranin. Zellfibrillen und Inter- cellularbrücken mit knopfartigen Verdieckungen. Bei a und b körnige Massen. Schematische Darstellung der Wirkung des Hebens und Sen- kens des Tubus bei Betrachtung von 2 Seiten an Fett =1, Pigment= II, Graphitsplitter in Cedernöl=III, gefärbtes Oel=IV. . 3-10. Pigmentbildungen in Zellen aus dem Bauchfell der Sala- manderlarve, in 3u.4 schwachgefärbte stäbchenförmige, und polygonale Gebilde (Leukoplast), in 6—9 farbige, körnige Pig- mente (farbige Trophoplaste), in 5 Uebergänge beider Arten, in 10 depigmentirte und mit Saffranin pigmentirte Körner, in 6—10 sind bei a die Körner in stärkerer Vergrösserung ent- sprechend dem Inhalt von 3—5 gezeichnet. Tafel XXIII. 13. Leukocyten aus dem Bauchfell der Salamanderlarve. Bei 11 Leukoeyt in Theilung mit Zellplatte, die Kerne zeigen kleine Lochbildungen. Radiäre Strahlung des Protoplasma, rechts ein Körnerkreis, ausserdem netzförmige Struktur des Plasmas. Bei 12 u.13 Leukocyten in amöboider Bewegung. Centrosomen und Sphärenstrahlung nebst concentrischen Körnerkreisen. Territoriale Abgrenzung einzelner Plasmapartien. Bei 12a, b, e Strahlen I. Ordnung, bei d solche II. Ordnung, bei 13a Strahlen T., bei b II. Ordnung. Fuchsin-Methylenblau-Orange- Alkohol-Bergamottöl. Körnerzellen in amöboider Bewegung. Saffranin-Orange-Alko- hol-Bergamottöl. Eine ebensolche Zelle in Mitose. Ebenso. Platte, grosse Bindegewebszelle aus dem Bauchfell in Mitose mit deutlicher Spindel und Polstrahlung. Arkadenförmiger Körnerkreis. Ebenso. Eine ebensolche Zelle mit starkgefärbten feinen Bündeln von Fibrillenim Protoplasma, vielleicht die Anlage elastischer Fasern ? Bindegewebszelle mit collagenen Fasern in Theilung, Zellplatte. Fig. g. 55. Pankreaskerne des Salamanders. 54. Niere. 55 Friedrich Reinke: Zellstudien. Tafel XXIV. 1 auf Tafel XXIII Bindegewebskern der Salamanderlarve. Chro- matin durch Lysol gelöst, wabige Struktur des Linin nach Alkohol-Fixirung und Alaunkarminfärbung, Oedematin un- sichtbar. '. 2 ebenso Kern des Darmepithels vom Salamander, Sublimat, Alaunkarmin, Mitose. Wabige Struktur des hellen Hofes (sche- matisirt). . 3—9b. Epithelkerne vom Salamander nach Lysolbehandlung. 10—13. Endothel und flache Bindegewebskerne ebenso. 14 u. 15. Glatte Muskelkerne. 16—18. Knorpelkerne. g. 19a, b,c. Sternförmige Bindegewebszellen. . 20—23. Leukocyten. '. 24—33. Kerne der rothen Blutkörperchen. g. 34—55. Ganglienkerne aus dem RKückenmark des Salamanders, 36a,b aus dem Ganglion Gasseri vom Schaf. '. 37—40. Sympathische Ganglienkerne vom Frosch. 41—43. Spinal- ganglienkerne vom Frosch. . 44—52. Kerne aus der Milz der weissen Maus. 44 ruhende Kerne, ebenso 52. Die übrigen Mutter- und Tochter-Mitosen (Speichen oder Melonenformen) mit Dissociation und Reeonstitution der Nucleolen. 5 58. Magen. 59—63. Spermatozoen. 64—70. Darmepithel. g. 71—76. Kerne der quergestreiften Muskeln. 77—78. Kerne der Leberzelien. 493 Neue Untersuchungen über die Centralkörper und ihre Beziehungen zum Kern- und Zellen- protoplasma. Von Dr. med. Martin Heidenhain, Proseetor am Institute für vergleichende Anatomie, Embryologie und Histologie zu Würzburg. Hierzu Tafel XXV—XXXI. Einleitung. 1. Die auf den nachfolgenden Blättern mitgetheilten Unter- suchungen entsprangen zunächst dem Wunsche, etwas mehr als bisher bekannt war, über die Natur der Centralkörper in Erfahrung zu bringen, und zwar handelte es sich für mich zu allererst nicht um jene vielumstrittenen Fragen, woher diese merkwürdigen Gebilde sich schreiben, ob sie Kern- oder Zell- substanz seien oder welche physiologische Rolle man ihnen zu- erkennen müsse; vielmehr war ich durch frühere Untersuchungen dahin belehrt worden, dass vor allem noch einmal jene grund- legenden Vorfragen in Angriff genommen werden müssten, welche sich auf die färberische Reaktion, die jedes- malin der Zelle vorhandene Anzahl, die relativen Grössenverhältnisse, die Art und Weise der Ver- mehrung, ihreräumliche Lagerung im Zellkörper u. dgl. mehr beziehen. Erst nach einer derartigen mit mög- lichster Geduld ausgeführten Specialuntersuchung glaubte ich zu allgemeineren Fragen fortschreiten zu dürfen, wie dann auch ge- schehen ist, nachdem ich jene grundlegenden Kenntnisse erwor- ben hatte. Trotzdem ich nun von vornherein im Besitz sehr wirksamer technischer Hilfsmittel war, habe ich diese Untersuchung über die Centralkörper doch nicht in der Art getrieben, dass ich eine grosse Reihe verschiedenartiger Objekte zum Studium heranzog, denn ich fürchtete mit Recht, dass bei einem solchen Verfahren 424 Martin Heidenhain: die Sicherheit der Resultate leiden könne, sondern ich versuchte, für zwei Zellenformen, die Lymphocytenzund Riesenzellen des Knochenmarks (Megacaryocey- ten) das angegebene Thema bis zum letzten Grunde auszuschöpfen. Durch den genauen Vergleich zweier so überaus verschiedener Zellentypen hoffte ich am ersten auch zu allgemeinen Resultaten kommen zu können. Wenn nun auch die Beantwortung der oben angedeuteten Fragestellung für meine Untersuchungen das nächste leitende Ziel war, so behielt ich doch die sämmtlichen mit Bezug auf die Centralkörper in den letzten Jahren erwogenen Probleme von vornherein im Auge und so ist dann diese Arbeit mir unter den Händen nach allen Richtungen hin ausgewachsen. Ja ich glaube, dass auch vielerlei neue allgemeine Gesichtspunkte sich herzuge- funden haben, welche einer weiteren Behandlung werth sind. Was das Studium der Objekte selbst betrifft, so habe ich ferner, wie schon früher, vornehmlich das Verhältniss des Zellen- protoplasmas zu den Centralkörpern ins Auge ge- fasst. Als wesentlich wäre dann ausserdem hervorzuheben, dass ich, wie mir wenigstens scheint, in der Lage war, gewisse grundsätzliche Beziehungen zwischen dem „ru- henden“ Kerne einerseits und dem Zellenproto- plasma, beziehungsweise den Centralkörpern andererseits aufzudecken. Die grössten Bemühungen, denke ich, haben mir die Rie- senzellen gekostet. Für sie war ich gezwungen, ein besonderes Studium aus der Frage der physiologischen Funktion zu machen; denn es handelte sich schliesslich darum, wie man aus der eomplieirten Struktur dieser Elemente Das begrifflich ausscheiden könne, was nur dem specifischen physiologischen Zwecke dient. Auch diese Speeialuntersuchung findet der Leser in der nachfolgenden Arbeit wieder. Das Innere des Zellenkernes ausführlich zu schildern, habe ich diesmal nicht unternommen. Indessen sehe ich mich doch bewogen, ein kleines Kapitel über die Kernstruktur einzu- schalten, um einige neue Funde schicklich unterbringen zu können. Wenn irgend ein Untersucher sich an der Hand sorgfältig gewählter technischer Hilfsmittel mit einem bestimmten empiri- schen Stoff gegen drei Jahre lang beschäftigt hat, dann hat er Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 425 wohl das Recht und die Pflicht zugleich nachzuweisen, wie weit ihm die geistige Durcharbeitung der betreffenden Materie gelun- gen sei. Aus diesem Grunde habe ich den hier zunächst gege- benen empirischen Daten eme theoretische Besprechung am Ende beigefügt. Mit dieser habe ich den Versuch ge- wagt, das ausserordentliche Gewirre der auf meinem Gebiete bestehenden Hypothesen und Probleme übersichtlich zu ordnen, kritisch zu beurtheilen, bestimmte Vorschläge der theoretischen Verwerthung zu machen und auch, am Ende, neue Probleme zu stellen. Ich will auf diese Dinge keinen allzu grossen Werth legen; indessen hoffe ich, dass, wenn auch meine Anschauungen hier und dort besonderer Art sein sollten, diese bei einem oder dem anderen Untersucher Anklang finden werden; zum wenigsten denke ich, dass meine Auseinandersetzungen einigermaassen den Erfahrungen am Objekte selbst entsprechen. Die Anregung zu diesen Arbeiten habe ich zunächst aus den Werken E. van Beneden’s und Boveri’s geschöpft, was ich gern auf das Dankbarste hervorhebe; doch sind auch gerade hier am Orte derartige Untersuchungen schon vor Jahren durch von Kölliker und Oscar Schultze in Gang gebracht worden. Die Publikation dieser vorliegenden Schrift ist ferner als das vor- läufige Ende einer grösseren ‚Untersuchungsreihe zu denken, welche seit dem Jahre 1891 von mir betrieben wurde; hierfür zeugen mehrere inzwischen erschienene, kleinere Mittheilungen, sowie eine umfänglichere Publikation, welche unter dem Titel „Ueber Kern und Protoplasma“ (41) im Frühjahr 1892 veröffentlicht wurde. Schliesslich, am Ende dieser einleitenden Zeilen, will ich es mir nicht nehmen lassen, meinem hochverehrten Chef, Herrn Geh.-Rath von Kölliker, auf das Ausserordentlichste für die Bereitwilligkeit zu danken, mit der mir jederzeit das für meine Untersuchungen benöthigte Material in reichlicher Weise zur Ver- fügung gestellt wurde. In der That würde die Ausführung einer so langwierigen Untersuchung, wie die vorliegende eine ist, durchaus in Frage gestellt sein, wenn sie nach der angezeigten Richtung hin mit äusseren Schwierigkeiten zu kämpfen hätte. Dass dies in keiner Weise der Fall war, werde ich jederzeit dank- bar anzuerkennen wissen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 28 426 Martin Heidenhain: Material und Methoden der Untersuchung. 2. Während ich mich früher der Hauptsache nach an die Objekte Flemming ’s, die urodelen Amphibien und deren Larven, halten zu müssen glaubte, habe ich diesmal den Geweben der Säugethiere den Vorzug gegeben. Maassgebend für diesen Ent- schluss war der Umstand, dass ich an Leukocyten und Riesen- zellen des Kaninchens die Centralkörper in sehr leichter Weise sichtbar machen konnte. Es dürfte für Centralkörperstudien überhaupt keine gefälligeren Objekte geben als das Knochenmark, die Milz und die Lymphdrüsen von Säugethieren. Diese Gewebs- formen lassen sich in vorzüglich leichter Weise schneiden und in jedem Schnitte stehen dann Hunderte und Tausende von Zellen zur Untersuchung bereit. Ganz besonders bequem ist das rothe Knochenmark des Kanincehens. Die überaus gleich- mässige Consistenz dieser Gewebsform erlaubt die Herstellung tadelloser Serien bei einer Schnittdicke von 3u. In den fertigen Präparaten zeigen sich dann nicht blos die zahllosen, den ver- schiedensten Typen zugehörigen Lymphkörperchen als ge- eignete cellular-histologische Untersuchungsobjekte, vielmehr muss ich ganz besonders hervorheben, dass die in jedem Sehnitte in srösserer Anzahl vorhandenen und von mir nun genauer unter- suchten Riesenzellen ein solches Interesse in hohem Maasse verdienen. Der Untersucher ist hier in der vortheilhaften Lage, dass ihm eine von der gewöhnlichen Erscheinungsweise voll- kommen abweichende Zellenform von vornherein zum Vergleich mitgegeben wird; auf diese Weise wird dem Beobachter nahe gelegt, fortwährend daran zu denken, dass die an einer Zellenform ermittelten Thatsachen nieht sogleich an jeder anderen Stelle Geltung haben können. Durch die Gegenüberstellung der Befunde an Leukocyten und Riesenzellen hoffte ich den allgemeinen, übereinstimmenden Regeln des Zellen- aufbaus näher zu kommen, muss aber schliesslich sagen, dass diese Hoffnung sich nur in geringem Grade erfüllt hat. Das Knochenmark bietet auch sonst für die Cellularhisto- logie Interesse genug: da hat man die Entstehungsgeschichte der rothen Blutkörperchen vor Augen, da finden sich Mitosen in grösserer Menge, auch direkte Theilungen fehlen nicht und Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 427 schliesslich zeigen sich an den Riesenzellen vielfach die von Arnold als „indirekte Fragmentirung“ geschilderten Zustände. Rothes Knochenmark fand ich bei erwachsenen Kanin- chen mitunter, ohne dass sich ein besonderer Grund für die An- wesenheit desselben angeben liess; ferner erhielt ich von meinem Freunde, Herın Dr. Gürber, vielfach Thiere, bei denen einige Tage zuvor nach grösseren Blutentziehungen Kochsalztransfusio- nen gemacht worden waren. In diesen Fällen fand ich ganz regelmässig ein rothes Knochenmark vor, das sich namentlich durch die Gegenwart zahlreicher Riesenzellen auszeichnete. War das rothe Knochenmark am Kaninchen mein haupt- sächliches Untersuchungsobjekt, so habe ich nebenher doch noch mancherlei andere Gewebsformen untersucht; so die Milz vom Kaninchen, Lymphdrüsen und Darmwand vom Hunde. Ferner habe ich eine grössere Reihe von älteren und neueren Präparaten vom Salamander und dessen Larve mit herangezogen. Dann war ich durch die Güte des Herrn Geh. Rath von Kölliker in der glücklichen Lage, vollkommen frisch eingelegte Gewebe vom Protenus untersuchen zu können. In der Niere und in der Leber dieser Geschöpfe fand ich reichliche Mengen von Lymphoeyten und Phagocyten, welche meinen Zwecken in ausgezeichneter Weise dienen konnten. 3. Zur Conservirung der Gewebestücke habe ich das Sublimat, die Flemming’sche Säuremischung, 1 und 2°/,ige Osmiumsäure und schliesslich auch Chromsäurelösungen verschiedener Concentration in Anwendung gebracht. Die Chrom- säure-Fixirungen waren schlecht und wurden weiterhin nicht ver- wendet; die anderen Mittel ergaben Präparate verschiedener Art, aus deren Vergleichung ein Urtheil über das normale Verhalten mit Sicherheit gewonnen werden konnte. Im allgemeinen machte ich die Bemerkung, dass die Lymphocyten sich leicht in hin- reichender Weise conserviren, während man am Leibe der Riesen- zellen ungemein häufig auf Bildungen stösst, welehe den Verdacht erwecken, dass es sich um Artefakte handeln könnte; hiervon wird weiter unten noch im Einzelnen die Rede sein. Aus allen meinen bisherigen Erfahrungen, welche die Fixi- rung und Härtung der Gewebe zum Zwecke feinerer Untersu- chungen betreffen, geht mir übrigens hervor, dass bei dem jetzi- 428 Martin Heidenhain: gen Stande der histologischen Technik die Conservirungsfrage noch immer im Vordergrunde steht, während auf der anderen Seite die färberische Darstellung der zu untersuchenden Objekte bei geeigneten Bemühungen fast: immer gelingt. Sehr grosses Vertrauen hatte ich seit langer Zeit dem Sublimat entgegen- gebracht; ich muss meine früheren Angaben über dieses Mittel jedoch dahin korrigiren, dass ich in letzter Zeit weniger günstige Resultate damit hatte. Ich erhielt oft Schrumpfungen ganz eigen- thümlicher Art, ohne dass es mir gelang, die Ursache derselben festzustellen. Und eine specifische Ursache muss vorhanden gewesen sein, denn es ist doch nicht möglich zu denken, dass mit demsel- ben Mittel an demselben Objekt bei gleicher Vorsicht der Hand- habung das eine Mal vorzügliche und das andere Mal minderwerthige Conservirungen zu Stande kommen. Indessen leitet sich doch der grösste Theil derjenigen Präparate, welche den Beobachtun- gen schliesslich zu Grunde lagen, von Sublimat-Fixirun- gen her; Schnitte aus Flemming’scher Lösung und aus Os- miumsäure dienten wesentlich nur als werthvolle Vergleichs- objekte. Aus dem Gesagten geht hervor, dass ich vorzüglich mit sauren (Sublimat, Flemming’sche Mischung) und nur neben- her mit neutralen Fixirungen (Osmiumsäure) gearbeitet habe. Nun hat Altmann (1) neulich behauptet, dass die sauren Mittel besonders am ruhenden Kern und an den Chromosomen artifi- cielle Bilder erzeugen, welche der Natur nicht entsprechen, und dass nur die neutralen Conservirungen den natür- lichen Zustand erhalten können. Altmann beruft sich wesentlich darauf, dass die von ihm am ruhenden Kern und an den Chromosomen demonstrirten feinen Granula und die inter- granulären Netze von solchen Autoren, die mit sauren Mitteln arbeiten, bisher nicht erhalten werden konnten. Hiergegen habe ich dreierlei zu bemerken: l. Altmann unterdrückt ohne Weiteres die Thatsache, dass ich an Sublimatpräparaten neben den Chromatingerüsten in den ruhenden Kernen eine ungeheure Menge von feinen Mikrosomen auffand (41; pag. 124)!), welche sich vor- 1) Aehnliche Beobachtungen sind schon in Flemming’s Haupt- werk (6; pag. 176) enthalten. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 429 nehmlich mit Protoplasmafarbstoffen tingiren und sehr wahrschein- lich als innerhalb der Lininfadengerüste befindlich gedacht wer- den müssen. Diese Mikrosomen („Lanthanin“-Mikrosomen, wie ich sie nannte), sind vielleicht mit den Altmann ’schen Kern- granulis identisch. Also können auch mit sauren Mitteln ähn- liche oder sogar dieselben Bilder erhalten werden, wie sie uns Altmann zeigte. 2. Was die Chromatingerüste der Autoren anlangt, welche nach Altmann als intergranuläres Netz zu seinen monoblasti- schen Kerngranulis gehören (3; pag. 226), so kann man an mit Sublimat fixirten Objekten die granuläre Zusammensetzung derselben auf färberischem Wege erweisen (siehe weiter unten in dem Kapitel V). Dies sind dann Bilder, welehe Altmann sofort für seine be- kannte Lehre in Anspruch nehmen würde, die aber er selbst trotz aller neutralen Fixirungen noch nicht er- reichen konnte (3; pag. 223 und 2; pag. 292). Also sind vorläufig diesaurenFixirungen meinerMei- nung nach überlegen. 3. Wenn man Gewebe mit 2°/, Osmiumsäure behan- delt, wie dies nach Altmann ganz besonders zweckdienlich sein soll, so erhält man auf alle Fälle eine ausserordent- liche Quellung, welche schon mit blossem Auge ohne Weiteres sichtbar ist. Ich kann also dem nicht beistimmen, dass die Osmiumsäure ein weniger „differentes“ Mittel wäre als irgend ein in schonender Weise angewandtes saures Fixirungsmittel. Da nun ferner die Osmiumsäure die rationelle Verwerthung der Farbstoffe unmöglich macht, so sind mir die sauren Mittel lieber, zumal für den Zweck der vorliegenden Untersuchung, da sie näm- lieh unter Umständen ganz vorzügliche Conservirun- gen des Protoplasmas liefern, wie dies auch Altmann selber zugiebt. — Die in Osmiumsäure fixirten Präparate habe ich lediglich in ungefärbtem Zustande untersucht. Man sieht auch so genug, um sich davon überzeugen zu können, dass das mikroskopische Bild im wesentlichen das gleiche ist wie bei an- deren guten Fixirungen. Das Verfahren des Einbettens, Schneidens und Aufklebens habe ich in derselben Art ausgeführt, wie ich das anderen Orts (41; pag. 114) geschildert habe. Nur möchte ich noch bemer- 430 Martin Heidenhain: ken, dass für die von mir ausgeübten Färbungsproceduren, sofern es sich um Säugethiergewebe handelt, die Schnittdieke nicht über 4u betragen darf. Ich habe zu allermeist glatte, lange Serien A 31 geschnitten. Noch feiner zu schneiden halte ich nicht für rathsam, da nämlich bei sehr feinen Sehnitten die Messerartefakte!) namentlich an den Gerüstwerken des ruhenden Kerns in ausserordentlichem Umfange zunehmen. 4. Es wurde eine grosse Anzahl von Färbemitteln in An- wendung gebracht: Saffranin, Gentianaviolett, Bor- deaux R, Säureviolett, Thionin, Anilinblau, Biondi’scheLösung, Alaun-Carmin und schliess- lich auch die verschiedensten Arten der Häma- toxylinfarben. Speciell für das Studium der Protoplasmastrukturen einer- seits und der Centralkörper andererseits (vergl. auch 45) sind geeignet das Bordeaux R, Biondi’sche Lösung und die von mir neuerdings wiederum in Anwendung gebrachten Hämatoxylin-Eisenlackfärbungen. Ueber die zweekmässigste Art der Anwendung des Bordeaux R ist bereits in der Arbeit meines Schülers Ph. Nicoglu (70; pag. 414) berichtet worden?). Die Biondi’sche Lösung habe ich in genau derselben Weise gehandhabt, wie ich dies a. a. 0. (41; pag. 116f.) schon ausführlich besehrieben habe. Den dort gegebenen Rathsehlägen will ich heute noch Einiges hinzufügen. Die Hauptsorge bei der Anwendung der genannten Farbstofflösung muss durchaus immer sein, sie auf dem riehtigen Grade der Acidität zu erhalten. Aus diesem Grunde soll man 1) Diese von mir gedachten Artefakte sind nur bei Immersion und unter hohen Vergrösserungen sichtbar; sie bergen eine grosse Gefahr für die Mikroskopie an den Zellen. Es kommen auch „meta- mikroskopische“ Messerartefakte vor, d. h. solche, die direkt als solche überhaupt nicht mehr wahrnehmbar sind und nur auf indirek- tem Wege aus gewissen Strukturverschiebungen erschlossen werden: können. 2) Daselbst siehe auch Angaben über das Thionin, einen ganz vorzüglichen Anilinfarbstoff, welcher als Kernfärbemittel dem Saffranin und Gentianaviolett ausserordentlich überlegen ist und allen denen zu empfehlen ist, die mit geringer Mühe die Chromatingerüste darstellen wollen. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 431 die nach meinen Vorschriften regulirten Lösungen nicht filtern, denn während des Filterns nimmt der Grad der Aeidität ah. Ferner müssen Lösungen, die längere Zeit gestanden haben, im- mer wieder von neuem durch Zusatz geringer Mengen Säure auf- gefrischt werden und zwar aus dem Grunde, weil ohne Zweifel alle wässerigen Lösungen Spuren von Glas ablösen. Hierbei gehen alkalisch reagirende Silikate in die Flüssigkeit über, welche den Aeciditätsgrad herabmindern. Rationell wäre mithin einzig und allein die Lösungen in Metall- oder Gutaperchagefässen aufzube- wahren. — Durch die grosse Güte von Herrn Prof. Ehrlich erhielt ich ferner zwei Triaeid-Lösungen, welche, in glei- cher Weise wie die Biondi’sche Mischung behandelt, ausge- zeichnete Präparate lieferten. Die Biondi’sche Modi- fikation der Ehrlich’sehen Originallösung ist mithin meiner Meinung nach überflüssig geworden: man sollte fernerhin nur noch auf die Ehrliech’schen originalen Farbstoffgemische zu- rückgehen. Zu Zwecken der Centralkörperfärbung ühri- gens können bei Säugethiergeweben die Biondi’schen und Ehrlich’schen Mischungen im allgemeinen nicht mehr mit Vortheil angewandt werden, obwohl man ja gelegentlich recht hübsche Darstellungen der Centrosomen erhält (Fig. 71). Was die Eisenhämatoxylinfärbungen anlangt, so habe ich zunächst die Pflicht zu bemerken, dass ich keines- wegs der erste gewesen bin, der sie n systematischer Art zur Ausbildung zu bringen versucht hat. Dies geht aus einer Schrift Benda’s (9) hervor, die mir leider bis vor kurzem unbekannt war und deswegen in meinen früheren Arbeiten zu meinem grossen Bedauern nicht erwähnt wurde. Benda giebt an dem eitirten Orte eine Vorschrift, wie man mit Eisenhäma- toxylin die Elemente des Nervensystems färben könne, und es zeigt sich hierbei, dass dieser Autor, gerade so wie ich selbst, das Prineip der vorherigen Metallimprägnation der Schnitte, wie es uns von Weigert gelehrt wurde, benutzt hat. Im übrigen hat Weigert selbst schon früher sich in Eisen- hämatoxylinfärbungen versucht, wie ich aus gelegentlichen An- gaben dieses Autors entnehme!). — Natürlich habe ich auch 1) Jeder mikroskopische Techniker weiss, dass die Entwicklung der modernen Anwendungsweise des Hämatoxylins von meinem Vater und vorzüglich von Weigert ausgegangen ist. Jeder 432 Martin Heidenhain: versucht in Analogie des Böhmer schen Prineipes (Hämatoxylin- Aluminium-Farben) das Eisenhämatoxylin in Lösung zu erhalten, die Farbe somit, wie Benda sich treffend ausdrückt, als „Tinte“ zu verwerthen, allein hierbei erhielt ich nur minder- werthige Tinktionen. Ebenso bin ich davon abgekommen ent- sprechend dem Vorgehen meines Vaters (Hämatoxylin- Chromlack-Färbungen) die Schnitte zuerst mit Hämatoxylin zu durehtränken und dann das Metallsalz einwirken zu lassen. Hierbei erhält man zwar sehr feine und auch interessante Tink- tionen, allein die Liehtunterschiede im Präparate sind so geringe, dass die Mikroskopie selbst Schwierigkeiten macht. Durch- färbung der Stücke gelang keineswegs; ich besitze zwar vom W. S. 1884/85 her einige Präparate, welche mit Eisenhäma- toxylin ganz hübsch durchgefärbt wurden und auch hier und da die Centrosomen zeigen, ich bin aber neuerdings auf diesem Wege zu keinem Erfolge mehr gekommen. nachfolgende Experimentator in Sachen des Hämatoxylins muss noth- wendiger Weise auf den von diesen beiden Autoren gegebenen Grund- - Jagen stehen. Ferner hat Paul Mayer uns eine sehr wichtige That- sache kennen gelehrt, nämlich dass gewisse Hämatoxylinfarben viel besser in oxydirtem Zustande, als Hämatöin-Farben, verwendet werden. So kann man in der That nichts besseres thun, als den An- gaben P. Mayer’s entsprechend, an Stelle des Hämatoxylin-Aluminium- Lackes den Hämate@in-Aluminium-Lack zu verwenden. Es ist wohl ausserdem ohne Zweifel, dass bei den in Lösung verwandten Häma- toxylin-Farben ein Theil des Farbkörpers sich oxydirt und als Häma- tein-Farbe am Schnitt zur Wirksamkeit kommt. Dass das Hämatein in Verbindung mit Aluminium-Salzen eine weit bessere Tinktionskraft entwickelt als an gleicher Stelle das Hämatoxylin, dürfte wohl darauf beruhen, dass die Hämateäin-Aluminium-Farbe schwerer in Wasser löslich ist als der nicht oxydirte Körper und daher leichter aus dem Menstruum an die Gewebe abgegeben wird. Die Weigert’sche Ner- venfärbung gelingt ganz vorzüglich unter Zugrundelegung des Häma- teins. Dies ist nicht der Fall bei den Eisenhämatoxylinfär- bungen. Es war mir schon früher aufgefallen, dass die Tinktion der Centrosomen sich am besten mit frischen Lösungen des Hämatoxy- lins macht oder doch mit solchen Lösungen, die nur kurze Zeit ge- standen haben. Je älter die Lösung, um so schwieriger die Differenzirung der überfärbten Präparate. Wenn also die Lösungen bei langem Stehen sich oxydiren, so stimmt das auch damit überein, dass Häma- tein-Eisenlack-Präparate schwer zu differenziren sind und keine schönen Resultate liefern. Neue Untersuehungen über die Centralkörper etc. 433 In letzter Zeit hat Benda seine alten Vorschriften der Erzeugung und Verwendung des Eisenhämatoxylins von neuem für die Zwecke der Zellenhistologie und zwar vornehmlich auch mit Rücksicht auf die Centralkörperfärbungen durchgearbeitet (11, pag. 161). Hierin ist unser Autor offenbar wiederum gänzlich unabhänglich von mir gewesen, obwohl die von mir vorgeschlagene Oentralkörperfärbung über ein Jahr früher im Druck erschien !). Der Zufall und der Umstand, dass von vielen Seiten her nach neuen Mitteln gesucht wird, hat es gefügt, dass noch ein dritter Autor, Bütschli (20; pag. 80), gleichzeitig mit mir sich mit dem Eisenhämatoxylin beschäftigt hat. Die technischen Vorschläge, die von dieser Seite her gegeben wurden, dürften im übrigen nur für ganz specielle Zwecke dienlich sein. Mit den Eisenhämatoxylinfärbungen, wie ich sie zur An- wendung zu bringen gewohnt war (41; pag.:118ff.), hoffte ich beiSäugethiergeweben noch bessere Resultate zu erreichen, als mir dies früher bei den Amphibien möglich gewesen war. In dieser Voraussetzung habe ich mich aber in so fern getäuscht, als die Tinktionen noch etwas ungleichmässiger als sonst aus- fielen. Bei einem bestimmten Grade der Differenzirung zeigte sich, dass zwar die Kerne der grösseren Leukoeyten in schöner Weise bis in das feinste Detail hinein gefärbt waren, dass aber die Kerne der kleinsten Lymphkörperchen hierbei überfärbt blieben. Treibt man dagegen die Differenzirung so weit, dass die Anordnung der Strukturen auch in den kleinsten Kernen deutlich hervortritt, so sind wiederum die Gerüstwerke der gröberen Kerne fast völlig entfärbt. Im übrigen verhalten sich auch andre regressive Verfahrungsweisen (Saffranin, Gentiana) gegenüber den Kernen der Lymphkörperehen in durchaus ähnlicher Weise. Die schönsten Kernfärbungen, die mir überhaupt bisher vorgekommen sind, liefert, besonders auch was die Gleichmässigkeit der Wirkung betrifft, das Thionin Ehrlich-Hoyer(l). 1) Wie ich mich auf der Anatomenversammlung zu Göttingen überzeugen konnte, sehen Benda’s Präparate total anders aus als die meinigen. Ich war bisher noch nicht in der Lage die Benda’sche Vorschrift für Centralkörperfärbung nacharbeiten zu können und habe daher über dies Verfahren kein Urtheil. 454 Martin Heidenhain: Die Anwendung dieses Farbstoffes (70; pag. 420) erfolgt ohne eine besondere nachherige Extraktion; die Abspülung mit Wasser und Alkohol genügt um eine prächtige Färbung der Kerngerüste auf alle Fälle zu erzielen. Es kann auch nicht zu viel extrahirt werden, da nämlich der Kern die Farbe nicht völlig wieder hergiebt. Die Tinktion selbst geht an Sublimat- präparaten mittelst einer wässrigen concentrirten Lösung des Farbkörpers sehr leicht vor sich und erstreckt sich bei Tinktionen von kurzer Dauer (wenigen Minuten!) wesentlich nur auf das Chromatin; wird die Zeitdauer der Ein- wirkung verlängert, so geht die Färbung suecessive auf die Lininfadengerüste über und zwar tingiren sich die Lininfäden nieht im toto, sondern innerhalb derselben sind es nur die von mir beschriebenen Mikrosomen des Lantha- nins, welche die Farbe in stärkerem Grade annehmen. Ich glaube, dass das Thionin sich wegen seiner vor- züglichen Eigenschaften binnen kurzem ganz allgemein in der histologischen Technik ein- bürgern wird!) Ich komme nun aufdieHämatoxylineisenfärbungen zurück, um ihre Wirkung an den CGentralkörpern genauer zu besprechen. Diese Färbungen wurden ja ursprünglich von mir zu dem Zweeke neu ausgeprobt, um die Central- und Pol- körperehen sichtbar zu machen. Ich wollte, wenn irgend möglich, eine allgemein anwendbare Methode schaffen, durch welche die van Beneden-Boveri’sche Theorie von der Constanz und Permanenz der Centralkörper in den Zellen erwiesen oder wider- legt werden konnte. Nun kam ich mit den gedachten Proceduren auch in soferne um einen Schritt weiter, als sich in einigen Zellenarten die Centrosomen in der That in ausserordentlich seharfer und deutlicher Weise darstellen liessen. Auch ihre econstante Duplieität im Leukoecyten liess sich nachweisen; desgleichen färbten sich aller Orten diean den Spitzen der karyokinetischen Spindelfigur be- 1) Wie Herr Professor Born mir mittheilt, lässt er das Thionin durch einen seiner Schüler nach jeder Richtung hin durcharbeiten. Ich hatte das Thionin zum Zwecke der Muceinfärbungen gemäss den Vorschriften Hoyer’s in Anwendung gezogen und hierbei waren mir die prächtigen Kernfärbungen sofort aufgefallen. [Sj1 Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 45 findliehen Polkörpercehen in leichter Weise, allein auch insolehen ruhenden Zellenformen, für welche die Gegenwart der Centralkörper bereits erwiesen war, gelang die Darstellung derselben (innerhalb des einzelnen Präparates) doch nur bei einer Minderzahl von Individuen. Der Färbungseffekt war hier wie am Kern ein ungleichmässiger. Aus diesem Grunde habe ich mir es angelegen sein lassen, die Methode zu verbessern und bei der ausserordentlichen Biegsamkeit des Verfahrens ist mir dies bald gelungen. Der ursprüngliche Modus procedendi, welcher auch bei der neuen Anwendungsform sich noch einmal in der gleichen Weise wiederholt, ist im allgemeinen der folgende: die von Sublimatstücken entnommenen feinen Schnitte (— bei Säugethieren soll die Schnittdieke 3 u betragen —) werden auf dem Objektträger vermittelst destillirten Wassers fixirt, mit jod- haltigem Alkohol ausgezogen und in einer 1!/, °/,igen Lösung von schwefelsaurem Eisenoxydammon gebeizt!). Darauf wird mit destillirtem Wasser kurz abgespült und der Objektträger mit- sammt den Schnitten für 12 bis 18 Stunden in einer !/, O/,igen Lösung von Hämatoxylinum purissimum (Grübler) aufgestellt. Im Innern der Schnitte bildet sich inzwischen die Hämatoxylin- eisenfarbe, welche das Präparat in toto und in sehr intensiver Weise schwärzt. Die auf diese Weise überfärbten Schnitte werden dann von neuem mit der schon zuvor gebrauchten 1!/, °/,igen Eisenlösung behandelt, wobei die Farbe successive extrahirt wird. An der Hand einer thunlichst starken Vergrösserung verfolgt man den Vorgang der Extraktion, so lange bis das Zellenprotoplasma 1) Andere Eisensalze, — ich habe von Anfang an mit ver- schiedenen Eisensalzen gearbeitet, — empfehlen sich meines Wissens nicht, oder bleiben in den Leistungen zurück. Ich habe niemals in den Präparaten Niederschläge von Eisenoxyd erhalten, von denen Benda spricht. Zwar in der Eisenlösung selber treten diese sehr leicht ein, jedoch sind sie so schwerfälliger Natur, dass man die klare Flüssigkeit jeder Zeit leicht abgiessen kann, so dass selbst das Filtern überflüssig wird. Die Krystalle von Eisenoxyd-Alaun, welche zur Verwendung kommen, sollen hellviolett und durch- sichtig aussehen; sind sie gelblich und undurchsichtig, so sind sie verwittert und taugen nichts mehr. Man bewahrt das Salz in einem Glas mit eingeriebenem Stöpsel auf. Die Lösung muss auf kaltem Wege hergestellt werden, da in der Hitze das Salz sich sofort zersetzt. 436 Martin Heidenhain: völlig entfärbt ist und die Chromatingerüste der Kerne deutlich geworden sind!). Danach wird mit Leitungswasser (15 Minuten) ausgewaschen und das Präparat in der üblichen Weise in Balsam aufgestellt ?). Bei diesem Verfahren machte ich die Beobachtung, dass, wenn die Differenzirung aus irgend welchen weiterhin nicht ersichtlichen Gründen einmal rascher, als gewöhnlich der Fall zu sein pflegte, vor sich ging, die Centralkörper in grösserer Anzahl als sonst gefärbt waren, und umgekehrt, wenn ich ein- mal bei der Extraktion der Schnitte sehr lange Zeit brauchte, um das Protoplasma farblos zu machen, dann war auch die Centralkörperfärbungeineminderwerthige. Hier- aus schien mir als ganz sicher hervorzugehen, dass die bei dieser Tinktion eintretende Centralkörperfärbung nicht blos so zu sagen eine gelegentliche, zufällige sei, sondern dass in der That die Centrosomen eine specifische Verwandtschaft zu der Häma- toxylin-Eisenfarbe besitzen müssten. Denn gerade dadurch zeigten sie gegenüber den färbbaren Theilen des Zellenprotoplasmas ein selbstständiges Verhalten, dass sie n um so grösserer Zahl gefärbt blieben, je schneller die Differenzirung vor sich ging. Diese eigenartige Thatsache, welche mir nur durch die Annahme einer besonderen chemischen Affinität gegenüber der Hämatoxylin- Eisenfarbe erklärbar schien, gab mir die Stelle an, an welcher ich einzugreifen hatte, um das Verfahren zu verbessern: ich musste es dahin bringen, die Entfärbung des Protoplasmas bei der Differenzirung möglichst zu beschleunigen. Dies erreichte ich in folgender Weise. Ich zog in Rechnung, dass unsere gewöhnlichen Tinktionen höchst wahrscheinlich auf chemischen Bindungen beruhen, und dass, wenn es gelang, die Affinitäten des Zellen- 1) Man kann den Vorgang der Differenzirung jeden Augenblick durch Abspülen mit Leitungswasser unterbrechen und nach der Con- trolle des Objekts dann die Extraktion fortsetzen. Diese Unterbre- chungen schaden nichts, ja sie scheinen zu nützen; wenigstens denke ich von dem an Erdsalzen reichen Quellwasser eine günstige Wirkung bezüglich der Centrosomen- und Chromatinfärbung gesehen zu haben. 2) Die Hämatoxylin-Eisenfarben sind in neutralen, alkali- schen und sauren Schnitten absolut unveränderlich. Man hat es in der Hand hinterher noch mit beliebigen Farben auf die Schnitte einwirken zu können. Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 437 protoplasmas von vornherein in irgend einer Weise, wenigstens theilweise, zu sättigen, es dann bei der Ausübung der Eisenfärbung gelingen müsse, denschwarzenFarbstoff mitvielgrösserer Geschwindigkeit aus dem Zellenprotoplasma zu extrahiren. Dieser rein theoretischen Berechnung ent- sprechend färbte ich die Schnitte zunächst mit solchen Farb- stoffen, welche wohl das Zellenprotoplasma und den Kern, nicht aber die Centralkörper in besonders auffallender Weise tingiren; so hoffte ich die chemischen Affinitäten des Zellenprotoplasmas zu binden, diejenigen der Masse der Centralkörper dagegen für die nachfolgenden Einwirkungen frei zu halten. An den in dieser Weise vorbehandelten Schnitten brachte ich die Häma- toxylin-Eisenfärbung, wie sie oben beschrieben wurde, rite zur Ausführung, — und erhielt bei dem ersten Versuch sleich,.ieine «massenhafte CGentralkörperfärbunse. Thatsächlich geht auch bei der Methode der Vorfärbungen die Lösung der Eisenfarbe im Zellenprotoplasma schneller vor sich, als wenn die Vorfärbung unterbleibt. Ich führe also hiermit en neues Princip in die Technik der histologischen Färbungen ein. Es handelt sich zwar um eine suceedane Mehrfachfärbung, jedoch nieht um ein beliebiges Uebereinanderfärben, sondern um eine anfängliche Summation, mit darauf folgender speeifisch gerichteter Subtraktion der Farbwirkungen am Schnitt. Die Farbe, welche zuerst auf das Gewebe einwirkt, muss eine haltbare Tinktion abgeben und wird wenn irgend möglich, unter den progressiv wirkenden Mitteln zu wählen sein. Das nach folgende Färbungs- verfahren muss ein regressives sein, und es würden nun die Vorgänge während des ganzen Processes etwa nach dem hier beigefügten Schema ablaufen. Farbkörper A z. B. tingirt die Substanzen x und y N B ” ” N x N % und Lu Bei der Differenzirung bleibt schliesslich gefärbt durch A Ben ri a earund durch Big ren le 2. Der Leser sieht leicht ein, dass der faktische Eı- folg am Präparate nur dann mit dieser Berechnung überein- stimmen kann, wenn der Farbkörper B nicht etwa eine grössere 438 Martin Heidenhain: Verwandtschaft zu x und y hat als A. In dem letzeren Falle würde eventuell die Farbwirkung von A, welche an den Sub- stanzen x und y bereits stattgefunden hat, durch die nachfolgende Farbwirkung von B für immer verdeckt werden. Bei unserer Unkenntniss der zwischen den Eiweisskörpern einerseits und den Farbstoffen andrerseits bestehenden Affinitätsverhältnisse wird immer erst der Versuch entscheiden müssen, ob die theoretische Construktion irgend einer Färbungsprocedur, welche nach dem voranstehenden Schema entworfen wurde, thatsächlich zu Recht besteht. Indessen ist es, glaube ich, auf alle Fälle von Vortheil, ein neues Prineip der Variation histologischer Färbungsmethoden zu haben. Es ist sehr wohl möglich, dass man mit der Zeit viele regressive Tinktionen nach dem Prineipe systematisch gewählter „Vorfärbungen“ verbessern wird, und ich schlage für die Zukunft vor, derartige methodisch kombinirte Färbungs- weisen als „subtraktive* Tinktionen zu bezeichnen. Durch die geschilderte Art zu verfahren erhält man also Mehrfach- färbungen, welche in eine Reihe mit den gewöhnlichen Contrast- färbungen und den „differentiellen Combinationsfärbungen“ (Ehrlich) zu setzen wären, die aber von diesen beiden Weisen der färberischen Darstellung ihrem prineipiellen Gehalte nach durchaus verschieden sind. Zum Zwecke der Darstellung der Centrosomen durch das Eisenhämatoxylin benutze ich als „Vorfarben* schwache Lösungen des Bordeaux R und des Anilinblaus; auch Me- thyleosin habe ich gelegentlich in Anwendung gezogen. Diese drei Farben haben mit Beziehung auf die Centralkörper prineipiell die gleichen Wirkungen bei nachfolgender Eisenhämatoxylin- färbung. Im weiteren Verlaufe meiner Arbeit habe ich dann zu den Vorfärbungen wesentlich nur das Bordeaux R benützt und zwar aus dem Grunde, weil de Bordeaux-Eisenhäma- toxylinpräparate vor allem die vorzüglichsten Centralkörper- färbungen zeigten. Als Beleg führe ich hier vorläufig die Figg. 64, 67, 70 und 72 an, welche die multiplen Centralkörper der Riesenzellen gerade so wie die Präparate selbst, nämlieh völlig scharf und rein und in intensiver Schwärze gefärbt zeigen. Diese Thatsache ist um so merkwürdiger, weil bei Anwendung der einfachen Eisenfärbungen sich eben dieselben Centralkörper der ruhenden Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 459 Riesenzellen überhaupt nicht färben, während sie auf Biondi’sche Lösung ähnlich reagiren wie die Centralkörper der Lymphoeyten (Fig. 71). Im übrigen, da es sich auch hier um ein Extraktions- verfahren, wiewohl um ein verbessertes, handelt, sind die Erfolge nicht constant: man erhält gute und schlechte Centralkörper- färbungen, und es ist nothwendig zum Zwecke der Untersuchung die Präparate sorgfältig auszulesen. Jedoch gelingt die Färbung in vielen Fällen eben in ausgezeichneter Weise, derart, dass man auf einem einzigen Schnitte durch das Knochenmark die Central- körper ohne Weiteres in vielen Hunderten von Zellen auffinden kann. — Ueber die Färbungseffekte, welche diese Methode an den Centralkörpern hinsichtlich ihrer Grösse, Form ete. zur Folge hat, habe ich eme sehr genaue Untersuchung, eine Art statistischer Aufstellung gemacht, von welcher weiter unten im Einzelnen die Rede sein soll. Hier will ich nur erwähnen, dass selbstverständlich eine Ueberdifferenzirung der Präparate leicht möglich ist, und dass dann die Centrosomen farblos werden, während man an unterdifferenzirten Präparaten im Centrum der Astrosphäre eine Verklumpungsfigur erhält. An Präparaten, welche mit Beziehung auf die Centralkörper den richtigen Grad der Differenzirung erreicht haben, hat das Chromatin die Hämatoxylin-Eisenfarbe ganz oder fast ganz abgegeben. Die Kerngerüste sind dann nur noch in schwacher Weise durch einen bräunlichen oder sraulichen Farbenton kenntlich; ja mitunter wird der Kern so stark farblos, dass selbst die Contourlinien desselben sich nicht mehr mit Sicherheit erkennen lassen. Also zeigt sieh hier etwas, was uns vollkommen neuist, nämlich dass die vorgängige Anwendung eines Farbstoffes A den ursprünglichen Charakter einer zweiten darauf folgenden Färbung B vollkommen ver- ändern kann. Zu jenem Zeitpunkte nämlich, in welchem die Difterenzirung der Centralkörper erfolgt ist, zeigen die ein- fachen, unkomplieirten Eisenfärbungen das Chromatin enorm stark tingirt, während nach der Vorfärbung mit Bordeaux und meist auch mit Anilinblau dasselbe Verfahren nur noch.“ spärliche) Veberreste. einer: Chromatin- färbung ergiebt. Die praktische Folge der meist sehr starken 440 Martin Heidenhain: Entfärbung des Kernes ist, dass man die Centrosomen auch mit vollster Bequemlichkeit mikroskopiren kann, selbst wenn sie unterhalb des Kerns gelegen sind. Mitunter bleiben die Nukleolen stark gefärbt (z. B. Fig. 48, 49,64). Das Protoplosma soll im Sinne der Methode nicht mehr irgend welche Spuren der Eisenfärbung aufweisen, und auf diesen Punkt hat man bei der Differenzirung sein Augenmerk zu richten; sowie das Protoplosma so weit extrahirt ist, dass die Vorfarbe, z. B. der röthliche Ton des Bordeaux R, wiederum in reiner Weise zum Vorschein gekommen ist, dann soll man die Differenzirung unterbrechen, um eventuell nach einer Controlle durch das Mikroskop späterhin noch weiter zu differenziren. Das Bordeaux wird übrigens fast immer, da es nicht ganz echt ist, während der langen Dauer der Eisenfärbung wieder etwas extrahirt; dies schadet jedoch gar nichts, wenn die Färbung von vornherein eine kräftige war!). Hat man viele Objektträger einer Serie auf einmal in Arbeit genommen, so dass mithin sämmtliche Schnitte identischen Proceduren unterlagen, und hat man sich nach der völligen Fertigstellung eines ersten Prä- parates an der Hand einer Immersionslinse davon überzeugt, dass die Centralkörperfärbung eine völlig gelungene ist, so legt man diesen ersten Objektträger neben sich auf eine weisse Unterlage und differenzirt die übrigen Präparate der Serie zunächst jedes Mal nach dem blossen Augenschein so lange, bis an ihnen der gleiche Gesammtfarbenton erzielt ist, wie an den Schnitten des ersten Probepräparates. Man kann dann von vornherein darauf rechnen, die Centrosomenfärbung überall ungefähr in der gleichen Weise getroffen zu haben. In den Eisenhämatoxylinpräparaten mit Bor- deaux-Vorfärbung bleiben ausser den Centralkörpern fast immer die a-Granulationen der Leukoeyten und die elastischen Fasern schwarz tingirt. Desgleichen halten die Zwischen- körperehen von Flemming die Eisenfarbe häufig fest. Die quergestreifte Muskulatur giebt, wie auch schon bei der unkomplieirten Eisenfärbung, auf Längs- und Querschnitten 1) Man tingirt mit den „Vorfarben“ die Schnitte so intensiv, dass sie mit dieser Färbung für sich allein für die Mikroskopie bei hohen Vergrösserungen gerade noch eben tauglich sein würden. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 441 prächtige Bilder; für die Präparate mit Bordeaux-Vorfärbung ist charakteristisch, dass die Querzonen @h und M sich als farbloser Streifen von der im übrigen geschwärzten anisotropen Substanz rein und deutlich abheben. Bezüglich der Färbung der geformten Sekretmaterialien in den secernirenden Zellen sind die Färbungs- effekte ähnliche, wie bei den einfachen Eisenfärbungen, worüber ich bei Niecoglu (70; pag. 450) nachzulesen bitte. Die Anilinblau-Eisenhämatoxylinpräparate weichen in einer Beziehung sehr erheblich von den bisher geschilderten Färbungsbildern ab. Das Chromatin hält nämlich die Eisenfarbe mitunter (!) zurück und man ist daher in der Lage, neben der Centralkörperfärbung zuweilen (!) auch sehr schöne Färbungen der Kexmnstruktur erhalten zu können. (Siehe Fig. 1 und die nächstfolgenden Abbildungen.) Ich habe trotzdem mit den Anilinblau-Vorfärbungen im Ganzen wenig gearbeitet, einer- seits weil stark gefärbte Kerne den Centralkörperuntersuchungen im Wege stehen und zweitens weil sich hier die Centrosomen doch nicht in so massenhafter Zahl färben wie bei den Bordeaux-Eisenhämatoxylinpräparaten. Dagegen ist man in der Lage nach diesen Färbungen hübsche Abbildungen machen zu können, eben wegen der Zierlichkeit der Darstellung der Kern- struktur, während die Schnitte mit Bordeaux-Vor- färbung oft nur Contourzeichnungen erlauben (Fig. 26 und die nächstfolgenden). Eosin-Eisenhämatoxylinpräparate habe ich nur einige Male versuchsweise hergestellt, um mich davon zu über- zeugen, dass das Prineip der subtraktiven Tinktion der Central- körper auch unter Anwendung des bezeichneten Farbstoffes durch- führbar ist; diese Präparate zeigten starke Chromatinfärbungen. Bei den Präparaten mit Vorfärbung habe ich oftmals einen eigenthümlichen Färbungseffekt an den rothen Blutkörperchen erhalten, den ich genöthigt bin in Kurzem besonders zu besprechen. Die doch sicher kernlosen rothen Blutkörperchen erwachsener Geschöpfe färben sich nämlich gar nicht selten so, als ob sieKerne hätten. (Fig. 19a bis g). Die Blutscheibchen enthalten dann in ihrem Innern je einen undurchsichtig schwarz gefärbten, kreisrunden, scharf eonturirten Körper, dessen Umfang immer ganz genau concentrisch zum Um- fang des Blutscheibehens geordnet ist. Man kann mitunter Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 29 442 Martin Heidenhain: über weite Strecken der Präparate hin sehr viele derartig gefärbte rothe Blutkörperchen sehen, welche alle annähernd gleich grosse „Pseudokerne“ zeigen. Dies ist jedoch nicht der gewöhnliche Fall, meist trifft man die kernartigen Bildungen bei den neben einander liegenden Blutscheibehen in den allerver- schiedensten Grössen, wie auch die Abbildung (Fig. 19) zeigt. Das eine Mal füllt der Pseudokern das Blutkörperchen fast ganz aus und es bleibt nur ein schmaler ungefärbter Rand; bei andren Individuen wächst die Breite dieses farblosen Randtheiles und gewinnt eine verschieden grosse Ausdehnung. Im extremen Falle wird der gefärbte Innenkörper auf ein minutiös. feines Korn beschränkt, welches ganz genau in der Mitte des Blutscheibehens liegt (Fig. 19f)'). Es kann keine Fräge sein, dass hier im Wesentlichen ein Extraktionseffekt im eigentlichsten Sinne des Wortes vorliegt, wie auch daraus hervorgeht, dass, sobald die Blutkörperchen „sternförmig“ werden, auch der Pseudokern die Sternform annimmt, wobei dann die an ihm sichtbaren Aus- ziehungen den Hervorragungen an der freien Oberfläche des 3lutkörperchens entsprechen (Fig. 19g). Es löst sich also die Farbe ganz gewiss bei der Extraktion von dem Rande des Körperehens her allmählich gegen die Mitte desselben bin fort- schreitend, so dass die Contourlinien des Pseudokerns ebenso allmählich immer mehr und mehr eingeengt werden, bis er schliesslich ganz verschwindet. Aber das müssen wir uns doch sagen,dassdiespecielleFormdieserFarben- extraktion eine bestimmte im Objekt selbst ge- legene ursächlicheBasis haben muss, denn bei andren regressiven Methoden (Saffranin, Gentiana und andere) erhalten wir ja diese Pseudokerne nicht. Es kann also nicht das blosse Verfahren der Tinktion allein sein, welches diese Bilder schafft. Auch habe ich an der Hand der einfachen Eisenhämatoxylin- färbung diese Bilder nie erhalten; da erschienen die rothen 1) Wenn sich dieses Korn als Zwillings- oder Drillingsgebilde darstellen liesse, so würde ich dasselbe für die Verklumpungs- figur einer Centralkörpergruppe erklären. Denn nach meinen Beobachtungen kann es nicht zweifelhaft sein, dass zwar der Kern des rothen Blutkörperchens ausgestossen wird (Fig. 19h), dass aber die Centralkörper ihrer Masse nach in der Substanz der Blutscheibe ver- blieben. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 443 Blutkörperchen entweder farblos, beziehungsweise gelblich, oder wenn sie die Eisenfarbe nieht abgegeben hatten, so waren sie schwarz tingirt mit hell durchscheinender Mitte. Unter An- wendung der Vorfärbungen ändert sich nun das Bild grundsätzlich: Die Mitte des rothen Blutkörperchens, obwohl sie ja dünner ist als der Randtheil, entfärbt sich langsamer. Ich weiss nicht, worauf diese Erscheinung zurückzuführen ist und lasse die Sache unaufgeklärt. Vielleicht stehen die merkwürdigen Färbungs- erscheinungen, welche Lavdowsky neulich an den rothen Blutkörperchen erhalten hat (62), mit meinen Befunden in irgend einem Zusammenhang. Leider haben die nach der Methode der subtraktiven Tinktion gefertigten Präparate öfter ein unreinliches Aus- sehen und erscheinen dann im schlimmsten Falle wie ver- schmutzt; Schnitte, die besonders unsauber waren, habe ich von der weiteren Verwerthung ausgeschlossen. Es bleiben aber auch bei sonst guten Färbungen häufig in der Grundsubstanz des Bindegewebes vielerlei geschwärzte Körnchen zurück, deren Be- deutung unklar ist. Innerhalb der Blutgefässe erhielt ich oft schwarz gefärbte, fadenartige Bildungen (Fibrin?). Sind die Präparate unterdifferenzirt (nicht genügend extrahirt), so zeigt sich ein Theil der Zellenmikrosomen im Protoplasma in schwarzen oder grauen Farben tingirt. Da auch gute Präparate meist nicht über die ganze Fläche eines Schnittes hinweg ganz gleichmässig differenzirt sind, so finden sich immer Zellen und Zellengruppen, deren Färbungsverhältnisse einer Unterdifferenzirung entsprechen. Will man sich nicht schweren Irrthümern aus- setzen, so muss man zunächst, im Anfange einer Untersuchung an den nach meinen Vorschlägen gefärbten Schnitten, sich an ganz rein gefärbte Präparate halten oder doch wenigstensansolche Zellen und Zellenkomplexe, bei welchen ausser an den Centralkörpern im Protoplasma nichts von der Eisenhämatoxylinfarbe zurückgeblieben ist. An „rein“ gefärbten Zellen müssen sich die Centralkörper auf dem farbigen Untergrunde des protoplasmatischen Zellleibes ab- heben wie schwarz gefärbte Mikrokokken, so dass sie auf den ersten Blick, namentlich bei ihren gesetzmässigen Stellungsver- hältnissen, als etwas Speeifisches erkenntlich sind. 444 Martin Heidenhain: Die Vorfärbungen gestatten selbstverständlich eine endlose Reihe der Variationen und denke ich daher, dass das Beste auf diesem Gebiete noch lange nicht erreicht worden ist. Bei einiger Geduld und Mühe werden sich Anwendungsformen finden lassen, die den meinigen in den Resultaten überlegen sind. Die von mir gefertigten subtraktiven Tinktionen sind im allgemeinen, da der Kern der Regel nach nur sehr wenig gefärbt ist, sehr schwer zu mikroskopiren. Bei allen anderen Färbungen, die sich auf den Zelleninhalt beziehen, ist uns immer die Kernfärbung der erste Anhalt und die Grundlage der weiteren Orientirung. Bei embryologischen und vergleiehend anatomischen Untersuchungen ist uns der Kern sogar oft das allemige Sym- bolum für die ganze Zelle, die wir im übrigen nicht sehen oder doch. bei den meist zur Verwendung kommenden relativ schwa- chen Vergrösserungen nicht recht erkennen können. Diese Vor- färbungs-Präparate tragen nun in den Fällen, in denen der Kern wenig sichtbar ist, einausserordentlichfremdarti- ses Gepräge an sich, und ich habe fast ein ganzes Jahr lang gebraucht, um mich mit diesen Tinktionen völlig zu be- freunden, d. h. sie gerade so leicht und sicher zu verwerthen, wie Präparate mit schön gefärbten Kernen. Muss denn aber immer eine starke Kernfärbung vorhanden sein? Dies ist doch wohl nieht nöthig! Ich habe aus diesem Grunde und um das Verfahren nicht noch mehr zu ecomplieiren, auch nicht einen einzigen Versuch gemacht, an derartigen Präparaten noch hinterher eine Färbung der Kernstruktur mit anderen Mitteln an- zubringen. Dagegen habe ich in einer ganzen Reihe von Fällen bei Bordeaux-Eisenhämatoxylinpräparaten, bei welchen die Vor- farbe während der Procedur der Eisenfärbung sich in stärkerem Maasse extrahirt hatte, das Protoplasma hinterher noch etwas mit Rubin angetönt, nicht um da noch irgend etwas differen- zivend darzustellen, sondern nur um die Zelleontouren noch stär- ker hervortreten zu lassen. Für die einfachen Eisenfärbungen besteht, wie ich schliesslich noch hervorheben will, die Möglichkeit, ihre An- wendung mit Vortheill über Objekte jeder Art auszudehnen. Ein Einzelner ist nicht in der Lage, die Effekte eines im Wesent- lichen neuen Verfahrens, — denn diese Färbungen sind ja noch wenig gebraucht worden —, nach allen Richtungen hin unter- Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 445 suchen und ausbeuten zu können. Ich hoffe somit, dass die Herrn von Fach sich mit diesen überaus biegsamen Proceduren werden befreunden können, und dass allmählich diese neue Technik wird durchgearbeitet werden. 5. Wie früher schon, so habe ich auch jetzt wieder unter Anwendung sehr hoher Vergrösserungen mikroskopirt. Die Präparate aus Biondi’scher Lösung lassen sich bei 1000- facher, die Eisenfärbungen noch bei einer Vergrösserung von 1500 mit Bequemlichkeit studiren. Die letzteren Tinktionen würden sich vielleicht mit Vortheil bei noch höheren Vergrösse- rungen beobachten lassen, allein hierüber habe ich kein Urtheil, da mein Instrument über eine Vergrösserung von 1500 nicht hinausgeht (Zeiss. Apochrom. 3 mm; num. Apert. 1,40. Oc. No. 18). Bei der Mikroskopie der Eisenfärbungen der Centralkörper ist der Vortheil beim Uebergang von einer 1000fachen zu einer 1500fachen Vergrösserung ein ganz ausserordentlicher. Zwar mag es wohl sein, dass man eben nicht viel mehr als vorher sieht, allein diese winzigen Dinge werden dem Untersucher da- durch menschlich näher gerückt und man untersucht auch mit sehr viel geringerer Anstrengung). Manche Forscher sind der Ueber- zeugung, dass Vergrösserungen, die über eine S00—1000fache hinausgehen, überhaupt nichts mehr nütze sind. Ich behaupte indessen, dass, wenn die Präparate entsprechend tingirt werden, auch noch eine Vergrösserung von 1500 vollkommen scharfe und deutliche Bilder liefern muss. Um die Apertur der Systeme vollkommen auszunützen, habe ich primeipiell zwischen Objektträger und Con- densor eine Oelschicht eingeschaltet; das Gesichts- feld gewinnt dadurch wesentlich an Helligkeit und die Schärfe des mikroskopischen Bildes nimmt, was bei feinen Objekten leicht sich eonstatiren lässt, nicht unbedeutend zu. — Den höchst möglichen Grad der physikalischen Differenzirung des mikroskopischen Bildes 1) Ich denke z.B. dass es beinahe unmöglich ist Kernstrukturen, welche so dicht angeordnet sind wie etwa in Fig. 3 (Projektion auf den Arbeitstisch, wirkliche Vergrösserung mithin über 1500) bei 1000- facher Vergrösserung im einzelnen bis auf das letzte Spitzchen ge- nau zu verfolgen und nachzuzeichnen, während dies bei einer Ver- srösserung von 1500 mit Mühe nnd Geduld noch immer gelingt. 446 Martin Heidenhaltn: erreichte ich dureh den Gebrauch der Ehrlich’schen Scheiben (Blenden), welche ich für sehr diffieile Untersuchungen an- gelegentlich empfehlen kann. Bei Beobachtung der Central- körpergruppe eines einzelnen Leukocyten oder beim Nachzeichnen der Kernstrukturen habe ich oft die engste Ehrlich sche Blende, bei welcher die centrale Oeffnung' einen Durchmesser von Imm hat, in Anwendung gezogen. Es wird nicht nur’ die Definition des Strukturbildes um etwas (allerdngs nur um ein sehr Geringes) gehoben, sondern durch die Ueberdeckung der peripheren Theile des Gesiehtsfeldes wird auch die Aufmerksam- keit in objektiver Weise auf den zu untersuchenden Gegenstand beschränkt. Vergrösserungen von 1500 waren .mir wegen der Lage meines Arbeitszimmers meist nur bei künstlichem Lichte möglich ; ich habe mich mit der Zeit so sehr daran gewöhnt bei Gas- licht zu mikroskopiren, dass mir dies nicht mehr die geringsten Beschwerden verursacht. Hierzu kommt, dass die schwarzen Hämatoxylineisenfärbungen sich in ausgezeichneter Weise in dem gelblichen Lichte einer gewöhnlichen Gaslampe mikrosko- piren lassen; die Schärfe des mikroskopischen Bildes leidet dabei in keiner Weise. 6. Besondere Schwierigkeiten bereitet dieAnwendung des Abbe’'schen Zeichenapparates bei einer Vergrös- serung von 1000 und 1500. Hier erlaube ich mir auf folgende Punkte aufmerksam zu machen. Wenn man den genannten Ap- parat so ohne Weiteres in Anwendung zieht, wie man dies von der Zeichnung schwach vergrösserter Objekte her gewöhnt ist, so wird man die Erfahrung machen, dass beim Gebrauch der Mikrometerschraube häufig das mikroskopische Bild gegenüber einem festen Punkte auf der Papierfläche starke seitliche Schwan- kungen macht; dann ist es unmöglich, feinere Strukturdetails in richtiger Weise nachzuzeichnen, weil das mikroskopische Bild auf der Papierfläche keine feste Lage hat. Man erhält unter Umständen bei einer Vergrösserung von 1500 seitliche Verschie- bungen des Bildes von Imm und mehr. Der Grund ist, wie ich mich auf rein empirischem Wege überzeugt zu haben glaube, eine ungenaue Centrirung des Zeichenapparates gegen- über der optischen Achse des Mikroskopes. Man trifft oft beim Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 447 Aufsetzen des Apparates die richtige Centrirung nicht genau und muss nun solange hin und her probiren, bis die seitlichen Sehwan- kungen des Gesichtsfeldes beim Gebrauch der Mikrometerschraube ausbleiben. Ganz unmöglich ist es, bei schiefem Lichteinfall den Apparat in Anwendung zu bringen; in diesem Falle erhält man beim Heben und Senken des optischen Apparates geradezu enorm grosse Verschiebungen des mikroskopischen Bildes. Ist der Ap- parat in richtiger Weise adjustirt, so wird man bei passender Beleuchtung!) nicht nur die Contourlinien, sondern z. B. auch die gröberen Theile der Kerngerüste mit nachzeichnen können. Die Centralkörper der Lage und Grösse nach richtig vermittelst des Zeichenapparates zu Pa- pier zubringen, ist unmöglich. Man sieht zwar die Kör- perehen scharf und deutlich auf der Papierfläche, man ist aber doch nicht so weit Herr der Situation, dass man in dem Augenblicke, wo man diese Punkte auf das Papier aufsetzen will, völlig sicher wäre, in keiner Weise mit der Hand abzuweichen. Wie man aber sehr leicht aus der Betrachtung der Fig. 1 entnehmen kann, würde die seitliche Verschiebung eines Centralkörpers um nur einen halben Millimeter schon bewirken, dass die durch die Centralkörper hindurchgelegte Linie (AB) die Contouren der Zelle und des Kern an ganz anderen Stellen überschneiden würde als that- sächlich der Fall sein sollte?). Ich habe daher die Lage der Centralkörper zwar jedesmal zunächst an der Hand des Zeichen- apparates so gut fixirt wie ich konnte, allein ich habe das genauere Stellungsverhältniss gegenüber dem Kern und derZellenperipherie dann weiterhin in besonderer Weiserkorrieirt. ‘. Die Firma Zeiss, welche als ein wissenschaftliches Institut ersten Ranges bekanntermaassen jedem begründeten Wunsche nach Umänderung oder Verbesserung der Apparate in 1) Sehr empfehlenswerth ist es, das Präparat mit der Gas- lampe, die Papierfläche gleicher Zeit durch Tageslicht zu be- leuchten. 2) Die durch die Centralkörper der Zellen hindurchgelegte Linie soll nach Flemming einen ganz besonderen construktiven Werth in Ansehung der Zellstruktur besitzen („Zellenachse“). Es kam mithin darauf an, die Lage dieser Linie möglichst genau zu bestimmen. 448 Martin Heidenhain: ausgezeichneter Weise entgegenkommt, hat auf mein Ansuchen das Ocular No. 18 nach Analogie des Messoculars No. 6 umar- beiten lassen, mit der Modifikation jedoch, dass das System des Oeulars nieht durch eine Schiebhülse, sondern vermittelst seines eigenen Gewindes einstellbar ist. Dadurch ist eine sehr feine Regulirung der Einstellung ermöglicht worden. Hatte ich nun den Aufriss der Zeichnung so weit zu Stande gebracht, wie das nur eben möglich war, so schob ich an der Stelle, wo sonst das Oeularmikrometer zu liegen kommt, ein diesem gleichgeformtes Gla s- plättehen mit rechtwinkligem Strichkreuz ein, welches ebenfalls von der Firma Zeiss geliefert wurde. Präparat und Oeular verschob ich nun so lange, bis der eine der vier Schenkel des Strichkreuzes die beiden Centralkörper ganz genau deckte. Bei diesem ersten Akte der ganzen Manipulation erschien es mir späterhin sicherer, noch etwas an- ders zu verfahren. Bei den Objekten, welche den Figuren 10— 14 und 25—356 entsprechen, habe ich nämlich nieht nur die eine der beiden sieh rechtwinklig schneidenden Linien des Strich- kreuzes genau über die beiden (resp. die beiden grösseren) Öen- tralkörper hinweggeführt, sondern ich habe zu gleieher Zeit auch den Schnittpunkt des Strichkreuzes genau auf die Mitte zwischen beiden Centralkörpern eingestellt, so dass nun die zweite Linie des Striehkreuzes senkrecht auf der Mitte der Verbindungslinie beider Centralkörper stand. Ferner habe ich dann regelmässig nach einer derartigen erstmaligen Einstellung des Strichkreuzes das Ocular noch mehrere Male wieder verschoben und von neuem mit Genauigkeit das Verfahren wiederholt, um mich davon zu überzeugen, dass die Taxation der Lage der Centralkörper richtig getroffen war: In diesem Falle muss bei mehrmaligen Einstellungen das Strichkreuz die Con- touren des Kerns und der Zelle immer wieder an den glei- chen Stellen überschneiden. Es ist nun verhältnissmässig leicht, nach dem blossen Augenschein an dem vorher gefertigten, sorg- fältig gearbeiteten Aufriss der Zelle von der über die Central- körper hinweg laufenden Linie jene bestimmenden Stellen in die Zeiehnung aufzunehmen und darauf die Linie selbst mit Bleistift nachzuziehen (in den Figuren mit AB bezeichnet). Die Ueber- tragung der Bestimmungspunkte nach blossem Augenmaass erscheint unsicher, ist es aber in der That sehr wenig, da ja an den Con- Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 449 touren der Zelle und des Kerns (meist) 4 Schnittpunkte gegeben sind, welche der Lage nach (als einer Geraden zukommend) ganz bestimmt geordnet sein müssen!. Wenn nun diese verlängerte Verbindungslinie der Centralkörper (AB) erst einmal in der Zeichnung selbst nachgezogen ist, dann tritt auch ein etwaiger Fehler in der Markirung ihrer Bestimmungspunkte leicht hervor, da nämlich in diesem Falle gegenüber der Stellung des Striehkreuzes am Objekt selbst sich eine sehr deutliche Lageab- weichung der nachgezeiehneten Linie bemerkbar macht, und es muss nun eventuell noch eine Correktur erfolgen. Schliesslich habe ich die Centralkörper auf der Construktionslinie in die Zeich- nung eingetragen, wobei mir die bereits ursprünglich an der Hand des Abbe’schen Apparates nachgezeichneten Centralkörper einen weiteren sicheren Anhalt der Ortsbestimmung gaben. In allen jenen Fällen, bei welchen der Leser in den Abbildungen auch die zweite Linie des Strichkreuzes (CD) nachgezeichnet findet, konnte ich nun noch eine weitere Probe auf die Richtigkeit des Verfahrens vornehmen. In diesen Fällen (Fig. 10—14; 25—36) stand, wie schon erwähnt, der Schnittpunkt des Strichkreuzes in der Mitte zwischen beiden Centralkörpern. Anstatt nun auch die zweite Linie direkt dem Objekt nachzuzeichnen, habe ich sie mit Hilfe eines sorgfältig aus Messing gearbeiteten rechten Winkels in der Zeichnung entsprechend der Mitte der Verbindungslinie der beiden Centralkörper eonstruirt. War nun die wahre Stel- lung der Centralkörper nicht ganz richtig getroffen, was übrigens nur sehr selten vorgekommen ist, so zeigte sich jetzt beim Ver- gleich mit der Stellung des Strichkreuzes am Objekt selbst, dass die Linie CD der Zeichnung die Contouren des Kerns und der Zelle nicht an den richtigen Stellen überschnitt. Dann mussten entsprechende Abänderungen angebracht werden. Der Sinn derManipulationen mit dem Strich- kreuz besteht also lediglich darin, jenen Fehler, den man bei Anwendung des Abbe schen Apparates in der Bestimmung des Ortes der Centralkörper macht, dadurch so weit wie möglich auszuschalten, dass man ihn in vergrössertem Maass- 1) Mann kann das Strichkreuz nicht unmittelbar durch den Abbe’schen Apparat in die Zeichnung übertragen, da der Zeichen- apparat nach der Einstellung des Strichkreuzes überhaupt nicht mehr am Ocular angebracht werden kann. 450 Martin Heidenhain: stabe an den Kern- und Zelleontouren zum Vor- schein kommen lässt. Wie ausserordentlich genau nach diesem Verfahren gearbeitet werden kann, wird derjenige meiner Leser, dem es darauf ankommt, ein Urtheil über den Gegenstand zu haben, aus einer kleinen Probe leicht ersehen. Man möge hier in Rechnung ziehen, dass die Centralkörpergruppe als ein Ganzes betrachtet, fast immer in Folge der voraufgehenden An- wendung des Zeichenapparates auf den ihr zukommenden Fleck zu stehen kommt. Der Fehler, welehem man bei der Zeichnung ausgesetzt ist, besteht wesentlich darin, dass man geneigt ist, die Centralkörper so zu verschieben, dass die dureh sie hindurch- gelegte Linie von ihrer wahren Stellung am Objekt um einen mehr oder minder grossen Drehungswinkel abweicht, wo- bei dann der Punkt, in Bezug auf welchen diese Torsion statt- findet, in der Mitte zwischen beiden Centralkörpern gelegen ist. Ich bitte mithin den Leser, der die Art und Weise der Zeichnung prüfen will, ein Stück Oelpapier über eine der von mir gegebenen Figuren hinüberzulegen und das durchscheinende Strichkreuz mit dem Lineal nachzuzeiehnen. Darauf bitte ich den Schnittpunkt der nachgezogenen Linien mit einer Nadelspitze in der Mitte zwischen den beiden (bez. den beiden grösseren) Centralkörpern zu fixiren und jetzt das bewegliche Strichkreuz um Einiges zu rotiren. Man wird dann bemerken, dass bei einer Winkelab- weichung, welehe sich an den Contourlinien der Zelle bereits so deutlich markirt, dass sie als gänzlich ausserhalb der Fehlerquellen liegend betrachtet werden muss, die ent- sprechende Verlagerung der Oentralkörper eine ungemein geringe ist. Jedenfalls sind die thatsächlichen Fehler der Zeichnung hier so minimale, dass die betreffenden Figuren ohne Weiteres jeder Art der theoretischen Betrachtung (besonders auch jedem Raisonnement über die sogen. „Zellenachse“) als empirisches Material dienen können. Ich habe überhaupt auf die möglichst genaue Ausführung der dieser Arbeit mitgegebenen Abbildungen ein grosses Gewicht gelegt und denke, dass mir eine treue Wiedergabe der Objekte gelungen sei!). * » Bei der Lektüre des Textes bitte ich auch die hinten fol- sende „Erklärung der Abbildungen“ zu benutzen, welche vielerlei Detail enthält und dem Verständniss wesentlich nützen dürfte. Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 451 feo) Zum Zweck der mikrometrischen Messungen habe ich mir von Zeiss für das Ocular No. 18 einen neuen Mikro- meter anfertigen lassen, dessen Theilstrich nach mehrfachen Be- rechnungen einen Werth von 0,57 u hat. Eine Reihe von Maass- angaben habe ich der „Erklärung der Abbildungen“ beigegeben. Indessen muss ich selbst hinzufügen, dass ich direkte Längen- messungen, welche sich damit beschäftigen, Bruchtheile von einem u anzugeben, für ein sehr unsicheres Ding halte. Ich bitte da- her, die von mir angegebenen Werthe nach dieser Richtung hin immer nur als ungefähre Schätzungen zu nehmen. Empirischer Theil. Erster Abschnitt: Die Lymphzellen. Vorbemerkunsen. o° 8. In Ansehung des mir vorliegenden Untersuchungsobjektes habe ich mich wohl oder übel mit der Frage beschäftigen müssen, welches die zweckmässigste Art derKlassifikation der kleinen kernhaltigen, freien und ungefärbten Zellen des rothen Knochenmarkes sei. Nun weiss jeder, dass dabei die Genese der betreffenden Zellenformen, ihre Entwicklungsgeschichte, wesentlich in Betracht kommt. Da stossen wir dann gleich auf den alten Streit, ob die rothen uud weissen Blutkörperchen getrennten Entwicklungsreihen angehören und wie man etwa diese Entwicklungsreihen auseinander halten könne. Nun habe ich angesichts der mir speciell vorliegenden Ziele nicht die geringste Absicht mich nach der bezeichneten Richtung hin in irgend eine Diskussion einzulassen und bemerke nur Einiges zur Kennzeichnung des Standpunktes, den ich bei Gelegenheit dieser Studien gegenüber dem Objekte selbst eingenommen habe. Auf alle Fälle habe ich strenge unterschieden zwischen kernhaltigen rothen Blutkörperchen und typischen Leukoceyten. Dazwischen fallen eine Reihe von Zellenformen, von denen man nicht recht erkennen kann, wohin sie gehören, und dies vornehmlich darum, weil oft der Entscheid im Einzel- fall nieht beizubringen ist, ob die betreffende Zelle hämoglobin- haltig sei oder nicht. Derartige Zellen, die kein mir von meinen früheren Untersuchungen her bekanntes typisches Unterscheidungs- 452 Martin Heidenhain: merkmal an sich trugen, habe ich von der Untersuchung ausge- schlossen, da es sich für mich nur darum handeln konnte, an bestimmten Zellformen, welche genauer charakterisirt werden können, cellularhistologische Untersuchungen zu machen. Was die Leukoeyten selbst anlangt, so ist ihr Aussehen bekanntlich nach jeder Richtung hin ein äusserst wechselndes, jedoch kann man einige typische Formen besonders herausgreifen und ihren Charakteren nach genauer beschreiben. Aus diesem Grunde sind einige Schriftsteller dafür eingetreten, mehrere selbstständige, getrennte Reihen weisser Blutkörperchen zu unterscheiden. Obwohl ich nun der letzte wäre, den Werth solcher Aufstellungen, sofern sie die sorgfältige Feststellung histologischer und physiologischer Merkmale betreffen, in Zweifel zu ziehen, halte ich doch heute mehr denn je an der Ansicht fest, dass diese verschiedenen Typen der Leuko- eyten Glieder ein und derselben Familie sind und dass sich die Uebergangsformen überall finden lassen. Diese Zellen vermehren sich ferner nach meinen Erfahrungen fast ausschliesslich durch die Mitose. In- direkte Fragmentirung im Sinne Arnold’s habe ich nicht beobachten können, die „Divisio per granula“ Loewit’s existirt nicht und die ächten direkten Thei- lungen (Amitose) sind fast so selten wie die weissen Sperlinge. Ich kann somit für die Zwecke der vorliegenden Unter- suchung die Leukocyten in einer ganz einfachen Weise klassi- fieiren und unterscheide nur folgende 4 Abtheilungen: 1) Sehr kleine Leukoeyten mit stets kuge- ligem Kern und sehr geringer Protoplasmamenge. Letztere bildet eine ungemein dünne Lamelle auf der Oberfläche des Kerns. Die Hauptmassen des Chromatins nehmen im Kern eine mehr periphere Stellung ein, doch breitet sich auch hier die Kernstruktur wie bei allen Leukocyten durch das gesammte Kern- innere aus. Färbt man mit Biondi’scher Lösung, so erscheinen die Kerne mitunter sehr compakt, da nun ausser dem Chromatin auch das Lanthanin (41; pag. 123ff.) gefärbt ist und ein grosser Theil der nach der Meinung der Autoren vom „Kernsaft‘“ aus- gefüllten Räume einnimmt. Die Protoplasmalamelle ist immer und ohne Ausnahme einerseits am Kern etwas dicker als anderen Orts. Diese Verdiekung wird bewirkt durch die Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 455 Gegenwart der Astrosphäre, innerhalb deren sich sehr häufig zwei Centrosomen finden. Am Protoplasma ist keine weitere Struktur direkt wahrmehmbar. Auch die Protoplasma- körnelung oder -granulirung fehlt anscheinend. Die Ver- hältnisse dieser Zellen sind so winzige, dass eine genauere eellular-histologische Untersuchung des Zellleibes unmöglich ist. 2) Leukoeyten mittlerer Grösse mit reich- lichem Protoplasma. Die typischen Repräsentanten dieser Gruppe sind Zellen mit sehr stark polymorphem Kern; dies sind diejenigen Lymphkörperchen, welehe mitunter auch als ‚‚mehrkernige‘“ bezeichnet werden. Indessen ‚habe ich beim Kaninchen niemals innerhalb ein und desselben Zellkörpers mehrere völlig von eimander getrennte Kerntheile aufgefunden. Die Kerne können im übrigen auch kugelrund, ovoid, sack- oder hufeisenförmig sein; wenn ich mich recht entsinne, habe ich zu mehreren Malen auch ächte Lochkerne gesehen. Die Kern- struktur bietet keine Besonderheiten (Fig. 5). Das Protoplasma enthält eine AstrosphäremitzweioderdreiCentral- körpern und zeigt sich stark granulirt. Die Granula ent- sprechen genau den Zellenmikrosomen E. van Beneden’s und stellen sich somit als färbbare Querglieder der Mitomfäden dar )). 3) Sessile Leukoceyten. Leukocyten der grössten überhaupt beim Kaninchen vorkommenden Form („grosse Knochenmarkzellen“). Die Kerne sind gross, prall, bald kuglig, bald sack-, hufeisen- oder ringförmig (siehe auf der ersten Tafel). Aechte Lochkerne habe ich nicht beobachtet; sehr starke Polymorphie kommt nicht vor. Die Kernstruktur bildet ungemein zierliche Strang- und Blättchenwerke, welche als chromatophile Substanzen (ausser den Nukleolen) das Chromatin und Lanthanin einschliessen. Die Astrosphäre enthält 2bis4 Centralkörper. Das bald mehr, bald minder reichlich vorhandene Protoplasma ist stark granulirt und verhält sich im übrigen wie bei den Zellen der vorigen Abtheilung. Es kommen innerhalb dieser Klasse im übrigen auch Zellen vor, bei denen die Protoplasmagranulirung nicht sichtbar ist und der Zellkörper 1) Unter diese Kategorie fallen auch alle gewöhnlichen Wander- zellen. 454 Martin Heidenhain: ein eompaktes Aussehen gewinnt. — Diese Zellen vermehren sich im Knochenmarke reichlich dureh Mitose. 4)a-Leukocyten,eosinophile Zellen. Leukoeyten mit groben in sauren Anilinfarbstoffen stark färbbaren Granulis, welche bei der Methode der subtraktiven Tinktionen intensiv geschwärzt bleiben (Fig. 17)'). Kern bald kuglig, bald mehr oder minder stark polymorph. Die Sphäre enthält keine eosino- philen Granula (40; pag. 422. 41; pag. 162 ff.) und zeigt 2 oder 3 Centrosomen; es dürften auch 4 Centrosomen vorkommen, wie bei den Lymphoeyten der vorigen Klasse, doch stehen mir hier- über keine speciellen Aufzeichnungen zu Gebote. Die hier gegebene Eintheilung der Leukoeyten mag recht oberflächlich erscheinen, allein für meine Zwecke reiche ich da- mit vollkommen aus. Erwähnen will ich noch, dass die Abbil- dungen Fig. 1—20 nach Anilinblau-Eisenhämatoxylinpräparaten gefertigt sind und dass an diesen Objekten von der feineren Struktur des Protoplasmakörpers nichts zu sehen ist. Die Fig. 21—34 sind nach Bordeaux-Eisenhämatoxylinpräparaten ent- worfen. Diese sowie die Biondi-Präparate zeigen die Granu- lirung und auch vieles feinere Detail der Protoplasmastruktur. Da diese Dinge jedoch viel besser an den von mir a. a. O0. (41) gegebenen Abbildungen vom Salamander-Leukoeyten zu ersehen sind, von denen ich hier drei nach den Originalzeiehnungen habe wiederholen lassen (Fig. 65, 68, 69), so konnte ich darauf ver- ziehten, die trotz aller darauf gewandten technischen Bemühungen doch niemals sehr vollkommenen Strukturbilder, welche der Zellenleib der Kaninchen-Lymphocyten erkennen lässt, hier in meinen Illustrationen wiederzugeben. Die Entdeekung der Astrosphären in den Leu- kocyten wurde gleichzeitig von Van der Stricht (91; pag. 58) und Flemming (34) gemacht. Während die betreffende Beob- achtung des ersteren Autors als eine sehr unvollkommene ange- 1) Da die rothen Blutkörperchen (vergl. oben) die Eisenfarbe abgeben, so hat man hier wieder einmal eine Differenzfärbung zwischen Hämoglobin und eosinophilen Granulis. Ich erwähne dies, weil in der Literatur noch neuerdings öfter die Substanz der o-Granula als Hämoglobin oder als ein diesem sehr nahe stehender Körper aus- | gegeben worden ist. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 455 sehen werden muss, war es Flemming bereits gelungen die Centralkörpergruppe als eine Verklumpungsfigur zu erhalten und die von derselben ausgehende Strahlung eine Strecke weit zu verfolgen. Etwas genauere Mittheilungen gab Flemming m zwei kurz darauf folgenden Schriften (28; 29); in der Jüngeren Datums ist als Einzelfall ein Leukoeyt mit doppeltem Centrosoma erwähnt und abgebildet worden. Kurz darauf konnte ich an der Hand neuer Mittel (40; p. 421 ff.) die Beobachtungen Flemming’s in einer vorläufigen Mittheilung bestätigen und hinzufügen, dass die Sphäre beim Lymphoeyten sich gegen das Zellenprotoplasma hin deutlich durch eine besondere Contourlinie absetzt, ferner dass das Zellenprotoplasma strahlig gegen die Sphäre hin ecentrirt ist (l.c. pag. 423). Auch führte ich einen Fall mit doppeltem Centrosoma an. In der Schrift „Ueber Kern und Protoplasma“ habe ich dann den Bau der Leukoeyten ungemein ausführlich vom cellularhistologischen Standpunkte aus besprochen. Auch gelang mir der Nachweis der constanten Du- plieität des Centrosomas; doch bemerkte ich schon damals bei den Lymphoeyten des Kaninchens (41; pag. 140) neben den beiden Centrosomen häufig ein drittes Körper- chen, über dessen Natur ich mir vorläufig kein Urtheil zu- trauen konnte. Diese Angelegenheit habe ich dann sorgfältig weiter verfolgt und war schliesslich im vorigen Jahre auf der Göttinger Versammlung (43) in der Lage, den wahren Auf- bau der im Centrum der Astrosphäre befindlichen Centralkörper- gruppe genau zu schildern; hierbei habe ich lediglich einen ge- drängten Auszug aus dem bereits niedergeschriebenen ersten Abschnitte dieser Arbeit zum Vortrag gebracht. Die oben eitirten Entdeekungen Flemming’s können als klassische gelten; sie stehen in dieser Beziehung auf der glei- chen Höhe wie die gleichzeitigen Entdeckungen Hermann’s (44) betreffend das Vorkommen der Centralkörper und Astrosphären in den ruhenden Spermatogonien oder Spermatocyten vom Frosch, vom Proteus und von der Weinbergsschnecke. In Folgendem gelten alle genaueren Angaben den Lym- phoeyten des Kaninchens, und zwar generell für alle Formen derselben, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes darüber bemerkt wird. Sofern auf andere Thierspeeies Bezug ge- nommen wird, ist dies ebenfalls besonders erwähnt. 456 Martin Heidenhain: Capitel I: Das Mikrocentrum. 9%. Ich habe zunächst die Frage zu beantworten, wie viele Centralkörper in der ruhenden Lymphzelle vorhanden sind. Sehon früher suchte ich, wie bereits er- wähnt, für den Salamander nachzuweisen, dass dort die Leukoeyten während der Zellenruhe, das heisst ausserhalb der Mitose, zwei Centralkörper besitzen, welche ganz dicht bei einander liegen. Dies gilt, so weit meine Erfahrungen reichen, im allgemeinen auch für die Lymphzellen der Säuge- thiere, speciell für diejenigen des Kaninchens. Ich habe an Tausenden völligruhender Zellen, unterwelchen die verschiedensten Formen der Iymphoiden Ele- mente vertreten waren, die Gentralkörper als Zwillingspärchen aufgefunden. Nun zeigt sich aber daneben in vielen anderen Fällen im Innern der Astrosphäre nur eine schwarz gefärbte Masse; der Effekt der Färbung ist also nieht constant und es fragt sich nun weiterhin, ob wir nicht hier etwa auf Verhältnisse stossen, die keiner bestimmten, für alle Fälle ausnahmslos geltenden Regel folgen. Es könnte ja doch sein, dass thatsächlich in einer Reihe von Iymphoiden Zellen der Centralkörper nur in der Einzahl vorhanden ist und bleibt, bis eine Zellentheilung unmittelbar bevorsteht. Hier käme zunächstin Betracht, dass ich sehr vielfach den Centralkörper schon während der letzten Stadien der Mitose in verdoppeltem Zu- stande autfand (z. B. Fig. 14, 22). Nach den heutzutage ziemlich allgemein herrschenden Vorstellungen, denen zu Folge die mitotischen Erscheinungen für eine bestimmte Zellenart mit Bezug auf das Gebahren der Centralkörper als völlig constant gedacht werden, müsste man also annehmen, dass die Öentral- körper in jedem Falle in verdoppeltem Zustande in die Zellenruhe übergehen. Obwohl nun jene Voraussetzung nicht zutrifft, obwohl, wie ich weiter unten zeigen werde, die Theilung der Centralkörper bald während der Zellenruhe, bald während der Mitose statt hat, habe ich doch nach allen meinen Erfahrun- gen Grund genug anzunehmen, dass, wenn die Theilung der Centrosomen nicht schon während der vorauf- gehenden Zellenruhe stattfand, sie spätestens Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 457 während der mitotischen Schlussbewegungen stattfinden muss, so dass allemal die Tochterzelle mit — wie ich hier gleich bemerken will — mindestens (!) zwei Üen- trosomen zur Ruhelage zurückkehrt (Fig. 22). Die Erfahrungen, die mich zu diesem Schlusse nöthigten, kamen zu Stande bei Ge- legenheit einer sorgfältigen Mikroskopie solcher Fälle, in denen die Centralkörpermasse einheitlich erscheint. Bezüglich solcher Befunde liess sich Folgendes als völlig sicher feststellen. 10. Die einheitliche geschwärzte Masse entspricht in den einen Fällen einer Verklumpungsfigur (z.B. Fig. 23) und es sind in derselben (mindestens) 2 Centralkörper vorhanden. Wir haben da also eine Unterdifferenzirung vor uns und der grösste Durchmesser einer derartigen Verklumpungsfigur übertrifft meist denjenigen eines einzelnen Centralkörpers. Sehr häufig ragen aus dem gemeinsamen Substanzklumpen zwei (Fig. 20) oder drei (Fig. 47 oben) kuglige Prominenzen hervor, so dass man unmittel- bar die Verklebung mehrerer Centralkörper erkennt. In einer anderen Gruppe von Fällen entspricht der Durch- messer der einzigen innerhalb der Astrosphäre sichtbaren Central- körpermasse genau dem Durchmesser eines einzelnen Oentrosomas (z. B. Fig. 44 oben), und es ist gar nicht zu bezweifeln, dass das, was man in diesen Fällen thatsächlich vor sich hat, viel- orals sa uch wirklcch, nur sein einzelnen. dentralr körper ist. Wie dies Vorkommen solitärer Centralkörper in den Zellen zu erklären sei, darauf werde ich weiter unten noch zu sprechen kommen. Vorerst will ich noch Folgendes der Er- wägung anheim geben. A priori wäre auch der Fall denkbar, dass die anfangs, vor der Differenzirung, natürlich immer totaliter verbackenen Centralkörper sich unter Umständen in ihrer Gesammtheit so be- nehmen könnten, wie eine einheitliche Substanzmasse: dann würde eventuell die Verklumpungsfigur durch eine weitere Ex- traktion der Eisenfarbe allmählich an Umfang verlieren und sie würde schliesslich dem Volumen nach einem einzelnen Centralkörper gleich kommen, wobei dann doch in dem auf diese Weise produeirten artificiellen Körperchen die Bruchtheile mehrever, mit. ‚einander, verschmol- zemer Centralkörper enthalten sein könnten, Archiv f. mikrosk,. Anat. Bd. 43 30 458 Martin Heidenhain: Nach meinen auf diesen Punkt hin gerichteten Beobach- tungen zu urtheilen, wird der Regel nach bei der subtraktiven Tinktion im Verlaufe des Färbungsverfahrens die verbackene Centralkörpermasse in ihre Bestandtheile zerlegt. Zwar kommt es ausnahmsweise wohl auch vor, dass die Centralkörper bis zur völligen Entfärbung mit einander verklebt bleiben, aber in diesem Falle ist die Gesammtform der geschwärzten Masse keine streng kuglige, sondern eine unregelmässige, da die in ihr enthaltenen Centralkörper nach aussen hin vorspringen (Fig. 24). Auch ist es mir aus später näher zu besprechenden Gründen durchaus unwahrscheinlich, dass, nachdem die Extraktion des Farbstoffes bis auf die Oberfläche der Centralkörper fortgeschritten ist, hinterher an der Masse der Centralkörper selbst eine eigentliche Einengung der Contourlinien erfolgen sollte, wie dies der Fall sein müsste, wenn der eben erörterte Fall der Produktion arti- fieieller Centralkörperehen in Wirklichkeit zuträfe. Kommt der- gleichen aber doch vor, was ich für die gedachten Ausnahme- fälle nieht völlig in Abrede stellen will, dann fasse ich dies als einen nur unter besonderen Verhältnissen stattfindenden Vorgang auf, weleher eben darin begründet ist, dass die Verklumpung sich bei der Differenzirung nicht löste, was doch die Regel ist. Die oben erwähnten, echten solitären Centralkörper finden sich zwar überall hin und wieder, hauptsächlich aber bei den kleinsten Formen der Iymphoiden Elemente, wie sie auf pag. 452 sub 1 aufgezählt wurden. Wie ist dies nun zu erklären, dass in vielen Leukoeyten der Thatsache nach bei Anwendung der sub- traktiven Tinktionen sieh nur ein Centralkörper wirklich zeigt, während doch aus anderen Gründen geschlossen werden muss, dass immer (mindestens!) zwei vorhanden sind? Ich finde die Ursache dieses scheinbaren Widerspruches darin, dass bei einer Ueberdifferen- zirung der Zelle ein Centralkörper der Regel nach den Farbstoff schneller abgiebt als der andre; somit kann das eine Körperehen schon zu einem Zeitpunkte völlig unsicht- bar geworden sein, an welchem das andre seine intensiv schwarze Farbe noch beibehalten hat. Man kann bei einer Reihe verschiedener Zellen neben dem einen schwarz tingirten Centralkörper alle Stadien der successiven Entfärbung des zweiten Centralkörpers nachweisen. Die Entfärbung Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 459 seht dabei in der Weise vor sich, dass das Körperchen zunächst aus der schwarzen in eine schwarzbraune und braune, fernerhin in eine hellbräunliche Färbung übergeht, welche ebenso successive sich ins farblose verliert. Hierbei bleiben die Gonturen der Cen- trosomen bis zum allmählichen Verblassen scharf und deutlich, so dass offenbar die Entfärbung durch die ganzeDicke der Körperchen gleichmässig vor sich geht. Dies ist eine Thatsache, welche späterhin für uns wichtig werden wird. Hier drängen sich nun wiederum neue Fragen auf. Besteht eine substantielle Ungleichheit zwischen den Centralkörpern ? Oder wird der eine Centralkörper nur darum rascher extrahirt, weil er von vornherein kleiner ist als der andre? Oder sind etwa die Massen beider Centralkörper von verschiedener Diehtigkeit, so dass bei dem einen von vornherein ein Mehr an Materie gefärbt wird als bei dem andren? Auf alle diese Dinge kann ich erst weiter unten wieder zu- rückkommen; ich ziehe es zunächst vor, die Fragestellung weiter zu entwickeln. 11. Mit der Feststellung, dass wir die Gegenwart zweier Centralkörper in der ruhenden Lymphzelle nach den bisherigen Erfahrungen für alle Fälle voraussetzen müssen, haben wir die Frage nach der normalen Anzahl der Centralkörper noch nicht erschöpft. Ich finde in vielen Fällen in Lymphzellen aller Arten mit Aus- nahme derjenigen der kleinsten Form (sub 1 pag. 452) neben den beiden Centralkörpern ein drittes, durchschnittlich kleineres Körperchen, welches bei rite differenzirten Zellen meist heller, nicht intensiv schwarz gefärbt ist (Fig. 3; z in Fig. 23>—34; besonders auch unter Fig. 27). Ich fand dasselbe nicht nur in den Lymphoeyten des Knochenmarkes, sondern auch in den Lymphkörperchen der Milz beim Kaninchen; beim Hunde in den freien Zellen des Zottenstromas und in den Wander- zellen beim Proteus!). Dies Körperchen habe ich früher bereits erwähnt (41) und einstweilen als ,„Nebenkörperchen‘ bezeichnet. 1) Beim Proteus (Lymphzellen im Leber- und Nierengewebe) habe ich die beiden Centrosomen und ihr „Nebenkörperchen“ sehr hübsch mit Säureviolett färben können, und zwar indem ich die überfärbten Schnitte mit Anilinöl extrahirte. Das „Nebenkörperchen*“ ist also nicht etwa blos ein Effekt der Eisenfärbungen, 460 Martin Heidenhain: Wenn nun mit Bezug auf dieses kleine Ding an den Prä- paraten eine Untersuchung vorgenommen werden soll, so handelt es sich offenbar zunächst um die primitive Frage, ob man nicht fort- während der Gefahr ausgesetzt ist, dieses dritte Körperehen mit den beiden Centralkörpern zu verwechseln. Zur vorläufigen Orien- tirung können hier folgende Wahrnehmungen dienen. Die drei Körperchen liegen nur in verschwindend seltenen Fällen auf einer graden Linie hinter einander; für gewöhnlich trifft man sie, wie die Figuren zeigen, nach den Spitzen eines Dreiecks geordnet. Dieses Dreieck ist in den typischen Fällen (Fig. 25, 26, 29 bis 34) nicht gleichseitig, sondern die den beiden grösseren Körperchen entsprechende Dreiecksseite ist gegenüber den beiden anderen die längere. Das kleinste der drei Körperchen liegt nun mit fast ausnahmsloser Regelmässigkeit entsprechend derjenigen Dreiecks- spitze, an »welcher die beiden kurzen Seiten zusammen- stossen). Das Nebenkörperchen hält also der Regel nach gegen- über den beiden andren Körperchen eine besondere Stellung inne: Man findet es zwar in unmittelbarer Nähe der letzteren, aber für &ewöhnlich ist es nicht direkt zwischen ihnen eingeklemmt, sondern es tritt neben der Verbindungslinie beider seitlich heraus. Wir haben mithin als Unterscheidungsmittel nicht bloss die bereits, angegebenen Unterschiede,der Grösse und derFärbbarkeit(einegrössere Hellig- keit), sondern auch einen deutlichen Unterschied der Lage. Diese Art der Stellung der drei Körperchen zu ein- ander hat offenbar eine ganz bestimmte mechanische Ursache, und zwar glaube ich, dass ein Prineip der Raumersparniss vorliegt, in- sofern nämlich bei der geschilderten speciellen Art der Zusammen- ordnung der Durchmesser der ganzen Gruppe ein relativ ge- ringer wird. Mit Bezug auf das Nebenkörperehen müssen nun wiederum eine grössere Reihe von Fragen zur Beantwortung gelangen. Ist das Nebenkörperchen constant? Wird es nur darum in einer bald 9 In der vorläufigen Mittheilung (Verhandl. d. anatom. Gesell- schaft, 1893) hatte ich angegeben, dass das „Nebenkörperchen“ entspre- chend der Spitze eines stumpfwinkligen Dreiecks zu liegen kommt. Dies ist ein Lapsus, beruhend auf einer ungenügenden räumlichen Vorstellung bei der vorläufigen Niederschrift. Das Dreieck ist zwar oft stumpfwinklig, aber oft auch rechtwinklig, oder alle Dreiecks- winkel sind spitze. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 461 grösseren, bald geringeren Procentzahl der Fälle nicht gesehen, weil es durch die in Anwendung gebrachte regressive Färbungs- methode nicht in constanter Weise darstellbar ist? Wenn das Körperehen in die Erscheinung tritt, ist es dann eine Bildung sui generis oder ist es ein Centralkörper? Ist das Körperchen thatsächlich und nicht dem blossen Färbungseffekte nach, con- stant kleiner, eonstant weniger färbbar als die beiden Centrosomen ? Können gegenüber diesen letzteren Unterschiede der Substanz oder der Dichtigkeit eonstatirt werden? Auch diese Fragen will ich erst weiter unten wieder aufnehmen und mich vorläufig mit der Darstellung einiger weiterer Beobachtungen über den centralen Inhalt der Astrosphäre beschäftigen. Ich finde bei den regulären grossen sessilen Leukoeyten des Knochenmarkes in nicht allzu seltenen Fällen und namentlich, wenn eine recht ausgiebige Centralkörperfärbung eintrat, an der Stelle, wo nach den herrschenden Anschauungen ein oder zwei Cen- tralkörper liegen sollten, nieht bloss 2 oder 3, sondern 4 kug- lige Körperchen (Fig. 27 unter b und ). Es handelt sich hier nicht etwa um jugendliche Riesenzellen, bei denen eine Vermehrung der Centralkörper statt hat (Fig. 37 bis 41), sondern um Zellen von einem für Leucoyten normalen Volumen, welche keineswegs von dem Kreise der Iymphoiden Elemente abgetrennt werden können. Von den vier Körperchen waren gewöhnlich zwei nach Art gut gefärbter Centrosomen intensiv schwarz, die beiden andren dagegen um vieles heller gefärbt. Fast nie lagen sie alle in einer Ebene, sondern sie waren nach den Spitzen eines Te- traeders geordnet, so zwar, dass bei einer entsprechenden Pro- jektion die Verbindungslinie der geschwärzten Körperchen die- jenige der beiden helleren rechtwinklig überschnitt. Auch hier wieder erkläre ich die specielle Form der Zusammenlagerung auf Grund eines Prineipes der Raumersparniss. Die Bedeutung des vierten Körperchens, welches sich seiner Art und Weise nach als ein zweites „Nebenkörperchen“ vor- stellt, wird sich weiter unten von selbst ergeben. Vorläufig fahre ich in der Schilderung der Beobachtungen weiter fort. 12. Im Centrum der Astrosphäre finden sich nicht bloss 2, 3 oder 4 färbbare Körperchen, sondern es ist dort noch eine „achromatische“ Substanz enthalten, welche sich 462 Martin Heidenhain: für gewöhnlichschneller entfärbt alsdie Körper- chen, trotzdem aber in sehr vielen Fällen unter der Form graulicher oder bräunlicher Massen sichtbar wird. Diese Substanz ist offenbar die Ursache da- für, dass die Centralkörper im mikroskopischen Bilde häufig mit- einander verklebt oder verbacken erscheinen. Ihre Anwesenheit wäre durchaus nichts Merkwürdiges, wenn es sich nicht zeigte, dass sie geformt, in einer regelmässigen Artan- geordnet ist. Die Central- und Nebenkörperehen sind in dieser Substanz nieht schlechtweg eingebettet, sondern wenn nur die beiden (grösseren) Centralkörper vorhanden sind (Fig. 27f.; sehr typisches Bild von einer völlig ruhenden (!) Zelle), so stellt sie sieh unter der Form einer dunkelen, auf geradem Wege verlaufen- den Verbindungsbrücke vor. Wenn aber ein Nebenkörper- chen gleichzeitig zugegen ist, so findet man mit sehr seltenen Aus- nahmen (Fig. 27h.) dasselbe in die nun excentrisch verlau- fende Brücke eingeschaltet (typischer Fall in Fig. 31 rechts oben; andre typische Bilder, in denen nur das Nebenkörpchen selbst sich nach Grösse und Färbbarkeit atypisch verhält, sind in Fig. 27 unter a und e dargestellt). Die in Rede stehende geformte Sub- stanz verbindet also das Nebenkörperchen rechter und linker Hand mit den Centrosomen. Der excentrische Verlauf der Brücke ist in den letzteren Fällen selbstverständlich bedingt durch die Gegenwart des Nebenkörper- chens und muss die Lage der Brücke nach einer idealen Con- struktionslinie taxirt werden, welche von der Mitte des einen Centrosomas über die Mitte des Nebenkörperchens zur Mitte des zweiten Centrosomas verläuft. Der bogenförmige Verlauf der Brücke deutet sich gewöhnlich auch durch eine Einziehung ihrer Masse in der Gegend zwischen den beiden grösseren Körperchen an. Diese Einziehungen gehen in Fig. 27a und e bis auf das Nebenkörperchen (z) herab, während in anderen Fällen (Fig. 27e, h, q) die gerade Verbindungslinie der Mitten der beiden Central- körper noch in die „achromatische* Substanzmasse hinem zu liegen kommt. Fälle, welehe der Fig. 27q entsprechen, wo also die „achromatische“ Substanz sich in gleichmässiger Weise zwi- schen den 3 Körperchen ausspannt, sind sehr selten; ebenso selten ist der Fall der Fig. 27k, in welchem das Nebenkörper- Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 4683 chen ganz ausnahmsweise einmal ausserhalb der „achromatischen“ Substanzmasse zu liegen kommt. Es treffen sich nun ferner zuweilen zwischen den beiden Cen- trosomen excentrische Verbindungsbrücken, ohne dass ein Nebenkörperchen sichtbar wäre (Fig.27d, g,1). Ich glaube als ganz. sieher annehmen zu dürfen, dass in diesen Fällen das dritte Körperehen zwar vorhanden ist, aber bei der Extraktion gänzlich entfärbt wurde oder wenigstens nicht in besonderer Art sich tingirte, so dass es nun zwar unsichtbar bleibt, seine Gegenwart aber deutlich dadurch dokumentirt, dass es die zwischen den Centralkörpern ausgespannte Verbindungsbrücke nach seiner Seite hin ablenkt. Nun bedingen ferner die Centralkörper häufig an ihrer Oberfläche eine eigenthümliche Lichtreflexion, derart, dass sie von der achromatischen Masse durch Einschiebung einer feinen hellen Linie gleichsam wie abgetrennt erscheinen. Dies Verhalten kann sieh in derartig scharfer Weise ausbilden (Fig. 278, ı), dass die Masse der exeentrischen Brücke, welche das Neben- körperchen immer in sich enthalten dürfte, wie ein isolirter Körper erscheint, der von der einen Seite her den beiden Cen- tralkörpern gleichsam angedrückt ist (ein extremer Fall mit stark aneinander gepressten Oentrosomen im Fig. 27 bei p). Ich konstatire also, dass die beiden Centralkörper auf mittelbarem oder unmittelbarem Wege in einer pri- mären organischen Verknüpfung stehen. Es ist eine primäre „Centrodesmose*, eine primäre Verkettung der Centrosomen vorhanden. Wir haben in der Mitte der Astrosphäre der Leu- kocyten nicht bloss zwei, drei oder vier färbbare Kör- perchen, sondern diese treten durch Vermittelung einer andersartigen Substanz zu einem einheitlichen Com- plex zusammen, welcher bei seinem zwar wechselnden, aber gesetzmässigen Aufbau als ein stets doch in ähn- licher Weise wiederkehrendes Strukturgebilde einfa- cher Art sich vorstellt. Dieses Gebilde, als ein Ganzes betrachtet, bezeiehne ieh weiterhin als das Mierocentrum der Zelle. Auf die Bedeutung jener primären Öentrodesmose werde ich späterhin noch zu sprechen kommen. 464 Martin Heidenhain: 13. Wie aus Vorstehendem ersichtlich ist und wie auch die Abbildungen zeigen, sind die Bilder, die man von der Anzahl, den relativen Grössenverhältnissen und der Färbbarkeit der Centralkörper und central- körperähnlichen Gebilde bei den Leukocyten erhält, ganz ausserordentlich wechselnde. Dabei muss aus nahe- liegenden Gründen die in Anwendung gebrachte Methode, sofern man dies von einem Extraktionsverfahren überhaupt sagen kann, für durchaus zweekmässig gehalten werden. Zumal bei der wun- derbaren Schärfe und Klarheit dieser Tinktionen, welche eine Benutzung höchstmöglicher Vergrösserungen ohne Weiteres ge- statten, durfte ich die beschriebenen wechselvollen Bilder nicht vorweg als nur zufällig oder als Dinge von bloss künstlicher Art nehmen. Vielmehr musste ich darauf hinarbeiten, durch eine auf- merksame Beobachtung den inconstanten, wechselnden Antheil, den die Methode liefert, von den festen durch die Natur gege- benen Verhältnissen zu trennen. Gleich bei den ersten systema- tisch auf diesen Punkt hin gerichteten Arbeiten habe ich einge- sehen, dass alle Gedächtnisskraft nicht ausreichen würde, um bei einem blossen Hin- und Hermikroskopiren herauszufinden, welche Anordnungen und Gruppirungen im Centrum der Astrosphäre etwa die relativ häufigsten seien, und es konnte ja nur von diesen häufigsten Fällen her auf das Verhalten in Wirklichkeit geschlos- sen werden. Ich habe daher den einzig zum Ziele führenden Weg eingeschlagen, indem ich versuchte, eine Art statisti- scher Aufreehnung der Färbungseffekte herzu- stellen. Ich nahm einen bestimmten gut gefärbten Schnitt (Bordeaux- Eisenhämatoxylinpräparate) zur Hand und registrirte die der Reihe nach bei der Untersuchung in das Gesichtsfeld eintreten- den Zellen mit Bezug auf das, was ich von dem Mierocentrum erkennen konnte. Hierbei habe ich diejenigen Fälle ganz ausser Acht gelassen, bei denen entweder gar keine oder nur eine ein- heitliche Centralmasse im Inneren der Astrosphäre sichtbar war. Denn aus den vorhergehenden Untersuchungen hatte sich ja be- reits ergeben, dass diese Zustände dem natürlichen Verhältniss kaum entsprechen können. Demgemäss habe ich also nur die- jenigen Zellen in die Zählung aufgenommen, bei welchen minde- stens die beiden Centralkörper sichtbar waren; die Fälle mit Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 465 einer deutlichen Gruppe von 4 Körperchen waren relativ ge- rechnet so selten, dass ich sie als in praxi belanglos ebenfalls ausser Acht gelassen habe. Bei der Einregistrirung der Zellen musste ich ferner darauf bedacht sein, nicht ein und dieselbe Zelle zwei oder mehrere Male zu zählen. Daher habe ich jede einzelne Zelle kurz skiz- zirt: Ein Aufriss des Zellenumfanges und der Contourlinien des Kerns sowie die Angabe der Lage der Centrosomen, ev. auch des Nebenkörperchens genügt vollkommen, um die Identität der Person bei Aufnahme von 60, 80, 100 bis 150 Zellen feststellen zu können. Hierbei unterstützt wesentlich die so ungemein häufig vorkommende Polymorphie des Kernes und der Wechsel der gegenseitigen Stellung der Centrosomen !). 14. Die beiden Hauptfragen, die zur Erledigung kommen sollten, waren naturgemäss zu erfahren, erstlich: ob das Nebenkörperchen bei diesen Färbungen in einem so grossen Procentsatz der Fälle auftritt, dass auf eine thatsächliche Con- stanz desselben geschlossen werden muss; ferner: ob die Cen- tralkörper der Regel nach ungleich gross sind oder nicht. Demgemäss wurde erstlich einmal bei jeder Zelle aufnotirt, ob zwei oder drei Körperchen vorhanden waren. Die. erste Reihe der Fälle wurde in vier Unterab- theilungen gebracht: 1. Die beiden Centralkörper sind gleich gross (Colonne A der nachfolgenden Tabelle). 2. Die beiden Centralkörper sind ungleich gross (Co- lonne B ebendort). 1) Anmerkung: Die beschriebene Art zu®verfahren ist höchst mühselig und für den Untersucher äusserst anstrengend, umsomehr als diese Art der Mikroskopie ungemein langweilig ist. Dass unter diesen Umständen auch die literarische Darstellung solcher Untersuchungen schwerfällig werden muss, ist wohl selbstverständlich; der einsichtige Leser wird dies indessen, so hoffe ich, entschuldbar finden. Späterhin werden derartige bis ins kleinste Detail hinein fort- getriebene Centralkörperstudien überflüssig sein; für den Anfang sind sie unentbehrlich zur Begründung des wissenschaftlichen Urtheils. — Die in Nachfolgendem beschriebenen Zählungen wurden um Ostern 1892, December 1892 und Ostern 1893 gemacht. Es ergaben sich jedes- mal wesentlich die gleichen Resultate. 466 Martin Heidenhain: 3. Die beiden Gentralkörper sind gleich gross und dabei durch eine excentrisch verlaufende Substanz- brücke untereinander verbunden (Colonne C)!). 4. Die beiden Centralkörper sind ungleich gross und dabei durch eine exeentrisch verlaufende Sub- stanzbrücke untereinander verbunden (Colonne D)!). Die zweite Gruppe der Fälle, bei welcher also drei Körperehen anwesend sind, lässt bereits eine sehr grosse Reihe verschiedener Möglichkeiten der Combination zu, je nach den Grössen- und Färbungsverhältnissen der Centrosoınen und des Nebenkörperchens.. Um die zweckmässigste Art der Eintheilung in Untergruppen zu finden, habe ich daher eine Reihe von Probe- zählungen mit Registrirung von über 500 Fällen vorgenommen. Ich notirte erstlich: ob die drei Körperchen alle gleich gross oder ungleich gross seien, und in letzterem Falle, ob sie alle drei unter sich ungleich gross wären oder ob nur eines kleiner als die beiden an- deren sei; ferner: unterschied ich eine intensive Schwärzung oder Bräunung der Körperchen von einer helleren, durch- sichtigen Tinktion. DiesenBestimmungengemässhatman2Över- schiedene Combinationsmöglichkeiten. Von die- sen waren am Objekte selbst aber noch nicht die Hälfte vertreten, so dass sich. bereits.bestimmte Gesetzmässigkeiten zeigten, welche offenbar als das ungefähre Abbild der reellen Verhältnisse aufgefasst werden mussten. Unter jenen Combinationen, welche überhaupt im Prä- parate sich vertreten fanden, waren aber wieder ganz bestimmte einzelne Fälle und zwar diejenigen, in denen das Ne- benkörperchen sich als solches durch Stellung, Färbung und Grösse erkennen lässt, in der im- 1) Diese Fälle sind darum besonders berücksichtigt worden, weil durch das Vorhandensein der excentrischen Brücken die Gegenwart eines bei der Extraktion völlig entfärbten Nebenkörperchens wahrscheinlich gemacht wird. Dagegen sind diejenigen Fälle nicht besonders berech- net, bei denen die primäre Centrodesmose geraden Weges von einem zum anderen Centrosoma verlief. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 467 mensen Majorität, während dem gegenüber die anderen Fälle, in denen die drei Körperchen ihrer Art nach mit einander verwechselt werden können, in den Hintergrund traten. Bei der Untersuchung am Objekt wird es freilich im Einzelfalle oft Sache der Auffassung bleiben, ob man geneigt ist, das Nebenkörperchen als solehes von den Centrosomen zu unterscheiden, und es bleibt mir mit Bezug .auf die Art der Unterscheidung, wie ieh sie gerade vorgenommen habe, nichts anderes übrig, als mich auf meine Uebung und Erfahrung zu berufen. Um ganz sicher zu gehen habe ich das eine der drei Kör- perehen nur in den Fällen als „Nebenkörperchen“ angesprochen und einregistrirt, wenn der typische Färbungsunterschied vor- handen war und wenn dieses heller gefärbte Körperchen an Grösse hinter den anderen zugleich zurückblieb oder doch nur dem kleineren der beiden Centrosomen darin gleichkam. Diese Fälle mit einem ganz sicher bestimmten Nebenkörperchen sind in der nachfolgenden Tabelle 5. bei gleich grossen Centrosomen unter Colonne E, 6. bei ungleich grossen Centrosomen unter Colonne F enthalten, während 7. unter Colonne G sich alle übrigen Fälle vereint finden, in denen überhaupt drei Körperchen vorhanden waren (welehe jedoch ihrer speeifischen Art nach nieht genauer von einander geschieden werden konnten). Ich habe also in erster Linie die Färbungsverhältnisse, in zweiter Linie die Grössenunterschiede der Körperchen als maass- gebend berücksichtigt. Hier liegt nun die Sache nicht ohne Wei- teres etwa so, dass durch das regressive Verfahren die drei Kör- perchen ungleich stark extrahirt werden und dass darum eines derselben kleiner und heller gefärbt erscheint, welches nun zu dem „Nebenkörperchen“ gemacht wird, sondern: die Grundlage der nachfolgenden Aufstellung, ohne welche diese überhaupt nicht hätte unternommen werden können, bildet die Erfahrung, dass dasjenige der drei Körperchen, welches für gewöhnlich stärker extrahirt wird und welches ebenso gewöhnlich kleiner als die beiden an- deren erscheint, gegenüber diesen sich durch seine Lagebezie- hungen, wie sie oben besprochen wurden, auszeichnet. Es bildet mithin ein von dem Tinktionsverfahren unabhängiges, in den meisten Fällen leicht kenntliches Stellungsverhältniss die Grund- 468 Martin Heidenhain: lage der ganzen Untersuchung. Dass hier eonstante Verhältnisse vorliegen, geht auch aus Folgendem hervor. Der Leser wird sich aus dem Obigen entsinnen, dass das heller gefärbte Körperchen öfters deutlich mit den beiden anderen rechter und linker Hand durch achromatische Substanzbrücken in Verbindung steht. Danach hat die gedachte topographische Anordnung eine ganz bestimmte mechanische Ursache in einer bestimmt geregelten or- ganischen Verknüpfung der drei Gebilde. Ist diese die constante Ursache jener eonstanten Lagerung, dann muss für den Fall, dass einmal alle drei Körperchen auf eine gerade Linie zu liegen kommen, das heller gefärbte Körperchen zwischen den beiden anderen gefunden werden, und dies entspricht nun wieder den thatsächliehen Ermittelungen am Objekt. Hätten wir nicht an diesen Lagebeziehungen von vornherein eine Handhabe der Beurtheilung, so würden wir bei der that- sächlichen Erfahrung, dass eines von den drei Körperchen, — ich will sie einmal mit x, y, z bezeichnen —, sich häufig schneller entfärbt als die beiden anderen, wenn wir in einem bestimmten Falle nur zwei Körperchen vor uns haben, nicht wissen, ob es sich um xy, xz oder yz handelt. Würden nun zwei der drei Körper- chen Centrosomen sein, das dritte aber eine Bildung sui generis, so müssten wir daran denken, dass wir in den einen Fällen wohl zwei Üentrosomen vor uns haben könnten, in den anderen aber nur einÖentrosoma und danebeneinzweitesDing, welches wir zunächst nicht kennen. Da nun aber das eine durch seine Lage schon allein gekennzeichnete Kör- perchen dazu neigt sich schneller zu entfärben, so sind wir durch- aus berechtigt, sofern im Innern der Astrosphäre nur zwei Körperehen tingirt sind, diese als Centralkörper zu nehmen, dies um so mehr, da die ab und zu einmal auftretenden excentrischen Verbindungsbrücken, von denen oben schon die Rede war, uns für einige Fälle ganz deutlich den Ort zeigen, an welchem das durch Entfärbung zum Verschwinden gebrachte Nebenkörperchen zu liegen kommt. Ich glaube mithin, alles in allem genommen, dass ich in der nachfolgenden Tabelle hinsichtlich der Classifieirung der Zellen richtig vorgegangen bin. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 15. 469 Zahlenmässige Aufrechnung der Verhältnisse des Mierocentrums bei 1000 Lymphocyten vom Kaninchen. | y JT Fur Zn Enz nr) gr: IN Ic En ae wa le = |.8 |ä&+ BE j3E| 02 | „5 [8881288 8,0 208 82|3|28 12,+| 258 sl ee ee 22 ee er llene K Erreee> le8 Salze | 0 |02% Is2 BoR2 | 5021252 so 1528| 258 |ISejla |5O | 8o| "2 |D> 22 |b&e | E251 F I5E |82” | EG S Dessen | A ES pe ee aule |: IE een las TBezeichnu rz =— — ur ——e—_—— en smeesp mi — . = Te = u —t u Eee | e Beobachtete a NRZ | Fälle und | Ija | | | | | | Procentziffer || 132,7543,15| 3,15 | 3,15 | 4,21\ 7,86 | 7,36 53,66 18,93 25,23 Beobachtete, Pe 3 TE a le Le EEE Fälle und Ila | | | | | Procentziffer || 122,6452,83 3,77 | 3,77 3,77 8,49 | 4,71 65,09 16,97 24,51 Beobachtete | 26 A566 ar | Fälle und | IIT| a | | | | Procentzifier || [27,95.44,08 1,07 5,37 | 4,30 10,75 6,45 60,2 21,50 27,94 Beobachtete| | |. ES RL I a er a a 5 Fälle und | IV| b | | | | | Procentziffer || 127,78 68,31 0 | 0 |1,98,6,93|0,99| "|75,24) 9,90 | 9,90 “ Beobachtete ( aan 78.478, .20105,5 122 Fälle und Vil.c | | | | Procentziffer | 1476 43,05| 2,77 |11,11| 4,16 127,77 6,94 81,93\38,87|52,75 Beobachtete | 5 a3 726 16 ae: 4 1100 | Fälle und | VIil c | | Procentzifter | Saul e, 76: 2a 1.4 83,00 20 | 42 Beobachtete | EN: 9 4 [64 Fälle und | VII\| c | | | Procentziffer | |#68\58,12| 2,56 18,75 | 1,56 |14,06| 6,25 85,93 21,87 42,18 Beobachtete | or ee ER | er Fälle und VIII| e | | | | | Procentziffer, | 5,15 61,76 2,20 12,5 | 1,47 |7,35|9,56| |s7,61 18,38|33,08 Beobachtete 130885: 11,1 41164 | Sr, a ask | Fälle und | IX d | | | | Procentziffer| I 3 8,55 7992 0,65 |10,52| 3,28 ‚12,50 8,55 78,94 24,33 85,50 Beobachtete| | a 7 VETVEITNERUT SETS TRREEN | Fälle und | Xıld | Procentziffer | 186% 54,32 2,47 | 8,64 | 1,02 |18,52| 6,17 81,48 25,71 36,82 Totalsumme.. 140 538 23 | 88 | 28 | 120 | 63 [to00l 746 | 211 | 322 Durchsehnittliche | | | Procentziffer aller Filet. as“ 14,0\53,8| 3,3 | 88 | 2,8: |130| 6,8 74,6 | 21,1\32,2 470 Martin Heidenhain: Es wurden 10 Zählungen (I bis X) an einer Reihe von Schnitten vorgenommen, welche auf 4 Objektträgern (a bis d) befindlich waren. Da die Paraffinschnitte vor der Tinktion durchgängig auf dem ÖObjektträger fixirt wurden, so haben die auf dem sleiehen Objektträger befindlichen Schnitte bei der Färbung selbst identischen Processen unter- legen. Die Zählungen No. I bis IV und No. VII bis IX entsprechen je einem Schnitt; die No. V und VI betreffen zwei Zählungen von verschiedenen Regionen desselben Schnittes; unter No. X be- findet sich eine Kollektion von Zellen aus zwei Schnitten des- selben Objektträgers. Ich habe durchschnittlich an jedem Schnitt so lange gearbeitet, bis ich etwa 100 Zellen skizzirt hatte. Es kann nämlich der Effekt, den die Färbungsmethode an einem Schnitt zur Folge hat, nicht an einer Zusammenstellung von 10 oder 20 Zellen gemessen werden, sondern es gehören hierzu mindestens 50 bis 60 Zellen. Deswegen ist auch die unter No. X befindliche Zählung von ge- ringerem Werth, weil sie aus zwei Schnitten eombinirt ist. — Um eine genauere Vergleichung der gewonnenen Werthe zu er- möglichen ist für jede Zahl gleicher Zeit die auf 100 berechnete Verhältnissziffer (Procentziffer) in der Tabelle mit angegeben. Um die Wirkung der Methode genauer zu kontroliren, habe ich also einmal an mehreren Objektträgern gearbeitet, welche ja verschiedenartige Differenzirungseffekte aufweisen konnten, und zweitens habe ich auch von demselben Objektträger mehrere Sehnitte untersucht. Hierbei stellt sich heraus, dass man bei gleicher Sehnittdieke (3 u in Serien) auf dem nämliehen Ob- jektträger an allen Präparaten so ziemlich die gleichen Wirkungen erhält; dagegen zeigen die Präparate auf verschiedenen Objektträgern, auch wenn sie rite im Sinne der Methode behandelt und ausgefallen waren, nicht unerheb- liche Unterschiede des färberischen Verhaltens in Be- ziehung auf die Zusammensetzung des Mikrocentrums. Dies geht nun allerdings aus der Tabelle nicht sehr deutlich her- vor; man kann dies aber zunächst an der Zeit ermessen, die man braucht, um eine bestimmte Anzahl von Zellen mit doppelten Oen- tralkörpern aufzufinden. Dann aber wird der Leser auch aus der Zählung No. IV ersehen, dass hier ein Schmitt vorliegt, der Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 471 namentlich mangels aller Fälle in den Colonnen D und F sich abweichend verhält. Aus dem Gesagten ist ferner ersichtlich, woher es kam, dass ich bei den Zählungen bis zu einer so ausserordentlich hohen An- zahl von Zellen fortsehreiten musste. Erstlich mussten mehrere Objektträger untersucht werden, da an den zugehörigen Präparaten die Resultate ja verschieden sein konnten. Zweitens mussten, um die Constanz der Methode zu prüfen, auch auf demselben Ob- jektträger zu mehreren Malen verschiedene Schnitte durehgezählt werden; drittens mussten an jedem einzelnen Schnitte 60, 80, 100 Zellen oder mehr gezählt werden. Ich habe dann die Zahl bis auf genau 1000 hinaufgetrieben, um die schliessliche Procent- berechnung zu erleichtern. 16. Es bleibt mir noch übrig, ehe ich auf die Besprechung des vorliegenden Materiales näher eingehe, einige störende Einflüsse, welche bei den Zählungsversuchen in Be- tracht kommen, in nähere Erwägung zu ziehen. Für's erste ist hier die Frage, wie viel die Uebung, die Traini- rung der Augen des Mikroskopikers macht. Diese kommt hauptsäch- lich zur Geltung bei der Taxation der relativen Grössenver- hältnisse der Körperchen, sofern es sich hier und dort nur um geringe Differenzen handelt. Ich habe früher selbst Zweifel daran geäussert, ob es mit Sicherheit möglich sei, die verhältniss- mässige Grösse zweier Centralkörper festzustellen. Damals hatte ich vornehmlich die Präparate aus Biondi’scher Lösung im Auge, für welche ein solcher Zweifel vollkommen gerechtfertigt ist. Bei den hier zur Verwendung gekommenen Präparaten sind aber die Conturen dieser der Grösse nach zu taxirenden Körperchen so scharf und rein, dass es meist auch dem völlig Ungeübten auf den ersten Blick hin möglich ist die in Frage stehenden Unter- scheidungen zu machen. Sehr wesentlich ist hier, dass die Körper- chen ausserordentlich nahe bei einander liegen, so dass sie ganz unmittelbar mit einander verglichen werden können; wären sie so angeordnet, dass sich breite Protoplasmamassen zwischen sie einschöben, so wäre auch die Vergleichung der Grösse um vieles schwieriger. Ich habe fernerhin früher geglaubt, dass es unmöglich sein würde, über das gegenseitige Grössenverhältniss der Centrosomen ein Urtheil zu haben, wenn dieselben bei gleicher 472 Martin Heidenhain: Grösse und ellipsoider Gestalt so gegen einander gedreht wären, dass von dem einen Körperchen der optische Langschnitt, von dem andren der optische Querschnitt zur physikalischen Abbildung käme (41; pag. 139). Diese Einwendung ist nun insoferne ge- genstandslos, als nach meinen neueren Erfahrungen derartige Drehungen kaum vorkommen dürften. Während mithin die Wahrnehmung der Grössenunterschiede meistens keine Schwierigkeiten machen dürfte, giebt es doch eine andre Stelle an unseren Objekten, bei welcher alle Unterscheidungs- fähigkeit nicht mehr ausreicht. Sind nämlich excentrische Substanzbrücken zwischen den Centrosomen vorhanden, so können diese dann nicht mehr genau erkannt werden, wenn die Brücke im Präparate genau nach oben oder unten liegt. In diesen Fällen wäre die Excentrieität der Brücke nur durch einen sorgfältigen Gebrauch der Mikrometerschraube zu diagnostieiren. Mitunter ist dies nun wohl möglich; oft aber wird man die excentrische Substanzbrücke fälschlicher Weise für eine geradlinige Centrodesmose halten. Demgemäss ist es ganz sicher, dass eine Reihe von Zellen, welche thatsächlich den Colonnen C und D zugehören, unter A und B einregistrirt worden sind. Ferner beruht ein andrer Fehler der von mir gegebenen tabellarischen Aufstellung darauf, dass, wie das Studium der Ob- jekte lehrt, das Nebenkörperchen mit einem der beiden Centrosomen verbacken sein kann, während das zweite Centrosoma frei daneben liegt. Solche Fälle mögen in der Co- lonne B mit enthalten sein; wurden sie aber ihrer specifischen Art nach wirklich erkannt, so habe ich sie in die Berechnung garnicht mit aufgenommen. Was schliesslich die Frage der persönlichen Ue- bung in der Unterscheidung diffieiler mikroskopischer Bilder an- langt, so erinnere ich daran, dass ich die ersten Zählungen über 500 Zellen betreffend nieht mit in die obige Aufrechnung einbe- zogen habe, dies aus mehreren Gründen, die ich im Einzelnen nicht aufzählen will. Jedesfalls gewann ich aber durch diese Vorübungen eine solche Umsicht, dass dann später.die zu den Zählungen herangezogenen Präparate nach der Seite des persön- liehen Urtheils hin in gleichartiger Weise behandelt wurden. Wie der geehrte Leser aus der Tabelle ersieht, zeigen (die Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 473 hinterher aufgestellten Procentberechnungen so viel Uebereinstim- mung innerhalb der einzelnen Colonnen, als man schliesslich etwa von vornherein erwarten komte zu finden. Nur in der Colonne A sind sehr wesentliche Zählungsdifferenzen enthalten. Unter No. I bis IV haben wir procentische Ziffern zwischen 21,78 und 31,57, unter No. VI bis X dagegen solche zwischen 4,68 und 8,64. Nun liegt zwischen der ersten und der zweiten Gruppe von Zählungen ein Zeitraum von vielen Monaten, so dass ich nun nicht mehr weiss, ob die physikalischen Bedingungen der Untersuehung in beiden Fällen genau die gleichen waren. Ich halte es für möglich, dass ich bei den ersten vier Zählungen die Apertur des Kondensors nicht ganz ausgenutzt habe, so dass ich um deswillen die Centrosomen in einer Reihe von Fällen für gleich gross hielt, während sie doch unter andren Umständen deutliche Grössenunterschiede hätten wahrnehmen lassen. Es ist aber auch ebenso gut möglich, dass unter No. I bis IV Schnitte vorgelegen haben, welchen thatsächlich eine etwas anders geartete Differen- zirung zukam. Wie dem auch sei, so kommt bei der Bereehnung der Durchschnittsziffer der etwaige Fehler immerhin derart zum Ausgleich, dass wir bei unseren allgemeinen Schlussfolgerungen durch die Inkonstanz der Resultate im Einzelfalle nicht mehr berührt werden. Im Nachfolgenden stütze ich mich wesent- lich nur auf die ganz groben Zahlenunterschiede, welchen wir doch wohl einen bestimmten Sinn werden unterlegen müssen, da einmal das Zellenmaterial, welches diesen Zahlen zu Grunde liegt, ein ganz aussergewöhnlich grosses genannt werden muss !). 1%. Aus der von mir gegebenen Tabelle ist ersicht- lich, dass in meinen Präparaten 74,6°/, der Zellen un- l) Bei der grossen Schwierigkeit der Centralkörper-Untersuchun- gen gebe ich es als möglich von vornherein zu, dass sich trotz der äussersten Vorsicht hie und da kleinere Fehler eingeschlichen haben. Wie man dieser Dinge in Zukunft Herr werden soll, ist mir ein unge- löstes Räthsel. Wenn sich nicht an Stelle der regressiven Färbungs- methoden besser wirkende progressive Verfahrungsweisen setzen lassen, dürfte vorläufig alles beim Alten bleiben und wir werden dann nicht wesentlich über das oben Gegebene hinauskommen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 al 474 Martin Heidenhain: gleich grosse Centralkörper besassen; diesen stehen ge- genüber 19,1 °/, Zellen mit gleich grossen Centralkörpern, wobei ein der Kolonne G entsprechender Rest von 6,3 °/, bleibt?). Aus diesen Zahlen folgere ich, dass thatsächlich die Centralkörper der Regel nach ungleich gross sind; auf die Frage, ob dies immer der Fall sei, will ich weiter unten noch zurückkommen. Zunächst will ich meine Behauptung betreffs des gewöhnlich zwischen den Centrosomen stattfindenden Grössen- unterschiedes noch weiterhin begründen. Wäre dieser Grössenunterschied ein Extraktionseffekt, so müsste der eine Centralkörper während der Differenzirung dadurch, dass er mehr Farbe abgiebt als der andre, schneller an Umfang abnehmen. Was wir aber von der allmählichen Entfärbung unter dem Mikroskop thatsächlich wahrnehmen, das stimmt nicht mit der Annahme überein, dass die Extraktion an den Körperchen unter fortsehreitender Einengung der Contourlinien zu Stande kommt. In diesem Falle müssten wir zu ähnlichen Bildern ge- langen wie beim rothen Blutkörperchen (Fig. 19), das heisst die Centrosomen würden während der Extraktion ihre schwarze Farbe beibehalten, aber sie würden an Umfang allmählich bis zum gänz- lichen Verschwinden abnehmen). Hiergegen finden wir bei den Centralkörpern, welche per extractionem allmählich unsiehtbar werden, dass die Intensität der Färbung gleichmässig durch ihre ganze Dieke hindurch abnimmt, wobei doch der äussere Contur des Körperehens, so lange es überhaupt noch erkennbar ist, bis zum letzten Augenblicke scharf und rein bleibt. Die In- tensität der Färbung geht vom Schwarzen zunächst ins Dunkel- braune und von diesem ins Hellbraune über, um sich schliesslich mit immer liehter werdenden Tönen ins Farblose zu verlieren. 1) Unter den in diese Rubrik (G) entfallenden Zellen sind auch solche enthalten, bei denen drei ungleich grosse Körperchen im’ Mikrocentrum enthalten waren. Nur liess sich nicht genau sagen, welches von diesen das Nebenkörperchen sei. Gleichwohl müssen un- gleich grosse Centrosomen vorhanden gewesen sein. Diese Fälle sind von mir nicht besonders berechnet worden, um die Aufstellung nicht noch mehr zu complieiren. Der hieraus entspringende Fehler ist jeden- falls sehr gering. Hätte ich ihn vermieden, so würde das Resultat noch etwas günstiger für meine weiteren Schlussfolgerungen sein. 2) Diese Sorte der Extraktion beobachtet man gar nicht selten an den Körnern der Leydig’schen Zellen beim Proteus und Axolotl. Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 475 Wären ferner die Centralkörper der Regel nach unter sieh gleich gross, so müsste man, da die Centralkörper bei der Ent- färbung, wie ich eben eonstatirte, in gleichmässiger Weise ihrer ganzen Masse nach sich aufhellen, doch häufiger auf gleich grosse und dabei ungleich stark gefärbte Centralkörper stossen; diese Fälle sind aber gerade eine grosse Seltenheit. Ich bestreite also keineswegs, dass das eine Centrosoma rascher seine Farbe abzugeben vermag als das andre, denn dies ist ganz gewöhnlich der Fall und vielfach von mir abgebildet worden, sondern ich halte nur für durchaus unwahrscheinlich, dass mit der stärkeren Entfärbung eine wesentliche Einengung der Con- tourlinien verknüpft ist. Zwar erscheinen an stark unterdifferenzirten Präparaten die Centralkörper wesentlich grösser; dann sind aber eben mit den Centralkörpern an deren Oberfläche Theilchen verbacken, welche der Centralkörpermasse garnicht zugehören. Geht die Differen- zirung weiter, so verschwinden diese spurlos, und man erhält eine „reine“ Centralkörperfärbung, das heisst eine Färbung, bei weleher die schwarze Farbmasse mit der wahren Oberfläche des Central- körpers abschneidet. Wird jetzt noch weiter extrahirt, so kann man die Beobachtung machen, dass die Centralkörper zu- nächst noch intensiv schwarz gefärbt bleiben; erst später geben sie die schwarze Farbmasse grössten Theils ab und bleiben dann, wie schon beschrieben, als mehr oder minder gebräunte Körper zurück. Die Einengung der Conturlinien dürfte also, so weit ich das zu beurtheilen vermag, nur in soweit erfoigen, als es sich um eine Einschränkung der Farbmasse auf den thatsächlich zu färbenden Körper handelt, und hier ist der Umstand wichtig, dass man bei der Differenzirung offenbar bis zu einem Punkte kommt, an welchem die Centralkörperfärbung für eine gewisse Zeit stabil wird. Auf diesem Umstande beruht, wie ich glaube, die massenhafte Färbung der Centrosomen in meinen Präparaten. Man kann ferner noch auf anderen Wegen erweisen, dass die Centralkörper bei der Differenzirung nicht etwa durch fortgesetzte Einengung der Conturlinien für den Augenschein verkleinert werden. Würde nämlich bei thatsächlich gleich grossen Centralkörpern der eine durch die Differenzirung stark an Volumen abnehmen, so müsste der Abstand beider ÜUentralkörper wachsen. 476 Martin Heidenhain: Nun finden sich aber unter anderem auch sehr viele Fälle, in welchen bei sehr ungleich grossen Centralkörpern der kleinere dem grösseren fast direkt anliegt. Wäre die Grössendifferenz in solehem Falle eine arteficielle, so müsste eine scheinbare Verschiebung des Mittelpunktes des kleineren Centralkörpers stattgefunden haben. Dies, denke ich, ist jedoch unmöglich. Eine weitere Stütze für die Behauptung, dass die Grössen- unterschiede der Centralkörper durchaus reelle sind, finde ich in der Wahrnehmung, dass bereits unmittelbar nach der Ver- dopplung der Gentralkörper während der indirekten Theilung die Körperchen sehr häufig ungleich gross gefunden werden. Ich entsinne mich eines besonders schönen Beispiels dieser Art, wo es sich um die pluripolare Karyokinese einer Riesenzelle handelte; der Kern befand sich auf dem Stadium des Tochterknäuels und an fast allen sichtbaren Spindelspitzen konnte man deutlich doppelte ungleich grosse Centrosomen wahr- nehmen, von denen die kleineren an vielen Stellen heller gefärbt waren als die grösseren. An ähnlichen pluripolaren Figuren, welche dem Muttersternstadium entsprechen, habe ich bisher an den Theilungspolen immer nur einfache Uentrosomen gefunden; ich muss also schliessen, dass bei den Riesenzellen die Centrosomen- theilung während der Anaphase stattfindet und in dem angezogenen Fall eben vollendet war. Man müsste nun fernerhin doch gewiss an- nehmen, dass in dem Augenblick, wo die Theilung der Centrosomen eben erfolgtist, die färberische Reaktion an den beiden Centralkörpern eine’durchaus gleichartige sein sollte, zumal da die Körperchen ja so unendlich nahe bei einander liegen, also von der Ent- färbungsflüssigkeit jedesfalls in dem gleichen Augenblicke und ganz in der nämlichen Weise getroffen werden. Mithin schliesse ich, dass schon im Momente der Verdopplung der Centralkörper ein Grössenunterschied vorhanden ist und dass der von vornherein kleinere Centralkörper die Farbe rascher abgiebt. Auf diesen Punkt erlaube ich mir noch späterhin zurückzukommen. Weiterhin ist wichtig, dass, selbst wenn die Central- körper unter einander verbacken, also nicht rein dar- gestellt sind, in der Art, dass ihre Leiber einerseits zu- sammenfliessen, sie doch noch häufig und deutlich be- trächtliche Grössenunterschiede zeigen. In vielen Fällen springen beide Centrosomen (eventuell auch das Nebenkörperchen) Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 477 in der Form von Halb- oder Dreiviertelkugeln über die Oberfläche einer einheitlichen Verklumpungsfigur hervor und lassen doch auch in diesem Zustande schon die gewöhnlich vorkommenden Grössen- differenzen erkennen (z. B. Fig. 20). Ein weiterer Beweis für die Glaubwürdigkeit meiner Methode und für die vorzügliche Schärfe der färberischen Darstellung ist in dem Umstande gegeben, dass der Regelnachinklei- nerenLymphocytendieÜÖentrosomen sich kleiner zeigen als in grösseren Zellen, und diese Grössenunter- schiede müssen doch wohl durchaus als den wirklichen Verhält- nissen entsprechend angesehen werden (Fig. 5, 7, 8, 9 der Reihe nach auf diesen Punkt hin zu vergleichen). Ich erinnere hier ferner an die oben bezüglich des Neben- körperchens von mir durchgeführte Diskussion; an diesem fanden wir, dass es der Regel nach im Vergleich zu den Centrosomen eine geringere Grösse hat, und es liess sich dann mit Sicherheit nachweisen, dass dies nicht ein blosser Färbungseffekt sein kann, denn eben dieses Körperchen ist ja auch sonst schon durch Lage und Stellung und durch seine merkwürdige Verknüpfung mit den Cen- tralkörpern typisch charakterisirt. Was nun für das Nebenkörper- ehen gilt, das sollte doch auch für die Centrosomen gelten, nämlich die Annahme, dass durch das Verfahren der Färbung die relativen Grössenverhältnisse in einer der Natur entsprechenden Weise zum Ausdruck gebracht werden. Alles in allem genommen bleibe ich also dabei: die zu einandergehörigen Centralkörper sind derRegel nach ungleich gross und sie sind esschonin dem Momenteihrer Entstehung, injenem Augenblicke, in welchem aus einem Centrosoma zweie werden. 18. Diegrössteräumliche AusdehnungderMi- krocentren beim Leukoeyten entsprach im Mittel etwa einem Theilstrich meines Mikrometer-Oculars, dessen Werth auf ca. 0,87 u berechnet wurde. Das Mikrocentrum der Fig. 1 hat etwa diese Grösse. Dagegen sind die Mikrocentren in Fig. 5 beide noch kleiner (!), dasjenige in Fig. 9 um vieles grösser (etwa 1,2 u). Der halbe Durchmesser eines Mikrocentrums beträgt mit- hin etwa 0,44 u. Doch giebt dieser Werth noch nicht den mitt- leren Durchmesser eines Centrosomas an, da ja die beiden Cen- ATS Martin Heidenhain: trosomen dureh eimen beträchtlichen Zwischenraum von einander getrennt sind. Wir können also nur sagen: Die mittlere Grösse eines Öentrosomas beimLymphocyten desKanin- chens beträgt gewiss unter 0,44 u. Es kommen aber auch erheblich grössere underheblicehkleinere Cen- tralkörper vor. Für die letzteren giebt es keine Methode mehr sie zu messen. Einer der grössten Centralkörper, der direkt von mir ausgemessen wurde, ist in Fig. 9 enthalten. Seine grösste Länge entsprach wiederum einem Theilstriech meines Mikrometer- oeulars; also kann er zu ca. 0,9 u angenommen werden. Dierelativen Grössenunterschiede zweier zu einander gehöriger Centrosomen sind oft recht bedeutende (vergl. Fig. 9. Wenn wir in der Lage wären, das Volumen der Körperchen taxiren zu können, so würden wir wahrscheinlich die Erfahrung machen, dass die Masse des einen Centrosomas mehrere Male in die Masse des andren Centro- somas aufgeht. Was dieäussereGestaltderCentralkörperchen anlangt, so findet man sie ganz ungemein häufig als regelmässig geformte, drehrunde Kügelchen vor. Sehr häufig auch er- scheint der eine Durchmesser etwas verlängert, so dass, bei der Betrachtung im optischen Querschnitte wenigstens, eine ellipsoi- dische Gestalt resultirt. Hierbei steht die lange Achse des El- lipsoids fast ausnahmslos senkrecht auf der Verbindungslinie bei- der Centrosomen. Vielleicht stellen diese ellipsoidischen Figuren der Regel nach nur Durehschnittsbilder scheibenförmiger Körper vor. Die elliptischen Körperchen zeigen Uebergänge zu andren Formen, welche mehr einer Halbkugel sich nähern, insofern nämlich die einander zugewendeten Seiten der beiden Körperchen stärker abgeflacht erscheinen als die nach aussen hin gewandten Flächen. Diese Unterschiede der Gestaltung sind wahrschemlich an sich gänzlich bedeutungslos. An unterdifferenzirten Zellen gelangt man aus leicht ersichtlichen Gründen häufig zu einer mehr halb- kugligen Gestalt der Centrosomen. Vielleicht ist die äussere Formen- gebung bis zu gewissem Grade auch abhängig von der Grösse des freien Raumes zwischen beiden Körperchen. Eine viel grössere Bedeutung haben wahrscheinlieh die oft zu beobachtenden Färbungsunterschiede der Central- körper. Ich leite diese wesentlich aus der Grössendif- Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 479 ferenz der Körperchen her und nehme an, dass der kleinere Centralkörper sich rascher entfärbt als der grössere. Vielleicht ‚spielen hierbei geringe Unterschiede in der Substanz- diehte noch nebenher eine Rolle. Es wäre sehr wohl denkbar, dass die grösseren Körperehen der Substanz nach dichter gefügt sind als die kleineren und sich allein schon aus diesem Grunde schwer entfärben. Hierüber lässt sich indessen gar nichts bewei- sendes ausmachen. 19. Ich will nun weiterhin den Versuch machen, aus der oben mitgetheilten Tabelle nähere Daten betreffend das Neben- körperchen zu gewinnen. In 21,1°/, der Fälle (unter Colonne K zu ersehen) fand ich im Mikrocentrum drei Körperchen vor; nun ist die Frage, ob hieraus geschlossen werden kann, dass das Nebenkörper- chen thatsächlich immer vorhanden sei, jedoch in der Mehrzahl der Fälle bei dem regressiven Verfahren der subtraktiven Tinktion mit extrahirt werde. Hier kommt Folgendes in Betracht. Wir finden bei einer Vergleichung der einzelnen Zählungen, dass das in Anwendung gebrachte Extraktionsverfahren allerdings offenbar in Bezug auf die Darstellung des Neben- körperchens sehrungleich wirkt. Wir haben Schwan- kungen von 9,90 bis 38,57 °/, (Colonne K unter IV und V). Man könnte sich mithin vorstellen, dass bei einer weiteren Ver- besserung des Verfahrens das Körperchen in einer noch grösseren Anzahl der Fälle auftreten würde. Dies kann man sogar für sicher nehmen, da in denjenigen Fällen, in denen eine excentrische Substanzbrücke wahrnehmbar ist, das Nebenkörperchen offenbar vorhanden sein muss. Wenn wir diese Fälle bei der Procent- berechnung mit berücksichtigen (Colonne L), so steigen die Zahlen bis auf 52,75°/, (unter V). Wenn nun das Nebenkörperchen bestenfalls bis etwa für die Hälfte aller Fälle als nachgewiesen angenommen werden darf, so scheint es mir dennoch nichtmöglich, hierausaufdie wirkliche Constanz des Vorkommens zu schliessen. Ich stütze mich bei diesem Urtheil gleicherzeit auf die Thatsache, dass doch immer- hin häufig zwischen zwei intensiv geschwärzten Centrosomen eine deutliche, scharf umgrenzte Centrodesmose sichtbar wird, welche auch nicht die geringste seitliche Abweichung erkennen lässt, wie 480 Martin Heidenhain: wir dies bei der Gegenwart eines Nebenkörperchens voraussetzen müssten und wie dies thatsächlich in vielen Fällen vorkommt. Mir scheint es also ganz sicher zu sein, dass das Nebenkörperchen ein Mal da ist, das andre Mal fehlt. — Ich füge hier hinzu, dass das dritte Körperchen am leichtesten und besten in den grossen Lymphzellen gesehen wird, dass es dagegen bei den allerkleinsten Formen, welche bei rundlichem Kern nur eine ganz geringe plasmatische Mantel- schieht besitzen (Klasse 1 pag. 452), wohl immer fehlt. Bei den hämoglobinhaltigen gekernten Vorstufen der rothen Blutkörperchen habe ich es des öfteren gesehen. 20. WasfüreineBedeutunghatnundasNeben- körperchen? | Bei der Frage nach der Natur des Nebenkörperchens liegt offenbar der Gedanke nahe, dass dasselbe, wie die Centralkörper selbst, etwas mit der Zellentheilung, mit der Mitose, zu schaffen haben möchte. Es könnte ja sein, dass das Körperchen zwar in der ruhenden Zelle nicht constant wäre, doch aber im Anfang der Zellentheilung jedes Mal zum Vorschein käme. Es ist selbstver- ständlich, dass ich auf diesen Punkt hin meine Aufmerksamkeit gerichtet habe. Nun ist es sehr schwer beim Leukocyten der- jenigen frühen mitotischen Prophasen habhaft zu werden, bei welchen die Theilung des Mikrocentrums, das Auseinanderweichen der bereits vorgebildeten Centralkörper, ihre allmähliche Entfernung zur Bil- dung der Spindelpole statt hat. Hierüber kann ich sagen, dass in den relativ seltenen Fällen, in denen ich die Centrosomen um eine Strecke von 1 bis 2 u von einander entfernt vorfand, zwischen beiden ein dunkler Streifen, eine Substanzbrücke sichtbar war, welche ich auf eine Dehnung und ein Wachsthum der primären Centrodesmose zurückführe. Dieser Streifen ist offenbar die junge Spindelfigur Hermann’s, die Centralspindel, und ich füge hier ausdrücklich hinzu, dass ich an weiter entwickelten Spindelfiguren der Lymphoeyten des Salamanders deutlich von Pol zu Pol durch- gehende Fasern habe unterscheiden können, dass also jedesfalls eine Centralspindel im Sinne Hermann’s vorhanden sein muss. Mithin ist auch die in der primären Centrodes- mose enthaltene Substanz nichts anderes als die Materie, aus welcher sich die Centralspindel durch As- Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 481 similation, Wachsthum und Differenzirung hervorbildet, ja sie ist geradezu die Anlage der Centralspindel, welche beim Lymphocyten schon in der ruhenden Zelle vor- handen ist. Was nun das Nebenkörperchen anlangt, so konnte ich es in einigen Fällen innerhalb jenes zwischen den auseinanderweichenden Centrosomen ausgespannten dunklen Streifens nicht als solches erkennen. In den Fällen jedoch, in denen ich es zu unterscheiden vermochte, lag es nicht in der Mitte zwischen beiden, sondern neben dem einen der beiden Centrosomen. Es lässt sich also nach diesen fragmentarischen Beobachtungen nicht sagen, ob das Nebenkörperchen beim Beginne der Mitose in allen Fällen vorhanden ist. Doch will ich hier gleich erwähnen, dass ich in einer ganzen Reihe vonFällen sehen konnte, dass das dritte Körperehen mit dem Schlusse der Mitose neben den beiden Cen- trosomen der Tochterzelle in die Erscheinung trat (z. B. Fig. 21 und 44). Sicher ist also, dass (das erste Auftreten des Neben- körperchens für diese betreffenden Zellenindividuen mit dem Beginn der Zellenruhe zusammenfiel. 21. Nun liegen aber a priori betrachtet bezüglich der Be- deutung der Nebenkörperehen mehrere Möglichkeiten vor. Da das Körperchen ja doch in die achromatische Substanz des Microcentrums eingeschaltet ist, so könnte es erstlich einmal mit zu derjenigen Substanzmasse gehören, aus welcher die in der mitotischen Spindelfigur von Centrosoma zu Centro- soma ziehenden Fasern (Centralspindelfibrillen) ihren ersten Ursprung herleiten; dann müsste das Körperchen sozusagen als ein Theil der Anlage der Centralspindel (Centralspindelsubstanz) auf- gefasst werden. Es wäre aber auch möglich, dass aus dem Nebenkörperchen durch Theilung die von v. Kostanecki beschriebenen Oentralspindelkörperchen (58, 59) hervor- gehen. Auch dieser Gedanke liegt sehr nahe, da die Lagerung und Verbindungsweise der Nebenkörperehen zu einer solchen Auf- fassung sehr gut stimmen würde. Schliesslich auch könnten die Nebenkörperchen nichts anderes sein als — Central- körperchen der kleinsten Art. Am unwahrschemlichsten kommt mir vor, dass die Neben- körperchen bei Enstehung der Centralspindel spurlos in diese auf- 482 Martin Heidenhain: gehen sollten. Man begreift nämlich nicht recht, warum eine doch so überaus geringfügige Substanzmasse vorher präparirt und für die Spindelentwicklung bereitgestellt werden sollte. Auch ist dann nicht recht erklärlich, warum diese Masse unter dieser ganz bestimmten Form eines kleinen Kügelchens auftritt. Wir haben ja innerhalb des Mikrocentrums eine primäre Centrodesmose: die morphologische erste Anlage der Spindelfigur. Handelte es sich nur um die Bereitstellung einer um ein Weniges grösseren für die Spindelentwicklung bestimmten Masse, dann brauchte nur jene primäre Centrodesmose in einer etwas breiteren Weise entwickelt zu sein, als thatsächlich der Fall ist. Viel mehr innere Wahrscheinlichkeit hat schon dieVorstellung, dass das Nebenkörperehen als Muttergebilde auf die von Ko- stanecki' schen Centralspindelkörperchen zu beziehen sei (58; pag. 256). Nach von Kostanecki’s Darstellungen muss angenommen werden, dass das Flemming’sche Zwischenkörperchen, welches ja aus den Centralspindelkörperchen hervorgehen soll, in die Astrosphäre zurückkehrt. Würden nun diese letzteren durch Theilung aus dem Nebenkörperchen hervorgehen, nun dann müsste das Zwischenkörperchen Flemming’s mit dem Nebenkörperchen identisch sein und wir hätten einen vollständigen Cyklus der Entwieklung vor uns, der gewiss von ausserordent- licher Bedeutung für das Leben der Zellen und deren Fortpflanzung wäre. Wenn ich von Kostaneckis Danztellung recht verstehe, so ist dies in der That die wahre Ansicht, die dieser Forscher über die in Rede stehende Angelegenheit hat. Es ist selbstver- ständlich, dass in diesem Gedankengange wichtige Anregungen enthalten sind, welehe gewiss verdienen, weiter verfolgt zu werden?). Wie ich jedoch weiter unten nachweisen werde, hat aber höchst wahrscheinlich Flemming ganz recht, wenn er sich dahin ausspricht, dass die Zwischenkörperchen nicht mehr in die Substanz der Zelle zurückkehren. Mir gelang es Riestane beim Lymphoeyten das Zwischenkörpere chen noch nach 1) Von Kostanecki hätte sich wohl deutlicher über den von ihm vermutheten eyklischen Entwieklungsgang seiner Centralspindel- körperchen ausgesprochen, wenn ihm die Existenz der Nebenkörper- chen bekannt gewesen wäre. Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 485 dem fast völligen Ablauf der Mitose zu einer Zeit, wo die Tochter- kerne schon die Ruheform angenommen haben (Fig. 14), an der Grenze der Tochterzellen nachzuweisen. Zu dieser Zeit hatte sich auch der periphere Contur der Sphären wieder hergestellt. Trotzdem nun könnten die Centralspindelkörperchen sich von den Nebenkörperchen herleiten; dann müssten diese immer wieder von neuem in den Mikrocentren gebildet werden. Für das weitere Urtheil kämen dann namentlich die Färbungsverhältnisse in Betracht und diese sprechen nun gegen die völlige substantielle Identität der in Rede stehenden Gebilde. Jene Granula, die von von Ko- stanecki als Centralspindelkörperchen bezeichnet werden, kommen innerhalb meiner Präparate nur (!) an stark unterdifferenzirten Zellen zum Vorschein, so dass ich sie immer nur ausnahmsweise einmal zu sehen bekam. An rite im Sinne der Methode differen- zirten Präparaten findet sich davon gar keine Spur. Ja die Ent- färbung der von Kostanecki’schen Körperchen tritt in meinen Präparaten mit so grosser Regelmässigkeit ein, dass ich jene zu bestimmter Zeit in Form einer Zellenplatte stattfindende Zusammen- ordnung der Centralspindelkörperehen unter den Hunderten und aber Hunderten von Leukocytenmitosen, die mir mit der Zeit zu Gesicht gekommen sind, nur ein einziges Mal, allerdings in sehr schöner Form gesehen habe. Das färberische Verhalten der Nebenkörperchen einerseits und der Centralspindelkörperchen andrerseits ist also sicher ein verschiedenartiges. Hier könnte man einwenden, dass ja das Flemming’sche Zwischenkörperchen aus der Verschmel- zung der Centralspindelkörperchen hervorgeht und in meinen Prä- paraten leicht und oft sichtbar ist. Allein ich werde weiter unten zeigen, dass das Zwischenkörperchen nicht bloss einer Ver- schmelzung der Centralspindelkörperchen entspricht, sondern dass noch andre Bestandtheile in dasselbe eintreten und dass diese die stärkere Färbbarkeit wesentlich mitbedingen. Ich entscheide mich mithin dahin, dass das Nebenkörperchen nicht auf die Centralspindel- körperchen von Kostanecki’s zu beziehen ist. 22. Für mein eigenes Urtheil über die neben den beiden Oentrosomen im Mikrocentrum sichtbaren dritten und vierten Körper- chen waren folgende Beobachtungen maassgebend. Ich fand zunächst in einigen mitotischen Figuren, welche der 484 Martin Heidenhain: Sternform des Mutterkerns oder der Metakinese entsprachen, an einem Pole der Spindel zwei, an dem andren nur ein Centrosoma. Nachdem ich einmal auf diese sonderbare, mitunter vorkommende Assymetrie der mitotischen Figur auf- merksam geworden war, suchte ich eifrig nach den mitotischen Prophasen der Lymphzellen, und es gelang mir, einige Theilungs- figuren auf dem Stadium des segmentirten Knäuels aufzufinden, welche an dem einen oder sogar (in einem Falle) an beiden Polen doppelte Centrosomen zeigten. Für zwei Fälle habe ich aufnotirt, dass die beiden zu einander ge- hörigen Centrosomen des einen Spindelpols beträchtliche Grössen- unterschiede zeigten. Vergegenwärtigt man sich ferner, was ich schon oben erwähnte, dass beim allerersten zum Zwecke der Spindelbildung stattfindenden Auseinanderweichen der Centrosomen das Nebenkörperchen, falls es sichtbar ist, nicht in der Mitte der Spindelanlage, sondern in der Nachbarschaft des einen der beiden Centralkörper getroffen wird, so erscheint der Schluss durchaus gerechtfertigt, dassdieNebenkörperchennichtsandres sindalskleinste Centrosomen. Wenn wir bei indirekten (bipolaren!) Theilungsfiguren, welche noch in den Prophasen be- findlich sind, an den Spindelspitzen bei Gelegenheit doppelte Cen- trosomen treffen, so dass wir im ganzen 3 oder 4 Central- körper vor uns haben, dann ist die Folgerung fast selbstver- ständlich, dass dies nun eben die gleichen 3 oder 4 Körperchen sind, welche so oft schon während der Zellenruhe innerhalb des Mikrocentrums beobachtet werden können. Ich nehme es mithin für ganz gewiss und unab- änderlich feststehend, dass in den ruhenden Lympho- cyten ganz gewöhnlich nicht bloss zwei, sondern drei in seltenen Fällen auch vier Centralkörper vorhanden sind. Wie bei doppeltem Centrosoma die Körperchen der Regel nach ungleich gross sind, so sind sie, wenn in dreifacher Zahl vorhanden, meist alle drei unter sich ungleich gross. Tritt ein zweites Nebenkörperchen, ein viertes Centrosoma, hinzu, so ist auch dieses sehr klein und an Umfang dem dritten Centro- soma ähnlich. 23. Wenn bei der nämlichen Klasse der Lymphzellen beim Beginn der Mitose einmal zwei, das andre Mal drei oder vier Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 485 Centralkörper vorhanden sind, diese mithin aus der Zellenruhe in verschiedener Zahl in die Mitose mit herüber genommen werden, wenn auf der andren Seite die Zellen höchstwahrscheinlich immer mit zwei, und, wie meine Beobachtungen zeigen, in einigen Fällen mit drei, nie aber, so weit meine Erfahrungen reichen mit vier Centralkörpern in die Zellenruhe übergehen, so folgt fast mit ab- soluter Gewissheit, dass während der Zellenruhe, ausserhalb derjenigen typischen Bewegungserscheinungen, welche zum Kreise der Mitose gehören, ein oder zwei Öentralkörper im Mikro- eentrum neugebildet werden können. Diese Schlussfol- gerung wiederum ist identisch mit dem Satze, dass das Mikro- ecentrum bis zu einem gewissen Grade einem eigenen von den übrigen Erscheinungen des Zellenlebens unab- hängigen Bildungsgesetze folgt. 24. Ehe ich diesem Gedankengange weiterhin nachgebe, will ich darüber Bericht erstatten, ob es möglich sei, den Moment der „Theilung“ der Centrosomen zu beobachten und was etwa bei dieser Gelegenheit für Erscheinungen sich zeigen mögen. Nach den Angaben der Autoren und nach den Abbildungen, welche bisher gegeben worden sind, schnürt sich das Centrosoma ein; es nimmt eine Gestalt an, welche bisquit- oder hantelförmig ist, und danach schnürt sich das Centrosoma vollständig durch. Ob diese Schilderungen zutreffen, das ist noch sehr die Frage ; für meine Person erachte ich sie für völlig irrthümlich. In Fig. 27 sieht man unter f ein Gebilde, welches bei schlechter Färbung für ein hantelförmiges in der Durchschnürung begriffenes Centrosoma gehalten werden könnte. Ein solches ist es aber nicht, sondern das sind zwei Centrosomen einer völlig ruhenden Zelle, zwischen denen die primäre Centrodesmose deutlich sicht- bar ist. Nach diesem Bilde wird sich der Leser wohl eine Vor- stellung davon machen können, was wir von den bisher beobach- teten sogenannten „Durchsehnürungen“ der Centrosomen zu halten haben. Es ist sogar völlig fraglich, ob eine „Durchschnü- rung“, eine Theilung der Centralkörperingleiche oder auch nur annähernd gleiche Theilstücke je- mals statt hat, oder ob nicht vielmehr der Process der Ver- mehrung der Centrosomen in einer ganz anderen Weise vor sich seht, denn es könnten nach dem Vorliegenden alle jene Bilder, 486 Martin Heidenhain: die man als Theilungsformen der Centralkörper betrachtet hat, zwar reellen Dingen entsprechen, aber eine ganz andere Deutung haben: es ist möglich, dass man bisher nur völlig dureh- getheilte Centralkörper gesehen hat, welche durch die von mir beschriebene primäre Centrodesmose in direkter organischer Ver- knüpfung standen. Derartigen Erwägungen folgend habe ich versucht, den Mo- ment zu erhaschen, in welchem die Verdoppelung oder Vermeh- rung wirklich statt hat. Man stösst hier auf ungemeine Schwie- rigkeiten. Wie aus Vorstehendem ersichtlich ist, hat es keinen Sinn mehr, wenigstens bei den: Lymphzellen nicht, die Theilung der Centrosomen allein während des Ablaufs der Mitose zu suchen. Man muss sich gegenwärtig halten, dass man sie eben- so gut auch in ruhenden Zellen treffen kann. Man findet nun in diesen sehr häufig Centralkörper, welche eine scharf markirte Einschnürung zeigen; allein hiermit kann man nichts beweisen, denn es könnten ja doch immer Verklumpungsfiguren vorliegen. Die Hoffnung, die Verdoppelung der Centrosomen beobachten zu können, würde also aussichtslos sein, wenn nicht neben den scheinbaren (oder wirklichen??) Durchschnürungsformen andere Bilder vorkämen, welche Fingerzeige nach einer ganz anderen Richtung hin geben. Bei meinen Studien über die Nebenkörperchen, das sind die kleinsten Centrosomen der Leukocyten-Mikrocentren, stiess ich nämlich auf eine Reihe von Fällen, in welchen das Nebenkörper- chen ganz enorm klein war. Einen solchen Fall habe ich in Fig. 27 unter e abgebildet. Stellt man sich vor, dass dieses „Centrosomation“ (TO owuarıov das Körperchen; Deminutiv von „Centrosoma*) von einem der beiden grösseren Oentrosomen her entstanden ist, so muss diese Entstehung selbst unter dem Bilde einer Knospung statt gefunden haben, d.h. das Centrosomation wurde an der Oberfläche eines grösseren Centrosomas durch Hervorwölbung eines relativ kleinen Buckels (wie man sie übrigens öfters beobachten kann) und durch Ab- stossung desselben in die Welt gesetzt. Das Bild dieser Knospung selbst glaube ich in Fig. 27k festgehalten zu haben. Hier lag das Centrosomation dicht an und ein klein wenig über dem grös- seren der beiden Centrosomen und musste daher bei der Projek- tion auf die Ebene in die Masse des unterliegenden Üentral- Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 487 körpers zum Theil hineingezeichnet werden. Dies ist für die Illustration ein ungünstiger Nebenumstand, man sieht aber doch noch, dass das Centrosomation sehr dieht an der Oberfläche des grösseren (!!) der beiden Centrosomen und auf ihr festge- heftet lag, wie dies gewöhnlich der Fall ist. In Fig. 27h finden wir dann die Abstossung des Centrosomations (Nebenkörperchens) vollendet; ich denke wenigstens, dass dieses Stadium ein klein wenig nur später trifft als das vorhergehende; auch hier ist die Lage an dem grösseren (!) der beiden Centrosomen zu be- achten, wie denn auch noch das Centrosomation der Fig. 27 e näher dem grösseren als dem kleineren der beiden Centrosomen liegt. Gerade an solehen Präparaten, an welchen die Centralkörper ganz besonders scharf und rein zur Darstellung gekommen sind und ihre gegenseitigen Lagebeziehungen gut wahrgenommen wer- den können, finde ich, dass das Nebenkörperchen besonders häufig in unmittelbarer Nähe des grösseren der beiden anderen Centrosomen liegt. Diese Thatsache widerspricht der Annahme, welche ich ursprünglich machte, dass nämlich bei Anwesenheit von drei ungleich grossen Oentrosomen diebeiden kleineren aus einem gemeinsamen Mutterkörper hervorgegangen sein möch- ten. Vielmehr bin ich jetzt dahin gekommen, die Sache so auf- zufassen, dass ich das grösste Centrosoma für das älteste, das kleinste, das Centrosomation, für das jüngste nehme und die beiden kleineren von dem grössten her zu verschiedenen Zeiten ent- standen denke. Dies ist somit die Bedeutung der Grössen- differenzen der Centralkörper, dass die Grössenunter- schiede genau den Altersunterschieden entspre- chen. Gleichgrosse Centrosomen können sich mithin nur unter bestimmten Bedingungen finden, wenn nämlich das neugebildete Centrosomation Zeit und Gelegenheit hatte durch eigenes Wachs- thum an Volumen dem älteren Centrosoma gleichzukommen. Also fasseichmichdahinzusammen zusagen, dass immer ein Centrosoma am anderen durch Knospung entsteht und dass nur auf diesem Wege der Genese die mannigfaltigenBilder der Leuko- eyten-Mikrocentren erklärbar sind. An das Wort „Knospung“ will ich mich ja schliesslich nicht 488 Martin Heidenhain: klammern; ich will damit nur sagen, dass aus der „Theilung“ der Centrosomen zunächst zwei Körperchen hervorgehen, welche an Grösse so ausserordentlich ungleich sind, dass die beiden Theilstücke nicht schlechtweg als gleichwerthig genommen wer- den können: sie verhalten sieh zu einander nicht mehr, wie zwei Glieder ein und derselben Generation, sondern wir haben ein Mutter- und ein Tochtereentrosoma zu unterscheiden. Das grös- sere Centrosoma war schon vorher da, es ist das ältere; das kleinere ist neugebildet, es ist das jüngere. 25. Ich komme nun noch einmal, um der Bedeutung der Sache willen, auf die Frage zurück, ob die Erzeugung der Cen- trosomen in irgend einem näher bestimmbaren Verhältniss zum Ablauf der Mitose steht. Für den Lymphoeyten dürfte dies nicht der Fall sein und ich trage hier die Beweismittel noch einmal zusammen. Ich berufe mich zunächst auf jene vorübergehend schon erwähnten ruhenden Zellen, bei denen im Umfang des grös- seren Centralkörpers ein ganz kleiner Buckel vorhanden ist, ohne dass es hierbei gelingt zu entscheiden, ob das Gentrosomation sehon völlig vom Muttercentrosoma getrennt und nur mit ihm ver- klebt oder ob dasselbe eben in Entstehung, im Knospung begrif- fen sei. Im Zusammenhalte mit meiner obigen Darstellung wird man für einige Bilder dieser Art eine im Gang begriffene Sepa- ration zweier Centrosomen annehmen. Sind vier Centrosomen in einer Zelle vorhanden, dann ist das vierte Centrosoma oder zweite Centrosomation ganz sicher während der Zellenruhe ge- bildet worden, denn ich habe niemals die Lymphzelie mit vier Oentrosomen zur Ruhe zurückkehren sehen. Dagegen findet man in den völlig (?) ruhenden, aber noch nicht von einander ge- trennten Tochterzellen öfters drei Centrosomen; da ich aber in den Prophasen bisher nieht mit Sicherheit irgendwo drei Centro- somen an einem Theilungspole beobachten konnte, so muss in diesen Fällen das dritte Centrosoma während der Mitose gebildet worden sein. Ebenso treten ja viele Leukoeyten nur mit zwei Centrosomen in die Theilung ein; da aber am Ende der Mitose mindestens zwei Centralkörper in jeder Tochterzelle vorhanden sein müssen, so muss auch hier eine Centrosomen-Neubildung während der Mitose stattgefunden haben. Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 489 Ich kann somit nur wiederholen, dass die Erzeugung der CentrosomenbeimLymphoeytennichtan einen bestimmten Zeitpunkt des Zellenlebens gebun- den ist und gleicher Weise während der Zellenruhe und wäh- rend der Zellentheilung stattfinden kann. Dagegen steht die Theilung des Mikrocentrums in einem bestimmten zeitlichen Ver- hältniss zum Ablauf der Mitose, da sie allemal während der Prophasen stattfinden muss!). Es ist viel davon gesprochen worden, dass die „Theilung“ der Centrosomen eine „Vorbereitung“ zur Mitose oder zur Zellen- theilung sei. Ich kann, wie aus Obigem hervorgeht, dieser Art sich auszudrücken keine Bedeutung beilegen. Zwar müssen, da- mit ein völliger und normaler Ablauf der Mitose zu Stande kom- men soll, schliesslich mindestens zwei Centrosomen gegeben sein, welche an den Spindelpolen liegen. Eine Beziehung der Centro- somen zur Zellentheilung steht somit unmittelbar fest, aber die Erzeugung der Centrosomen selbst ist ebenso gewiss von den Theilungserscheinungen der Zelle bis zu gewissem Grade unab- hängig. Nach meinen Beobachtungen muss ich mir die Sache so vorstellen, dass das Mikrocentrum ein Organ ist, welches seinem eigenen Bildungsgesetze folgt, ähnlich wie der Kern dem seinen. Wie man nicht zwei Zellen wird finden können, deren Kerne eine identische Grösse oder gar einen identischen Bau aufweisen, so dass jeder Kern also einen individuellen Charakter an sich trägt, so wird sich wohl, sollte wirklich das Mikrocentrum unter irgend einer Form bei allen Zellen vorkommen, späterhin heraus- weisen, dass auch diesesOÖrganeinenindividuellen Charakter an sich trägt und bei den einzelnen Zellenindividuen in verschiedenartigem Grade ausgebildet ist?). Wir dürfen keineswegs voraussetzen, dass 1) Nach Guignard’s (37; 38) und Strassburger’s (88) Unter- suchungen zu schliessen findet die Theilung des Mikrocentrums bei den Pflanzen während der Anaphasen statt, so dass die ruhende Pflan- zenzelle doppelte Mikrocentren enthält. 2) Anmerkung: Der Leser wird wohl bemerken, dass der Ge- brauch des Begriffes „Mikrocentrum“ sich aus Rücksichten der Praxis empfiehlt. Wenn man nämlich mit centralkörperfärbenden Mit- teln einen soliden Körper im Innern der Astrosphäre darstellt, so Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 32 490 Martin Heidenhain: die Constitution dieses Organes überall bis ins Einzelne hinein genau die gleiche sein wird. Zuerst hiess es: Zu jeder Zelle gehört ein Centralkörper. Dann machten Flemming und ich wahr- scheinlich, dass in einer sehr grossen Anzahl von Fällen zwei Centralkörper vorhanden sind. Nun finde ich bei den Lymph- zellen durch eine verbesserte Methode an der Stelle der Central- körper viel komplieirtere Anordnungen. Was mag dann alles in den verhältnissmässig sehr grossen Astrosphären von Asecaris enthalten sein ? CGapitel II: Die gesetzmässige Stellung des Mikrocentrums im Zellenleibe und die Polymorphie des Kerns beruhen auf den nämlichen Ursachen. 26. Dass die Lage der Astrosphäre im Lympho- eyten der Regelnach ganz bestimmten Orten entspricht, das hat schon Flemming in seiner für den Bau der Leukoeyten neuerdings grundlegenden Sehrift (25; pag. 284) ausführlich nach- gewiesen. Flemming zeigte, dass, wenn der Kern eine Einbuchtung besitzt, die Astrophäre in diese hinein zu liegen kommt und dass sie bei auseinandergezogenem Kern in der Nähe der bald gröberen, bald feineren Verbindungsbrücken zu finden ist. Flemming glaubte ferner, dass bei ringförmigem Kerne die Sphäre ihre kann man nun zunächst gewiss noch nicht behaupten, man habe „den“ Centralkörper der Zelle vor Augen, denn es können ihrer ebenso gut auch mehrere sein und es ist erst eine eventuell mühsame Untersu- chung nothwendig, um zu erfahren, ob thatsächlich bloss ein Central- körper vorhanden ist. Erhält man aber auch nur die Verklumpungs- figur einer Centralkörpergruppe, so kann man diese doch als „Mikro- centrum“ bezeichnen, ebenso wie ja auch der überfärbte Kern allemal der Kern bleibt. Man kann auch weiterhin die Theilung des Mikro- centrums im Anfang der Mitose beobachten, ohne dabei die Frage zu erörtern, wie viele Centralkörper in diesem Augenblick vorhanden sind. Die Frage nach der wirklich vorhandenen Anzahl der Cen- tralkörper ist lediglich eine Detailfrage, die selbst bei Unter- suchung der Mitose oder der centrirten Systeme der Zelle nicht weiter erwogen zu werden braucht, wenn man sich an den Begriff des „Mikro- centrums“ hält. Eventuell wird eben das ganze Mikrocentrum durch einen einzigen Centraikörper repräsentirt, wie dies ja auch oft während der Mitose der Lymphocyten (bis gegen deren Ende hin) der Fall ist. Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 491 Stellung immer ausserhalb des Kernrings der Oeffnung des letzteren gegenüber habe. Diese Lage kommt gewiss vor. Wenn man indessen die Möglichkeit hätte, sehr viele Zellen mit ring- förmigem Kern vergleichen zu können, so würde man höchst wahr- scheinlich finden, dass die Sphäre auch unter Umständen in der Oeffnung des Ringes selber liegt. Im übrigen konnte ich die Angaben Flemming’s bei einer Untersuchung am gleichen Ob- Jekte, den Leukoeyten des Salamanders, durchaus bestätigen (41; pag. 158). Da ich neben Zellen mit polymorphem und viel- theiligem Kern auch in grosser Menge solche mit kugligem Kern und gut gefärbter Sphäre zu Gesicht bekam, so war es mir schon damals ganz besonders auffallend, dass die Sphäre in der un- geheuren Mehrzahlder Fälle direkt der Kernoberfläche anliegt und dabei sehr oft die Kernmembran um ein Geringes eindrückt, so dass eine kleine Delle entsteht (z.B. Fig. 1,2,16,20). Allem schon Flemming bemerkte, dass nicht immer die Sphäre in der Nähe des Kerns und an den typi- schen Orten zu finden ist und es sind entsprechende Fälle von ihm und späterhin von mir abgebildet worden (hier in Fig. 65). Ich fühlte in Folge solcher Beobachtungen die Nothwendigkeit mich dahin aus- zusprechen, dass eine durchgreifend gesetzmässige Lagerung der Astrosphäre in Beziehung auf den Kern gedacht, überhaupt nicht existire. Heute glaube ich nun die Momente, welche die Lagerung der Astrosphäre oder des Mikrocentrums be- stimmen, genau darstellen zu können und es sollen die nachfolgenden Angaben zugleich zur Erläuterung und zur Correktur meiner früheren Auseinandersetzungen dienen. Hiermit denke ich ferner den Leser in die intimsten Verhältnisse des Baues und des physiologischen Zustandes der Lymph- zellen einzuführen, soweit solche an der Hand mikroskopischer Hilfsmittel überhaupt bekannt werden können. An meinem neuen Objekte, den Lymphzellen des Kaninchens, (und neuerdings auch beim Proteus) habe ich die Stellung der Cen- tralkörpergruppe in einer ungeheuren Anzahl von Fällen genau eon- trolirt und ich gebe nun zunächst die thatsächliehen Befunde wieder. Ich finde auch hier, dass bei kugligem oder ovoidem Kerne die Astrosphäre zu allermeist direkt der Kernmembran anliegt (Fig. 1, 9, 13, 16, 20). Dies kann man in der That bei Legionen 492 Martin Heidenhain: von Zellen beobachten, welche nicht gerade stark amöboid be- weglich sind. Dieses für ruhende Zellen mit kugligem Kerne scheinbarabsolutnothwendige Lageverhältnissist dann nicht mehr vorhanden, wenn der Durchmesser des Kerns weniger beträgt als der halbe Durchmesser der Zelle. In diesem Falle liegt vielmehr der Kern an der Zellen- peripherie und das Mikrocentrum befindet sich der Regel nach genau in der Mitte des Zellenleibes. Kern und Mikrocentrum können hierbei weit von einander entfernt sein (z. B. auch in Fig. 42). Dieses Lageverhältniss habe ich in einer sehr grossen Anzahl von Fällen bei den riesig grossen Phagoeyten vom Proteus beobachten können, bei denen der Kern relativ klein ist. Bei den gewöhnlichen Formen der Leukoeyten trifft aber fast überall der Fall zu, dass der Durchmesser des in kugliger Abrundung gedachten Kerns mehr beträgt als der Radius der ebenfalls ihrer Gesammtform nach in kugliger Abrundung gedachten Zelle. Von dieser Beziehung zwischen dem Volumen des Kerns einerseits und dem Volumen der gesammten Zelle an- drerseits kann man sich, falls nur die Kernform irgendwie ein- facher gestaltet ist, am Präparate leicht ohne Weiteres durch den blossen Augenschein überzeugen. Für Zellen dieser letzteren Art, wie sie beimKaninchen fast ausnahmslos vorkommen, gilt weiterFolgendes. Ist am Kern mit Deutlichkeit eine lange Achse zu unterscheiden, so findetman das Mikrocentrum fast immer ander Langseite des Kerns (z. B. Fig. 1, 2, 9); Ausnahmen (Fig. 16) sind sehr selten. Fast immer zeigt der Kern dort, wo das Mikrocentrum zu liegen kommt, eine Abplattung (Fig. 1, 9), oder eine mehr weniger stark accen- tuirte Einsenkung (Fig. 2). Diese Delle oder Einwölbung des Kerns ist sehr oft ungemein geringfügig, und sofern man sie dann nicht genau in Profilstellung zu sehen bekommt, ist sie nicht leicht erkennbar; sie ist aber fast immer vorhanden. Von Kernen mit kleineren Dellen (Fig. 2) finden sich alle möglichen Uebergänge zu Kernen mit grösseren Einbuchtungen (Fig. 4; Fig. 3), sodass man ganz unmittelbar aus der Betrachtung des Objektes ersieht, dass die spurweisen Abflachungen (Fig. 1 und 9), die Dellen (Fig. 2; Fig. 20) und die Einbuchtungen (Fig. 4; Fig. 3) die gleichen Ursachen haben. Sofern nun die Dellen grösser werden und einer typischen Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 495 Kernbucht sich nähern, resultirt doch niemals (!) aus der Kugel- form des Kernes die Form eines Hohlbechers, sondern immer und ausnahmslos— beinicht amöboid beweglichen, sessilen Leukocyten — erweitert sich die Delle zu einer anfangs flachen, späterhin tieferen, über die Kernoberfläche in gerader Richtung hinweglaufenden Furche oder Rinne, so dass das Mikrocentrum auf einer sattel- förmigen Fläche jetzt gleichsam reitet (Fig. 4, 8, 7, 5). Wenn diese doppelt gekrümmte sattelförmige Fläche, welche wohl schon anfangs den Boden der Delle bildet (Fig. 2), sich tiefer einsenkt, so gehen zugleich die Kerne ihrem Gesammthabitus nach in die bekannte Sack- oder Hufeisenform über. Wie wir später noch sehen werden ist dieser Process, den wir aus der Zusammenstellung unmerklich in einander übergehender Bilder erschliessen können, für das Verständniss der Lage der Dinge ganz ungemein wiehtig. — Die hufeisenförmigen Kerne gehen ebenso unmerklich in mehr weniger vollständige Ringkerne über. — Die Lage des Mikrocentrums ist ferner bei den geschilderten Kern- formen ursprünglich (bei sessilen Leukocyten, die niemals in Wanderung waren, wie man sie massenhaft im Knochenmark trifft), immer derart zu denken, dass dasselbe in der Einbuchtung des Kerns, zwischen den Schenkeln des Hufeisens, innerhalb des Kernrings zu liegen kommt. Die auch bei dem „sessilen* Zellen- typus nicht seltenen Abweichungen von dieser Hauptregel müssen doch wohl auf amöboide Bewegungen von geringer Ausdehnung, auf eine freiwillige Beweglichkeit des Protoplasmas zurückgeführt werden, wie ich weiter unten noch genau zu zeigen hoffe. 27. Vergleichen wir ferner eine grosse Reihe von Einzel- fällen mit Beziehung auf die Lagerungsverhältnisse des Zellen- ‚protoplasmas gegenüber dem Kern und Mikrocentrum, so finden wir, dass der Regel nach das Mikrocentrum und mit ihm die Ab- flachung oder Delle des Kernes an diejenige Stelle des Kernum- fanges zu liegen kommt, an welcher die grösste unter sich zusammenhängende Ansammlung protoplasmatischer Massen statt hat. (Fig. 1, 2, 9, 16, 20). Findet man die Cen- trosomen einmal ausnahmsweise entsprechend dem einen Ende der langen Achse des Kerns gelagert, so wird man auch an eben der nämlichen Stelle eine hügelartige Vorwölbung der protoplasma- tischen Substanz bemerken (Fig. 16). Das Mikrocentrum kann 494 Martin Heidenhain: sich wohl gelegentlich der amöboiden Bewegungen nach allen möglichen Richtungen hin in der Zelle verschieben, nie aber findet es sich in jener dünnen Protoplasmalage, welehe den excentrisch gelegenen Kern auf der Aussenfläche überzieht (das wäre also in Fig. 7, 8 und 9 bei a). Gehen wir nun successive zu den Zellen mit stärker ein- sebuchtetem, hufeisen- oder mehr weniger ringförmigem Kern über, so mag es zunächst wohl so scheinen, als ob hier das Mikrocen- trum in Beziehung auf seinen Connex mit dem Zellenprotoplasma in eine immer ungünstiger sich gestaltende Situation hinein geriethe (vergl. z. B. Fig. 6). Ich denke indessen, es ist gerade das Um- gekehrte der Fall. Betrachtet man freilich einen solehen Kern nur von der Flachseite aus, so gewinnt es allerdings den Anschein (z. B. Fig. 7), als ob das Mikrocentrum ziemlich vollständig von dem Contakt mit dem Hauptantheil des Protoplasmas abgeschnitten sei. Mikroskopirt man aber eben diese Kerne auf Querschnitts- bildern (Fig. 10, namentlich aber 11 und 12), so sieht man wiederum, dass das Mikrocentrum bei seiner jetzt mehr centralen Stellung auf zwei Seiten von breiten Protoplasmamassen in weitester Aus- dehnung überlagert wird. Bei hufeisenförmigem Kerne liegt die Astrosphäre nicht immer zwischen den Schenkeln des Hufeisens, sondern tritt unter Um- ständen zwischen diesen seitlich heraus. Ist dies in stärkerem Maasse der Fall (Fig. 31), dann theilt die durch die Schenkel des Hufeisens hindurch gelegte Symmetrieebene den Umfang der Zellen nieht in symmetrischer Weise, sondern die grössere Masse des Protoplasmas liegt nach der Seite des Mikrocentrums hin, — gerade so wie in Fig. 1 die grössere Masse des Protoplasmas auch nach der Seite des Mikrocentrums hin gelegen ist. Ganz in derselbenWeise verhält sich ein vonFlemming abge- bildeter Lenkoeyt mit ringförmigem Kerne (28; Fig. 11). Das Mikro- centrum liegt einerseits neben dem Kernring; nach der gleichen Rich- tung hin liegt aber auch der grösste Antheil des Zellenprotoplasmas. Sind die Kernmassen sehr stark polymorph oder stark zer- sehnürt, so nimmt der Regel nach das Mikrocentrum eine eentrale Stellung ein, während alle Kerntheile von grösserem Vo- lumen das Bestreben zeigen, nach der Zellenperipherie hin auszuweichen. In diesen Fällen liegt das Mikrocentrum aus eben denselben Gründen central, auf Grund deren ihm schon in Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 495 den Zellen der Fig. 6 bis 8 oder 10 bis 12 eine Stellung in der Zellenmitte angewiesen wurde; auch in diesen eben angeführten Fällen liegt dabei die Masse des Kerns in der Peripherie der Zelle (vergl. den Querschnitt eines hufeisenförmigen Kerns in Fig. 11). — Stark zerschnürte Kerne findet man hauptsächlich bei den Wanderzellen der Amphibien; in Uebereinstimmung mit den Untersuchungen Flemming’s habe ich die im Connex mit der Kernzerschnürung eintretende, eben besprochene centrale Situation des Mikrocentrums zunächst bei Salamander-Lymphoeyten und neuer- dings in einer sehr grossen Anzahl von Fällen beim Proteus beob- achten können. Ich illustrire diese Dinge nieht von neuem, da Flemming eine Reihe hübscher Abbildungen gegeben hat, welche dieser allgemeinen Regel „Mikrocentrum in der Zellenmitte, volu- minöse Kerntheile peripher“ entsprechen (siehe bei Flemming28; Fig. 7, 8, 9, 19, auch noch 18 u. 20. Ferner können hier auch 2 Abbildungen von mir angezogen werden: in 41, Fig. 16 u. 22). Dies wären also die Lagebeziehungen, welche thatsächlich der Regel nach zwischen dem Mikrocentrum einerseits und dem Kern nebst Zellenprotoplasma andrerseits bestehen!). Das Auf- fallendste ist und bleibt immer, dass das Mikrocentrum in einer ungemeinen Anzahl von Fällen in unmittelbarer Nähe des Kerns liest, wodurch es den Anschein gewinnt, als ob der Kerm die Lage des Mikrocentrums oder der Sphäre in unmittelbarer Weise beeinflusst. Dass aber ein direkter ursächlicher Zusammenhang zwischen der Lage des Kerns und der Astrosphäre nicht besteht, das geht schon ganz allein aus den erwähnten Befunden an den Phagocyten des Proteus hervor, wo die enge Nachbarschaft zwi- schen Kern und Sphäre plötzlich aufgehoben erscheint. Diese Zellen hatten, wie ich noch hinzufügen will, alle ohne Ausnahme kuglige Keme: Die Polymorphie des Kerns kommt nur zu Stande, wenn das Volumen des protoplasmatischen Zellleibes gegenüber dem Volumen des Kerns relativ gering ist, beziehungsweise: sie verschwindet, wenn, wie beim Phagocyten, dieMasse des Zellleibes zunimmt?). 1) Ein mehr geometrischer Ausdruck dieser Gesetzmässigkeiten ist im theoretischen Theile dieser Arbeit enthalten; vorläufig werden die vorliegenden Probleme in etwas anderer Weise angefasst werden. 2) Deswegen dürfte auch beim Phagocyten, weil die Masse des protoplasmatischen Zellleibes relativ gross ist, noch Niemand einen 496 Martin Heidenhain: 28. Ich will nun versuchen eine allgemeine Theorie zu ent- wickeln , welche die Stellungsphänomene des Mikrocentrums, zu- gleich aber auch die specifische Ausgestaltung der Kernformen und die Anordnung der Protoplasmamassen mit einem Male erklärt. Auf Grund eines einzigen Prinzipiums glaube ich sämmtliche in diesemKapitelbisher besprochenen That- sachen verständlich machen zu können. AufdemGrunde desselben Prinzipiums werden wir späterhin auch neue Aufschlüsse betreffend dieMechanik der Mitose erhalten. Zu dem vorliegenden Zwecke bin ich genöthigt, meine früheren Untersuchungen die Struktur der Salamander-Leukocyten betreffend mit heranzuziehen (41; pag. 137 ff.)!). Was ich an diesen aufgefunden habe, das bekam ich fast alles im Laufe meiner neueren Untersuchungen beim Lymphocyten des Kaninchens wieder zu sehen, sodass die Identität aller wesentlichen Strukturverhält- nisse hier und ‚dort nicht mehr zweifelhaft ist. Dies ist Ja eigent- lich auch selbstverständlich und bedürfte nicht einer besonderen Beweisführung. Freilich kann man nicht an einem einzelnen oder einigen wenigen Leukocyten des Säugethieres sich jene Ueber- zeugung verschaffen. Hierzu bedarf es der Durchsicht einer ausser- ordentlich grossen Anzahl zweckentsprechend gefärbter Zellen. Man wird dann bald hier bald da, bald das eine bald das andre jener feinsten Strukturverhältnisse zu Gesicht bekommen. Nach meinen mit Flemming 's Angaben übereinstimmenden Untersuchungen hat die Astrosphäre der Leukocyten in der That einen strahligen Bau. Von dem Mikrocentrum, wie ich heute sagen würde, laufen nach allen Richtungen hin sehr feine „achromatische*“ Fädchen in ungemein diehter Anordnung. Diese schwellen an der Oberfläche der Sphäre zu einem kleinen Knöpfchen, einem Zellen- stark polymorphen Kern gesehen haben, obwohl beim Proteus aus den örtlichen Umständen zu ersehen war, dass dort die Phagocyten aus wandernden Zellen mit stark polymorphem Kerne hervorgingen. 1) Ich will hier bemerken, dass Moore (68) meine Feststellun- gen betreffend den Bau des Leukocyten, soweit sie das Gröbere be- treffen, bestätigt hat. Dieser Autor kennt indessen meine Schriften nicht und meint, er habe als erster die Astrosphäre der Leukocyten als abgrenzbare Körperchen dargestellt und ebenso denkt dieser Autor, dass er zuerst die von der Astrosphäre bis zur Zellenperipherie hin sich fortsetzende Strahlung gesehen habe. Beides ist schon in meiner vorläuf. Mittheil. v. Jahre 1891 beschrieben, Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 497 mikrosoma von besonderer Grösse, an (vergl. Fig. 69; ferner siehe das Schema Fig. 85), und durch die Zusammenlagerung dieser Mikrosomen wird die Grenze der Sphäre gegen das übrige Zellenprotoplasma hin festgelegt. Dieses Mikrosomenstratum an der Grenze der Astrosphäre wurde von E. van Beneden bei Ascaris entdeckt und ich habe es nun mit dem Namen dieses vorzüglichen Autors als „van Beneden' sches Körner- stratum“ bezeichnet. Flemming hat hiervon nichts gesehen, wie er denn überhaupt nicht gewahr wurde, dass die Astrosphäre sich für gewöhnlich, bei geeigneter Behandlung der Präparate, von dem Zellenprotoplasma durch eine deutliche Contourlinie (Fig. 2, 10, 14, 20, besser in Fig. 65 u. 68) abhebt, welche jenem Körnerstratum entspricht. — Auch beim Kaninchen wird das van Beneden’sche Mikrosomenstratum ab und zu einmal siecht- bar. Freilich an den Biondi’schen Präparaten wird man sich hier, bei den Lymphzellen eines Säugethiers, schwer von seiner Gegenwart überzeugen können; dagegen haben die Eisenfärbun- gen die Eigenthümlichkeit, dass sie in einer Minderzahl von Fällen (namentlich an unterdifferenzirten Schnitten) an der Grenze der Sphäre bald ein, bald zwei oder auch mehrere (Fig. 20!) van Beneden’sche Mikrosomen in intensiver Schwärzung oder Bräu- nung aufweisen. Von der internen Strahlung der Sphäre war bei Säugethier-Leukocyten in den meisten Fällen nichts zu sehen. Die Sphäre hebt sich hier aber gewöhnlich bei den mit Protoplasmafarbstoffen behandelten Objekten als ein dunk- leres Scheibehen von ihrer Umgebung ab; auch ohne diese stärkere Färbung ist übrigens ihre Abgrezung gegen das Zellen- protoplasma hin oft zu sehen!). 29. Ein grosser Theil der Zellenfäden (die fila des Mitoms), — ob alle, das will ieh hier unerörtert lassen, — ist gegen die Astrosphäre hin eentrirt und tritt mit den Sphärenstrah- len zur Bildung eines einheitlichen Radiärsy- stems zusammen (Fig. 65, 68, 69. Schema Fig. 85). Diese eentrirten Protoplasmafäden laufen von dem van Beneden’schen Mikrosomenstratum aus bis unmittelbar an die Oberfläche der 1) Die Frage, ob man die Astrosphäre als ein besonderes „Or- gan“ zu betrachten habe, wird im theoretischen Theile dieser Arbeit besonders behandelt werden. 498 Martin Heidenhain: Zelle. Eine ähnliche weit ausgedehnte Centrirung des Proto- plasmas bei ruhenden Zellen ist von Hermann (44; Taf. XXXI, Fig. 12) und van der Stricht (90; Fig. 21) auch bei anderen Objekten aufgefunden worden. Ich bezeichne nun aus Rück- sichten der Bequemlichkeit diese vom Mikrocentrum her bis an die Zellenperipherie verlaufenden Radiärfäden als „die orga- nischen Radien“ der Zelle!). An ihrem peripheren Ende verschmelzen sie offenbar mit jener homogenen Grenzschicht des Zellleibes, welche auch die interfilaren Lücken gegen das um- gebende Medium hin abschliesst und welche zuweilen als eine „Zellmembran“ bezeichnet wird. Beiden Leukoeyten dient mithin das Mikro- centrum einer grossen Reihe radiär gerichteter, contractilerZellenfäden als punetum insertionis oder als „Insertionsmittelpunkt“, und dürfte jenes eben nur darum bei den Lymphocyten so schön ausgebildet sein, weil diesen Zellen die Fähigkeit der amöboiden Bewegung zukommt und letztere doch wahrscheinlich grossen Theils an die Aktion der cen- trirten Fibrillen gebunden ist. 30. Für die organischen Radien der Zelle habe ich aus guten Gründen geschlossen (41; pag. 148 f.), dass sie alle unter- einander in sich gleichgebaut sind, und dies auf folgende Weise. Wie schon viele Beobachter vor mir für andere Objekte darge- than haben, findet sich auch beim Leukocyten ein „mikrosoma- ler“ Bau der Zellenfäden, das heisst: bei Anwendung protoplasma- färbender Mittel färbt sich nicht der ganze Faden in toto gleich- artig, sondern es färben sich einzelne Querglieder, „die Mikro- somen“?2), stärker und die Bindeglieder derselben bleiben un- gefärbt oder färben sich viel schwächer. Ein Zellenfaden zeigt sich mithin an Präparaten der gedachten Art zusammen- 1) Genaueres siehe auch in 41; pag. 147 ff. Früher rechnete ich den „organischen Radius“ von der Oberfläche der Sphäre ab bis zum Zellenumfang. Jetzt fasse ich die Sphbärenstrahlen als Theile der organischen Stadien auf (vergl. das Schema Fig. 85). 2) Ich nenne nicht jedes beliebige kleinste Körperchen im Proto- plasma der Zellen ein Mikrosoma. Vielmehr halte ich mich an die Terminologie E. van Beneden’s und bezeichne nur die färbbaren Querglieder der Zellenfäden als „Zellenmikrosomen‘. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 499 gesetzt aus einer abwechselnden Reihe dunkler und heller Quer- stücke, wie dies auch bei der quergestreiften Muskelfibrille der Fall ist. Mit E. van Beneden habe ich diese Quergliederung des Zellenfadens der Quergliederung der Muskelfibrille gleich- werthig erachtet‘). Die Mikrosomen schienen mir bei den Leuko- eyten des Salamanders meist im der Richtung des Zellenfadens verlängert zu sein. Bei den Lymphkörperchen des Kaninchens präsentiren sie sich indessen als Kügelehen und ich habe die Frage in Erwägung gezogen, ob diese nicht der neutro- philen Körnung von Ehrlich entsprechen. 31. Mit Bezug auf diese Mikrosomen konnte ich nun schon früher beim Salamander-Leukoeyten und jetzt wieder, allerdings nur in sehr seltenen Fällen, eine merkwürdige Beobachtung machen, welche gewissen Entdeckungen E. van Beneden’s an der Spermazelle von Ascaris völlig entspricht. Bezeichnen wir nämlich die innerhalb der organischen Radien gelegenen Mikrosomen von dem Mikrocentrum her gegen die Zellenperipherie hin mit den Ordnungsnummern 1,2,3,4u.s.f.,, so reihen sich unter gewissen Umständen, welche wahrscheinlich einer physio- logischen Ruhelage der Zelle entsprechen, die Mikrosomen je der gleichen Ordnung in querer (die Radiärfäden transversal über- schreitender) Richtung in Form je eines zusammenhängenden ein- schiehtigen Stratums an, welches im optischen Querschnitt be- trachtet dann im allgemeinen sich unter der Form eines zur Ober- fläche der Sphäre concentrischen Kreisbogens darstellt, oder an- ders ausgedrückt: die Mikrosomen gleicher Ordnung halten in diesem Falle von der Oberfläche der Sphäre den gleichen Abstand inne?); in Folge dessen bilden die zueinander gehörigen Mikro- 1) In der Auffassung der Protoplasmastruktur bin ich in star- kem Maasse von E. van Beneden abhängig. Ueber mein Verhältniss zu diesem Autor bitte ich auch die Schritt „Ueber Protoplasma und Kern“ pag. 151 f. nachzuschlagen. 2) Dies ist ein wenig kurz und daher eigentlich nicht richtig ausgedrückt. Zwar liegen gleichwerthige Mikrosomen zweier benach- barter Strahlen, namentlich wenn, — wie bei Leukocyten mit zer- schnürtem Kern, — das Mikrocentrum eine rein centrale Lage hat, häufig in genau den gleichen Abständen von der Oberfläche der Sphäre. Es kann aber auch bei Nachbarstrahlen ein geringer Unterschied der 500 Martin Heidenhain: somen ein zur Oberfläche der Sphäre concentrisches Mikrosomen- stratum, welches mithin dem van Beneden’schen Mikrosomen- stratum analog ist. Bei der Mikroskopie der Objekte gewahrt man diese kugelschalenförmigen eingliedrigen Mikrosomenlager Entfernung vorhanden sein; sofern ein ähnlicher geringer Unterschied der Entfernung beim allmählichen Uebergang zu den weiter abliegen- den Radiärfäden immer wieder auftritt, kann schliesslich die Differenz des Abstandes von der Oberfläche der Sphäre eine relativ grosse wer- den. Das „Phänomen der concentrischen Kreisfiguren“ (siehe oben im Verfolg des Textes) oder vielmehr das Phänomen „annähernd“ con- centrischer Kreise im Umfang der Sphäre kann trotzdem gut ausge- bildet sein (siehe die Abbildungen Fig. 10 u. 14 in 41). — Ich habe mich früher darüber gewundert, dass ich dieses Phänomen meist nur bei den sog. „mehrkernigen“ Leukocyten gut wahrnehmen konnte, wäh- rend es bei den Einkernigen selten und nie so vollkommen zur Beob- achtung kam. Der Grund ist nur die Lage des Mikrocentrums. Bei den Zellen mit zerschnürtem Kerne, wenn sie in völliger Ruhe be- findlich sind, würde die Sphäre rein central liegen, also nach Analogie der idealen Construktion, der Fig. 86, in welcher ich überhaupt keine Kernmasse eingezeichnet habe. Denkt man sich hier die Radiärstrah- len sehr dicht, wie dies im Zellenleibe der Fall ist, dann würden die Mikrosomen das Bild concentrischer Kreise von mathematischer Regel- mässigkeit hervorbringen. Hätten wir hier nun gleicher Zeit einen zerschnürten Kern vor uns, so würde doch schon das kleinste Kern- theilchen, welches sich zwischen die Radiärfäden einschiebt, durch Auseinanderspreitzen der letzteren eine Störung jener Anordnung in concentrischen Kreisen hervorbringen, und thatsächlich sind ja auch diese Bilder nie mathematisch regelmässig. Haben wir aber einen einfachen, relativ grossen, kugeligen Kern (Fig. 85), dann liegt das Mikrocentrum nicht central, sondern excentrisch und es kann selbst bei völliger Ruhelage der Zelle nicht mehr zu einem sehr regelmässi- gen Bilde des Phänomens der concentrischen Kreise kommen, da näm- lich die in der Nachbarschaft des Kerns verlaufenden Radiärfäden gegenüber den in entgegengesetzter Richtung verlaufenden sehr viel länger sind und die Mikrosomen in ihnen in sehr weiten Abständen enthalten sind. Aus diesem Schema (Fig. 85) wird gleicher Zeit er- sichtlich, warum die concentrischen Kreisfiguren immer in der Nähe der Sphäre besser sichtbar sind als mehr peripher im Zellenleibe (siehe in 41 die Fig. 12, 15 und 51), eine Thatsache, die ich zwar schon zur Abbildung gebracht habe aber früher nicht verstand. Ich weise hier darauf hin, dass das Schema der Fig. 85, wie aus dem Vorste- henden schon ersichtlich ist, die feinsten Details der Zellenphänomene erklärt, die mir jemals zu Gesicht gekommen sind; mithin glaube ich bei der Construktion dieses idealen Bildes richtig vorgegangen zu sein. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 501 auf dem optischen Querschnitte unter der Form eoncentrischer Kreislinien. Da nun diese Mikrosomenstraten in Folge der Klein- heit der Zellen eine ausserordentlich starke Krümmung besitzen, erhält man bei einem ganz geringen Wechsel der Einstellungs- ebene sofort einen optischen Querschnitt von ganz anderer Aus- dehnung; mithin wechseln diese Kreislinien beim Heben und Senken der Mikrometerschraube fortwährend und das Bild wird dadurch so ungewiss, dass man an eine blosse Täuschung, eine Illusion glauben möchte. Dem ist aber nicht so; denn bei ge- nauer Mikroskopie und an günstigen Objekten kann man die Mikrosomenreihen deutlich erkennen, auch die Anzahl der Mikro- somen auf den Radiärfäden zählen. Freilich sind diese Erschei- nungen von sehr feiner Art und ich habe sie um dessentwillen unter dem Titel des „Phänomens der concentrischen Kreisfiguren (41; pag. 149) beschrieben. 32. Dieser beschriebene Zustand der Zelle, welcher, wie gesagt, offenbar einer bald mehr, bald weniger vollständig aus- gebildeten Ruhelage der Zelle (des Mitoms) entspricht und übri- gens nur selten anzutreffen ist, könnte nun gewiss nieht zu Stande kommen, wenn in den benachbarten Radiärfäden eine ungleiche Anzahl von Mikrosomen gelegen wäre. Wie sollten sich regelmässige eoncentrische Mikrosomenstraten ausbilden kön- nen, wenn auf benachbarten Radiärfäden eine wechselnde Anzahl von Mikrosomen vorhanden wäre, da doch jedes Stratum de facto einer einreihigen, eingliedrigen Schicht entspricht? Ich habe daher geschlossen, dass alle organischenRadien in sieh gleichgebaut sind, d.h.diegleiche Anzahl färbbarer Querglieder, Mikrosomen enthalten!). Heutefüge ich alsHypothesehinzu, dassalle organischen Radien der nämlichen Zelle bei der gleichen physiologischen Spannung die gleiche Länge aufweisen würden. Diese Annahme stellt sich als eine Consequenz aus dem Vorigen dar, ist im übrigen durchaus hypothetischen Charakters, 1) Die sehr häufig vorkommenden, ja sogar die Regel bildenden scheinbaren Ausnahmen finden ihre Erklärung in anderer Weise; siehe hierüber in 41; pag. 150. 502 Martin Heidenhaäin:- erklärt aber, wie ich noch zeigen werde, eine ungemeine Anzahl von sonst unerklärlichen Erscheinungen des Zellenlebens, zunächst beim ruhenden und in Theilung begriffenen Leukoceyten. Um es also kurz noch einmal auszudrücken: ich halte dafür, dass die absolute Länge (d. i. abgesehen von allen secundär hinzutreten- den Bedingungen) der organischen Radien der nämlichen Zelle die gleiche sei. Diese Hypothese führe ieh in Folgendem unter dem Titel des Prineips der ursprünglichen Identität der Länge der organischen Radien. Das Wort „ursprünglich“ hat hier einen rein logischen Sinn; der Thatsache nach ist nicht irgend ein Zustand der Zelle denkbar, während dessen die or- ganischen Radien einmal gleich lang wären. Vielmehr gebe ich unter der Bezeichnung „Prineip der ursprünglichen Identität der Länge der organischen Radien“ nur einen leicht handlichen morphologischen Ausdruck für ein bestimmtes physio- logisches Spannungsgesetz des centrirten Mitoms, nach welchem z. B. in einer Zelle wie Fig. 65 oder 69 der jeweilige Spannungszustand aller der dort enthaltenen, ganz verschieden langen Radiärfäden, mögen es nun Hunderte oder Tausende sein, ganz genau so abgemessen sein soll, dass sie, alle auf die gleiche Länge gebracht, die nämliche Spannung aufweisen würden. Nach diesem Prineipe lassen sich für den Leukoeyten sämmtliche ausserhalb der amöboiden Bewegung vorkommenden Stellungsverhältnisse des Mikrocentrums und des Kerns, die La- gerung der Protoplasmamassen, sowie speciell auch die verschie- denen Kernformen erklären. Die inneren Formen der amöboiden Zellen sind dann fernerhin nur mehr oder minder wesentliche Abweichungen vom ruhenden Zustand und selbstverständlich (!) im Einzelnen nicht mehr erklärbar. 33. Die oben aufgestellte Hypothese zieht für die Auffas- sung des Baues des Leukoeyten zunächst eine ganze Reihe wei- terer Folgen nach sich, welche ich an dem Schema der Fig. 85 erläutern möchte. Die hier gedachte Zelle soll in völliger Ruhe befindlich sein. Ich habe meiner Skizze einen kreisrunden Umfang!) gegeben 1) Bei kugeligem Kern würde ein völlig ruhender Leukocyt wahrscheinlich nieht kugelrund, sondern vielmehr etwas länglich, einem Rotationsellipsoid etwa entsprechend, gestaltet sein. Die Gründe Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 505 und ebenso habe ich den Kern als rein kugelig angenommen, was wohl dem denkbar einfachsten Falle entspricht. Auf die inneren Strukturverhältnisse des Kerns ist keine Rücksicht ge- nommen, ebensowenig ist den sehr wahrscheinlich vorhandenen nieht eentrirten Zellenfäden Rechnung getragen, denn uns soll hier nur das centrirte System interessiren. Dem Kern habe ich ferner eine excentrische Stellung angewiesen, denn dies entspricht der Norm, und ich behaupte nach meinen Erfahrungen sogar, dass der Kern immer und ausnahmslos excentrisch, meist sogar sehr stark exeentrisch liegt. So ist man in einer ungemeinen Anzahl von Fällen bei den Leukoeyten des Kanin- chens nieht in der Lage auf der nach der Zellenoberfläche hin gewandten Seite des Kernes die diesen überziehende feine Proto- plasmalamelle zu gewahren: so sehr wird der Kern nach der Oberfläche gedrängt. Uebrigens liegen auch bei auseinanderge- zogenem (vieltheiligem, polymerem) Kerne der Regel nach alle Kerntheile von grösserem Volumen ebenfalls peripher. Das Mikrocentrum ist schematisch als ein kreisrunder, schwarzer Fleck angegeben worden und ich habe ihm seine Stellung in unmittelbarer Nähe der Kernoberfläche angewiesen; auch dies trifft für den ruhenden Lymphocyten durchaus zu (unter der Bedingung, dass der Durchmesser des Kerns grösser ist als der Radius der Zelle). Die organischen Radien lasse ich in gleichen Abständen an der Zellenperipherie entspringen und am Mikrocentrum endigen. Dass diese Construktion richtig sei, kann angestritten werden und zwar besonders mit Rücksicht auf die Verhältnisse bei der Mitose. Es könnte, da doch das Schema bezüglich der Lagerung der Astrosphäre einem ausser- ordentlich häufig vorkommenden Typus entspricht, behauptet werden, dass eine ganze Reihe von Sphärenstrahlen an der Oberfläche des Kerns nach kurzem Verlaufe inserirt. Diese An- nahme halte ich für völlig unzulässig und zwar mit der Rück- sicht auf drei thatsächliche Vorkommnisse. Erstlich findet man bei Gelegenheit der amöboiden Bewe- gung der Leukocyten das Mikrocentrum in einzelnen Fällen un- gemein weit entfernt von der Oberfläche der Kernmasse (Fig. 69). für dieses Urtheil ergeben sich von selbst aus dem weiter unten noch Folgenden. Ich denke, dass die Fig. 1u. 9 ihrer Form nach mehr dem völligen Ruhezustande einer Zelle mit kugeligem Kern entsprechen. 504 Martin Heidenhain: Hier finden sich dann zwischen Mikrocentrum und Kern orga- nische Radien von grosser Länge eingeschoben und ich wüsste nicht, wie diese aus den vorausgesetzten kurzfädigen Verbindun- gen hervorgehen sollten. Es müsste sich gerade um eine enorme Dehnung der letzteren handeln und diese halte ich für nicht möglich. Zweitens haben Hermann (44; Fig. 14) undich (41; Fig. 9 und 14, hier wiederholt in Fig. 68) Abbildungen gegeben, aus denen unmittelbar hervorgeht, dass der Kern sich unter Umständen mit einem gewissen Antheil seines Umfanges in die Masse der Sphäre ein- schieben kann, so dass dadurch die Sphärenstrahlen im eigent- lichsten Sinne des Wortes auseinandergespreizt werden. In diesen Fällen wird der Contur der Sphäre, welcher durch den van Beneden schen Körnerkranz gegeben ist, einerseits, nämlich in der Nachbarschaft des Kerns, unvollständig (siehe auch hier in Fig. 69; ferner in 41, Fig. 51). Diese Thatsache, das Feh- len des Conturs an der Kernoberfläche, war mir früherhin schlechterdings unverständlich. Jetzt nehme ich wohl mit Recht an, dass es solche Sphärenstrahlen oder Radiärfäden überhaupt nicht giebt, welche an der Kernmembran nach kurzem Verlaufe sich festheften, sondern dass sie sämmtlich an der Zellenperipherie endigen, mithin theilweise an der Kernmembran entlang laufen. Diese Auffassung wird drittensgestützt durch das Vorkommen glatter Abhebungen der Zellsub- stanz vom Kern. Auch dies ist eine Erscheinung, die mir früher in keiner Weise erklärlich war. Ich habe solche glatt- randige Abhebungen oftmals beobachtet und auch in der eitirten Abbildung Hermann’s ist eine solche zu finden. Diese wären nun unmöglich unter der Annahme, dass Mitomfäden, speciell auch organische Radien sich direkt an die Kernmembran an- heften. Für den Leukocyten wenigstens werde ich zunächst un- weigerlich daran festhalten, dass der Kern nur in die interfilaren Räume eingeschoben ist und nicht in einer direkten Continuität mit der Zellstruktur steht. Ich verkenne nicht, dass diese Auffassung der Lage Schwierig- keiten für die Erklärung gewisser Erscheinungen der Mitose mit sich bringt, allein wenn wir innerhalb des Zellenkörpers bei Be- trachtung des gegenseitigen Verhältnisses von Kern und Zellen- protoplasma dann auf die weitere Frage stossen, wie aus der Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 505 „Contiguität“ der Strukturen während der Zellenruhe sich eine „Continuität* während der Mitose herausbildet, so wird doch jedem sofort gegenwärtig sein, dass ja ganz ähnliche Fragen auf dem Gebiete der gröberen mikroskopischen Anatomie, — ich er- innere an das Zusammenfliessen von Muskel und Nerv während der Entwicklung, — bereits auf dem Grunde einer breiten em- pirischen Basis bestehen. Es ist also a priori wenigstens nicht durchaus unmöglich, dass eine ähnliche Fragestellung für die ruhende und sich theilende Zelle thatsächlich zu Recht besteht. Dann haben wir aber noch einen weiteren Punkt, welcher sehr schwer ins Gewicht fällt. Welchem Zwecke sollte denn, so frage ich, die Kernmembran dienen, wenn unter irgend einer Form angenommen wird, dass die Struk- turen des Kerns continuirlich sind mit denjenigen des Zellleibes? Würde in diesem Falle nicht die Kernmembran unzwecekmässig und hinderlich sein? Meiner Auffassung nach ist vielmehr die Kerınmembran aus dem Grunde vorhanden, um dem Kern als einem Ganzen gewisseVerschiebungen, Gleitbewegungen, im Zellleibe zu ermöglichen, ohne dass hiermit wesentliche Alterationen der Anordnung des Mitoms verbunden wären, wie dies doch der Fall sein müsste, wenn thatsächlich eine grössere Anzahl von Mitomfäden an der Kernmembran be- festigt sind. Es wird sich, wie ich denke, auf den nachfolgenden Seiten noch reichlich zeigen, dass die Thatsachen selbst in hohem Maasse zu Gunsten der freien Beweglichkeit des Kerns innerhalb der interfilaren Räume sprechen. Wir kehren nun zu unserem Schema zurück! Dem Obigen gemäss habe ich den Kern so eingezeichnet, als ob er gleichsam nachträglich wie ein Ball in die interfilaren Räume hineinge- steckt worden wäre. 34. Wäre der Kern nicht vorhanden, so würde in der Ruhelage des Mitoms entsprechend dem Prineip der ursprüng- lichen Identität der Länge der organischen Radien, d. h. also nach Ausgleich aller Spannungsdifferenzen innerhalb des centrirten Mitoms, das Mikrocentrum genau in der Mitte des Zellenleibes stehen (Schema Fig. 86); oder anders ausgedrückt: könnte man aus einer ruhenden Zelle den Kern herausnehmen, so würden die organischen Radien vermöge eines antagonistischen Spieles binnen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 33 506 Martin Heidenhain: kurzem sämmtlich in den Zustand gleicher Länge und gleicher Spannung übergehen: Dies besagt unsere Hypothese. Durch das Dazwischentreten des Kerns wird es aber dem Mikrocentrum un- möglich gemacht, die ihm zukommende centrale Stellung wirklich einzunehmen (Fig. 85). Da jedoch die in der Nähe des Kerns vorbeilaufenden organischen Radien gegenüber ihrer mittleren Länge (Fig. 86) im einem Zustande sehr starker Dehnung befindlich sind, so wird das Mikrocentrum, soweit es nur irgend möglich ist, in der Richtung gegen das Centrum der Zelle herabge- zogen. Mithin sind auch bei völliger Zellenruhe gewiss niemals alle organischen Radien unter sich gleich lang, sondern unter ihnen sind immer eine ganze Reihe befindlich, welche in Folge der Anwesenheit des Kerns einer stärkeren Dehnung ausgesetzt sind. Diese Dehnung kommt wahrscheinlich grossen Theils da- dureh zu Stande, dass der Kern am Ende der Mitose, nachdem «.r sich schon mit einer Membran umkleidet hat, nun plötzlich stark an Volumen wächst. Bei dieser Gelegenheit werden die Zellenfäden, zum wenigsten theilweise gedehnt, und das Mitom geräth in einen Zustand innerer Spannung, welcher während der Zellenruhe sich für die Dauer erhält. Oder mit andren Worten: Während der Zellenruhe ist innerhalb des MitomsjederZeiteinegewisseSummepotentieller (Spann-) Kräfte enthalten, welche sich, wieich weiter unten noch auseinandersetzen werde, erst während dernächsten Mitose wiederum in kine- tische Energie umsetzen. Legt man durch die Mittedes KernsunddesMikrocentrums eine Linie (Zellenachse) und durch diese Limie eine Ebene, so sind reehter und linkerHand vonihrim Zellen- leibe jene Spannkräfte in symmetrischer Ver- theilung enthalten (vergl. Fig. 85). Die durch die Gegen- wart des Kerns verursachte Dehnung der centrirten Mitomfäden ist am grössten in der Nachbarschaft des Kerns selbst und sie nimmt auf weitere Entfernung hin ganz allmählich ab, bis sie schliesslich gleich Null wird. 35. Auf Grund der vorstehenden Ueberlegungen, d. h. auf Grund des Prineips der ursprünglichen Identität der Länge der organischen Radien, können wir nun schon eine ganze Reihe that- Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 507 sächlicher Vorkommnisse völlig hinreichend erklären (zum Vergleich bitte ich immer das Schema, auch die Abbildungen der ersten Tafel zu Rathe zu ziehen). 1) Dass der Kern stets excentrisch liegt, ist eine Folge der Druckwirkung der organischen Radien. Der Kern sucht unterallenUmständeninderRichtungdergrössten interfilaren Räume und des geringsten Druckes, das heisst peripheriewärts, auszuweichen. 2) Dass die Astrosphäre bei nicht amöboid beweglichen Zellen mit kugligem Kerne direkt an der Oberfläche des letzteren liegt, sofern nur der Durchmesser des Kerns den halben Durch- messer der Zelle erreicht, ist eine Folge davon, dass die über die Oberfläche des Kerns hinweg gedehnten Ra- diärfäden in jedem Momente das Mikrocentrum der Kernmembran (bez. dem Centrum der Zelle) zunähern suchen. 3) Dass das Mikrocentrum der Regel nach bei ruhenden Zellen, wenn relativ grosse Plasmamassen vorhanden sind und der Durchmesser des Kerns nicht mehr den halben Durchmesser der Zelle erreicht, rein central steht und dabei weit vom Kern entfernt sein kann, ist lediglich so zu erklären, dass zwar der Kern soweit wie möglich peripheriewärts, — in der Richtung des geringsten Druckes und der grössten interfilaren Räume, — ausweicht,dasMikrocentrum aber, nach- dem ‚es die Mitterder Zelle.“erreichte,' derOber- fläche des Kerns nieht weiterhin nachfolgt (weil nämlich die Ursache der Bewegung aufhört). 4) Die öfter vorkommende Auseinanderspreitzung der Sphären- strahlen erklärt sich durch den Druck, den Kern und Sphäre gegenseitig auf einander ausüben. 5) Es erklärt sich auf die leichteste Weise, warum bei jenen überall legionenweise vorkommenden Zellen mit relativ grossem, kugligem, ovoidem oder sackförmigem Kerne sich jedesmal über (lem Mikrocentrum einerseits am Kerne eine grössere Protoplasma- masse hervorwölbt!). 6) Es erklärt sich sehr leicht, warum eine ganze Reihe von 1) Weicht nämlich der Kern peripher aus, so muss einerseits am Kerne eine grössere Protoplasmamasse sich ansammeln. Gemäss 508 Martin Heidenhain: denkmöglichen Stellungen des Mikrocentrums und des Kerns überhaupt niemals im Wirklichkeit vorkommen. So liegt beispielsweise niemals bei ruhenden Zellen der Kern central und das Mikrocentrum peripher; nie liegt auch bei einer ausserhalb der Mitose befindlichen Zelle das Mikrocentrum zwischen Kern und Zellenperipherie eingeklemmt, wenn gleichzeitig entsprechend einer anderen Stelle der Kernoberfläche eine grössere Protoplasmamasse vorhanden ist. AufGrundunsrer Kenntnisse desBaues derLymphzellensind wirermächtigtzuerklären, dass derartige innere Formen der Lymphzellen, wie sieeben erwähnt wurden, absolut unmöglich sind und überhaupt niemals vorkommen werden. Hierin zeigt sich eben das harte, das strenge Gesetz, welches trotz tausendfachem Wandel der Gestaltung die innere Form des Leukocyten beherrscht, dass eine Reihe von denkmöglichen Anordnungen der Zellbestandtheile niemals in natura sich ver- wirklichen können. 36. Nachdem wir aus dem Prineip der ursprünglichen Iden- tität der Länge der organischen Radien für die ruhende (nicht amöboid bewegliche) Zelle eine besondere gesetzmässig geregelte Form der Spannung der eentrirten Fäden hergeleitet haben, liegt es sehr nahe, diese für die Polymorphie des Kerns verantwortlich zumachen. Wie dies gemeint sei, will ich sogleich näher erläutern. Wir gehen von den sessilen Leukocyten des Kaninchens aus und zwar von jenen einfachen Formen, welche einen rein kugligen Kern besitzen (Schema Fig. 85). Das Mikrocentrum und die Sphäre werden bei diesen Zellen in Folge der Dehnung der dem von uns aufgestellten Spannungsgesetze der Mitomfäden muss aber die Sphäre (als Insertionsmittelpunkt der Mitomfäden) in diese Protoplasmamasse hinein zu liegen kommen und zwar in der Art, dass durch eine beliebige das Mikrocentrum und den Kernmittelpunkt in sich enthaltende Ebene die Spannkräfte des Mitoms auf zwei Zellhälf- ten symmetrisch vertheilt werden. Bei der schon erörterten Lage des Mikrocentrums in der Nähe der Kernoberfläche folgt aus Obigem noth- wendig, dass das Protoplasma über dem Mikrocentrum eine regel- mässige Hügelform annehmen muss. — Es liegt der Gedanke nahe, dass z. B. in Epithelzellen die excentrische Stellung des Kerns nächst der Basis ganz die gleiche Ursache hat. Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 509 Radiärfäden mit Gewalt gegen die Kernoberfläche getrieben. Es wird mithin von der Gegend der Sphäre her ein stärkerer Druck auf den Kern ausgeübt und als unmittelbare Folgewirkung sehe ich jene kleinen Dellen oder Abflachungen der sonst konvex gewölbten Kernmembran an, welche sich so überaus häufig in nächster Nachbarschaft der Sphäre am Kern finden (Fig. 1, 9, 20; Schema Fig. 88A). Für die Entstehung jener Dellen sind ja a priori nur zwei Möglichkeiten denkbar: entweder die Sphäre beult den Kern ein, oder die Einziehung entsteht auf Grund einer aktiven Thätigkeit des Kerns, speciell auf Grund einer Zugwirkung, welehe von Seiten der Kernstruktur an der betreffenden Stelle der Kern- membran ausgeübt wird. In diesem letzteren Falle würde dann die Sphäre in jene Einziehung so zu sagen hineingesogen werden. Nun ich glaube, dass die Voraussetzung einer derartigen com- plieirten Action der Kerngerüste völlig überflüssig ist, und dass man mit der einfacheren Annahme eines von aussen her wirkenden Druckes ganz wohl auskommt. Im anderen Falle wäre auch die Thatsache gar nicht erklärbar,. dass bei einer weiter fort- schreitenden Vergrösserung jener Einbuchtungen!) des Kerns doch niemals Kerne von der Form eines Doppelbechers resultiren. Steht somit fest, dass die Sphäre gegen den Kern hin ge- waltsam andrängt, dann kann diese intendirte Bewegung nicht auf Ursachen zurückgeführt werden, welche innerhalb der Sphäre liegen, sondern die Bewegung gegen den Kern hin ist nur als eine passive denkbar, als eine Folge des Bestrebens gewisser Gruppen der organischen Radien sich zu verkürzen. Dieses VerkürzungsbestrebenistaberunsererHypothese von der ursprünglichen Identität der Länge der organischen Radien vollkommen gemäss. Jeder eingebeulte oder eingebuchtete Kern ist mir ein neuerBeweis für dasZutreffen meinerAuffassung derProtoplasmastruktur desLeukoeyten, für das ZutreffendesvonmirvorausgesetztenSpannungs- gesetzes der centrirten Mitomfäden. Wir gehen aber noch weiter. Wenn unter allen jenen Zellen- 1) Wie ich schon früher angedeutet habe, sind die fraglichen Del- len wahrscheinlich von vornherein sattelförmige Einsenkungen. 510 Martin Heidenhain: fäden, welehe über die Oberfläche des kugligen oder bereits ein- gebeulten Kerns hinweg gespannt sind, irgend eine Gruppe aus irgend welchen vielleicht sonst ganz gleichgültigen Ursachen das Uebergewicht erhält, wie das ja sehr leicht möglich ist, dann wird der Kern entsprechend einer bestimmten Ebene, die durch jene Fädengruppe einerseits, sowie die Mittelpunkte des Kerns und des Mikrocentrums andererseits bestimmt ist, unter höheren Druck gesetzt (Schema Fig. 85 A). Es ist dann selbstverständlich, dass der Kerninhalt das Bestreben haben muss entsprechend einer zweiten Ebene senkrecht zu der ersteren auszuweichen (siehe unten!); diese zweite Ebene enthält in sich natürlich ebenfalls die Mittelpunkte des Kerns und des Mikrocentrums. Durch das Ausweichen der Kernmassen muss mit absoluter Nothwendigkeit eine oblonge Form des Kerns resultiren (Fig. 88 B), wobei die lange Achse desselben senkrecht zur Ebene der stärksten Pressung zu stehen kommt. Während dieses Vorganges natürlich nähert sich das Mikrocentrum seiner Ruhelage, dem Zellenmittelpunkte. Wir können mithin nun eine weitere Erklärung für ein ungemein häufiges natürliches Vorkommniss abgeben: Die That- sache, dass die Sphäre beioblongem Kerne meist entsprechendeinerLangseitedesselbenzu liegen k om mt (siehe die Abbildungen auf der ersten Tafel), stellt sieh alsdieFolgewirkungeinerungleichmässigen Pres- sung vor, welche von Seiten der organischen Ra- dien aufdenKern ausgeübt wird, wodurch dieser erst überhaupt seine gestreckte Form erhält. Ich greife nun im Weiteren zunächst wiederum auf eine Reihe direkter Beobachtungen zurück. Meine Nachforschungen am Sala- manderleukocyten ergaben, dass die organischen Radien, wie dies selbstverständlich ist und wie ich dies auch abgebildet habe, in der Nähe der Astrosphäre einander um Vieles mehr genähert liegen als in der Peripherie der Zelle. Da nun die nicht ceentrirten Theile des Mitoms beim Lymphocyten auf jeden Fall an Menge stark zurücktreten, so ist anzunehmen, und dies ist, ich wie glaube, bei 1) In den Schematis der Fig.88A bis D ist die Papierebene als jene gedacht, innerhalb deren das Ausweichen des Kerninhalts statt- findet; die Richtung des Ausweichens selbst ist durch die Pfeile ge- kennzeichnet. Die Ebene der stärksten Pressung wird durch die vor und hinter dem Kern entlang geführten Bogenlinien gekennzeichnet. Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 511 günstigen Objekten auch direkt sichtbar, dass die interfilaren Räume dem Volumen nach von der Astrosphäre gegen die Zellen- peripherie hin gerechnet wachsen. Wenn daher das filare System der Lymphzelle einem Ruhezustande sich nähert und demgemäss das Mikrocentrum gegen die Zellenmitte hin wandert, so wird der Kern gleicher Zeit nach derjenigen Richtung hin ausweichen, wo er am meisten Platz hat, d. h. er wird sich dort auszubreiten suchen, wo die interfilaren Räume am grössten sind, nämlich in der Zellenperipherie. Dehnt sich also der Kern in Folge der besprochenen Druck- wirkung von Seiten der organischen Radien in die Länge, so wird er sich an der Zellenperipherie entlang zu krümmen suchen (Fig. 88 C;D). So fliesst ausderobigenHypothese,inderen Verfolg wirbegriffensind, einunmittelbaresVer- ständniss für das massenhafte Zustandekommen hufeisen- und auch ringförmiger Kerne, wie wir solche bei den sessilen Lymphocyten des Knochenmarks finden. Für diese Kerne ist nicht Das charakteristisch, dass sie die angegebene Form haben, sondern das Charakteristikum dieser Kerne ist die durch specifische Ursachen bedingte Ausbreitung ihrer Masse in der Peripherie des Zellenleibes. Man trifft offen- bar das Wesentliche der Sache garnicht, wenn man für ein be- stimmtes Zellenindividuum hervorhebt, der Kern sei hufeisenförmig; vielmehr müsste man sagen: Der Kerm liegt lang ausgestreckt im halben Umfang der Zellenperipherie. Krümmt sich der Kern im ganzen Umfang der Zelle auf sich selbst zurück, so ist damit zugleich die vollständigste Ruhelage erreicht, welche dem Lymphocyten je- mals zukommen kann (Fig. 6). — Hier will ich nebenbei bemerken, dass ich niemals Verschmelzungen der auf sich selbst zurückgebogenen Enden ringförmiger Kerne beobachtet habe. Es entstehen mithin auf diese Weise nicht diejenigen Bildungen, welche in neuerer Zeit als Lochkerne beschrieben worden sind. Da aber in meinen Präparaten an den Lymphoceyten des Kanin- chens doch öfters echte Lochkerne vorkommen, so bin ich geneigt, für diese jenen Modus der Genese anzunehmen, welcher neulich für die Lochkerne der Spermatogonien des Salamanders von Meves beschrieben worden ist, worüber man bei diesem Autor nachschlagen möge. 512 Martin Heidenhain: Wenn man sehr viele mehr oder minder stark hufeisenförmige oder auf sich selbst zurückgebogene Kerne untersucht, so wird man häufig die Erfahrung machen, dass die Quersehnittsbilder der freien Schenkel dieser Kerne ihrer räumlichen Ausmessung nach grösser sind als derjenige Querschnitt des Kernes, welcher der Mitte der gekrümmten Achse desselben entspricht. Der Kern ist in diesem Falle also gerade an derjenigen Stelle am schmalsten, an welcher die grössten Druckwirkungen stattgefunden haben müssen, wenn sich die Kernform in der Weise erklären soll, wie ich das an- nehme und ausführlich hergeleitet habe. Aus dem Gesagten geht ferner hervor, dass ich nur diejenigen Lymphocyten mit polymorphem Kern als nicht amöboid beweglich ansehen kann, bei denen das Mikrocentrum in der Kernbucht, zwischen den Schenkeln des Hufeisens oder des Kernrings steht. Ist das Mikrocentrum irgendwie seitlich abgewichen (Fig. 31, 34), so müssen wohl besondere Bewegungen des Zellinhaltes stattge- funden haben, welche auch bei Zellen von „sessilem“ Habitus in letzter Linie mit der diesen Elementen zukommenden Fähigkeit der Eigenbewegung in Zusammenhang zu bringen sind. Es ist natürlich unmöglich alle Kernformen, welche über- haupt bei Lymphzellen vorkommen können, im Einzelnen erklären zu wollen. Hier war nur von solchen Zellen die Rede, deren Protoplasma in einer gewissen Ruhelage befindlich ist oder derselben zustrebt. Werden sessile oder ruhende Zellen mobil, so wird durch die Ortsbewegung selbst, wie man das in schönster Weise bei den Salamanderleukoeyten verfolgen kann, das Mikro- centrum in der mannigfachsten Art verschoben. Die Druckver- hältnisse, unter denen der Kern steht, werden sich demgemäss in der mannigfachsten Art ändern und es ist nicht abzusehen, wie man im Einzelfall zu einer mechanischen Erklärung der gerade speciell vorliegenden Kernform kommen soll. Dagegen werden natürlich die allgemeinen Gesichtspunkte, welche für die Erklärung der Polymorphie des Leukocytenkernes nach meinen Auseinandersetzungen überhaupt in Betracht kommen, auch in den Fällen massgebend bleiben, in denen es sich um wandernde Zellen mit sehr stark polymorphem oder vieltheiligem Kerne handelt. Gehen wir z. B. von dem Fall aus, dass eine sessile Zelle mit hufeisenförmigem Kern mobil wird, dann wird das Mikrocentrum in Folge der Eigenbewegungen des Protoplasmas Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 513 bald hier, bald dort zu stehen kommen. Ist eine dieser neu ein- genommenen Stellungen für einige Zeit dauernd, dann wird auch der Kern wiederum das Bestreben zeigen, sich den neuen Ver- hältnissen anzupassen. Seine Masse wird dahin neigen in der Richtung des geringsten Druckes und in der Richtung der grössten interfilaren Räume auszuweichen. Da der hufeisenförmige Kern als ein Ganzes nicht ausweichen kann, vielmehr eine ausgiebige Gleitbewegung der ganzen Kernfigur durch die Anordnung der Zellenfäden gehindert wird, so ist als der einfachste Fall denkbar, dass an einer entsprechenden Stelle der Kernoberfläche sich eine neue Knospe hervorwölbt, deren weiteres Wachsthum den oben aufgestellten Bedingungen entspricht, d. h. in der Riehtung des geringsten Druckes und der grössten interfilaren Räume vor sich geht. Auf diesem Wege, denke ich, kann es im Laufe der Zeit zur Ausbildung der complieirtesten Kernfiguren kommen. Von diesen will ich speeiell noch jene sehr starkzerschnürten, vieltheiligen Kernformen genauer besprechen, welche nach Flemming’s und meinen Untersuchungen so häufig bei wandernden Salamanderleukoeyten gefunden werden. Hier bitte ich die von Flemming und mir gegebenen Abbildungen zu vergleichen. Es ist selbstverständlich, dass entsprechend der von mir vor- ausgesetzten Genese die Kernform auch im Falle der stärksten Polymorphie nichteinedurchausbelie- bige sein kann, sondern dasssiedenBedingungen derEntwieklung gemäss gestaltet sein muss. Man wird der Regel oder dem Durchschnittenach, wie das auch thatsächlich ist, selbst bei den gedachten in lebhafter Bewegung befindlichen Lymph- zellen das Mikrocentrum nicht an einem beliebigen Orte des Zellen- leibes treffen, sondern es wird, da nach meinen Voraussetzungen die Stellung des Mikrocentrums eine Folge der jeweils vorhan- denen Form der Spannung der centrirten Fäden ist, diese Span- nung der centrirten Fäden aber wiederum in einer bestimmten Beziehung steht zur Form des Kerns, ganz gewiss auch die Stel- lung des Mikrocentrums in einem bestimmten Verhältniss zur Form des Kerns stehen. Dies ist nun nach meinen und Flemming'’s Untersuchungen auch wirklich der Fall. Wir konnten zeigen, dass die Sphäre (und mit ihr das Mikrocentrum) der Regel nach in der 514 Martin Heidenhain: Nähe jener feinen chromatischen Brücken getroffen wird, welche die einzelnen Kerntheile unter einander in Verbindung setzen. Was dies im Sinne meiner Anschauung zu bedeuten hat, werde ich weiter unten sogleich auseinandersetzen. Was Flemming angeht, so meinte dieser Autor, da es ja, wie schon frühere sorgfältige Untersuchungen lehrten, mitunter zu einer vollständigen Durchschnürung jener feinenVerbindungsbrücken, zu einer Fragmentirung des Kerns kommt, dass die Sphäre in einer näheren Beziehung zu der letzteren stehen möchte. Nun habe ich in der Schrift „Ueber Kern und Protoplasma* mich schon dahin geäussert, dass ich nicht geneigt sei die Sphäre ihrer Person nach für eine Zerschnürung des Kerns verantwort- lich zu machen. Die der Regel nach stattfindende Zusammen- lagerung der Sphäre und des Kerns und ihre Stellung in der Nähe fadenartig ausgezogener Kerntheile hielt ich vielmehr bereits damals für eine Erscheinung, welche aufindirektem Wege ver- mittelt sei. Als einen solchen vermittelnden Umstand machte ich die Thatsache namhaft, dass die Sphäre im Mittelpunkte eines Systems centrirter Fäden stünde. Jene Annahme habe ich für eine grosse Reihe von Einzelfällen auf Grund neuer Beobachtun- gen und auf Grund der Hypothese von der ursprünglichen Iden- tität der Länge der organischen Radien fast bis zur völligen (Gewissheit erhoben. Wenn nun bei vieltheiligem oder in Zerschnürung begriffe- nem Kerne das Mikrocentrum in der Nähe fein ausgezogener Verbindungsbrücken getroffen wird, so muss zunächst in Rech- nung gezogen werden, dass die Stellung des Mikrocentrums der Regel nach auch hier eine centrale ist, da sie nämlich schon ur- sprünglich eine mehr eentrale war und in jedem Augenblicke, in dem die amöboide Bewegung aufhört, die organischen Radien unter sich ihre Länge auszugleichen suchen; hiermit wird dann, wie überall, das Mikrocentrum gegen die Zellenmitte hingetrieben. Dann erscheint ferner im allgemeinen schon die Polymorphie des Kernes als eine Folge der Tendenz des Mikrocentrums, seine cen- trale Stellungnahme zu erreichen; eserhält die Kernform aber ihre that- sächliche eomplieirte Ausbildung erst in Folge der amöboiden Bewe- gung, d.i.in Folge der wechselnden Spannungen innerhalb des cen- trirten Systems. Der Regelnach weichen hierbei die gröberen Kernmassen unter der Form bläschen- 1 Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 515 artiger Bildungen peripheriewärtsin der Rich- tung der grössten interfilaren Räume aus, wäh- rend die feinen Verbindungsstränge das Centrum der Zelle durchziehen, das heisst dort getroffen werden, wo auch die interfilaren Räume in der Nähe der Sphäre am geringsten entwickelt sind. Mithin findet man auch hier beim Lymphoeyten mit vieltheiligem Kerne, wenngleich auch unter besondern Bildern, doch dieselben Prineipien des inneren Aufbaus wieder, welche für den Leuko- eyten mit kugligem, sack-, hufeisen- oder ringförmigem Kerne Geltung haben: die gröberen Kernmassen suchen die Stellung in der Peripherie des Zellleibes, das Mikrocentrum tendirt nach der Mitte hin und die wirkenden Ursachen sind überall die näm- lichen: das von mir aufgestellte Spannungsgesetz der organischen Radien. Da die Zerschnürung des Kerns gelegentlich in eine völlige Durchschnürung, das heisst eine Fragmentirung übergehen kann, so habe ich zugleich auch die Amitose des Kerns beim Lymphoeytenihren Ursachen nach klar ge- legt und meine, dass dieser Gegenstand für uns einer näheren Behandlung nicht mehr bedarf!). Exeurs über die Ausstossung des Kerns bei den Erythroblasten. Die unter allen Umständen excentrische Stellung des Kerns, welche oben für den Leukocyten betont wurde, trifft auch für das kernhaltige rothe Blutkörperchen zu. Dieses enthält zwei 1) Diese sogenannte „Amitose* des Kerns beim Lymphoecyten, welche zur Bildung der sog. „mehrkernigen“ Leukocyten führt, ist überhaupt keine ächte Kerntheilung. Denn die Tochterkerne wachsen durchaus nicht zu der Grösse des Mutterkernes heran, son- dern sie repräsentiren diesen noch immer in ihrer Summe. Eshandeltsichmithin, selbst wenn dieKerndurchschnürung vollständig wird, doch immer nur um einen Polymorphis- mus der Kernmasse. Am allerwenigsten handelt es sich hier um degenerirende Leukocyten. Das ist keine degenerative Fragmentirung, denn es ist z. B. beim Salamander sehr schwer, einen „mehrkerni- gen“ in Chromatolyse befindlichen Leukocyten zu treffen; vielmehr haben wir in diesen Zellen immer exquisit lebenskräftige und aktions- fähige Individuen vor uns. 516 Martin Heidenhain: oder drei Gentrosomen zu einer Gruppe vereinigt. In Fig. 15 u. 18 habe ich Abbildungen gegeben, welche die Central- körpergruppe als Verklumpungsfigur zeigen; diese Zellen wurden nachgezeichnet, weil hier augenscheinlich einige der van Bene- den’sehen Körner die Farbe zurückbehalten haben. Charakteri- stischer ist die in Figur 19h gegebene Abbildung. Ich glaube mich in sehr vielen Fällen davon überzeugt zu haben, dass die bekannte Entdeckung Rindfleisch’s die Aus- stossung der Kerne betreffend völlig zu Recht besteht. Wird der Kern exmittirt, dann bleiben, wie ich denke, die Centrosomen in den rothen Blutkörperchen zurück, sind aber bei der völlig ausgebildeten kernlosen Blutzelle nicht mehr mit Sicherheit nach- weisbar (vergl. pag. 442, Anmerkung). Für diese meine Auf- fassung, dass der Kern zwar ausgestossen wird, die Centrosomen aber in die Blutkörperchen-Substanz aufgenommen worden, spricht unter anderem auch die eben eitirte Fig. 19h, denn hier ist der Kern in der Ausstossung begriffen. Was mir noch bemerkenswerth erscheint, sind die völlig glatten Abhebungen der Zellsubstanz von der Kernmem- bran, welehe man so ungemein häufig an den Erythroblasten trifft. Dies scheint mir ein neuer Beweis dafür zu sein, dass in der That der Kern nur in die interfilaren Räume eingeschoben ist. So erklärt sich am leichtesten die Möglichkeit der Aus- stossung des Kerns. Was die Mechanik der Ausstossung anlangt, so möchte ich darauf hinweisen, dass sich dieselbe auf das leichteste nach dem für den Leukocyten von mir aufgestellten Spannungsgesetze des cen- trirten Mitoms erklärt. Man denke sich, dass in dem Schema der Fig. 85 jene Grenzschicht des Protoplasmas, welche die interfilaren Räume nach aussen hin abschliesst, einreisst: dann muss der Kern sofort aus der Zelle austreten, da er ja von vornherein durch die besonderen Spannungsverhältnisse des Mi- toms gegen die Grenzschicht hingetrieben wurde. 37. Am Schlusse dieses Capitels komme ich noch auf die Frage zu sprechen, ob die in Obigem besprochenen Stellungs- gesetze des Mikrocentrums auch bei anderen Zellen als gerade Leukoeyten Geltung haben und ob der auch an anderen Orten Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 517 vorkommende Polymorphismus der Kerne vielleicht hie und da die nämlichen Ursachen habe wie in unserem Falle. Ich bin nun nieht gewillt meine Erfahrungen und Anschau- ungen, die ja nur von einer beschränkten Stelle herstammen, sofort verallgemeinern zu wollen. Indessen möchte ich einst- weilen auf ein Objekt hinweisen, welches sehr grosse Ueberein- stimmungen mit den Lymphkörperchen zeigt; dies sind die Chro- matophoren der Fische, deren intimere Struktur ja neuerdings in eingehender Weise von Solger und Zimmermann verfolgt worden ist. Im Zusammenhalte der Untersuchungen dieser beiden Forscher kann man das Bestehen eines vollständigen centrirten Systems bei diesen Zellen für nahezu gewiss annehmen. Bei Leueisceus dobula habe ich die betreffenden Zellen, aller- dings nur in ungefärbtem Zustande, untersucht und mich gleich den genannten Autoren davon überzeugt, dass jener helle Fleck, welcher die Lage des Mikrocentrums angiebt, eine rein cen- traleLagehat. DiealshellereFleckensichtbaren Kerntheile liegen hiergegen ausnahmslos peri- pher, d. h. in der Richtung der grössten interfilaren Räume), und da Zimmermann zwischen den einzelnen Kernstücken feine Verbindungsbrücken auffand, so zweifle ich nicht im mindesten, dass auch hier die Zerschnürung des Kerns, beziehungsweise dessen Fragmentirung, die gleichen Ursachen hat, wie beim Leu- kocyten. Sollten nun nicht die Beobachtungen an Lymphoeyten und Pigmentzellen vorweg die Annahme gestatten, dass z. B. bei eylindrischen Epithelzellen die basale, d. h. periphere Stellung des Kerns analoge Ursachen habe? Für Zellen mit exeentrischer Lage der Kerne und reichlicher Ausbildung der protoplasmati- schen Substanz ist nach den von mir gegebenen Prineipien die Lage des Mikrocentrums a priori leicht auszurechnen; sollten wir 1) Ich möchte hier als eine gelegentliche, aber immerhin nicht unwesentliche Beobachtung noch folgendes anführen. Bei der Unter- suchung der Phagocyten vom Proteus stiess ich auf viele Zellen, innerhalb deren die als Fremdkörper in den Zellleib aufgenommenen Klumpen und Ballen todter Substanz eine fast ganz reine Rand- stellung zeigten, während das Mikrocentrum central lag. Mithin weichen auch andere Körper, nicht bloss die Kerne „in der Richtung der grössten interfilaren Räume“ aus. 518 Martin Heidenhain: nicht versuchen, ein derartiges Verfahren als Mittel der Forschung zu benützen? Capitel III: Ueber den Versuch Flemming’s, aus der Duplieität der Centralkörper eine „Polarität* der Zelle herzuleiten. 38. Flemming hat in einer seiner neueren Arbeiten (29) die Theorie van Beneden’s von der bilateralen Symme- trie der Zelle wieder aufgenommen. „Seit die einseitige Lage der Attraktionssphäre am Kern festgestellt ist, kann man gewiss mit Grund mit van Beneden sagen, dass die Zelle ein bilateral symmetrischer Organismus ist, der durch eine die Sphäre und den Kern mitten durehsehneidende Ebene in zwei Antimeren zerlegbar wäre“ (29; pag. 711). Wie man sieht, nimmt Flemming hierbei auf die im Kern selbst enthaltenen Strukturen keine weitere Rücksicht, und es ist doch schliesslieh die Frage, ob bei allen Zellen im Inneren der Kerne eine symmetrische Anordnung vorhanden ist. Wir müssten wahrscheinlich sogar für den Kern eine polysymmetrische Anord- nung der Theile fordern: erst dann nämlich würde es in jedem Falle gelingen, die Symmetrieebene des Kernes so lange um ihre Achse zu drehen, bis das Centrum der Astrosphäre in dieselbe zu liegen kommt. Indessen hat Flemming daran ganz Recht gethan, bei seinen hier zur Diskussion stehenden Spekulationen das Innere des Kernes (als vorläufig unentwirrbar) bei Seite zu lassen und ich will seinem Vorgehen hierin geme folgen. Flemming fährt dann nach Obigem folgendermaassen fort: „Wenn aber das zutrifft, was ich hier vermuthungsweise hinstellte* (— dass nämlich die beiden Centralkörper einander ungleichwerthig sind —), „so haben wir eine noch weitergehende Örientirung in der Zelle. Wir haben dann nicht nur eine Me- dianebene derselben, in welcher die Lage der Achse ausserhalb der Mitose nicht bestimmt anzugeben wäre, sondern eine Achse, welche....... dureh die verlängerte Verbindungslinie der bei- den Centralkörper gegeben wäre. Und zwar eine Achse, deren zwei Enden ungleichwerthig sein können, sowie die beiden Oen- tralkörper ungleichwerthig sind: so dass Verschiedenheiten der Zellsubstanz in verschiedenen Theilen der Zelle auch hierauf, nicht bloss auf den antimeren Bau bezogen werden können.“ Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 519 Mir scheint, Flemming ist hier etwas rasch vorgegangen, denn ge- setzt auch, wir brächten es fertig, die Symmetrieebene des Kerns so anzulegen, dass sie durch die Mitte der Astrosphäre geht, wer steht dann dafür ein, dass die „Zellenachse“, von welcher Flemming spricht, das heisst die verlän- serte Verbindungslinie der Centralkörper, in jene Symmetrieebene hinein zu liegen kommt? Diese Construktionslinie könnte ja ebenso gut unter einem belie- bigen Winkel die Symmetrieebene der Zelle schneiden! Hat diese Linie überhaupt einen construktiven Werth für dieBeurtheilung derintimenBauverhältnisse desZellkörpers oder hat sie einen solehennicht? Diese Theorie von der bilateralen Symmetrie der Zelle, in der speeifischen Ausgestaltung, welche ihr Flemming gegeben hat, erregte mein ganz besonderes Interesse, weil ich einsah, dass es an der Hand meiner Präparate wohl möglich sein würde, bestimmte Anhaltspunkte für oder gegen diese Theorie zu ge- winnen. Es war für mieh gewiss nur durchaus naheliegend, bei der von mireonstatirtenthatsächlichen Ungleich- werthigkeit der Gentrosomen nachzuforsehen, ob für die von Flemming eonstruirte Zellenachse, das ist die durch die beiden Centrosomen hindurchgelegte Linie, irgend eine gesetz- mässige Lagebeziehung, besonders gegenüber dem Kern, nach- weisbar wäre. 39. Hier kann sogleich eingewendet werden, dass die Lymphkörperehen für eine solehe Untersuchung insofern unge- eignet sind, als in Folge der ihnen zukommenden Fähigkeit der amöboiden Bewegung das Mikrocentrum mit seinem Inhalt ja schliesslich jede beliebige Stellung einnehmen könnte. Hierauf habe ich zu erwidern, dass bei ruhenden Zellen das Mikrocentrum, wie ich schon ausführlich dargelegt habe, durch- aus nicht in der Lage ist, jede beliebige Stellung innerhalb der Zellen einnehmen zu können, sondern dass in diesen Fällen die Bewegungsexkursion, welche ihm gestattet ist, eine geringe und gesetzmässig normirte ist. Selbstverständlich werden den nachfolgenden Auseinandersetzungen über die Zellenachse nur solche Elemente zu Grunde gelegt werden, bei denen das Mikro- eentrum seine ursprüngliche Stellung in der Nähe der Kernober- 520 Martin Heidenhain: fläche, bezw. an oder in einer Kernbucht beibehalten hat. Hierzu gehören dann auch eine Reihe von Zellen mit regelmässig huf- eisenförmigen Kernen oder Kernen von mehr weniger vollkom- mener Ringform. Schliesslich wollen wir fernerhin bei der Be- urtheilung dieser Dinge uns vorwiegend an die grössten Formen der Lymphzellen aus demKnochenmarke halten. Diese sind dann zugleich „sessile* Lymphoeyten. Sie liegen auch meist in Gruppen bei einander, so wie sie gerade eben durch Theilung entstanden sind. Von den in den Tafeln gegebenen Abbildungen betrachte ich demgemäss als ausschlag- gebend nur die Figuren 1—4, 6—11, 25—30, 32 und 33, 35 und 36. Aber ich bitte weiter zu hören! Bei der Auswahl der Zellen zu dem vorliegenden Zwecke bin ich so vorsichtig gewesen, wie überhaupt nur immer denkbar ist. Bei Herstellung der eben angeführten Zeichnungen, wie überhaupt bei allen denjenigen Figuren, bei welchen die Linien des Strichkreuzes (entweder nur eine oder beide) in die Zeich- nung eingetragen worden sind, wurden ausserdem Zellenindividuen ausgesucht, deren Constitution aus anderen Gründen am ehesten einer vollkommenen Ruhelage entsprechen dürfte. Die betreffenden Zellen waren so vollkommen symme- trisch, dass die Centralkörpergruppe in einen grössten Durch- schnitt des Kerns zu liegen kam, welcher zugleich die Symme- trieebene desselben vorstellte. Es wurden alsoZellen ausgewählt, bei denen eine bestimmte Einstellungsebene einem gröss- ten, den Kern zugleich symmetrisch theilenden Durcehschnitteentsprach, wobei gleichzeitig beide oder alle drei Centrosomen in eben dieselbe Einstellungs- ebene zu liegen kamen. Mithin ist in diesen Zellen die eine Hälfte das Spiegelbild der anderen. Nur ganz kleine Abwei- chungen von den hier eben aufgestellten Bedingungen der Zeich- nung habe ich mit in Kauf genommen, jedoch sind diese in den Figurenerklärungen besonders angemerkt worden. Diese Zellenindividuen sind natürlich unter Tausenden her- ausgesucht worden und kein anderer Untersucher wird sie wieder in ähnlicher Weise zusammenstellen können, ausser der betreffende hat einannähernd ebenso reichesMaterial vor sich, als mirzuGebote stand. Neue Untersuchungen über die Öentralkörper etc. 521 In den genannten Abbildungen entspricht mithin die Ebene der Zeichnung, die Papierebene, der Symmetrieebene der Zellen. Ich glaube ganz un- bedenklich annehmen zu dürfen, dass die Ausbildung derartig strenger Symmetrieverhältnisse, wie sie hier vorliegen, nur dann zu Stande kommen kann, wenn der Zellenkörper, das contraktile Mitom, in einer sehr vollkommenen Ruhelage befindlieh ist. Die zu den Figg. 10, 29, 31 und 34 gehörigen Zellen zeigen einen hufeisenförmigen Kern, dessen Schenkel, so weit das be- urtheilt werden konnte, bei einer bestimmten Einstellungsebene einen optischen Querschnitt (nicht Schiefschnitt!) er- möglichten; bei dieser Einstellungsebene, bei welcher der Auswahl der Zellen nach auch die beiden oder alle drei Centralkörper zu- gleich sichtbar sein mussten, wurde dann gezeichnet. Die Verbindungslinie der Centralkörper, die Flemming’sche Zellenachse ist mit AB bezeichnet worden, wobei der Buchstabe A nach der Seite des grösseren, des ältesten Centrosomas hin, gesetzt worden ist. Waren beide Centrosomen gleich gross, so ist die Bezeichnung AA gewählt worden, um die Gleichwerthigkeit der beiden Enden dieser Linie zum Ausdruck zu bringen. War ein Nebenkörperehen, ein Centrosomation, vorhanden, so habe ich die zweite Linie des Striehkreuzes — CD — durch dasselbe hindureh- gelegt, wobei der Buchstabe C nach der Seite des Centrosomations zu liegen kommt!). Auf diese Weise habe ich mithin einen ganz leichten Ueberbliek über die Lage und gegenseitige Stellung der Centralkörper in diesen Figuren geschaffen. Hier muss ich noch Eines hinzufügen. Wenn drei Central- körper vorhanden sind, so würde die durch die beiden grösseren Centralkörper hindurchgelegte Linie wohl nicht mehr ganz einer Zellenachse im Sinne Flemming’s entsprechen. Dadurch, dass von dem grössten, ältesten Centralkörper ein Centrosomation ab- gegeben worden ist, würde wohl jene Linie eine Ablenkung er- fahren, welche indessen kaum zu berechnen ist. Daher folgt, dass man bei einer vergleichenden Untersuchung über die Lage der mit AB bezeiehneten Konstruktionslinie nicht ohne Weiteres von einer Zelle mit zwei zu einer Zelle mit drei Centralkörpern 1) Ueber die Manipulationen mit dem Strichkreuz zur Bestimmung ler Lage der Centralkörper ist in Absatz 7 berichtet worden. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 34 522 Martin Heidenhain: = übergehen kann, sondern man muss die Zellen je nach der Lage der Dinge im Mikrocentrum in zwei Gruppen scheiden und darf bei der Vergleichung selbst sieh immer nur innerhalb ein und derselben Gruppe bewegen. 40. Hat nun die Linie AB den Werth einer Zellenachse oder nicht? Sind in der Richtung dieser Linie die Bestandtheile des Zellleibes in constanter Weise ange- ordnet oder ist dies nicht der Fall? Ich ziehe hier gleich das schlagendste Beispiel an: bei einem Vergleich der Figg. 25 und 28 ergiebt sich, dass die „Zellenachse“ in dem einen Fall ganz genau die entgegengesetzte „Polarität“ zeigt wie in dem anderen. Hier gilt nun nicht der Fall, dass die Ausnahme die Regel bestätigt, vielmehr beweist diese Gegenüber- stellung auf das schlagendste, dass die durch die beiden Central- körper der Zelle gelegte Linie keinen besonderen, construk- tiven Werth haben kann. In den beiden vorgeführten Fällen steht AB senkrecht zur Oberfläche des Kernes. Vergleichen wir hier- zu die Figg. 3 und 32, so zeigt sich, dass hier die Linie AB um ein Bedeutendes von der Normalen auf den Kern abgewichen ist. In allen diesen Zellen ging die Linie AB einerseits durch den Kern hindurch. Erlauben wir uns ferner die Fig. 29 mit heranzuziehen, so finden wir einmal die Ebene, in welcher die drei Centrosomen liegen, gegen die Ebene ihrer vorherigen Lagerung um 90° gedreht und zweitens kommt AB nunmehr gänzlich in das Zellenprotoplasma hinein zu liegen. Ich glaube also, dass selbst der grösste eonstruktive Wagemuth nicht irgend eine regelmässig durchgreifende Lagebeziehung zwischen den Centrosomen und dem einzig hier in Betracht kommenden Kern herausfinden wird. Gehen wir dann zu Leukocyten mit nur zwei Centralkörpern über, bei denen wir also eine eigentliche „Zellenachse“ im Sinne Flemming’s construiren können, so gelangen wir zu den nämlichen Resultaten (ef. unter anderem die Figg. 1, 4, 8, 9, 10, 11, 35, 36). Vergleichen wir Fig. 8 mit 4 oder 35, so finden wir eine Drehung der Linie AB um 90°; beim Uebergang zu Fig. 9 wächst dieser Winkel weiterhin und dürfte einen Werth von über 140° erreichen, so dass wir wiederum in der Nähe einer „Umkehr der Polarität“ stehen. Ziehen wir ferner Fig. 10 und 11 zum Vergleich mit heran, so sehen wir, dass es Fälle giebt — und sie sind Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 523 recht häufig —, in denen die Linie AB ganz ausserhalb des Kernes verläuft. IchziehealsovonneuemdenSchluss, dass in der Richtung der von Flemming als Achse be- ‚zeichneten Linie innerhalb derZelletypischsich wiederholende Anordnungen nicht statt haben. Die Lage dieser Linie, welche überhaupt nur nach der Stellung des Kerns taxirt werden kann, ist mit Beziehung anf diesen eine gänzlich beliebige, selbst wenn, wie in unserem Falle, mit ganz besonderer Sorgfalt unter Tausenden von Zellen nur einige wenige der Untersuchung zu Grunde gelegt werden, bei denen der Voraussetzung nach am allermeisten sich gesetzmässig fixirte Lagebeziehungen herausgebildet haben könnten. 41. Ich muss es schliesslich allerdings als möglich bezeichnen, dass bei fixen Gewebezellen die Lage der beiden Centralkörper eine fixe werden könnte (vergl. 29; pag. 713). Sollte sich dieses herausstellen, dann würden wir, wie ich meine, . vor einer fundamentalen Thatsache stehen, welche den nächsten Anhaltspunkt für eine allgemeine Theorie der Gewebe geben würde. Indessen halte ich vorläufig die angedeutete Wahr- scheinlichkeit für eine sehr geringe. Flemming hat ferner daran gedacht, dass die von der äusserlichen Erscheinungsweise abgeleitete ‚„Polarität‘‘ der Zellen, wie sie Rabl versteht, mit der gegenseitigen Lagerung der beiden Centralkörper in Zusammenhang gebracht werden könnte. Nach meinen Erfahrungen kann ich wohl versichern, dass wir für eine derartige Annahme vorläufig noch nicht die geringste Unterlage haben. Wenn die Flemming’sche Zellenachse bei fixen Gewebe- zellen wirklich eine fixe Lage haben sollte, dann würde ja aller- dings auch eine constante Lagebeziehung zu der Zellenachse im Sinne Rabl’s bestehen, denn diese letztere hat ja zunächst bei den Epithelzellen von vornherein in Bezug auf die räumliche Aus- dehnung der Zelle eine constante Lage, insofern sie immer von der freien zur basalen Fläche geht. Indessen fehlt vorläufig jene ursächliche Beziehung, welche angeblich zwischen jenen durch die beiden gedachten Construktionslinien (Flemming 's und Rabl’s) zum Ausdruck gebrachten Lagerungs- oder Struktur- verhältnissen bestehen soll, vollständig. Mithin glaube ich, dass der Flemming’'sche 524 Martin Heidenhain: Versuch die Rabl’sche „Polarität“ der Zellen aus demfeineren Strukturdetailherauszubegründen, bis jetzt als verfehlt gelten kann. Capitel IV: Die mitotischen Schlussbewegungen. (Telophasen, Telokinesis.) 42. Unter demNamenTelokinesisbeschreibe ichgewisseBewegungendesKernsund desMikro- centrums, welche gegen das Ende der Mitose hin stattfinden und in so ferne wenigstens völlig ty- pischablaufen, als sieimmereinenganzbestimm- ten Schlusseffekt zu Stande kommen lassen. Die zugehörigen Stadien der Mitose bezeichne ich als Telophasen. Diese Beobachtungen sind wesentlich neue, obwohl schon, wie ich glaube, von anderen Beobachtern diese oder jene Einzelheit vorweggenommen worden ist, ohne dass dabei, worauf ich eben Gewicht lege, die prineipielle Bedeutung dieser Dinge erfasst wurde. Die neue Namengebung selbst rechtfertigt sich dadurch, dass den betreffenden Bezeichnungen ein ganz bestimmter begrifflicher Inhalt zukommt, welcher noch nicht in eine feste Form gefasst wurde. Das Problem, um welches es sich in dem nachfolgenden kleinen Kapitel handelt, ist im wesentlichen folgendes. Viele Forscher würden wohl glauben, dass die Mitose in jenem Augenblicke, in welchem das Stadium des Schemas der Fig. 8STD erreieht wurde, im Grossen und Ganzen abgeschlossen ist. Es würde, so werden nun viele denken, nichts weiter fehlen, als dass der Kern, dessen Membran schon sichtbar ist, völlig zur Ruhe zurückkehrt und das der betreffenden Zellenspecies durch- schnittlich zukommende Volumen gewinnt. Nun haben mir aber meine Untersuchungen am ruhenden Leuko- eytengezeigt, dassdiesnochlangenichtdasEnde der Mitose sein kann. Denn bei den beiden hier vorliegenden Tochterzellen (Fig.87D)istvorallem nochnichtdastypischeLagerungsverhältnissvon Mikrocentrum und Kern, so wieesinderruhenden Zelle statthat, wieder hergestellt. Beim Leukocyten Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 525 und gewiss auch bei vielen andren), freilich wohl nicht bei allen Zellenarten, finden wir in dem Momente, in welchem die ana- phatische Verkürzung der Polfädengruppe eine vollständige (de- finitive) geworden ist, das Mikrocentrum auf engem Raume zwischen Kern und Zellenperipherie .eingeklemmt. Das Mikrocentrum hat also hier eine periphere, der Kern eine mehr eentrale Stellung, wie sie beim ruhenden Leukocyten wenigstens niemals vorkommt. Es ist nun klar, dass, wenn der ruhende Leukoeyt, wie ausführlich gezeigt wurde, dem Schema Fig. 85 entsprieht, an dieser Stelle die mitotischen Bewegungserscheinungen unmöglich zu Ende sein können. Vielmehr muss noch eine besondere Form der Bewegung des Zellinhaltes statt haben (Telokinesis), welche das Mikrocen- centrum an seinen typischen Ort zunächst der Zellenmitte zurück- führt und dem Kern seine periphere Stellung anweist. Am Ende der Mitose muss also das zunächst vorhandene gegenseitige Lage- rungsverhältniss von Mikrocentrum und Kern, wie es in dem an- gezogenen Schema der Fig. 87 D zum Ausdruck gebracht wurde, eine völlige Umkehr erleiden: Es darf nicht der Kern eentral unddasMikrocentrumperipher, son- dern umgekehrt: es muss schliesslich das Mikro- centrum eentral und der Kern peripher liegen. Diese am Ende der Leukoeyten-Mitose Platz greifenden Be- wegungsvorgänge, welche diesen typischen Effekt haben, den nor- malen ruhenden Zustand der Zelle völlig wieder herzustellen, be- zeichne ich als Telokinesis und die mikroskopischen Bilder, _ welche diesem Vorgange entsprechen, heissen demgemäss T e- lophasen?). Man könnte nun gleich einwenden, dass diese mitotischen Sehlussbewegungen sehr unscheinbare sind gegenüber den anderen 1) Man vergleiche zum Beispiel die hübschen Abbildungen von Kostanecki’s. 2) Telokinetische Figuren, welche meinen Abbildungen entspre- chen, hat, denke ich, bisher nur Moore von den Geschlechtszellen der Salamanderlarve her abgebildet. Die von diesem Autor vorgetragene Auffassung der Reconstitution der Sphären ist gewiss falsch und die Deutung der von ihm gesehenen Bilder unrichtig. Die Arbeit von Meves (67), welche ebenfalls mitotische Schlussbewegungen betrifft, kann ich an dieser Stelle nicht verwerthen, da zu einer genauen Lage- bestimmung der Sphäre vor allem die Färbung der Centrosomen ge- hört, die ich bei diesem Autor gänzlich vermisse. 526 Martin Heidenhain: Erscheinungen des mitotischen Processes, und dass es aus diesem Grunde nicht verlohne, eine neue Phase der Mitose aufzustellen. Hier muss ich entgegnen, dass zwar allerdings diese Erscheinungen sehr unscheinbare sind, — im anderen Falle würde man sie längst genauer kennen —, allein, dass die Telokinesis einen besonderen Absehnitt des mitotischen Processes vorstellt, das kann man sehr leicht daraus entnehmen, dass die Bewegung der Mikrocentren, welche im Laufe der Anaphasen in der Richtung der Spindel- achse statt fand (in Folge der Verkürzung der Polfäden), nun plötzlich eine mehr weniger stark rückläufige wird. An diesem Punkte, so reehne ich, hört die Anaphase auf und die Telokinesis beginnt. Zudem möchte ich doch aus- drücklich betonen, dass ich vorläufig nur für den Leukoeyten das Vorkommen dieser Phase der Mitose als etwas Wichtiges in Anspruch nehme. Diese Bewegungen können bei dun Mitosen vieler Zellen- arten vielleicht fehlen. Sie können überhaupt nur dann eintreten, wenn im Laufe der Anaphase der Theilungspol eine stark excen- trische Lage einnimmt und wenn andrerseits für dieselbe Zellen- art während der Ruhelage eine centrale Stellung der Sphäre der gewöhnlich zutreffende Fall ist. Dann muss aber auch eine der- artige Bewegungserscheinung am Schlusse der Mitose stattfinden, welche in meinem Sinne als Telokinesis zu bezeichnen ist. Im Allgemeinen dauern die mitotischen Bewegungserschei- nungen (auch am Kern) um Vieles länger, als bisher angenommen wurde. Das lehrten übrigens schon die schönen Untersuchungen von Kostanecki’s, welcher mit grossem Erfolge ein besonderes Studium aus den späten Stadien der Mitose gemacht hat. Für das mir vorliegende Objekt, den Leukoeyten, muss ich behaupten, dass die Mitose erst dann wirklich völlig zu Ende sei, wenn die beiden Tochterzellen sich von einander ablösen. Es vergeht gewiss aber noch ein langer Zeitraum von dem Augenblicke an, wo die Kern- membran erscheint, bis zu dem Momente, in welchem die neuge- bildeten Töchterzellen völlig frei werden. Was während dieser Zeit geschieht, ist sehr schwer zu ermitteln, denn die zugehörigen Phasen der Mitose fallen in den Präparaten äusserst wenig ins Auge und es ist sehr schwer, ihrer habhaft zu werden. Thatsache ist aber, dass die Tochterzellen noch nach der Durchschnürung des allergrössten Theiles des Zellenprotoplamas an dem Punkte, Neue Untersuehungen über die Centralkörper etc. 527 an welehem sich das Flemming’sche Körperchen !) befindet, sehr lange in Zusammenhang bleiben, und dass die Telokinese erst nach der völligen Ausbildung des Flemming’schen Körperehens und, wie ich denke, auch erst nach der völligen Anlage der Kernmembran beginnt. Da mithin die Telophasen beim Leuko- eyten unter anderem auch durch die Gegenwart des Flemming’- schen Körperchens typiseh gekennzeichnet sind und in der Folge die Frage erledigt werden muss, ob dieses Gebilde in einer näheren Beziehung zu den Wanderungen des Mikrocentrums steht, so will ich zunächst, als eine schickliche Einleitung, darüber be- richten, was mir von der Entstehung und den fernern Schick- salen jenes Körperchens bekannt geworden ist. 43. Ich komme hier noch einmal auf die bereits oben eitirte Arbeit von Kostanecki’s zurück. Wie ich bereits früher bemerkte (Absatz 21), scheinen die Vorstellungen dieses Autors darauf hin- auszulaufen, dass das Zwischenkörperchen am Ende der Mitose in die Substanz der Astrosphäre wieder aufgenommen wird; man müsste dann im Sinne von Kostanecki’s folgern, dass aus dem Zwischenkörperchen die Centralspindelkörperchen einer neuen Theilungsfigur hervorgehen. Allerdings sind in der Arbeit von Kostanecki’s nebenbei auch Hinweise darauf gegeben, dass ein Theil der Centralspindelkörper nicht in die Substanz des Flem- ming’schen Körperchens aufgenommen wird, sondern dass nach der Durchtrennung der ihnen entsprechenden Centralspindelfäden zum Theil die Körperchen auf direktem Wege in die Astrosphäre zurückkehren. Wie ich schon oben erwähnte, reichen meine Präparate bei weitem nicht aus, um die durch von Kostanecki beschriebenen Centralspindelkörperchen irgendwie genauer beobachten zu können, und sollten eine Reihe derselben schon in der ruhenden Astro- sphäre vorhanden sein, so werden sie an der Hand der von mir gebrauchten Methode sich nicht gut nachweisen lassen. Was dagegen das Flemming’sche Körperchen anlangt, so ist das- selbe in meinen Präparaten sehr gut sichtbar, und ich kann nur wiederholen, dass dasselbe beim Lymphocyten ganz gewiss nicht am Schlusse der Mitose in die Astrosphäre aufgenommen wird 1) „Flem ming’schesKörperchen“, so nenne ich kurzweg das von Flemming entdeckte Zwischenkörperchen. 528 Martin Heidenhain: (siehe unter Absatz 21). Dies wird aus dem Nachfolgenden noch mit genügender Sicherheit hervorgehen. Ueber das schliessliche Verhalten der Central- spindel liess sich an den telokinetischen Figuren der Lymph- zellen mancherlei in Erfahrung bringen. Von mehreren Autoren, unter anderem auch von mir selbst, ist die Ansicht vertheidigt worden, dass die sogenannten Verbindungsfäden nichts anderes seien als die Fasern der Centralspindel. Bei dieser Auffassung bin ich vorläufig gewillt zu bleiben, so lange bis nicht thatsäch- lieh nachgewiesen wird, dass ausser den von Pol zu Pol durch- gehenden Fasern allgemein noch andere die Chromosomen direkt verbindende Fasersysteme vorhanden sind. Diese Central- spindelfasern werden nun, wie das jetzt schon so vielfach be- schrieben worden ist, auch bei der Mitose der Lymphzellen ge- legentlich der äquatorialen Einschnürung in Form eines Doppel- kegels zusammengefasst, wobei die Spitzen der beiden Kegel an der Stelle des Flemming’schen Körperchens zu finden sind. Ueber das weitere Schicksal dieser Bildungen gehen die Ansichten weit auseinander. Ich glaube, dies wird wohl daher rühren, dass ganz allgemein bei verschiedenen Objekten das Ver- halten der Centralspindel am Schlusse der Mitose ein verschie- denes sein kann. Hierauf weisen schon die Beobachtungen von Meves hin, denen zu Folge bei den Spermatogonien von Sala- mandra es überhaupt nieht zur Bildung eines Flemming’schen Körperehens kommt. Nach von Kostanecki würde, ehe noch die Kernmembran völlig geschlossen ist, die Substanz der Central- spindel wieder in die Astrosphäre hineinbezogen werden. Für die Mitose der Lymphzellen trifft dies aber nicht zu. Die von dem Flemming’schen Körperehen aus in die Tochterzellen ein- tretenden strang- oder kegelartigen Reste der Centralspindel sind noch in sehr späten Stadien der Telokinese zu beobachten, in denen die Kerne anscheinend schon die Ruheform angenommen und ihre völlige Grösse erreicht haben, in Stadien, in denen auch der während der Mitose zuvor verloren gegangene äussere Con- tur der Sphäre wieder mit voller Deutlichkeit hervortritt (Fig. 14). — Aus der Form des Doppelkegels gehen die Central- spindelreste während der Telokinese in eine einfache Strang- form über (Figg. 23; 44—-47), und dieser Strang ist in Bordeaux- Eisenhämatoxylinpräparaten stark färbbar. Am stärksten ist die Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 529 Farbengebung alle Mal in der Nähe des Flemming ’'schen Körperehens, während nach den Enden hin das Gebilde allmäh- lich unsichtbar wird. Ferner erscheint dieser Strang auf seiner Oberfläche häufig stark höckerig, so dass man den Eindruck einer im Verfall begriffenen Bildung vor sich hat. Aus den angezogenen Bildern auf den beiden ersten Tafeln geht unmittelbarhervor, dass durch das Dazwischentreten der Kernmembran die Cen- tralspindelrestevonderAstrosphäreabgeschnit- ten werden. Mithin entsteht die Centralspindel zwar aus der Astrosphäre, oder richtiger gesagt: aus der im Mikrocentrum vorhandenen primären Centrodesmose, durch ein allmähliches, mit lebhafter Assimilation verbundenes, veritables Wachsthum und begleitender Differenzirung, allein der mittlere Theil der Central- spindel kehrt nie wieder in die Astrosphäre oder das Mikrocen- trum zurück, sondern derselbe ist noch zu einer Zeit, wo Kern und Astrosphäre sich schon in allen ihren Theilen in vollkom- mener Weise von neuem angelegt haben, noch immer innerhalb des Cytomitoms sichtbar. Ob übrigens in jenen Strängen, welche man in den Fig. 44—47 sieht, die mittleren Theile aller Cen- tralspindelfasern enthalten sind, das vermag ich nicht an- zugeben. Die in den ursprünglich vorhandenen Centralspindel- faser-Doppelkegeln enthaltenen fädigen Elemente könnten ja even- tuell verschiedene Schicksale haben. Mit von Kostaneeki und Flemming nehme ich an, dass die in meinen Präparaten nur ausnahmsweise einmal sicht- baren in Gestalt kleiner Körperehen zwischen den Tochtersternen im Bereich der Centralspindel auftretenden äquatorialen Differen- zirungen bei der Einschnürung der Mutterzelle (alle oder theil- weise) an einer eng begrenzten Stelle zusammentreffen und durch Verschmelzung wenigstens einen gewissen Antheil des Flem- ming schen Körperchens bilden helfen. Nun ist aber ganz Bucher, dasszunsdasKlemmine‘sche Körperchen noch ein zweiter Bestandtheil übergeht. Wenn man an recht gut gefärbten Präparaten aufmerksam das Körperchen betrachtet (Fig. 44 und 45), so hat man unmittel- bar den Eindruck, dass das Körperchen dadurch zu Stande kommt, dass an der betreffenden Stelle ein Ring gleichsam wie angeschmiedet dem Centralspindelstrange aufsitzt. Ich habe nun Martin’ Heidenhain: in einigen allerdings recht seltenen Fällen bei kräftiger Extrak- tion des Protoplasmas und an Zellen, bei denen das Flem- ming’sche Körperchen eigentlich noch nicht seine defini- tive Ausbildung erreicht hatte, deutlich beobachten können, dass dasselbe nur ein Verklumpungsprodukt ist und eigentlich einen Ring vorstellt, welcher auf dem von der Centralspindel herrührenden Strange gleichsam aufgezogen ist (Fig. 45). Man sieht in der That in solchen Fällen den Strang durch die Oeffnung des Ringes hindurchziehen. In späteren Stadien der Telokinesis scheint sich das Flem- ming’sche Körperchen zu theilen; so weit ich habe beob- achten können, sitzen dann die beiden Theilstücke der Oberfläche der Tochterzellen auf!) und zwischen beiden zieht sich ein Strang aus, welcher eine sehr bedeutende Länge erreichen kann; einen derartigen Strang sieht man in Fig. 46, hier war jedoch wiederum das Zwischenkörperchen als solches nicht zu erkennen. Da ich mitunter den auf den Strang aufgezogenen Ring verdoppelt ge- funden habe (Fig. 43), so schliesse ich auch für die Theil- produkte des Flemming’schen Körperchens, dass sie in der Art, wie man sie für gewöhnlich zu sehen bekommt, nur Ver- klumpungsfiguren vorstellen und durch die Verklebung zweier Be- standtheile entstehen, nämlich durch die Verschmelzung je eines Ringes mit einem entsprechenden Stückchen des Centralspindel- stranges. Woher stammen nun diese Ringe? Auf diese Frage bin ich nicht in der Lage, eine sichere Antwort geben zu können. Man wird sich wohl vorstellen müssen, dass die Durchschnürung des Zellleibes, speciell auch die eigenthümliche Zusammenraffung der Centralspindelfasern durch eirkulär an der Oberfläche verlaufende Mitomfäden erwirkt wird, welche vielleicht eine Art Schnürring bilden, der sich zusammenzieht. Man hat da jedenfalls wieder 1) Ob dies immer der Fall sei, und ob sich das Flemming’sche Körperchen immer theilen müsse, darüber will ich mich nicht äussern. Ich habe mir sehr grosse Mühe gegeben, das Flemming’sche Kör- perchen oder jene Ringe an der Oberfläche beliebiger ruhender Zellen aufzufinden. Gelänge dies, so würde man dadurch wohl neue Orien- tirungspunkte an der Zelle gewinnen, welche der Genese entsprechen, und dies wäre von Wichtigkeit. Eine durch eine färbbare Marke kenntlich gemachte Abschnürungsstelle müsste als „Zellennabel“ be- zeichnet werden. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. Sal einen deutlichen Hinweis auf die Existenz nicht-centrirter Zellen- fäden. Auf anderem Wege, glaube ich, ist die Existenz dieser einen Theil der Flemming schen Körperehen bildenden Ringe nicht erklärbar. Einige Male habe ich in der That auch an sol- chen Zellen, die erst im Beginne der Einschnürung begriffen waren, Andeutungen äquatorialer, eirkulärer Faserringe aufgefunden, welche in schwärzlichem Farbenton dargestellt und im übrigen ungemein fein waren. Leider zeigten sich die betreffenden mitotischen Figuren alle ohne Ausnahme einerseits angeschnitten, so dass sich die Hauptsache, nämlich die völlige Ringform der geschwärzten äquatorialen Differenzirung nicht nachweisen liess. Dagegen zeigt die bereits mehrfach eitirte Figur 43 einen Fall, der mir häufiger zu Gesichte gekommen ist: die Schnürringe sind nämlich un- mittelbar vor ihrer völligen Zusammenziehung zur Fixirung 'ge- kommen. Einen Augenblick später, und sie sitzen auf dem Cen- tralspindelstrange fest!). 44. Ich komme nun zu einer Beschreibung der- Jenigen gewegungserscheinungen, welche den typi- schen Bestandtheil der Telokinesis ausmachen. Es handelt sich, wie schon oben bemerkt, einerseits um 1) Anmerkung: Die bereits mehrfach beobachtete Theilung des Flemming’schen Körperchens dürfte auf eine Theilung des Schnürringes zurückzuführen sein, welche vermuthungsweise (vergl. Fig. 43) schon vor dem völligen Festsitzen auf dem Centralspindel- faden statt hat; dieser letztere selbst dürfte sich bei der Theilung ganz passiv verhalten. Die besprochenen Ringe sind von Benda (11; pag. 165) gesehen worden. Zur Zeit, als der genannte Autor hierüber in Göttingen Bericht erstattete, war mir diese Angelegenheit in allen ihren Theilen schon aus eigener Erfahrung bekannt und ich habe Herrn Collegen Benda damals schon hiervon Nachricht gegeben. Benda bezeichnet die Zwischenkörperchen als wahre Centrosomen (!) und glaubt, dass sie in die ruhende Sphäre zurückkehren. Von den doppelten Centrosomen der ruhenden Zelle soll eines dem Zwischen- körperchen entsprechen. Dies ist durchaus unmöglich. Die Ent- stehung der doppelten, dreifachen und selbst vierfachen Centrosomen kann, wie ich gezeigt habe, direkt verfolgt werden und das Zwischen- körperchen hat mit ihnen rein gar nichts zu thun. Die mit einander verbundenen Tochterzellenpaare können doppelte und dreifache Cen- trosomen zeigen und daneben ist dann immer noch das Zwischen- körperchen sichtbar (Fig. 21, 22, 44, 47). 532 Martin Heidenhain: Wanderungen des Mikrocentrums, andererseits um Wanderungen des Kerns, welche jedoch von den Bewegungen des ersteren theilweise abhängig sind. Ich habe nun eine ganze Reihe telo- kinetischer Figuren abgebildet; der Leser findet sie in den Ab- bildungen 14, 21 bis 24 und 44 bis 47. Ich will jedoch vor- läufig nur einen speciellen Fall vorlegen, in welchem die Telo- kinese einen bestimmten typischen Gang inne gehalten hat und zu einem ganz bestimmten Ende geführt hat (Fig. 46), wie man es gar nicht selten in den Präparaten zu sehen bekommt. Es liegt dann das Mikrocentrum der Tochterzelle schliesslich nicht mehr an derjenigen Seite des Kerns, an welcher es ursprünglich, durch den Verlauf der Anaphase, zu liegen kam, sondern es liegt nun ganz genau auf der gegenüberliegenden Seite des Kerns (Fig. 46). Mithin haben jetzt die Tochtermikrocentren ihre Stellung zwischen den beiden Tochterkernen, während vor- dem gerade das Umgekehrte statt fand (vgl. Schema Fig. 87 D)}). Wie sind nun die Mikrocentren an diese Stelle gekommen? Es würde sich offenbar nur um die Alternative handeln können, ob die Mikrocentren vor dem völligen Schluss der Kern- membran durch die Anlage des Tochterkerns hindurehwandern ?), oder ob sie ihren Weg erst späterhin um den Kern herum nehmen. Man würde ja zunächst daran denken können, dass etwa eine Contraktion der Centralspindelfibrillen statt hat, welche das Mikro- centrum durch den Kern hindurchzieht. Nun habe ich mich aber vollständig davon überzeugen können, dass die von der Central- spindel herrührenden Doppelkegel durch das Auftreten der Kern- membran ihren Zusammenhang mit dem Mikrocentrum verlieren, und zwar kann ich als Begründung jetzt weiterhin noch Fol- gendes hinzufügen. 1) Flemmin g hat uns eine derartige telokinetische Figur (mitoti- sche! Figur) irrthümlicher Weise als eine direkte Theilung vorgestellt. Die im Arch. f. mikroskop. Anatomie Bd. XXXVII, Taf. XXXIX, Fig. 26 abgebildete angebliche „Fragmentirung des Kerns mit nachfolgender Abschnürung“ (Text pag. 714) des Zellleibes ist lediglich als eine re- guläre Telophase aufzufassen. Diesem Irrthum Flemming’s bin ich früherhin selber gefolgt, indem ich Flemming’s Auslegung der ge- dachten Tochterzellenfigur ohne Weiteres folgte. 2) Etwas Aehnliches hat neuerdings Benda für ein anderes Objekt beschrieben (11; pag. 165). Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 533 Die völlige Abtrennung des Mikrocentrums von dem Central- spindelreste erkennt man eben gerade daran, dass man die Ver- schiebung des Mikrocentrums um einen mit einer vollständigen Mem- bran versehenen Kern herum an den auf einander folgenden Bildern direkt beobachten kann. Nachdem das Mikrocentrum aus seiner Anfangsstellung herausgerückt ist, kann man es an jeder belie- bigen Stelle der Kernperipherie treffen (vergl. die Abbildungen). Nie aber habe ich das Mikrocentrum zwischen den Chromatin- massen gefunden, und, wenn die Wanderung durch den Kern hindurchginge, hätte ich es auch an diesem Orte getroffen, denn bei der oft vollständigen Entfärbung des Chromatins in den Bor- deaux-Eisenhämatoxylinpräparaten kann man die Centrosomen ohne Weiteres auch erkennen, selbst wenn sie unter den Kern zu liegen kommen. Wenn die Astrosphäre, beziehungsweise das Mikrocentrum, in einer Lagerung getroffen wird, wie dies Fig. 22a zeigt, so kann dies unmöglich die Endstellung sein; denn das Mikrocen- trum hat hier noch nicht diejenige Lage erreicht, welehe für eine ruhende Zelle typisch ist. Hier ist das Mikrocentrum gerade auf seiner Wanderung begriffen und die Entfernung zwi- schen ihm und dem Flemming’schen Körperehen wird sich gewiss weiterhin noch stark verkürzen. Es kommen nun aber auch zahlreiche Fälle vor, bei denen das Mikrocentrum seine Stellung bereits fixirt hat, auch wenn es erst um ein Viertel oder ein wenig mehr um den Kernumfang herumgewandert ist. In diesen Fällen ist aber auch der Kern inzwischen seitlich — peripheriewärts oder in der Richtung der grössten interfilaren Räume — ausgewichen und die Situation in der Zelle gleicht dann durchaus derjenigen einer völligen Ruhe- lage (ein seitliches Ausweichen des Kernes gewahrt man in Fig. 23ß, 14ß und 21ß). Ja es kommen Fälle vor, allerdings nur selten, bei welchen überhaupt keine Wanderung des Mikrocen- trums um den Kern herum statt hat. Bei dieser Lage der Dinge weicht aber der Kern in der Richtung der Achse der ehemaligen Spindelfigur nach der gegenüberliegenden Seite der Zelle (peri- pheriewärts) aus und das Mikrocentrum folgt der Kermoberfläche in gleicher Richtung, so dass mithin doch wieder schliesslich die typische innere Form der ruhenden Zelle sich herstellt (vergl. Fig. S9 A als Anfangsstellung am Schluss der Anaphase mit 534 Martin Heidenhain: Fig. 89 E als Endstellung am Schluss der Telokinese, welche ohne Wanderung des Mikrocentrums um den Kern herum zu Stande kam). Da in vielen Fällen schon während der Wanderung des Mikrocentrums die Tochterkerne anfangen hufeisenförmig zu wer- den (Fig. 14, 21), wobei die sich bildende Einbuchtung dem Mikro- centrum zugewendet ist, so führe ich nach dem, was oben über die Ursachen der Hufeisenform der Kerne gesagt wurde (Absatz 36), die Bewegung des Mikrocentrums darauf zurück, dass wäh- rend der Telokinesis die organischen Radien der Zelle ihrer Ten- denz folgen, sich dem nämlichen Zustande der Spannung zu nähern, wobei sie denn auch, so weit dies möglich ist, ihrer mittleren durehsebnittlichen Länge gleichzukommen suchen. Oder mit an- deren Worten: dienach der Anaphase (Fig. STD) noch stattfindenden Bewegungen sind völlig gemäss dem von mir aufgestellten Spannungsgesetze des eentrirten Mitoms und die Wanderungen des Mi- krocentrums, wie auch die des Kerns haben ihre Ursache lediglich in dem möglichst weit fortge- führten Ausgleich der Spannungsunterschiede der organischen Radien, nach dessen Zustande- kommen erst wieder die Ruhelage des Mitoms er- reieht ist (Fig. 85). Wenn wir in diesem Sinne die ideale Darstellung eines Tochterzellenpaares in Fig. 87 D mit dem Schema der ruhenden Zelle in Fig. 85 vergleichen, so werden wir uns sagen müssen, dass die Bewegungen des Mikrocentrums wesentlich durch eine Verlängerung der Polfädengruppe und durch eine Verkürzung der am meisten gedehnten, über den Kern hinweg gespannten Fäden zu Stande kommt'). Das Schema der Fig. 87T E ferner zeigt das Mikrocentrum auf seiner Wanderung um den Kern herum und es wird sogleich, wenn man in der Lage ist sich die Sache anschaulich vorstellen zu können, klar, dass ein Theil der organischen Radien während der Bewegung des Mikroeentrums über die Oberfläche des Kerns hin- weggleitet. 1) Das genauere Verhalten des centrirten Systemes der Lymph- | zelle während der Mitose ist erst im theoretischen Theile besprochen. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 535 Die für den Einzelfall speeifische Form der Telokinese wird allemal durch den Nebenumstand bedingt, ob der Kern dem auf ihm ruhenden Drucke sofort oder erst später nachgiebt. Im ersteren Falle, wenn der Kern gleich anfangs in der Rich- tung der grössten, interfilaren Räume ausweicht, tritt eine Wan- derung des Mikrocentrums um den Kern herum überhaupt nicht ein. Erreicht umgekehrt das Mikrocentrum die gegenüberliegende Seite des Kerns, ohne dass derselbe sich bis dahin verschob, so kann nun die ganze Bewegung des Kerns, wenn eine solche hin- terber noch eintritt, nur darin bestehen, dass derselbe sich in der Richtung gegen die anfängliche Stellung des Mikrocentrums hin peripherwärts verschiebt. Findet eine Wanderung des Mikro- centrums statt, so kann ferner unterdessen der Kern durch Versehiebung nach der Zellenperipherie früher oder später eine definitive Lage erreichen und es kann darum die Stellung der Centralkörpergruppe sich früher oder später fixiren. Während der Telokinese, das will ich noch bemerken, bildet sich der periphere Contur der Astrosphäre, der van Bene- den’sehe Körnerkranz, wieder aus. Die Telokinesis geht häufig in den beiden Tochterzellen nieht mit der gleichen Geschwindigkeit vor sich; in der einen Zelle (Fig. 22 ß) kann die Ruhelage schon erreicht sein, während in der anderen die Bewegung noch im Gange ist (a). Ferner kann bei zwei zu einander gehörigen Tochterzellen (Fig. 14) in der einen ein seitliches Ausweichen des Kernes, womöglich unter Bildung einer Hufeisen- oder Ringform, stattfinden (ß), während in der anderen der Marsch der Astrosphäre bei feststehenden Kerne nicht eher aufhört, als bis die wechselseitige Stellung von Kern und Sphäre völlig vertauscht ist. 45. Wir stossen nun hier ferner auf ein Problem ganz eigen- thümlieher Art. Um dieses einzusehen, bitte ich noch einmal die Fig. 14 a in Augenschein nehmen zu wollen. Hier liegt das Mikrocentrum, wenigstens scheinbar, nicht mehr an der Stelle, wo vorher das Polfeld des Kerns befindlieh war, sondern vielmehr entspre- chend der Seite, nach welcher das Gegenpolfeld zu liegen kam. In dem Falle der Fig. 23 ß, in welchem das Mikrocentrum seine definitive Stellung schon erreicht hatte, nach- 536 Martin Heidenhain: dem von ihm am Kern entlang ein Weg entsprechend etwa einem Viertelkreisbogen beschrieben worden war, steht dasselbe ungefähr in der Mitte zwischen Pol- und Gegenpolfeld — diese in ihrer anfänglichen Stellung gedacht, am Aequator des Kerns. Wir stehen also vor der Frage, ob der Kern gleicher Zeit mit dem Mikrocentrum eine Dre- hung durchmacht, derart, dass das Mikrocentrum der Stelle des ursprünglichen Polfeldes benach- bart bleibt, oder ob dies nicht der Fall ist. Thifft das letztere zu, dann würde z. B. in einer sehr grossen Anzahl von Fällen (welche der Fig. 14a entsprechen) die ursprüngliche Gegenpolseite des Kernes zur Polseite werden. Denn wenn eine neue Mitose beginnt, sind die Schleifenwinkel gegen das Mikrocen- trum hin orientirt, wie sich in vielen Fällen leicht sehen lässt. Die angeregte Frage, ob eine Drehung des Kerns am Ende der Mitose statt hat, ist in praxi gleichwerthig mit der Frage nach der dauernden Polarität der Strukturen im Inneren des Kernes. Gelänge es während der Telokinesis, das Polfeld immer wieder herauszufinden und seiner Lage sich zu versichern, dann würden wir gleich wissen, ob der Kern sein Polfeld dem Mikro- centrum dauernd zuwendet, ob er also während der Wanderung des letzteren eine Rotationsbewegung durchmacht. Leider waren unter meinen Öentrosomenpräparaten jene, welche sehr gut ge- färbte Kerngerüste zeigen, nur wenig zahlreich; in Folge dessen bin ich nieht in der Lage gewesen, dem Polfelde während der mitotischen Schlussbewegungen genügend nachspüren zu können. Jenes Problem zu lösen muss mithin der Zukunft vorbehalten bleiben, und ich wollte hier nur zeigen, dass mir die Existenz desselben nicht entgangen ist. Capitel V: Bemerkungen zur Struktur der Kerne, vornehm- lich der Lymphoeyten. 46. Als ich die hier vorliegenden Untersuchungen begann, hatte ich durchaus nieht die Absicht, die Strukturen im Zellenkerne von neuem in Arbeit zu nehmen. Dies habe ich nun hinterher dennoch gethan, und zwar aus dem Grunde, weil mir einige neue Beobachtungen gleichsam von selbst in die Hand fielen, welche einer weiteren Verfolgung werth erschienen. Obwohl ich Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 537 nun schliesslich an den Zellenkern in den letzten Jahren viel Mühe verschwendet habe, finde ich mich doch bewogen, die nachfolgenden Darstellungen auf einige wenige Dinge zu be- schränken. Da nämlich, wie ich weiss, Untersuchungen über den Zellenkern von anderer Seite her im Gange sind, so möchte ich, nachdem ich vor kurzem (41) neue Auseinandersetzungen über diesen Gegenstand gegeben habe, erst die Darstellungen anderer Autoren abwarten. Dieser Entschluss erscheint um so mehr gerecht- fertigt, als die Untersuchungen am Kern ganz besonders mühe- voll und schwierig sind, so dass, wie ich glaube, nur durch die gemeinsame Arbeit vieler dieses bisher ziemlich dunkle Gebiet des Zellkörpers für die Wissenschaft erobert werden kann. Wie die Untersuchungen von Altmann, mir und Reinke gezeigt haben, genügen die Kenntnisse, die uns von Flemming und seiner Schule über den Zellkern beigebracht worden sind, bei weitem noch nicht, obwohl sie ja die grundlegenden Fundamente sind, auf denen weiter gebaut werden muss. Was die sogenannten „Chromatingerüste“ angeht, d.h. diejenigen Dinge, die man z. B. aller Orten mit Saffranin und Gentianaviolett färbt, so sind sie, in vielen Zellkernen wenig- stens, nurgeringe Bruchstücke dergesammten vor- handenen Struktur. Ehe man über diese letztere sich einigt, werden gewiss noch sehr viele Jahre vergehen. In dieser Beziehung ist es mir sehr leid, dass ich nach wie vor nicht in der Lage. bin, die Beobachtungen Altmann’s in genauerer Weise mit den meinigen in Uebereinstimmung zu bringen. Ich bin näm- lich im Unklaren darüber, wo ich die „monoblastischen“, „eyano- philen“ Granula Altmann’sin meinen Präparaten zu suchen habe. Wenn ich der histologischen Beschreibung des genannten Autors genau folge, so habe ich immer nur die „intergranulären Netze“ vor Augen gehabt, denn was ich am Kern kenne, sind zunächst nur Netz- und Fadenbildungen, welche allerdings oft ungeheuer dicht liegen und allerfeinster Art sind.. Diese sind dann insich zusammengesetzt und bestehen, wie ich zum Theil schon gezeigt habe, zum Theil noch zeigen werde, auseiner mehr indifferenten Grundsubstanz (Linin) und darin eingelagerten, allerkleinsten Kügelehen (Chromatin- und Lanthaninmikrosomen). „Kerngranula“ sieht man also in meinen Präparaten die Hülle und Fülle; sie liegen aber sämmtlich inner- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 35 538 Martin Heidenhain: halb einer Faden- oder Netzstruktur. Dazwischen sind freie Räume, welche, soviel ich sehe, von Altmann nicht anerkannt werden, und welche weder geformte Strukturen, noch auch färbbare Substanz enthalten, so dass mitlin sämmtliche cehromato- phile Substanz des Kerns innerhalb seiner Strukturmasse, und zwar innerhalb einer Faden- oder „Netzstruktur“ enthalten ist. 4%. Ich betrachte hier emgehender nur die Struktur der Kerne der grösseren Leukocytenformen, wie man sie im Fig. 1 bis 9, abzüglich der Fig.5, und in Fig. 16 und 20 abgebildet findet. Die Kerne kleinerer Leukocyten erscheinen wesentlich dichter gebaut, und zwar derart, dass bei jenen der kleinsten Form oft auf Sehnitten von 3 u Stärke der Kern noch ganz kompakt er- scheint: so viel geformte Theile sind in ihm enthalten. Auch die Kerne der Erythroblasten verhalten sich wesentlich wie Kerne kleinerer Leukocyten. Diese ungemein dichte Anordnung der Kernstruktur ist die Ursache davon, dass die Kerne kleiner Lymph- körperchen sich sehr leicht überfärben, d. h. dass die Strukturtheile in ihnen verklumpen, verbacken, so, wie auch die Chromosomen kleiner mitotischer Figuren leicht verklumpen. Es giebt Kernformen, welche ich bei dem Versuch die ganze geformte Struktur darzustellen (Biondi’sche Lösung, Anilinblau u.a. m.) noch nieht anders als in total undurchsichtigem, dem Anscheine nach überfärbten Zustande erhalten habe (so z. B. die Kerne der Leberzellen beim Proteus). Diese dichte Anordnung der geformten Bestandtheile des Kernes ist von Altmann be- sonders hervorgehoben worden und hierin folge ich ihm für viele Einzelfälle, wie ich denn schon früher ganz ausdrücklich betont habe (41, pag. 123 ff.), dass neben den sogenannten Chromatin- gerüsten noch ungemein feine Strukturtheile in unge- mein diehter Anordnung vorhanden sein können, welche im übri- gen bis zum heutigen Tage noch sehr wenig Beachtung gefunden haben. Dies ist der Fall bei dem Untersuchungsobjekt, welches mir früher hauptsächlich vorlag, bei den Kernen der Salamander- gewebe, speciell bei den Kernen der Darmepithelzellen und der Darmgrübehen. Hier können aber trotzdem auf sehr feinen Schnitten die fädigen Anordnungen auch in ihren feinsten Theilen immer noch einigermaassen deutlich wahrgenommen werden, ob- wohl die zwischen den Strukturtheilen vorhandenen freien von Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 539 Kernsaft erfüllten Räume von recht geringer Ausdehnung sind. In den früher von mir gegebenen Abbildungen ruhender Kerne vom Salamander (41, Taf. IX; auch Taf. XI Fig. 54 bis 41) habe ich auf eine Nachzeichnung der feineren Strukturdetails von vornherein verzichtet, da ich einsah, dass ein solches Unterfangen meine zeichnerischen Kräfte übersteigen würde. Es sind daher in jenen früher von mir gelieferten Abbildungen ruhender Kerne wesentlich wohl nur die „Chromatingerüste“ der Autoren zur Darstellung gekommen. Hier bei den grossen Leukocytenformen des Kaninchens (Fig. 1 bis 4, 6 bis 9, 16 und 20) liegt die Sache ganz anders. Hier sind die Strukturtheile in relativ weitläufi- sen Bahnen angeordnet und sie können daher, auch wenn die Färbung eine vollständige, oder nahezu vollständige ist, doch noch vollständig abgebildet werden, soweit nicht etwa Theile des Kerns vom Messer weggeschnitten wurden!). Betrachten wir z. B. Fig. 8. Hier war nahezu die ganze obere Hälfte des Kerns weggeschnitten. Wir würden uns daher das Bild der Kernstruktur in der Projektion auf eine Ebene, wenn es vollständig sein sollte, zunächst annähernd doppelt so dieht vor- stellen müssen; rechnen wir hinzu, dass eine Vergrösserung von über 1500 vorliegt, so müssen wir uns sagen, dass auch eine solche, „weitläufiger“ angeordnete Kernstruktur immerhin noch ein sehr feines Strukturbild liefert. Hat doch dieser Kern seiner grössten Ausdehnung nach auf einer Ge- raden gemessen nur einen Durchmesser von etwa ge er ist’alsormumsweniz breiter als einerothes Blutkörperchen vom Menschen. Dann haben wir aber noch Folgendes in Rechnung zu ziehen. Es ist zwar ein Theil der freien Enden dieser Gerüstwerke darauf zu beziehen, dass der Kern durch das Messer halbirt wurde; im allgemeinen haben wir aber überall da, wo an solchen Gerüst- werken scheinbar unmotivirt sehr feine Zacken und Spitzchensauftreten oder irgend welcheBie- sungen erscheinen, welche durch den Verfolgdes 1) In Fig. 1 und 2 sind die Gerüstwerke sicher in unvollstän- diger Weise gefärbt worden, 540 Martin Heidenhain: miskroskopischen Bildes direkt nicht erklärbar sind, als Ursache die Zugwirkung unsichtbarer, ungefärbt gebliebener Fädchen anzunehmen!). Viele Autoren haben gemeint, vollständige Gerüstwerke des Kerns abzubilden und zeiehnen doch nur Dinge, die in architektonischer Beziehung völlig unverständlich sind. Je besser eine Kern- färbung gelungen ist, um so geringer wird die Zahl freier Zacken und Spitzchen an den Gerüst- werken, und man kann nach meinen hier gegebenen Abbil- dungen, da sie, wie ich meine, bis auf das letzte Theilchen genau dem Objekte nachgebildet sind, sich leicht eine Vorstellung davon machen, wie weit die Färbung der Kernstruktur im Einzelfalle gelungen war. Die Anordnung der geformten Substanz findet nicht nur in Fädehen und Bälkehen, sondern auch in Lamellen oder haut- artigen Ausbreitungen und in groben Klumpen statt. Bei den hier vorliegenden Färbungen (Anilinblau-Eisenhämotoxylinpräpa- rate) konnte ich den oder die Nukleolen meist nicht unterschei- den; wahrscheinlich sind sie in den gröberen Balken enthalten. Unter diesen Kernen finden sich ferner zwei durch mannig- fache Uebergänge mit einander verbundene Typen, welche wohl durch die Abbildungen in Fig. 3 und in Fig. 16 am besten re- präsentirt werden. Auf der einen Seite haben wir eine fast durch- gehends feinfädige Anordnung, auf der anderen Seite herrschen gröbere klumpenartige Substanzmassen vor. 48. Was den feineren Bau dieser Strang- oder Gerüstwerke anlangt, so unterscheide ich an ihnen einmal eine formge- bende Grundsubstanz, das Linin der Autoren, und zweitensdiechromatophilen Mikrosomen, welche indenSträngen enthaltensind. DieseMikrosomen sind drehrund und haben etwa die Grösse eines mittelgrossen Centralkörpers?). Sie würden, bei 1000- 1) Die Ursache der Zacken und Ausziehungen an den „Chroma- tingerüsten“ ist in der nämlichen Weise schon früher von mir erklärt worden (41; pag. 132). 2) Diese Kügelchen sind innerhalb der Chromosomen von Alt- mann auf der Göttinger Versammlung demonstrirt worden. Die Pfitzner’schen Kügelchen sind, wie Altmann ganz richtig bemerkt, Neue Untersuenungen über die Centralkörper ete. 541 facher Vergrösserung gezeichnet, sich etwa so präsentiren, wie die Centralkörper in meinen Abbildungen von den Riesenzellen (z. B. Fig. 49). Die chromatophilen Mikrosomen der Kernstruktur habe ich schon früher isolirtt wahrnehmen können, aber doch nur in jenen feineren Theilen der Kerngerüste, innerhalb deren sie in einreihiger Anordnung enthalten sind (Lanthanin-Mikrosomen). Jetzt habe ich sie auch in den gröberen Chromatinbalken und -Klum- pen sehr schön darstellen können. Früher, wenn ich an die Möglichkeit einer inneren Differenzirung der „Chromatinge- rüste“ ruhender Kerne gewöhnlicher Gewebezellen dachte, habe ich mir dieselbe unter der Form einer Gliederung in chroma- tische und achromatische Querscheiben vorgestellt, — nach Ana- logie der bekannten Befunde an den Speicheldrüsen von Chiro- nomus. Diese Vorstellung war aber eine gänzlich irrige, denn in den groben Balken der Kerngerüste sind die chromatischen Kügelehen enthalten etwa wie Schrotkugeln, die man in eine Röhre hineingeschüttet hätte. Freilich berühren sie sich in natura gegenseitig nicht, denn wo man sie in meinen Präparaten gut zu Gesicht bekommt, erscheinensievollständigisolirt, frei suspendirtin der Lininsubstanz. Diese äusserst zierliche Erscheinung der Auflösung gröberer Chromatinbalken in Stränge feiner, scharf umgrenzter, durchaus runder Kügelchen kann ich mit besonderer Deutlichkeit nur m den Bordeaux-Eisenhämotoxylinpräparaten wahrnehmen). , Hier waren der Regel nach die Kerne gänzlich oder fast gänzlich ent- färbt. In vielen Zellen kann man aber noch kleinere oder grössere Abschnitte chromatischer Balken und Klumpen wahrnehmen, welche nur Aggregate dieser feineren Mikrosomen. Es ist im übrigen wohl nicht ganz richtig, wenn ich, wie oben, diese Kügelchen schlechtweg als die alleinige chromatophile Substanz des Kerns (— ganz abgesehen von den ächten Nukleolen —) bezeichnete. Das „Linin“ scheint unter Umständen ebenfalls starke eigene Affinitäten zu gewissen Farbkör- pern entwickeln zu können. 1) Auch an den einfachen Eisenhämatoxylinpräparaten (— ohne Vorfärbung —) kommt es mitunter ganz ausnahmsweise einmal zur Differenzirung innerhalb der Kerngerüste selbst und man kann dann die beschriebene mikrosomale Zusammensetzung derselben auf weite Strecken hin erkennen. Allein hier sind dann die Kügelchen nicht so schön scharf dargestellt, wie in den Bordeaux-Eisenhämatoxylinprä- paraten, 542 Martin Heidenhain: die Eisenfarbe eonservirt haben. Untersucht man bei Vergrösse- rungen von 1000 und 1500, so erscheinen viele von diesen Bruch- stücken der Kernstruktur ganz dicht und homogen oder zeigen nur einige hellere Lücken, durch welche Licht hindurchfällt. An diesen Stellen ist also die Farbe aus den ehromatischen Balken heraus extrahirt worden. Diese theilweise Extraktion ist an anderen Stellen der Präparate weiter fortgeschritten und zwar derart, dass hierbei eine innere Differenzirung der Stränge erfolgt, welche eine ausserordentliche Summe total geschwärzter, kleiner, runder Kügelchen auf farblosem Grunde erscheinen lässt. Wären die be- treffenden Bilder nieht so überaus scharf und deutlich, so würde ich diesen im übrigen sehr unvollkommenen Kernfärbungen keine weitere Bedeutung beimessen. So aber dürfen wir die mikroso- male Zusammensetzung aller Theile der Kernstränge für durchaus gesichert halten. Die Entfärbung der Kermstruktur ist bei dem gedachten Verfahren auch schliesslich in den meisten Fällen keine vollständige in dem Sinne, dass hierbei die Strukturtheile wieder völlig farblos würden; vielmehr bleiben sie nach der Ex- traktion der Eisenfarbe in gebräuntem Zustande zurück. Hat sich nun das Auge einmal an diese Art von Bildern gewöhnt, so gewahrt man auch in denjenigen Theilen der Kernstruktur, welche die Eisenfarbe nicht beibehalten haben, leicht die granuläre Zu- sammensetzung, denn die chromatophilen Kügelchen erscheinen auch dann noch immer etwas mehr tingirt als die sie einschlies- sende Lininsubstanz. 49. Nachdem ich diese granuläre Zusammensetzung aller Theile der Kernstruktur einmal wahrgenommen hatte, habe ich dieselbe hinterher auch an einigen inBiondi’scher Lösung gefärb- ten (stark sauren) Präparaten des Kaninchenknochenmarkes wahr- nehmen können. Mit dem Studium solcher Präparate muss sofort die Frage nach der Chromatophilie der Kernsubstan- zen aufgenommen werden. Ich glaube als erster!) gezeigt zu haben, dass bei An- 1) Vergl. in der unter No. 39 eitirten Schrift. Die erste Publi- kation Auerbach’s betreffend die „erythrophile* und „kyanophile*“ Substanz des Zellkerns ist, obwohl von mir unabhängig, doch erst später erschienen als meine erstmaligen, ausführlichen Erörterungen über diesen Gegenstand. Auerbach hat mit der Erscheinung der Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 543 wendung des genannten Anilinfarbstoffgemisches die Kerne alle 1 Arlen? auch abgesehen von den specifisch reagiren- den echten Nukleolen, — durchgängig eine ganz con- stante und reine Doppelfärbung zeigen und neuer- dings (41, pag. 124 ff.) habe ich dann die Ursachen dieser Er- scheinung im Einzelnen zu verfolgen und klarzulegen gesucht. Ich habe mich schliesslich, — um es kurz auszudrücken, — dahin ausgesprochen, dass die inBiondi’scher Lösung sich grün fär- benden Abschnitte der Kerngerüste dem Chromatin Flemming’s entsprechen, während die roth färbbaren Theilchen innerhalb eines sehr feinen Lininfadensystems enthalten sind. Diesen durch das Rubin S roth färbbaren Körper, dessen elementare Zusammen- setzung aus kleinsten Kügelchen, chromatophilen Mikrosomen ich schon damals erkannte, habe ich als Lan- thanin (von Aavddvw verborgen sein) bezeichnet, um damit aus- zudrücken, dass diese Substanz im mikroskopischen Bilde um so weniger hervortritt, je reiner die „Chromatinfärbung“ ist!). Ich will nun aber, um alle Verwechselungen zu vermeiden, an Stelle der Bezeichnung „Lanthanin“ lieber das Wort „Oxycehro- matin“ brauchen, um damit zugleich das specifische Verhalten gegenüber dem genannten sauren Anilinfarbstoff, — dem Rubin S, — namhaft zu machen. Dagegen will ich das Chromatin Flemming’s und der Autoren, dessen nahe Verwandschaft zu den basischen Anilinfarbstoffen, z. B. auch dem Methylgrün der Biondi’schen Lösung, jedem mikroskopischen Techniker bekannt ist, weiterhin als „Basichromatin“ kennzeichnen. Doppelfärbung der Kerne eine durchaus widersinnige, hinterher sehr bekannt gewordene Hypothese verbunden. Dies ist natürlich der Grund, warum die Schriften dieses Autors überall besprochen wurden, während meine Angaben gänzlich unberücksichtigt geblieben sind. Ich sehe aber nicht ein, warum eine nüchterne Darstellung weniger Beachtung finden soll, als der phantastische Aufputz, den diese Sache von Seiten Auerbach’s erhalten hat. Seitdem sich übrigens Her- mann die Mühe nicht hat verdriessen lassen, dem Auerbach ’schen Hypothesenwerke den Grund und Boden unter den Füssen wegzu- ziehen, dürfen wir diese Seite der Sache als abgethan betrachten. 1) Reinke meinte, dass dieser Name „Lanthanin“ nicht passe, nachdem bessere Mittel der Erkenntniss dieser Dinge, — nämlich das von Reinke angewendete Lysol, — aufgefunden seien. Nun mir liegt an dem Namen selber nichts, aber mit den besseren oder schlech- teren histologischen Mitteln hat dieser Name wirklich nichts zu thun. 544 Martin Heidenhain: Diese Benennungen sind als histologische, nicht als che- mische zu verstehen. Ich will nun gleich, um keine Missverständnisse hervorzu- rufen, hier einfügen, dass man fast mit jedem beliebigen Farb- stoffe beide Körper tingiren kann, sofern nur die Färbung an sich eine recht intensive ist!), dass aber eine färberische Dif- 1) In den von mir hier gegebenen Abbildungen von Kerngerüsten sind Basi- und Oxychromatin zusammt dem Linin zu einer geschwärzten Masse verschmolzen. Es sind dies durchaus keine Chromatinfärbungen im Sinne der Autoren, son- dern in diesen Strängen ist mehr als das Chromatin enthalten. Nach meinen Beobachtungen haben alle Farbstofflösungen, welche das Proto- plasma stark färben, auch die Neigung das Oxychromatin zu tingiren, und zwar färbt sich dann immer die genannte Kernsubstanz noch stärker, als die protoplasmatische Substanz der Zelle. Da die sauren Anilinfarbstoffe vorzüglich starke Affinitäten zum Zellenprotoplasma entwickeln (mit Ausnahmen: z. B. Chromgrün), so haben diese Farb- körper auch vorzugsweise die Eigenschaft, das Oxychromatin zu tin- giren; als Beispiele führe ich an: das Rubin S, das Bordeaux R, das Anilinblau und das Säureviolett. Alle Aluminium-Häma- toxylinlösungen, welche stark protoplasmafärbend wirken, „über- färben“ auch die Kerne, das heisst, sie tingiren das Lantbanin oder Oxychromatin. Giesst man eine Lösung von Ammoniumvanadat und eine Lösung von Haematoxylinum pur. zusammen, so er- hält man eine blaue Farbe, welche sehr stark das Protoplasma und das Lanthanin färbt, während die Färbung des Basichromatins mit- unter so sehr zurücktritt, dass dasselbe nahezu farblos erscheint. Färbt man durch 24 Stunden in einer starken Lösung von Alaunkarmin (von Grübler bezogen, auf Sublimatpräparate angewendet), so erhält man neben einer ziemlich intensiven Protoplasmafärbung die soge- nannten diffusen Färbungen des Kernsaftes, welche nichts anderes sind als Färbungen des Oxychromatins oder Lanthanins. Lässt man einen guten basischen Anilinfarbstoff z. B. Thionin oder Methylviolett auf die Kerne einwirken, so erhält man, je nachdeın nur eine schwächere oder eine stärkere Tinktion produeirt wurde, entweder gar keine, oder nur eine geringe oder eine an Ausdehnung allmählich zunehmende Färbung des Lanthanins oder Oxychromatins. Behandelt man Schnitte mit Gentianaviolett und extrahirt sie mit jodhaltigem Alkohol, so kann man unter Umständen in den Präparaten einzelne Kerne vorfinden, in denen die Lanthanin-Kügelchen scharf und deutlich in schwärzlicher Farbe dargestellt sind; solche Kerne sehen aus, als enthielten sie eine Mikrokokkenkolonie. Die früher von mir bevorzugten einfachen Eisenhämatoxy- linfärbungen geben durchaus nicht die besten Tinktionen der fei- Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 545 ferenzirung zwischen Oxy- und Basichromatin nur dann zu Stande kommt, wenn dem Kern gleicher Zeit saure und basische Anilinfarbstoffe zur Auswahl gestellt werden, wie das in der Biondi’schen Lösung und dem Ehrlich’schen Triacid der Fall ist. Hier könnte nun gleich eingewendet werden, dass die Doppelfärbung der Kerne unter den genannten Bedin- gungen vielleicht doch nur von Zufälligkeiten abhängig sei und dass ihr um dessentwillen keine weitere Bedeutung beigelegt wer- den könne. Hiergegen spricht aber erstlich, dass sich in den genann- ten Farbstofflösungen die Chromosomen niemals roth, sondern immer nur grün färben, dass ferner in den chromatolytischen Figuren eine topopraphische Sonderung des Basi- und Oxychro- matins statt hat: das erstere sammelt sich immer und ausnahmslos kernwandständig, während das letztere seine Stellung im Inneren der Kernbläschen bewahrt (siehe die Abbildungen in 39, Taf. XI und XII). Die Grün- und Rothfärbung, die Aufnahme des basischen, beziehungsweise des sauren Anilinfarbstoffes, muss also jedenfalls bestimmten chemischen Affinitäten bestimmter chemi- scher Körper entsprechend sein. 50. Ich erwähnte schon, dass ich bereits bei Gelegenheit früherer Untersuchungen in den Kernen der Salamandergewebe die Massen des Oxychromatins oder Lanthanins in sehr feine Mi- krosomen oder chromatophile Kügelchen zerlegen konnte, welche mir lediglich innerhalb sehr feiner Lininfäden zu liegen schie- nen, daher sie sich mir als färbbare Querglieder dieser Lininfäden darstellten. Ich war mithin der Meinung, dass die Kügelehen oder Mikrosomen des Lanthanins (Oxychromatins) in den Lininfäden immer einzeilig oder einreihig ange- ordnet sind. Fand ich gröbere Klumpen oder Balken oxychro- matischer Massen vor, so hielt ich diese für artificieller Natur, für Confluxe oder Verklebungen einer grösseren Anzahl feinerer Lininfädchen, da nämlich solche Bilder sich auf künstlichem neren Theile der Kernstruktur; an diesen sind mir aber die chromatin- losen Antheile der Kernstruktur, d. h. diejenigen Antheile der Kern- struktur, welche kein Basichromatin enthalten, zuerst aufgefallen und darum hielt ich sie für besonders geeignet zum Studium des feineren Baues der Zellenkerne. 546 Martin Heidenhain: Wege leieht erzeugen lassen (durch Hitze; 41, pag. 115)'). Ich habe mich indessenandieser Stellezukorrigiren. Denn in den Leukoeytenkernen beim Kaninchen zeigen sich zum Theil auch gröbere Balken und Klumpen der augenscheinlich nieht veränderten Gerüstwerke bei Färbung in Biondi’scher Lösung rein roth tingirt und sie enthalten, wie sich leicht con- troliren lässt, demgemäss auf dem Querschnitt eine Mehrzahl oxyehromatischer Kügelehen und stellen sieh somit nicht als einreihige Mikrosomenketten, sondern als diekere Körnerstränge vor. Ob dies natürlicherweise sich auch bei den Salamander- kernen findet, vermag ich für heute nicht zu entscheiden ?). Wie schon hervorgehoben wurde, habe ich nun aber die 1) Die bekannten „gerinnselartigen Bildungen im Kernsaft“ sind wohl grösstentheils auf schlechte Conservirungen der feineren Theile der Kernstruktur zurückzuführen. Auch zerbricht man mit dem Messer sehr leicht die feineren Theile der Kernstruktur; unter den Kernen der Salamandergewebe wenigstens geht ein grosser Theil auf diese Weise für feinere Untersuchungen verloren. 2) Dahin sprach sich Reinke aus, laut freundlicher brieflicher Mittheilung. Reinke meinte dies an von mir mit Biondi’scher Lö- sung gefärbten Schnitten durch den Salamanderdarm wahrgenommen zu haben. Ob Reinke indessen in der Lage war die vielfach an den Kernen vorkommenden Artefaktbildungen, welche grössere Ansamm- lungen oxychromatischer Massen zur Folge haben, bei seinen Studien für die Betrachtung der Dinge auszuschalten, das kann ich nicht be- urtheilen. Reinke’s Ansicht ging dahin, dass die Biondi’sche Lö- sung auch gröbere Chromatinbalken (d. h. das Basichromatin) stellen- weise roth färbt, dass mithin die färberische Differenzirung keine ver- lässliche sei. Diese Schlussfolgerung halte ich für nicht richtig, aus Gründen, die oben im Texte der Arbeit schon angegeben wurden (konstante Färbung der Chromosomen und chromatolytischen Figuren). Vielmehr meine ich, dass dieBiondi’sche Lösung und dasEhrlich'- sche Triacid vor derHand die einzigen Mittel sind, um Basi- und Oxychromatin von einander zu scheiden. Diese beiden Farbstoffgemische sind schlechtweg die Gradmesser, nach denen man die Lage der Dinge zu beurtheilen hat. Wenn z. B. Saffranin und Gentianaviolett, das sind basische Anilinfarbstoffe, bestimmte Theile der Kernstruktur intensiv tingiren, welche hernach bei Anwendung der Bi ondi’schen Lösung roth, im Tone des sauren Farbstoffes gefärbt erscheinen, so meine ich, dass die Biondi’sche Lösung im Recht bleibt und dass die beiden erstgenannten Farbkörper durchaus keine Scheidung der beiden chromatophilen Körper zu leisten vermögen. Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 547 granuläre Zusammensetzung der auf der ersten Tafel hier abge- bildeten Kerngerüste an einigen Präparaten aus Biondi scher Lösung nicht bloss, wie früher schon, an den oxychromatisch rea- girenden Theilen, sondern auch an den basichromatisch gefärbten Strängen und Klumpen wahrnehmen können. Diese letzteren Be- obachtungen sind schwieriger Natur, denn das einzelne basichro- matisch, im Tone des Methylgrüns gefärbte Mikrosoma ist un- gemein hell und durchsichtig und macht etwa den sinnlichen Em- druck eines hellgrünlichen Gallertkügelchens, ganz anders wie bei den Eisenfärbungen, wo dasselbe Gebilde total geschwärzt und undurchsichtig erscheint. Auch waren bei diesen Biondi-Fär- bungen die Conturen der basichromatischen Kügelchen oft nicht recht deutlich zu erkennen. Doch liess sich als völlig sicher feststellen, dass in rein morphologischer Beziehung sich basi- undoxycehromatische Kügelchen (Öhro- matin- und Lanthaninmikrosomen) völlig gleich verhalten; sie weisen speciell auch die gleichen Grössenverbältnisse auf. Bei den Kernen der grossen sessilen Leukoeyten, welche ich genauer studirt habe, zeigt sich nun oft, dass die Kügelehen der beiderlei chromatophilen Substanzenin ein und demselben Balken, Blättchen oder Klumpen der Gerüste bunt durcheinander gewürfelt sind. Es ist dies ein sehr zierlicher und sehr überraschender Anblick, in demselben Kernstrange rein rubinroth und rein smaragdgrün ge- färbte Kügelehen in wechselnden Anordnungen vereinigt zu sehen. Es ist nun diese Thatsache wiederum ein Beweis der ausser- ordentlich hohen differenzirenden Kraft der für diese Färbungen benutzten Anilinfarbstoffgemische, denn würde die Auswahl der Farbstoffe von Seiten der Mikrosomen nicht im Sinne bestimmter chemischer Prineipien erfolgen, so könnten zur Erklärung der färberischen Erscheinungen bei dem Gange der Procedur doch nur die physikalischen Verhältnisse der fixirten Gewebe heran- gezogen werden; dann würde es aber unmöglich sein die Ursachen namhaft zu machen, welche eine total verschiedene Färbung der chromatophilen Kügelchen in ein und demselben Kernbalken zur Folge haben. Dagegen liegen bereits chemische Ver- su.che.vor, welche durchaus geeisnet sind, diese Färbungserscheinungen vollständig zu erklären. 548 Martin Heidenhain: 51. (Citat nach Zacharias 103; pag. 189): „Färbungs- versuche mit Nuklöinpräparaten von verschiedenem Phosphorgehalt aus Eiweiss- und Hefe-Nukleinsäure hat jüngst Malfatti ange- stellt. Eine alkoholische Lösung von Säurefuchsin-Methylgrün färbte Nuklöinsäure rein grün, phosphorärmere Nukl&ine bei gleicher Behandlung bläulichviolett, bei grosser Phosphorarmuth selbst rein roth“. Da hier die nämlichen Farbstoffe verwendet wurden, welche auch in der Biondi’schen Lösung und dem Ehrlich’schen Triaeid enthalten sind, so hätten wir demnach in dem Basiehromatin oder dem Chromatin der Autoren phosphorreiche, indem Oxychromatin oder Lan- thanin phosphorarme Nuklöine vor uns. Danach sind ferner die Basi- und Oxychromatine durchaus nicht als für die Dauer unveränderliche Körper aufzufassen, sondern durch Auf- nahme und Abgabe von Phosphor könnte eventuell auch die Färb- barkeit sich ändern. Meine heutige Meinung geht also dahin, dass die Affinitäten der chromatophilen Mikrosomen der Kerngerüste gegenüber den basischen und sauren Anilinfarbstoffen sich nach gewissen physiologischen Zuständen des Kerns oder der Zelle reguliren, in Betreff deren wir bisher eine genauere Einsicht noch nicht haben !). Hier habe ich Gelegenheit, eine bestimmte frühere Angabe von mir einzuschränken oder zu korrigiren. Ich hatte mich nämlich dahin ausgesprochen (41; pag. 127), dass die Mikrosomen des Lanthanins (Oxychromatins) nicht mit in die Chromosomen der indirekten Theilung aufgenommen werden. Dies ist nun in- sofern gewiss richtig, als man bei Biondi scher Färbung nie- mals roth tingirte Theilchen innerhalb der Chromosomen antrifft. Es könnte aber sehr wohl der Fall sein, — und dies äussere ich als eine blosse Vermuthung, deren Zutreffen fraglich ist —, dass bei Gelegenheit der Mitose das Oxychromatin seine Reaktion ändert und basichromatisch wird, ganz oder theilweise, 1) Als charakteristisches Faktum möchte ich hier erwähnen, dass solche Zellenkerne, welche der Regel nach sich nicht mehr mitotisch theilen, wie die Kerne der Ganglienzellen und die Kerne der Darm- epithelzellen auf der Höhe der Schleimhautfalten (Salamander), viel mehr Oxychromatin enthalten als Basichromatin; diese Kerne würden mithin phosphorarm sein. Kerne, welche sich lebhaft theilen, enthalten umgekehrt relativ viel Basichromatin. Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 549 und dass die nun im Sinne der obigen Hypothese phosphorreicher gewordenenNukleine mitin dieChromosomen aufgenommen werden!). Hiermit dürfte vielleicht in Zusammenhang stehen, dass vom Sta- dium des diehtgewundenen Knäuels an bis zum Stadium des seg- mentirten Knäuels eine Abnahme der zwischen den basichroma- tischen Fäden gelegenen oxychromatischen Massen statt hat, eine Beobachtung, die schon früher von mir mitgetheilt wurde. Ich möchte schliesslich noch erwähnen, dass ich vorläufig nicht in der Lage bin, den von Reinke neuerdings gebrachten, höchst interessanten Beobachtungen (77; 78) über den Zellenkern eine bestimmte Deutung zu geben. Ich glaube, dass der genannte Forscher die Mittel in der Hand haben wird, um unsere beider- seitigen Erfahrungen einigermaassen zur Deekung zur bringen. Zweiter Abschnitt: Die Riesenzellen. Capitel VI: Die äussere Form der Riesenzellen. Aeussere Form und Inhalt des Zellkernes. 52. Nur nach langem Zaudern habe ich mich entschlossen, die von mir durch mehrere Jahre hindurch fortgeführten Unter- suchungen über die Riesenzellen des Knochenmarkes (Megacaryocyten Howell) endlich definitiv abzuschliessen und den vorliegenden Abschnitt zur Niederschrift zu bringen. Was auf den nächstfolgenden Seiten an thatsächlichem Materiale enthalten ist, das sind nur einige wenige Bruchstücke, welche sich erst in späteren Zeiten durch die Bemühungen anderer Forscher zu einem vollständigen Ganzen werden vereinigen lassen. Wenn ich alle weiteren Untersuchungen an dieser Stelle für jetzt und die nächste Zukunft eingestellt habe, so geschah dies schliesslich aus dem Grunde, weil am Ende einer langwierigen Untersuchung 1) Auf Grund dieser Hypothese einer gelegentlich stattfindenden Umwandlung von Chromatin in Lanthanin und umgekehrt kann ich mir folgende höchst merkwürdige Beobachtung erklären. Ich fand in den ruhenden Mikronuklöis eines im Darm von Triton helveticus lebenden Infusors unter Anwendung der sichersten Mittel kein Chro- matin (Basichromaiin). Dagegen fand ich an Spindelfiguren, welche aus eben diesen Mikronukläis hervorgingen, chromatische (basichro- matische) Massen. Es lagen unter anderem auch ganz reine schöne Färbungen in Biondi’scher Lösung vor, also kann ich mich nicht wohl getäuscht haben. 550 Martin Heidenhain: die Frische der Auffassung sich abstumpft und die Erscheinungen am Objekt selbst keinen nachhaltigen und förderlichen Eindruck mehr hinterlassen. Selbst das wissenschaftliche Urtheil leidet am Ende. Dinge, die am Anfange höchst wunderlich erschienen, werden am Ende als selbstverständlich bei Seite gelegt oder übersehen, während auf der anderen Seite eine grosse Anzahl von Kleinigkeiten sich hervordrängt, denen der Untersucher viel- leicht geneigt ist, ein zu schweres Gewicht beizulegen. Gerne hätte ich die Howell’schen Megakaryocyten!) nicht bloss am Knochenmarke des Kaninchens, sondern auch in der Leber und in der Milz verschiedener Geschöpfe untersucht, allein ich bin an jenem einen Orte schon über die Fülle der Gesichte nicht hinausgekommen. Welch’ unerschöpflicher Wechsel der Formen! „Ruhende“ Zellen in massenhaften Varianten der Ausbildung, welche zudem auf verschiedenen Stadien „funktio- neller Zustände“ befindlich sind, mitotische und direkte Theilungen, ferner die successiven Stufen der Ent- wieklung vom Leukoeyten an aufwärts bis zu Zellen von wahr- haft kolossalen Dimensionen, schliesslich noch die wechsel- vollsten Bilder der degenerativen Entartung: und dann dies alles nebeneinander in denselben Schnitten! Gegenüber dieser Lage der Dinge war ich genöthigt, meine Aufgabe von vornherein einzuschränken. So habe ich das Kapitel der pluripolaren Mitose und der direkten Theilung fast gänzlich ausser Acht gelassen, weil diese Dinge ganz gewiss noch einmal einer ganz speciellen Bearbeitung anheim fallen müssen. Wenn ich hierüber späterhin Einiges beifüge, so soll dies doch nur ge- legentlich oder anhangsweise geschehen. Hauptsache war mir die ruhenden Zellen mit Bezug auf das Vor- kommen und nähere VerhaltenderCentralkörper, sowie bezüglich der an ihnen vorkommenden Protoplasmastrukturen genauer zu untersuchen. Dass man bei einem solchen Unterfangen nicht gänzlich achtlos an dem Zellenkerne vorüber gehen kann, ist selbstverständlich, zumal hier, wo die Anordnung der Proto- 1) Diese Zellen haben auch nicht das Geringste mit den von Kölliker’schen Ostoklasten zu thun. Zwischen den letzteren und den Megakaryocyten bestehen keinerlei Uebergangsformen. Es ist noth- wendig dies noch einmal zu betonen, weil noch immer einige Autoren diese beiden durchaus verschiedenen Zellentypen zusammenwerfen. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 551 plasmamassen und die Formengebung des Kemes in offenbaren, sehr nahen Beziehungen stehen. In zweiter Linie habe ich dann bei meinen Untersuchungen die Jugendformen der Riesenzellen berücksichtigt, aber doch nur soweit, als unbe- dingt nothwendig war, um eine ungefähre Vorstellung von ihrem Entwicklungsgange zu erhalten. Endlich war es für mich un- erlässlich, auch unter den degenerirendenZellenformen eine genauere Umschau zu halten; ich hätte sonst leicht Gefahr laufen können, normale mit sterbenden Zellen zu verwechseln. Es ergab sich bald, dass die im Verhältniss zur Mitose als „ruhend“ gedachten, normalen Zellen in einer grossen Anzahl verschiedener Formen auftreten, deren ungemein wechselndes Aus- sehen aber nur zum Theil auf blossen Varianten der körperlichen Ausbildung beruht, zum andern Theiljedochmitvoller Sicherheit auf eine’regelrechte Folge ,„funktio- neller Zustände“ zu beziehen ist. Somit lag die Nöthi- gung vor, die Strukturmerkmale der Riesenzellen, — wenn ich so sagen darf, — nach morphologischen und physiologischen Gesichts- punkten zu ordnen, eine Aufgabe, die für mich um dessentwillen schwierig war, weil noch keiner der mir vorangegangenen Autoren nach der bezeichneten Richtung hin thätig gewesen ist, wie denn überhaupt betreffs der physiologischen Funktion der Riesenzellen, allen bisherigen Untersuchungen zum Trotz, — bisher nichts Sicheres bekannt geworden ist. Es ist selbstverständlich, dass ich alle Mühe daran gewendet habe, eine möglichst vollständige Reihe aller derjenigen Zellenformen herauszusuchen, welche einen un- mittelbaren Schluss auf die physiologische Rolle dieser sonderbaren Zellenspecies gestatten. Somit wird weiter unten auch ausführlich von denjenigen Varietäten der Riesenzellen die Rede sein, welche meiner Auffassung nach wirklichen physiologischen Zustandsände- rungen entsprechen. Dagegen fühle ich keine Verpflichtung, die mannigfachen morphologischen Spielarten der Riesenzellen, wie sie überall in Menge vorkommen, eingehender zu beschreiben. Ich füge aus- drücklich hinzu, dass da in meinen Präparaten noch mancherlei Zellenformen vorkommen, die ich in meiner Arbeit entweder gar- nicht oder nur ganz flüchtig erwähnt habe, weil ich sie für be- langlose Abweichungen vom normalen Zellentypus zu halten geneigt bin. Vielleicht werden Spätere finden, dass ich hier wichtige 552 Martin Heidenhain: Dinge übersehen habe; indessen würde eine vollständige Aufzählung aller möglichen Formen für jetzt ohne alles Interesse und höchst ermüdend sein. Den folgenden Ausführungen liegt die Sehilderung eines allgemein verbreiteten Zellentypuszu@runde,derinhinreichenderWeise durch das Vorkommen einer econeentrischen Sehichten- bildung im Protoplasma charakterisirt wird). DieäussereGestalt der Riesenzellen ist im allgemeinen eine rundliche oder ellipsoidische (Fig. 49, 54, 58), bei nicht ganz ausgewachsenen Exemplaren häufig eine streng kuglige (Fig. 50 und 51). Die mehr ellipsoidischen Formen nähern sich mitunter der Gestalt einer Citrone (Fig. 57). Ungemein charakteristisch und typisch sind an den Riesenzellen die überaus häufigen, theils flacheren, theils hügelartig vorspringenden Auswölbungen der Oberfläche, welche im extremen Falle in eine veritable Blasen- form übergehen können (Fig. 53, 55, 56, 60, 70 bis 72). Sind diese Vorwölbungen an Umfang kleiner, so lassen sie im optischen Querschnitt der Zelle den Randceontur unter der Form einer Wellenlinie erscheinen (Fig. 64), sind sie grösser, so präsentiren sie sich als grobe Buckel, welche den vierten bis dritten Theil (Fig. 71, 72 und in noch grösserem Umfange in Fig. 61) des Zellenumfanges einnehmen können. Die Blasenform entsteht offen- bar häufig durch tangentiales Anschneiden flacherer Hervorwölbungen (so in Fig. 53 und 70), doch ist diese Gestaltungsart durchaus nicht etwa immer durch die blosse Richtung der Messerführung bedingt, sondern oft auch eine in natura gegebene. Es kommen, wenngleich sehr viel seltener, auch ganz unregel- mässig gebildete Zellenformen vor, welche nicht mehr in irgend einer Weise als rundlich bezeichnet werden können. Für einige 1) Ich bitte diese kleine Abhandlung über die Riesenzellen nicht so ansehen zu wollen, als wollte ich eine auch nur annähernd vollständige Morphologie dieser Elemente geben. Meine Absicht geht lediglich dahin, von dem Bau dieser Zellen Einiges darzustellen, was in cellularhistologischer Beziehung und in Rücksicht auf die Funktion wichtig ist. Ich betrachte es daher auch nicht als meine Aufgabe, allen in der Literatur betreffs meines Objektes bereits gegebenen Anregun- gen zu folgen. Ich verweise hier besonders auf die lehrreichen und ausführlichen Arbeiten von Arnold, Denys, Demarbaix, van der Stricht und von Kostanecki. Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 553 Fälle lässt sich dann deutlich zeigen, dass es sich um Entar- tungszustände handelt: Die Zellen sind vielleieht schon völlig abgestorben und geben in Folge dessen dem auf ihnen lastenden Gewebedrucke in der Art nach, dass die Protoplasma- massen sich in der Richtung des geringsten Widerstandes aus- breiten, wodurch dann zum Theil ganz absonderliche Verzerungen des Zellenkörpers zu Stande kommen. Eine nicht seltene Erscheinung ist es z. B., dass die gesammte Plasmamasse nach einer Richtung hin, dem Lumen eines Gefässes folgend, ausweicht; dann kommt der gewöhnlich mehr central gelegene Kern ganz nach der einen Seite hin zu liegen, während nach der anderen hin sich die Zell- substanz wie ein schwanzartiger Anhang ausbreitet. — Abweichende Zellformen erzeugen auch die Bilder der direkten Theilung, auf welche jedoch erst weiter unten etwas näher eingegangen werden soll. 85. Die, Kerne der Riesenzellen sind, ihrer äusseren Form nach zwar schon öfters beschrieben worden, allein ich glaube aus meinen Beobachtungen entnehmen zu müssen, dass alle diese Beschreibungen nicht das Wesentliche treffen. Die Sache ist nämlich bisher immer so dargestellt worden, als ob diese absonderlichen Kernformen wesentlich nur durch ihre enorme Grösse einerseits und durch ihre Polymorphie andererseits ausgezeichnet seien. Wenn wir nun aber diese beiden Umstände in Abrechnung bringen, so kommen wir doch nicht zu der Form eines gewöhn- lichen, kugligen Kernes, vielmehr sind alle jene Kerngebilde ihrer GrundformnachalsdiekwandigeHohlkugeln,welche fenster- oder kanalartige Durchbrechungen der Wände zeigen, vorzustellen). Man wird vielleicht sagen, ja das sei eben eine besondere 1) Diese Kerne in Form einer Hohlkugel sind nicht derart ent- standen zu denken, dass ein polymorpher Kern sich zu der Form einer Hohlkugel zusammenkrümmt, sondern die Hohlkugeln entstehen wäh- rend der Anaphasen der Mitose als solche, d. h. als ein Ganzes auf einmal. Wenigstens ist dies bei den von mir beobachteten Zellen der Fall. Nach anderen Autoren (von Kostanecki) entstehen diese Kerne am Ende der Mitose durch Verschmelzung vorher getrennter Kern- bläschen, dann ist aber dieser Process doch noch als zur Ana- oder Telophase gehörig zu rechnen und die Riesenzellen würden immer mit hohlkugelförmigem Kerne in den Ruhezustand übergehen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 36 554 Martin Heidenhain: Form der Polymorphie; daraufhin erlaube ich mir aber zu er- widern, dass man auf keine Weise von einem soliden kugligen Kerne einer ruhenden Zelle aus durch einfache Umbildungen zu der Form eines schwerfälligen, engmaschigen, unter sich nach jeder Richtung hin durchaus zusammenhängenden Gitters kommt, wel- ches seiner räumlichen Ausbreitung nach entsprechend einer Kugel- oberfläche angeordnet ist. Diese Formengebung ist keine „Poly- morphie* mehr, denn sie setzt einen ganz bestimmten specifisch gerichteten Mechanismus der Entwiekelung während der mito- tischen Anaphasen voraus und fordert ganz besondere Ein- richtungen des Zellkörpers, welche ihren Bestand garantiren. Sie zeigt vor allem ihren typischen und selbständigen Charakter da- durch, dass sie, abgesehen von den Jugendformen der Riesen- zellen, allen Megacaryoeyten, mögen sie sonst be- schaffen sein, wie sie nurirgend wollen, .gleieher Weise zukommt. Wenn wir von der „Polymorphie“ einer bestimmten Kernsorte sprechen, so meinen wir damit, dass die jedesmalige Gestalt des einzelnen Kernindividuums je nach Lage und Umständen eine mehr gelegentliche, zufällige, vorübergehende, eine der betreffenden Zellenart nicht immer in gleicher Weise zu- kommende sei. Hier kommt aber die Hohlkugelform des Kernes allen Megacaryocyten zu, welche über die ersten Entwickelungs- stadien hinaus sind. Mithin haben wir da etwas von der über- dies noch vorhandenen Polymorphie ganz Unabhängiges (vergl. die Abbildungen: in allen Figuren, welche erwach- sene Riesenzellen vorstellen, präsentiren sich die Kerne in mitt- leren Durehschnitten, also entsprechend ihrer Hohlkugelform als Ringe). Arnold und Denys haben die in Rede stehende Gestal- tung des Kerns, deren Constanz sie nicht erkannten, auf den Namen einer Korbform getauft, eine Bezeichnung, die nicht recht zutrifft; doch dürfte es kaum sonst in der Natur oder im Haushalt des Menschen einen Gegenstand geben, von dem man eine treffendere Benennung ableiten könnte. Van der Stricht und von Kostaneeki haben jene Namengebung in der Lite- ratur vorgefunden und sie ebenfalls gebraucht; ich glaube aber kaum, dass diese beiden Autoren die Bedeutung des gedachten Begriffes in der nämlichen Weise verstanden haben wie Arnold und Denys. Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 555 Diese Kerne von der Form eines Korbes oder besser einer gefensterten Hohlkugel werden mithin durchaus nicht etwa von mir zuerst beschrieben; die neue prineipielle Feststellung betrifft nur den Umstand, dass bei einem sorgfältigen Studium der Me- gacaryocytenkerne in der fortlaufenden Serie der Schnitte alle ausgewachsenen und halbwüchsigen, ja selbst viele jugendliche Zellen jene „Korbform* zeigen, welehe zudem auch, wie ich be- haupte, als von einem einfachen Polymorphismus unabhängig ge- dacht werden muss!). — Die Wandung der Hohlkugel stellt ihrer Dieke nach die eigentliche Masse des Kerns vor. Den allseitig umschlossenen Hohlraum im Inneren bezeichne ich als Pyre- nocöl; die fenster-, röhren- oder spaltartigen Durchbrechungen des Kernmassivs, welche vom Pyrenocöl her auf die äussere Ober- fläche des Kerns führen, nenne ich „perforirende Kanäle“ (in sehr vielen Abbildungen zu sehen, z. B. Fig. 49 und 53. Pf. K.). Dieser Beschreibung nach erscheint also der Kern auf mitt- leren oder nicht zu weit tangential entfallenden Schnitten immer ringförmig (vergl. die Abb.), wobei, wenn ein oder mehrere perforirende Kanäle in den Schnitt zu liegen kommen, der Kernring gewöhnlich eine oder mehrere Diskontinuitäten aufweist (Fig.56,60). Häufig gelingt es auch durch einen zureichenden Gebrauch der Mikrometerschraube nachzuweisen, dass die scheinbar getrennten Theile eines Kernringes in der Höhe oder Tiefe mit einander in breiten Brücken zusammenhängen (Aehnliches ist an sehr vielen Stellen der Zeichnungen zu sehen; z. B. Fig. 50, 51, 57, 64 u. a.). Bei der Mikroskopie in Serien ist dies jedes Mal sehr leicht mög- lich festzustellen; hier kann man auch die scheinbar nur maul- beerförmigen, die in einfacher Weise gelappten und die verästigten Formen der älteren Megacaryocytenkerne als Tangentialschnitte durch die Wandung durchbrochener Hohlkugelkerne erkennen. Denkt man sich eine Ebene durch den Mittelpunkt des Pyrenoeöls hindurchgelegt, so wird diese bei jeder beliebigen Drehung nach allen Raumesrichtungen hin stets das gleiche Durehschnittsbild des Kernes liefern, nämlich eine econtinuirliche oder durchbrochene Ringform. 1) Denys, der diese Hohlkugelkerne bisher am besten beschrie- ben hat, hält bereits dafür (25; pag. 249), dass sie bei den Riesenzellen häufiger vorkommen möchten als man bisher annahm. 556 Martin Heidenhain: Wir unterscheiden mithin am Kern eine äussere und eine, dem Pyrenoeöl zugewandte innere Kernoberfläche, welche beide an der Stelle der perforirenden Kanäle direkt in einander übergehen. Das Zellenprotoplasma, welches die äussere Oberfläche bedeckt, setzt sich in die perforirenden Kanäle hinein fort und füllt das Pyrenoecöl vollständig aus (vergl. die Abb.). Plasma und Kernmasse sind selbstverständlich allerseits durch die Kernmem- bran von einander geschieden. Es wäre nicht ganz richtig zu sagen, dass der Kern eine centrale Protoplasmamasse in sich ein- schliesst, denn der Kern schliesst auch hier nichts anderes ein als die Kernstruktur und den Kernsaft; vielmehr ist die Lage der Dinge so zu denken, dass in Folge der eigenthümlichen topogra- phischen Ausbreitung der Kernmassen entsprechend der Oberfläche einer Hohlkugel, die Zellsubstanz in zwei Portionen getrennt wird, von denen die eine, das „Endoplasma“, dann scheinbar im Inneren des Kerns, im Pyrenocöl befindlich ist, während die andere, das „Exoplasma“, den Kern von aussen her einhüllt (vergl. z. B. die Abb.-48, 49, 55 und ihre Bezeichnungen). Die räumliche Abtrennung von Endo- und Exoplasma ist aber in allen Fällen eine unvollkommene, da auf dem Wege der perforirenden Kanäle und Spalten ein continuirlicher Zusammenhang besteht. Alle diese Dinge zeigen die Abbildungen in den mannigfachsten Anordnungen !). Diese Kerne zeigen sich dann ausserdem, abgesehen von dem geschilderten Verhalten ihres allgemeinen Aufbaues, sehr stark polymorph. Auf der inneren und namentlich auf der äusseren Oberfläche finden wir eine grosse Menge von tiefen Furchen und Einsenkungen, zwischen denen die Substanz des Kernes in wulst- und blasenartigen Erhebungen vordrängt (siehe die Abb.). Alle diese Buckel und Windungen sind bei normalen Riesenzellen schön prall und ausgerundet, so wie die „bläschenförmigen“ Kerne es sind. Da hieraus wohl hervorgeht, dass der Binnendruck im In- neren des Kernes höher sein muss als der Druck im Zellenproto- 1) Die perforirenden Kanäle werden bei Denys (25; pag. 249) „mailles du noyau“ genannt, eine Benennung, die gewiss nicht ganz zutrifft. Dieser Autor (pag. 250) hält es auch für möglich, dass das Endoplasma unter Umständen seinen Zusammenhang mit dem Exo- plasma ganz verlieren könne. Dies halten wir für ganz unmöglich; das kommt auch thatsächlich niemals vor. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 997 plasma, so würden die Einfaltungen auf der Kernoberfläche un- begreiflich sein, wenn man als den Ort der zugehörigen Ursachen den Kern selbst in Anspruch nähme. Hier haben wir den Nachweis dafür, dass die Polymorphie des Kerns bedingt wird durch die Thätigkeit oder den Zustand des Zellenprotoplasmas. Von Kostanecki stellt sich vor, dass die Summe der vorspringenden Buckel und Lappen eines Kernes einer entspre- chenden Anzahl einzelner, unter sich verschmolzener Kerne gleich- werthig ist. Wenn nun auch eine derartige Verschmelzung der Genese nach für viele Riesenzellen festgestellt worden ist, so muss ich doch behaupten, dass die Lappungen des Kerns keinen Hin- weis mehr auf die ursprüngliche Zusammenschweissung aus ein- zelnen Individuen mehr enthalten. Genauer müsste nach von Ko- staneceki die Zahl der Lappen der Zahl der Theilungspole gleich sein, welehe bei Gelegenheit der nächst voraugegangenen mul- tiplen Mitose vorhanden waren, denn diese Mitosen werden alle rückläufig und man müsste dann in dem Riesenkerne so viele „virtuelle“ Einzelkerne suchen, als Theilungspole vorhanden waren. Nun findet man an grossen multiplen Mitosen über 100 Theilungs- pole; es ist aber gar nieht daran zu denken, dass die Zahl der Kernlappen auch bei völlig ausgewachsenen Riesenzellen jedesmal einer so hohen Ziffer entsprechen sollte. Es ist überhaupt Dreht richtig, sieh die Riesenkerne'als ein Kern- aggregat vorzustellen; denn sie sind durchaus einheitlich in ihrem Aufbau und stellen als Ganzes nur einen Kern vor. Demgemäss entwickelt sich auch die Kernstruktur im Inneren, wenn wir von einem bestimmten Punkte ausgehen, nach allen Richtungen hin gleichartig. Da sind keine Unterabtheilungen, welehe auf die Zusammensetzung aus Einzelkernen schliessen lassen, wie van der Striceht meinte (91, pag. 59), sondern die Kern- struktur bildet ein einziges Continuum. Neben dem Hauptkern findet man mitunter, seltener bei normalen, häufiger bei degenerirenden Zellen einzelne völlig isolirte Kernbläschen. Bei degenerirenden Zellen han- delt es sich wohl um eine wirkliche Abschnürung einzelner Kern- läppcehen, d. h. um eine degenerative, chromatolytische Fragmen- tirung. Im Falle die Zellen normal sind, dürfte eine wirkliche Abschnürung überhaupt nicht zu Grunde liegen. Ich konnte wenigstens bei meinem Objekte an normalen Zellen niemals irgend 558 Martin Heidenhain: welche Bilder erhalten, die auf einen derartigen Vorgang ab- zielen. Wenn sich nun doch ab und zu einmal völlig isolirte Kernbläschen neben dem Hauptkern bei gesunden Zellen vorfin- den, so dürfte ihre Entstehung auf einem nicht ganz der Regel entsprechenden Ablauf der nächst vorangegangenen Mitose zurück- zuführen sein. Ich bin der Meinung, dass in diesen Fällen eine nur wenige Individuen umfassende Chromosomengruppe so weit abseits gerieth, dass sie bei der Reconstruktion des Riesenkernes nicht mehr Verwendung finden konnte und sich nun zu einem selbständigen Kernbläschen umbildete. 54. Was die Kernstruktur anlangt, so verhält sie sich, wie schon die mir vorangegangenen Autoren bemerkt haben, ganz ähnlich wie die Gerüstwerke in den Kernen der grösseren (ses- silen) Leukoeyten. Auffallend wäre nur die ausserordentliche Anzahl echter Nukleolen (z. B. Fig. 49). Diese sind hier, wie überall „fortsatzlose“, wohl umgrenzte Körper, welche inner- halb der Kerngerüste gelegen sind und sich stark in dem Rubin S der Biondi’schen Lösung tingiren. Die Kernstruktur ist, gerade so wie vorhin für die grossen Leukocytenformen geschil- dert wurde, relativ weitläufig gebaut und sie lässt im Gröberen und Feineren ganz analoge Anordnungen erkennen. Speciell trifft aueh hier wieder alles daszu, was obenüber die mikrosomale Zusammensetzung und die Chro- matophilie der Strangwerke auseinandergesetzt wurde. Capitel VII: Allgemeine Orientirung über die Verhältnisse des Zellenprotoplasmas. 59. Ueber die sehr complieirten Verhältnisse des Zellenprotoplasmas will ich zunächst eine kurze allgemeine Orien- tirung geben, um dadurch die nachfolgende Einzelbetrachtung zu erleichtern. Wie schon erwähnt, lege ich meinen Auseinander- setzungen jenen Typus der Riesenzellen zu Grunde, welcher leicht an denim Zellenprotoplasma auftretenden concen- trischen Differenzirungen kenntlich ist. Die hierher- gehörigen Individuen, welehe in dem Mark des einen Thieres zahlreicher sein können als in dem eines anderen, repräsentiren die höchst mögliche Form der Entwicklung in dem ganzen Kreise Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 259 der Riesenzellen, und ich zweifle nicht daran, dass jeder normale Megacaryocyt potentia die Fähigkeit besitzt, die concentrische Strukturform an seinem Leibe zur Ausbildung zu bringen. Was ich unter der letzteren Bezeichnung verstehe, das er- hellt leicht aus den Abbildungen (z. B. 58, 60, 61, 63, 64, 66 und andere). Bei jeder stärkeren Protoplasmafärbung, vorzüglich beim Gebrauche der Biondi’schen Lösung, gewahrt man an jeder völlig ausgewachsenen Zelle unserer Gattung, sowie auch an vielen halbwüchsigen und kleineren Exemplaren, dass im Exo- plasma eine zonenweise, concentrisch zur Kern- oberfläche sieh anordnende Gliederung der Zell- substanz besteht. Man unterscheidet unmittelbar an der äusseren Oberfläche des Kernes und zwischen alle Furchen und Einsenkungen des- selben eindringend und ferner in ähnlicher Weise wiederkehrend an der äusseren Oberfläche der Zelle je eine Substanzlage von zarter, durchsichtiger Beschaffenheit (sehr deutlich, z. B. in Fig. 58, 64 und 66) und zwischen beiden, sie trennend, meist in scharfer Abgrenzung eine mittlere Zone, deren gewöhnlich ganz compakte Masse eine ausserordentlich hohe Affinität für proto- plasmafärbende Mittel besitzt und aus diesem Grunde auch immer leicht zu kennzeichnen ist. Diese drei Zonen bezeichne ich ferner- hin als die erste, zweite und dritte, wobei ich von der Kernober- fläche her gegen die Zellenperipherie hin abzähle, oder ich werde in entsprechender Weise auch die Benennungen Innen-, Mittel- und Aussenschicht benützen. Die letztere kann treffend auch als „der Randsaum“ bezeichnet werden. Die drei Strata sind der Regel nach nicht in gleichmässiger Weise ausgebildet; es hält sogar schwer, einen Zellendurchschnitt aufzufinden, der ein regelmässiges Bild der Schiehtenfolge giebt. Nun kann wohl das eine oder andere Stratum partiell oder ganz zum Ausfall kommen oder an Mächtigkeit gegenüber den beiden anderen Zonen eine starke Reduktion erfahren, nie aber über- steigt die Summe der von einander abgrenzbaren Schichten die typische Dreizahl, so dass der that- sächlich stattfindende enorme Wechsel der Formengebung sich doch innerhalb eines eng umschriebenen Rahmens abspielt. Wenn nun bei aller Variabilität die dreifache Gliederung im Exoplasma immer wieder zum Vorschein kommt, so ist es offenbar, dass 560 Martin Heidenhain: . diese Struktureigenthümlichkeit etwas mit der physiologischen Funktion dieser Zellen zu thun haben muss. Diesen Gesichtspunkt wollen wir für später festhalten. 56. Von den drei typischen Zonen ist dielnnenschicht ihrer Ausbildung nach am constantesten. Dort wo sie einmal zur Differenzirung kam, scheint sie, sozusagen, eine res intangiblis zu sein!). Zwar wechselt ihr Diekendurchmesser bei verschie- denen Zellen, auch ist sie im ganzen Umfange des Kernes nur selten gleichmässig ausgebildet (z. B. Fig. 57, 61, 67), doch ist ihre Variabilität auch bezüglich der feineren Struktur, wie wir später sehen werden, im ganzen eine recht geringe. Mitunter scheint die Innenschicht an gewissen Strecken des Kernumfangs zu fehlen (Fig. 67 und 72); an solchen Stellen begrenzt dann die Mittelschieht den Kern, doch liegt das Verhältniss keineswegs so, dass jemals Theile des Kerns, einzelne Buckel oder Knospen, völlig in die mittlere Zone eintreten. Dies geschieht wenigstens der Norm nach nicht. Wie wir die vorliegende Erscheinung aufzufassen haben, das geht aus folgender Betrachtung hervor, die der geschätzte Leser leicht an der Hand der Abbildungen wiederholen kann (Fig. 50, 57, 61, 67). Wenn wir eine Reihe von Zellendurchsehnitten vor uns haben, bei denen der Fall zutrifft, dass einerseits an der äusseren Kernoberfläche die Innenschieht in verschwindender oder gerin- gerer Weise ausgebildet ist, so zeigt es sich, dass genau an der gegenüberliegenden Stelle des Kernumfangs dieselbe um so breiter entwickelt ist. Hieraus geht nun unmittelbar hervor, dass es nicht etwa der Kern ist, welcher eine bestimmte Kraft oder Macht hat, entsprechend beliebigen Stellen seiner äusseren Oberfläche die Innenzone bald in grösserer, bald in geringerer Tiefe zur Entwicklung zu bringen; vielmehr ist die protoplasma- tische Substanz, welehe der Innenschieht plus dem Endoplasma entspricht, je nach Lage und Umständen ein abgemessenes 1) Die Innenschicht ist als eine hellere in der nähsten Cirkum- ferenz des Kernes gelegenen Zone schon von mehreren Autoren beob- achtet worden, so von Denys (25; pag. 250), van der Stricht (92; pag. 67 und 91; pag. 59) und von Kostanecki (60; pag. 328). Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 561 Quantum, innerhalb dessen die Kernmasse bald mehr centrisch, bald mehr excentrisch gelegen ist. Diese Feststellung ist für unsere Zellen offenbar von einer gewissen grundsätzlichen Bedeutung. Denn da die schichtenweise, eigenthümliche Differenzirung des Protoplasmakörpers jedesmal annähernd concentrisch zur äusseren Kernperipherie erfolgt, so liegt von vornherein für jeden naiven Beobachter die Auffassung nahe, dass die Entwicklung des Zellleibes in hohem Maasse von den verborgenen Kräften des Kernes abhängig sei: so ist es wichtig, jeden die Schiehtung des Protoplasmakörpers be- treffenden Umstand hervorzuheben, welcher unabhängig vom Kern betrachtet werden kann. Wenn wie in unserem Falle der Fig. 72 die erste Zone des Exoplasmas oder die Innenschicht an einer Stelle anscheinend völlig zum Ausfall kommt, so haben wir im Sinne der obigen Ausführung eben nur eine stark ex- centrische Lage des Zellkerns vor uns. Diese Betrach- tung kann man sich nach Analogie der Verhältnisse beim Leu- koeyten zur Vorstellung bringen. Bei diesen finden wir den Zellkern oft so stark peripherwärts verschoben, dass der protoplasma- tische Ueberzug einerseits an der Aussenfläche des Kernes nicht mehr erkennbar ist. Trotzdem nehmen wir auch für solche Fälle eine allseitige protoplasmatische Ueberkleidung des Zellkernes an. Ganz dieser Auffassung entsprechend halte ich dafür, dass der Kern der Riesenzellen immer als völlig innerhalb der zur Innen- schicht des Exoplasmas gehörigen Masse liegend zu denken ist, so dass mithin nur scheinbar in einigen Fällen und an einigen Stellen die mittlere Zone die Kernoberfläche ohne Dazwischen- treten einer anderen Substanz überlagert. Man trifft des öfteren auf Individuen, bei denen die Sub- stanzen der ersten und zweiten Zone nur in undeutlicher Weise von einander geschieden werden können. Sobald es sich jedoch überhaupt um Zellen von dem hier beschriebenen Typus mit dreifacher Gliederung des Exoplasmas handelt, bin ich geneigt, in diesem Falle lediglich das Färbungsverfahren verant- wortlich zu machen, denn wo überhaupt eine genauere Unter- suchung möglich ist, sei es auch, dass grössere Bemühungen daran gewendet werden müssen, da zeigt es sich immer, dass die beiden genannten Schichten sich in ganz glatten Grenzflächen von einander abheben, so dass mithin im optischen Querschnitt an dieser 562 Martin Heidenhain: Stelle eine ganz reine, haarscharfe Conturlinie zum Vorschein kommt. Zwar ist schon diese Thatsache einer fast mit mathe- matischer Präcision durchgeführten territorialen Abgrenzung inner- halb des Zellenprotoplasmas auffallend genug (Fig. 50, 57, 61), allein noch merkwürdiger erscheint mir der Umstand, dass diese Abgliederungen offenbar gebunden sind an das Auftreten einer membranartigen Differenzirung. Folgt man nämlich an geeigneten Objekten (Fig. 50, 55, 56, 60, 61, 75) aufmerksam der zwischen der ersten und zweiten Zone sich einschiebenden Contourlinie, so er- scheint diese selbst häufig bei weitem stärker gefärbt als ihre Umgebung!), so dass hier nothwendig eine körperliche Bil- dung vorliegen muss, an welche das Phänomen der Färbung gebunden ist. Diese Grenzmembran dritter Ordnung, wie ich sie bezeichnen will, werden wir noch weiter unten genauer (— als ein Stratum gröberer Zellenmikrosomen —) kennen lernen. Die durch sie gegebene Conturlinie -ist oft eine wellenförmige (Fig. 56, 58, 70), wobei die Ausbiegungen einigermaassen den Vorwöl- bungen des Kerns entsprechen, während die Einbiegungen ebenso den Einfurchungen der Kernoberfläche gegenüberliegen. Dort, wo der Kern von perforirenden Kanälen durchsetzt wird, finden wir oft an den entsprechenden Strecken des Grenzeontours der In- nenzone eine scharfwinklige Einziehung (Fig. 60). 8°. Was die zweite Zone im Exoplasma oder die Mittelschicht anlangt, so erwähnte ich schon, dass sie im allgemeinen einen durchaus eompakten Eindruck macht und sehr stark färbbar ist. Aus diesem Grunde erhält man in vielen Fällen enorm starke Färbungsdifferenzen zwischen der Mittelschicht einerseits und der ersten und dritten Zone andrerseits (Fig. 66). Ihre Abgrenzung nach aussen hin, der dritten Zone gegen- über, ist nur mitunter eine glattrandige (Fig. 50) und hier kann sich eineGrenzmembranzweiter Ordnung einschieben, die jedoch in völlig deutlicher Weise nur selten zur Beobachtung kommt und offenbar nur unter ganz bestimmten Bedingungen zur Entstehung gelangt; ganz gewöhnlich hingegen ist der Fall, dass sich auf der Oberfläche der Mittelschicht eine Unmasse sehr feiner 1) Es ist kein besonderes Beispiel dieser Art abgebildet wor- den; die Auswahl der Zellen geschah nach anderen, wichtigeren Ge- sichtspunkten, Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 568 Höcker oder Spitzchen vorfinden, welche an der Grenze stehend den Anschluss der zweiten an die Substanz der dritten Zone ver- mitteln (Fig. 48 und 61). Alles genauere und in Ansehung der Funktion der Riesenzellen zum Theil sehr wiehtige Detail dieser Angelegenheit kann erst weiter unten dargestellt werden, Zellendurchsehnitte, welche die Mittelschichte im ganzen Umfange in gleichmässiger oder auch nur annähernd gleichmässiger Weise ausgebildet zeigen, finden sich durchaus nicht häufig (etwa Fig. 51, 60, 64). Vielmehr ist es die Regel, dass die Mittelschicht sich an den einen Stellen stark verschmälert, ja sogar ganz zum Aus- fall kommt, an andren Stellen aber hügelartig nach aussen hin sich vorwölbende Ansammlungen bildet (Fig. 48, 53, 61, 65 und andere). Die Buckel auf der äusseren Zellenoberfläche entsprechen zum Theil auch den Vorwölbungen der Mittelschicht (z. B. Fig. 66. 72). Bei sehr geringer Dieke der Mittelschieht zeigt sie sich oft “unter dem Bilde einer dünnen, manehmal recht unregelmässig gearteten, Ja selbst durchbrochenen, diseontinuirlichen Platte oder Membran (stellenweise in Fig. 54, 56, 61, 71). Ist der membran- artige Charakter stark ausgesprochen, dann lässt sich mit voller Deutlichkeit für einige Fälle zeigen, dass diese Membran der oben erwähnten Grenzmembran dritter Ordnung entspricht, das heisst mit ihr ein Continuum bildet (z. B. in Fig. 75). Es kommen also auch an ausgewachsenen und völlig als normal anzusehenden Riesenzellen mitunter Stellen vor, an denen sich zwischen die erste und dritteZonedes Exoplasmas nur die Grenzmembran dritter Ord- nung einschiebt, welche dann sozusagen allein an die Stelle der Mittelschicht tritt. In wie weit etwa auch die Grenzmembran zweiter Ordnung für sich allein oder in inniger Zusammenlagerung mit ihrer Schwestermembran eine solche Scheidung der Innen- und Aussenschieht bewirken könne, das ist mir verborgen geblieben und habe ich nicht die Absicht in Betreff dieser Angelegenheit eine müssige Streitfrage zu erheben. 58. Ist schon das Gebiet der zweiten Zone im Gröberen und Feineren ausserordentlich veränderlich, so ist es doch dasGebiet der dritten Zone um noch vieles mehr. Hier sind die mikro- skopischen Bilder m der That so veränderlich, dass ich anfangs nicht übel gelaunt war zur Erklärung der überaus wechselvollen 564 Martin Heidenhain: Befunde eine sich leicht produeirende massenhafte Artefaktbildung innerhalb der Oberflächenregion der Riesenzellen vorauszusetzen. Erst ein sehr mühevolles Studium an der Hand verschiedener und gegensätzlich wirkender Konservirungsmittel hat mich belehrt, dass die mir anfangs so fraglichen Strukturbilder auf natürlichem Wege entstehen, und dass der leicht zu beobachtende Wechsel der Erseheinungsformen nicht blossen morphologischen Varietäten- bildungen, sondern gewissen physiologischen Entwick- lungsreihen entspricht, welche die normale physiologische Funktion der Riesenzellen aufs deutlichste illustriren. Die Substanz der dritten Zone oder der „Aussenschicht“ oder, wie ich auch sagen will, des „Randsaumes“ zeigt sich, an einem recht günstigen Objekte beobachtet, ganz ähnlich der Substanz der ersten Zone. Diese Aehnlichkeit bezieht sich zunächst auf den Grad der Färbbarkeit (vergl. z. B. Fig. 54, 66 und andre), welcher gegenüber dem Färbungsvermögen der Mittelschicht ein recht geringer ist. Oft zeigt sich der Randsaum an im übrigen inten- siv tingirten Schnitten so hell gefärbt, dass er kaum als etwas dem übrigen Zellenkörper organisch Zugehöriges erkannt wird (Fig. 66). Ich glaube, manche Autoren haben es überhaupt nicht zu Wege &ebracht, den Inhalt der dritten Zone so stark zu färben, dass er ihnen als integrirender Theil des Zellleibes erscheinen konnte). Von der Möglichkeit eines solehen Irrthumes wird man sich leicht an der Hand der Fig. 66 eine genügende Vorstellung machen können. Betrachtet man eine derartige allseitig vom Knochen- . marks-Parenehym umgebene Zelle bei schwächeren Vergrösserungen, so scheint sie in einem hellen freien Raume zu liegen, welcher der dritten Zone entspricht. Hat man vom Gebrauch protoplas- mafärbender Mittel Abstand genommen, so wird man auch bei starken Vergrösserungen, wenn die Betrachtung nicht eine sehr aufmerksame ist, Gefahr laufen, den Randsaum völlig zu übersehen. Ein genaueres Studium der Randsäume ist überhaupt nar an der Hand stark wirkender Protoplasmafarben möglich a): a 1) Hier straft sich eben die Sucht mit Chromatin färbenden Mit- teln, womöglich mit Saffranin und Gentianaviolett alles machen zu wollen. 2) Irgend eine genauere Kenntniss der Randsäume hat noch kein Autor vor mir gehabt. Indessen hat van der Stricht 2 hierher gehörige Abbildungen gegeben (91; Taf. XI, Fig. 68, 69); vollkommen unverständliche, weil nur in Rudimenten wiedergegebene Abbildungen des Randsaumes sieht man ferner ebendort in Fig. 62 und 70. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 565 An der Zellenoberfläche wird die Aussenschicht von einer starken Zellenmembran bedeckt, welche im Sinne unserer Terminologie als eine Grenzmembran erster Ordnung zu bezeichnen wäre (z. B. Fig. 54, 61, 71 und viele andere). Diese ist nun an entsprechend tingirten Präparaten immer leicht zu erkennen und zeigt uns aufs deutlichste die wahre Ausdehnung des Zellen- territoriums an, welches bei der eigenthümlichen inneren Kon- stitution der Randsäume ohne eine solche Grenzmarke oft nicht mit Sicherheit würde bestimmt werden können. In dieser Beziehung sind meinen Vorgängern recht merkwürdige Irrthümer untergelaufen. Die Randsäume sind bald im ganzen Umfange eines Zellen- durehschnittes sichtbar (Fig. 48, 60), bald kommen sie auf geringeren ‚oder grösseren Strecken hin vollkommen zuın Ausfall (Fig.56,61,67). Bald sind sie in der ganzen Cirkumferenz der Zellenperipherie in annähernd gleicher Breite entwickelt (Fig. 51, 64), bald zeigen sich gröbere, ja selbst die gröbsten Ungleichmässigkeiten (Fig. 61; Fig. 71). Es ist fast die Regel zu nennen, dass der Randsaum in Hügeln und Buckeln nach aussen hin sich vorwölbt; diese können sogar eine wirkliche Blasenform annehmen (Fig. 71, 72), doch ist hier daran zu erinnern, dass die blasenartigen Gebilde auf der Oberfläche der Riesenzellen auch als entsprechend geführte Tangen- tialschnitte zu weit flacheren Erhebungen gehören können. Treffen sich mehrere Auswölbungen von verschiedener Höhe und Breite am Durchschnitte einer Zelle, so kann eine recht unregelmässige Gesammtfigur entstehen (Fig. 72); doch gehören diese Formen zu den seltneren. In andren Fällen schliesslich fehlt die ganze dritteZone vollkommen (Fig. 57). Wie eine solehe Situation zu beurtheilen ist, wird späterhin noch dargethan werden. 59. Da Mittel- und Aussenschicht beide variabel sind, so entstehen durch die Combination verschiedener Möglichkeiten jene ausserordentlich wechselvollen Bilder der Riesenzellen, von denen schon mehrfach gesprochen wurde. Eine Durchsicht der von mir gegebenen Abbildungen wird aber wohl leieht die allgemeinen Prineipien im Aufbau des Zellleibes erkennen lassen. Man geht am besten von einer recht regelmässig geschichteten Zelle aus, welehe die dreifache Gliederung des Exoplasmas ohne weiteres erkennen - lässt (etwa Fig. 60). Dann erklären sich unter An- 566 Martin Heidenhain: wendung der einmal gewonnenen begrifflichen Feststellungen auch leicht die abweichenden und schliesslich selbst die extremen Formen. Auf einige der Abbildungen möchte ich speciell noch auf- merksam machen. So haben wir in Fig. 51 eine auffallend regel- mässig gestaltete Zelle, bei welcher der Randsaum und grossen Theils auch die Mittelsehieht nur in sehr geringer Breite ausge- bildet sind. Die färberische Differenzirung war hier keine besonders glückliche, so dass der Randsaum sich nicht allzu deutlich abhebt. Das Exemplar der Fig. 50 stellt eine ganz ähnliche Zelle vor; hier haben wir jedoch den Fall, dass etwa an dem dritten Theile des Zellumfanges die zweite und die dritte Zone gleicher Zeit vollkommen fehlen, so dass hier mithin die Innenschicht oder die erste Zone des Exoplasmas frei an die Oberfläche tritt. Ebenso, sehen wir in Fig. 63 die Innenschichte linker Hand an einer nicht unbeträchtlichen Stelle frei zu Tage treten. An solchen Stellen, an denen die Mittelsehichte partiell zum Ausfall gekommen ist und an denen der Randsaum gleichzeitig nieht im regulärer Weise entwickelt ist, findet man häufig dicht unterhalb der Zellenmembran einige weitere membranartige Bildungen (Fig. 55 links oben), deren optische Querschnitte sich unter der Form annähernd gleichlaufender Linien präsentiren; diese verfliessen dann schliesslieh theils mit der Zellenmembran, theils mit den Grenzmembranen. Solche Bil- dungen!) sind offenbar den Grenzmembranen ganz homolog, ohne dass sich jedoeh im Einzelfall jedes Mal eine genauere Paralleli- sirung durchführen lässt. An dem Zellenexemplar der Fig. 55 ist fernerhin besonders merkwürdig, dass nicht bloss der Rand: saum ganz, sondern auch dieMittelschicht zum gröss- ten Theile fehlt; die letztere ist nur einseitwendig an der Zelle in Form eines groben Klumpens ausgebildet. 60. Ich gehe nun zu einer vorläufigen Darstellung der Ver- hältnisse des Endoplasmas über. Diese Substanz hängt auf dem Wege der den Kern perforiren- den Kanäle continuirlich mit der Substanz der ersten Zone des Exoplasmas zusammen und sie ist offenbar bei den einzelnen Zellen- individuen entweder im Ganzen oder wenigstens zum Theil mit jener ihrer Art nach identisch. So zeigt denn das Endoplasma auch in vielen Fällen dem Grade und der Art nach die gleiche 1) Typische Stellen sind von mir nicht abgebildet worden. Neue Untersuchnngen über die Centralkörper etc. 567 oder fast die gleiche Färbbarkeit wie die Innenschicht (Fig. 48, 50, 53). Nun kommen aber weiterhin Zellen vor, und diese sind häufig, bei denen im EndoplasmascharfabgegrenzteTerri- torien einer speeifisch stärker färbbaren Sub- stanz erscheinen (Fig. 51, 54, 55, 56, 58 und andere); diesen Bildungen kommt dann nicht irgend eine typische äussere Ge- staltungsform zu, sondern die Umrisslinien der hierher gehörigen, dunkel färbbaren Figuren wechseln fast von einem Zellenindividuum zum anderen. Gleichwohl liegen hier bestimmte Differenzirungen einer besonderen Art vor und zwar sindsieihrerArtnach identisch mit jenen Differenzirungen des Exo- plasmas, welche dort als Substanz der zweiten Zone erscheinen. Ein Blick auf die Abbildungen genügt zur Orientirung. So finden wir bei dem Zellenindividuum der Fig. 55 im Endoplasma eine dunkle Figur (M. En.) von zackigem Umriss, welche die innere Oberfläche des Kerns nirgends berührt, sondern von dieser überall durch eine Sebicht helleren Protoplasmas getrennt ist, geradeso wie auch die Mittelschichte des Exoplasmas von der äusseren Kernoberfläche durch die heller färbbare Innenschicht getrennt ist. Von der Oberfläche derartiger dunkler Figuren im Endo- plasma sieht man häufig stark färbbare Stränge oder Bänder ab- treten (Fig. 51, 55, 58), welche in der Achse der perforirenden Kanäle und Spalten peripherwärts verlaufen, die Innenschicht radiär durchsetzen und an der Begrenzung der letzteren enden. Dort wo die Innenschicht des Exoplasmas von der Mittelschiehte überlagert wird, zeigen sich die erwähnten dunklen Stränge oft mit der letzteren in direktem Zusammenhange, so dass in diesen Fällen zwischen der Substanz der zweiten Zone des Exoplasmas und den dunkel färbbaren Massen im Endoplasma auf dem Wege ganz bestimmter Brücken, welche aus der gleichen Substanz geformt sind, ein direkter Uebergang besteht. Trifft ein aus dem Endo- plasma austretender radiärer Strang an der Umgrenzung der Innen- schichte auf eine Stelle, an welcher die erste und dritte Zone nur durch die Grenzmembran dritter Ordnung geschieden sind (Fig. 56), so steht die Substanz des Stranges in direkter Continuität mit der Substanz der Grenzmembran. Nun ist zwar durchaus unübersichtlich, welche Bedeutung die eben beschriebenen Dinge haben mögen, das eine ist wohl aber 568 Martin Heidenhain: durchaus klar, dass diese scharf abgesetzten, dunkel färbbaren Figuren im Endoplasma in ihrer Masse der Substanz der zweiten Zone des Exoplasmas völlig entsprechen. Wir können uns also dahin aussprechen, dass es in einer Reihe von Fällen im Endo- plasma zu eben jener Differenzierung kommt, welche sieh im Exoplasma unter dem Bilde der Substanz der zweiten Zone präsentirt. Wenn wir die räumlichen Beziehungen allein in’s Auge fassen, so wiederholen sich entsprechend der inneren und äusseren Kernoberfläche die gleichen Bildungen. Nehmen wir 2. B. Fig. 58 zum Muster, so treffen wir von dem Kern her nach einwärts und auswärts fortschreitend allemal auf die gleichen Bildungen: zunächst ist der Kern in ein helleres, weniger färb- bares Protoplasma eingebettet, — Substanz der Innenschiehte, — und darüber hinaus treffen wir dann auf eine kompakte dunkel färbbare Masse, — Substanz der Mittelschichte oder zweiten Zone. Somit übertrage ich die von mir für die Gliederung im Exo- plasma beliebte Nomenklatur auch auf die Differenzirungen im Endoplasma. Hierbei wäre freilich zu bemerken, dass der streng concentrische Typus der Anordnung, wie wir sie entsprechend der äusseren Oberfläche des Kerms vorfinden, im Endoplasma meistentheils verwischt ist; hier finden sich regelmässige Bil- der selten. Es kommt auch bei grossen, völlig ausgewachsenen Riesen- zellen durchaus nieht immer im Endoplasma zur Abgliederung einer zweiten Zone. Will man bei einem einzelnen Zellenindivi- duum sich von dem Vorhandensein oder Fehlen einer solchen Bildung Gewissheit verschaffen, so muss der Zellenkörper in einer vollständigen Schnittserie vorliegen. Ein negativer Befund an einem einzelnen Durehschnitte giebt keine Sicherheit. So war z. B. auch auf einem der Fig. 55 benachbarten Schnitte überhaupt nichts von der zweiten Zone des Endoplasmas zu sehen, während sie doch in dem der eitirten Abbildung zu Grunde liegenden Durehschnitte sich in sehr vollständiger Ausbildung vorfand. Wie sross die Prozentzahl der Zellen sein mag, welche die in Rede stehenden Differenzirungen des Endoplasmas zur Entwicklung bringen, davon habe ich keine Vorstellung. Ich habe wohl mit Recht darauf verzichtet nach der angezeigten Riehtung hin ge- nauere Bestimmungen zu machen. Da nämlich diese Dinge nicht bloss bezüglich ihres Vorkommens überhaupt, sondern auch, wo Neue Untersuchungen, über die Centralkörper etc. 569 sie immer vorhanden sind, bezüglich ihrer äusseren Form nicht minder als dem Volumen nach durchaus ineonstant sind, so erhellt hieraus ihre Bedeutungslosigkeit für das Zellen- leben. Es lohnte nicht der Mühe, um deswillen eine grössere Anzahl von Zellen in der Serie abzumikroskopiren. Von den besonderen Bildern, unter denen die zweite Zone im Endoplasma auftreten kann, sind jedoch einige aus verschiedenen Gründen von besonderem Inter- esse und will ich vorab nur noch eines derselben erwähnen. Sie kann nämlich unter der Form eines bald grösseren, bald kleineren kugligen oder ellipsoidischen Körpers auftreten, und unter diesem Bilde könnte sie wohl von Ungeübten leicht für eine überfärbte Astrosphäre oder vielleicht auch für einen besonderen Zellein- schluss (für ein corpus alienum in cellula) genommen werden (Fig. 54, 61, 75). Ich selbst war im Anfange dieser Untersuchung, ehe ich die multiplen Centralkörperhaufen dieser Zellen kannte, geneigt in den erwähnten stark färbbaren kugligen Substanz- massen sphärenartige Körper anzuerkennen. “Ich kam erst später zu einem richtigen Urtheil, nachdem ich in Erfahrung gebracht hatte, dass die Centralkörper niemals innerhalb dieser Pseudo- sphären zu liegen kommen (Fig. 82!) und nachdem mir ferner be- kannt geworden war, dass diese letzteren unter Umständen durch die Vermittlung stark färbbarer Stränge sich der Substanz der zweiten Zone im Exoplasma angliedern. Auffällig und irreleitend sind nur jene Fälle, in denen die gedachten Verbindungsbrücken fehlen. Diese sind also nieht nothwendig vorhanden, wenn schon eine zweite Zone im Endoplasma zur Ausbildung kommt, und im Falle ihrer Anwesenheit ferner dürfte, so weit meine Erfahrungen reichen, ihre Zahl gegenüber der Menge der perforirenden Kanäle des Kernes bei weitem in den Hintergrund treten, so dass also durehaus nicht etwa in jeden perforirenden Kanal ein Ver- bindungsstrang zu liegen käme. Capitel VIEL: Die Centralkörper und Centralkörpergruppen der Riesenzellen. 61. Die Riesenzellen enthalten nicht blos 2, 3 oder 4 Cen- tralkörper wie die Leukocyten, sondern eine bei weitem grössere Anzahl, doch ist eme genaue Bestimmung der totalen Summe bei ausgewachsenen ruhenden kRiesenzellen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 37 570 Martin Heidenhain: kaum durchführbar, weil sie in Gruppen so dieht neben und über einander liegen, dass eine Zählung in vielen Fällen zur Un- möglichkeit wird!). Dagegen kann man auf indirektem Wege über die angeregte Frage einen annähernden Aufschluss gewinnen. Im Verlaufe der multiplen Mitosen dieser Zellen nämlich findet man die Centralkörper über einen weiten Raum hin ver- breitet, und zwar liegt immer je einer an einem Theilungspole?), so dass die jetzt durch grosse Abstände von einander ge- trennten Körperehen einzeln aufgesucht und der Reihe nach ab- gezählt werden können. Da ferner die Mitosen an diesen Zellen schliesslich rückläufig werden und mit Sicherheit niemals zu einer Protoplasmatheilung führen, so müssen die während der Mitose vorhandenen Centrosomen in voller Zahl wiederum in die ruhende Zelle zurückkehren. Die für die ruhende Riesenzelle höchstmögliche Totalsumme der Centrosomen muss mithin minde- stens der an den multiplen Mitosen in maximo vorkommenden Anzahl von Theilungspolen entsprechen. Ich habe nun an einersehrgrossenmitotischen Figur, welche über 12 auf einander folgende Schnitte einer Serie hin verfolgtwerdenkonnte,dieAnzahlder Theilungs- pole auf etwa 135 bestimmt?) Es werden mithin in 1) Durch direkte Zählung habe ich für einen Ausnahmefall, welcher sich leichter beobachten liess, die Zahl der in der Central- körper-Hauptgruppe enthaltenen Centrosomen auf mindestens 9 bestim- men können (von der betreffenden Zelle liegt die Skizze eines einzelnen Durchsehnittes in Fig. 79 vor; die Serie war leider unvollständig und ich kann sagen, dass mir wahrscheinlich noch ein oder zwei Schnitte fehlen, auf welcher Theile der Centralkörper-Hauptgruppe sichtbar ge- wesen sein müssen). Kleinere Centralkörpergruppen lassen sich natür- lich leicht abzählen. Beträgt die Summe der in einer Gruppe enthal- tenen Centralkörper etwa 40 bis 60, so ist die Aufgabe schon ungemein schwierig. Als ein zweites Beispiel ziehe ich Fig. 83 an. Bei diesem Zellenexemplar war die Centralkörper-Hauptgruppe in 2 auf einander folgenden Schnitten enthalten und konnten in ihr im ganzen 61 Centro- somen gezählt werden. Hierzu kamen noch 2 Centralkörper-Neben- gruppen mit zusammen 20 Centrosomen. 2) D.h. auf den mittleren Stadien der Mitose; dass während der Anaphasen sich jedes Centrosoma verdoppelt, wurde schon berichtet (Absatz 17). 3) Ich habe genauer gesagt in diesem Falle 157 Centralkörper ge- zählt, indem ich für jeden einzelnen Schnitt mit dem Abbe’schen Ap- parate die Centrosomen auf einer Papierfläche durch Punkte markirte. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 571 grossen Riesenzellen häufig über 100 Centralkörper enthalten sein. Diese Berechnung ist aber immer noch eine sehr vorsichtige. Ich habe nämlich an mitotischen Figuren, welche emem Stadium der Anaphase entsprachen, öfter an jedem Theilungspole 2 Centro- somen gefunden. Es liegt mithin die Möglichkeit vor, dass die Centrosomen jedesmal in verdoppelter Anzahl in die ruhende Zelle zurückkehren und dann hätten wir auch die vorhin ge- nannte Ziffer zu verdoppeln. 62. In der ruhenden Riesenzelle treten nun die Central- körper zu Gruppen zusammen, und zwar sind es in Jeder Zelle wahrscheinlich immer mehrere. Durchaus constant ist eine sehr umfängliche Centralkörpergruppe, die Centralkörper-Haupt- gruppet), welche im Pyrenocöl, im Endoplasma, ihre Lage hat; ferner treffen wir aber in der Innenschicht des Exoplasmas sehr häufig auch auf einige kleinere Gruppen, die Gentral- körper-Nebengruppen (vgl. die Abbildungen; für die Hauptgruppe siehe Fig. 53, 57, 64, 67, 70, 72 und andere; für die Nebengruppen: Fig. 78, 83, 84). Diese Häufehen sind bei Anwendung der subtraktiven Tink- tionen überall leicht erkennbar und können mit irgend etwas anderem nicht verwechselt werden. Bei Vorlegung eines ein- zelnen Zellendurchschnittes würde ein 'kritischer Untersucher be- reehtigt sein an der Öentralkörpernatur dieser Granula zu zweifeln indessen lässt sich auf das Leichteste zeigen, dass ihnen diese Bedeutung wirklich zukommt. Da haben wir zunächst die färberische Reaktion: die Körperehen tingiren sich bei Anwendung der Biondi schen 1) In meiner ersten Mittheilung (40) habe ich die granulirte Masse der Centralkörper-Hauptgruppe als „Attraktionssphäre“ bezeichnet. Als „das“ Centrosoma sah ich ein mehr in der Mitte des ganzen Hau- fens gelegenes Centralkörperchen an. Es ist mir noch späterhin, nach- dem ich schon eine genaue Kenntniss der Lage hatte, oft aufgefallen, dass ein einzelnes mehr central in der Gruppe gelegenes Körperchen unter allen seinen Genossen etwas stärker hervortreten kann. Dies ist, wie ich denke, Zufall und hat keine weitere Bedeutung. Auch von Kostanecki ist späterhin dem gleichen Irrthum anheimgefallen, wie ich selbst, und erst im Sommer 1892 (42) habe ich in einer kurzen Mittheilung die Sache aufgeklärt. Ich glaube kaum, dass irgend ein anderer Autor (van der Stricht, Reinke) etwas Deutliches von den Centrosomen der Riesenzellen hat beobachten können, 572 Martin Heidenhain: Lösung und der Eisenfärbung ganz ebenso, wie die Centralkörper in den Lymphoeyten und an den mitotischen Figuren, welche auf eben denselben Sehnitten befindlich sind !). Dann haben wir die Uebereinstimmung der Grösse und, wovon noch später die Rede sein wird, typische Lagerungsverhältnisse. Da ist ferner die Centrirung des Mitoms gegenüber den CGentralkörpergruppen und das Vorkommen sphärenartig abgegrenzter Zellenterritorien im Umfange der Nebengruppen. Da haben wir am Ende schliesslich die ganze Entwieklungsgeschichte dieser Zellen, die wir vom Lymphoeyten an mit Beziehung auf die Centralkörper bis zur Riesenzelle hin verfolgen können. Und wären alle die genannten Beweismomente nicht vorhanden, so würden wir, nachdem wir einmal von den Üentralkörpern der Zellen Kenntniss erhalten haben, bei der ausserordentlichen Constanz des Vorkommens jener Granulahäufchen auf die Centralkörper- natur der betreffenden Körnehen schliessen müssen. Ich habe viele Hunderte von Knochenmarksschnitten auf die Centralkörper hin gefärbt und habe dabei an den Riesenzellen immer wieder die gleichen Färbungseffekte erhalten, so dass hier nicht etwa von gelegentlichen?) Befunden die Rede ist, sondern von Dingen, die man sich leicht jederzeit zu Gesichte bringen kann. Die Centralkörperchen der Riesenzellen sind sehr klein, jedesfalls nicht grösser als beim Lymphocyten; hier wie dort sind sie unter sich nicht genau gleich gross. Ihre Form ist, so weit ich sehen kann, immer eine rundliche. Mitunter liegen zwei oder mehrere so dieht beisammen, dass man sie nicht mehr ge- nau von einander zu trennen vermag. In einem Falle fand ich in einer Hauptgruppe einen grossen Theil der Centrosomen paar- weise, zu je zweien angeordnet. In Biondi’scher Lösung färben 1) Hierbei wäre noch anzuführen, dass bei Anwendung der mo- difieirten Eisenfärbungen im günstigen Falle bei Lymphocyten wie bei Riesenzellen die Centrosomen ganz allein es sind, welche von allen Zellbestandtheilen am Ende der Differenzirung die Eisenfarbe zurückbehalten haben. 2) „Gelegentliche“ Befunde über Centrosomen sollten doch über- haupt nicht publieirt werden! Es ist immer 100 gegen 1 anzunehmen, dass solche „gelegentliche“ Beobachtungen an Centralkörpern nichts taugen. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 973 sie sich purpurroth (Fig. 71), sind aber bei diesem Färbungsver- fahren der Regel nach nicht leicht kenntlich, da sie sich dann nur wenig von dem ebenfalls roth gefärbten Protoplasma abheben. Um so leichter sind die Eisenfärbungen zu studiren. Da erhält man viele Präparate, wo die Körperchen durchaus schwarz auf hellem Grunde erscheinen und dabei ganz scharfe, vollständig reine Conturen aufweisen. Einen ungemein schmalen hellen Hof, den man öfters in der Peripherie der Centralkörperchen bei sehr starken Vergrösserungen gewahrt, halte ich für ein bloses Phä- nomen der Lichtreflexion. 63. Die Oentralkörper-Hauptgruppe hat ihren Sitz gewöhn- lich in der Nähe der Mitte des Pyrenoeöls (z. B. Fig. 67, 71 72); doch sind mehr oder weniger stark excentrische Stellungen sehr häufig (z. B. Fig. 48, 57). Seltener ist es bei normalen Zellen der Fall, dass sich die Hauptgruppe geradezu an die innere Ober- fläche des Kerns anlehnt (z. B. Fig. 60, 81)?). Ihr Umfang und damit die Zahl der in ihr enthaltenen Centralkörper variirt selbst- verständlich je nach dem Alter, d.h. der Grösse der Zellen. Diesen Punkt werden die durchgängig bei tausendfacher Ver- grösserung gezeichneten Abbildungen genügend illustriren. Bei der Untersuchung der äusseren Form der Gruppe und der Art der Zusammenlagerung der Centrosomen hält man sich am besten an völlig ausgewachsene grosse Zellen, weil an diesen die als typisch zu betrachtenden Formen völlig zur Ausbildung kom- men. Auch ist hier wieder nöthig, Serienschnitte zur Hand zu nehmen, weil bei den hier benöthigten feinen Schnitten die ganze Gruppe öfters durch das Messer in mehrere Theile aufgelöst wird. Wenn nun hier von den äusseren Gestaltungsver- hältnissen der Centralkörper-Hauptgruppe die Rede ist, so ist dies zunächst cum grano salis zu verstehen, denn die genauere Betrachtung zeigt sofort, dass in den meisten Fällen sich einige wenige, mitunter sogar viele Centralkörper von dem 1) Bei degenerirenden Zellen tritt die Centralkörper-Haupt- gruppe mitunter gänzlich aus dem Endoplasma heraus (Fig. 77). Mau kann nun in höchst seltenen Fällen auch auf anscheinend nor- male Zellen treffen, bei denen die Hauptgruppe im Exoplasma liegt; ich glaube, dass dann eben doch abnormale Elemente vorliegen, da diese Ausnahmsfälle zu den grössten Raritäten gehören. 574 Martin Heidenhain: Trupp der übrigen ablösen und auf geringere oder grössere Streeken durch das Endoplasma hin verstreut gefunden werden (Fig. 72, 64, 53, 67, 82). Diese verstreuten Centralkörper liegen in der näheren Umgebung des Haupttrupps durchschnittlich dichter, in der weiteren Entfernung sparsamer. Die Stelle des Haupt- trupps innerhalb der ganzen Gruppe tritt aber dennoch, obwohl sie ja eigentlich keiner scharfen Abgrenzung fähig ist, im mikro- skopischen Bilde, namentlich bei etwas schwächeren Vergrösse- rungen, als eine besondere Figur hervor und diese zeigt einige Eigenthümlichkeiten. Sie erscheint im Ganzen betrachtet meist rundlich (Fig. 49, 72), rundlich eckig (Fig. 48, 55, 81, 82) oder geradezu zackig (Fig. 70), etwa unter der Form eines Sternchens. Dieser letztere Befund scheint mir etwas besonders Typisches an sich zu haben, denn er leitet hinüber zu anderen Formen, bei denen von der Oberfläche des dichteren Häufchens ganz kurze, nur aus wenigen Gliedern bestehende radiäre Reihen von Centrosomen nach verschiedenen Richtungen hin abtreten !). Es wäre mithin möglich, dass dem Aufbau der ganzen Gruppe eine radiäre Anordnung zu Grunde läge, welche eben nur für unsere Betrachtungsweise in Folge der so häufig ungemein dichten Zusammenlagerung der Centralkörperchen nicht mehr er- sichtlich wäre. Bei dem Studium der eben ihrer äusseren Form nach be- schriebenen diehten Centralkörperschwärme zeigt sich am Objekt selbst, weniger deutlich ist dies aus meinen Abbildungen zu ent- nehmen, dass die gegenseitigen Abstände der Centrosomeu von der Peripherie her gegen ein gewisses Öentrum hin abnehmen, so dass man aufeine Stelle der allerdiehtestenZusammenlage- rung trifft. Dies Verhalten konnte ich in den Zeiehnungen nieht genügend zum Ausdruck bringen, weil eben in der Projek- tion auf die Fläche die Abbildung aller in verschiedenen Ebenen entsprechend dem Orte der diehtesten Zusammenlagerung übereinander gelegenen Centralkörper oft ganz unmöglich ist. Es kommen Centralkörper-Hauptgruppen vor, welche alle ihnen zugehörigen Individuen auf engem Raume umfassen, so dass also eine Verstreuung einzelner Körperchen, von welcher oben schon die Rede war, nicht statt hat (Fig. 48). Bei grossen Zellen Pr" 1) Ein solcher Fall ist von mir nicht besonders abgebildet wor- den; in Fig. 70 ist aber etwas Derartiges bereits zu sehen. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 9795 wird man aber wohl meist ein mehr minder reichliches Aus- schwärmen der Centrosomen beobachten können. Dieses findet auf geringere oder grössere Entfernungen hin statt, und es liegen hierbei die Centrosomen entweder vereinzelt oder in ganz kleinen, nur sehr wenige Individuen — zwei, drei, vier — umfassenden Gruppen (Fig. 49, 53, 57, 64, 82 und andere). Die Verstreuung findet von dem Haupttrupp aus nicht etwa immer nach allen Richtungen hin gleichmässig statt, sondern sie kann auch nach einer Richtung hin vorwiegend ausgebildet sein (Fig. 67). Durch- aus nie findet man die Hauptgruppe in zwei oder mehrere unter sich gleichwerthige Gruppen zer- legt. Dies kommt gar nichtvor. Eskommt aber auch nie vor, dass das Endoplasma irgend einer normalen Zelle frei von Centralkörpern wäre, Neben den bisher geschilderten Formen der Centralkörper- Hauptgruppe treffen sich hier und da einzelne, welche ein ab- weichendes Verhalten zeigen. So findet man gar nicht selten die Ausdehnung der Gruppe nach einer Richtung hin bedentend verlängert; im extremen Falle können auf diese Weise schmale bandartige Figuren entstehen (Fig. 74, 80). Nun zeigt sich nicht selten bei den hierher gehörigen Zellenindividuen gleichzeitig auch das Endoplasma, bez. der dasselbe einschliessende Kern oder auch die ganze Zelle nach der gleichen Richtung hin in die Länge gezogen. Wir haben es also nicht bloss mit Umformungen an der Centralkörper-Hauptgruppe zu thun, sondern die die specifische Formgestaltung bedingenden Ursachen äussern sich gleicher Zeit auch an den übrigen Theilen des Zellenkörpers. Für eine kleinere Reihe von Zellen, bei denen der ganze Körper in einer Richtung verlängert erschien, war es durchaus klar, dass sie auf den ersten Stadien einer im Gang begriffenen direkten Theilung be- findlich waren (Fig. 80). Ich begnüge mich mit dieser Hin- weisung und muss im übrigen die Frage offen lassen, auf welche Weise etwa eine strikte Unterscheidung von ruhenden und in Amitose befindlichen Zellen zu ermöglichen wäre. Seltener als die bisher besprochenen Bilder sind bei völlig normalen, unserem Typus zugehörenden Zellen solche Fälle, bei denen die Centralkörper der Hauptgruppe über einen grösseren Raum hin in annähernd den gleichen Abständen ausgebreitet liegen, 576 Martin Heidenhain: so dass dann von einer allmählichen Zunahme der Dichtigkeit dder Zusammenlagerung nach einem gewissen Centrum im Innern der Gruppe hin nicht mehr die Rede ist (Fig. 79). Eine Be- trachtung a priori weist auf die Nothwendigkeit hin, dass zur Erklärung einer solchen Lage der Dinge sehr frühe oder sehr späte Stadien der Mitose mit in Rechnung zu ziehen sind. Die Anfangs- und namentlich die Endglieder des mitotischen Processes sind am Kern allein selbst bei viel weniger schwierigen Ob- jekten kaum zu diagnostieiren. Da nun während der multiplen Mitosen der Riesenzellen die Centrosomen über einen grösseren Raum hin in gleichmässiger Art ausgebreitet gefunden werden, so wäre immerhin denkbar, dass für die eben erwähnten Fälle die gleichmässige Anordnung der ÜCentrosomen innerhalb einer sehr umfänglichen Hauptgruppe auf den ersten Beginn oder das letzte Ende einer Mitose zu beziehen wäre. 64. Was die Centralkörper-Nebengruppen an langt, so gehören sie ausschliesslich der Innenschicht des Exo- plasmas an; sie sind wegen ihrer Kleinheit und weil sie in die Tiefe der Einbuchtungen der äusseren Kernoberfläche zu liegen kommen, sehr unauffällig und werden leicht übersehen. Ich habe sie im Anfange dieser Untersuchung, nachdem ich die Central- körper-Hauptgruppen doch schon kannte, überhaupt nicht bemerkt. Ich kann auch bis zum heutigen Tage noch nicht mit völliger Sicherheit aussagen, ob sie in jeder Zelle vorhanden sind. Man trifft sie jedesfalls bei weitem nicht auf jedem einzelnen Zellen- durehschnitte, am häufigsten noch auf Tangentialschnitten durch die äussere Kernoberfläche. Man müsste schon ausserordentlich vollständige, gut gefärbte Serien besitzen, wenn man die Frage nach ihrer eonstanten Anwesenheit definitiv lösen wollte. Es ist nämlich sehr wohl möglich, dass in vielen Fällen die Oentral- körper-Nebengruppen durch einzelne Centralkörper repräsentirt oder ersetzt werden, welche dann bei ihrer Lage in der Tiefe der Einfurehungen des Kerns sehr leicht dem Untersucher ent- gehen würden. Zudem ist wohl vorläufig überhaupt noch keine der vorhandenen Methoden der Centralkörperfärbung von so con- stanter Wirkung, dass man nun behaupten dürfte, wirklich mit Sicherheit jeden einzelnen Centralkörper einer bestimmten Zelle färben zu können. Aber trotzdem selbst in meinen besten Prä- OS -] —1 Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. paraten der Schein dagegen spricht, halte ich es doch für sehr wahrscheinlich, dass die Centralkörper-Nebengruppen überall exi- stiren. Hier führe ich namentlich den Umstand in’s Feld, dass man sie an kleineren Riesenzellen leichter und öfter findet, das ist also bei solchen Zellen, bei denen wegen der relativen Kleinheit des Kernes ein verhältnissmässig grösserer Theilabschnitt desselben in den Schnitt fällt; an einem solchen kann man dann ein relativ umfängliches Stück der äusseren Kernoberfläche auf einmal ab- suchen. Bei Durchsehnitten durch sehr grosse Riesenzellen hat man hingegen an einem einzelnen Schnitt nur ein kleines Stück der gesammten Kernoberfläche gegenwärtig; damit wächst natürlich die Schwierigkeit der Auffindung der Nebengruppen, denn sehr viele sind ihrer jedesfalls nicht vorhanden. Schliesslich haben wir an jugendlichen Riesenzellen, welche noch kein Endoplasma ausgebildet haben, sondern einen soliden, unausgehöhlten Kern besitzen, nur jene Centralkörpergruppen, welche den Neben- gruppen entsprechen (Fig. 37—41). Wenn also die Centralkörper- Hauptgruppe im Laufe der Entwicklung der Riesenzellen erst mit der Bildung des Pyrenocöls erscheint, dann ist es nur natürlich anzunehmen, dass die ursprünglich allein vorhandenen peripheren Gruppen in keiner Zelle völlig ‚verschwinden, da sie ja doch in einer ganzen Reihe von Einzelfällen an alten ausgewachsenen Individuen (Fig. 83, 84) nachgewiesen werden können. Die peripheren Centralkörpergruppen sind, wie schon er- wähnt, um vieles kleiner als der centrale grosse Complex. ‚Man zählt in gewöhnlichen Fällen etwa bis zu einem Dutzend Centrosomen, doch sind gerade die Gruppen, in denen die Gesammtzahl nicht über vier bis fünf hinausgeht, so weit wenigstens meine Erfahrung reicht, die häufigsten. Auf der anderen Seite kommen, wenngleich sehr selten, auch noch grössere Gruppen von weit über ein Dutzend Centrosomen vor; solitäre Centralkörper glaube ich ebenfalls mit Sicherheit hier und da in den Tiefen der Furchen der Kernoberfläche wahrgenommen zu haben (Fig. 79, rechts oben). 578 Martin Heidenhain: Capitel IX: Der feinere Bau der Protoplasmamassen bei den Riesenzellen. a) Das Endoplasma. Allgemeine Strukturform desselben. 65. Im Anschluss an die Besprechung der Vertheilung der Cen- tralkörper im Zellenleibe komme ich nun zur Beschreibung der feineren Struktur «des Protoplasmas der Riesenzellen. Bei der Untersuchung dieser Dinge bin ich nicht gerade eben glücklich gewesen. Die Zellen der Säugethiere sind nun doch eben nicht die Objekte, welche sich für derartige Studien eignen und so ist mir vieles vollkommen dunkel geblieben. Ja ich bin am Ende nicht einmal in der Lage, die vorhandenen Lücken meiner Ar- beit durchgängig auf dem Wege der Theorie überbrücken zu können. Indessen haben sich doch eine ganze Reihe interessanter Einzelheiten auffinden lassen, welche ich zur Darstellung bringen will. Wie schon aus dem Voranstehenden hervorging, gehören das Endoplasma und die Substanz der Innenschicht des Exoplas- mas als ein Ganzes zusammen; beide Theile stehen ja auch auf dem Wege der die perforirenden Kanäle des Kerms ausfüllenden Protoplasmastränge in unmittelbarer Verknüpfung. Die Substanz der zweiten Zone, sofern sie im Endoplasma entwickelt ist, lässt sich an diesem Orte doch nur als ein gelegentlich auftretendes Correlat der Mittelschicht des Exoplasmas ansehen und kann da- her zunächst ausser dem Spiele gelassen werden. Obwohl nun die gesammte von der Grenzmembran dritter Ordnung eingeschlossene protoplasmatische Substanz als ein we- nigstens dem Ursprunge nach durchaus zusammengehöriges Struk- turconvolut vorzustellen ist, innerhalb dessen, wie oben schon gezeigt wurde, der Kern bald mehr eentral, bald mehr excentrisch gelegen sein kann, so zeigen sich doch bezüglich der Färbbarkeit häufig einige bemerkenswerthe feinere Unterschiede zwischen dem Endoplasma einerseits und der ersten Zone des Exoplasmas andererseits. Das erstere tingirt sich nämlich oft, im Ganzen betrachtet, dunkler, mitunter sogar viel dunkler als das letz- tere (Fig. 57, 61, 71). Die Ursache dieser Erscheinung ist aber, wie ich glaube behaupten zu können, nicht etwa in besonderen specifischen Unterschieden der substantiellen Zusammensetzung zu Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 579 suchen, sondern es sind lediglich die Mitomfäden, welche hier wie dort die Grundlage der feineren Strukturdetails ausmachen, im Endoplasma dichter angeordnet als in der Innenschicht des Exoplasmas, daher denn an letzterem Orte eben relativ weniger färbbare Substanz vorhanden ist. Das Endoplasma selbst ist aber einesoüberausdicht gefügte Masse, dass man nurin den allerseltensten Fällen überhaupt ein Bild der feineren Strukturtheile erhält. Man kann viele Zellen treffen, bei denen das Endoplasma fast durchaus gleichartig erscheint, nur dass man hier und da etwa feine Hebungen und Senkungen der Farbenabtönung ge- wahrt (z. B. Fig. 71). So findet sich nicht selten in der Cirkum- ferenz der Centralkörper-Hauptgruppe eine leise Aufhellung, welche von einer etwas dunkler gefärbten Zone nach aussen hin gefolgt ist (Fig. 71, auch in 49, 57, 64, 67). In anderen Fällen er- scheint das Endoplasma ungemein feinkörnig (Fig. 57, 75); diese Sorte von „Körnelung“ bezeichnet man wohl am besten als „Pro- toplasmakörnelung“, denn sie ist lediglich gebunden an die Quer- gliederung der Mitomfäden (Absatz 30). Im Uebrigen ist sie an diesem Orte so unscheinbar, dass schon die besten Objektive dazu gehören sie wahrzunehmen. Nur an wenigen Individuen unter vielen Hunderten ist es mir gelungen, innerhalb dieser fein gra- nulirten Substanz die Mitomfäden zu erkennen, wogegen es um Vieles leichter ist, sie in der Innen- und Aussenschicht des Exo- plasmas wahrzunehmen. Um mit der Beschreibung der Zellenfäden zu beginnen, so zeigt sich auch hier wieder wie an vielen anderen Orten, 'dass sie gegliedert sind. Man kann an den Zellenfäden abwechselnd an einander gereihte helle farblose, bezw. schwach gefärbte und dunkle stark gefärbte Querglieder unterscheiden. Diese dunklen Querglieder der Mitomfäden sind es, welche unter dem Bilde feiner gefärbter Granula die „Protoplasmakörnelung“, so wie ich diesen Ausdruck verstanden wissen möchte, ausmachen. Sie sind es, welche im mikroskopischen Bilde des Protoplasmas in Folge ihrer Eigenschaft die Farbstoffe in starkem Grade zu binden oft allein sichtbar sind, während die farblosen Verbindungsbrücken zwischen ihnen weniger hervortreten und leicht übersehen werden. Mit van Beneden bezeichne ich die färbbaren Querglieder der Zellenfäden als „Zellenmikrosomen“; hierbei stelle ich mir jedoch 580 Martin Heidenhain: vor, dass der Zellenfaden eigentlich eine ceontinuirliche Bildung ist, in welchem das Zellenmikrosoma nur als ein in besonderer Weise abgeändertes Querstück aufzufassen ist. Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch auf ein anderes Bild aufmerksam machen, unter welchem sich ein feinfädiges Mitom bei Gelegenheit präsentiren kann. In dem gedachten Falle gewahrt man zunächst nichts weiter als eine mehr oder weniger gleichmässig gefärbte Fläche, bei aufmerksamem Zu- sehen treten dann in derselben viele feine helle Stellen von besonderem Glanze auf, welche sich bei entsprechender Beleuchtung geradezu wie feine Ffinkehen ausnehmen können. Es gelingt dann bei längerer Betrachtung mitunter, dieses Bild noch weiterhin aufzulösen und zu erkennen, dass die gefärbte Fläche sich aus gefärbten Zellenmikrosomen aufbaut. und dass die hellen Stellen oder feinen Fünkchen den farblosen Quer- gliedern der Zellenfäden entsprechen, welehe unter Umständen die Fähigkeit besitzen, vermöge einer eigenthümlichen Art der Lichtbrechung einen starken Glanz zu entwickeln. 66. In Fig. 65 habe ich eine Riesenzelle dargestellt, bei welcher ich die im Endoplasma vorhandene und auch auf Grund anderer Beobachtungen leicht zu erschliessende radiäre Ein- stellung des Mitoms in etwas genauerer Weise beobachten konnte. Diese Zelle stammt von einem alten in Biondi’scher Lösung gefärbten Präparate und es ist hier der Centrosomen- haufen nur als ein dunklerer etwas körniger Fleck sichtbar, welcher geräde unter einem das Endoplasma quer durchsetzenden Kern- strange liegt. Ich konnte die Strahlung deutlich nach allen Rich- tungen hin verfolgen. Das nähere Verhältniss der Zellenfäden zu den Centrosomen ist mir aber hier wie in allen meinen an- deren Präparaten nicht zur Anschauung gekommen; Ja ich habe nur eine geringe Vorstellung davon, in welcher Weise die Cen- trosomen selbst unter einander in Verknüpfung treten. Nach meinen im ersten Abschnitte mitgetheilten Unter- suchungen an den Mikrocentren der Leukoeyten ist Ja von vorn- herein zu erwarten, dass innerhalb der einzelnen Centralkörper- gruppen die Körperchen unter einander in einer durchgängigen Verknüpfung stehen; ‚von diesen a priori vorauszusetzenden Ver- bindungsbrücken habe ich nichts gesehen. Die Wahrscheinlichkeit Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 581 spricht jedoch dafür, dass die Centrosomen der Hauptgruppe einem einzigen radiären Systeme von einheitlichem Charakter zugehören, so dass also nicht etwa je ein Centralkörper als der Mittelpunkt eines nach allen Richtungen hn gleichmässig entwickelten radiären Systems aufzufassen ist. Zu Gunsten dieser Behauptung mache ich das Verhalten der durchaus analogen Centralkörper-Nebengruppen geltend, wel- ches ich indessen erst weiter unten ausführlicher schildern kann. — Ferner wäre hier in Rechnung zu ziehen, dass die von dem Hauptschwarm sich ablösenden vereinzelten Centrosomen der Haupt- gruppe in ihrer näheren Umgebung niemals derartige eoncentrische Veränderungen der Färbbarkeit bedingen, wie wir dies aufder Fläche der Astrosphären z.B. auch beim Leukoeyten ganz gewöhnlich sehen. Ich glaube also für ganz gewiss halten zu dürfen, dass hier nicht jedes einzelne Centrosoma den Orientirungs-Mittelpunkt für ein nach allen Seiten hin regelrecht entwickeltes Strahlensystem abgiebt. Ich halte vielmehr dafür, dass alle Centrosomen inner- halb eines einzigen, einheitlichen radiären Fadenystems eingeschlossen sind; dann würden sich an der Stelle der dichteren Ansammlung der Centrosomen die Verbindungsfäden derselben auf kurze „achromatische* Brücken redueiren, welche den primären Centrodesmosen innerhalb der Leukocyten-Mikrocentren analog wären. Ferner würde ich für möglich halten, dass von jedem Centrosoma ein centro-peripher gerichtetes Fadenbüschel entspringt, so dass dann die im Endoplasma verstreut liegenden einzelnen Centrosomen eventuell als Theilungsstellen centro-peripher ver- laufender Fäden zu gelten hätten. Diese Aufstellungen entsprechen lediglich einer Combination aller thatsächlich gegebenen Daten, welche ich mir die Freiheit nehme hier übersichtlich zusammenzustellen: 1) Wo man immer in unvollkommener oder vollkommener Weise!) im Endoplasma den Verlauf der Mitomfäden zu eontrol- 1) Es fallen dem Beobachter oft einzelne von der Central- körper-Hauptgruppe her ihren Ursprung nehmende radiäre Mitomfäd- chen auf: diese habe ich schon in meiner ersten Mittheilung erwähnt! Dagegen sind dichtere Strahlungen, obwohl sie gewiss immer vorhan- den sind und eine constante Eigenthümlichkeit des Endoplasmas bilden, nur sehr selten zu beobachten. Ich kann mich hier nur auf einige wenige Zellenexemplare berufen. 582 Martin Heidenhain: liren vermag, finden wir sie etwa gegen die Mitte der Central- körper-Hauptgruppe hin gerichtet. 2) Es fehlt jeder weitere Anhaltspunkt für die Anwesenheit mehrerer Ästrosphären oder mehrerer Strahlensysteme im Endo- plasma; diese würden sieh durch besondere Aenderungen der Färbbarkeit geltend machen. 3) Coneentrische Aufhellungen und Verdunkelungen des Zellenprotoplasmas, wie sie auf dem Territorium centrirter Systeme üblieh sind, finden sich nur im Bereich der Centralkörper-Haupt- gruppe derart geordnet, dass die Mitte der letzteren als Centrum zu denken ist. 4) In allen perforirenden Kanälen verlaufen die Mitomfäden | längelang, also etwa radiär zur Hauptgruppe. 5) Man sieht mitunter aus der Hauptgruppe kleine radiär gerichtete Centrosomenreihen heraustreten. Hierzu kommen bezüglich der Annahme, dass die Centro- somen die Ursprungspunkte centro-peripher verlaufender Faden- büschel sind, noch folgende Ueberlegungen: 6) Im Endoplasma wie auch in der Innenschieht des Exo- plasmas ordnen sich die Mitomfäden in der Riehtung der Oentral- körpergruppen. Nun ist das erstere lockerer gebaut und enthält im Ganzen sicher eine geringere Anzahl von Oentralkörpern als das letztere, welches sehr viel diehter gebaut ist. Also liegt die Wahrscheimlichkeit nahe, dass die Zahl der Mitomfäden in einem gewissen Verhältniss steht zur Zahl der Centralkörper. In diesem Falle müsste an jedem Centralkörper eine gewisse durch- scehnittliehe Anzahl von Mitomfäden entspringen (oder wenigstens auf mittelbarem Wege müsste je einem Üentrosoma eine gewisse durehschnittliche Zahl eentrirter Fäden entsprechen). 7) Während der multiplen Mitosen ist jedesfalls jeder Thei- lungspol das Centrum eines allseitig ausgebildeten radiären Systems. Es ist wohl von vornherein anzunehmen, dass dieses letztere sich während der Zellenruhe wenigstens theilweise erhält, da doch die Centrosomen sich erhalten. Wir stossen hier mithin direkt auf die Frage, wie es denkbar ist, dass während des schliesslichen Ab- laufes der Mitose aus mehreren oder vielen Ra- diärsystemen beim Zusammenrücken der Thei- lungspole zur Formirung der Centralkörper-Haupt- Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 583 gruppe ein einheitliches Radiärsystem wird. Wir würden hier zu einer ausreichenden Erklärung kommen, wenn wir uns vorstellen, dass bei Gelegenheit des eentralen Zusammen- rückens der zur Hauptgruppe sich vereinigenden Centrosomen diese an gewissen Leitbändern herangezogen werden. Dann würde in jedem radiären Systeme der Oentralkörper selbst in der Bewegung vorangehen und die zugehörigen organischen Radien würden nach- gezogen werden (vergl. Schema Fig. 90 A sechs allseitig ausge- bildete Radiärsysteme einer multiplen Mitose, welche in Fig. 90 B zu einem einheitlichen Systeme zusammengetreten sind, während die zugehörigen 6 Centrosomen sich zu einer Gruppe vereinigt haben). Hierbei würde es leicht zu einer „Umklappung“ der or- ganischen Radien und der Formirung eines centro-peripherwärts ausstrahlenden Büschels kommen. Dieses Phänomen der Umklap- pung der radiären Strahlen entspräche genau dem von Flem- ming zuerst beschriebenen Phänomen der „Umklappung der Sphärenstrahlen“, welches ich dann weiterhin mit Beziehung auf das entsprechende Verhalten der organischen Radien genauer be- schrieben habe. Jedes einzelne Radiärsystem würde durch diese Umlagerung aus einer Sonnenform in eine „Kometenform* über- gehen (vergl. die Schemata der Fig. 90). Auf diese Weise kom- nen wir dann folgerecht zum Aufbau eines eimheitlichen grossen Radiärsystems. Ueber die etwaigen Einzelheiten solcher Vorgänge sich in theoretischen Spekulationen zu ergehen, halte ich für zwecklos, da bei einer späteren Kenntniss des wirklichen Verhaltens die ursprünglichen, das Detail betreffenden Annahmen sich jedesfalls im weitesten Umfange als irrthümlich erweisen würden. Meiner Vorstellung nach wird es sich bei derartigen Umformungen, welche in den Kreis der Mitose hinein gehören, gewiss nieht bloss um Umlagerungen präformirter Bestandtheile, wie man dies gewöhn- lich anzunehmen pflegt, sondern wohl auch um Neubildungen und Rückbildungen handeln, die mit den Vorgängen des Wachs- thums und der Assimilation auf's innigste verquickt sind. Da nach dieser Richtung hin unsere Kenntnisse der cellulären Processe fast gleich null sind, so halte ich es für unmöglich, bei einem so complieirten Objekte sich ausschliesslich auf theoretischem Wege ein auch nur annähernd richtiges Bild von den Detail-Vor- gängen machen zu können. 584 Martin Heidenhain: 6%. Nach der Lage der Dinge glaube ich also annehmen zu dürfen, dass in dem Endoplasma der Riesenzellen in allen Fällen ein einheitliches Radiärsystem existirt. Freilich ist ganz sicher, wie ich glaube klargelegt zu haben und wie die Gegenwart der multiplen mitotischen Figuren mit ihren vielen Strahlensystemen ohne Weiteres beweist, dass der Genese nach ein derartiges einheitliches System in sich zusammengesetzt ist. Wir haben eben ein Radiärsystem höherer Ordnung vor uns. Der einheitliche Charakter der ganzen Bildung leidet aber in meinem Sinne durch die Betrachtung der Genese nicht; es zeigt sich eben nur, dass in der Zellenruhe eine neue systematische Ordnung der Dinge eintritt. Ich finde nun an einem leider vereinzelten Zellenexemplare noch einen weitern starken Beweisgrund einmal für das Vorhandensein eines radiären Systems im Endoplasma überhaupt und zweitens für dessen systematische, einheitliche Durehbildung. Ich habe nämlich an dem Zellenindividuum der Figur48 in der weiteren Umgebung der Centralkör- per-Hauptgruppe das Phänomen der concentri- schen Kreisfiguren beobachten können. Diese Erihäinung ist uns, wie der Leser sich wohl ent- sinnen wird, schon bei den Leukocyten aufgestossen (Absatz 31) und sie besteht wesentlich in dem Auftreten concentrischer, meist nur abschnittweise verfolgbarer Liniensysteme, welche innerhalb des Zellenprotoplasmas die Sphäre in bald näherer, bald weiterer Entfernung umkreisen. Diese Kreislinien lassen sich unter gün- stigen Umständen in Körnerreihen, in Serien von Mikrosomen auflösen, und es zeigt sich, dass diese Körnerreihen jedesmal dem optischen Querschnitte eines zur Oberfläche der Sphäre con- centrischen Mikrosomenstratums entsprechen. Derartige concen- trische Körnerreihen haben sich bei dem Zellenindividuum der Fig. 48 getroffen. Hier erschien die Centralkörper-Hauptgruppe zu einem diehten Haufen zusammengeschlossen und das Protoplasma hatte die Eisenfarbe nieht ganz abgegeben, so dass die Zellenmikrosomen sich theilweise in gefärbtem Zustande erhalten hatten. Nun sind ja die Zellenmikrosomen doch nichts anderes als die färbbaren Querglieder der Zellenfäden; hier in unserem Falle sind also die eentrirten Mitomfäden so regelmässig angeordnet, dass die auf- einanderfolgenden Mikrosomen unmittelbar benachbarter Strahlen Neue Untersuchungen über die Centralkörper etec. 585 genau oder fast genau die gleichen Abstände von einem in der Centralkörper-Hauptgruppe gelegenen Centrum inne halten. Wir dürfen also annehmen, dass die in bestimmten Gliedern hintereinander aufmarschirenden Mikrosomen in der Querrichtung des eentrirten Systeıys entsprechend den einzelnen Mikrosomen- straten einander völlig homolog sind. Jedes Mikrosomenstratum umfasst mit Beziehung auf ein nicht näher definirbares Centrum im Innern der Centralkörper-Hauptgruppe Mikrosomen einer gleichen Ordnung. Wir sehen mithin, dass die centrirten Radiär- fäden hier bis in das feinere Detail hinein einer weit durch- greifenden morphologischen und physiologischen Korrelation ge- horechen. Aus diesem Grunde behaupten wir um so mehr die einheitliche Durehbildung des im Innern des Endoplasmas gegebenen centrirten Systemes. Wäre die Färbung der Zellenmikrosomen im Endoplasma der Figur 48 eine vollkommenere, so würde sich wahrschemlich zeigen, dass thatsächlich eine grössere Anzahl von concen- trischen Mikrosomenstraten vorhanden ist. Trotzdem nun dieses Bild sehr unvollkommen ist, lässt sich doch einiges Weitere daraus entnehmen. Es ist nämlich in der Ausbildung jener con- eentrischen Mikrosomenstraten eine sehr auffallende, in Obigem bisher von mir noch nicht berücksichtigte Unregelmässigkeit vor- handen: sie fliessen oben und unten in der Figur theilweise mit einander zusammen !). Es scheint also, als ob nur die direkt be- nachbarten, nicht aber die durch weitere Abstände von einander getrennten Radiärfäden einander völlig entsprechen. Hier kommt in Betracht, was oben (Absatz 30) von der physiologischen Natur der Zellenfäden gesagt wurde, nämlich, dass sie sich den quer- gestreiften Muskelfibrillen analog verhalten. Dieser Vergleich, welchen wir einem so genialen Kopfe wie E. van Beneden verdanken, kann freilich nur in oberflächlicher Weise durchge- führt werden. Die Zahl der färbbaren Querglieder der Muskelfibrille nimmt beim Uebergange in den contrahirten Zustand — wenigstens scheinbar — ab. Da nun bei einer Construktion der centrirten 1) Das Gleiche habe ich früher schon und zwar viele Male beim Salamander-Leukocyten beobachtet. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 38 586 Martin Heidenhain: Zellenfäden des Endoplasmas in der Fig. 48 beim Uebergang von einem horizontal nach links hin liegenden zu einem nach auf- wärts oder abwärts gerichteten Radius gleichzeitig mit der sicht- baren Zahl der auf den betreffenden Strahl entfallenden Zellen- mikrosomen auch die Länge desselben abpimmt, so ist das Zusammenfliessen der eoncentrischen Mikroso- menstraten nach auf- und abwärtsaufeinen nach der reehten Seite der Figur hin sich einstellen- den Contraktionszustand des radiären Systems zurückzuführen. Es gilt mir als ganz sicher, dass beim Eintritt der Contraktion des Zellenfadens immer je mehrere der färbbaren Querglieder zu einer einzigen, mikroskopisch nicht mehr auflösbaren Gruppe zusammenfliessen (vgl. in 41, pag. 148). Nun sind in Bezug auf das Endoplasma vorläufig noch zwei Fragen in Erwägung zu ziehen; erstlich: in wie weit lässt sich etwa der Begriff der Astrosphäre auf das dort vorhandene cen- trirte System in Anwendung bringen?; und zweitens: fällt eine derartige Zusammenordnung von Centralkörpern, wie wir sie in der Hauptgruppe vor uns haben, unter den Begriff eines Mikro- centrums oder nicht? 68. Was zunächst die erstere Frage anlangt, so gehört zu den histologischen Merkmalen der Astrosphäre unbedingt, dass dieselbe gegen das übrige Zellenprotoplasma hin in scharfer Weise abgrenzbar sei (siehe Absatz 28). In denjenigen Fällen, die bisher am genauesten untersucht worden sind, wurde die Abgrenzung vermittelt durch das van Beneden sche Mikrosomen- stratum. Kann dieses nicht beobachtet werden, so muss wenig- stens auf Grund gewisser Unterschiede der Färbung oder auch ohne diese eine scharfe Conturlinie zwischen Astrosphäre und Zellenprotoplasma vorhanden sein. Ich habe nun niemals in der Umgebung der Centralkörper-Hauptgruppe mit Sicherheit irgend etwas von der problematischen Grenze der in Frage stehenden Astrosphäre gesehen, selbst dann nicht, wenn eine Centralkörper- Verstreuung nieht vorhanden war, wenn es sich also um eng geschlossene Centralkörper-Hauptgruppen handelte. Ich glaube daher, dass hier, an dieser Stelle, jene eigen- thümlicheDifferenzirungder Zellenfäden, welche unter Umständen einen Theil des Mitoms in der Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 578 Umgebung der Centralkörper als Astrosphäre hervortreten lässt, durchaus fehlt. Ueber „Pseudo- sphären“ des Endoplasmas (siehe Fig. 60), welche mit dem Auf- treten der Mittelschichte in Zusammenhang zu bringen sind, werde ich weiter unten Bericht erstatten. 69. Die zweite oben aufgeworfene Frage, ob die Central- körper-Hauptgruppen dem Begriffe eines Mikrocentrums entsprechen oder unter denselben fallen, glaube ich unbedenklich bejahen zu müssen. Ein Mikrocentrum ist nach unserer im ersten Abschnitte dieser Arbeit gegebenen Definition eine Centralkörpergruppe, deren einzelne Individuen untereinander in einer direkten organischen Verknüpfung stehen und welche fernerhin als ein Ganzes die cen- trale Grundlage eines einheitlichen radiären Systems bildet; dass die letztere Bedingung hier zutrifft, kann nach dem Obigen keine Frage mehr sein. Was dann die direkte Verknüpfung der Cen- trosomen der Hauptgruppe betrifft, so glaube ich sie aus dem centripetalen Zusammenrücken der ihr zugehörigen Centrosomen am Schlusse der Mitose herleiten zu müssen. Ausserdem ergiebt sich die Auffassung der Hauptgruppe als ein Mikrocentrum aus einem Vergleich mit den Nebengruppen; hierauf werde ich noch weiter unten zurückkommen. Ehe wir nun diejenigen Fälle gesondert betrachten, bei denen es innerhalb des Endoplasmas zur Ausbildung einer zweiten Zone, zur Differenzirung der Substanz der Mittelschichte kommt, wollen wir zunächst die Innenschicht des Exoplasmas genauer untersuchen, da diese ja auf alle Fälle mit dem Endoplasma, beziehungsweise mit der Innenschicht oder ersten Zone desselben ein Ganzes bilden. b) Die Innenschicht des Exoplasmas. 0. Die Innenschicht des Exoplasmas ist um etwas leichter zu untersuchen als das Endoplasma, denn, wie schon oben er- wähnt, ist hier die Anordnung der Strukturtheile durchschnittlich weniger dicht, so dass die Abstände der Mitomfäden von einander hier im allgemeinen etwas grösser sind. Man hat daher von der Innensehieht des Exoplasmas auch nur in seltenen Fällen den Eindruck einer ganz gleichartigen, weiterhin nicht mehr auflösbaren Masse; in den meisten Fällen wird man wenigstens die „Proto- 588 Martin Heidenhain: plasmakörnelung“ (in dem oben definirten Sinne; Fig. 64, 70) wahrnehmen können. Sofern nun an dieser Substanz etwas von einer wirklichen inneren Strukturform wahrnehmbar ist, treffen wir auf verschie- dene Bilder. Das eine Mal haben wir ganz deutlich gegliederte Mitomfäden vor uns (Fig. 54 in dem oberen Theile der Ab- bildung; ferner Fig. 61), das andre Mal treffen wir auf gröbere Protoplasmastränge, die den Eindruck machen, als seien sie netz- artig unter einander verbunden (Fig. 51, 56). Von diesen letzteren Bildern weiss ich nicht, ob sie einer natürlichen oder einer künst- lichen Umformung des ursprünglich jedesfalls immer vorhandenen Mitoms entsprechen. Fast scheint mir das letztere der Fall zu sein. Wird man des Cytomitoms ansichtig, so gelingt es immer- hin nur sehr schwer den Verlauf der Zellenfäden einigermaassen zu verfolgen. Dort wo dies mehr oder weniger gut gelang, konnte ich feststellen, dass der allgemeine Verlauf der Faser- richtung (anscheinend!) senkrecht zur OÖberflächedes Kerns orientirt ist (Fig. 54 bei J. Ex.; Fig. 61). Demge- mäss habe ich häufig in der Innenschicht des Exoplasmas eine radiär oder schräg verlaufende Faserung gefunden, nie aber traf ich dieselbe eoncentrisch zur Kernoberfläche angeordnet. Dass die Mitomfäden längelang durch die perforirenden Kanäle und Spalten des Kerns hindurchtreten, habe ich schon erwähnt; auf dem Wege durch die Innenschicht des Exoplasmas be- halten sie diese radiäre Faserrichtung bei, oder sie breiten sich auch in Form eines Büschels aus, dessen Basis dann durch eine Strecke an der Grenzmembran nach der zweiten Zone des Exo- plasmas hin gegeben ist. 71. Im Falle man Gelegenheit hat in der weiteren Cir- kumferenz der Centralkörper-Nebengruppen das Mitom mikro- skopiren zu können, bemerkt man alle Mal, dass die Mitomfäden je gegen die nächste Nebengruppe hin centrisch orientirt sind. Wir haben mithin in der Innenschicht des Exoplasmas höchst wahrscheinlich in jedem Einzelfalle mehrere Radiärsysteme, da ja doch die Centralkörper-Nebengruppen selbst als konstante Bildungen angesehen werden müssen (Absatz 64). Es wiederholt sich nun für diese Radiärsysteme sowie für Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 589 die zugehörigen Centralkörpergruppen eben die nämliche Frage- stellung, welehe wir schon bei Besprechung der Hauptgruppe und des mit ihr in Zusammenhang befindlichen eentrirten Systems auf- geworfen haben. Offenbar haben wir aber bei den Nebengruppen den gleichen Modus der Genese, wie bei der Hauptgruppe; wie die letztere sich während des schliesslichen Ablaufs der Mitose aus den von vornherein mehr central gelegenen Centrosomen sammelt, so gehen die ersteren aus der truppweisen Zusammen- ordnung der von vornherein mehr peripher gelegenen Centralkörper hervor!): so müssen wir, wenn wir die Grundlagen ihrer über- einstimmenden Entwicklung in Rechnung ziehen, auch für die radiären Systeme der ersten Zone des Exoplasmas die gleiche innere Öonstitution annehmen, wie für das radiäre System des Endoplasmas. Wir bleiben hier nur an zwei Punkten noch für kurze Zeit stehen; der eine betrifft die Frage nach der Gegenwart der Astro- sphären, der andre die Frage nach der Ausdehnung des Begriffes „Mikrocentrum“ auf die Centralkörper-Nebengruppen. Was die Astrosphären-Frage anlangt, so liegt hier die Sache anders als im Endoplasma, denn ich habe in vielen Fällen die Centralkörper-Nebengruppen innerhalb dunkler kugliger „An- sammlungen“ von Protoplasma gefunden, welche sich durch einen deutlichen Contur von der Umgebung abhoben. Wenn nun auch 1) Hier muss man sich vor Augen halten, dass auf dem Stadium der Muttersternfigur die sämmtlichen Centralkörper als Polkörperchen durch einen im Ganzen ungefähr kugligen Raum hin gleichmässig vertheilt sind. Wie bei einer gewöhnlichen Mitose auf dem Stadium der Muttersternfigur in der Aequatorialebene zwischen beiden Central- körpern sich die Chromatinmasse vorfindet, so sind auch hier die chro- matischen Massen entsprechend gewissen Flächen angeordnet, welche in Bezug auf die nächst gelegenen Polkörperchen als „äquatoriale* zu bezeichnen sind. Von den Centralkörpern einer multiplen mitotischen Figur sind also von vornherein die einen mehr central, die anderen mehr peripher gelegen. Am Schlusse der Mitose sammeln sich die ersteren zur Hauptgruppe, die letzteren zu den Centralkörper-Neben- gruppen. Zwischen den Nebengruppen auf der einen und der Haupt- gruppe auf der anderen Seite bildet sich der Kern in Form einer Hohlkugel. Beider multiplen MitosederRiesenzellen müsste man die Telokinesis von dem Momente an rechnen, an welchem der Marsch derCentrosomen gegen die gemein- samen Sammelplätze hin beginnt. | 590 Martin Heidenhain: weder von der internen Strahlung noch auch von dem vanBeneden- schen Körnerkranze etwas zu bemerken war, so glaube ich doch, dass hier die Astrosphären vorliegen, und dass mit der Verbesserung der technischen Hülfsmittel sich an den genannten Protoplasmakörpern auch die weiteren Merkmale der Astrosphären werden feststellen lassen. Um so unerklärlicher erscheint der Mangel einer Astrosphäre im Endoplasma'). 72. Haben wir nun in den Nebengruppen die gleichen Bildungen vor uns wie in den Mikro- eentrenderLeukocyten? Hier ist Folgendes in Rechnung zu ziehen. Die Mikrocentren bei den Lymphocyten bestehen aus zwei, drei oder vier Centralkörpern. Ebenso finden wir viele Nebengruppen mit zwei, drei und vier Centrosomen. Da diese jedesfalls nicht als von einander isolirte Körper in der Astro- sphäre enthalten sind, sondern gewiss unter einander in einer pri- mären Verknüpfung stehen, so werden wir derartige kleine Central- körper-Nebengruppen ganz sicher unter die Mikrocentren rechnen müssen. Dann kann man weiterhin nach dem Muster des bekannten Problems, wie viel Körner einen Sandhaufen ausmachen, oder vielmehr durch eine Umkehr desselben, zu der Fragestellung kommen, ob etwa nun Nebengruppen mit 5, 6, 7 ete. Oentro- somen keine Mikrocentren mehr sind? Offenbar sind wir also ge- zwungen, die Neben- und auch die Hauptgruppen der Riesenzellen den Centralkörpergruppen der Lymphocyten gleiehwerthig zu rechnen, daher der Begriff des Mikrocentrums auch allen diesen Bildungen in der gleichen Weise zukommt. Hier erübrigt sich für mich noch folgende Bemerkung. Ich konnte im ersten Abschnitte dieser Arbeit zeigen, dass innerhalb des Mikrocentrums der ruhenden Lymphoeyten die Anlage der Centralspindel in einer primären Centrodesmose bereits vorgebildet . 1) In der unter No. 43 eitirten Abhandlung ist auf Seite 69 zu lesen: „Eine scharfe Grenze eines als „Astrosphäre“ zu bezeichnenden Körpers, innerhalb dessen die Centrosomen zu liegen kämen, konnte ich nieht wahrnehmen.“ Hier ist ein Wort ausgelassen worden, es muss heissen: „— konnte ich meist nicht wahrnehmen“. Indem ich dieses schrieb, habe ich dabei an das Fehlen der Astrosphäre im Be- reich der Hauptgruppe gedacht. Vergleiche auch meine erste Mitthei- lung betreffend die Centralkörpergruppen der Riesenzellen (No. 40). Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 591 ist: wir trafen Substanzbrücken von abweichender Färbbarkeit zwischen den Centrosomen und konnten zeigen, dass diese bei der Theilung des Mikrocentrums sich in die Länge strecken und nun nichts anderes mehr vorstellen können, als die auf einem primitiven Differenzirungsstadium befindliche Centralspindel. Wenn nun die von Pol zu Pol durchgehenden Fasern sich aus jenen primären Verknüpfungen der Centralkörper in der ruhenden Zelle herleiten, so ist umgekehrt anzunehmen, dass die gesuchten und von mir nicht gefundenen direkten Verknüpfungen der Centralkörper der Haupt- und Nebengruppen der Riesenzellen bei der Rückbildung der Mitose, während der Wiederannäherung der Gentralkörper aus den von Pol zu Pol durehgehenden Fasern (Central- spindelfasern) wiederum hervorgehen. Da freilich während des schliesslichen Ablaufes der Mitose bei den Riesen- zellen die Centralkörper siehverdoppeln, so werden zum Theil auch die Bindebrücken zwischen den Körperchen völlig de novo entstehen, da nämlich jedes Mal bei der Separation zweier Oentro- somen sich zwischen diesen eine sie verbindende Substanzmasse ausspinnen dürfte. ec) Betrachtung solcher Fälle, bei denen es zur Ausbildung einer Mittelschicht im Endoplasma kommt. “3. Wir kommen nun zur Betrachtung jener Fälle, in denen dieSubstanz derMittelschicht imEndoplasma zur Ausbildung kommt. Wie schon oben nachgewiesen wurde, ist diese Substanz, wo sie vorkommt, ihrer Art nach identisch mit der Substanz der zweiten Zone im Exoplasma und steht mit dieser auch oft durch dunkle, in den perforirenden Kanälen des Kerns gelegene „Verbindungsstränge“ in direkter Verknüpfung. Da von zwei im übrigen sich gleich verhaltenden Riesenzellen die eine die fragliche Differenzirung zur Ausbildung gebracht haben kann, während sie bei der andren auf dem entsprechenden Territorium der Zelle fehlt, da es sich ferner unmöglich um eine blosse intracellulare Ausscheidung handeln kann, so geht hieraus unmittelbar hervor, dass jene Differenzirung auf der Basis eines schon vorhandenen oder ihr zum Grunde liegenden Mitoms erfolgt. Meine Vermuthung über die Art dieses Vorganges selbst will ich 592 Martin Heidenhain: erst weiter unten bei Besprechung der analog gebildeten zweiten Zone des Exoplasmas zum Ausdruck bringen. An dieser Stelle erwächst mir vornehmlich die Aufgabe, das eigenthümliche Verhalten der zur Diskussion stehenden Differen- zirung gegenüber der Centralkörper-Hauptgruppe zu schildern. Es zeigt sich nämlich, dass die Mittelschicht des Endoplasmas durchaus niemals auf dem von den Centralkörperneingenommenen Territorium auf- tritt, so dass mithin die Centralkörper-Hauptgruppe immer und ausnahmslos in jenem heller sich färbenden Antheil des Endo- plasmas gelegen ist, welcher der ersten Zone des Exoplasmas entspricht und in der Begrenzung der inneren Kernoberfläche sich ausbreitet (Fig. 51, 58, 60). Dieses Verhalten ist natürlich dureh- aus analog dem Verhalten der Nebengruppen, welche bei Riesen- zellen vom dreigliedrigen Typus immer in der ersten und nie in der zweiten Zone des Exoplasmas getroffen werden. Von der Seite der Centralkörper-Hauptgruppe her betrachtet stellt sich mithin die Lage derart, dass die etwa vorhandene Mittelschicht, bildlich gesprochen, vor ihr ausweicht, vor ihr flieht, und, wo sie in reichlicher Ausbreitung vorhanden ist, jene in einiger Entfernung bogenförmig umläuft (Fig. 51, 58). Dieses bogen- förmige Sich-Absetzen der zweiten Zone des Endoplasmas gegenüber einem der Centralkörper-Hauptgruppe benachbarten Zellenterritorium führt nun, wenn die Schnittrichtung entsprechend ausgefallen ist, zu höchst eigenthümlichen Bildern, welche die Gegenwart einer Astrosphäre vortäuschen. Der unbefangene Untersucher, der mit der Lage der Dinge noch nicht vertraut ist, wird nämlich ganz natürlicher Weise jenen bald mehr, bald weniger einem geschlossenen Kreise gleichkommenden Contur zwischen erster und zweiter Zone des Endoplasmas, welcher aus den Abbildungen ersichtlich ist, für den Grenzeontur der Astrosphäre halten (Fig. 51, 58). Eine Täuschung ist um so leichter möglich, als gelegentlich die Schnittrichtung derart ausgefallen sein kann, dass die zweite Zone in Form eines schmalen Ringes in der ganzen Cir- kumferenz der Centralkörper-Hauptgruppe sicht- bar ist; auf den Durchschnitten, welche solche Bilder geben, ist eben jene Stelle nicht vom Messer erreicht worden, an welcher die im übrigen an der inneren Oberfläche des Kerns sich aus- breitende erste Zone des Endoplasmas mit der ihr zugehörigen Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 593 unmittelbar um die Centralkörper herum befindlichen Substanz- masse direkt zusammen hängt. Stellen wir uns nun beim Anblick der Fig. 51 gleicher Zeit vor, dass ja von der Centralkörper-Hauptgruppe aus nach allen Riehtungen hin ceentrirte Zellenfäden ausgehen, und dass die zweite Zone jedesfalls auf Grund eines schon ursprünglich ge- gebenen centrirten Mitoms sich herausdifferenzirt, so ergiebt sich, dass der bogenförmige Contur, in welehem sich zweite und erste Zone gegenüber der Centralkörper-Hauptgruppe absetzen, annähernd oder geradezu quer über die Radiärfäden hinwegläuft!). Wir kennen nun im Inneren der radiären Systeme nur eine Sorte von eoneentrischen, die Radiärfäden quer überschneidenden Con- turlinien und diese sind gebunden an das Phänomen der concen- trischen Kreisfiguren, das heisst, sie sind gebunden an das Auf- treten eoncentrischer Mierosomenstrata. So glaube ich, dass auch hier jene eigenthümliche Differenzirung, welche wiralsSubstanzderzweitenZoneimEndo- plasma ‘kennen, im ihrer/Erstreck ung gegıendie Astrosphäre hin begrenzt wird dureh einconcen- trisches, freilich nicht direkt wahrnehmbares Mikrosomenstratum. ‘4. Aus dem Obigen geht hervor, dass bei einer grösseren Ausbreitung der Substanz der zweiten Zone im Endoplasma die Cen- tralkörper-Hauptgruppe, wenn ich mich so ausdrücken darf, in einer unerklärlichen Weise an der Ausprägung der äusseren Form jener Masse Theil nimmt. Wie man sich diesen Vorgang zu denken habe, darüber fehlen alle Anhaltspunkte. Es können da jedesfalls nur indirekte, durchaus vermittelte Beziehungen zwischen den Centrosomen einerseits und der Substanz der zweiten Zone andererseits bestehen. Es scheint mir feıner, dass auch der Kern einen gewichtigen bestimmenden Einfluss auf die For- mengebung derMittelschicht ausübt. Denn wie diese letztere stets in einer achtungsvollen Entfernung von der Central- körper-Hauptgruppe Halt macht, so ist es auch die Regel, dass 1) An dem der Fig. 51 entsprechenden Zellenexemplar war die radiäre Strahlung in geringem Grade sichtbar. 594 Martin Heidenhain: die Grenzlinie der zweiten Zone von der inneren Oberfläche des Kerns um Einiges entfernt verläuft. Hier scheinen allerdings häu- iger Ausnahmen vorzukommen, doch können da auch Täuschun- gen vorliegen, welche durch ungenügende färberische Differen- zirung verursacht sind (z. B. in Fig. 64, 70). Das Bild der Fig. 55 giebt einen typischen Fall. Da sehen wir, wie die zweite Zone im Endoplasma dem Kern sozusagen überall ausweicht, und auch die Thatsache, dass die dunklen Ver- bindungsstränge, welche die Communikation mit der zweiten Zone im Exoplasma herstellen, in der Achse der perforirenden Ka- näle des Kerns verlaufen, ist von demselben Gesichtspunkte her zu beurtheilen: auch hier liegt die dunkel färbbare Substanz in einiger Entfernung von der Oberfläche des Kerns und nur aus diesem Grunde wird ihr eine Stellung aufgenöthigt, welche uns als eine axiale imponirt. Diese Beziehung des Kerns zur Gestaltung der zweiten Zone im Endoplasma scheint mir eine weitere Illustration durch jene Fälle zu erfahren, in denen sie unter der Form eines kugligen Körpers auftritt (Fig. 54, 61, 75). Da diese rundliche Abgrenzung nur dann sich zeigt, wenn die Mittelschicht gering an Masse ist, so kann man sich nämlich vorstellen, dass sie in diesen Fällen dureh die Gegenwart der Centralkörper-Hauptgruppe bezüglich ihrer Ausdehnung keine weiteren Einschränkungen mehr erleidet, so dass dann die Einengung auf einen bestimmten Raum ledig- lich nur noch vom Kern abhängen würde, aus welchem Grunde nun ihre äussere Gestalt der inneren Oberfläche des Pyrenocöls conform ist. d) Die Grenzmembran dritter Ordnung. ‘5. Ich habe nun, bevor ich zur Besprechung des Inhaltes der zweiten Zone des Aussenplasmas übergehe, noch einen wich- tigen Gegenstand zu behandeln und dies ist die Grenzmem- bran dritter Ordnung, jene membranartige Bildung, welche sich zwischen die erste und zweite Zone des Exoplasmas ein- schiebt. Ich habe hier zunächst, wo es sich um eine genauere Dar- legung der einschlägigen Verhältnisse handelt, meine eigene Aus- drucksweise zu korrigiren. Ich glaube nämlich durchaus nicht, dass dieser färbbare, mitunter sogar sehr stark färbbare Contur Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 595 einer wirklichen Membran entspricht. Dies wäre ja auch höchst wunderbar; es würde danach der Innentheil der Zelle gegen die zweite und dritte Zone hin völlig abgekapselt sein. Andererseits ist gar kein Zweifel, dass an der fraglichen Stelle eine besondere, reelle Bildung vorliegt, denn es handelt sich hier nicht etwa um eine schwer wahrnehmbare Einzelheit, sondern in vielen Fällen ist die Grenzmembran eine stark in die Augen fal- lende, gröbere Bildung). Ich glaube nun hier und da ganz deutlich gesehen zu haben, dass diese anscheinende Membran einem fortlau- fenden Stratum grober Mikrosomen entspricht, welche ungemein dicht aneinander gereiht sind. Ich nehme ferner- hin ganz unbedenklich an, dass diese Mikrosomen nichts anderes vorstellen, als in besonderer Weise zur Entwicklung gekommene Querglieder von Zellenfäden, welche aus der ersten in die zweite Zone übertreten. Ich mache hierbei darauf aufmerksam, dass es nur an solchen Stellen gelingt, die Grenzmembran in Mikro- somenreihen aufzulösen, wo sie für sieh allein die Scheide- wand zwischen erster und dritter Zone des Exoplasmas bildet. Diese Zusammensetzung aus Körnern ist im übrigen nur schwer zu beobachten und man hat im allgemeinen von der Grenzmem- bran, wie schon aus meiner Darstellung und Namengebung er- sichtlich ist, den Eindruck eines zusammenhängenden Häutchens. Dass ich die Grenzmembran oder das ihr entsprechende Mikrosomenstratum für eonstant halte, habe ich schon früher er- wähnt. An Schnitten, deren Färbung nicht günstig ist, tritt sie allerdings als solche nicht hervor, doch deuten die glatten Be- grenzungsflächen zwischen der ersten und zweiten Zone für alle Fälle auf ihre Gegenwart hin. 6. Ist man in der Lage, die Grenzmembran deutlich beob- achten zu können, so kann man dann mitunter auch sehen, dass sie an jenen Stellen, an welchen die von der zweiten Zone des Endoplasmas sich herleitenden Verbindungsstränge inseriren, sich auf diese hinüberschlägt. Das findet aber gewiss nicht immer statt. Auf der anderen Seite will es mir scheinen, dass es Zellen 1) Es ist lediglich nur Zufall, dass unter meinen vielen Abbil- dungen keine Zelle enthalten ist, welche die Grenzmembran dritter Ordnung wirklich stark hervortreten lässt. 596 Martin Heidenhain: giebt, bei denen die dunkel färbbaren Verbindungsstränge ledig- lich der Substanz der Grenzmembran selbst entsprechen. Da nun, wie aus dem Nachfolgenden noch hervorgehen wird, wir die Grenzmembran dritter Ordnung der ersten Zone des Exoplasmas zurechnen müssen, so wäre dann für diese Fälle im Inneren jener dunklen Verbindungsstränge nichts enthalten, was der Substanz der zweiten Zone entspricht (Fig. 56). Diese letztere Feststellung enthält eine Einschränkung meiner bisherigen Art mich auszudrücken, da ich von vornherein die Sache so dargestellt hatte, als ob die Verbindungsstränge immer ganz allein aus der Substanz der Mittelschicht gebildet sind. Ich habe dann schliesslich noch hinzuzufügen, dass mir in dem Fall der Fig. 56 die Grenzmembran von den Verbindungs- strängen aus auf die Mittelschicht des Endoplasmas überzugehen schien. Aber selbst wenn ich hier recht gesehen hätte, müsste ich mich doch dahin aussprechen, dass sowohl der Uebertritt der Grenzmembran auf die Verbindungsstränge, ferner die Bildung solcher auf ihre alleinige Kosten, als auch schliesslich ihr Auf- treten zwischen beiden Zonen des Endoplasmas: dass dies alles einem bloss möglichen Ereigniss gleich zu achten sei, welches keinen nothwendigen Charakter an sich trägt. Diese Dinge sind nicht eben häufig zu beobachten. Möglich auch, dass das der Grenzmembran entsprechende Mikrosomenstratum auf alle Fälle an der Oberfläche der zweiten Zone des Endo- plasmas existirt und dass nur die betreffenden Mikrosomen für gewöhnlich nicht zu einem besonderen Volumen herangewachsen sind, daher denn die ganze Bildung unserem Auge verborgen bleibt. e) Örientirender Ausblick auf die physiologische Huwetionnder, Riesenzellen; 7. Wenn wir nun über das von der Grenzmembran dritter Ordnung eingeschlossene Territorium weiter peripherwärts nach aussen hin fortschreiten, so treffen wir in der zweiten und dritten Zone auf ein Gebiet der Zelle, welches, wie oben schon vorläufig erörtert wurde, nach jeder Richtung hin ein ausserordentlich wechselndes Ansehen zeigt. Zwar haben wir am Endoplasma schon einen auffallenden Wechsel der Bilder gefunden, konnten aber constatiren, dass dort nur eine morphologische Varietäten- Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 597 bildung zu Grunde liegt, deren allgemeines Interesse lediglich auf der cellularhistologischen Seite liegt. Hier nun liegt die Sache insofern anders, als rein mor- phologische Varianten des körperlichen Zustan- des mit echten sogenannten „funktionellen“ Zu- ständen vereint zu gleicher Zeitgefunden werden. Die Formengebung und die Struktureigenthümlichkeiten des Zellenkörpers nach diesen Richtungen hin auseinander zu halten ist ganz ungemein schwer, allein ich will doch wenigstens den Versuch einer solehen Scheidung machen. Sollte mein Urtheil hier und da irre gehen, so wird man mir wohl etwas zu Gute halten müssen, da es sich ja thatsächlich um einen ersten Ver- such der Ordnung dieser verwickelten Dinge handelt. Um einen besseren Ueberblick über die nachfolgenden Dar- legungen und ihre Zielpunkte zu ermöglichen, nehme ich mir die Freiheit, das Endresultat schon hier dem Leser vorzustellen; es ist mir alsdann möglich, den vorliegenden Stoff in leichterer Weise zu gruppiren. 78. Es hat sieh am Ende ergeben, dass die dritte Zone des Exoplasmas immer nur eine vor- übergehendeBildungist. Diese „Randsäume* wer- den von der Zelle produeirt und stellen zunächst einen integrirenden Bestandtheil derselben vor. Späterhin zerfällt jedoch der Randsaum und glei- cher Zeit wandelt sich die schon vorher erschie- nene Grenzmembran zweiter Ordnungin die Zell- membran um. In diesen Process des physiologischen Verfalls wird die zweite Zone gelegentlich mit hineingezogen, nachdem sie zuvor den Charakter der Zellsubstanz der dritten Zone angenom- men hatte; dann wandelt sich die Grenzmembran dritter Ordnung in die Zellmembran um. WenndreiRiesenzellendes nämlichen Typus, welche im übrigen die cellularhistologischen Charaktere normaler Zellen zeigen, neben einander unter den Bildern der Fig. 75, 57 und 55 erscheinen, so ist damit impli- eite schon die Thatsache illustrirt, dass eine zonenweise Abgliederung der Zellsubstanz statt haben muss. 598 Martin Heidenhain: Mithin stösst der Körper der dreifach gegliederten Riesen- zellen Theile ab, gerade so, wie die Milchdrüsenzelle während der Sekretion ihr dem Lumen zugewandtes Ende abstösst. Trotz dieser Analogie glaube ich aber doch behaupten zu müssen, dass dieser Vorgang nicht einer eigentlichen „sekretiven“ Thätigkeit der Riesenzelle entspricht; die Riesenzelle ist um deswillen noch nieht als „einzellige Drüse“ zu betrachten. Es gehört nämlich jedes- falls zum Begriff einer Drüsenzelle, dass an ihr zwei in funktio- neller Beziehung differente Flächen ausgebildet seien: eine, an welcher das in der Zelle zu verarbeitende oder wenigstens weiter zu befördernde Material aufgenommen wird, und eine zweite, eine freie Oberfläche, über welche hinaus das Sekret ausgeschie- den wird. An der Riesenzelle ist aber von einer derartigen „po- laren“ Differenzirung nicht die Rede; sie hat am ganzen Umfang ihrer Oberfläche die gleichen Fähigkeiten. Mithin verhält sich die Riesenzelle wie jede andere Körperzelle auch: sie nimmt aus dem Säftestrom Substanzen auf und scheidet sie unter anderer Form wieder aus. Der Riesenzelle eigenthümlich ist nur der Umstand, dass einerseits die Stoffaufnahme begleitet ist von einem lebhaften cellulären Wachsthum, welches mikroskopisch haupt- sächlich seinen Ausdruck in dem Auftreten und Wachsen der Randsäume findet, während andererseits die Stoffabgabe ‚mit dem völligen Zerfall der neugebildeten körperlichen Theile endet. Mit- hin liegt doch nichts anderes vor, als ein specifisch gerichteter Stoffwechselprocess» bei welchem eine progressive und eme re- gressive Phase unterschieden werden kann, und zu dessen typi- schen Eigenthümlichkeiten es gehört, dass in die progressive Phase ein Grössenwachsthum eingeschaltet ist, während im Laufe der regressiven Phase ein entsprechender Zerfall an den nengebildeten Strukturtheilen Platz greift. f) Die Mittelschicht des Exoplasmas. “9. Wir waren bei der Betrachtung der Mittelschicht des Exoplasmas stehen geblieben, und es ist nicht ohne Grund, dass ich die obige Einleitung über die physiologische Funktion der Riesenzellen schon an dieser Stelle eingeschaltet habe. Es zeigen sich nämlich unter Umständen an der Mittel- schicht Veränderungen, die nur mit jener speeifischen Stoffwechsel- funktion in Zusammenhang gebracht werden können. — Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 599 Der innere Aufbau des in Frage stehenden Zellenterritoriums ist mir, wie ich ohne Weiteres zugestehen muss, vollständig dunkel geblieben. Ich bin der Ueberzeugung, dass weder die heutige histologische Technik für sich allein, noch auch überhaupt der uns zu Gebote stehende physikalische Apparat zum Zwecke einer feineren Zergliederung dieser Masse ausreicht. Für gewöhnlich hat man den Eindruck einer ganz compakten, dicht gefügten: Substanz, welche nieht einmal irgend etwas von „Protoplasma- körnelung“ erkennen lässt. Dabei ist ihre Färbbarkeit eine ausser- ordentlich hohe, so dass sie selbst auf sehr feinen Schnitten bei Anwendung der Biondi’schen Lösung ausserordentlich dunkel tingirt erscheint (Fig. 66). Diesem hohen Grade der Färbbarkeit muss eine entsprechende Dichtigkeit der Substanz zu Grunde liegen; indessen mögen auch Unterschiede der eigentlichen fär- berischen Reaktion mit hinzukommen, so zwar, dass an Gewicht gleiche Substanzmengen, wenn sie der zweiten Zone zugehören, mehr Farbe zu binden vermögen als an anderen Orten des Zellenleibes. Es würde sich nun um die Frage handeln, ob nicht noch besondere Ursachen dafür verantwortlich gemacht werden müssen, dass so oft, selbst unter Anwendung der besten optischen Hilfsmittel und unter Herbeiziehung anerkannt guter Methoden der Färbung, die Masse der Mittelschicht dennoch durchaus gleich- artig erscheint. Ich bin hier in der Lage, nur einigen Vermuthun- gen Raum geben zu können, welche einen Anspruch auf dauernde Giltigkeit nicht haben. 80. Wie dem Leser erinnerlich sein wird, verlaufen die Mitomfäden in der Innenschieht radiär oder schräg gegen die Grenzmembran dritter Ordnung; die gleiche allgemeine Faser- richtung treffen wir in der Aussenzone oder dem Randsaum. Es ist nun kaum anzunehmen, dass, wenn der Zellenkörper sonst überall das Cytomitom erkennen lässt, dieses auf dem Territo- rium der zweiten Zone fehlen sollte. Ich nehme daher unbedenk- lich an, dass dieses letztere ebenfalls ein Cytomitom enthält und dass wahrscheinlich viele derindem Randsaum zum Vorschein kommenden radiären Zellenfäden als getheilte oder ungetheilteEnden denRadiär- fäden der-Innenschicht entsprechen, welche die Mittelschicht eben einfach durchsetzen. 600 Martin Heidenhain: Hier kommt mir zu Hilfe, dass es einen speciellen Fall giebt, in welchem sich die Identität der Mitomfäden in der ersten und dritten Zone des Exoplasmas direkt zeigen lässt. Wenn wir nämlich unser Augenmerk auf solche Stellen lenken, wo die ge- nannten beiden Zonen nur durch das Dazwischentreten der Grenz- membran dritter Ordnung getrennt sind, so können wir an den häufig vorkommenden kleineren und grösseren Defektstellen der letzteren den Uebertritt der radiären Fäden aus der Innenschicht in die Aussenschicht direkt verfolgen (Fig. 54). Ist also hier die Continuität der Strukturform durch das ganze Exoplasma hindurch nachweisbar, so kann dies gewiss überall der thatsächlich bestehende Zustand sein. Dass das Cy- tomitom aber unseren Augen auf dem Gebiete der Mittelschichte verhüllt ist, das kann wohl nicht allein an einer besonders dichten Anordnung der Strukturtheile gelegen sein; vielmehr bin ich geneigt, die hypothetisch vorausgesetzten interfilaren Räume mir zu Lebzeiten der Zelle als von einer ungemein eiweissreichen Flüssigkeit erfüllt zu denken, deren festes Material nach der Auställung durch die conservirenden Reagentien durch eine specifische, enorm hohe Färbbarkeit alles übrige verdeckt; oder auch anders ausgedrückt: ich halte dafür, dass die Riesenzelle innerhalb der zweiten Zone jenes eiweissartige Rohmaterial in grösserer Menge aufstapelt, dessen sie zu ihrer specifischen physiologischen Thätigkeit bedarf. 81. Wenn ich einen derartigen Zustand der Substanz der Mittelschicht voraussetze, so denke ich denselben wohl als ur- sprünglich immer vorhanden, doch als dauernden nur für eine Reihe von Zellen, denn, wie sich deutlich an den schliess- lich wieder sichtbar werdenden Endeffekten zeigt, können an an- deren Individuen in dieser Masse successive organisatorische Veränderungen vor sieh gehen, die im Falle ihrer extremen Aus- bildung zu jenen eigenthümlichen Bildern der Mittelschicht führen, wie deren in Fig. 75 eines vorliegt. Die dunkel färbbare Substanz der zweiten Zone ist hier auf ein System von Balken und Septen redueirt, welche hellere Räume zwischen sich fassen. Die ganze Masse sieht hier wie Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 601 schaumig aus; jedoch handelt es sich durchaus nicht um eine echte Vakuolen-Bildung, denn die dieht neben einander liegenden hellen Räume zeigen keine scharfrandige Abgrenzung; auch muss ich die Möglichkeit offen lassen, dass sie durchgehends unter einander in Communication stehen. Die allmähliche Herausbildung dieses Zustandes konnte ich einigermaassen verfolgen. Es erscheinen nämlich zuerst in der com- pakten Masse der Mittelschicht einzelne ungemein feine, nicht deutlich begrenzte helle Fleckehen, die dann an Zahl und Grösse allmählich zunehmen (Fig. 57, 61, 62, 67, 72). Wie die Abbil- dungen zeigen, ist nichts gewöhnlicher, als dass man in der Mittelschicht eine grössere oder geringere Zahl solcher hellerer Stellen antrifft, die aber meist verwaschen erscheinen, daher denn diese Dinge zunächst höchst unscheinbar sind. Die helleren Stellen sind der Form nach rund oder länglichrund: in diesem letzteren Falle liegt die Achse paratangential. Sind die helleren Stellen grösser und zudem zahlreicher geworden, stehen sie dicht bei einander und wiegen unter ihnen die in der Riehtung der Tan- gente lang gezogenen Formen vor, so gewinnt die Mittelschicht unter Umständen auf dem optischen Querschnitte das Ansehen einer eoncentrisch-blättrigen Bildung (etwa Fig. 60), da nämlich die zwischen den aufgehellten Territorien liegenden unter einan- der in schiefer Riehtung verbundenen Blätter oder Septen der ur- sprünglichen Substanz nun vorwiegend parallel zur Oberfläche geord- net sind. Im allgemeinen sind aber auch jetzt noch, nachdem sich die genannten räumlichen Scheidungen vollzogen haben, die dif- ferenzirenden Färbungsunterschiede auf dem Gebiete der zweiten Zone geringe; selten sind sie so gross, wie Fig. 75 zeigt. Wenn es sich nun darum handelt, diesen eigenthümlichen Zustand näher zu charakterisiren, so muss ich zunächst betonen, dass es sich an jenen anfangs sparsamen, später in Masse auf- tretenden hellen Stellen keineswegs um die Ausscheidung irgend einer weniger färbbaren Substanz handelt, welche dem- nach als etwas der ursprünglichen Masse Fremdes zu denken wäre. Hiervon kann keine Rede sein. Vielmehr schwin- det an den sich aufhellenden Stellen ein Theil der ursprünglich schon vorhandenen Materie, so dass wir eine Substanz-Abminderung vor uns Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 39 602 Martin Heidenhain: haben. Ich glaube, dass dieser Substanzverlust vorzüglich jene von mir vorhin angenommenen interfilaren Eiweissmassen betrifft, so dass die wesentliche Strukturform nach wie vor die gleiche bleiben würde. Freilich, dass von jener anfangs allein vorhandenen com- pakten Masse der Mittelschicht ein Rest unter der Form eigen- thümlicher, nieht eben gerade sehr scharf abgegrenzter Septen- und Balkenwerke bestehen bleibt, das muss noch einen beson- deren Grund, eine besondere organisatorische Veränderung als Ursache haben, welche jedoch nicht mehr mit irgend welcher Sicherheit auf dem hier allein möglichen theoretischen Wege erreicht werden kann. Es mag dem geschätzten Leser vielleicht auffallend erscheinen, dass ich trotz des grossen Wechsels in der histologischen Er- scheinungsweise das Eintreten einer tiefgreifenden Veränderung der Strukturform : während des oben geschilderten Processes nicht annehme, doch liegen hierfür noch weitere Gründe vor, wie sich späterhin ergeben wird. Die beschriebenen Veränderungen können in ähnlicher Weise sich an der Mittelschicht des Endoplasmas (Fig. 51) zeigen. Hieraus erhellt vonneuem, dass diejenigen Bildungen, die wir im Aussen- und Innenplasma unter dem Begriffe der „Mittelschiehte“ oder der „Substanz der. zweiten Zone“ zusammengefasst haben, thatsächlich zusammen gehören. | Wie aus alledem hervorgeht, zeigen sich an der zweiten Zone unter Umständen Verände- rungen, welche mit der physiologischen Funk- tion der Riesenzellen auf’ innigste in Zusam- menhang gebracht werden müssen. Es bleibt keine andere Annahme übrig als die eine, dass.dort eiweissartige Stoffe in massenhafter Weise angesammelt, umgearbeitet und dann wie- der abgegeben werden. Hierzu ist noch zu bemerken, dass diese morphologischen Veränderungen nur bedingungs- weise, wahrscheinlich entsprechend einer excessiven Thätigkeit der Zelle, sich in stärkerem Grade ausprägen, denn ich habe nicht finden können, dass die mir vorliegenden mikroskopischen Bilder den Schluss auf eine an jeder Riesenzelle des geschichteten Typus in gleicher Weise periodisch wiederkehrende eellulare Um- bildung gestatten. Demnach wäre als Regel anzunehmen, dass in der Mittelschicht Substanzaufnahme und -abgabe gleichen Schritt Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 603 einhalten, wobei es nieht zur Ausbildung umfänglieher morpho- logischer oder auch nur färberischer Veränderungen kommt. &8) Die Aussenzone des Exoplasmas. 82. Was die dritte Zone oder die Randsäume anlangt, so wurde ihre äussere Formgestaltung schon oben be- rücksichtigt. Desgleiehen erwähnte ich, dass ihre Färbbarkeit eine relativ geringe ist, dermaassen, dass ohne eine intensive Pro- toplasmafärbung diese Theile oft gar nicht als etwas dem Zellen- körper selbst Zugehöriges sich vorstellen würden. Bezüglich der feineren Details ist die Erscheinungsweise eine ganz ähnliche wie bei der ersten Zone. Entweder man kann nichts anderes an ihrer Substanz erkennen als eine feine Körne- lung, die Protoplasmakörnelung (an einigen Stellen der Fig. 70 und 72), oder es zeigt sich ein reguläres Mitom mit radiär oder schräg verlaufenden Fasern (Fig. 53, 54, 66!, 72) oder auch es finden sich etwas gröbere netzartige Bildungen (Fig. 58, 71, zum Theil auch in 72); von diesen letzteren muss ich wiederum un- entschieden lassen, ob es sich nicht vielleicht um Artefakte handelt. Im Falle das Mitom deutlich erkennbar ist, ist oft die radiäreFaserung in starkem Maasse ausgebildet, so dass sie das ganze mikroskopische Bild vollkommen beherrscht (Fig. 66); jedesfalls tritt hier die radiäre Faserung viel häufiger und deutlicher hervor als in der ersten Zone des Exoplasmas. Ausser den sehr feinen Mitomfäden finden sich auch gröbere radiär gerichtete Protoplasmastränge, welche wohl als Fibrillenbündel aufzufassen sind (Fig. 72 links unten). In der Figur 61 (!) dürfte die Mehrzahl der gröberen Protoplasma- fasern nieht den Mitomfäden selbst, sondern derartigen Bündel- chen von Zellenfäden entsprechen. In. den radiärstreifigen Randsäumen - habe ich des öfteren sehr feine concentrisch zur Oberfläche der Zelle verlaufende Li- nien aufgefunden, welche den optischen Durchschnitten eoncen- trischer Mikrosomenstraten entsprachen (Fig. 72 links unten). Von eigenthümlicher Beschaffenheit zeigt sich oft die Ueber- sangsstrecke zwischen zweiter und dritter Zone; die erstere ist in den gedachten Fällen auf der Oberfläche rauh, wie mit vielen klei- nen Spitzen und Höckern versehen, von deren Gipfel her dann die 604 Martin Heidenhain: radiär gerichteten Mitomfäden und stärkeren Protoplasmastränge des Randsaumes ihren Ursprung nehmen (Fig. 48, 61). Oft ist der Randsaum in seitlicher Richtung in mehrere Abschnitte ge- gliedert, so dass er dann nur scheinbar eine continuirliche in sich zusammenhängende Schicht bildet. In diesen Fällen schneidet die Zellenmembran in tiefen Einfaltungen hier und dort bis auf die Oberfläche der zweiten Zone herab (Fig. 66). Hier- durch gewinnt dann der Randsaum mitunter das Ansehen blasi- ger artificieller Abhebungen (siehe die Anmerkung). 83. Die radiärstreifigen Randsäume zerfallen schliesslich, während gleicher Zeit die Oberfläche der zweiten Zone sich glättet und auf ihr die Grenzmembran zweiter Ordnung erscheint. Nach völliger Abstossung der peripheren Sub- stanzmasse präsentirt sich die Grenzmembran als Zellmembran. Es ist nun durchaus nicht nöthig, dass im ganzen Umfang einer Zelle die Randsäume sich gleichzeitig abstossen, viel- mehr können sie streckenweise verfallen, während sie an anderen Stellen noch erhalten bleiben. Die Sache scheint überhaupt nicht so vor sich zu gehen, dass ganz bestimmte Perioden inne ge- halten werden, während deren die Randsäume entstehen und wieder vergehen. Die mikroskopischen Bilder, die der allmählich absterbende Saum liefert, sind, wenigstens was das feinere Detail anlangt, nieht mit voller Sicherheit ihrem natürlichen Aus- sehen nach zu beschreiben: es scheint, dass die Substanz der dritten Zone auf diesem Stadium eine geringe Widerstandsfähig- keit besitzt und nun vielerlei Artefakte sich an ihr produeiren !). 1) Es ist dies eine ganz allgemein verbreitete Erscheinung, dass mit dem Verluste des Lebens an der Zelle (oder den abgestorbenen Thei- len derselben) die architektonische Festigkeit verloren geht. Anmerkung. Nach dem Ganzen meiner Darstellung wäre es eigentlich nicht mehr nöthig die Einwendung, dass es sich in den Rand- säumen um artificielle Bildungen handelt, im besonderen zu wider- legen. Indessen will ich an dieser Stelle eine Concession machen und noch einmal auf die Sache eingehen. Ich führe zu Gunsten meiner Anschauung, dass die Randsäume natürliche Bildungen sind, folgende Punkte auf: 1. Man erhält die fraglichen Bildungen bei Anwendung von Sublimat, Flemming’scher Mischung und Osmiumsäure Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 605 Auch glaube ich, dass die betreffenden Bilder an sich nieht überall ganz gleich ausfallen werden, da es sich ja nicht mehr um einen Process des Lebens, sondern um einen solchen der Degeneration handelt. In einigen Fällen scheint der Randsaum zunächst gleich- artig zu werden, so dass die radiäre Streifung in verschwinden- der Weise zurücktritt (Fig. 52), um dann schliesslich durch einen (2%/,!) in gleicher Weise; es ist aber nicht denkbar, dass durch grund- verschieden wirkende Reagentien genau die gleichen Artefakte erzeugt werden sollten. 2. Jene buckelartigen Vortreibungen, welche als blasige Abhebungen künstlicher Natur aufgefasst werden könnten, kann man schon frisch bei Zerzupfung in physiologischer Kochsalzlösung sehen; nur lässt sich in diesen Fällen ihr geformter Inhalt nicht erkennen. 3. Innerhalb der Randsäume ist in vielen Fäl- len ein wohlgeformtes radiärfaseriges Mitom enthalten, inner- halb dessen mitunter sogar concentrische Mikrosomenstrata beob- achtet werden können. Wenn die Randsäume durch künstliche Ab- hebung der Zellmembran entstünden, so wäre nicht einzusehen, auf welchem Wege innerhalb der Abhebungen jene strenge Ordnung der geformten Strukturtheile entstehen sollte. Die Mitomfäden müssten doch aus der Mittelschicht gleichsam herausgezogen und radiär aus- gespannt werden; dann wäre aber doch unbegreiflich, dass sie nicht für gewöhnlich zerreissen. 4 Wenn die Zelle degenerirt, so er- hält man von den Randsäumen Degenerationsbilder beson- derer Art, die von jenen Bildern völlig abweichen, welche durch den physiologischen Verfall der Randsäume zu Stande kommen; die Rand- säume müssen mithin zuvor lebende Theile der Zelle gewesen sein. Sterben die Zellen ab, so zerfallen die Randsäume sofort; niemals zeigt einein der Degeneration etwas weiter fort- geschrittene Zelle einen Randsaum. 5. Während der multiplen Mitose der Riesenzellen verliert sich häufig die scharfe Grenze zwischen der zweiten und dritten Zone des Exoplasmas. Ist die letztere glei- cher Zeit stark radiärstreifig und ist sie aus diesem Grunde zumal bei ihrer bleibenden geringeren Färbbarkeit trotz der Verwischung der Grenzen der Lage und Ausbreitung nach noch zu erkennen, so im- ponirt sie doch unmittelbar als ein integrirender Bestand- theil des Zellkörpers. 6. In den Fällen, in denen die erste und dritte Zone des Exoplasmas nur durch die Grenzmembran dritter Ord- nung getrennt sind, würde unter Annahme einer Artefaktbildung un- erklärlich bleiben, woher die geformte Substanzmasse kommt, welche die blasige Abhebung ausfüllt. — Ich begnüge mich einstweilen mit dem bis hierher Vorgebrachten und verweise auf das weiter unten noch Folgende: die Entwicklungsgeschichte der Riesenzellen zeigt uns den Randsaum ursprünglich als einen nicht abgrenzbaren Theil eines einheitlich organisirten Plasmakörpers (siehe unter Absatz 87 und 92). 606 Martin Heidenhain: völligen Verlust des organischen Zusammenhaltes in einen Zu- stand überzugehen, der am conservirten Präparat nur mehr eine gerinnselartige Masse erkennen lässt (Fig. 62). In anderen Fällen behalten ganz offenbar die gröberen radiären Protoplasma- stränge noch lange Zeit ihre äussere Form bei, obwohl der Rand- saum im übrigen schon völlig zerfallen und der Körper der Riesenzelle durch eine neue Membran nach aussen hin abgegrenzt ist. Dann trifft man in der Cirkumferenz der Riesenzelle reich- liche gerinnselartige oder vakuolisirte Massen von sehr verschie- denem Aussehen, welche von unregelmässigen radiär gestellten Strangwerken durchsetzt sind. Ueberhaupt ist nichts häufiger, als dassman inder Umgebung der Riesenzellen auf Detritus- massen stösst, diein einer gar nicht näher defi- nirbaren Weise mit dem umgebenden Gewebe ver- backen oder verklebt sind. Die von der Zellenoberfläche abgelösten Eiweissmassen gerathen in gelöster Form in den Säfte- strom und an ihrer Stelle erscheinen im Umfange des Zellen- körpers grosse vakuolenähnliche Hohlräume oder auch freie Räume von weiter Ausdehnung. 84. Es fragt sich nun, auf welchem Wege die Randsäume von neuem entstehen, denn es ist keines- wegs anzunehmen, dass eine Zelle, welche einmal ihre dritte Zone abgestossen hat, hiermit ihre Lebensaufgabe erfüllt haben sollte. Vielmehr wird sich der nämliche Process an dem gleichen Zellen- körper des öfteren wiederholen können. Dieser Voraussetzung entspricht die Thatsache, dass man die Abstossung der Randsäume nicht .bloss an völlig ausgewachsenen, sondern auch an relativ kleinen, jugendlichen Riesenzellen beobachten kann. Es ist aber schwer aus dem Nebeneinander der Bilder des mikroskopischen Präparates auf den Process des Lebens selbst zu schliessen und ich kann deswegen die Details der Neubildung der Randsäume nicht in genauerer Weise angeben. Thatsache ist, dass die Randsäume an den verschiedenen Zellenindividuen in den allerverschiedensten Breiten entwickelt sind. Das eine Mal sind sie ganz schmal, so dass sie nur wie eine geringe Aufhellung an der Peripherie der zweiten Zone erscheinen (Fig. 51, Fig. 50 zum Theil); in anderen Fällen sind Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 607 sie ein wenig breiter (Fig. 64) und so treffen wir alle Uebergänge zu den voll entwickelten Formen. Wir werden daher kaum fehl gehen, wenn wir annehmen, dass die Randsäume auf der Ober- fläche der Riesenzellen auf Grund eines cellulären Wachsthums entstehen, so dass sie gleichsam wie ein neues Stockwerk dem Zellenkörper angesetzt werden. Da im ersten Anfange die Rand- säume oft wie eine ganz geringe Aufhellung der Mittelschicht er- scheinen, so denke ich mir, dass die am meisten peripher ge- legenen Theile der letzteren im die in Bildung begriffenen Rand- säume hineinbezogen werden. Es ist ohne Zweifel auch denk- bar (aber leider am Objekt selbst nicht controllirbar), dass wäh- rend des Wachsthums der Randsäume an ihrer Basis immer neue Theile der zweiten Zone ihr durch einen inneren Umwandlungs- process angegliedert werden. Keinesfalls aber handelt es sich bei den bisher be- sprochenen Erscheinungen um eine blosse Umwandlung der peripheren Theile der zweiten Zone, denn durch den in Ent- stehung begriffenen Randsaum wird die Zellmembran nach aussen hin verschoben, wie aus der Betrachtung der Objekte und für den Leser aus den Abbildungen ohne Weiteres hervorgeht, so dass also ganz gewiss ein Wachsthum, eine Vergrösse- rung des Zellleibes gleicher Zeit stattfinden muss. Nun treffen sich fernerhin aber noch ganz andere Bilder, welche mir deutlich zu zeigen scheinen, dass auf Grund eines gänzlich anders gearteten Processes unter Umständen die dritte Zone sich erheblich auf. Kosten der zweiten ver- grössern kann, wobei das Fortschreiten der ersteren gegen die letztere hin nicht in radiärer, sondern mehr in paratangentialer Richtung statt hat. Einen ungemein deutlichen Fall dieser Art habe ich in Fig. 71 abgebildet. In dem nach oben hin gewen- deten Theile des Zellkörpers trifft man auf eine Stelle von geringer Breitenausdehnung, an welcher die erste und dritte Zone des Exo- plasmas nur durch die hier stark hervortretende Grenzmembran dritter Ordnung von einander getrennt sind. Gehen wir von hier aus in paratangentialer Richtung nach rechts hin, so gelangen wir durch eine Art Uebergangsregion hindurch allmählich in das Gebiet der zweiten Zone. Diese letztere stellt sich in jenem eigenartigen Zustande vor, in welchem es zum Auftreten vieler heller Felder gekommen ist, die durch Züge einer dunkleren, der 608 Martin Heidenhain: ursprünglich allein vorhandenen Substanz entsprechenden Masse von einander getrennt sind. In der Uebergangsregion nehmen die helleren Felder und Fleeken an Färbbarkeit noch weiterhin ab, während die zwischen ihnen befindlichen Septen allmählich ver- schwinden, so dass wir dann schliesslich eine Substanzmasse vor uns haben, welche der Substanz der dritten Zone in ihrer reti- kulirten Form völlig ähnlich ist. Fernerhin möchte ich noch aus- drücklich darauf aufmerksam machen, dass bei dieser Gelegenheit der Umwandlung der zweiten in die dritte Zone durch seitliches Fortschreiten der letzteren, wie es scheint, wiederum ein Wachs- thum der Zelle an dem betreffenden Orte stattfindet, denn wir treffen z. B. in der Fig. 71 an jener Stelle, an welcher der be- schriebene Process im Gang ist, einen nach aussen hin vorspringen- den Buckel des Zellkörpers. — Auch Fig. 56 können wir zur Illustration des in Rede stehenden Prozesses heranziehen, wie- wohl in diesem Fall das Präparat selbst die Sache viel deutlicher zeigte als die Abbildung. Fassen wir zunächst die linke untere Eeke dieses Zellendurchschnittes ins Auge, so treffen wir dort auf die typische dreifache Gliederung des Exoplasmas, wobei alle 3 Zonen gut gegen einander begrenzt sind. Gehen wir von da nach aufwärts und um die linke obere Ecke der Zelle herum, so verschwindet zwischen Innen- und Aussenschicht die zweite Zone allmählich vollständig, so dass die Grenzmembran dritter Ord- nung jetzt als alleinige Scheidewand bestehen bleibt. An der Stelle, an weleher kurz zuvor noch die zweite Zone sichtbar war, breitet sich jetzt ein radiärfasriges Mitom aus. Auch hier war eine „Uebergangsregion“ vorhanden, innerhalb deren die dunkel gefärbte Substanz der zweiten Zone in wunder- lichen Zacken und Blättern gegen die dritte Zone hin vor- sprang. 85. Die Frage, ob derartige Randsäume, welche von der Innenschicht nur durch die Grenzmembran dritter Ordnung ge- trennt sind, ebenfalls abgestossen werden können, glaube ich be- jahen zu müssen. Hier führe ich die Fig. 62 vor, welche ent- sprechend ihrer unteren Hälfte an der Innenfläche der schon gänzlich zerfallenen Aussenschicht sich durch einen starken, glatten Con- tur begrenzt zeigt, der nur der Grenzmembran dritter Ordnung Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 609 zugehören kann. Diese ist hier offenbar im Begriff sich in die Zellmembran umzubilden. Meine Meinung geht dahin, dass die Grenzmembran dritter gerade so wie diejenige zweiter Ordnung die Fähigkeit be- sitzen, gegebenen Falls durch seitliche Verschmelzung der in ihnen enthaltenen Körner zur Zellenmembran zu werden. Jaich spreehe miehganzunbedenklichdahin aus, dass das Geheimniss der dreifachen Gliede- rungderRiesenzellenunseresTypusdaraufberuht, dass an denjenigen gekrümmten Flächen, längs deren der Zellkörper die Fähigkeit besitzt sich eventuell durch eine neue Zellmembran abzugrenzen, schon frühzeitig mit Beziehung auf jenes spätere mög- liche Geschehen gewisse besondere strukturelle Diffe- renzirungen eintreten, welche sich wesentlich durch die Ge- genwart eingliedriger, grober Mikrosomenstraten kennzeichnen. Zwischen erster und zweiter Zone des Exoplasmas ist ein solches Mikrosomenstratum ganz gewöhnlich unter der Form einer Ver- klumpungsfigur, als „Grenzmembran der dritten Ordnung“ kenntlich, während zwischen zweiter und dritter Zone allerdings sich eine körperliche Differenzirung, „Grenzmembran zweiter Ord- nung“, gewöhnlich erst bei beginnendem Zerfall des Randsaumes zu erkennen giebt; doch lagen mir auch an diesem Orte Andeu- tungen vor, dass es sich zunächst bei der Entstehung der neuen Scheidewand ebenfalls um ein Stratum grober Mikrosomen handelt. Diese gröberen Mikrosomen würden überall als in den Verlauf von Zellenfäden eingeschaltet zu denken sein. Durch ihre seit- liche Verschmelzung kommt es zu einer ächten, wahren Membran- bildung, zur Bildung der Zellmembran oder „Grenzmembran erster Ordnung“. 86. Der Leser wolle nicht denken, dass die hier von dem Leibe der Riesenzellen her beschriebenen Vorgänge der Membran- bildung auf Grund präexistirender Mikrosomenstrata auf dem weiten Felde des Zellenlebens ohne Analogie sind‘). Vielmehr läuft hier der gleiche Vorgang ab wie bei der Mitose in jenen Fällen, in denen die endgiltige Protoplasmatheilung erfolgt auf 1) Hierüber bitte ich besonders beiManille Ide nachzulesen (52). 610 Martin Heidenhain: Grund einer sogenannten „Zellenplatte“. Die Zellenplatte ist (doch nichts anderes als ein Mikrosomenstratum, wobei die Mikro- somen sich zum Theil als blosse Anschwellungen der Central- spindelfäden präsentiren. Wenn die beiden Tochterzellen sich von einander abgliedern, so würde wenigstens in einigen Fällen, — den Angaben der Autoren zu Folge, — der Process sich derart vollzieben, dass die Zellenplatte sich spaltet, so dass nun zwei Mikrosomenstrata entstehen, längs deren die Membran oder ober- flächliche Grenzsehieht der Tochterzellen sich bildet. Die Zellenplattenbildungen der genannten Art, soweit sie durch Aufschwellungen der Centralspindelfasern bedingt werden, fallen, wie leicht ersichtlich, unter den Begriff des Phänomens der ceoncentrischen Kreisfiguren, man mag sich nun auf die Seite des eimen oder des andren Poles stellen. So würde sich denn auch für die Riesenzellen eine neue Frage ergeben, ob nämlich dieden „Grenzmembranen“ entsprechenden Mikrosomen- strata als „econcentrische“ zu den Astrosphären der Centralkörpernebengruppen gehören. Diese Frage zu entscheiden kann ich mir nicht anmaassen; wenn wir aber z. B. die Abgrenzung der zweiten Zone gegen die erste hin in Rech- nung ziehen, se folgt sie im allgemeinen doch so genau der Oberfläche des Zellenkernes, dass an eine nähere Beziehung zu den nächst benachbarten Astrosphären vorläufig wohl nicht ge- dacht werden kann. h) Anhang zu vorstehendem Capitel. 1. Ueber einige Abarten der Riesenzellen. 87. Wie ich schon im Anfange dieses Abschnittes bemerkt habe, erachte ich es gelegentlich dieser cellular-histologischen Studien gewidmeten Arbeit nicht für meine Aufgabe, alle über- haupt vorkommenden Spielarten der Megakaryocyten zu be- schreiben. Ich habe hier in Ansehung meines Zweckes nur einen bestimmten Typus genauer behandelt, welcher im Exoplasma eine typische dreifache Zonenbildung erkennen lässt. Doch will ich nun, um nachfolgenden Untersuchern die Orientirung in dieser Schrift und am Objekt selbst zu erleichtern, noch einige wenige Worte über die in meinen Präparaten sonst noch enthaltenen Riesenzellenformen verlieren. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 611 Ich glaube ausser den Jugendformen und ausser den de- generirenden Zellen !), zwei Klassen, denen ich besondere kleine Absehnitte gewidmet habe, noch zweiSorten von Rhiesen- zellen unterscheiden zu müssen, nämlich erstens solche, bei denen jede eoneentrische Schiehtung im Protoplasma fehlt, und zweitens andere, bei denen die eoncentrische Gliederung dem Wesen nach wohl vorhanden, aber für das Auge des Mikrosko- pikers zunächst verhüllt ist. Riesenzellen ohne jede concentrische Glie- derung der Protoplasmamassen kommen in meinen Präparaten überall sehr reichlich vor. Die Reihe dieser Zellen fliesst aber durch ganz allmähliche Uebergangsglieder mit der Reihe der degenerirenden Zellen zusammen, welche ebenfalls in meinen Präparaten ungemein reichlich enthalten sind. Ich bin hier in der seltsamen Lage, anerkennen zu müssen, dass ich nicht weiss, wo der normale Zustand aufhört und das Absterben be- sinnt. Diese Zellen, sofern sie lebensfähig sind, entsprechen wohl genau den „megacäryocytes A protoplasma compacte* van der Strieht’s. Sie kommen gewiss in der embryonalen Leber und in der Milz noch reichlicher vor als im Knochenmarke und würden an diesen Stellen noch besser untersucht werden können. Ein srosser Theil der Abbildungen van der Strieht’s und wahr- scheinlich alle Figuren von. Kostanecki’s beziehen sich auf diese Zellen. Ihr protoplasmatischer Zellkörper bietet die histo- “logischen Charaktere des Protoplasmas der Mittelschichte der dreifach gegliederten Zellen. In Bezug auf die Centralkörper- gruppen zeigt sich kein abweichendes Verhalten. — Zellen ohne concentrische Gliederung des’ Protoplasmakörpers, bei welchen der letztere sich aus einem feinfädigen Mitom ähnlich jenem der Innenschieht zusammensetzt („megacaryocytes a protoplasma clair“ van der Stricht’s), kommen in meinen Präparaten wohl nur unter den kleineren, noch stark wachsenden Jugendformen vor. Nun wäre noch die Frage, in welchem Verhältniss jene „megacaryocytes a protoplasma compaete* zu den concentrisch ge- 1) Zu diesen letzteren gehören, wie ich vorweg bemerken will, jene Riesenzellen, die ihr Protoplasma ganz oder theilweise verloren haben, ferner die Arnold’sche Form mit stark färbbarem Kerne und reichlicheren Fragmentirungen und schliesslich noch einige Zellen, welche in totalem chromatolytischem Zerfalle begriffen sind. 612 Martin Heidenhain: gliederten Zellen stehen. Hier ist wohl nur eine Annahme über- haupt möglich, nämlich die, dass die letzterwähnten Zellformen in dem Zustande einer excessiven physiologi- schen Thätigkeit sich befinden, auf Grund deren auch erst die concentrischen Gliederungen des Zellkörpers sich produeiren, während die nicht im dieser Weise differenzirten Riesenzellen zwar in qualitativer Richtung derselben Thätigkeit ob- liegen, aber hinsichtlich ihrer quantitativen Leistung hinter den anderen zurückstehen, ja zum Theil selbst vielleicht, — phy- siologisch gesprochen, — „ruhende“ Zellen vorstellen. An dieser Stelle bin ich durchaus nicht in der Lage, irgend welche ge- naueren Aufschlüsse geben zu können und muss eine vollständige Aufklärung der physiologischen Bedeutung der einzelnen Varianten der Riesenzellen Aufgabe der Zukunft bleiben. ; Ich habe dann ferner Zellenformen gefunden, bei denen die concentrische Gliederung des Exoplasmas zwar dem Wesen nach, für den blossen Anblick aber nicht mehr vorhanden ist. Durch eine sehr weitgehende räumliche Reduktion der zweiten Zone des Exoplasmas, welche durch ihr compaectes Aussehen und ihre sehr. starke Färbbarkeit ja immer hinreichend gekennzeichnet ist, kann es nämlich dahin kommen, dass das ihr zugehörige Territorium sich auf eine oder mehrere Klumpen von kugliger, ellipsoider oder linsenförmiger Gestalt beschränkt. Skizzen soleher Zellen findet man in Figur 73, 78 und 79. Das Protoplasma dieser Zellen entspricht im übrigen der Substanz der ersten plus der dritten Zone der typisch dreifach gegliederten Zellen, d. h. es zeigt sich zusammengesetzt aus einem feinfädigen Mitom, wel- ches meist unter dem Bilde einer zarten Protoplasmakörnelung sich präsentirt!). Sind diese Einlagerungen compakter Proto- plasmamassen ellipsoid oder linsenförmig gestaltet, dann liegt der grösste Querschnitt der Masse paratangential, d. h. concentrisch zur Oberfläche des Kerns; hierin ist eine Andeutung an das Ver- halten der eoncentrisch gegliederten Zellen gegeben. Die linsen- förmigen Einlagerungen können zugeschärfte Ränder besitzen und 1) In solchen Zellen bildet mithin die Substanz der ersten und dritten Zone ein einheitliches Strukturconvolut; aus diesem Grunde allein schon kann die dritte Zone der dreifach gegliederten Zellen kein Artefakt sein (siehe Absatz 82, Anmerkung). Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 613 diese können in eine Grenzmembran übergehen, welche wohl der Grenzmembran dritter Ordnung analog ist (Aehnliches in Fig. 41 linker Hand). Von solehen Formen her finden sich alle Uebergänge zu den typisch dreifach geglie- derten Zellen. 2. Noch ein Wort über die Funktion der Megacaryocyten. 88. Ich kann mich hier auf keine weitgehende Diskussion über die Funktion der Riesenzellen einlassen und ver- weise in dieser Beziehung auf die sehr reichhaltige Literatur. Meiner Meinung nach ist die Aufnahme und Umarbeitung eiweissartiger Körper, welche aus dem Lymph- und Blutstrom entnommen werden und wieder dahin zurückkehren, die ein- zige Funktion der Megacaryocyten. Eine eigentlich so zu nennende Phagoceytose besteht nicht. Die relativ starke Zellmembran widerspricht schon der Annahme, dass der Phagocytismus eine wesentliche Aufgabe der Riesenzellen sei. Dass gelegentlich Lymphocyten in die Riesen- zellen einwandern, kommt hier nicht in Betracht !), denn auch in die Zellen der Milchdrüse, in die Belegzellen des Magens und in die Darmepithelzellen wandern gelegentlich Lymphkörperchen ein und doch liegt hier nichts weniger als eine Phagocytose vor. Van der Strieht meinte, dass die Riesenzellen die von den rothen Blutkörperchen ausgestossenen Kerne aufnehmen und zerstören ; ich glaube indessen, dass dieser sonst so sorgsame Be- obachter sich hier geirrt hat; denn ich komnte diese Erscheinung nirgends beobachten. Kleine runde Kerne, welche man hier und da in dem Leibe der Riesenzellen trifft, stammen nicht von den Erythroblasten her, sondern sie zeigen eine ge- ringe protoplasmatische Mantelschicht und führen ihre Central- körpergruppe mit sich, stellen also kleinste Leukocyten vor. Aus dem Leibe der Riesenzellen werden ferner ganzgewissniemalsLeukocyten abgegliedert; die 1) Jene massenhafte Einwanderung von Leukocyten in die Rie- senzellen, wie sie Denys abbildet, habe ich nur in einem einzigen Falle wahrnehmen können. Die von mir beobachtete Zelle entspricht etwa der Fig. 22, Tafel Ivon Denys. Es handelt sich hier wohl um abgestorbene Riesenzellen, deren Material durch eingewanderte Leuko- cyten zerstört und absorbirt wird. 614 Martin Heidenhain: kleinen Kerntheilchen, welehe sich ab und zu einmal von dem Hauptkern isoliren (siehe Absatz 53), haben niemals ein eigenes Mikrocentrum neben sich; ich wüsste also nieht wie da Lymph- zellen entstehen solltent). Bei degenerirenden Zellen kommen allerdings Bilder vor, welche sehr stark an die Fig. 10 bei Ar- nold in dessen erster Arbeit über das Knochenmark (4) erinnern. Die Läppcehen des polymorphen Kerns drängen sich in diesen Fällen in die Substanz der Mittelschicht ein, werden aber von einer Substanzlage, welche der ersten Zone zugehört, überkleidet. Da auch in der Umgebung dieser Läppchen die erste und zweite Zone des Exoplasmas von einer Grenzmembran getrennt werden, so kann diese als Zellmembran imponiren und das Ganze sieht dann so aus, als ob da Zellen abgeschnürt würden. Was die SeitederblossenBeobachtung anlangt, so glaube ich, dass da Arnold sehr genau gesehen hat. In- dessen kommen solche Bilder niemals in normalen Zellenvor und niemals haben solehe Kernläppchen ein eigenes Mikrocentrum neben sich. Diese Kern- läppcehen können sich vielleicht durch degenerative Fragmentirung schliesslich ganz abschnüren und dann würde das Bild noch täu- schender werden. Dass aber diese Riesenzellen, welche diese Bilder liefern (Arnold’sche Form) der degenerativen Reihe angehören, davon glaube ich mich ganz sicher überzeugt zu haben (siehe in dem Abschnitt über Degeneration). Die Annahme van der Stricht’s (91, p. 63), dass das Plasma der Riesenzellen gelegentlich zu einer Art bindegewebigen Retikulums aufgebraucht werde, halte ich für vollkommen ver- fehlt, denn sofern die Zellen nicht völlig degenerirt sind, lässt sich ihr Ausseneontur immer scharf und rein darstellen und in den allermeisten Fällen ist auch die Zellmembran ungemein deut- lich. Ich denke also, dass die protoplasmatische Sub- stanz der Riesenzelle zu keiner Zeit in einem or- ganischen Zusammenhange mit den bindegewe- bigen Bestandtheilen desKnochenmarks steht. Die radiären protoplasmatischen Fortsätze des Zellkörpers, welche 1) Auch van der Stricht (91; pag. 59f.), stellt durchaus in Abrede, dass auf Grund der kleinen vom Hauptkern abgelösten Theil- chen sich Leukocyten bilden könnten. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 615 nach diesem Autor mit den fasrigen Antheilen des Grundgewebes in Zusammenhang sein sollen, gehören zum Theil den Randsäumen an und über die Spitzen der Fortsätze geht die Zellmembran hinweg. Durch unvollkommenen Zerfall der radiärfasrigen Rand- säume können dann fernerhin aber, nachdem schon die Grenz- membran zweiter Ordnung sich in die Zellmembran umgewandelt hat, auf der Oberfiäche der Riesenzellen radiär gerichtete Faserbildungen zum Vorschein kommen (vgl. Werner 102; p. 365), welehe den Anschein erwecken, als gehörten sie einerseits der Riesenzelle, andrerseits den Bindegewebsbildungen zu. In dem gedachten Zustande aber sind diese Fasern bereits aus dem kör- perlichen Verbande der Riesenzellen ausgeschieden und nur mit den umgebenden Gewebebestandtheilen durch die losgestossenen Eiweissmassen verklebt (vergl. z. B. die von Demoor gegebene Abbildung Taf. I Fig. 11). Dass die durch den Zerfall der Rand- säume geschaffenen Detritusmassen eine Art Verklebung mit der Umgebung bewirken, merkt man wohl bei Isolationsversuchen: die Zellen haften oft fest an ihrer Umgebung). Die von mir den Riesenzellen zugeschriebene Stoffwechselfunk- tion möchte ich von ferne etwa mit der Glykogenfunktion der Leber- zellen in Parallele setzen. Auch dort werden Stoffe von den Zellen aufgenommen und (theilweise) in verändertem Zustande wieder abgegeben, wobei gleicher Zeit am Zellenkörper tief greifende morphologische Umwandlungen erfolgen können, wenn nämlich die Glykogenfunktion zu excessiver Höhe gesteigert wird, gerade so wie an den Riesenzellen tief greifende Umformungen statt- haben können, wenn, wie dies meine Voraussetzung ist, die spe- eifische Funktion zu einer besonderen Höhe sich steigert. Schön ausgebildete Zellen vom dreigliedrigen Typus finden sich nur im rothen Knochenmark; dieses kann künstlich durch Blutentziehungen erzeugt werden und nach einer solehen nimmt die Zahl der Riesenzellen wie auch ihre Grösse zu (Frei- 1) Die sonderbare Theorie van der Stricht’s, dass die Riesenzellen an der Erzeugung einer Art von bindegewebigem Stütz- gerüst Theil’nehmen, ist von Demoor neuerdings wieder aufgenom- men worden. Wenn die beiden Forscher sich entschliessen wollten von den Protoplasmafarbstoffen einen umfänglicheren Gebrauch zu machen, so würden sie wohl bezüglich der angeregten Differenzpunkte zu den gleichen Anschauungen kommen wie der Autor dieser Arbeit. 616 Martin Heidenhain: berg; van der Stricht). Wir haben also einen deutlichen Hinweis darauf, dass die Riesenzellen etwas mit der Blutbildung zu thun haben, und wie ich meine, haben sie einen Ein- fluss auf die Zusammensetzung des Blutplasmas (beziehungsweise des Lymphplasmas); es ist im übrigen Sache der Physiologen diese Angelegenheit weiterhin aufzuklären. Mit noch einigen Worten möchte ich mich gegen Flem- ming wenden. Dieser Autor hat sich dahin ausgesprochen, dass die Riesenzellen „Bildungsanomalien“, „abnorm herangewachsene Leukoeyten ohne besondere Funktion“ seien. Er erklärte sie für eine „abgeartete oder ausgeartete Zellenform*; diese Elemente sollen „ihre Entstehung nur den eigenartigen Stoffwechselbildungen in den wenigen Geweben verdanken, in welchen sie vorkommen“ (28; p- 292.33; p- 59). Diese Thesen sind, wie man sagen kann, nach jeder Riehtung hin unbegründet. Sollten wir etwa aus der Grösse dieser Zellen schliessen, dass sie „abnormal“ seien? Oder sollte man den Umstand geltend machen dürfen, dass eine speci- fische Funktion bisher nicht nachgewiesen war oder vielleicht auch jetzt noch nicht nachgewiesen ist? Dann wäre in der That vieles abnorm, wovon wir keine Kenntniss haben! Flemming stützt sich dann ferner besonders auf die multiplen Mitosen, welche er als atypische oder anormale bezeichnet. Nun ich denke diese Mitosen sind durchaus typisch in ihrer Art und sie halten einen gesetzmässigen Gang inne; dass die Dinge einmal anders laufen, als gewöhnlich der Fall zu sein pflegt, das ist doch nicht der geringste Grund, den Process selbst als einen atypischen zu bezeichnen. Auch das ist mir gänzlich unklar, was Flem- ming unter den „eigenartigen Stoffwechselbedingungen“ versteht, unter denen diese Zellen entstehen sollen. Es ist mir nicht be- kannt, dass wir mit diesen Stoffwechselbedingungen auf so be- sonders gutem Fusse stehen, sie so genau kennen, um sie gegen- über den Stoffwechselbedingungen in beliebigen anderen Organen als solche einer besonderen Art oder Klasse und als besonders „eigenartige“ bezeichnen zu können. Auch die weiteren stützenden Momente, welche Flemming zu Gunsten seiner These anführt und über welche ich an den eitirten Stellen nachzulesen bitte, kann ich nicht gelten lassen. Diese Zellen sind allerdings für unseren Witz vor der Hand ziemlich unerreichbar; sie aber als Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 617 unbequem einfach bei Seite zu schieben, das, meine ich, sei nicht statthaft. Nein, gerade wenn es gilt, allgemeine Anschauun- gen über den Bau der Zellen zu erwerben, müssen solche Fälle mit herangezogen werden, welche gegen unsere Neigung zu sche- matisirenden Auffassungen Zeugniss ablegen. Sollte wirklich die Natur so complieirte Gebilde ersinnen, wie es die Riesenzellen sind, nur um damit bedeutungslose Spiele zu treiben ? CGapitel X: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Riesenzellen. a) Die erste Entstehungsgeschichte. 89. Woher die Riesenzellen kommen, darüber haben neuere Untersuchungen uns einen genügenden Aufschluss gebracht. Durch van der Stricht (91; pag. 116 und 92; pag. 70 ff.) und von Kostanecki (60; pag. 332) ist nun völlig sicher gestellt wor- den, dass sie aus Leucocyten hervorgehen (vergl. auch unter Nr. 69). Dies kann ich durchaus bestätigen; es sind die grossen sessilen Formen der Lymphocyten, welche bei Ge- legenheit in Riesenzellen sich umwandeln. Das „Wie?“ dieses Vorganges ist aber doch noch nicht genügend aufgeklärt. Van der Stricht meint, dass die Leuko- eyten einmal durch Wachsthum des Kerns und des Zellleibes sich direkt in Riesenzellen umwandeln können, und zweitens, dass an den Leukocyten sieb unter Umständen pluripolare Mitosen herausbilden, welche zur Riesenzellenbildung führen, da eine Pro- toplasmatheilung hinterher ausbleibt. Von Kostanecki con- statirt die Gegenwart von Uebergangsformen zwischen Lympho- eyten und Riesenzellen, welche sich gegenüber den ersteren durch ein bedeutenderes Volumen auszeichnen. Diese Zellen sollen dann zur pluripolaren Mitose gelangen, welche, da sie nicht zur Proto- plasmatheilung führt, mit der Herausbildung einer typischen Riesenzelle endigt. Ich muss nun sagen, es ist sehr leicht, Zellen- formen zu finden, welche dem Gesammtvolumen und der Grösse des Kerns nach in rein morphologischer Hinsicht zwischen Leuko- eyten und Riesenzellen stehen. Ob aber diese Zellen durch ein direktes Wachsthum oder durch das Dazwischentreten einer multiplen Leukocyten-Mitose entstehen, das weiss ich nicht an- zugeben. Archiv f, mikrosk. Anat. Bd. 43 40 618 Martin Heidenhain: Bei Beantwortung der Frage, ob irgend eine Zelle noch als Leukoeyt oder schon als Riesenzelle zu rechnen sei, dürften bestimmte Gesichtspunkte in Betracht kommen, welehe auf den in dieser Arbeit gegebenen Grund- legungen fussen. Nachdem nämlich in Vorstehendem für die fertig gebildeten Zellen der letzteren Art die Gegenwart mehrerer Cen- tralkörpergruppen nachgewiesen wurde, deren jede meist viele Centrosomen enthält, ‚wäre es gewiss von Interesse zu wissen, ob jene Zellenformen, die sich ihrem äusseren, morphologischen Charakter nach als Uebergangsglieder zwischen der Reihe der Lymphoeyten und der Reihe der Riesenzellen darstellen, sich in den gedachten Beziehungen enger an diese oder jene anschliessen. Wie gross ist die Zahl der Mikrocentren, wie gross die Zahl der Centralkörper bei den erwähnten Uebergangsformen ? Diese Frage- stellung ist einfach genug, aber ich habe mich nieht damit ab- gegeben, diese Punkte aufzuklären; dies muss späteren Unter- suchungen vorbehalten bleiben. Es kommen, wie ich hier gleich erwähnen will, in äusserst seltenen Fällen Leukoeyten vor, welehe bei ruhendem Kerne doppelteMikrocentrenenthalten. Ich glaube nicht, dass man derartige Zellen für die ersten Entwicklungs- zustände der Riesenzellen halten darf; sie müssten sich reichlicher finden, wenn sie diese Bedeutung haben sollten. Ich halte sie vielmehr für Stadien der direkten Zellentheilung der Leukoceyten. Was es mit der Bedeutung der Amitose der Leukocyten für den Haushalt des thierischen Organismus auf sich hat, das kann man daraus entnehmen, dass ich unter Tau- senden von Lymphzellen, deren Mikrocentren scharf und deutlich gefärbt waren, doch nur etwa ein halb Dutzend Individuen ge- funden habe, welehe doppelte Mikrocentren enthielten). 1) Eine Spindelfigur konnte ich an diesen Zellen vom Kaninchen nicht wahrnehmen. Ich habe früher zwei Leukocyten vom Salamander abgebildet und besprochen (41; pag. 155, Fig. 10 u. 17), welche dop- pelte Sphären und zwischen diesen das Rudiment einer Spindelfigur zeigten. Diese Spindelfigur erklärte ich für das Analogon der Centralspindel Hermann’s und bin der Meinung, dass sich Aehnliches bei direkten Zellentheilungen noch öfters finden wird. Wenn Flemming (33; pag. 73) mit Bezug auf diese Funde sagt: „zwei positive Befunde sind allerdings besser als tausend negative“, so stimme ich dem vollkommen bei. Indessen möchte ich doch wissen, Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 619 | 90. Jugendliche Riesenzellen, welche bereits zu einer be- trächtlicheren Grösse herangewachsen sind und sich schon durch ihren Umfang allein als Riesenzellen kennzeichnen, trifft man sehr reichlich in den Schnitten durch das rothe Knochenmark. Sie verhalten sich ihrem Bau nach aber zunächst ganz abweichend, insofern nämlich anfangs Pyrenoeöl und Endo- plasma fehlen. Somit zeigt der Kern bei jugendlichen Riesen- zellen nur eine einfache Polymorphie (Fig. 37 bis 41). Da die Existenz der Centralkörper-Hauptgruppe mit dem Vorhandensein des Pyrenocöls Handin Hand geht, so kommt sie für diese Fälle in Fortfall. Dagegen findet man in der Circumferenz der Kernoberfläche, eingesenkt in die Buchtungen derselben, bei jugendlichen Riesen- zellen sehr häufig mehrfache Mikrocentren. Es ist gar nichts seltenes, dass man auf einem einzigen Durchschnitte durch eine derartige Zelle (von 3u Stärke!) drei bis vier Cen- tralkörpergruppen vorfindet (siehe die Abbildungen und deren Erklärung); diese entsprechen, wie ersichtlich, ihrer Lage nach durchaus den Centralkörper-Nebengruppen der völlig erwachsenen Riesenzellen und wie bei diesen zeigen sich in ihrer Umgebung an welcher Stelle man in der Lage ist, so viele direkte Zellenthei- lungen zu treffen, dass man mit Beziehung auf das Vorkommen der Spindelfigur tausendmal einen negativen Befund erheben kann. Was die Beobachtungen von Meves anlangt (Amitose des Kerns bei den Spermatogonien des Salamanders; 66, pag. 626 f.), so handelt es sich da um direkte Zerschnürung des Kerns. Aus diesem Grunde sind die Beobachtungen vonMeves ohne alle Beziehung zur direkten Zel- lentheilung, und wenn hier eine Spindel fehlt, wieFlemming geltend macht, so stimmt das nur vollkommen mit der Anschauung überein, welche ich von vornherein über die Sache hatte und lang und breit in der eitirten Schrift entwickelt habe. Die von Meves beschriebenen ringförmigen Sphären sind vorläufig unerklärbar; wäre die Ringform keine ganz vollständige, dann wäre ein ähnlicher Process denkbar, wie oben für die Amitose des Leukocyten-Kerns auseinander- gesetzt wurde. Bezüglich der Spindelfigur bei ruhendem Kern hebe ich übrigens noch hervor, dass Moore (68; pag. 190) in den Geschlechtszellen der Genitalleiste bei Salamanderlarven fast vollständig entwickelte Spindeln neben dem ruhenden Kerne traf. Dieser Autor ineinte, dass die Mitose sich später vervollständige; ich meine indessen, dass dies noch gar nicht ausgemacht sei: vielleicht folgt eine ami- totische Zelltheilung nach. 620 Martin Heidenhain: häufig sphärenartige Körper ausgebildet. Die Zahl der Centro- somen in den Mikrocentren wechselt; sie ist nie etwa eine so grosse, wie in den Centralkörper-Hauptgruppen der älteren Zellen. Bis zu einem Dutzend Centrosomen sind häufiger vorhanden, oft sind es nur 5 bis 6 oder noch weniger: 2 bis 3; auch verein- zelte Centrosomen, für sich allein ein Mikrocentrum repräsentirend, kommen vor. Im Anschluss an die Mikrocentren lässt sich gar nicht selten im Protoplasma eine hübsche Strahlung wahnehmen (Fig. 37); auch das Phänomen der eoneentrischen Kreise kann ab und zu einmal zur Beobachtung kommen. 91. Es ist leicht einzusehen, warum den jugendlichen Riesen- zellen der ersten Entwicklungsstadien das Endoplasma, bez. das Pyrenoecöl fehlt. | Hier muss man sich vor Augen halten, dass in die Dauer der Entwicklung dieses Zellen die multiplen Mitosen eingeschaltet sind. Hat die mitotische Figur nur einen geringen Umfang, sind nur wenige Theilungspole vorhanden, dann liegen die Spindel- spitzen, beziehungsweise die Centralkörper, alle nach auswärts. Die Centrosomen haben dann mithin von vornherein gegenüber den Chromatinmassen eine mehr periphere Stellung. Kommt es zur Ausbildung des ruhenden Kerns, dann wird diese ihre peri- phere Stellung beibehalten und der Kern als ein solider Körper zwischen die Mikrocentren eingeschaltet. Wird aber der Umfang der mitotischen Figur ein grösserer, dann sind so viele Theilungs- pole, Centrosomen, vorhanden, dass sie nicht mehr alle peripher, etwa entsprechend einer Kugeloberfläche, angeordnet sein können, sondern sie verbreiten sich in mehr gleichmässiger Art durch den gesammten Raum der karyokinetischen Figur, welche im Ganzen genommen eine kuglige oder ellipsoide Gestalt hat. Eine gewisse Summe von Centralkörpern hat dann von vornherein eine mehr centrale, andere haben eine mehr periphere Stel- lung. Wenn die Zelle zur Ruhe zurückkehrt, kommt es dann in dem Falle zur Ausbildung eines Endoplasmas, wenn nicht mehr die sämmtlichen Centralkörper während der Telokinese in centrifugaler Richtung ausweichen können. Diese Reise der mehr central gelegenen Centrosomen nach der Peripherie hin muss wohl bei grossen Ausdehnungen der mitotischen Figuren eine mecla- Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 621 nische Unmöglichkeit sein. Dann kommt es zur Ansammlung einer Centralkörper-Hauptgruppe entsprechend der Mitte des Zellen- körpers und der Kern schaltet sich in Form einer Hohlkugel zwischen dieser und den aus der Summe der mehr peripher gelegenen Centrosomen sich hervorbildenden Centralkörper-Nebengruppen ein. Es trifft sich mitunter, dass relativ kleine Riesenzellen einen Kern mit Pyrenocöl besitzen, während im Vergleich zu diesen betrachtet an Umfang grössere Zellenindividuen vorkommen, die eine Kernhöhlung noch nicht ausgebildet haben. Es gilt aber dennoch unverbrüchlich die Regel: die ersten Entwicklungsstadien derRiesenzellen haben im- mer einfach polymorphe Kerne, grosse und sehr grosse Riesenzellen haben immer ein Pyrenoeöl mit Endoplasma. Es wäre im übrigen der Fall denkbar, dass eine heranwachsende Riesenzelle bei Ablauf einer ersten multiplen Mitose ein Pyrenocöl erhält, während sie dasselbe nach Ablauf der nächsten multiplen Mitose wieder verliert. 92. Was das Protoplasma jugendlicher Riesenzellen anlangt, so gleicht es zunächst demjenigen der sessilen Leueo- cyten, aus denen sie hervorgingen, oder wir können mit dem- selben Rechte auch sagen, es ist seiner Art nach identisch mit derjenigen Sorte feinfädiger Zellsubstanz, wie sie sich in der ersten und dritten Zone des Exoplasmas ausgewachsener Riesenzellen findet. Die Ausbildung kompakter Substanzmassen, wie sie in der Mittel- schicht der älteren Zellen vorliegen, kommt erst secundär zu Stande. Man kann nun die Frage aufwerfen: wie entwickelt sich Jene typische dreifache Gliederung des Proto- plasmakörpers, welche späterhin so vielen Riesen- zellen eigen ist? Hierauf muss als Allernächstes die Be- merkung eingeschaltet werden, dass von einer continuir- lichen Entwicklung der drei Zonen nicht die Rede sein kann, denn für die Zeit der interkurrenten multiplen Mi- tosen, welche jedesfalls gar nicht selten stattfinden, wird die typi- sche Dreigliederung jedesmal ganz oder fast ganz aufgehoben; nur die Randsäume können unter der Form einer meist nicht deutlich abgesetzten peripheren, radiärstreifigen Region des Zellleibes unterscheidbar sein. Auf dem Territorium des Endo- plasmas, sowie der Innen- und Mittelschicht des Exoplasmas breitet 622 Martin Heidenhain: sich die karyokinetische Figur aus und die Färbbarkeit der Proto- plasmamassen ist auf diesem Gebiete, wenn man von den hübsch hervortretenden Spindelfiguren absieht, eine wesentlich gleich- artige. Die Dreigliederung des Zellleibes ist mithin verschwun- den und stellt sich nach Ablauf jeder Mitose von neuem her. Bei jugendlichen Riesenzellen des Ruhestadiums finden sich nun sehr häufig Ansätze, sozusagen unvollkommene Versuehe zur Differenzirung des Protoplasmas im Sinne des Typus der dreigliedrigen Riesenzellen. Hierbei tritt nun die Mittelschicht in manchen Fällen so auf, dass dadurch der Rand- saum und die Innenschicht zugleich nach aussen und nach innen hin abgegliedert werden (Fig. 41 linker Hand). Hier zeigt sich von neuem, wie schon oben betont wurde, dass die Randsäume natürliche Bildungen sind, denn sie bestehen, um es so auszudrücken, implicite schon in der undifferenzirten Zelle als periphere Theile des Zellenkörpers und kommen als solche zur Erscheinung, wenn die Mittelschichte in ihrer natürlichen Lage auftritt (vergl. unter Absatz 82 Anmerkung). Mitunter habe ich die Mittelschichte bei jugendlichen Riesenzellen dem Kern direkt aufgelagert gefunden, so dass eine erste Zone fehlte (ähn- lieh auch in Fig. 59, wo die Innenschichte enorm schmal ist). Danach möchte es fast scheinen, als ob der Kern irgend etwas mit der Ausbildung jener dichtgefügten Substanzmassen zu thun hätte. Ferner ist sehr gewöhnlich bei jugendlichen Riesenzellen der ja auch späterhin nicht selten vorkommende Fall, dass die Substanz der Mittelschiehte zunächst unter der Form kugliger oder ellipsoider Körper im Protoplasma des Zellleibes auftritt (Fig. 39 und 40). — Dies sind nun leider alle Daten, welche ich bisher meinen Präparaten bezüglich des ersten Auftretens der Mittelschichte entnommen habe. b) Mitosen der Riesenzellen. 93. Mit den mitotischen Figuren der Riesenzellen habe ich mich nur wenig beschäftigt und zwar lediglich aus dem Grunde, weil dieselben in neuerer Zeit ja in eingehender Weise von verschiedenen Autoren (van der Stricht, von Kosta- necki) behandelt worden sind. Ich konnte dies Kapitel aber nicht ganz bei Seite lassen, weil ich zum Verständniss des Auf- baus der ruhenden Zellen einer persönlichen Einsicht in den Gegen- Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 623 stand bedurfte. Einiges über die mitotischen Erscheinungen an den Riesenzellen habe ich bereits in den voraufgehenden Kapiteln berichtet und an dieser Stelle bleibt mir nur noch übrig, einige wenige Punkte nachzuholen. Zunächst habe ich zu bemerken, dass in meinen Präpa- raten vom Kaninchenmarke die Mitosen der Riesenzellen an keiner Stelle über das Stadium der Muttersternfigur oder dasjenige der Metakinese hinausgehen). Die Mi- tose wird alsdann rückläufig und es kommt sogleich zur Ausbil- dung des Ruhekernes. Die schönen multiplen Tochtersternfiguren, wie sie Demarbaix, Denys, van der Stricht und von Ko- stanecki abbilden, habe ich in keinem Falle finden können. Hier scheinen meine Beobachtungen ungenau zu sein, allein ich versichere auf das Allerbestimmteste, dass ich in vielen Fällen Uebergangsstadien zwischen den mittleren Stadien der Mitose (Muttersternfigur, vielleicht auch Metakinese) und den Formen eines einheitlichen (anaphatischen) Knäuels habe beobachten können, wobei alsdann das Stadium der multiplen, chromatischen Tochter- sternchen ausgeschaltet wurde. Damit meine ich nun natürlich keineswegs, dass dieser abgekürzte Process immer stattfinden müsse; vielmehr entspricht dies nur meinen fragmentarischen Be- obaehtungen über die multiple Mitose der Riesenzellen, dass mir solehe Zellen nicht zu Gesicht kamen, in denen thatsächlich das multiple Dyasteren-Stadium erreicht wurde. Man muss sich die Angelegenheit dahin erklären, dass die Mitose, da es doch ein- mal zur Protoplasmatheilung nicht kommt, bald ein wenig früher, bald ein wenig später zum Stillstand kommt. Dies thut dem durchaus gesetzmässigen Charakter dieser Vorgänge im übri- gen durchaus keinen Eintrag und von Lebensvorgängen, welche in ihrem Gange atypisch ablaufen, kann durchaus nicht die Rede sein. Van der Stricht (92, pag. 77 f.) hat übrigens schon bei der Seltenheit der multiplen Tochtersternfiguren in der embryonalen Leber die Möglichkeit in Erwägung gezogen, dass die Mitosen, 1) Reinke (79, pag. 13) sagt von den Riesenzellen in der Milz der weissen Maus: „Niemals finde ich richtige Tochterfiguren, so dass ich glaube, dass es an diesen Zellen gar nicht zur richtigen mitotischen Theilung kommt“. Dagegen konnte Reinke zahlreiche Knäuel- und Sternfiguren beobachten. 624 Martin Heidenhain: schon bevor sie das genannte Stadium erreicht haben, zur Ruhe zurückkehren. Die von mir gesehene Serie karyokinetischer Fi- guren der Riesenzellen entspricht genau den in der eitirten Ab- handlung van der Stricht’s gegebenen Abbildungen!), wenn man hierbei Fig. 85 (multiple chromatische Tochtersterne) in Ab- rechnung bringt. 94. Die Bedeutung der multiplen Mitose liegt wohl darin, dass an diesen Process gewisse Wachsthumsvorgänge der Zellen obligatorisch geknüpft sind, welche ohne die Erscheinung der Mitose überhaupt nicht stattfin- den können?). Wie dies zu verstehen sei, ist leicht einzusehen ; es kann nämlich, um ein Beispiel zu wählen, eine Riesenzelle, welche vier Radiärsysteme (Miecrocentren) besitzt, nicht durch einfaches Wachsthum in eine Zelle mit sechs Radiärsystemen übergehen. Da eine Theilung der Centralkörpergruppen bei ruhen- dem Kerne an den Riesenzellen nach meinen Beobachtungen nicht statt hat, so bleibt nur der Umweg über die Mitose übrig: die Centralkörper zerstreuen sich und sammeln sich schliesslich wie- der zu einer grösseren Anzahl von Gruppen, als vordem vor- handen waren. Hierbei nimmt gleicher Zeit die Zahl der Cen- tralkörper zu®). Ich bin der Meinung, dass erst mit und durch die Theilung der Centralkörper, mit und durch die Zunahme der Zahl der Radiärsysteme der Zelle das weitere Grössenwachsthum, die Vermehrung der filaren Masse statt haben kann. Auf der 1) Die prophatischen Knäuel, so wie ich sie sehe, stimmen im übrigen mit den Abbildungen von Kostanecki’s geftayer überein als mit denen van der Stricht’s. 2) Eine rückläufige Mitose findet nach Selenka im Ei (!) von Thysanozoon Diesingii statt. Vor der Bildung der Richtungs- körper entsteht eine Spindel und ein chromatischer Mutterstern. Es bilden sich die Tochtersterne, allein es findet keine Zelltheilung statt, sondern aus der Karyokinese geht schliesslich wieder ein ruhender Kern hervor. Hieraus ersieht man, dass rückläufige Mito- sen nicht schlechtwegabnormale zu sein brauchen, son- derndass sie mit den normalenEntwicklungs-und Wachs- thumsvorgängen etwas zu thun haben können! 3) Ob wie bei den Leukocyten auch bei den Riesenzellen eine Vermehrung der Centralkörper während der Zellenruhe stattfinden kann, konnte ich nicht ermitteln. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 625 anderen Seite muss wahrscheinlich auch für den Kern angenommen werden, dass gewisse Vorgänge des Wachsthums und der Assi- milation nur während des mitotischen Processes stattfinden können und dies wäre dann ein zweiter Grund für das Vorkommen der multiplen Mitosen an den Riesenzellen. Dass es zu einer Protoplasmatheilung in direktem Anschluss an die Mitose nicht kommt, scheint eine mechanische Unmöglich- keit auf Grund der abweichenden und höchst eomplexen Proto- plasmastruktur dieser Zellen zu sein. Daher glaube ich, dass van der Stricht ganz Recht hat, wenn er für den hier vorliegen- den Fall die direkte Zellentheilung als das „Complement“ der Mitose bezeichnet. Die Regeneration der Riesenzellen findet mit- hin in der Weise statt, dass sie einmal von dem ursprünglichen Mutterboden, den Leukocyten her, durch Nachschub ergänzt wer- den und dass sie zweitens sich aus sich selbst heraus durch das Dazwischentreten der combinirten Mitose und Amitose regeneriren!). ec) Amitose der Riesenzellen. 9. Werner (102; pag. 369ff.) hat glaube ich zuerst das Vorkommen einer einfachen Zweitheilung der Riesenzellen bekannt gemacht. Die Einsprüche Demarbaix’s (23; pag. 45) können seit den Arbeiten der neueren Autoren als widerlegt gelten. Meine Befunde an den Riesenzellen des Knochenmarkes vom Kaninchen stimmen am besten mit denen van der Stricht’s überein (92; pag. 75ff... Nur habe ich niemals simultane Zer- legung der Riesenzellen in drei und vier Tochterindividuen ge- sehen. Aus von Kostanecki’s Schilderung (Riesenzellen der embryonalen Leber) muss ich entnehmen (60; pag. 342), dass nach dieses Autors Meinung sich zuerst der Kern ‚in zwei oder mehrere gleiche oder aber verschieden grosse Kerngruppen“ zer- legt und die Einschnürung des Zellleibes nachfolgt. An meinem Objekte dagegen stellt sich die Sache so dar, als ob der Vorgang der direkten Zerlegung der Zelle allemal am Protoplasma be- ginnt oder wenigstens müsste ich mich dahin äussern, dass die Veränderungen am Zellleib mit denen des Kerns Hand in Hand 1) Ich füge hinzu, dass wahrscheinlich nicht nach jeder Riesen- zellen-Mitose eine Amitose nachfolgt; im anderen Falle würde es wohl schwerlich zur Ausbildung so kolossaler Zellenleiber kommen, wie wir sie thatsächlich in den Megacaryocyten häufig genug vor uns haben. 626 Martin Heidenhain: sehen. Da können wohl an verschiedenen Orten und bei verschie- denen Geschöpfen mannigfache Modifikationen der Amitose vor- kommen. Dievonmirbeobachteten Bilderderdirekten Zellen- theilung lassen sichtypischinzweiKlassen sondern. Ein- mal findet man Riesenzellen, welche sammt ihrem Kern stark in die Länge gezogen sind und mehr oder weniger hochgradige Ein- schnürungen des Zellleibes zeigen. Sind die Einschnürungen von bedeutender Tiefe, so haben diese Zellen eine veritable Bisquit- oder Semmelform (Fig. 80). In diesen nach einer Richtung hin stark verlängerten Zellen zeigt sich, was als ein wesentlich neuer Befund anzumerken wäre, die Centralkörper-Hauptgruppe zu einer bandartigen Form ausgezogen (auch in Fig. 74). Bei einer zweiten Klasse von Bildern der Amitose ist die Verlängerung des Zellkörpers nicht so erheblich und die Ein- furehung, welche zur Zweitheilung führt, erinnert ihren rein äusserlichen Verhältnissen nach etwa an die erste Furchung eines Amphibieneies: die Gesammtform der Mutterzelle wird ungefähr gewahrt und die Zweitheilung beginnt mit einer mehr spalt- artigen Einsenkung, welche wohl immer einerseits an der Zelle beginnt und erst späterhin um den ganzen Umfang derselben fortschreitet. Man findet häufig Zellen, bei denen einerseits ein scharfer Einschnitt durch das Zellenprotoplasma hindureh bis auf (die Oberfläche des Kerns hinabreicht. Diesen Einsenkungen folgt die Zellenmembran, so dass in den letztgedachten Fällen Kern- membran und Zellenmembran einander zu berühren scheinen. Ich glaube, dass diese von mir gesehenen verschiedenartigen Bilder der Amitose genau den von van der Stricht bezüglich der direkten Theilungen der Riesenzellen der embryonalen Leber beigebrachten Unterscheidungen entsprechen. Dieser Autor spricht von direkten Theilungen „par simple etranglement“ und „par formation d’une plaque cellulaire“. Die vorhin als direkte Theilungen einer zweiten Klasse bezeichneten Bilder würden nach van der Stricht Theilungen auf Grund der Bildung einer „Zel- lenplatte‘‘ sein. Was es nun mit dieser „Zellenplatte‘“ auf sich habe, das weiss ich nicht zu sagen. Es ist aber sehr wohl möglich, dass der weitere Verlauf einer solchen Theilung an das Auftreten eines Mikrosomenstratums entsprechend der Trennungsebene der Zellen gebunden ist und dass die Membranbildungen, die an den frei- Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 627 gewordenen Trennungsflächen der Tochterzellen sich finden, von einem derartigen Mikrosomenstratum herstammen, beziehungsweise auf dessen Grundlage entstanden sind (siehe Absatz 85 und 86). Haben wir doch normale nicht in Theilung begriffene Zellen, bei welchen die Grenzmembran dritter Ordnung (Fig. 56), die ja einem Mikrosomenstratum entspricht, gleichsam — freilich nur in unvoll- kommener Weise — den Weg vorzeichnet, auf welchem später- hin einmal eine Durchtheilung der Zelle zu Stande kommen kann, insofern sie sich nämlich bei Zellen der gedachten Art durch die perforirenden Spalten des Kernes hindurch in transversaler Rich- tung in das Endoplasma hinein erstreckt. Diese letztere Form der Amitose („par plaque cellulaire“ im Sinne van der Stricht’s) führt zur Bildung von Zellen- paaren, welche einander mit breiten Flächen be- rühren und sich „spiegelbildlieh“ verhalten. Werner schon hat das Vorkommen von Zellenpaaren auf Grund einer einfachen Zwei- theilung der Riesenzellen erklärt, und ich muss ihm hierin Recht geben. Demarbaix’s Gegengründe sind keineswegs stichhaltig. Von einer zufälligen Zusammenlagerung zweier gleichgebauter Zellen kann hier nicht die Rede sein; denn wenn es sich um Zellen von dem dreigliedrigen Typus handelt, dessen Durchbildung bei den einzelnen Individuen ja in ausserordentlicher Weise varürt, dann würde das wohl ein sonderbarer Zufall sein, welcher uns zwei Zellen von gleicher Grösse und gleicher Schichtung, von gleichem Bau des Kerns und schliesslich auch gleicher Lage und Grösse der Centralkörper-Hauptgruppe in unmittelbarer Anein- anderlagerung zeigt, wobei noch die besondere Bedingung des spiegelbildlichen Verhaltens hinzutritt. Solche Riesenzellen-Zwil- linge können nur durch direkte Theilung kurz zuvor entstanden sein. Die Entwicklung beider Tochterzellen nimmt dann gewiss ganz gewöhnlich rasch eine divergirende Richtung, so dass in der That die meisten Zellenpaare oder Zellenhaufen, welche man vor- findet, sehr verschiedenartig gebaute Individuen enthalten können. Die direkten Theilungen durch einfache Einschnürung (Fig. 80) scheinen öfters ungleich grosse Theilstücke zu liefern. Da sich viele ähnliche Theilungsbilder in abnormalem, verändertem, ja direkt abgestorbenem Zustande vorfinden, so ist mir die „Vitalität“ dieser Formen einigermassen verdächtig. Hier müssten noch genaue Untersuchungen angestellt werden mit dem Zwecke 628 Martin Heidenhain: klar zu legen, was wir hier unter die Rubrik der „degenerativen Theilungen“ rechnen müssen und was als normale Amitose gelten darf. Gapitel XI: Degenerationserscheinungen an den Riesenzellen. a) Einleitendes. 96. Mit den morphologischen Erscheinungen, welche der Zellentod zu Wege bringt, habe ich mich schon öfters beschäftigt. Es kommen eigentlich überall in normalen Geweben degenerirende Zellen vor, Zellen, welche absterben und neuen Elementen Platz machen. So allgemein nun die Formen des Zellersatzes bekannt sind, so wenig bekannt sind den meisten Mikroskopikern die For- men des natürlichen Zellentodes. Meines Erachtens nach hat jeder Autor, der Zellenstrukturen untersucht und schildert, die Aufgabe nachzuweisen, dass er in der Lage war, die, wie gesagt, fast über- all vorkommenden sterbenden Zellen von normalen Elementenunterscheidenzukönnen. In diesem Sinne habe ich selbst gehandelt, wenn ich früheren Arbeiten cellular- histologischen Inhaltes Mittheilungen über celluläre Degenerationen beigefügt habe. Ich beabsichtige auch hier wiederum ganz in kurzem zu zeigen, dass ich normale, lebensfähige Individuen und sterbende Zellen bei meinen Untersuchungen streng auseinander gehalten habe. Freilich habe ich oben schon betont, dass ich bei gewissen Arten von Riesenzellen im Zweifel geblieben bin, ob sie noch lebensfähig oder schon dem Tode verfallen seien. Indessen ist es ja von vornherein klar, dass absterbende Zellen nicht sogleich tiefgreifende morphologische Veränderungen zeigen können, sondern dass diese erst allmählich auftreten werden; so müssen sich denn in morphologischer Rücksicht Uebergangsformen vom normalen zum krankhaft veränderten Zustande finden, für welche nicht be- stimmt versichert werden kann, ob sie noch einer Erholung fähig oder der fortschreitenden Senescenz verfallen sind. Der in Rede stehende Typus der Riesenzellen umfasst. eine Reihe von Individuen mit kompaktem, stark färbbarem Proto- plasma, welches seinem histologischen Charakter nach dem Proto- plasma der Mittelschicht der dreifach gegliederten Zellen entspricht. Die Randsäume fehlen vollkommen; sie sind niemals an diesen Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 629 Zellen aufzufinden. Für einige Fälle konnte festgestellt werden, dass die Randsäume degeneriren, wenn die Zelle abstirbt, so dass auf alle Fälle, ob nun die Zelle bloss in eine physiolo- gische Ruhelage (absoluter oder relativer Natur) übergeht oder ob senile Veränderungen Platz greifen, jedesmal zunächst der Zellen- körper sich entsprechend der Oberfläche der Mittelschicht durch eine neue Zellmembran abgrenzt. Die kompakte Protoplasma- masse solcher Zellen lässt mitunter auf feinen Querschnitten schlierenartige, mehr oder weniger deutliche eoncentrische Linien erkennen, welche wohl von einem Undeutlichwerden der Grenze der ersten und zweiten Zone des Exoplasmas herrühren. b) Erste Periode der cellulären Degeneration. 9%. Wird die Senescenz der Riesenzellen völlig offenbar, dann zeigen sich eine Reihe charakteristischer degenerativer Er- scheinungen, welche ich in Folgendem der Reihe nach aufzähle. 1. Der Protoplasmakörper verliert gegenüber dem Gewebedruck jede Widerstandsfähigkeit. In Folge dessen wird die Gestalt des Zellenkörpers oft eine ganz unförmliche. Liegen die Riesenzellen in Gefässräumen, so ist ein gewöhnlicher Fall der, dass die Protoplasmamasse in der Rich- tung des geringsten Widerstandes, d. h. in der Bahn des Gefässes ausfliesst, so dass nun ein Theil des Gefässes, man könnte fast sagen, von Riesenzellenplasma injieirt ist. Auch sonst sieht man häufig, dass der Körper der Riesenzellen sich in die benachbarten Gewebelücken hineindrängt, während doch für gewöhnlich, der Norm nach, die äusseren Gestaltungsverhältnisse dieser Zellen viel mehr selbständiger Natur sind. Man hat im allgemeinen bisher viel zu wenig beachtet, dass die Festigkeit oder Widerstandsfähigkeit deslebenden Protoplasmaseine Haupteigenschaft desselben vorstellt. Wenn wirklich das Protoplasma nur die Festigkeit einer Gallerte hätte oder von schleimiger Consi- stenz oder gar flüssig wäre, dann würden bei jeder Gelegenheit, z. B. bei Stoss, Druck und Zug an den Hautflächen die nächst- betroffenen Zellen (d. h. jedes Mal Millionen) ihrer Struktur nach zerstört werden. Wenn wir aufrecht stehen, so würden wir durch die Last unseres Körpers die „embryonalen“ Zellen des Rete Malpighi in der Fusssohle zu Brei zermalmen, wenn nicht eben 630 Martin Heidenhain: die Widerstandsfähigkeit dieser Elemente eine ganz ausgezeich- nete wäre. Es verlohnte sich wirklich, einmal ein frisch ausge- schnittenes Stück Haut mit den Füssen zu treten oder besser mit Gewichten zu belasten und hinterher nach Regeln der Zellen- histologie zu verarbeiten, um zu sehen, was es da für Verände- rungen giebt. . Hat man in guten mikroskopischen Präparaten auf die ster- benden Zellen Acht, so wird ıman leicht die Wahrnehmung machen, dass zunächst auch die natürliche Standfestigkeit (Struktur- oder architektonische Festigkeit) des Protoplasmas leidet. So werden z. B. senile Epithelzellen durch den Seitendruck der Nachbar- zellen deformirt. Hier, bei den Riesenzellen, ist eine der zuerst wahrnehmbaren Erscheinungen der cellulären Degeneration, dass die selbständige Form verloren geht und der Zellenkörper den gerade eben zufällig in der Umgebung herrschenden Druckver- hältnissen nachgiebt. Späterhin zeigen sich dann auch am Proto- plasma Entartungserscheinungen, welche aber in histologischer Beziehung ein sehr geringes Interesse haben und die ich darum nicht näher beschreiben will; es handelt sich um das Auftreten stark färbbarer Granula oder auch um Bildung vakuolenähnlicher Räume und Aehnliches. 2. Was den Kern angeht, so nimmt sein Ge- sammtvolumen ab. Er wird kleiner. Da die Gestalt des Kerns mit allen seinen Lappungen hierbei zunächst sehr gut er- halten bleibt, so erscheint das Bild des Kerns, weil auf engerem Raume zusammengedrängt, complieirter als zuvor. Zwei Hohlkugelkerne von gleichem Volumen, von denen der eine einer normalen, der andere einer im Beginn der cellulären Degenera- tion stehenden Zelle angehört, unterscheiden sich mithin schon äusserlich dadurch, dass die Polymorphie des degenerirenden Kernes eine grössere ist. Diese degenerirenden Kernformen sind genauer von Arnold beobachtet worden, welcher sie für das erste Stadium seiner indirekten Fragmentirung in Anspruch nimmt. Indessen hat schon Denys darauf hingewiesen, dass die Zunahme der Complexität der Kermform keine absolute, sondern nur eine relative, eine durch die Volumensverminderung der gesammten Kernmasse indirekt vermittelte sei. Zu gleicher Zeit werden häufig kleine Kernbläschen von dem Hauptkern abgesehnürt; dies Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 631 ist eine degenerative Kernfragmentirung, welche keinesfalls etwas mit der Zellvermehrung zu thun hat. Was den Kerninhalt anlangt, so nimmt die färbbare Sub- stanz desselben zunächst nicht ab. Vielmehr, da die nämliche färbbare Masse nunmehr auf engerem Raume zusammengeordnet ist, so erscheint der Kern häufig im Ganzen stärker färbbar als zuvor. Dies lässt sich nicht überall mit der gleichen Deut- lichkeit zeigen, ist aber in sehr vielen Fällen an den mit Bion- di’scher Lösung behandelten Präparaten deutlich zu sehen. Wir haben also nicht eine absolute, sondern nur eine relative Ver- mehrung der chromatischen Substanz, nämlich gerechnet im Ver- hältniss zum Volumen des Kerns. Im übrigen scheint aber für eine Reihe von Fällen die Affinität des Kerninhaltes für Farb- körper auch an sich zu steigen. Diese absolute Zunahme der Färbbarkeit betrifft aber keineswegs das Chromatin der Autoren (Basichromatin), sondern ausschliesslich das von mir sogenannte Lanthanin (Oxychromatin). Das Chromatin (Basichromatin) wird nun fernerhin kernwandständig, während das Lanthanin und die Nukleolen im Innern des Kernraumes verbleiben, d. h. mit anderen Worten, es bildet sich jetzt der für die Chromatolyse der Kerne typische Zustand heraus, welcher wohl nach seiner Entdeckung durch Flemming und Nissen durch mich am genauesten be- schrieben wurde (39, pag. 74 d.S.-A.). Dadurch, dass, wie beschrieben wurde, der Kern sich im Ganzen verkleinert, nimmt auch der Umfang des Pyrenoeöls ab. Es scheint, als ob hierbei der Kern einen Druck auf das Endo- plasma ausübt. Ich kann mir nämlich nur auf diese Weise er- klären, dass bei degenerirenden Zellen im ersten Stadium gar nicht selten die Centralkörper-Hauptgruppe, wie übri- gens schon erwähnt wurde, durch einen der perforirenden Kanäle hindurchschlüpft und in das Exoplasma hinein zu liegen kommt (Fig. 77). Dieser Zustand ist durchaus anormal und be- weist für sich allein den degenerativen Zustand der in Rede ste- henden Zellen. e) Zweite Periode der cellulären Degeneration. 98. Der weitere Verlauf der cellulären Degeneration führt zu ungemein charakteristischen Bildungen, welche schon von vielen Autoren gesehen, oft aber ‚nicht richtig gedeutet worden sind, 632 Martin Heidenhain: Es laufen da zwei Processe neben einander her. Einmal sinkt der Kern immer mehr und mehr auf ein kleineres Vo- lumen zusammen und zweitens nimmt die Masse des Pro- toplasmas nach und nach an Mengeab, so dass letzteres in vielen Fällen schliesslich ganz oder wenigstens grössten Theils verschwindet. So kommt es dann zur Bildung von „Riesenkernen“, welche ihres Protoplasmas ganz oder fast ganz beraubt sind. Mitunter freilieh können sich noch gewisse Antheile des Zellleibes als zu- sammengeflossene, conglutinirte Massen bis zum letzten Augen- blicke erhalten. Van der Stricht hält diese Zellen, an denen das Protoplasma schwindet, für normal; dass dies nicht sein kann, folgt allein schon aus dem chromatolytischen Zustand der Kerne. Ich folge vielmehr der Meinung Demarbaix’s und erkläre, dass es sich um sehr weit fortgeschrittene Zu- stände der cellulären Degeneration handelt. Wie diese meist kugligen, protoplasmafreien oder proto- plasmaarmen Kerne entstehen, das ist, so weit ich die Literatur kenne, noch nicht genügend klargelegt worden. Der Vorgang ist auch schwierig zu beschreiben und ich bin in der Lage, einen etwas fremdartig aussehenden Vergleich herbeiziehen zu müssen, um den Process kurz und drastisch zu beschreiben. Wir wollen einmal annehmen, wir hätten einen normalen, polymorphen Hohlkugelkern in plastischem Thone etwa in der Grösse einer Billardkugel nachgebildet. Wenn wir nun dieses weiche Material auf die eine Handfläche legten und mit der an- deren unter drehenden Bewegungen die Masse von allen Seiten her gleichmässig eindrückten, so dass das Pyrenoeöl, die perforirenden Kanäle sammt allen Einfurchungen der Oberfläche durch glattes An- einanderlegen der begrenzenden Wandtheile allmählich verstreichen, dann hätten wir nun in der endlich resultirenden soliden kugligen Bildung das Modell eines protoplasmafreien Riesenkernes. Hätten wir vor diesem Experimente die gesammte innere und äussere Oberfläche des Hohlkugelkernes mit Farbe angestrichen, dann würden wir hinterher auf einem Durchschnitte durch jene solide Kugel ein Netz gefärbter Adern erblicken. Diese am Objekt selbst überall leicht wahrnehmbaren gefärbten Netze entsprechen nun durchaus nieht den Chromatingerüsten der ruhenden Kerne, vielmehr hat man da den optischen Durchschnitt Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 633 durch den ehromatischen Wandbelag der Kernmembran, welche ja entsprechend der vorherigen normalen Form des Kerns jetzt — dem Anscheine nach — den Binnenraum der degenerirenden Kernfigur durchziehen muss. Da die perforirenden Kanäle und Spalten beim normalen Kern annähernd radiär verlaufen, da ja auch die oberflächlichen Einfurehungen gegen die Tiefe, gegen das Centrum des Hohlkugelkerns gerichtet sind, so müssen nach dem Verstreichen der Spalten und Hohlräume jene scheinbaren Chromatinbalken, welche dem kernwandständigen Chro- matin entsprechen, annähernd radiär gegen die Mitte der dege- nerirenden Kernfigur hin verlaufen. So hat ganz richtig van der Stricht die Sache gezeichnet, ohne indessen von dem Process selbst Kenntniss zu haben (91; Taf. XI Fig. 73 bis 75). Nach dieser schematisirenden Beschreibung will ich mich weiterhin in einem wesentlichen Punkte korrigiren. Die Spalten und Hohlräume der normalen Kernfigur verstreichen meines Wis- sens niemals vollständig und eine geringe Substanzmasse bleibt in ihnen erhalten. Aus diesem Grunde hat man nur, wenn schlecht gefärbt wird, auf dem Durchschnitte das Bild einfacher chro- matischer Balken; wird bei Anwendung regressiver Methoden stark differenzirt, so erhält man das Bild chromatischer Doppelbalken, welche den optischen Durchschnitten parallel laufender Flächen der Kernmembran entsprechen. Van der Stricht hatte überfärbte Präparate, als er in diesen degeneri- renden Kernen durchgängig nur ein Netz einfacher Fäden ab- bildete; hier waren Verklumpungen der eingefalzten Membran- abschnitte eingetreten. Besser in dieser Beziehung, obwohl sonst nicht recht charakteristisch, sind die Abbildungen De- marbaix’s. da Divitte; Beriodender gellulären Degeneration. 99. Die Degeneration der Megacaryocyten endet mit dem völligen chromatolytischen Zerfall des Kerns. Man findet dann, und zwar häufig im rothen Knochenmarke, Ansammlungen basichromatisch sieh färbender Trümmer, welche zwischen anderen m Biondi’scher Lösung roth sich färbenden Ueberresten eingelagert sind; letztere enthalten zugleich das Lan- thanin, das Pyrenin der Nukleolen und die etwa noch vorhan- denen Ueberbleibsel der protoplasmatischen Substanz. Es ist Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 41 634 Martin Heidenhain: nicht von Interesse, diese Trümmerhaufen näher zu beschreiben. Werner, Cornil und Demarbaix haben sie gesehen. Letzterer hat ganz hübsche, bezeiehnende Abbildungen geliefert, welche mich der Mühe überheben, diese Dinge noch einmal zu illustriren. Theoretischer Theil. Capitel XII: Was hat man unter einem Centralkörper zu verstehen?! 100. Es sollte kaum nöthig sein, über den Central- körperbegriff zu schreiben, allen Brauer hat sehr Recht, wenn er sich dahin ausspricht, dass unter der Bezeichnung Cen- tralkörper verschiedene Dinge verstanden werden, ja es ist dies in noch viel höherem Maasse der Fall, als Brauer selbst annimmt. Wenn hier davon die Rede sein soll, was ein Centralkörper ist oder was man darunter zu verstehen habe, so bemerke ich zunächst, dass Niemand das Recht hat, die Centralkörperchen, Polkörperchen oder Centrosomen, — wir wollen diese drei Be- zeichnungen als identische nehmen, — mit dem Archoplasma zusammenzuwerfen, wie das einige Autoren, z.B. K. W. Zimmer- mann, thun. Denn Boveri, der den Archoplasmabegriff ein- geführt hat, hat selber streng zwischen Archoplasma und Cen- trosomen unterschieden. Es ist aber durchaus nicht thunlich, die Grenzen ganz bestimmter Begriffe gegen einander zu verwischen und undeutlich zu machen. Wir verdanken van Beneden die Entdeckung der Cen- tralkörper und da die neueren Untersuchungen ihren Ausgang von dem Askarisei genommen haben, so schlagen wir zunächst van Beneden’s Hauptwerk die „Recherches sur la maturation et la fecondation ete.* (12; pag. 332) nach, um zu sehen, was der Autor dieser Dinge unter einem Central- oder Polkörperchen verstanden wissen will. Da finden wir nun folgenden Passus: „Au centre de chacune des spheres se voit un globule (!) ou un groupe de globules (!) differeneics, auquels je conserve le nom de „corpuscules polaires*. Dann heisst es weiter in den „Nouvelles recherches ete.* (13; pag. 50 f.): „Ce corpuseule (nämlich das Polkörperchen) est form& iei par un amas de granu- Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 635 lations“ (!!). In beiden Fällen ist die Beschreibung des Polkör- perchens von der Muttersternfigur des im seine erste Theilung eintretenden Askariseies hergenommen. Wenn nun van Beneden in seiner neueren Schrift das Polkörperchen einen Körnehenhaufen nennt und schon in dem eitirten früheren Werke angiebt, dass der Centralkörper auch im sich zusammengesetzt sein könne (un groupe de globules), so er- giebt sich hieraus eine Rechtsfrage, nämlich die Frage, mit welchem Rechte die späteren Autoren, unter anderen auch ich selbst, unter den Central- oder Polkörperchen Dinge verstanden haben, die morphologisch nicht mehr theilbar sind. Wenn ich nachgewiesen habe, dass beim Lymphocyten 2, 5, auch 4 unter sich ihrem Schicksale nach gleichwerthige, stark färbbare Kügelchen im Centrum der Astrosphäre vorhanden sind, die ich Centralkörper nannte, so konnte es ja doch auch mög- lich sein, dass diese erst in ihrer Gesammtheit einem van Be- neden schen Centralkörper entsprechen. Dann würde der letz- tere etwa identisch sein mit dem von mir sogenannten „Mikro- eentrum*. Die Schwierigkeit, mit dem van Beneden’schen Central- körperbegriff zurecht zu kommen, liegt nun eben darin, dass er schwankend ist und bald etwas Einheitliches, bald etwas Zusammen- gesetztes bedeutet. Flemming, der gleich mir von doppel- ten Centralkörpern in der ruhenden Zelle gesprochen hat, so wie ich selbst, wir sind nun aber in der Lage zeigen zu können, dass die von uns sogenannten doppelten (dreifachen, vierfachen, viel- fachen) Centralkörper sich hinterher auch wirklich unter Um- ständen als Polkörperehen darstellen können, d.h. als selbst- ständige und zunächst auchin sich einheitliche Centrä eines bei der Mitose in Aktion tretenden radiären Systems. Daher meine ich, dass wir von diesem ganz sicheren Merkmal ausgehend auch in der Zellenruhe schon von dop- pelten oder überhaupt mehrfachen Centralkörpern sprechen müssen. Ich gebe mithin dem van Beneden schen Centralkörperbegriff die feste Fassung, dass er ein Körperchen bedeuten müsse, welches in sich morphologisch nicht mehr zusammen- gesetzt ist. Wollten wir aber den Centralkörperbegriff dem Begriffe des 636 Martin Heidenhain: Mikrocentrums gleichsetzen, dann kämen wir bei der Histologie der Riesenzellen zu einem Absurdum. Denn die von mir soge- nannte Centralkörper-Hauptgruppe, welche so oft die Körnehen- verstreuung zeigt, müsste dann mit unter den Begriff des Cen- tralkörpers rechnen, weil sie nämlich durch eine vollständige Reihe von Uebergangsgliedern sich parallelisiren lässt mit dem Mikrocentrum der Lymphoeyten (Absatz 69 und 72). Ich glaube mithin, es ist besser, wie ich vorschlug, unter einem Öentralkörper immer einen weiterhin nicht mehr zerlegbaren morphologischen Elementartheil zu verstehen, so dass wir dann in den Lympho- eyten und Riesenzellen Centralkörpergruppen haben, welche alle- sammt unter den von mir aufgestellten Begriff des Mikrocen- trums fallen. N 101. Ich erwähne dann ferner, dass ich eben so wenig wie Boveri selbst in der Lage bin anzugeben, in welchem Ver- nältniss die von diesem Autor sogenannten Centrosomen zu den van Beneden’schen „corpuscules polaires“ oder den Central- körpern von Flemming und mir stehen. Brauer meint, dass Boveri die Markschicht der sphere attractive zu dem Central- körper hinzugerechnet habe und diese Auffassung bestünde zu Recht, denn die Markschicht sei eben so constant wie die Cen- tralkörper selbst und theile sich mit ihnen zugleich. Ich muss es nun von meiner Seite aus für ganz unzulässig erklären, die sogenannte „Markschicht“ dem Centralkörper oder dem Mikrocentrum hinzuzurechnen. Denn die Markschicht hat, wie van Beneden zeigte, bereits den strahligen Bau der Astro- sphäre und ihre Strahlen setzen sich eontinuirlich in die Sphären- strahlen fort. Ausserdem ist die Markschicht der Sphäre keines- wegs constant (vide die Riesenzellen; für Leukocyten in 41, pag. 142 besprochen) und überhaupt seit van Beneden noch nirgends mit vollendeter Sicherheit wiedererkannt worden, selbst von Brauer nicht, der wohl kaum in der Lage war nach seinen Präparaten die von ihm dort beobachteten Bildungen ihren einzelnen Theilen nach mit den Bestandtheilen der van Bene- den’schen sphere attractive durch Vergleichung in Uebereinstim- mung bringen zu können. Ob schliesslich die von Zimmermann in einigen Pigment- zellen beobachteten „Uentralstäbe“ der Astrosphäre, dem Mikro- Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 637 centrum oder einem Centrosoma zu homologisiren sind, das wird wohl Niemand herausbekommen, der lediglich auf die Lektüre der Arbeit des genannten Autors angewiesen ist. 102. Ich nehme mir die Freiheit, diese Besprechung damit zu enden, dass ich eine kurze, meinen Erfahrungen entsprechende Charakteristik der Centrosomen gebe und bitte, diese Aufstellung gelegentlich kritisiren zu wollen: Centralkörper sind scharf umgrenzte, solide (durch Eisenhämotoxylin unter Umständen speeifisch färbbare!) Granula von sehr geringer Grösse. Sie besitzen die Fähigkeit zu assimiliren, zu wachsen und sich durch Knospung zu vermehren. Sie zeigen in hohem Maasse die Neigung Gruppen zu bilden, wobei sie innerhalb der Gruppe dureh eine bei Gelegenheit ihrer Vermeh- rung zwischen ihnen sich ausspinnende Substanz an einander gekettet sind. Sie können entweder für sich allein oder als Gruppe vereinigt die Ursprungspunkte für die Fäden eines centrirten Systems abgeben. Die Beläge für die in obigen Sätzen enthaltenen Aussagen sind in den vorstehenden Zellenstudien enthalten und brauche ich auf eine Beweisführung im Einzelnen hier nicht mehr ein- zugehen. — Capitel XIII: Was hat man unter einer Astrosphäre zu verstehen? ° 103. Es wird Vieles unter dem Namen einer Attraktions- sphäre (sphere attractive, Astrosphäre, Sphäre) beschrieben, was diesen Namen gar nicht verdient, und zwar geschieht dies ledig- lich aus dem Grunde, weil viele Autoren es für vollkommen über- flüssig halten die histologischen Begriffe in präeiser Weise ihrer ursprünglichen Geltung nach anzuwenden. Bei der Bestimmung des in Rede stehenden Begriffes haben wir lediglich die Verpflichtung, wiederum auf van Beneden zu- rückzugehen, um zu erfahren, welche Merkmale der Entdecker selbst für die von ihm beschriebenen spheres attraetives gelten lassen wollte. Da wäre zunächst hervorzuheben, dass nach diesem 1) Siehe Capitel XVI. 638 Martin Heidenhain: Autor die Astrophären in besonderer Weise differenzirte Theile des protoplasmatischen Systems sind. Letzteres besteht nach van Beneden aus Zellenfibrillen von mikrosomalem Bau, welche jedoch in querer Richtung von Mikrosoma zu Mikrosoma unter sich zusammenhängen; wir hätten mithin ein Protoplasmanetz (treillis protoplasmique). Bringen wir diese noch nicht allgemein aner- kannten queren Verbindungen der Zellenfäden in Abrechnung, so hätten wir genau dasjenige, was wir mit Flemming als Cyto- mitom bezeiehnen. Die Astrosphären sind also in unserer Aus- drucksweise Theile des Cytomitoms. Man braucht nun ferner nur die Abbildungen van Beneden’s nachzuschlagen, um zu erkennen, welehe sinnliche Vorstellung dieser Forscher von dem zwischen den Astrosphären eimerseits und dem übrigen Zellen- protoplasma andrerseits bestehenden Verhältniss hatte. Da schen wir, dass der Sphärenstrahl eontinuirlich fortgesetzt ist in einen Zellenfaden und dass die Abgrenzung der sphere attractive ge- genüber den anderen Zellbestandtheilen nur dadurch gebildet wird, dass an der in Frage kommenden Stelle ein besonders grosses Mikrosoma in den Verlauf des Zellenfadens eingeschaltet ist (vergl. hier Fig. 85). Im Texte der Arbeit erfahren wir weiterhin, dass an der Stelle dieses Mikrosomas eine Spaltung, Theilung des Ra- diärfadens statt hat; dies ist aber für unsere Betrachtung nur ein unwesentlicher Punkt. Wesentlich für uns ist festzuhalten, dass die Astrosphäre sehr wahrscheinlich überhaupt nicht als irgend ein besonderer Körper imponiren würde, wenn nicht die von dem Centrosoma (oder Mikrocentrum) nach allen Riehtungen hin aus- strahlenden, in sich eontinuirlichen Radiärfäden die Gewohnheit hätten, an einer bestimmten Stelle ihres Verlaufes, welche überall die gleiche oder sich entsprechende ist, zu einem Mikrosoma von besonderem Umfange anzuschwellen. Hierdurch wird ein Mikro- somenstratum gebildet, welches in den Fällen der regelmässigsten Gestaltung die Form einer Kugeloberfläche haben kann. Dieses Mikrosomenstratum ist nun von mir. beim Lymphocyten wieder gesehen worden (Absatz 28; Figur 69; 20) und ich habe dasselbe als das van Beneden’sche Mikrosomenstratum bezeichnet. Dieses ist an meinen Objekten nur schwer zu beobachten; man sieht an Stelle desselben für gewöhnlich nur einen gleichförmigen oder auch etwas hökerigen Contur (Fig. 65; 68), der jedesfalls dureh die Nebeneinanderlagerung der Granula erwirkt wird. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 639 Nun geht aus alledem hervor, dass man von einer Astrosphäre (sphere attractive) nur dann sprechen kann, wenn die Hauptsache da ist, näm- lich dasvan Beneden’sche Mikrosomenstratum oder der diesem entsprechende Contur, wenn also ein kugliges, ovoides, brodlaibförmiges oder sonst irgend ein seiner äusseren Formgestaltung nach beschreibbares Zellenterritorium sich gegen das übrige Zellenprotoplasma hin abgrenzt. Hieran lässt sich gar nichts abmarkten: nach van Beneden sind die spheres attractives wohl definirbare, abgrenzbare Gebilde. Das blosse Vorhandensein eines von einem Üentrosoma oder einem Mikrocentrum her sich entwickelnden Strahlensystems be- weist noch lange nicht das Vorhandensein einer Astrosphäre. Die Astrosphäre steht und fällt mit dem van Beneden’schen Mikrosomenstratum, oder es muss wenigstens jener charakteristische Contur sich zeigen, der dem genannten Mikrosomenstratum entspricht. Daher kann man durchaus nicht jede beliebige Strahlung als Astrosphäre beschreiben, da es eben radiäre Systeme giebt, welche jene speeifische Differenzirung, das van Beneden’sche Mikrosomenstratum durchaus nicht zeigen (vide z. B. auch das Endo- plasma der Riesenzellen). So kann man während der Mitose der Gewebezellen der Wirbelthiere zwar mit Leichtigkeit auf den Aster- und Dyasterstadien die radiäre Strahlung der centrirten Systeme beobachten, eine Astrosphäre aber, ein van Beneden'’sches Mikrosomenstratum, welches einen centralen Theil eines solchen centrirten Systemes als ein besonderes Zellenterritorium heraus- schnitte, fehlt gänzlich öder ist wenigstens noch von Niemandem nachgewiesen. Ich glaube auch nicht, dass man an den gedachten Orten jenes Mikrosomenstratum noch finden wird, denn es gelingt bisweilen im Umkreis der Theilungspole dieser mitotischen Figuren das Phänomen der concentrischen Kreise zu beobachten, ohne dass hierbei indessen eines der sichtbaren Mikrosomenstrata sich in besonderer Weise ausgebildet zeigte, wie das doch bei den die Astrosphäre begrenzenden van Beneden’schen Mikrosomen der Fall ist. Die van Beneden’sche sphöre attractive ist mithin durchaus nicht etwa eine constante Eigen- thümlichkeit der ecentrirten Systeme, sondern sie erscheint nur als ein ganz speciellesvereinzeltes ’ 640 Martin Heidenhain: Vorkommen, und auch beim Leukocyten ist sie nur während der Zellenruhe, nicht aber während des Ablaufs der Mitose vorhanden. Wenn van Bene- den nicht bloss für den Centralkörper, sondern auch für die Sphäre behauptet, dass sie ein constantes Organ der Zelle sei, so kann ich dem nicht zustimmen. 104. Ja ich glaube nicht einmal, dass in der Astrosphäre dort, wo sie überhaupt vorkommt, ein besonderes „Organ“ vor- liegt!). Denn die Sphärenstrahlen, die protoplasmatischen Radiär- fäden, welche in ihrer Summe die Bestandtheile dieses Organs ausmachen würden, endigen nicht an den Körnern des van Bene- den’schen Mikrosomenstratums, sondern sie gehören als einwärts gewandte Endstücke zu den Fäden des centrirten Systems. Diese Radiärfäden würden beim ruhenden Lymphocyten, wie ich oben auseinandersetzte, wahrscheinlich in der Gleichgewichtslage, wenn die durch die Gegenwart des Kerns gesetzten Bedingungen in Wegfall kämen (Fig. 86), alle gleich lang sein und auch in sich gleich gebaut erscheinen (Absatz 29 und die folgenden). Stellen wir uns vor, dass wir diese gleichgebauten Fäden in entsprechen- der Vergrösserung in ungeordnetem Zustande auf einem Haufen vor uns liegen hätten und dass wir sie dann erst mit den ent- sprechenden Enden zu einem centrirten System zusammenfassten, so würden wir, falls an allen Fäden an gleicher Stelle die gleiche einem van Beneden’schen Mikrosoma entsprechende Anschwel- Jung vorhanden wäre, auch ohne jede weitere Procedur durch die blosse radiäre Anordnung im Innern des Systems zu einer Bildung gelangen, welche nach aussen hin durch das Stratum der gröberen Anschwellungen abgrenzbar wäre. Diese Abgrenzung wäre indessen doch nur eine rein ideelle, eme rein topogra- phische, da ja doch auch am Objekt selbst an der Oberfläche der Sphäre keine Membran besteht, und so, meine ich, darf auch der Ausdruck Astrosphäre (spere attraetive, At- tractionssphäre, Sphäre) nur als eine topographische Bezeichnung Geltung haben. 1) Früher (44; pag. 140) habe ich geglaubt, den Organbegriff auf die Sphäre anwenden zu müssen; nach reiflicher Ueberlegung und nach neuen Erfahrungen meine ich indessen mich dahin aussprechen zu müssen, dass die Sphäre den Namen eines „Organes“ nicht verdient. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 641 Die Astrosphäre hat keine Selbstständigkeit und ist keinOrgan mit demselben Titel des Rechts wie der Kern!). 105. Man wird nun einwenden, dass diese Differenzirung der eentrirten Zellenfäden, welche zur Abgrenzbarkeit einer Astro- sphäre führt, erst durch die Anwesenheit eines Cen- tralkörperehens oder Mikrocentrums verursacht sei, und dass somit em gewisser Theil des centrirten Systemes unter der speciellen „Wirkung“ der im Centrum befindlichen Be- standtheile stehend zu denken sei: Mithin könne dieser Bereich der Zelle als ein besonderes Organ gegenüber den anderen Zell- bestandtheilen hervorgehoben werden. Andere Einwände könnten darin gefunden werden, dass das van Beneden’sche Mikrosomen- stratum ja nicht das einzige Merkmal des als Astrosphäre bezeich- neten Zellbezirkes ist, sondern dass man da gelegentlich eine ver- schieden färbbare Rinden- und Markschicht unterscheidet und dass, wie van Beneden zeigte, an der Grenze beider wiederum ein besonderes Mikrosomenstratum auftreten kann. Auch an den Astrosphären der Lymphoeyten zeigen sich öfter besondere con- centrisch geordnete Färbungsdifferenzen, welche jenes angeb- liche „Organ“ sehr deutlich aus dem übrigen Protoplasma her- vortreten lassen. 106. Bei allen diesen Erscheinungen einer besonderen Diffe- renzirung oder Färbbarkeit im weiteren Umkreis der Centrosomen oder des Mikrocentrums ist nun vor allem aber festzuhalten, dass diese Dinge gebunden sind an die Gegenwart der centrirten Zel- lenfäden oder sich sozusagen an ihnen abspielen. Wir können also das eigentliche Problem uns kurz damit zur Vorstellung bringen, dass wir uns fragen, warum denn die centrirten Fäden eine polare Differenzirung zeigen, dermaassen, dass auf jeder Einzelfibrille beim Fortschreiten vom Centrum nach der Peripherie oder umgekehrt 1) Platner sagt in 73, pag. 207: „Dass das Centrosoma also ein constanter Bestandtheil der Zelle ist, darüber erkläre ich mich mit van Beneden einverstanden; hingegen kann ich die spheres attrac- tives nicht als nothwendige Umhüllung desselben betrachten.“ Platner fand nämlich im reifen Ei von Aulastomum gulo nur das „nackte Centrosoma“. 642 Martin Heidenhain: sich in gleichen Abständen die gleichen inneren und äusseren Zustände wiederholen? Ist diese polare Ditferenzirung, welche die im Bereich der Astrosphäre gelegenen inneren Endstrecken der Zellenfäden betrifft, so durchaus abhängig von der „Thätig- keit“ des Centrosomas oder Mikrocentrums, dass der Komplex der inneren umgebildeten Enden der centrirten Fäden in seiner Gesammtheit als etwas Neues, als ein besonderes Organ beschrieben werden muss? Auf diese Fragestellung lege ich nun Folgendes zur weiteren Erwägung vor. Was zunächst die Aenderungen der Färbbarkeit auf dem Territorium der Astrosphäre gegenüber dem Bereiche der Zellsubstanz anlangt, so gehen dieselben etwa nicht so weit, dass die Affinität der Substanz in qualitativer Richtung eine andere würde, sondern es handelt sich um geringe quantitative Unterschiede der Färbbarkeit, welche sich an den centrirten Systemen in ähnlicher Art auch ohne die Ausbildung einer Astrosphäre finden. Diese Aenderungen der Färbbarkeit können ohne Weiteres darauf zurückgeschoben werden, dass die im Inneren der Sphäre gelegenen Enden der strahlig zusammenlaufenden Protoplasma- fäden unter anderen Lebensbedingungen stehen als ihre ent- sprechenden nach auswärts gewandten Verlaufsstrecken. Wie nämlich ganz sicher ist, nimmt gegen die Mitte der radiären Systeme hin die Grösse der interfilaren Räume fortwährend ab. Innerhalb der Astrosphäre der Leukocyten sinkt die Breitenaus- dehnung der Interfilarräume auf ein unbestimmbares Maass herab; die ganze Struktur wird häufig (in physikalischem Sinnne) un- auflösbar. Sollten nun nieht als Folge dieser dichten Zu- sammenlagerung der Strukturtheile an eben jener Stelle sich gewisse geringe Abänderungen der nutritiven Vorgänge des cellulären Stoffwechsels ergeben, welehe dann auf die Constitution der Fasern selbst zurückwirken und so geeignet wären die bezeichneten quantitativen Unterschiede der Färbbarkeit zu erklären? Ich bin wenigstens der Mei- nung, dass diese Aenderungen der Färbbarkeit, da sie sich immer als liehtere und dunklere Höfe präsentiren, also in concentrischen Zonen entwickelt sind, ohne Zwang auf jene besonderen suc- Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 645 cessiven Veränderungen des Stoffwechsels zurückgeführt werden können, welche durch die allmähliche ebenso suecessive Ab- nahme der interfilaren Räume gegeben sind. Oder mit anderen Worten: ich halte keineswegs dafür, dass das Centrosoma oder Mikrocentrum eine besondere „Wirkung“ auf die Umgebung aus- übt und diese etwa sozusagen seinem Machtbereich unterordnet, sondern ich meine, dass die concentrischen Aenderungen der Färh- barkeit ihren letzten Grund doch nur in der eentrischen Zusam- menordnung der Zellenfibrillen haben. Was schliesslich das van Beneden sche Mikrosomenstratum sowie jenes von demselben Autor erwähnte innere Mikrosomen- stratum der Sphäre angeht, so halte ich diese Bildungen für se- eundär. In mechanischer Beziehung ist bei der Beweglichkeit der centrirten Systeme in Rechnung zu ziehen, dass jene gröberen Granula unter gewöhnlichen Verhältnissen die seitliche Exkursions- weite der Radiärfäden beschränken, mithin eine gewisse geringste Weite der interfilaren Räume garantiren, welche für die Stofl- wechselvorgänge von nöthen sein mag. Sollten sich die Beob- achtungen des belgischen Autors bestätigen, dass in peripherer Richtung von jedem dieser gröberen Granula mehrere Zellenfäden entspringen, so würde ich auch in dieser Einrichtung, dass je mehrere Radiärfäden im Verlauf gegen das Centrum hin zu einem zusammenfliessen eine Einrichtung erblicken, welche geeignet ist eine gewisse minimale Weite der interfilaren Räume in der Er- streekung gegen das Centrosoma oder Mikrocentrum hin aufrecht zu erhalten. Dass es nicht die Centrosomen sind, welche die Kraft oder Macht haben auf ihre Umgebung in besonderer Weise einzuwirken, so dass dadurch etwa ein besonderes Organ, die Astrosphäre, entstünde, das ersehen wir an den verstreuten Centrosomen der Centralkörper-Hauptgruppe der Riesenzellen. Dort nämlich, wo in der Umgebung eines Centrosomas ein nach allen Richtungen hin sich ausbreitendes Strahlensystem nicht vorliegt, wo es nicht zur Ausbildung besonders enger Interfilarräume kommt, da fehlen auch die concentrischen Aenderungen der Färbbarkeit. Gegen die Natur der Sphäre als eines „Organs“ lässt sich fernerhin noch anführen, dass in vielen Fällen selbst bei Ausbil- dung eines van Beneden schen Körnerstratums der Contur der Sphäre gleichsam unterbrochen oder defekt 644 Martin Heidenhain: erscheint, dadureh nämlich, dass der Kern sieh zwischen die Sphärenstrahlen einschiebt und sie auseinanderspreizt. Abbildungen, welche diesen Zustand illustriren, sind von mir (Fig. 68) und Hermann (44; Fig. 14) gegeben worden (vergl: auch das Schema der Fig. 85). Ich fasse schliesslich die von mir bezüglich der Astrosphäre gewonnenen Anschauungen in Folgendem zusammen: Der Begriff der Astrosphäre ‘(sphere attrae® tive) hat nur als eine topographische Bezeichnung Verwendung zu finden. Die Astrosphäre ist kein Organ mit demselben Titel des Rechts wie der Kern und ist keine constante Eigenthümlichkeit weder der Zelle noch auch der centrirten Systeme. Eine Astrosphäre kommt dadurch zu Stande, dass die inneren Enden der Fäden eines centrirten Systemes in secundärer Weise durchdas Auftreten eines van Beneden’schen Körnerstratums gegen die wbrigen Zellbestandtheile "hintahgesetzt werden. 107. Wenn ich in Obigem meinen gegenwärtigen Stand- punkt bezüglich der Frage, ob der Organbegriff auf die Astro- sphäre anzuwenden sei, in scharfer Weise präcisirt habe, so muss ich hierzu doch bemerken, dass ich selbst vielleicht in der Zu- kunft durch neue Erfahrungen gezwungen sein könnte meine Meinung zu ändern und mich derjenigen van Beneden’s wenig- stens theilweise anzusehliessen. Zwar ist ausgeschlossen, dass die Astrosphäre sich als ein constantes Vorkommen herausweisen wird, aber es könnte doch durch neue Befunde am Objekt die Lage so verändert werden, dass auf Grund besonderer Entwicklungen die Sphäre an einigen Stellen mit dem Kern in Parallele zu setzen wäre. Wenn 7. B. nachgewiesen würde, dass das van Beneden’sche Mikro- somenstratum Veranlassung zu einer ächten Membranbildung geben kann, in ähnlicher Weise etwa, wie wir das bei den Riesen- zellen an jenen der Grenzmembran zweiter und dritter Ordnung entsprechenden Mikrosomenstraten gesehen haben, so würde ich dann auch den Organbegriff auf eine solche Astrosphäre anwen- den. Oder ich stelle mir auch den Fall als möglich vor, dass Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 645 bei dieser oder jener Zellenform die Astrosphäre dadurch gegen- über dem Cytomitom selbstständig wird, dass sie ihre morpho- logische Struktur verliert: wenn die Radiärfäden völlig seitlich zusamenfliessen, so dass innerhalb des von dem van Beneden- schen Mikrosomenstratum begrenzten Raumes keine interfilaren Lücken mehr existiren, so wird die Lage völlig geändert, denn wir hätten dann einen selbstständigen Plasmaklumpen vor uns, an welchem erst die centrirten Fäden des Mitoms inseriren würden. Wir sind indessen vorläufig überhaupt nicht fähig zu entscheiden, ob etwas Derartiges vorkommen könne, und wenn sich „homogene“ Sphären finden, so werden wir vorläufig anzunehmen haben, dass nur unsere technischen Hilfsmittel nicht ausreichen, die radiäre Struktur sichtbar zu machen. Diese morphologische Radiärstruktur würde auch in einer „homogenen“ oder sonst irgendwie gleichartig beschaffenen Sphäre jedesfalls potentia durch eine besondere metamikroskopische Lagerung der Theile gegeben sein, denn überall, wo indirekte Theilungen eintreten, sahen wir bisher auf jenem Territorium, welches während der Zel- lenruhe der Sphäre zukommt, eine radiäre Strukturform. Wenn also die Sphären während der Zellenruhe hier und dort vorkommen, so kann meiner Meinung nach dann in der einen oder an- deren Weise auf das Vorhandensein centrirter Anordnungen geschlos- sen werden, denn man ist in der Lage eben die Gegenwart der Sphäre ais Beweisdokument heranziehen zu können. Ist dagegen bei einer bestimmten Zellenform die Sphäre nieht, wohl aber die Centralkörpergruppe vorhanden, so scheint mir der Schluss auf die Gegenwart eines centrirten Systemes, wenn davon gar nichts sichtbar ist, doch etwas gewagt, denn man hat nicht, wie im ersten Fall, einen Anhaltspunkt an bestimmten Erscheinungen in- nerhalb des protoplasmatischen Zellkörpers selbst. Es wäre denk- bar, dass die centrirten Systeme in vielen oder der überwiegen- den Zahl der Zellformen ausserhalb der Mitose ihre innere Form so gänzlich verlieren, dass sie für uns als solche in keiner Weise mehr in die Erscheinung treten können. Trotzdem sind sie viel- leicht ihrem Wesen nach vorhanden, was wir freilich niemals de- monstriren könnten. So könnte auch in jedem Zellenkerne eine innere bipolare Orientirung der Strukturtheile vorhanden sein, nur dass sie für unser Auge in Folge überwiegender Nebenum- stände für gewöhnlich nicht hervortritt. Wenn ich daher in dieser 646 Martin Heidenhain: Arbeit vielfach ganz allgemein von „den centrirten Systemen der Zellen“ spreche, so beziehe ich mich lediglich auf eine theore- tische Möglichkeit, welche durch den Bau der Lymphoeyten in schöner Weise illustrirt wird. Capitel XIV: Der Archoplasmabegriff. 108. Ich komme nun zu einer kurzen Besprechung des Arcehoplasmabegriffes, welcher bekamntlich von Boveri eingeführt worden ist. Schon einmal habe ich mich lebhaft gegen die Aufstellungen, die in diesem Begriffe enthalten sind, gewehrt (41; pag. 1551f.), allein meine diesbezüglichen Auseinandersetzungen sind von den nachfolgenden Autoren in keiner Weise berücksichtigt worden, so dass ich im Interesse der Sache dies Kapitel noch einmal besprechen will. Ich verfolge dabei die Absicht, wenn irgend möglich, die Diskussion über diesen Gegenstand anzuregen. Die Arbeit Boveri’s, um die es sich hier handelt, ist mir nach andren Richtungen hin, mit Bezug auf die imtensive Be- thätigung einer ausgezeichneten Beobachtungsgabe und hinsichtlich der vorzüglichen Durcharbeitung und Verwerthung des Gesehenen ein leuehtendes Vorbild und unerreichtes Muster, allein auf den Boden jener in dem Archoplasmabegriff enthaltenen Hypothese kann ich unserem Autor nicht folgen. Das Archoplasma soll eme der Qualität nach durch- aus specifische Substanz sein, welche verschieden ist von der Substanz jener Zellfäden, die das Mitom im Smne Flemming’s darstellen (15; pag 62). Diese Substanz soll sich auch durch ihre speeifische Thätigkeit in der Zelle, sowie durch ihr Verhalten gegen Reagentien von den übrigen geformten Protoplasmabestandtheilen streng unterscheiden. Man bemerkt leicht den ausserordentlichen Unterschied, welcher gegenüber meiner Auffassung besteht. Das, was dem „Archoplasma“ etwa entspricht, das sind ja die von den Centro- somen ausgehenden Radiärfäden, speciell auch die Protoplasma- strahlen der Astrosphäre. Diese sind aber nach meiner Auffassung nichts anderes als blosse Theile des Mitoms. Ein centrirter Zellenfaden unterscheidet sich bezüglich seines gesammten Ver- haltens durch gar nichts, was irgendwie wesentlich wäre, von einem nieht eentrirten Zellenfaden. Denn dass die centrirten Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 647 Fäden, welche das radiäre System bilden, in der näheren Cir- kumferenz der Centralkörpergruppe oder des Uentrosomas sich in ihrem färberischen Vermögen quantitativ, nicht qualitativ, etwas anders verhalten als vielleicht beliebige andre Zellenfäden, das ist doch nur ein ganz untergeordneter Punkt, wie oben gezeigt wurde. Ebenso kommt auch jene Differenzirung, welche zur Abgrenzung einer Astrosphäre führt, bestehend in der voluminöseren Ausbil- dung eines einzelnen Mikrosomas an jedem radiären Zellenfaden (van Beneden sches Mikrosomenstratum) nicht in Betracht; denn dadurch wird der centrirte Zellenfaden noch lange nieht in eine speeifische Substanz umgewandelt. . Um es also noch einmal zu wiederholen: Boveri behauptet, die Substanz sei eine specifische; ich behaupte dagegen, nicht die Substanz, sondern nur ihre Anordnung (zu radiären Systemen) sei etwas Specifisches. Ich werde nun versuchen an der Hand des Boveri’schen Origimalwerks nachzuweisen, dass der Weg selbst, auf welchem der Autor zur Aufstellung und Einführung des Archoplasmabegriffes gelangt, unstatthaft ist, dass zum mindesten die Beweisführung keine zwingende sei. Boveri (l. e. pag. 61) verfährt in der Weise, dass er zu- nächst behufs einer besseren Orientirung des Lesers die von ihm gefundene angeblich speeifische Substanz des Zellkörpers dog- matisch emführt und ihr eine Reihe von wichtigen Eigenschaften vindieirt, wobei jedoch der Antritt des Beweises auf das Folgende verschoben wird. Boveri giebt an, dass im Askarisei „die Zell- substanz aus einer homogenen Grundsubstanz gebildet wird, m der sich ein feinfädiges, bald eng-, bald weitmaschiges Gerüst ausbreitet. Zwischen diesem Fadenwerk sind in die Grundmasse grössere und kleinere Dotterkörper, sehr kleine regellos zerstreute Körnehen und eine specifische, je nach dem Entwicklungszustande des Eies körnige oder fädige Substanz eingelagert“. Diese Be- hauptung der speeifischen Natur der fraglichen Substanz wird auf der nächsten Seite (pag. 62) — wiederum rein dogmatisch — weiter ausgeführt. „Sodann .... ist die Substanz, um die es sich hier handelt, mit dem Protoplasma Kupffers nicht identisch, denn es besteht im Askarisei neben und unabhängig von derselben das oben bereits erwähnte .... Retikulum, das höchst wahrscheinlich dem in andren Zellen bekannten Fadenwerk gleich zu setzen ist 648 Martin Heidenhain: und das sich von jener Substanz nicht nur durch seine Thätigkeit in der Zelle, sondern auch durch sein Verhalten gegen Reagentien ganz scharf unterscheidet.“ In diesem Satze sind also nicht weniger denn drei Behauptungen enthalten, welche durch die Worte „neben und unabhängig“, sowie ferner durch die Worte „nicht nur durch seine Thätigkeit in der Zelle, sondern auch durch sein Verhalten gegen Reagentien‘ gegeben sind. (pag. 62:) „Es ergiebt sich also das Bedürfniss nach einem neuen Namen und so schlage ich gleich hier, um in der Folge alle Umschrei- bungen vermeiden zu können, den Ausdruck „Archoplasma“ vor, eine Bezeichnung, die bequem ist und zugleich durch ihre Ableitung von dpxwv die Rolle, welche das zu beschreibende Plasma in der Zelle spielt, einigermaassen andeutet.“ 109. Bis hierher wäre nun alles sehr schön vorwärts ge- gangen, wir haben einen dogmatischen Vortrag gehört und nun kommt der Beweis. „Der Nachweis, dass das Archoplasma eine von den übrigen Zellbestandtheilen verschiedene Substanz ist, lässt sich durch eine Reaktion derselben auf die Pikrinessigsäure führen. Wirkt diese Säuremischung in bestimmter Weise auf das Ei von Ascaris megalocephala ein, so verquellen alle Bestandtheile der Zellsubstanz: Grundmasse, Fäden, Körnchen und Dotterkörper zu einer homogenen, leicht vakuolisirten durchsichtigen Masse, in der nur die Struktur der Kerne und des Archoplasmas sich erhält“. Hier liegt nun, wie mir scheint, eme Art Cirkelschluss vor. Die hier ceonstatirte Nicht-Verquellbarkeit des „Archoplasmas“ in der Pikrinessigsäure ist nämlich das einzige Merkmal, welches diesem Begriffe auch gegenüber einer gegnerischen Opposition zukommt. Auf Grund dieses Merkmales hatte sich der Autor überhaupt erst den Begriff einer qualitativ speci- fischen Substanz, des „Archoplasmas‘‘, gebildet, was freilich der Leser zunächst nicht wissen kann, da der Autor von seinen Be- obachtungen am Objekt bisher noch nicht des Näheren gesprochen hatte. Durch den Archoplasmabegriff wird also die Hypothese einer specifischen Substanz gesetzt und diese soll nun am Objekte erwiesen werden. Und des Beweises bedarf sie: denn es könnte ja auch z. B. sein, dass in der Cirkumferenz des Centrosomas oder Mikrocentrums keineanderenBestandtheile enthalten sind als auch an anderen Orten überall im Zellleibe, nur dass sie dort Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 649 in diehterer Anordnung befindlich sind und dem Eindringen der Flüssigkeit stärkeren Widerstand bieten, daher sie dann schwerer verquellen. Darum wird durch die Anwendung der Pikrinessig- säure zum Zwecke der Beweisführung nichts geleistet: denn es wird damit nichts anderes gezeigt, als was schon von vorn- herein in dem Begriff des Archoplasmas enthalten war, nämlich dass gewisse Zellenterritorien in dem genannten Reagens aus irgend welehen unersichtlichen Gründen nicht verquellen. Aber, so wird der Leser vielleicht meinen, wenn es doch gelingt „neben- und unabhängig“ von den übrigen Zellbestand- theilen eine bestimmte Substanz nachzuweisen, welche dann die gedachte „Reaktion“ mit der Pikrinessigsäure zeigt, dann ist doch ihre speeifische Qualität erwiesen! Hierauf ist zu erwidern, dass eben die Voraussetzung gänzlich unerfüllbar ist: man kann auf keine Weise zeigen, dass die von den Centralkörpern ihren Aus- gang nehmenden Radiensysteme von der übrigen Zellsubstanz ver- schieden und unabhängig sind. Vielmehr zeigen mir unter An- wendung schonender (!) Methoden die Leukoeyten und Riesenzellen, dass die Radiensysteme mit einem grossen, ja vielleicht sehr srossen Theile des Zellenprotoplasmas identisch sind. Die geforderte Isolation des „Archoplasmas“ kann überhaupt erst, — scheinbar, wie wir behaupten —, durch die Anwendung eines offenbar so sehr stark ‚‚differenten‘“ Mittels erzeugt werden, wie es die Pikrinessigsäure ist: durch diese werden zunächst grosse Theile der Zelle vollkommen zerstört und es bleibt lediglich derjenige Antheil des Protoplasma übrig, der so wie so ungemein dieht gebaut ist und dem Herzudringen der Reagentien die relativ grössten Schwierigkeiten bereiten muss. Wenn aber bewiesen werden soll, dass diese Protoplasmaüberbleibsel eine (qualitativ) speeifische Substanz seien, dann darf zur Beweisführung nicht wiederum die Pikrinessigsäure herangezogen werden, durch die es überhaupt erst gelang jene Masse als etwas scheinbar Besonderes zu isoliren, was doch sonst auf keine Weise möglich ist, wenigstens wenn schonend vorgegangen wird. Wenn aber das Archoplasma, wie Boveri behauptet, allein schon an seiner „speeifischen Thätigkeit“ erkennbar ist, dann würde, so könnte man weiterhin einwenden, die gedachte „Reaktion“ doch die geforderte speeifische Qualität des Archo- plasmas beweisen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 42 ’ 650 Martin Heidenhain: Auf diesen Einwand muss ich entgegnen, dass von einer „speeifischen Thätigkeit‘“ des Archoplasmas oder der Archoplas- mafibrillen gar keine Rede sein kann, da ihnen eben auch keine andre Eigenschaft zukommt als den gewöhnlichen Zellen- fibrillen. Es gewinnt zwar den Anschein, als ob die Archo- plasmafibrillen eine „specifische Thätigkeit“ in der Zelle entfalten, da sie hauptsächlieh während der Zellentheilung in Action treten. Allein wenn die radiären Systeme während der Mitose eine so grosse Rolle spielen, so ist das nicht auf eine besondere Qua- lität der Substanz, sondern nur auf die in ihnen vorliegende besondere Form der morphologischen Anordnung und ihre vielleicht dauernde, vielleicht auch nur vorübergehende be- sondere Art der Verknüpfung mit andren Zellbestandtheilen zu- rückzuführen. Uebrigens erwähnt Boveri selbst, dass seine Reaktion nicht constant gewesen sei. Ich brachte die nämliche „Reaktion“ an den Leukoeyten dureh 1°/,ige (!) Chromsäure zu Wege: die Astrosphäre als der dichteste Theil des Zellenprotoplasmas blieb intakt; das übrige Zellenprotoplasma wurde grösstentheils durch Zerreissen des eentrirten und nicht centrirten Mitoms zerstört. 110. Der Leser wird nun vielleicht meinen, es sei am Ende ziemlich gleichgültig, ob man die Substanz der Astrosphäre, be- ziehungsweise der radiären Systeme als etwas Besonderes ansehen wolle oder nieht. Ich denke indessen, dass auf Grund dieser beiderlei Anschauungen sich gewisse Folgerungen ergeben, welche, da sie von fundamentaler Gegensätzlichkeit sind, überhaupt nicht mehr mit einander vereint werden können. Auf Grund meiner Anschauung nämlich sind dieseradiären Systeme, welehe wir während der Mitose im Umfang der Theilungspole entwickelt finden, überhaupt nur da- durch möglich, dass ein Centralkörper oder ein Mikrocentrum als Mittelpunkt gegeben ist; durch den Lauf der Phylogenese ist eben für derartige centrirte Systeme der körperliche Mittelpunkt, von welchem die Radiärfäden ausgehen, en nothwendiges Attribut geworden, und: fehlt der Ursprungspunkt für die Radiärfäden, fehlt das Centrosoma oder Mikrocentrum, dann ist auch diese Sorte von morphologischer Anordnung un- Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 651 möglich, ja es kann der Fall überhaupt nicht vor- kommen, dass wir Astrosphären finden würden, welche keinen Centralkörper enthalten. Nun entsprechen aber die Astrosphären, an vielen Stellen wenigstens, dem Archoplasma Boveri’s. Dieses aber soll eine qualitativ bestimmbare Substanz sein, welehe mithin auch ohne die Gegenwart irgend welcher Gentralkörper in formlosem oder beliebig ge- formtem Zustande in der Zelle enthalten sein könnte. Nur auf Grund der eigenthümlichen Anlage des Archoplas- mabegriffes konnte Boveri behaupten, dass in der unbe- fruchteten Eizelle die diesem entsprechende speeifische Substanz vorhanden wäre, das Centrosoma aber fehle; dieses sollte erst durch das Spermatozoon in das Ei hineingetragen werden. Wenn dies letztere nun selbst riehtig sein sollte (vergl. hiergegen 48; pag. 107 ff. ferner 35 und 37), so würden die radiären Systeme des in Furchung begriffenen Eies nach unserer Meinung doch nur, sagen wir: von dem „ordinären“ Mitom der Eizelle sich herleiten oder vielleicht auch z. Th. aus den vom Spermatozoon herbei- getragenen geringen plasmatischen Massen hervorgehen; jedesfalls aber läugnen wir im emer eentralkörperlosen Zelle eine derartige Substanz, welche dem Archoplasma Boveri’s entspricht. In den obigen Zeilen, glaube ich, ist genug enthalten, was meinen Standpunkt betreffend die Archoplasmafrage rechtfertigen kann. Sollte ich um dessentwillen stärkeren Angriffen ausgesetzt sein, so wird es mir gewiss leicht möglich sein zu Gunsten meiner Auffassung weiteres Beweismaterial herbeizuschaffen. Capitel XV: Theorie der Ubiquität der Centralkörper. 111. Bekamntlich haben van Beneden und Boveri die Oentralkörper für überall vorkommende, nie fehlende Zellen- organe erklärt. Diese Behauptung entbehrte, wie wir jetzt sagen können, wenigstens seiner Zeit der Kühnheit nieht. Denn damals wusste man noch nicht, was wir jetzt wissen, dass die Cen- tralkörper während der indirekten Theilung (bei den Zellen der Metazoen!) immer vorhanden sind und dies ist ja trotz aller Befunde an ruhenden Zellen die Hauptstütze der van Beneden-Boveri’schen Hypothese. Es ist leicht ersichtlich, dass bei der gegebenen Lage der Dinge die in Frage stehende Hypothese bezüglich ihres allge- 652 Martin Heidenhain: meinen Umfanges sofort widerlegt wäre, wenn irgend ein Unter- sucher beweisen könnte, dass während der indirekten Theilung irgend einer beliebigen Zellform (der Metazoen) die Centralkörper nicht zum Vorschein kommen. Wenn ich aber auch nur auf meine eigenen Erfahrungen Bezug nehme, so muss ich erklären, dass ich an zweckentsprechend hergerichteten Präparaten die Centralkörper bei mitotischen Figuren jeder Art, wie und wo sie sich auch immer fanden, habe beobachten können. Damit ist aber der Satz, dass die Centralkörper im Laufe der thierischen Entwicklung in ununterbrochener Folge der Ge- nerationen sich von einander herleiten, noch immer nicht erwiesen. Das Verdienst, diese Theorie zur Thatsache erhoben zu haben, werden wir schliesslich demjenigen Autor oder vielmehr derjenigen Methode zuschreiben müssen, vermittelst deren es gelingt, die Centralkörper allgemein, überall, in jeder ruhenden Zelle sichtbar zu machen. Ich habe mich selbst, und zwar in ausserordentlicher Weise bemüht, ein solches Verfahren zu schaffen und ich glaube wenigstens soviel behaupten zu können, dass die von mir neu construirten Hämatoxylin-Eisenlackfärbungen vorläufig das beste Mittel sind, Centralkörper zu demonstriren. Allein ich habe noch nicht Zeit und Musse genug gehabt, das Verfahren zu Gunsten der van Beneden-Boveri’schen Hypothese auszunutzen; im übrigen glaube ich auch nicht, dass diese Färbungen, so wie ich sie jetzt ausübe, völlig für den Erweis der gedachten Hypothese aus- reichen. Indessen könnten eventuell schon leichte Abänderungen genügen, um die Methode zur Vollendung zu bringen. 112. Esistnun aber möglich, sich eine genauere Vorstellung davon zu verschaffen, in wie weit heutzutage die in Rede stehende Hypothese als erwiesen gelten darf oder bis zu welchem Punkte sie sich wenigstens — höchst wahrscheinlich — in Zukunft ein- mal erweisen lassen wird. Ich denke auf Grund der vorliegenden Erfahrungen die Be- hauptung wagen zu dürfen, dass die Centralkörper sich zum mindesten als ein Attribut aller Zellen embryo- nalen Charakters werden herausstellen; dazu kommen, wie wir schon heute wissen, noch einige andere Zellformen, wie z. B. die Bindegewebs- und Pigmentzellen, Leukoeyten und Riesenzellen ete. Unter Zellen embryonalen Charakters verstehe ich aber Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 653 solche, deren Leistung für den Organismus wesentlich darin be- steht, sich zu theilen und neues Zellenmaterial zu produeiren. Ich rechne darunter mithin nicht bloss die Zellen des wachsenden Embryo, sondern auch viele Zellenformen des fertig gebildeten Thierkörpers, wie z. B. die epithelialen Elemente der drüsen- ähnliehen Ausbuchtungen des Darmkanals, die Zellen der Mal- pighi’schen Schicht der Epidermis, die Elemente in dem tiefsten Stratum der Talgdrüsenfollikel und vor allem die epithelialen speeifischen Elemente der Keimdrüsen. Vielleicht wird ein ein- faches Nachsuchen vermittelst der Eisenfärbungen die Central- körper an allen diesen Orten nachweisen lassen. Man sage nicht, dass solche Zellformen, wie sie oben auf- gezählt wurden, niemals zu den eigentlich „ruhenden“ Zellen gehören können. Der Charakter der „ruhenden“, ausserhalb der Mitose befindlichen Zelle bestimmt sich vor der Hand wesentlich nach den Verhältnissen des Kernes und das Vorhandensein der Centralkörper, sowie eines auffälligen radiären Systems spricht nicht gegen den Begriff der Zellenruhe. Irgend eine in meinem Sinne „ruhende* Zelle von einer wachsenden Salamanderlarve, also von einem embryonalen Geschöpfe, würde auch der grösste Gelehrte nieht nach besonderen Merkmalen von einer analogen, „ruhenden“ Zelle eines erwachsenen Geschöpfes zu unterscheiden wissen. Daher ist es leeres Gerede, wenn hie und da behauptet wird, dieser oder jener Centralkörperfund habe keine Bedeutung, denn er sei nicht an einer wirklich ruhenden Zelle erhoben wor- den, sondern bei Formelementen, welche sich häufiger zu theilen pflegen. DieCentralkörper würden schon eine ganz ausserordentliche Bedeutung gewinnen, wenn sieh nur nachweisen liesse, dass sie allen Ele- menten embryonalen Charakters im oben defi- nirten Sinne zu eigen sind. — Den gedachten Zellen stehen andere Elemente gegenüber, welche wiederum in zwei Klassen gebracht werden können; unter die eine würden Zellen zu rechnen sein, die sich unseres Wissens im erwachsenen Thierkörper überhaupt nicht mehr theilen, wie die Ganglienzellen; in der anderen Abtheilung hätten wir Zellen, deren Theilungsfähigkeit sich dadurch erweist, dass sie gelegentlich in Anspruch genom- men wird (Epithelzellen der Niere, glatte Muskelzellen ete.) 654 Martin Heidenhain: 113. Wäre der Satz omnis centrosoma e centrosomate für die Zellen unserer ersten Klasse, für die Zellen embryonalen Cha- rakters erwiesen, dann hätten wir in diesen eine gewisse Form von Centralkörpern, welehedieRkepräsentanten einer wäh- rend der Onto- und Phylogenese ununterbrochenen Generationsfolge sind. Da wir nun aber auch an den nur fakultativ sich theilenden Zellen (Nierenzellen, Pankreaszellen) während der Mitose die Centralkörper in ausgezeichneter Weise beobachten können, so würden wir hier, falls diese während der Zellenruhe nachweislich verschwinden, Centrosomen neuer Bildung haben, welches jedes Mal wieder von neuem ent- stehen, wenn die Zelle gezwungen wird in Theilung zu treten. Diese Centrosomen neuer Bildung wären zwar physiologisch den Centrosomen der ersten Art gleichwerthig, nicht aber mor- phologisch. Das Vorkommen von Centralkörpern zweierlei Art müsste als eine Convergenzerscheinung aufgefasst werden. Jene Öentrosomen der ersten Art, das wären sozusagen die Öentrosomen „von altem Adel“, die anderen, das wären „die Emporkömmlinge“, welche nach einer kurzen Epoche rühmlichen Daseins wiederum ins Nichts zurücksinken. Ehe ich in meinen Betrachtungen weiter fortschreite, wollen wir einen Augenblick bei diesem Probleme der Centrosomen neuer Bildung verweilen. Es handelt sich nicht nur um die Frage, ob diese bloss denkmöglich sind, sondern auch da- rum, ob man sich von ihrer hypothetischen Entstehungsweise eine histologische Vorstellung machen könne. Denn ist dies letztere nicht der Fall, dann kommt die Frage einer wirklichen Existenz solcher Bildungen als gänzlich imhaltslos vorläufig in Wegfall. Ich glaube, man geräth nun nieht in Schwierigkeiten, wenn man darauf ausgeht, sich die völlig neue Entstehung eines radiären Systems mit einem Centralkörper als Mittelpunkt zu- recht zu legen. Stellt man sich vor, dass ein Mitomfaden sich der Länge nach spaltet und dass die Theilprodukte an einem Punkte ihres Verlaufes den ursprünglichen Zusammenhang be- wahren, so kommen wir zu einem System von 4 Strahlen, welche von der ungespaltenen kleinen Theilstrecke her ihren Ursprung nehmen. Durch weitere Spaltung der vier ersten Strahlen könnte allenfalls ein vollständiges Radiärsystem entstehen. Was die Spaltungsfrage selbst anlangt, so glaube ich, dass das Vor- Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 655 handensein der Cohnheim’schen Felderung des quergestreiften Muskelbündels eine Illustration dieses Vorganges der Spaltung ächter Zellenfibrillen ist. Die Cohnheim’’sche Felderung näm- lich ist nur unter der Annahme erklärlich, dass die zu einem Bündel (Muskelsäulehen von Kölliker) gehörigen Fibrillen sich durch Spaltung von einer Mutterfibrille herleiten; die der Genese nach zu einander gehörigen Fibrillen bleiben unter dem Bilde des von Kölliker’schen Muskelsäulchens vereinigt. Uebrigens lehrt eine genaue Untersuchung an den Primitivbündeln der Insekten (Schmetterlingsraupen), dass die Cohnheim’schen Felder des Muskelquerschnittes nieht unter einander gleichwerthig sind, son- dern dass wir Felder primärer, secundärer, tertiärer ete. Ordnung unterscheiden müssen, wobei die Felder höherer Ordnung aus der Zusammensetzung der Felder niederer Ordnung hervorgehen. Dieses eomplexe Verhältniss ist ganz allen auf Grund einer im Laufe der Entwicklung vor sich gehenden Fibrillenspaltung er- klärlich, indem nämlich immer die Felder gleicher Ordnung die- jenigen Fibrillen oder Fibrillenbündel umfassen, welche in einem näheren verwandtschaftlichen Verhältniss zu einander stehen, be- ziehungsweise aus einer Mutterfibrille hervorgegangen zu denken sind. Nach dieser Abschweifung über die Fibrillenspaltung kehren wir zu der Centrosomenfrage zurück. 114. vWiri Bebemsdie „Möglichkeit sdierunEnt- stehung von „Centrosomen neuer Bildung“ zu, denn wir müssen die Entstehung neuer Radiärsysteme auf Grund einfacher Fibrillenspaltungen zugeben. Aber es ist doch nun sehr merkwürdig, dass diese Centrosomen einer zweiten Klasse, wenn wir ihrer einmal während der Mitose der fakultativ sich theilen- den Zellen habhaft werden, sich genau so mit Eisenhämatoxylin färben wie jene Centrosomen „von altem Adel“. Dieses färbe- rische Verhalten könnte in der Zukunft eine Handhabe für den Nachweis abgeben, dass hier doch nicht „Centrosomen neuer Bil- dung“ vorliegen. Wir wissen nämlich, dass die Centralkörper die offenbare Neigung haben, sich während der Anaphasen zu theilen; man hat an vielen mitotischen Figuren während der Ana- phasen an den Theilungspolen doppelte Centrosomen gefunden. Nun können wir fernerhin behaupten, dass im allgemeinen jeder neu entstehende Centralkörper die Bestimmung habe, später ein- 656 Martin Heidenhain: mal an einem Spindelpol zu stehen. Wenn also sich herausstellen sollte, dass bei den fakultativ sich theilenden Zellen des erwach- senen Thieres (glatte Muskelzellen, Nierenzellen, Pankreaszellen ete.) das Centrosoma sich während der Anaphase theilt, so würde meiner Meinung nach damit ohne Weiteres bewiesen sein, dass diese Tochtereentrosomen auch während der Zellenruhe sich als morpholo- sische Gebilde erhalten, denn es lässt sich kein Grund denken, warum etwa die Centralkörper „neuer Bildung“, deren theoretische Möglichkeit wir oben in Erwägung zogen, sich am Ende der Mitose theilen sollten. Die Theilung selbst würde un- mittelbar beweisen, dass ein Centrosoma „von altem Adel“ vorlag. Diesbezügliche Feststellungen würden sich gewiss mit ge- ringer Mühe machen lassen. Diese indirekte Beweisführung könnte auch zur Bestimmung der Gegenwart der Centralkörper in den ruhenden Zellen von „embryonalem Charakter“ gebraucht werden, Kämen wir so zu positiven Resultaten, so würde es am Ende der van Beneden-Boveri’schen Theorie von der Ubiquität der Centralkörper am Ende nur einen geringen Eintrag thun, wenn sich schliesslich herausstellen sollte, dass es einige wenige Zellen- formen giebt, welche, da sie im erwachsenen Thierkörper nicht mehr theilungsfähig sind, die Centralkörper völlig einbüssen. Es würde sich, so weit ich das zu beurtheilen vermag, wohl wesent- lich nur um die Ganglienzellen handeln. Allein auch hier ist für eine Speecialuntersuchung Aussicht auf Erfolg vorhanden, da doch von einigen Ganglienzellenformen her sowohl radiäre als auch concentrische Anordnungen bekannt sind. Gapitel XVI: Die Substanz der Gentrosomen. 115. Nachdem in Capitel 14 schon über die etwa vor- handene specifische Qualität der in die Radiärsysteme eingehen- den Substanz verhandelt wurde, kommen wir nun zu der Frage, ob den CGentrosomen selbst ihrer Substanz nach eine speeifische Qualität beizumessen sei. Wenn ich in Betreff dieses Punktes in Folgendem eine ein- gehende Erörterung bringe, so lasse ich hierbei zunächst die weitere Frage ganz ausser Acht, ob die Materie der Centrosomen etwa einem Gemenge verschiedener chemischer Körper entspricht. Denn dies würden wir wohl auf direcktem Wege überhaupt nicht Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 657 entscheiden können; andererseits mache ich von vornherein da- rauf aufmerksam, dass, wie wir noch später sehen werden, auf indirektem Wege die Zusammensetzung der Centralkörpersub- stanz aus mindestens zwei verschiedenen chemischen Körpern mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erschlossen werden kann. Diese Nebenfrage lasse ich also um einer leichteren Diskussion willen zunächst bei Seite, indem ich nur ganz allgemein die Frage nach einer speeifischen Qualität der Centralkörper zur Behandlung bringe: diese wäre ja doch schon durch die Gegenwart eines einzelnen speeifischen Körpers gegeben. 116. Wir haben keinen anderen Weg als den der färbe- rischen Reaktion; also müssen wir uns demnach fragen, durch welche Verfahrungsweisen bisher die Centralkörper färberisch sicht- bar gemacht wurden. O0. Hertwig färbte die Centrosomen vermittelst des Säure- fuchsins. Ebenso nehmen die Centrosomen aus der Biondi’'schen Lösung das Säurefuchsin oder Rubin S auf, wie aus dem Farben- ton der Körperchen selbst zu entnehmen ist. Nach meinen Er- fahrungen ist die Affinität der Centralkörper zu dem genannten Farbstoff sogar eine recht hohe, wenigstens bei ruhenden Zellen; auffallend ist nur, dass die Polkörperehen der mitotischen Fi- guren in der Biondi’schen Lösung sich recht schlecht färben. Eine speeifische Qualität vor anderen Zellenbestandtheilen wird aber durch diese Farbenreaktion nicht erwiesen, denn die Zellenmikrosomen, die färbbaren Querglieder der Zellenfäden, zeigen ebenfalls eine recht lebhafte Neigung, sich mit dem Rubin S zu beladen, des- gleichen die Lanthanin-Mikrosomen des Kerns und die ächten Nukleolen; diese letzteren färben sich sogar immer stärker als die Centralkörper. ©. Hertwig hat aus dem Verhalten der Cen- tralkörper zu dem Säurefuchsin auf eine speeifische Verwandtschaft geschlossen, welche zwischen ihnen und der Klasse der sauren Anilinfarbstoffe bestehen sollte. Nun glaube ich zwar an- nehmen zu müssen, dass van Beneden in dem von ihm benutzten Malachitgrün ebenfalls einen sauren Farbstoff vor sich hatte, allein meine weiteren Versuche haben nach der gedachten Rich- tung hin nur geringe Erfolge ergeben. Das Chromgrün, ein saurer Anilinfarbstoff, lässt die Centralkörper auch nieht spurweise hervortreten; das Säureviolett macht zwar sehr schöne Cen- 1 658 Martin Heidenhain: tralkörperfärbungen, allein doch nur unter ganz bestimmten Be- dingungen; das Bordeaux zeigt nur dann ein Weniges von den Oentralkörpern, wenn es sich um besonders günstige Objekte handelt (Lymphocyten vom Proteus). Haben wir an den sauren Anilinfarben keinen rechten An- halt, so ıst dies bei den basischen noch viel weniger der Fall. Van der Strieht und Hermann haben mit Saffranin, der letztere Autor auch mit Gentianaviolett die Centrosomen sichtbar machen können; indessen konnte ich trotz mehrfacher Versuche an verschiedentlich vorbehandelten Objekten dies nicht nachmachen. Ebenso ergaben Thionin, Methylgrün, Methylviolett und andere basische Anilinfarbstoffe negative Resultate. Indessen hat sich das Cyanin (Altmann) gelegent- lich wirksam gezeigt, so dass am Ende aus alledem bezüglich der Neigung oder Abneigung der Centrosomen gegenüber den ba- sischen Anilinfarbstoffen nichts hervorgeht. Dies ist um so be- merkenswerther, weil ja das Chromatin (Basichromatin) der Kerne eine ganz besondere Verwandtschaft zu den basischen Anilinfar- ben zeigt. Hier wäre auch das Flemming’sche „Orangeverfahren“ zu erwähnen. Bei Gelegenheit dieser kuriosen Procedur wird die Centralkörperfärbung vielleicht durch ein basisches Anilin- farbstoffgemisch (Saffranin und Gentiana) erwirkt. Da aber bei Zusatz von Orange G zu Gentiana- oder Saffraninlösungen sofort der neutrale Farbkörper entsteht, kann man doch nicht wissen, welehe Art von Färbung bei dem Flemming’schen Verfahren vorliegt. Sicher ist, dass Flemming nicht mit drei, sondern mit wenigstens fünf Anilinfarben arbeitet: einem sauren, zwei basischen und zwei im Schnitt hinterdrein produeirten neutralen Farbkörpern. Die „Differenzirung“ erfolgt jedesfalls dadurch, dass die Neutralfarben im Ueberschuss der sauren Farbe löslich sind. — Hier wäre auch Benda’s Verfahren der Centralkörperfärbung zu besprechen (eitirt nach Hermann in 45). Dieser Forscher behandelt die Präparate zuerst mit Saffranin, dann mit Säureviolett oder Liehtgrün. Hierbei müssen noth- wendig neutrale Farbkörper entstehen. Man kann sich sehr leicht davon überzeugen, dass bei Zusatz eines sauren Anilinfarbstoffes (Liehtgrün, Orange G, Säureviolett, Bordeaux R) zu basischen Anilinfarbstoffen (etwa Saffranin und Gentiana) sofort starke Nieder- Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 659 schläge entstehen, welche der Neutralfarbe entsprechen. Wenn wirklich die Neutralfarben eine wirksame Centrosomenfärbung abgeben sollten, so eröffnet sich ein reiches Feld technischer Möglichkeiten. Ich habe selber probirt mit Neutralfarben (26; pag. 461) zu tingiren. Bei Anwendung der Ehrlich’schen Triaeidlösung erhäit man unter gewissen willkürlich zu re- selnden Umständen eine schwärzlich-graue Färbung der Centro- somen, durch welche sie recht gut hervortreten. Nach meinen Erfahrungen an der Hand der Biondi’schen Lösung sowie an der Hand sehr verdünnter Triaeidlösungen ') kann ich diese schwärzliche Tinktion nieht auf das Rubin S zurückführen, und da andererseits das in dem Triaeid enthaltene Methylgrün für sich allein die Centralkörper schlechterdings nicht färbt, so muss ich annehmen, dass hier die Neutralfarbe zur Wirkung ge- kommen ist. Dies giebt Fingerzeige für weitere Färbungsver- suche an den Oentralkörpern. 117. Ausser mit Anilinfarben sind die Centralkörper auch mit Hämatoxylinfarben systematisch tingirt worden. So konnte Hermann (44; pag. 583) nach einem sinnge- mäss modifieirten Pal’schen Verfahren die Körperchen sichtbar machen. Ich selbst habe Färbungen vermittelst Chrom- und Eisenhämatoxylin zu Stande gebracht, wogegen Wismuth- und Alumimium-Hämatoxylin unwirksam blieben; das Vanadium-Hä- matoxylin lässt die Centrosomen in geringer Weise hervortreten. Die Chromhämatoxylinfärbungen lieferten recht schöne und deutliche Bilder, indessen lassen sie sich nicht willkürlich pro- dueiren. Die Eisenlackfärbungen nach Bordeaux- und Anilinblau- Vorbehandlung sind, wie ich nun gleich besprechen will, mit Bezug auf die hier vorliegende Frage nach der specifischen Natur 1) Die Biondi’sche und Ehrlich’sche Lösung enthalten neu- trale Farbkörper. Es scheint, dass bei sehr starken Verdünnun- gen dieser Gemische, wie sie zur Schnittfärbung sich eignen, die Ei- weisskörper der Gewebe entsprechend den ihnen inne wohnenden che- mischen Affinitäten die Fähigkeit erhalten, die neutralen Farben zu spalten und sich mit den Spaltungsprodukten zu beladen. An mit Biondi’scher Lösung und stark verdünnten Triaeid-Lösungen behan- delten Präparaten ist, wie mir scheint, der Ton der Neutralfarbe nicht auffindbar. 660 Martin Heidenhain: der Centralkörpermaterie und auch sonst in theoretischer Hinsicht unter allen den aufgezählten wirksamen Tinktionen die bei weitem interessantesten. Die in Rede stehende Färbung ist, wie der Leser sich ent- sinnen wird (Absatz 4), eine regressive, und als solche ist sie inkonstant, insofern die Färbungsverhältnisse verschiedener Zellen- individuen der nämlichen Species auch auf ein und demselben Schnitte am Ende nicht durchaus die gleichen sind. Von einer einfachen chemischen Reaktion ist also von vornherein nicht die Rede, indessen wurde dies Verfahren überhaupt erst da- durch möglich, dass die Centralkörper gegenüber der Eisenfarbe schon ursprünglich eine besondere „Affinität“ zeigten, welche dann (durch einen Kunstgriff, die Protoplasma-Vorfärbung, in gesteiger- tem Maasse zur Anschauung gebracht wurde. Das Wort „Atti- nität“ verstehe ich hier zunächst in einem ganz allgemeinen Sinne, so dass ich es vorläufig ganz unentschieden lasse, ob das ge- dachte Verwandtschaftsverhältniss eine chemische, physikalische oder irgend eine andere Ursache habe. Was die Art dieser Färbungen anlangt, so zeigt sich in vielen Fällen, dass sie eine „reine“ ist; in den betref- fenden Zellen hat dann überhaupt kein anderer Bestand- theil die Eisenfarbe eonservirt als gerade eben nur die CGentralkörper. Dieser Effekt lässt sich willkürlich produeiren, insofern man wenigstens bei einem Schnitte durch rothes Knochen- mark, in welchem ja immer eine ungeheure Masse gleichartiger Zellen vorhanden ist, bei richtiger Differenzirung immer eine Reihe von Zellen, ja mitunter Hunderte finden wird, die diese „reine“ Cen- tralkörperfärbung zeigen. Dagegen wird man daneben immer Zellen haben, welche auch die Nukleolen oder geringe Theile des Chromatingerüstes oder auch einige Protoplasmamikrosomen, vornehmlich auch die van Beneden’schen Körner gefärbt zeigen. 118. Will man sich nun von der Art und Weise, wie die Färbung zu Stande kommt, ein Bild machen, zu dem Zwecke, um aus dem Gang der Dinge selbst eventuell zu einem Schluss auf die Materie der Centrosomen zu kommen, so muss man eine Reihe von Präparaten durchmustern, welche in ver- schiedenem Grade, verschieden lange, extrahirt wurden. Hierbei er- giebt sich, dass durehschnittlich Protoplasma, Linin und Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 661 Lanthanin die Farbe eher abgeben als das Chromatin, das Chromatin eherals die Nukleolen und die Nukleolen eher als die Gentralkörper. Was bedeutet nun diese Reihen- folge der allmählich fortscheitenden Entfärbung ? Bei der Regression der Farbstoffe kommen drei Momente in Betracht, welche die restirende Färbung bedingen: 1. Die ehemisehe Qualität der zu färbenden Zell- bestandtheile. 2. Der Grad der Dichte in der Zusammenlagerung der Massentheilchen, also die physikalische An- ordnung. Die relative Grösse der zu färbenden Elemen- tartheile. Ad 1 ist zu bemerken, dass besonders nach den vorzüg- lichen Arbeiten Ehrlich’s es vollkommen fest steht, dass die histologischen Färbungen, speciell diejenigen vermittelst der Ani- linfarben, gewiss auch die Hämatoxylin- und Karminfärbungen ihre Grundlage haben in gewissen chemischen Affimitäten der Eiweisskörper gegenüber den Farbkörpern. Ad 2. Im allgemeinen färben sich die diehteren Körper stärker als die weniger dichten. Ein bestimmter Elementartheil der Zelle wird z. B. im Zustande der Quellung mit einem be- stimmten Mittel sich schwächer, im Zustande der Schrumpfung sich stärker färben als bei normaler Grösse. Ad 3. Bei gleicher Diehte und gleicher Qualität des Stoffes werden die nämlichen morphologischen Gebilde sich um so rascher entfärben, je kleiner sie sind. Von den Nukleolen z. B. oder den Chromatinbalken entfärbt sich ganz sicher der feinere rascher als der gröbere. &9 119. Es ist nun einigermaassen schwierig den Entscheid darüber zu treffen, welchen Antheil die Grösse, die Dichte oder die etwa vorhandene speeifische Qualität der Centrosomensubstanz auf das Zustandekommen der im Frage stehenden „reinen“ Fär- bung haben. Die Substanzdichte könnte nur dann einen Einfluss haben, wenn sie eine besonders hohe wäre, wie dies bei den Nukleolen der Fall ist. Die Nukleolen sind ja im conser- virten Präparate so dicht, so steinhart, dass man sie auf ent- sprechend dünnen Schnitten (3 u), bei deren Anfertigung sie sehr 662 Martin Heidenhain: oft von der Schneide des Messers getroffen werden, mit dem letzteren häufig aus dem Kern heraus- und in das Protoplasma der Zelle hineinschleppt (Auswanderung des Plasmosomas nach Gaule). Daher sind die Nukleolen leicht auch im ungefärbten Schnitte an ihrer starken Liehtbrechung zu erkennen. Dies ist nun nicht der Fall bei den Centrosomen. An ganz farblosen Schnitten (Sublimat- oder Alkoholfixirung) kann man sie an Leuko- eyten, Riesenzellen und Pigmentzellen nieht erkennen. Daher kann ich ihnen eine hohe Substanzdichte nicht beimessen; diese kommt somit bei den regressiven Färbungen ganz gewiss nicht wesentlich in Betracht. Es haben zwar eine ganze Reihe von Autoren angegeben, dass die Centrosomen stark lichtbrechend seien ; ich glaube aber, die betreffenden Untersucher werden mit Conservirungsflüssigkeiten gearbeitet haben, welche an sich den Geweben einen schwachen Farbenton geben (Flem- ming’sche und Hermann’sche Gemische), so dass hierdurch die Centrosomen sich von der Umgebung abhoben. Wir können uns nun die vorliegende Frage weiterhin ver- einfachen. Wir brauchen nämlich nicht erst zu beweisen, dass die chromatische Substanz des Kerns (Basiehromatin) nieht identisch sei mit der Materie der Centrosomen; im anderen Falle müsste man mit jedem Chromatinfärbemittel die Centralkörper in leichter Weise tingiren können; dies trifft aber, wie allgemein bekannt, nicht zu. Ebenso lässt sich sehr leicht zeigen, dass die Substanz der Nukleolen, das Pyrenin, durchaus verschieden ist von den innerhalb der Centralkörper eingeschlossenen Substanzmengen. Wenn nämlich bei der in Rede stehenden Tinktionsmethode, im Falle der „reinen“ Färbung der Centralkörper, kolossal grosse Nukleolen sich rascher entfärben als die zumal bei den Riesenzellen winzigen Centrosomen und dies, trotzdem die Masse der Nukleolen von einer ausserordentlichen Diebte ist, so geht daraus unmittelbar hervor, dass ein sehr beträchtlicher Substanzunterschied vorhanden sein muss. Was ferner die Lininsubstanz des Kerns anlangt, so, denke ich, ist auch sie durchaus verschieden von der in den Centrosomen sich färbenden Materie. Dies geht allein schon aus dem Ver- halten gegenüber der Biondi’schen Lösung hervor, in welcher sich die Centrosomen recht kräftig, das Linin der Kerme da- gegen gar nicht oder fast gar nicht färbt. Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 663 120. Wir hätten mithin jetzt das ganze Problem eingeengt auf die Frage, wie sich die Centralkörper einerseits zu den Lanthanin- und Zellenmikrosomen andererseits verhalten. Nun ist gewiss, dass die ersteren, bei den Leukocyten wenigstens, durchsehnittlich um ein Geringes grösser sind als die letzteren. Mit- hin könnte das Extraktionsphänomen lediglich durch den Grössen- unterschied bedingt sein. Hier ist nun in Rechnung zu ziehen, dass es bei den genannten Mikrosomenklassen sich überhaupt um sehr geringe absolute Grössen handelt und dass die Grössen- differenz an sich eine minimale ist, während auf der anderen Seite in der oben gegebenen Skala der Entfärbungen die Lan- thanin- und Zellenmikrosomen an erster, die Centralkörper aber an letzter Stelle stehen. Sollte da also der Grössenunterschied allein so bedeutende Differenzen des Verhaltens bei der Extrak- ‚tion zu Wege bringen? Ausserdem: wäre in den Uentralkörpern die gleiche färbbare Substanz gegeben wie in den Zellen- oder Lanthaninmikrosomen, so müssten sie, da sie einmal voluminöser sind, sich mit jedem Mittel stärker färben lassen, welches jene Mikrosomen im mikroskopischen Bilde zur Darstellung bringt. Dies ist aber keineswegs der Fall; z. B. ein so ungemein sicher pro- gressiv wirkendes Mittel wie das Anilinblau färbt die Zellen- und Lanthaninmikrosomen, namentlich die letzteren, sehr kräftig. Dagegen ist von den Centralkörpern bei Anilinblaufärbungen nur selten etwas zu bemerken und dann sind sie immer nur ganz schwach tingirt. Mithin schliesse ich aus alledem, dass den Central- körpern irgend eine in chemischem Sinne speeifische Substanz zukommen muss, welche an anderen Orten der Zelle nicht vorhanden ist; ich halte dafür, dass die Centrosomen ihrer Materie nach Dinge sui generis sind. Diese obige Beweisführung ist selbstverständlieh weder voll- ständig, noch auch zwingend, denn man wird schwerlich auf färberischem Wege allein über die besondere Qualität so winziger Dinge etwas ausmachen können. Auch habe ich, um noch eines zu erwähnen, unter allen Substanzen der Zelle jene nicht berück- sichtigt, welche unter der Form achromatischer Verbindungsbrücken die Zellenmikrosomen zu Fäden an einander reiht. Indessen be- trägt sich diese Substanz allen Färbungsmitteln gegenüber so sehr 664 Martin Heidenhain: ähnlich wie das Linin der Kerne, dass beide einander sehr nahe stehen müssen. — 121. Ich komme schliesslich noch dazu, einige Einwen- dungen zu widerlegen, die der obigen Beweisführung von vorn- herein entgegen gehalten werden könnten. Man könnte nämlich sagen, dass die Centrosomen nur da- rum langsamer entfärbt werden, weil die in ihrem Umfang be- findliche und sehr dicht gebaute Astrosphäre dem Andringen der Differenzirungsflüssigkeit einen Damm entgegensetzt. Es ist dies im Grunde genommen genau derselbe Einwand, den ich Boveri gegenüber bei Besprechung der Reaktion auf das „Archoplasma* vermittelst der Pikrinessigsäure geltend gemacht habe. Nun liegen aber hier die Dinge doch ganz anders! Das Ei von Ascaris ist gegenüber dem Lymphocyten vom Kaninchen ein wahrer Riese und die Fixirungsflüssigkeit wird bei jenem nur relativ langsam von aussen nach innen hin vordringen, zumal bei dem enormen von van Beneden so drastisch geschilderten Widerstande der Eihüllen. Hier haben wir dagegen Schnitte dureh ein weiches Gewebe von 3u Stärke, die also an Dicke noch lange nicht dem halben Durchmesser eines rothen Blut- körperehens vom Menschen gleichkommen. Für das Hinzudringen der Entfärbungsflüssigkeit sind somit die möglichst günstigen Be- dingungen gegeben. Ausserdem werden ja auch jene völlig iso- lirten Centralkörperchen, welche von der Centralkörper-Haupt- gruppe her sich durch das Endoplasma hin verstreuen, in präciser Weise gefärbt, auch ohne dass ein allseitig ausgebildetes Ra- diärsystem von diesen her seinen Ursprung nähme. Schliesslich sind jene schützenden Hüllen, wenn man die Astrosphären für solehe nehmen wollte, entsprechend der geringen Schnittdicke, grösstentheils als angeschnitten zu denken. Ich denke daher, wir können diese Einwendung auf sich beruhen lassen, zumal da auch bei der Ausübung anderer regres- siver Verfahrungsweisen es sich nicht bemerkbar macht, dass die Sphären a conto ihrer grösseren Dichte die Farbe wesentlich langsamer abgeben als die übrigen Zellbestandtheile. Man könnte mir ferner, allerdings nur bei geringem Nach- denken, einwenden, dass durch die Vorbehandlung mit Proto- plasmafarben (Bordeaux R, Anilinblau) die natürlichen Verwandt- Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 665 schaftsverhältnisse der Zellbestandtheile zu anderen Farbkörpern sich in starkem Grade ändern, so dass, wenn hermach dieselben Schnitte der Eisenfärbung unterzogen würden, sich aus der Art und Weise der Regression des Farbstoffes nichts mehr schliessen liesse. Hiergegen habe ich Folgendes anzuführen. Die Schnitte werden bei meinem Verfahren über 24 Stun- den in einer dünnen Lösung von Bordeaux oder Anilinblau auf- gestellt und es unterliegen demgemäss während dieser Zeit sämmt- liche Zellbestandtheile von aussen her den gleichen chemischen Einflüssen; mithin: wenn nicht von vornherein die chemi- schen Affmitäten der Centralkörper zu den genannten Proto- plasmafarbstoffen einerseits und zu der Hämatoxylineisenfarbe andererseits sich von den Affinitäten der übrigen Zellbestand- theile different verhielten, dann würde es am Ende überhaupt nicht zu einem Färbungseffekte kommen, welcher sich, wie ich gezeigt habe, als unabhängig von der Grösse und Dichte der elementaren Strukturtheile darstellt. Jene Bordeaux- und Anilin- blaulösungen, welche von mir verwendet wurden, stehen in chemi- scher Beziehung zu dem Schnitt in keinem anderen Verhältniss, als etwa das Conservirungsmittel, die Sublimatlösung, oder der Alkohol oder die Wärme bei der Paraffineinbettung: man könnte nämlich ganz eben so gut einwenden, dass schon durch diese Verfahrungsweisen die natürlichen Affinitätsverhältnisse der Eiweisskörper abgeändert würden. Wenn wir aber überhaupt vermittelst des Mikroskopes an conservirten und gefärbten Schnitten Untersuchungen über die relativen chemischen Valenzen der Gewebebestandtheile anstellen, so stützen wir uns ja doch immer darauf, dass das Präparat bis zu dem Augenblicke der Mikroskopie in allen seinen Theilen den gleichen äusseren Einflüssen unterlag. Ja dieses von mir beliebte subtraktive Tinktionsverfahren ist eigentlich das experimentum erueis gehörig zu der Theorie der chemischen Eigenart der Centralkörper. Ich wusste von den einfachen, unkomplieirten Eisenfärbungen her, dass da in vielen Fällen, aber leider nicht mit der genügenden Constanz, die Centralkörper intensiv schwarz auf farblosem Grunde erscheinen. Daraus bildete ich mir die Vorstellung, dass eine speeifische Qualität der Materie vorliegen müsse, denn von einer besonderen Substanzdichte konnte nieht die Rede sein und ebenso konnte die relative Grösse gegenüber anderen Elementartheilchen Archiv f. mikrosk. Anat, Bd. 43 45 666 Martin Heidenhain: der Zelle nieht in Betracht kommen. Ich zog mithin den Schluss, dass die Uentrosomen, um es einmal so auszudrücken, eine „positive“ chemische Affinität zu der Eisenfarbe besitzen müssten, und beschloss nun demgemäss eine andere Tinktion voraus- zuschicken, bei welcher die Centralkörper den restirenden Zell- bestandtheilen gegenüber sozusagen in dem Verhältniss einer „negativen“ Affinität stünden, d. h. bei welcher sie sich nicht oder wenigstens nicht in auffallender Weise tingiren. So hoffte ich die ganz bestimmten heaktionsweisen, welche die Cen- trosomen gegenüber den Farbkörpern nach zwei entgegen- gesetzten Richtungen hin zeigten, gleiehsam in Differenz dar- zustellen und mit einem Male zur Anschauung zu bringen. Dies ist mir beim ersten Versuch gelungen und ich habe hinter- her viele Hunderte von Schnitten in der nämlichen Weise mit sutem Erfolge behandelt. So glaube ich mit grosser Wahrscheinlichkeit die Speei- fität der Materie der Gentrosomen behaupten zu können, dies mit der Einschränkung jedoch, dass es sich wohl um ein Gemenge verschiedener chemischer Körper handeln wird, wie ich weiter unten noch darlegen werde. Welcehem Zwecke diese speeifische Substanz dient, das wird uns wohl vorläufig verborgen bleiben. Es ist möglich, dass sie mit jener Rolle der Centralkörper, welche sie als Insertionsmittel- punkte der centrirten Systeme erscheinen lässt, in Zusammenhang gebracht werden muss; dann würde es sieh vielleicht um eine Masse von besonderer Zähigkeit handeln, welche die Ursprungs- punkte der centrirten Fibrillen unter einander verkittet. Capitel XVIL: Die physiologische Rolle der Gentralkörper. 122. Wenn wir die physiologischen Bethätigungen der Centralkörper im Organismus der Zelle einer besonderen Betrach- tung unterziehen wollen, so glaube ich, ist es vor allem geboten, die direkt wahrnehmbaren, aktiven Lebensäusserungen der Central- körper zu scheiden von ihren blossen Orts- und Lageveränderungen, sollten dieselben auch gesetzmässiger Natur sein wie während des Ablaufs der Mitose; denn bezüglich dieser ist es ja von vornherein zweifelhaft, ob sie im wesentlichen aktiver oder pas- siver Natur sind. Dann hätten wir in Erwägung zu ziehen, ob nicht von den Oentralkörpern als ihrem Entstehungsorte aus sich Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 667 gewisse Erregungen in die Zellsubstanz fortpflanzen, welche dort die Ursache physiologischer und schliesslich auch morpho- logischer Veränderungen werden. Diese letztere Frage schliesst dann speciell auch das Problem in sich ein, ob die Central- körper an den zur „Vererbung“ führenden Vorgängen aktiven Antheil nehmen. Was die direkt an einem Centralkörper wahrnehmbaren ak- tiven Lebensäusserungen anlangt, so möchte ich gleich bemerken, dass sie wesentlich in seinem Vermögen zu wachsen und sich fort- zupflanzen gegeben sind. Hier kommt noch hinzu, dass jedes Öentrosoma unter entsprechenden Bedingungen in der Lage ist, sich zu einem Mikrocentrum fortentwickeln zu können. Nach den obigen Aufstellungen würden wir zunächst noch einmal die Genese der Centralkörper, sowie diejenigen Vor- sänge oder Veränderungen, welche ganz unmittelbar mit und durch die Vermehrung der Centralkörper zu Stande kommen, der Betrachtung unterziehen müssen. Diese Auseinandersetzungen würden mithin mehr die häuslichen oder internen Angelegenheiten der Centrosomen selbst, sowie die ihnen am Zellkörper unmittelbar folgenden Wirkungen betreffen; an dieser Stelle will ich dann auch noch einmal genauer das Ver- hältniss der Centraikörper-Vermehrung zum Ablauf der Mitose besprechen. In zweiter Linie hätten wir dann die Rolle der Central- körper als fertig gegebene, integrirende Bestandtheile des Zell- leibes ins Auge zu fassen. Diese Rolle der Centralkörper könnte, wie eine einfache Betrachtung a priori lehrt, offenbar nach zwei ganz verschiedenen Richtungen hin zur Entwicklung gelangen: wir würden uns nämlich einmal fragen müssen, in wie weit etwa die Centralkörper oder Mikrocentren lediglich als Insertionsmittel- punkte!) eines Systems contraetiler Fibrillen in Betracht kommen (Theorie der Insertionsmittelpunkte) und ferner, ob abgesehen hiervon die Gentrosomen in der Lage sind, eine materielle Herr- schaft geringeren oder grösseren Umfangs auszuüben. Unter der problematischen „materiellen Herrschaft“ würde ich aber 1) In physiologischer Rücksicht kann man die Centralkörper, bezw. die Mikrocentren auch als celluläre „Insertionsmittelpunkte“ be- zeichnen. Denn sie stehen im Mittelpunkte eines Systems centrirter Zellenfäden und ihre Oberfläche dient diesen letzteren zur Insertion. 668 Martin Heidenhain: eine Herrschaft auf Grund der in ihnen enthaltenen Materie (ihrer chemischen Qualität, ihrer Anordnung oder ihrer spontanen Ver- änderungen) verstehen (Theorie der materiellen Herrschaft der Centralkörper). In diesem Falle würde eine Reihe phy- siologischer Vorgänge im Zellplasma von den Centralkörpern als dem Orte ihrer ursprünglichen Entstehung oder Verursachung her ihren Ausgang nehmen. Die in der Literatur betreffs der Rolle der fertig gebildeten Centralkörper bereits niedergelegten Anschauungen scheide ich mit- hin begrifflich nach zwei Richtungen, indem ich sage, dass diese Anschauungen entweder der „Theorie der Insertionsmittelpunkte* oder „der Theorie der materiellen Herrschaft“ gemäss seien. Was meinen eignen Standpunkt gegenüber diesen beiderlei An- schauungsformen anlangt, so will ich hierüber von vornherein keinen Zweifel lassen. Ich meine, dass wenn irgend ein com- plexes Zellenphänomen, bei welchem die Centralkörper oder Mi- krocentren in Mitbetheiligung treten, zur Erklärung kommen soll, zuerst der Versuch gemacht werden müsse, diese 3etheiligung gemäss der „Theorie der Inser- tionsmittelpunkte* zu erläutern. Denn auf diesem Wege allein kommen wir zu einfachen Vorstellungen, und „die Natur ist immer einfach, nur der Irrthum redet mit tausend Zungen“ (A. Riehl). Reicht diese Art die Sache sich vorzustellen nicht aus, dann möge man immerhin zu der „Theorie der materiellen Herrschaft“ seme Zuflucht nehmen, d. h. es steht dann jedem frei auf das zu spekuliren, was man nicht beweisen kann. 123. Was die Entstehung der Centralkörper an- langt, so wurde im ersten Theile dieser Arbeit gezeigt, dass die Theilprodukte von Anfang an ungleich gross sind; ja die Grössendifferenz ist eine so ausserordentliche, dass der ganze Vorgang unter dem Bilde einer Knospung sich darstellt: Von einem bereits vorher vorhandenen grösseren Centrosoma schnürt sich ein um Vieles kleineres Centralkörperchen, ein Centroso- mation, los, welches nun im Verhältniss zu dem ersten als ein Tochtereentrosoma erscheint. Diese Abschnürung wurde speciell während der Zellenruhe beobachtet, so dass nun zu den be- reits vorhandenen zwei Centrosomen ein drittes hinzutrat. Man kann neben diesem kleinen dritten Körperchen in seltenen Fällen Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 669 noch ein viertes ähnliches, ein zweites Uentrosomation, be- obachten, welches ebenfalls während der Zellenruhe gebildet sein muss, da nämlich der Lymphoeyt aus der Mitose wohl bisweilen mit 3, nie aber mit 4 Centrosomen zur Ruhe zurückkehrt. Die Theilung der Centrosomen ist ein selbststän- diger Lebensakt und erfolgt gewiss zunächst nur aus inneren Ursachen, wenn freilich auch die allgemeinen Bedingungen des Zellenlebens den ersten Anlass dazu geben mögen, dass eine der- artige „Theilung“, wir sagen besser: Knospung in Gang kommt. Die Theilung der Centrosomen steht nun aber bei den Lymphocyten nieht in einer unmittelbaren Beziehung zur Mi- tose. Eine „retrospecetive* Beziehung zur Mitose ist schein- bar dadurch gegeben, dass die Lymphzelle mindestens mit zwei Öentrosomen die Mitose verlässt: die Theilung des ursprünglich einheitlichen Centralkörpers muss also spätestens während der Telokinesis erfolgen. Man kann die Lage aber auch von einem anderen Gesichtspunkte her autfassen, welcher mir richtiger zu sein scheint. Die Theilung der Centrosomen, sofern sie während der späteren Stadien der Mitose stattfindet, leistet nämlich für die in Gang begriffene Mitose nichts mehr. Danach fasse ich das Mikrocentrum, d. h. die Anwesenheit mehrerer durch eine primäre Centrodesmose an einander geknüpfter Centralkörper, als ein Attribut der ruhenden Zelle auf und hiermit verschwindet die angebliche Beziehung zur Mitose. Die Existenz des Mikrocentrums an sich bedeutet aber ebenso wenig eine „Vorbereitung“ zur Mitose; denn dureh die Bil- dung des Mikrocentrums wird nicht nothwendig eine Theilung verursacht oder auch nur in Aussicht gestellt. Ich wiederhole mithin, was ich schon früher ausgeführt habe, dass das Mikro- eentrum der Lymphoeyten ein von den Erscheinungen der Mitose zum Theil unabhängiges, inneres Bildungsgesetz hat. Bei den Lymphocyten steht nicht die Thei- lung der Gentrosomen in einem bestimmten Ver- hältniss zur Mitose, sondern die Theilung des Mikrocentrumsistes, welche bei der Einleitung der Mitose in Mitbetheiligung tritt. Ferner rekon- stituirt sich das Mikrocentrum der in Bildung begriffenen Tochter- zellen am Ende der Mitose gerade so, wie sich der Kern während der nämlichen Zeit reconstituirt; damit ist dann die Theilung 670 Martin Heidenhain: des Centrosomas freilich zumeist verbunden. Diese ist aber für dien mitotischen Process kein wesentliches Charakteristikum, da sie schon während der voraufgehenden Zellenruhe erfolgt sein kann, nämlich wenn während dieser ein drittes (und viertes) Centrosoma gebildet wurde und die Zelle mit drei (oder vier) Centrosomen in die Theilung eintrat. Wenn andere Zellen vorkommen sollten, die thatsächlich während der Zellenruhe nur einen Üentralkörper beherbergen, dann muss natürlich die Theilung des Centralkörpers in einem festen zeitlichen Verhältniss zu den Phasen der Mitose stehen. Wo aber das Mikrocentrum auftritt, da kann sich ein Ablösungsverhältniss herausbilden, dem zu Folge nun nur noch die Theilung des Mikrocentrums, nicht aber die Vermehrung der Centrosomen an den Ablauf der Mitose gebunden ist. Wir haben mithin die Thatsache kennen gelernt, dass die Bedingungen des Zellenlebens auch zu Zeiten der Zellenruhe zur Vermehrung der Centralkörper führen können. Dagegen ist bei thierischen Zellen der Fall nieht vertreten, dass während der völligen Zellenruhe die Mikrocentren zur Vermehrung gelangen. Ich meine wenigstens, dass ich die geringe Anzahl von Lymph o- eyten, welehe bei ruhendem Kerne doppelte Mikrocen- tren zeigten, als in direkter Theilung begriffen deuten muss (s. pag.618). Somit können wir beiden thierischen Zellen, glaube ich, den Vorgang der Theilung des Mikrocentrums in jedem Falle auf eine im Gang begriffene Zellen- oder Kerntheilung be- ziehen. Umgekehrt ist die Zerlegung des Kerns, wie wir wissen, nicht nothwendig geknüpft an die Theilung des Mikrocentrums. Dies lehrt die amitotische Fragmentirung des Kerns beim Leuko- eyten (Absatz 36). Diese Sorte der Kernzerlegung unterscheidet sich allerdings in etwas von anderen Kerntheilungsvorgängen, da die Theilstücke des Mutterkerns diesen noch immer in ihrer Summe repräsentiren und gar keine Rede davon ist, dass die einzelnen Kern- theilehen zur Grösse des Mutterkerns heranwachsen. Auch bei den Megakaryocyten ist die Vermehrung der Mikrocentren durchaus gebunden an den mitotischen Process, wiewohl hier der Vorgang selbst in anderer Art abläuft als bei Zellen von gewöhnlichem Typus. Mehrfache Mikrocentren habe ich ausserdem nur noch inden grossen vielkernigen Riesenzellen, welche sich ab und an einmal in den Lymphdrüsen finden, getroffen. Auch hier Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 67 wird die Vermehrung der Mikrocentren jedesfalls im Anschluss an die Mitose der Kerne statthaben, denn wir wissen ja von den Östoklasten her, dass sich ihre Kerne auf dem Wege der Ka- ryokinese theilen. So würde auch hier, genau wie beim Mega- karyocyten, das Ausbleiben der Protoplasmatheilung die Gegen- wart mehrfacher Mikrocentren in der ruhenden Zelle bedingen. 124. Aus der Vermehrung der Üentralkörper geht beim Lymphoeyten das Mikrocentrum hervor, welches nun nicht bloss eine Centralkörpergruppe ist, sondern sich vornehmlich dadurch auszeichnet, dass in ihm die Centralkörper durch eine Zwischen- masse in typischer Weise verbunden sind. Die Art und Form der primären Öentrodesmosen ist, wie meine Beschreibung wohl gelehrt hat (Absatz 12), der Genese des Mikrocentrums gemäss: smd nur zwei Centralkörper vorhan- den, so spannt sich die Brücke auf direktem Wege zwischen ihnen aus; kommt auf dem Wege der Knospung ein drittes Cen- trosoma, ein Nebenkörperchen, hinzu, so tritt dieses in Folge der Raumbeschränkung seitlich zwischen den beiden ersten Central- körpern heraus und veranlasst damit auch ein seitliches Abweichen jener Verbindungsbrücke. Die zwischen die Centralkörper einge- schaltete Materie „überfärbt“ sich leicht und giebt damit Veran- lassung zur Entstehung einer Verklumpungsfigur. Ihrem chemi- schen Charakter nach, denke ich, steht sie der protoplasmatischen Zellsubstanz nahe, eine Behauptung, die im übrigen kaum bewie- sen, aber auch nicht widerlegt werden kann. Dass aus ihr die Centralspindel hervorgeht, halte ich für zweifellos und verweise ich bezüglich dieses Punktes auf das in früheren Capiteln (Gegebene (speciell auf Absatz 20). Es fragt sich nun aber, in welchem Verhältniss diese Masse der (Genese nach zu den Centralkörpern steht. Man kann sie von diesen selbst, man kann sie gewiss auch von der Substanz der Astrosphäre, von den inneren Enden der Sphärenstrahlen, herleiten. Ich neige mich der ersteren Ansicht zu, und zwar lediglich darum, weil diese Vorstellung sehr einfach ist zu denken, dass bei der Separa- tion zweier Centrosomen sich die in Rede stehende Substanzmasse aus der Masse der Üentrosomen in mi- nimaler Menge herausspinnt und dass sie dann sogleich 672 Martin Heidenhain: bis zu dem Umfange anwächst, wie wir ihn in der ruhenden Zelle vor uns haben. Mithin komme ich jetzt auf die vorhin als Problem erwogene Frage zurück, ob die Substanz der Centralkörper im sich einfach oder ein Gemenge verschiedener chemischer Körper sei. Ich glaube nun, dass ausser jener specifisch färbbaren Centralkörper- substanz, von welcher oben die Rede war, dort noch eine zweite Materie anderer chemischer Qualität ent- halten sei, welche der Substanz der Zellenfäden in ihrem Ver- halten sich nähert und bei Gelegenheit der Centralkörpertheilung (durch Assimilation und Wachsthum jene Zwischenmasse des Mi- krocentrums liefert, die wiederum ihrer Art nach befähigt ist, aus sich die Centralspindel der mitotischen Theilung hervorgehen zu lassen. Die Sache ist nun nicht etwa so zu verstehen, dass jeder Centralkörper zugleich auch die Anlage einer Centralspindel ist; das ist nieht möglich, wenn wir die Lage als Morphologen auf- fassen. Vielmehr erst dann, wenn ein Centralkörper am anderen durch Knospung entsteht, dann erscheint zwischen ihnen als eine sichtbare primäre Centrodesmose die Anlage der Centralspindel oder die Materie, aus deren Wachsthum und Differenzirung die von Pol zu Pol durchgehenden Fasern („seeundäre Centrodes- mose“*) entstehen. 125. Wenn wir uns den Process der Entstehung des Mikro- eentrums anschaulich vorstellen und hierbei unseren Ausgang von einem einzelnen Centrosoma nehmen, welches für sich allein den Mittelpunkt eines centrirten Systems bildet, wie dies Ja m den Pro- phasen der Mitosen vieler Gewebezellen der Fall sein wird, so kommen wir zu dem Schluss, dass mit der CGentrosomen- theilung eine systematische Verschiebung der Inser- tionsstellen der eentrirten Fibrillen stattfinden muss. Haben wir anstatt eines später zwei Centrosomen, so wird ein Theil der schon vorhandenen Fibrillen auf das neugebildete Cen- trosoma übergehen. Trotzdem bewahrt das eentrirte System seinen einheitlichen Charakter, wie sich auch daraus ergiebt, dass mit der Centrosomenvermehrung beim Lymphoeyten die Astrosphäre kein anderes Aussehen bekommt; nur erscheint jetzt, unserer Vor- stellung nach, bei genauerer Erwägung das Radiärsystem nach Neue Untersuenungen über die Centralkörper etc. 675 Maassgabe der im Mikrocentrum enthaltenen Centrosomenzahl in sich zusammengesetzt (gleichsam mosaikartig zusammengefügt). In wie weit nun die Vermehrung der Centrosomen eine Ver- mehrung, eine Spaltung der organischen Radien nach sich zieht, oder ob etwa umgekehrt eine Spaltung der Radıiärfäden zu einer Knospung neuer Centralkörper im Mikrocentrum führt, das ist gewiss nieht mit Sicherheit zu erschliessen. Beim Lymphoeyten indessen wäre ich geneigt die Mehrzahl der Centrosomen, das Vorhandensein eines Mikrocentrums, im Sinne einer functionellen Anpassung zu erklären, als eine Vergrösserung der Ursprungs- fläche der eentrirten Fibrillen, und zwar auf Grund einer auf dem Wege der Spaltung erfolgten zahlenmässigen Zunahme der letz- teren. Die Erscheinung der Centrosomenvermehrung lässt sich mithin vielleicht überall gemäss jener Theo- rie erläutern, welche die Centrosomen oder Mikro- eentren wesentlich nur als Insertionsmittelpunkte eines centrirten Systems auffasst. 126. Damit kommen wir also auf die Theorie der cellulären Insertionsmittelpunkte, deren Hauptvertreter, so weit ich befähigt bin die Lage aufzufassen, Edouard van Beneden ist, und zwar ist van Beneden nicht nur der Haupt- vertreter, sondern auch der Begründer dieser Lehre. In dem aus dem Jahre 1883 stammenden Hauptwerke dieses Forschers frei- lich finden sich noeh Meinungsäusserungen, welche auf die Theorie der materiellen Herrschaft oder Präponderanz der Centrosomen zu beziehen sind. So lesen wir pag. 333 f.: „A mon avis, l’ap- parition des spheres attraetives, du corpuseule polaire et des rayons qui en partent, y compris les fibrilles achromatiques du fu- seau sont le resultat de Y’apparition de deux centres d’attraetion, comparables ä deux pöles magnötiques dans le protoplasme ovu- laire.“ | Die Folge einer solehen Art die Dinge zu betrachten war der Vorschlag zu jener unglücklichen Bezeiehnungsweise: „sphere attractive“, welche als „Attraktionssphäre* in’s Deutsche über- tragen, hinterher den Lauf um die wissenschaftliche Welt gemacht und mancherlei Verwirrung erzeugt hat. Sind doch manche Au- toren so weit gegangen, den Centralkörpern eine Fernewirkung zuzuschreiben ! 674 Martin Heidenhain: So weit ich sehen kann, ist bei van Beneden die in Rede stehende Anschauungsweise in den „Nouvelles recherches“ völlig in den Hintergrund getreten. Hier finden wir vielmehr den Fundamentalsatz der Theorie der Insertionsmittel- punkte (pag. 68): „Dans notre opinion tous les mouvements internes, qui ac- compagnent la division cellulaire, ont leur cause immediate dans la eontraectilit& des fibrilles du protoplasme cellulaire et dans leur arrangement en une sorte de systeme musculaire radiaire, com- pose de groupes antagonistes.“ In diesem leicht verständlichen Satze liegt ein besonderer Nachdruck auf dem Worte „immediate“, denn um die mittelbaren oder letzten Ursachen handelt es sich für uns zunächst überhaupt nicht bei der Erklärung cellulärer Phänomene. Es soll nur das, was direkt siehtbar ist und in wissenschaftlicher Weise genau verfolgt werden kann, auf die nächsten Ursachen zurückgeführt werden. Diejenigen physiologischen Ursachen, welche die Mitose schliesslich in Gang, welche unter anderem auch die systematische, geordnete Arbeit der radiären Systeme in Anregung bringen, diese ferneren Ursachen des Zellenlebens kann man erst nach Erledigung alles Uebrigen suchen und dann mag man, wenn man will, auch auf die eventuell in den Centralkörpern schlummernden besonderen Kräfte reflektiren. So ergiebt sich, wie wir sehen, dass die Theorie der Insertionsmittelpunkte nur auf die nächsten Ursachen ausgeht, die Theorie der materiellen Herrschaft dagegen dehnt sieh aus oder kann sich wenigstens ausdehnen bis auf jene letzten Ursachen, die doch nur speeulativ oder auf indirektem Wege erreichbar wären. So fragt schliesslich auch van Be- neden: „D’ou vient Y’impulsion, qui determine le dedoublement des eorpuseules eentraux, la formation des eordons pelotonnes et la division longitudinale des anses? Reside-t-elle dans le noyau ou dans le eorps cellulaire? Aucune donnee positive ne permet de resoudre cette question“. Ob der oben eitirte „Fundamentalsatz“ van Beneden s für die Mitose Rechtskraft hat, das ist wohl schwer. zu beurtheilen. Die inneren Bewegungen, so weit sie die prophatische Umwand- lung des Kerngerüstes betreffen, haben sicher ihre nächste Ur- sache nieht in den eentrirten Systemen des Zellenprotoplasmas; Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 675 ich wüsste wenigstens nicht, wie man sich dies vorstellen sollte. Dies kann auch van Beneden nicht gemeint haben, jener Satz ist nur unglücklicher Weise etwas zu allgemein gehalten. Ferner wissen wir noch nicht, wie weit die eigentliche Protoplasmahal- birung mit den eentrirten Systemen in Zusammenhang gebracht werden muss. Hier geben zwar die Untersuchungen von Ko- stanecki’s direkte und sehr dankenswerthe Aufschlüsse, doch kommen hier eventuell noch die oben erwähnten Schnürringe in Betracht. Allein der van Beneden’sche Satz ist mit Bezug auf die ersichtliche Rolle der Centralkörper deutlich genug: sie werden lediglich als Insertionsmittelpunkte einer Summe contrae- tiler Fibrillen aufgefasst, und in gleicher Weise möchte ich ihre, bez. die Rolle der Mikrocentren im ruhenden Leukoeyten verstanden wissen. Der Name sphere attractive hat übrigens wohl durch jene generelle Erklärung van Beneden’s seinen mystischen In- halt verloren. Von einer Fermewirkung der Centralkörper oder einer Wirkung auf Umwegen, durch Vermittlung besonderer Er- regungsvorgänge oder besonderer Zustände innerhalb der Central- körper ist nicht mehr die Rede. Der grosse Unterschied zwischen den beiden fundamentalen Arbeiten van Beneden’s und Boveri’s besteht darin, dass der letztere das Prineip der materiellen Herrschaft oder Präpon- deranz der Centralkörper als unmittelbare Ursache für eine Reihe von Bewegungsvorgängen im Zellenprotoplasma in Anspruch nimmt, für welche die Contraktilität des Zellenfadens und die Theorie der Insertionsmittelpunkte völlig ausreicht. Um dies zu erläutern, wollen wir jenen Moment der Mitose in’s Auge fassen, an welchem im Laufe der Prophase die Theil- hälften des Mikrocentrums beginnen auseinanderzurücken. Nehmen wir an, dass wir einen Lymphoeyten vor uns hätten, so würde als allernächste Ursache für dieses Auseinanderweichen die Con- traktion der Fäden des centrirten Systemes in Anspruch zu nehmen sein, und es bedarf wohl keines weiteren Beweises dafür, dass die Sache wirklich so vor sich geht. Dies ist auch van Beneden’s Meinung, wie der oben eitirte Fundamentalsatz beweist. Ganz anders stellt sich die Sache nach Boveri’s Schil- derung. Dieser Autor hätte nach seinen ausgezeichneten Erfahrungen während der späteren Stadien der Mitose, so dächte ich, auch 676 Martin Heidenhain: für die früheren eine fädige Struktur des centrirten Proto- plasmas oder seines „Archoplasmas“ voraussetzen können. Allein hier kommt die Reaktion mit der Pikrinessigsäure und von der fädigen Struktur der centrirten Systeme ist nichts zu schen. Auf Stadien, auf welchen bei den gewöhnlichen Mitosen der Gewebe- zellen längst eine Centralspindel und oft auch eine deutliche „Pol- strahlung“ sich zeigt, finden wir nach Boveri nichts anderes als zwei getrennte Archoplasmakugeln, deren eentraler Inhalt durch das Centrosoma gegeben ist. Das Archoplasma ist körmig und eine fädige Struktur desselben wird bestritten, vielmehr werden die Archoplasmamikrosomen als selbstständige Gebilde (!) aufgefasst, die erst viel später zu radiären Fädchen zusammentreten. Diese beiden Archoplasmakugeln sind nun durch Theilung aus einer ein- zigen entstanden. Wie sich diesen Vorgang unser Autor vorstellt, darüber mag er uns selbst berichten (pag. 70): „Die Lagebeziehung zwischen Archoplasma und Centrosomen involviren einen dynamischen Zusammenhang zwischen bei- derlei Bildungen, der sich ganz allgemein etwa folgendermaassen formuliren lässt: das Centrosoma übt auf das in der Zelle ent- haltene Archoplasma eine Attraktion aus derart, dass es um sich selbst als Centrum diese Substanz zu einer dichten körnigen Kugel eontrahirt. Nach diesem Satz ist die Theilung der ursprünglich einheitlichen Archoplasmamasse in zwei Kugeln die einfache Folge des Vorhandenseins und Auseinanderrückens zweier gleich stark wirkender Centrosomen. Wären drei solche Körperchen vorhanden, so müsste sich das Archoplasma in drei Kugeln spalten. So lange die beiden Centrosomen dieht benachbart sind, fallen ihre Wir- kungssphären zum grössten Theile zusammen und bedingen im Arehoplasma nur eine geringe Abweichung von der Kugelgestalt. Je mehr sie sieh von einander entfernen, um so kleiner wird der gemeinsame Bereich der beiden Sphären, um so schärfer die Ein- schnürung des Archoplasmas zur Bildung zweier kugliger Hälften, bis diese sich endlich vollkommen von einander lösen.“ Hier haben wir die Theorie der materiellen Herrschaft der Centrosomen in voller Breite. Un- aufgeklärt bleibt zunächst, warum denn die Centrosomen eigentlich auseinanderrücken. Da nach Boveri selber eine abstossende Kraft zwischen den Centrosomen nicht anzunehmen ist (pag. 121), warum bleiben sie denn nicht nebeneinander liegen? Ja wenn Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 677 sie eine „Attraktion“ auf das Archoplasma auszuüben im Stande sind, wie wird denn dann die Sache, wenn, wie bei den Lympho- eyten, mitunter drei Centrosomen gegenwärtig sind und doch nur eine reguläre, bipolare Mitose entsteht? Dann muss doch wohl auf die eine Seite der mitotischen Figur hin eine grössere Archo- plasmamasse zu liegen kommen als auf die andre? Boveri schliesst dann ferner auf Grund des Gesetzes von der Attraktion des Archoplasmas durch die Centrosomen, dass, wo nur eine körnige Archoplasmakugel sichtbar ist, auch nur ein körperliches Centrum vorhanden wäre. Hiergegen sprechen offenbar die Be- funde an den Riesenzellen. Wie aus Vorstehendem ersichtlich ist, verlege ich meinerseits die Kräfte, welche die Theilungspole von einander entfernen und welehe späterhin auch die speeifische Anordnung und Bewegung der Chromosomen zu Stande bringen, sämmtlich in die eentrirten Fibrillen der Zellsubstanz und ich folge hierin dem Vorgange van Beneden’s. 127. Ich möchte nun noch um eine weitere Etappe zurück- greifen und die Frage berühren, ob man gezwungen sei jene Erregungen, welche das geordnete Zusammen- wirken der Zellenfibrillen bei der Mitose veran- lassen, von den ÜCentralkörpern ausgehend zu denken, das heisst, ob an dieser Stelle, mithin auf Umwegen, die Theorie von der bestimmten Kraft der Centrosomen doch Geltung erhalten müsse. Um diese Mögliehkeit in anschaulicher Weise zu erwägen, wollen wir den mitotischen Process von dem Stadium der cehro- matischen Muttersternfigur bis zu dem Momente verfolgen, wo die Dyasteren ihre definitive Stellung erreicht haben; hier reflektire ich auf das Objekt, welches mir selbst am besten bekannt ist, nämlich auf die indirekten Theilungen der epithelialen Zellen der Darmgrübchen des Salamanders. Während des gedachten Zeit- raumes ist das Centralkörperchen, so viel ich weiss, noch einfach; sollte aber die Theilung schon während des Auseinanderrückens der ehromatischen Tochtersterne statt haben, so würde dies die nachfolgende Betrachtung doch nur in unwesentlichen Punkten ändern. Bei diesen mitotischen Figuren ist nun eine schöne, all- 678 Martin Heidenhain: mählich aus kleinen Anfängen sich hervorbildende Centralspindel vorhanden (die ich in 41, Tafel X Fig. 15 abgebildet habe). Es ist nın klar, dass bei dem durch Boveri festgestellten und hier wieder sichtbaren Auseinanderrücken der Theilungspole während der Anaphase die Centralspindelfasern sich verlängern, eine Erscheinung, die leicht am Objekt durch die Beobachtung direkt kontrollirt werden kann. Während derselben Zeit erleiden die Fasern des Spindelmantels eine mehr weniger hochgradige Verkürzung. Die an die Sehleifenwinkel fixirten Fasern ziehen sich ganz enorm zu- sammen, was ebenfalls am Objekt selbst sehr deutlich hervortritt. Es ist aber klar, dass die mehr gegen die Schleifenenden hin sich fixirenden Fibrillen, welehe an dem vorliegenden Objekte besonders während der Muttersternfigur der Beobachtung zugängig sind, sieh nicht in gleichem Maasse verkürzen können wie die mehr eentral gelegenen Spindelmantelfasern, sondern je weiter nach der Peripherie hin sie gelegen sind, desto weniger werden sie an der Verkürzung Theil nehmen. Das jeweilige Maass der Verkür- zung ist natürlich ein ganz bestimmtes und durch gesetzmässige Umstände geregeltes. Zu gleicher Zeit verkürzt sich auch die Polfädengruppe recht stark, so weit sie etwa den eönes antipodes van Beneden’s entspricht; diese Verkürzung kommt ihrem Grade nach derjenigen der am meisten central gelegenen Spindelmantelfasern am nächsten. Die zwischen der gedachten Polfädengruppe und den äussersten Spindelmantelfasern gelegenen Radiärstrahlen verkürzen (bezw. verlängern) sich ferner mehr oder weniger stark, je nach der ihnen zukommenden Lage. Ja man kann sich sehr leicht an emer Hilfszeiehnung klar machen, dass ein gewisser Antheil jener letztgedachten Fasergruppe sich im Wesent- lichen weder verkürzt, noch auch verlängert. Wenn nun während der gleichen Zeitperiode der Mitose von den Radiärfasern der sieh ent- fernenden Oentra die einen sich verlängern, die andren sieh verkürzen und dies in ganz verschie- denem, aber stets bestimmtem Maasse und die dritten an Länge weder wesentlich zu-, noch auch abnehmen, und wenn ferner die Zahl der Spindelmantelfasern nach Rabl in einer Zellhälfte allein schon zwischen 400 bis 500 beträgt, sollte dann wirklich das Centrosoma Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 679 für den Grad des Erregungszustandes jeder ein- zelnen Faser verantwortlich sein, wie dies nach der Dheorie' der materiellen Herrschaft der Fall'sein müsste? Ich gestehe sehr gern ein, dass unsere Grössenvorstellungen sehr relativer Natur sind und dass wir am Ende nicht wissen können, was ein so kleines Ding wie das Centrosoma alles zu erwirken vermag; allein vorläufig ist doch die in obigem Satz präeisirte Vorstellung von der hypothetischen Wirksamkeit des Centrosomas für mein Gehirn eine unerfassliche. Die Zahl der Autoren, welche der Ansicht zuneigen, dass die Centrosomen & conto unbekannter Kräfte die Mitose „‚be- herrschen“, ist eine nicht unbeträchtliche. Vielleicht indessen trägt diese Arbeit dazu bei der von mir vertretenen Anschauung van Beneden’s neue Anhänger zu verschaffen. 128. Es kann durchaus nieht meine Aufgabe sein eine lite- rarische Auseinandersetzung darüber zu geben, in wie weit die einzelnen cellularhistologischen Schriftsteller der Theorie der In- sertionsmittelpunkte oder der Theorie der materiellen Herrschaft sich genähert haben, als sie die Rolle und Bedeutung der Cen- tralkörper zu erklären versuchten. Der Anschluss der Meinungen der Autoren nach der einen oder anderen Richtung hin wird dureh sehr vielfache Faktoren bedingt. So erscheint es selbst- verständlich, dass Bütschli in Uebereinstimmung mit seinen besonderen Anschauungen von der Zusammensetzung der proto- plasmatischen Substanz die Theorie der materiellen Herrschaft der Centrosomen in einer ganz specifischen Weise ausgebildet hat. Hierauf kann ich nieht näher eingehen, denn es liegt mir durch- aus fern in eine Speeialerörterung über die heutzutage bestehenden Protoplasmatheorieen einzutreten, was ich doch thun müsste, wenn ich eingehender von Bütschli's Ansichten betreffs der Central- körper handeln wollte. Um aber schliesslich noch ein hervorragendes Beispiel der Beurtheilung der Centralkörper und Astrosphären aus den Kreisen der Botaniker zu geben, so eitire ich hier Strassburger (89; pag. 189) ausführlicher, indem ich hinzufüge, dass der Inhalt dieser Auseinandersetzungen mir ungemein schwer verständlich ist: „Wie wir eben feststellen konnten, zieht sich das Kinoplasma 680 Martin Heidenhain: nach vollendeter Zelltheilung gegen die Kerne zurück und dort auch lagern die Centrosphären“. Der Begriff „Kinoplasma‘ ent- spricht, wie ich einschalten will, wesentlich dem Bo veri schen „Archoplasma“, während unter den „Centrosphären“ Archoplasma + Üentrosoma verstanden wird. Dann heisst es bei dem genannten Autor weiterhin: „Diese Elemente bilden die aktiven Bestandtheile, auf welchen die Individualität der Zelle beruht. Auf sie passt vor allem die Bezeichnung ‚„Energide“, welche Sachs für „einen einzelnen Zellkern mit dem von ihm beherrschten Protoplasma“ vorgeschlagen hat. Diesen aktiven Elementen möchte ich es vor allem zuschreiben, dass im organischen Reiche, jedenfalls wieder- holt und in unabhängiger Weise, die Absonderung in Zellen vor sich gegangen ist. Es galt dem Zellkern die für seine Theilung nothwendigen plasmatischen Elemente zu sichern, und dies konnte nicht besser geschehen, als durch gegenseitige Abgrenzung der letzteren in individualisirte Einheiten: die Zellen. Das übrige Protoplasma liesse sich vielleicht seiner dommirenden Funktion nach als Nährplasma oder Trophoplasma jenen in den Theilungs- vorgang aktiv eingreifenden kinoplasmatischen Elementen gegen- über stellen“ etc. lch habe dieses ausführliche Citat hierhergestellt, um zu zeigen, dass es Anschauungsweisen über die Rolle der uns hier interessirenden Zellbestandtheile giebt, welche sich offenbar him- melweit von den in dieser Arbeit vertretenen Ansichten entfernen. ' Welche Auffassungsformen am Ende in Geltung bleiben werden, das lässt sich von vornherein wohl in keiner Weise bestimmen. Alsobleibtnichtsandresübrigalsneue Detail- untersuchungenzu schaffen, aufderenGrundedie Lehre von der Zelle mitSicherheit weitergeführt werden kann. Capitel XVIII: Die Frage der Herkunft der Centralkörper. Versuch einer Lösung der Frage nach dem Heimathsrecht der Centralkörper auf Grund einer vergleichend-anatomi- schen Theorie der karyokinetischen Figuren. 129. Waldeyer hat in neuester Zeit die Herkunfts- frage für Archoplasma und Centrosomen in sehr treffender Weise formulirt. Da aber, wie schon in Capitel 14 erörtert wurde, meiner persönlichen Meinung nach das Archoplasma als eine qua- Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 681 litativ speeifische Materie nicht existirt, so nehme ich diese Frage- stellung nur für die Centrosomen auf. x Nach der Aufstellung von Waldeyer haben wir drei Mög- lichkeiten: entweder die Centrosomen sind Substanz des Kerns, oder sie sind Substanz des Protoplasmas, oder sie sind der Substanz und dem Wesen nach völlig originäre Bildungen, wie der Kern auch. Für den letzteren Fall möchte ich noch die Frage der ursprünglichen territorialen Zugehörigkeit erheben. Eine originäre Bildung, welche sich nicht direkt von bestimmten mor- phologischen Bestandtheilen des Kerns oder des Zellen- protoplamas herleiten liesse, könnte Ja doch im Inneren des Kerns oder auch des Zellleibes zuerst erschienen sein. Was nun die erstere Alternative anlangt, ob vielleicht die Centrosomen Zellsubstanz — Plasmatohyle — oder Kern- substanz — Pyrenohyle — seien, so meine ich, dass diese Fragestellung bei der gegenwärtigen Lage unserer Kenntniss von der Zelle nicht zulässig sei. Wer wollte denn behaupten, dass die im Kern enthaltenen Substanzen alle so durchaus verschieden von der Materie des Protoplasmas sind, dass den Centralkörpern, ob sie nun aus der oder jener Masse gebildet seien, dadurch allein schon nothwendig immer eine bestimmte grundsätzliche Be- deutung zukommen müsse. Wir haben vielmehr alle Ursache zu der Annahme, dass zum mindesten die sehr schwer färbbaren Bestandtheile des Kerns, das sog. Linin, der Zellsubstanz sehr nahe stehen, und was das von mir sogenannte Lanthanin oder Oxychromatin anlangt, so ist auch sehr wohl möglich, dass es seiner stofflichen Beschaffenheit nach nahe verwandt ist mit manchen im Plasma vorhandenen in ähnlicher Weise färbbaren Körpern. Auch der Bau des Kerns ist bei der mikrosomalen Be- schaffenheit der Kernfäden nicht grundsätzlich verschieden von dem Bau des Protoplasmas, welches ja aus mikrosomalen Mitom- fäden sich zusammensetzt. Mithin denke ich, dass die Frage, ob die Gentrosomen Kern- oder Zetlsub- stanz, PlasmatohyleoderPyrenohyle seien, nicht zu ke. ohti besteht Ich bringe hier somit ähnliche Argumente vor, wie sie Flemming für die Auffassung der Frage, ob die Spindelfasern Kern- oder Zellsubstanz sind, geltend gemacht hat. Bei der Aehnlichkeit der Lininfäden und der Substanz der Zellenfäden findet Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 44 682 Martin Heidenhain: Flemming (30; pag. 75): „dass es vielleicht gar keine so fun- damöntale Bedeutung haben mag, ob die Substanz, aus der Spindelfasern gebildet werden, vorher dem Raum des Kerns oder dem des Zellkörpers angehört hat. Denen, welche eine Abstam- mung der ganzen Spindel. ‚aus dem Protoplasma“ zu finden glauben und darin etwas prineipiell sehr Wichtiges sehen, kann ich dem- nach weder thatsächlieh noch theoretisch zustimmen; es ist nieht einzusehen, weswegen Lininsubstanz des Kernes nicht zu dem- selben Zweeke benutzt werden kann, wie Substanz der Zelle bezw. der Sphäre ausserhalb des Kerns.“ Gehen wir nun auf das im Kapitel 16 Besprochene zurück, so kann für den Leser kein Zweifel sein, dass der Autor dieser Arbeit sich bei der in hohem Grade wahrscheinlichen speeifischen chemischen Qualität der Centrosomen dafür entscheidet, die Cen- trosomen, wenigstens ihrem gegenwärtigen Zustande nach, für originäre Bildungen zu halten. Damit bleibt für uns nur noch die Frage der ursprüng- liehen territorialen Zugehörigkeit, das heisst: auf wel- chem Territorium entstanden die Centrosomen im Laufe der Phylo- genese, stellen sie Abgliederungen, oder sagen wir ganz allge- nein: „Produkte“ des Zellenprotoplasmas oder des Zellenkerns vor? Hiermit wird die Frage, ob Kern- oder Zellsubstanz, nicht wieder berührt, sondern sie betrifft nur das räumliche Verhältniss und schon bei ihrer ersten Entstehung kann die Sub- stanz der Centrosomen speeifisch, d. h. von der Substanz der übrigen Zellbestandtheile different gewesen sein. Vielleieht auch, da wir uns für die selbstständige Natur der Centrosomen ausgesprochen haben, entspre- ehen sie oder die Mikrocentren Organen niederer ein- zelliger Geschöpfe und liegen uns Jetzt, wasihren mor- phologischen Charakter betrifft, nur noch in rudimen- tärem Zustande vor? Mit der eben skizzirten Fragestellung sind wir an einem der heikelsten Punkte der Zellenhistologie angelangt. Das Her- kunftsproblem ist nämlich nicht zu lösen oder vielmehr überhaupt nieht zu behandeln, ohne auf gewisse Controversen der indirekten Theilung einzugehen. Wie ich dies verstehe, will ich sogleich erläutern. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 683 130. So wie die Sachen heutzutage liegen, werden wir der Centralkörper in den allermeisten Fällen nur während der Mitose habhaft. Denn die Zahl jener Zellformen, für welehe die Centralkörper auch ausserhalb der Mitose nachgewiesen wurden, ist bislang eine geringe. Damit ist die Frage gegeben, an wel- chem Orte die Centralkörper im Laufe der mitotischen Prophasen zuerst erscheinen, ob im Zellenleibe oder innerhalb des Kern- raumes. Zwar wissen wir jetzt ganz genau, dass bei einer Reihe von Zellformen die Centralkörper dauernd ihre Lage im Proto- plasma haben, allein sie könnten ja auch während der Ontogenese der betreffenden Zellenspecies aus dem Kern herausgetreten sein, um für die Zukunft im Protoplasma stationär zu werden. Wenn nun aber auch auf die Erörterung der vorhin angeregten Frage, wo denn die Centrosomen bei Gelegenheit der Mitose zuerst auf- zutreten pflegen, nach manchen Richtungen hin Gewicht zu legen ist, so muss ich doch betonen, dass mit Bezug auf das ursprüngliche Heimathsrecht der Central- körper hierbei nichts herauskommen wird. Denn setzen wir selbst den Fall, dass man die Centrosomen bei Beginn der frühesten mitotischen Veränderungen der Regel nach im Kern selbst treffen würde, was ja immerhin möglich ist, so könnte sich die Sache doch noch so verhalten, dass diese Lage im Laufe der Phylogenese secundär erworben wurde, denn seitdem bei den Einzelligen die indirekte Thei- lung als eine neue Errungenschaft erworben wurde, sind geradezu ungeheure Zeiträume verstrichen und die ursprünglichen Verhält- nisse könnten sich mithin von Grund aus verändert haben. Daher sind auch für die Heimathfrage jene schönen Entdeckungen Brauer’s nicht zu verwerthen, durch welche wir in den Besitz der Kenntniss kamen, dass bei Ascaris megalocephala univalens während der Spermatogenese die Centrosomen zeitweilig im Kern eingeschlos- sen gefunden werden‘). Brauer freilich wehrt sich dagegen, dass diese Lagerung im Kernraum nur eine vorübergehende, zeit- weilige, durch äussere Ursachen bedingte sein könne, und er mag Ja vielleicht auch Recht haben: allem seine Argumentation ist eine irrige. Hören wir den Autor selbst (16; pag. 197): „Wo 1) Julin (53) meint, dass nach der Mitose einer Zelle gewöhn- licher Art die Centrosomen in den Kern zurückkehren, 684 Martin Heidenhain: man bisher das Centrosoma ausserhalb des Kerns gefunden hat, ist es stets von eimer Strahlung, beziehungsweise Archoplasma bekleidet gewesen; dagegen in allen den Fällen, wo man das Centrosoma wohl während und kurz vor der Theilung, aber nicht in der Zwischenzeit zwischen zwei Theilungen ausserhalb des Kerns gefunden hat, hat man auch keme Strahlung beob- achtet, und deshalb halte ich den Schluss für berechtigt, (dass, weil die letztere fehlte, auch das Uentrosoma im Protoplasma fehlte.“ Diese Art zu schliessen ist ganz unmöglich, aus dem einfachen Grunde, weil es unter allen Umständen leichter ist die Centrosomen zu färben als die Strahlungen sichtbar zu machen. Sehr oft sieht man die Centrosomen in den Zellen, während man von den radiären Systemen nichts erkennen kann, daher ist es nicht erlaubt zu folgern, dass, weil man die Strah- lung nieht fand, auch kein Centrosom im Protoplasma vorhanden sein konnte. Unsere technischen Kenntnisse gehen in der ange- zeigten Richtung ganz sicher noch nicht so weit, dass man aus negativen Resultaten sichere Schlüsse auf das wirkliche Ver- halten ziehen könnte. Im übrigen ist der Brauer’sche Fall der Auffindung der Centralkörper im Kern bisher der einzige. Zu erwähnen wäre hier, dass bei den Riesenzellen während der Anaphasen (besser: Telophasen) von vornherein die besten räumlichen Bedingungen für den Einschluss der Oentralkörper in den Binnenraum des Kerns gegeben wären. Und doch kommt es hierzu nicht! Viel- mehr weicht die Kernmasse vor der in Bildung begriffenen Cen- tralkörperehen-Hauptgruppe aus und aus diesem Grunde, wie es scheint, entstehen die hohlkugelförmigen Kerne!). 1) Die Argumente, welche OÖ. Hertwig zu Gunsten der „Zuge- hörigkeit“ der Centrosomen zum Kern geltend macht, sind, wie mir scheint, nicht recht begründet. Hertwig führt an: „Erstens, dass man in der ruhenden Zelle, wenige Fälle ausgenommen, im Protoplasma etwas ihnen Entsprechendes nicht auffinden kann.“ Hierauf ist zu bemerken, dass zur Zeit als Hertwig diesen Satz schrieb und drucken liess, etwas den Centralkörpern „Entsprechendes“ im Kern überhaupt noch nicht aufgefunden war, und dass der Brauer’sche Fall bis dato der einzige ist, in welchem die Centrosomen im Kernraum gefunden wurden. Zweitens führt H. an: „Dass bei Beginn der Theilung die Polkörperchen unmittelbar an der Kernmembran auftreten und dann erst weiter vom Kern weg in das Protoplasma hineinrücken.“ Hier- Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 685 ; Um den Schluss aus Vorstehendem zu ziehen: Man kann nicht hoffen bei Gelegenheit der indirekten Theilung der Zellen dder Metazoen irgend etwas Genaueres über die ursprüngliche Zugehörigkeit der Uentrosomen zu erfahren. Da muss man schon im Reiche der Thiere weiter hinabgehen, bis zu den Einzelligen, in deren Kreise die Mitose ursprünglich erworben wurde. 131. Entschliessen wir uns zu diesem Schritte und wenden wir uns dem am meisten hier in Frage kommenden Gebiete der Infusorien zu, so gerathen wir alsbald in Verlegenheit, denn für diese wurden Central- und Polkörperehen noch nicht nachge- wiesen. Ich selbst konnte sie im Infusorienkörper (Balantidium ?) gelegentlich einer Reihe von Färbungsversuchen an der Hand meiner Methoden nieht auffinden; so wissen wir nicht, wo wir gegen ist geltend zu machen, dass die Lage der Centralkörper in der Nähe der Kernoberfläche rein sekundär zu Stande kommt und dass dadurch nicht die geringste substantielle Beziehung zwischen Central- körpern und Kern an die Hand gegeben wird. Hierfür sind die voll- ständigen Beweise in dieser Arbeit enthalten. „Drittens“, meint H., „dass bei dem Auftreten der Polkörperchen die Kernmembran häufig eingefallen ist, als ob aus einer kleinen Oeffnung Kernsaft ausgetreten sei“. Hierbei erübrigt nur die Frage, wo dies denn eigentlich „häufig“ der Fall sein soll. Auch verweise ich auf das Obige: wenn selbst der Regel nach die Centrosomen bei Zellen der Metazoen im Kern getrot- fen werden sollten, so kann diese Lage doch auch erst sekundär im Laufe der Phylogenese erworben sein. „Viertens“, lesen wir beiH., „dass bei manchen Objekten das Auftreten der Polkörperchen mit dem Zer- fall der Nukleolen zeitlich zusammenfällt.“ Hier verweise ich zunächst auf das vorstehende Capitel über „die Substanz der Centrosomen‘“. Dann mache ich darauf aufmerksam, dass Zellen, die im Ruhezustand schon die Centrosomen im Protoplasma beobachten lassen, doch auch die Nukleolen im Kern zeigen (Riesenzellen und Leukocyten; vergl. auch in 41; Fig. 14,15 u. 51). Ausserdem mag esja sein, dass beimanchen Objekten im Anfange der Mitose die Nukleolen in Theilstücke zerfallen, indessen habe ich an dem von mir untersuchten Materiale nie etwas da- von gesehen und ich bestreite das allgemeine Vorkommen dieses „Zer- falls“ der Nukleolen. Wir werden wohl gut daran thun, die ächten Nukleolen weiterhin etwa als „parapyrene“ Einschlüsse den „paraplas- matischen“ Einschlüssen an die Seite zu setzen. — Mit diesen Ein- würfen gegen Hertwig will ich mich vorläufig nur gegen die Art der Argumentation wenden, welche ich für nicht haltbar erachte. Zu einer positiven Stellungnahme in der Heimathfrage komme ich erst im Verfolg des laufenden Capitels. 686 Martin Heidenhain: sie suchen sollten, ob im Mikronukleus, im Makronukleus oder im Protoplasma. Allein wir können uns unserem Problem auf einem indirekten Wege nähern, was, denke ich, folgende Ueber- legung zeigt. Die bisherigen Erfahrungen über Karyokinese lehren ganz unzweifelhaft, dass die Centralspindel dort, wo sie vorhanden ist, allmählich hervorwächst aus einer ausserordentlich gerin- gen Substanzmasse, welche bei Gelegenheit der Trennung der Centrosomen zwischen diesen erscheint. Ich habe ferner ver- sucht zu zeigen, dass die Centralspindel ihrer ursprünglichen Masse nach sich aus der Substanz der Centrosomen selbst herleitet (Absatz 124) und glaube, dass dieser Nachweis mir gelungen ist. Centralspindel und Centrosomen bilden mithin der Genese nach ein Ganzes. Da wir nun in der aus dem Mikro- nukleus der Infusorien hervorgehenden Spindelfigur eine Centralspindel vor uns haben, so folgereich, dass die GCentrosomen der Metazoen polare (eventuell weiterhin fortentwickelte) Abgliederungen der SpindelfigurdesMikronukleussind, welche ihrer- seits wiederum die Fähigkeit haben die Mikro- nukleus-Spindel, dasist dieCentralspindel, aus sich hervorgehen zu lassen. Diese Folgerung ist ungemein weit ausschauend, allein sie bietet so viele Vortheile, dass ich meine, sie sei einer ernsthaften Erwägung werth. Zu ihren Gunsten führe ich von vornherein an, dass auf dem Grunde der vorgetragenen Auffassung sich ein grosser Theil der Controversen der indirekten Theilung ganz von selbst auflöst, in Fortfall kommt. Ich gehe, wie aus Vorstehendem ersichtlich ist, von einer Grundhypothese betreffend die von Pol zu Pol durch- gehenden Fasern aus, indem ich nämlich annehme, dass diese letzteren, wo sie sich auch immer finden, nicht bloss analoge, sondern phylogenetisch gleichwerthige Bildungen vor- stellen. Unsere grundlegende Hypothese lautet mithin kurz wie folgt: „Bei allen thierischen Zellentheilungen sind die von Polzu Pol durchgehenden Fasern morpho- logisch gleichwerthig.“ Giebt man diesen Satz als richtig zu, dann lassen sich aus Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 687 ihm mit Berücksichtigung unserer bisherigen Erfahrungen eine ganze Reihe werthvoller Deduktionen herleiten, welche nicht bloss die Heimathfrage der Centrosomen, sondern vornehmlich auch die Mitose betreffen. Was ich zu jener Hypothese zu sagen habe, das fasse ich fernerhin in 10 kurzen Sätzen zusammen; denen ich dann eine Reihe von weiteren Erläuterungen gleich mit auf den Weg gebe. Diese Sätze haben die Aufgabe, jene Grund- hypothese ihrem vollständigen Inhalte nach in ausführlicher Weise zu entwickeln, und ich mache ganz besonders darauf aufmerksam, dass es sich hier nieht etwa um die Aufstellung weiterer Hilfs- hypothesen, sondern lediglich um die Bestimmung des Wirkungs- kreises, um die Bestimmung der Consequenzen jener ersten Annahme handelt. Diese schreibt nämlich für eine ganze Reihe von wichtigen Zellenphänomenen eine ganz bestimmte Auf- fassungsweise vor. Bei dieser Gelegenheit wird dann der Leser leicht ermessen können, ob diese Vorstellung von der durch- gehenden morphologischen Identität der Centralspindel sich ver- trägt mit den eomplexen Erscheinungen, welche uns vom Bau und von der Theilung der Zellen her bekannt sind. 132. 1) Die aus dem Mikronukleus der Infu- sorien entstehende Spindel mit durchgehenden Basernn ist identisch mit der»Centralspindel Her- mann’s, deren Existenz bei allen thierischen Zel- lentheilungen wahrscheinlich ist; sie wird zum mandesten«als Budimentijsichwbeigs@elesienheit der ersten Entstehung der Spindelfigur überall nach- weisen lassen. Hierzu ist noch Folgendes zu bemerken. O. Hertwig hat neuerdings (46; pag. 162) ganz besonders hervorgehoben, dass der Name „Spindel“ von den früheren Autoren auf einen Com- plex von Fasern angewendet wurde, welchen man sich von Pol zu Pol durchgehend dachte. ©. Hertwig hält daher die Be- zeichnung „Centralspindel“ für überflüssig. Indessen denke ich, dass Hermann nicht nur durch seine hervorragenden Unter- suchungen selbst, sondern auch gerade dureh die Bildung jenes Begriffes sich ein ausgezeichnetes Verdienst um die Klärung der Lage erworben hat; denn nicht nur tüchtige Beobachtungen, sondern auch eine gute Begriffsbildung gehören zum Geiste einer 688 Martin Heidenhain: erleuchteten Forschung. Flemming (29, pag. 727) und Benda (11) haben die schönen Befunde Hermann’s über die Genese der Spindelfigur in den Spermatogonien von Salamandra be- stätigen können. Auch ist, so weit ich sehe, Flemming geneigt," das Vorkommen durchgehender Spindelfasern für die verschiedensten Objekte als sehr wohl möglich zuzugeben. Moore fand ganz Aehnliches wie Hermann in den Geschlechtszellen der Genitalleiste der Salamanderlarve. Schon früher hatte, wie ich einschieben will, Platner (75; Taf. 8, Fig. 1 bis 5) die Ent- stehung der Centralspindel in den Spermatocyten von Limax agrestis sehr hübsch abgebildet. Van der Strieht (90) beob- achtete sie an verschiedenen Objekten, so an den Furchungs- kugeln vom Tritonenei und an den Mitosen der Knorpelzellen uro- deler- Amphibienlarven. Ich selber habe dann die Entstehung der Centralspindel von sehr kleinen Anfängen an bei den Epithel- zellen der Darmgrübchen vom Salamander beobachten können (41; pag. 127); auch beim Kaninchen- und Salamanderleukocyten fand ich die Bonktälpindel wieder vor. Von sehr grosser Wichtigkeit sind ferner die neueren Untersuchungen von Kostanecki's (59), der bei Wirbelthieren der verschiedensten Klassen und bei sehr verschie- denen Zellentypen die Centralspindel während der Mitose nach- weisen konnte. Ganz vor kurzem wurde sie wiederum von Meves an den Spermatogonien vom Salamander, ebenso von Brauer im Verlaufe der Spermatogenese von Ascaris beob- achtet. Gegenüber Boveri, welcher die Spindel lediglich aus zwei am Aequator durchbrochenen Hälften bestehen lässt, ist zu bemerken, dass van Beneden am gleichen Objekte, dem Ei von Ascaris megalocephala, die von Pol zu Pol durchgehenden Fasern auffand (15; pag. 61). Mit Bezug auf das Betragen der Centralspindel bei den Lymphoeyten ist hier noch besonders hervorzuheben, dass sich die äquatorialen Theile derselben während der Telophasen häufig zu einem langen gleichmässigen Strange formiren: in ähnlicher Weise zieht sieh die Mikronukleusspindel der Infusorien bei Ge- legenheit der endgültigen De zu einem langen Faden aus. Maupas (65; pag. 397) behauptet, dass dieser Faden, wie auch die gesammte ni der Theilung des Mikronukleus in Aktion tretende achromatische Substanz nach Schluss der Mitose durch Resorption verloren geht und sich erst in den Tochter- Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 689 Mikronukleis auf anderen Wegen von neuem bildet. Hierin geht nun offenbar der genannte Autor zu weit, denn das Chromatin, welches in die Tochterkerne übergeht, ist ohne eine achromatische Grundlage, in welche dasselbe eimgebettet ist, nicht mehr gut denkbar (vergl. das Kapitel über den Kern). Allem dass beim Lymphoceyten sich Verhältnisse finden, welche mit Maupas Angaben wenigstens theilweise übereinstimmen, das glaube ich ganz sicher annehmen zu dürfen, denn die während der Telo- phasen an der Stelle der Centralspindei sichtbaren höckerigen Stränge gehen wohl ganz sicherlich durch Resorption verloren. Dass die Spindelfigur der Infusorien wirklich aus der achro- matischen Substanz des Mikronukleus selbst hervorgeht und dass hier der ganze Kern sammt der Spindelfigur während der Thei- lung von einer Membran umgeben bleibt, das lehren die überein- stimmenden Beobachtungen vieler sorgfältigen Untersucher (vergl. besonders Bütschliin 21; pag. 1531). Dass die Spindel anderer- seits in vielen Fällen im Reiche der Metazoen „im Protoplasma“ der Zellen entsteht, ist auch nieht mehr zu bezweifeln, und so werden wir uns wohl daran gewöhnen müssen, an jenen Orten der Zelle, an denen die Spindel bei den Metazoen entsteht, Reste eines Mikronukleus zu suchen. 2) Die indem Mikrocentrum der Lymphoecyten enthaltene „aehromatische* Substanz, welche eine primäre Centrodesmose bewerkstelligt und aus sich die Centralspindel hervorgehen lässt,- ist sleichwerthig miteben jenenachromatischen Be- standtheilen des Mikronukleus der Infusorien, w®@lche bei diesen die Spindel aus sich entstehen lassen. 3) Da die achromatische Substanz des Mikrocentrums bei Gelegenheit der Trennung der Centrosomen zwischen diesen sofort erscheint, so ist anzunehmen, dass in den Centralkörpern neben einer in der Eisenhämatoxylinfarbe sich speeifisch färbenden Ma- terie Theile der achromatischen Substanz des Mikronukleus con- servirt wurden; oder es ist anzunehmen, dass die Centralkörper die Fähigkeit haben, auf eine nieht näher definirbare Weise eine der achromatischen Substanz des Mikronukleus entsprechende Materie aus sich zu erzeugen (abzuspalten). 690 Martin Heidenhain: Zu diesen beiden Sätzen 2 und 3 gebe ieh noch Folgendes der Erwägung anheim. Man kann nicht das ganze Mikrocentrum oder den etwa in der Einzahl vorhandenen Centralkörper einer ruhenden Zelle der achromatischen Substanz des Mikronukleus gleich setzen, denn in dem Protoplasma der Infusorien fehlen die Strahlungserscheinungen nicht nur während der Zellenruhe, sondern es wurden auch die Polstrahlungen an der Mikronukleus-Spindel bisher nicht aufge- funden. Ich selber habe an Mikronukleus-Spindelfiguren, die in Biondi’'scher Lösung gefärbt waren, nichts von der Polstrah- lung sehen können. Mithin erscheint es fraglich, ob diese Bil- dungen, die wir von den Zellen der Metazoen her als Central- körper kennen und die unbestreitbar während der Mitose, sei ihre Rolle sonst auch, welche sie wolle, als Insertionsmittelpunkte centrirter Systeme dienen, auch bei den Infusorien vorhanden sind, denn die centrirten Systeme fehlen hier eben, so weit wir dies bis jetzt wissen, oder vielmehr sie beschränken sich auf das Vor- handensein der an den Polen zusammenneigenden Spindelfasern. Da- gegen können auch in der Zellenruhe überall diejenigen materiellen Bestandtheile mit einander homologisirt werden, welehe während der Theilung die von Pol zu Pol durchgehende Spindelfaserung liefern. Sofern in irgend welchen Zellen mit Sicherheit die Existenz nur eines einzigen Öentralkörpers nachgewiesen würde, könnte dieser vor- läufig bei genügender Vorsicht seiner Masse nach doch nur zum Theil der achromatischen Substanz der Infusorienmikronuklei gleichgesetzt werden, nämlich soweit diese Masse bestimmt ist, bei der Entwicklung der Centralspindel das Ausgangsmaterial abzugeben. ® Der vorgetragene Gedankengang macht zugleich erklärlich, warum bei den Infusorien, soweit wir wissen, die Spindelpole an dem sich mitotisch theilenden Kerne an gegenüberliegenden Seiten auftreten, während sie an dem Kern der Zellen der Me- tazoen einseitwendig in unmittelbarer Nachbarschaft neben einan- der zur Erscheinung kommen! 133. 4) DerMakronukleus oder Hauptkern der Infusorien entspricht dem Kern der,Zellen der Metazoen. . 5) Die chromatische Substanz des Mikronu- Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 691 kleus oder Nebenkerns der Infusorien ist bei den Zellen der Metazoen verschwunden. 6), Die beiider!Theilung der Mikronuklei von diesen gelieferten Chromosomen werden in den Zellen:.der Metazoen wermöge eines Ablösungs- vorganges nunmehr von dem Makronukleus, d.h. demıZellenkern dem,Ayutoren’seliefert. Die unter 4, 5 und 6 mitgetheilten Sätze sind ebenfalls einfache Ableitungen aus der Grundhypothese. Am wunderliehsten erscheint vielleicht die Behauptung, dass der Makronukleus der Infusorien dem Zellenkerne der Elemente der Metazoen homolog sei und an Stelle des Mikronukleus die Heranbildung der Chromosomen zur Zeit der indirekten Theilung übernommen habe. Hier darf ich vielleicht daran erinnern, dass zu Folge der ganz bestimmt lautenden Angabe von Bütsehli (21; pag. 1526 ff.) der Makronukleus der Infusorien bei der Thei- lung in das Knäuelstadium eintritt, jedoch darüber nicht hinaus- gelangt. Nur noch einige Schritte weiter und wir sehen den Makronukleus die Chromosomen liefern, deren Transport auf die Tochterzellen dann vom Mikronukleus aus übernommen wird. Wir haben eine Art von Arbeitstheilung zwischen den beiden Kernen vor uns: der eine bildet die Centralspindel, der andere die Chromosomen aus. Hierbei erscheint allerdings zunächst nicht ersichtlich, warum der Makronukleus, — um es so auszudrücken, — den Versuch der Chromosomenbildung hätte übernehmen sollen, wenn er doch zunächst dieses Ziel nicht erreichte. Ein derartiges eomplieirtes Zellenphänomen kann doch nur innerhalb sehr langer Zeiträume zur vollkommenen Entwicklung gelangt sein. Hier erinnere ich nun ferner daran, dass, wie aus den multiplen Mi- tosen der Riesenzellen folgt, wahrscheinlich gewisse Formen des cellulären Wachsthums an die morphologischen Erscheinungen der Mitose gebunden sind (Absatz 94), so dass dann die Theilung der Zelle nur als eine unter gewissen nicht näher zu bezeichnenden Bedingungen erfolgende schliessliche Wirkung des mitotischen Wachsthumsvorganges erscheint. Zu dem Obigen muss ich noch hinzufügen, dass ich nicht schlechtweg behaupten mag, es seien sämmtliche Kerne der Zellen der Metazoen „Makronuklei“. Es liesse sich der Fall eines viel- zelligen Geschöpfes denken, bei welchem die Zellkerne durchweg 692 Martin Heidenhain: den Mikronukleis entsprechen, wobei die Makronuklei nebenbei nicht vorhanden zu sein brauchten. Erwähnenswerth ist ferner noch, dass die Mikronuklei der Infusorien mitunter nicht grösser sind als die Mikrocentren der Leukoceyten. Maupas (l. e. pag. 588) versichert, dass bei Ble- pharisma lateritia die Grösse der Mikronuklei unter 1 u fällt. Schliesslich ist der Umstand von Interesse, dass manche Mikro- nuklei (im ruhenden Zustande) entweder nur sehr wenig oder gar kein „Chromatin“ enthalten(Maupasl.e. 391; Bütsehli pag. 1524 in 21; allerdings müsste noch ausgemacht werden, ob nicht eben diese „Mikronuklei‘“ Oxycehromatin mit sich führen, was bei den Mikrocentren jedenfalls nicht zutrifft). 134. OD) Der Spindelmantel und die Polstrah- lung sind im Laufe der Phylogenese zu jener Zeit erworbenworden,alsderMakronukleus die Liefe- rung der Chromosomen übernahm. Für den Transport dieser Chromösomen neuer Bildung auf die Tochterzellen mussten neue Mechanismen geschaffen werden; (diese Mechanismen, Spindelmantel und Polstrahlungen im weiteren Sinne, sind gegenüber der Infusorienzelle völlig neue Erwerbungen (18; pag. 4 d. S.-A. und 21; pag. 1537). Die Thatsache, dass die Chromosomen bei den Metazoen gele- gentlich der Mitose gleichsam erst nachträglich im äquatorialen Um- fange der Spindel geordnet, ja mitunter erst von ferne her herbei- gezogen werden, findet hier eine vergleichend cellularhistologische Erläuterung, denn die Nuklei beiderlei Art bestanden ursprünglich als selbstständige Bildungen nebeneinander und ihr gemeinsames Handeln bei Gelegenheit der Mitose ist erst später erworben. Auch haben wir hier die Erklärung des nur seheinbar merkwürdigen Umstandes, dass bei der indirek- ten Theilung der Mikronuklei die Kernmembran bestehen bleibt, bei der Mitose der Zellen der Metazoen dieselbe aber verschwindet. 135. 8)DieCentralkörper derZellen derMeta- zoen sind Neubildungen, welche aus dem Mikro- nukleuseinzelligerGeschöpfeund zwaraufGrund der achromatischen Substanz desselbensich her- Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 693 vorgebildet haben, zu eben jener Zeit, als der Gesammt- meehanismus erworben wurde, welcher bei Gelegenheit der Mitose die Beförderung der Chromosomen des Makronukleus, vulgo Zellen- kernes, nach divergenten Richtungen hinzuleiten bestimmt ist. Dieser Satz stützt sich darauf, dass Centralkörper im Mikro- nukleus der Infusorien oder an der aus diesem hervorgehenden Spindel bisher nicht gefunden wurden. Ich habe schon erwähnt, dass ich mich selber ganz vergeblich bemüht habe Oentrosomen im Leibe der Infusorien irgendwo zu entdecken. Danach müsste man vorläufig annehmen, dass die Centralkörper als Insertions- mittelpunkte der centrirten Systeme mit diesen gleichzeitig er- worben wurden). Hier eitire ich ferner die schönen aus dem Heidelberger zoologischen Institute . hervorgegangenen Untersuchungen von Schewiakoff betreffend die indirekte Theilung eines Süss- wasserrhizopoden: Euglypha alveolata. Der Kern dieses Geschöpfes muss in unserem Sinne als ein Mikronukleus genommen werden, denn die Mitose läuft bei erhaltener Kernmembran ab. Interessant ist nun, dass es an den Enden der Spindel zu eigenartigen Dif- ferenzirungen kommt, welche von dem Autor als Polkörperchen bezeichnet werden. Diese sind nun, wenn sie vielleicht auch nicht den Centralkörpern der Metazoen völlig gleichwerthige Bildungen vorstellen, doch wohl analoge Organe, denn mit ihnen gleichzeitig entsteht im Zellenleibe eine deutliche Polstrahlung. Wir haben mithin das Faktum, dass mit dem Auftreten Polkörper-artiger Bildungen auch die Polradien erscheinen. Danach könnten die Centrosomen als besondere Differenzirungen oder Abgliederungen der Mikronukleus-Spindel aufgefasst werden. Schewiak off selber scheint sich der Ansicht zuzuneigen, dass die von ihm als Pol- körper bezeichneten Dinge aus dem Protoplasma der Zelle stam- men, indessen spricht hiergegen, dass sie am Ende der Mitose in den Kern hinein aufgenommen werden. Somit kann man doch nur vermuthen, dass sie der achromatischen Substanz des Mikro- 1) R. Hertwig (48; pag. 106) berichtet, dass die Fasern der aus dem Mikronukieus hervorgehenden Spindeln an den Enden sich zu homogenen, den Polkörperchen oder Centrosomen vergleichbaren An- sammlungen vereinigen können. Dies dürfte vorläufig wohl auf eine rein äusserliche Analogie herauskommen, die durch ein minderwerthi- ges Färbungsverfahren produeirt wurde. 694 Martin Heidenhain: nukleus zugehören. Sie treten an gegenüberliegenden Stellen des letzteren auf und von ihnen her soll sich die mit durchgehenden Fasern versehene Spindel entwickeln, indem sie sich aus zwei Hälften zusammensetzt. Diese Form der Spindelbildung ent- spräche nun nicht der vorgetragenen Auffassung der Lage. In- dessen wäre doch noch zu untersuchen, ob nieht, wie vielleicht zu vermuthen wäre, unserem im übrigen sehr sorgfältigen Autor die ersten Stadien der Spindelbildung, zumal bei einem so schwie- rigen Objekte, überhaupt entgangen sind. 136. 9) Die von Platner bereits früher beob- achteten und vonHermannneuerdingssogenannten Arehoplasmaschleifen sind nichts andres als die Rudimente der Öhromosomen desMikronukleus, welche das Chromatin verloren haben. Platner selbst (l. ec. pag. 138) hält die von ihm entdeckten „Stäbehen“ des „Nebenkerns“ für homolog den diekeren auf der Oberfläche der ‚„‚eönes antipodes“ van Beneden’s befindlichen Ra- diärstrahlen. Allein diese Annahme scheint mir recht gezwungen ; ich stimme vielmehr in der oben gegebenen Deutung dieser Dinge mit R. Hertwig überein (48; pag. 107) und bin schon früher ein- mal für diese Anschauung eingetreten (43; pag. 69). Dass diese „rudimentären Chromosomen“ kein Chromatin mehr enthalten, ent- nehme ich aus der Aeusserung Platner’s, dass die Anilinfarben für die Tinktion des ‚„Nebenkerns“ nichts leisten; es muss hier wohl die achromatische Grundlage der Chromosomen übrig ge- blieben sein. Nach Platner betragen sich die Nebenkernstäbehen oder Archoplasmaschleifen durchaus ähnlich wie dieChromosomen: sie bil- den zwei Gruppen von gleicher Zahl und diese rücken je an einen Spindelpol. Es kommt auch eine Längsspaltung der Stäbehen zu Stande, jedoch werden die zu einander gehörigen Tochterstäbchen nach dem nämlichen Theilungspol hingeführt, se dass hier keine Heteropolie vorliegt '). 137. 10) Die direkte Zellentheilung kann sozu- sagen per atavismum erklärt werden. Im Makronukleus, 1) Dies habe ich irrthümlicher Weise in 43, pag. 70 angegeben. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 695 d. i. im Zellenkern kommt es wie im Hauptkern der Infusorien nicht zur Uhromosomenbildung. Dagegen tritt eine Theilung des Mikrocentrums ein (41; pag. 15dff.; hier unter Absatz 89), mit welcher, wie ich gezeigt habe, mitunter die Ausbildung einer rudimentären Spindelfigur einhergeht, welche wiederum der aus dem Mikronukleus der Infusorien sich herausbildenden Spindelfigur gleichwerthig zu denken ist. Ob bei Gelegenheit der direkten Zellentheilung sich überall werden die Rudimente einer Central- spindel nachweisen lassen, ist zweifelhaft. Dass nun, trotzdem der Makronukleus oder Zellkern auf die karyokinetische Umwand- lung Verzicht leistet, nun nicht etwa, — im Mikrocentrum oder dessen Umgebung, -— die Chromosomen des Mikronukleus zum Vorschein kommen können, ist wohl selbstverständlich, denn die Fähigkeit Chromatin zu produeiren geht der Astrosphäre und dem Mikrocentrum völlig ab. 138. Ich denke, dass mit meinen vorstehenden Auseinander- setzungen auch andre Untersucher sich werden befreunden können, denn diese Hypothese von der morphologischen Identität der Cen- tralspindel bei Protozoen und Metazoen bietet so ausserordentliche Vortheile für die Erklärung der Phänomene der indirekten Theilung einerseits und der Auffassung der Centralkörper andererseits, dass meine Annahme doch wohl nicht so ohne Weiteres von der Hand zu weisen sein wird. Wir sehen, um es noch einmal anders auszudrücken, die Centralspindel der Metazoen als die Mikronukleus-Spindel an und erreichen, indem wir diesen Gedanken weiter verfolgen, auf Grund der Entstehungsgeschichte der Centralspindel und auf Grund ihrer Verwandtschaft zu den Centralkörpern, welche ich durch meine Untersuchungen an dem Mikrocentrum der Leukoeyten nach- gewiesen zu haben glaube, eine vollständige Aufklärung einer ganzen Reihe von Controversen der indirekten Theilung. Mein Verhältniss zu früheren Autoren lässt sich dahin defimiren, dass man vordem die Chromosomen an allen Orten (Infusorien, Rhizopoden, Metazoen) identifieiren zu müssen glaubte, während ich allein die von Pol zu Pol durchgehenden Fasern (die Centralspindel) überall identifieire und betreffs der Genese der Chromosomen behaupte, dass sie im Laufe der Geschichte der thierischen Ge- schöpfe zwei Mal an verschiedenen Orten zur Entwicklung gelangt 696 Martin Heidenhain: sind, nämlich einmal im Mikronukleus und ein zweites Mal im Ma- kronukleus oder dem Zellenkern der Autoren. Es ist nun nicht mehr unverständlich, dass während der Mitose bei den einen Zellenkernen die Kernmembran erhalten bleibt (Mikronuklei), bei den anderen verloren geht (Makronuklei, vulgo Zellenkern). Wir können begreifen, warum die Spindelfigur einmal scheinbar „im Protoplasma“, das andere Mal im Zellenkern entsteht. Die Frage, ob die Spindelfigur oder die Centralkörper Kern- oder Zellsubstanz seien, fällt fort; denn wir haben dort den Hauptkern oder Makronukleus, hier den Nebenkern oder Mikronukleus und wissen nun, dass bei den Metazoen beide in das Bild der karyo- kinetischen Theilungsfigur eingehen. Wir verstehen, warum bei den Metazoen beide Theilungspole unmittelbar nebeneinander einseit- wendig am Kern erscheinen, während sie in andren Fällen an ge- genüberliegenden Stellen der Kernoberfläche gleichzeitig auftreten (z. B. Euglypha). Es ist uns auch nieht mehr auffallend, dass bei den Infusorien Strahlungserscheinungen im Zustande der Zellen- ruhe und der Zellentheilung fehlen, während sie bei den Zellen der höheren Geschöpfe sich überall beobachten lassen. Wir können uns ferner eine Vorstellung davon machen, woher sich die Centrosomen schreiben, wir haben eine Erklärung für die Nebenkernstäbehen Platner’s, ferner für die Thatsache, dass der Hauptkern der Infusorien in das Knäuelstadium eintritt, und wir haben schliesslich noch einen befriedigenden Ausblick auf die „Bedeutung“ der Amitose der Zellen. Diese Hypothese vereinigt alle gut begrün- detenBeobachtungen, sie schliesst nieht dieeine oder andere offenbare ThatsachevonderErklärung aus. Selbst wenn man nachweisen sollte, dass an irgend einer Stelle die Centralspindel während der Mitose vollkommen fehlt, so würde das in meinem Sinne doch nur bedeuten, dass die Mikro- nukleus-Spindel einmal völlig in Fortfall kommt, vielleicht weil sie mechanisch überflüssig wird. Ja selbst die Brauer’sche Ent- deekung, dass die Centrosomen unter Umständen bei vielzelligen Geschöpfen im Kern selbst getroffen werden, spriebt nicht gegen unsere Art die Dinge zu betrachten, denn warum sollte nicht hier und da das Rudiment des Mikronukleus in den Hauptkern ein- geschlossen werden? Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 697 Am Schlusse dieses Kapitels möchte ich ganz besonders darauf hinweisen, dass bei Bütschli (18), Lauterborn (61) und R. Hertwig (48) Ausführungen zu finden sind, die meinen obigen Auseinandersetzungen nach dieser oder jener Richtung hin nahe stehen. Auf eine Diskussion der Berührungs- oder Differenz- punkte verzichte ich vorläufig, da ich doch erst erfahren möchte, welche Beurtheilung und Verwendung das in dem ersten Theile dieser Arbeit gegebene Thatsachenmaterial von andrer Seite her erfahren wird. Gapitel XIX: Die Polaritätshypothese. 139. Unter dem Begriffe der Polaritätshypothese verstehe ich die Annahme, dass bei allen Zellen gewisse wesent- liche, noch näher zu bestimmende Strukturtheile in der gleichen con- stanten räumlichen Aufeinanderfolge auffindbar seien, wobei diese Anordnung durch Einführung einer mathematischen Construktions- linie bestimmbar sein muss, an welcher beim Fortschreiten von der Mitte her nach beiden Enden hin im Hinblick auf jene wesent- lichen Strukturtheile eine ungleiche Abfolge der zugehörigen Be- ziehungspunkte stattfindet. Jene Construktionslinie müsste als eine Zellenachse bezeichnet werden; ihre Möglichkeit ist vor der Hand noch Problem. Sollte diese Linie wirklich an Zellen aller Arten bestimmbar sein, so würde damit gesagt sein, dass alle Zellen wesentlich den gleichen Bau besitzen, eine Behauptung die zur Zeit noch in der Luft schwebt. Ferner wäre mit der Bestimmung einer solchen Linie gleich- zeitig das Orientirungsproblem wenigstens theilweise ge- löst. Wenn wir heutzutage die verschiedensten Zellformen aus dem thierischen Körper isoliren und in übereinstimmender Weise nebeneinander stellen wollten, so wären wir betreffs der ein- ander entsprechenden Orientirungspunkte gar sehr in Verlegen- heit. Wir waren bisher nicht im Stande die von einander diffe- rirenden Zellentypen ihrer Lage nach in gleicher Stellung be- trachten zu können, sowie man etwa die verschiedensten Kry- stalle mit Leichtigkeit m den einander entsprechenden Stellungen der Betrachtung und genaueren Untersuchung zu unterziehen ver- mag. Dann hätten wir schliesslich, wenn die Polaritätshypothese zu Recht besteht, eventuell noch die Aussicht, gewisse all- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 45 698 Martin Heidenhain: gemeine Funetionen der Zelle mit ihrer „Polari- tät“ in Verbindung bringen zu können, wie dasja auch sehon versucht worden ist. Eine bipolare Zelle könnte nun entweder ein polysymme- trischer oder ein bilateral-symmetrischer Körper sein; auch eine assymmetrische Struktur wäre vielleicht denkbar. Mit Beziehung auf diese Fragen haben wir die Theorie der bilateralen Symmetrie der Zelle ganz besonders in Betracht zu ziehen, da sie nämlich bei anderen Autoren schon Gegenstand eingehen- der Erwägung gewesen ist. Die erwähnten Hypothesen und Probleme sind grössten Theils an drei Namen geknüpft: van Beneden, Rabl, Flemming. 140. Ich will nun zunächst, ohne Rücksicht auf die lite- rarhistorische Aufeinanderfolge der bezüglichen Schriften, einige Worte zu der Rabl’schen Polaritätshypothese sprechen ; diese Auseinandersetzung nehme ich vorweg, weil die Rabl’sche Theorie hinterher für die mir vorliegenden Zwecke nicht mehr in Betracht kommt. Wenn ich nun erkläre, dass ich nicht in der Lage bin den speciellen Inhalt jener Theorie weiterhin aufnehmen zu können, und gleichzeitig dies zu begründen suche, so möchte ich doch nicht in den Verdacht gerathen, dass ich die Absicht habe, dem genannten ausgezeichneten Forscher gegenüber eine überflüssige Kritik laut werden zu lassen. Wenn ich den Sinn des bekannten hier in Rede stehenden Rabl’schen Vortrages (auf der Ana- tomenversammlung von 1889) im Grossen und Ganzen richtig er- fasst habe, so kam es dem Vortragenden offenbar darauf an, nicht eine ganz bestimmte nach jeder Richtung hin ausgearbeitete Theorie in vielen Einzelheiten ausführlich darzustellen, sondern vielmehr das Vorhandensein eines bestimmten theoretischen Ope- rationsfeldes nachzuweisen, wobei dann eine auf diesem Felde mögliche allgemeine Hypothese als Problem anschaulich darge- stellt wurde. Der generelle Gedanke bei Rabl ist in dem Satze enthal- ten, dass die Histogenese der speeifischen Gewebsformen in über- einstimmender Weise mit einer gewissen fundamentalen Eigen- schaft aller Zellen in Verbindung zu bringen sei, nämlich mit Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 699 ihrer „Polarität“. Nun wäre der specielle Nachweis, dass diese allgemeine Vorstellung zutreffend ist, offenbar eine Riesenaufgabe ; aus diesem Grunde musste Rabl sich in einem sehr allgemeinen Rahmen halten und dies wohl wiederum ist der Grund dafür, dass die Rabl’schen Deduktionen — für meine Auffassungs- gabe wenigstens — etwas schwer verständlich sind. Dies hat dann offenbar als weitere Folge nach sich gezogen, dass dem sonst so überaus anregenden Gedankengange unseres Autors späterhin im Ganzen wenig nachgearbeitet worden ist. Vielleicht hätteRab1 sich besser an die einfachsten Aufgaben gehalten, so wie ich das auch inFolgendem zu thun gedenke, danach zu fragen, was die „Po- larität der Zelle“ damit zu schaffen habe, dass sie z. B. im ge- gebenen Falle zur Mutterzelle eines einschichtigen, flächenhaft ausgebreiteten Epithels wird. Wir. wissen, dass die mitotische Spindelfigur sich in einem solehen Epithel allemal paratangential stellt; was hat aber diese quere Stellung mit der Polarität zu thun? Stehen beide in einem ursäch- lichen Verhältniss? Ich kann dem Rabl’schen Vortrage hier nicht im Einzel- nen folgen, aber ich möchte einige Punkte wenigstens hervor- heben, und zwar solche grundsätzlicher Art, an denen sich unsere Wege scheiden. Bei Rabl wird die Polarität der Zelle von dem histologischen Charakter der Epithelzelle abgeleitet und zwar sind es bei ihm in erster Linie äussere Momente, welche die bipolare Achse bestimmen, nämlich der Unterschied von freier und basaler Fläche (75. pag. 39 und 56). Dass diesem äusseren Verhalten ein inneres zu Grunde liege, wird frei- lich vorausgesetzt; indessen werde ich hernach den umgekehrten Weg einschlagen. Ich werde versuchen, erstlich die Polarität der Zellen von der inneren Struktur herzuleiten und zweitens werde ich nieht von der schon unter besonderen mechanischen Bedingungen stehenden Epithelzelle ausgehen, sondern von der frei beweglichen Zelle, vom Lymphocyten. Dieser typische Unterschied von freier und basaler Fläche, welcher die Polarität der Zelle bestimmt, wird nun bei Rabl weiterhin begründet wie folgt (l. ec. pag. 39): „Bei der weiteren Differenzirung des Epithels kommen gewisse Eigenthümlichkeiten stets am basalen, andere nur am freien Pole der Zelle zur Ausbil- dung. Am basalen Pole kommt es häufig zur Bildung von Fort- 700 Martin Heidenhain: sätzen, durch welche die Zelle mit benachbarten Geweben in Beziehung tritt; am freien Pole kommt es zur Ausbildung von Cutieularbildungen, Flimmern, Sinneshaaren und Sinnesborsten und dergl.“ In dieser Argumentation ist offenbar wiederum, obwohl auf indirektem Wege, das rein räumliche Verhältniss, unter wel- chem die Epithelzellen stehen, zur Beweisführung benutzt worden. Denn es ist doch, a priori wenigstens, die Frage, ob nicht alle diese Bildungen an beliebigen Stellen des Umfanges der näm- lichen Zellen auftreten könnten, wenn die äusseren Bedingungen danach wären. So hat von Kölliker schon in der Diskussion zu dem Rabl’schen Vortrage (l. e. pag. 59) darauf hingewiesen, dass die Zellen der membrana eboris und der membrana adamantina hier an der basalen, dort an der freien Seite die Zahnsubstanz ausscheiden; mithin hätten hier die freien und basalen Flächen der Epithelzellen eine durchaus ähnliche Funktion. So, denke ich, ist auch die Basalmembran an der Epidermis der Insekten einer Cutitula gleich zu achten und wären hier somit an der freien und an der basalen Fläche der nämlichen Zellen homo- loge Bildungen vorhanden. Ich will nieht noch mehr ähnliche Beispiele hervorsuchen, sondern nur noch einmal darauf hinweisen, dass der Werth der Unterscheidung typisch verschiedener End- flächen an den Epithelzellen auf diese Weise gewiss nicht klar gemacht wird. Die Ableitung der Polarität lediglich aus Rücksichten der äusseren Formengebung führt nun fernerhin den Zwang mit sich, die bipolare Achse ihrer Lage nach als constant zu denken. Es wird sozusagen bei Rab] eine ihrer Lage nach constante Haupt- achse der Zelle von den primitiven Keimblättern her durch die ganze Histogenese hindurch gerettet. Diese Hauptachse muss bei Rabl als constant genommen werden, sie ist nämlich ihrer Lage nach nicht veränderlich zu denken, weil sie sonst für jeden einzelnen Fall aus der inneren Struktur heraus von neuem be- stimmt werden müsste; dies ist aber, oder war damals wenig- stens, nieht möglich. Es wird zwar bei Gelegenheit, z. B. bei der Entwicklung des Muskelgewebes davon gesprochen, dass eine ursprüngliche Nehenachse zur Hauptachse werden kann, aber es erscheint dies Verhältniss im Sinne Rabl’s als etwas Neben- sächliches und Untergeordnetes, womit ich nicht übereinstimmen kann. Ja, da die bipolare Achse der Zelle bei Rabl gerade Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 701 doch zur Histogenese eine nähere Beziehung haben soll, so bleibt unverständlich, warum im denkbar einfachsten Falle, nämlich bei der Entstehung des einschichtigen Epithels, die während der Mitose doch so leicht aus den Verhältnissen der inneren Struktur heraus bestimmbare Hauptachse senkrecht zu jener von der freien zur basalen Fläche gezogenen Linie steht. Hier ist das . Verhältniss der Rabl’schen Polarität zur Histogenese völlig unklar. Auch die ferneren Ausführungen Rabl’s sind mir in weitem Umfange nicht recht einleuchtend. Jene specifischen Differen- zirungen, welche zum Aufbau eomplieirter Gewebeformen (Muskel- gewebe, Nervengewebe, Bindegewebe, Knochengewebe) führen, sollen in der Nachbarschaft oder auf Veranlassung des basalen Poles der Epithelzellen ihren ersten Ursprung nehmen. Hierin sieht unser Autor einen besonders deutlichen Hinweis auf die engen ursächlichen Beziehungen, welche zwischen ‘der Polarität der Zellen einerseits und der Histogenese andererseits existiren. Nun muss ich doch sagen, dass die Entstehung von Muskel- fibrillen an der basalen Fläche der Epithelzellen der Muskel- lamelle des Urwirbels, oder die Bildung der Nervenfasern von den Neuroblasten her, die Entstehung von Bindegewebsfibrillen und deren Zwischensubstanz oder z. B. das Auftreten kalkhaltiger Ablagerungen, dass diese Vorgänge alle in physiologischer Beziehung völlig heterogene sind. Somit käme ich zu dem Schluss, dass gerade mit Rücksicht auf die Verschieden- artigkeit dieser geweblichen Differenzirungen, obwohl wir sie ja sämmtlich unter dem gemeinsamen Klassennamen „histogenetischer“ Processe zusammenfassen können, der Werth der Unterscheidung einer freien und basalen Fläche an den Zellen, bez. einer ent- sprechenden bipolaren Achse doch fraglich erscheinen muss. Mit obigen Ausführungen will ich durchaus nicht sagen, dass ich die Rabl’sche Auffassungsweise etwa durchgehends für irrig halte. Durchaus nicht! Nur den besonderen Formen der Verknüpfung der Dinge, der Beweisführung selbst, kann ich mich nicht anschliessen, obwohl vielleicht viele Einzelheiten auf Grund einer genialen Conception richtig ergriffen sein mögen. Dagegen ist das Problem selbst, die Frage, ob nicht eine überall in gleicher Weise wiederkehrende bipolare Struktur der Zellen vorhanden sei, welche in eine nähere Beziehung zur Entwicklung 102 Martin Heidenhain: der Gewebe zu bringen wäre, dies Problem selbst ist uns von Rabl eindringlich vor Augen gerückt worden, so dass nach dieser Riehtung hin die betreffende Sehrift für spätere Arbeiter immer ihren Werth behalten wird, wie sie auch für mich Anregung genug geboten hat. 141. Dass Flemming die Rabl’sche Polaritätshypo- these aus der Struktur der Zelle heraus zu begründen suchte, habe ich bereits in Capitel 5 (Absatz 41) besprochen ; ebenso ist dort ausgeführt worden, dass dieser Versuch vorläufig als verfehlt gelten darf. Wie sich der Leser entsinnen wird, führt Flemming die Polarität der Zelle auf die ungleiche Grösse der beiden Central- körper zurück: durch diese Körperchen wird die Zellenachse hindureheonstruirt! Nun habe ich innerhalb des Mikrocentrums der Leukoeyten in Beziehung auf die räumlichen Verhältnisse der Zelle keine feste Stellung der Centralkörper auffinden können. Ja ich kann sagen, dass ich auch nicht die geringste Spur davon bemerken konnte, obwohl die Untersuchung selbst in möglichst exakter Weise ausgeführt wurde. Ich habe bereits zugegeben, dass die Zellenachse Flemming’s ganz wohl bei fixen Gewebezellen eine fixe, der Lage nach fest bestimmte sein könnte; dies wäre dann eine Thatsache, der wir eine fundamen- tale Bedeutung zumessen müssten. Allein selbst unter der An- nahme, dass bei den Lymphocyten es die amöboiden Bewegungen wären, welche die Variabilität der Lage der Centralkörper im Mikrocentrum bedingen, würde doch die Thatsache, dass die Po- larität der Zellenachse Flemming’s bei zwei verschiedenen Individuen mit Beziehung auf den Kern ganz genau die um- gekehrte sein kann, nicht erklärlich werden: denn das müssten merkwürdige amöboide Bewegungen sein, welche den Zelleninhalt und das centrirte System geradezu auf den Kopf stellen. Es bliebe mithin zur Erklärung des in Rede stehenden Falles noch die Annahme übrig, dass der Kern beim Lymphocyten um 180° um die Astrosphäre herum rotiren kann. Nun will ich dies recht gern glauben, dass so etwas möglich wäre: allein dann hätten wir hiermit zugleich auch zugegeben, dass der Kern bei Bestim- mung der Lage der Zellenachse keine Rolle spielt. Es müssten eben gerade nur die Centralkörper sein, welche als bestimmende Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 7103 Momente in Betracht kämen, und der Kern würde nur wie ein ungeschickter Kloss in der Zelle liegen. Dies widerspricht nun doch wohl der Summe unserer Erfahrungen und so schliesse ich umgekehrt, dass wohl der Kern eineRollein der Bestimmung der Polarität der Zelle spielt, nicht aber das gegenseitige Lagerungsverhältniss der innerhalb des Mikrocentrums befindlichen CGen- trosomen, welehes dem Wechsel unterliegt. Sollten wir wirklich annehmen, dass die Construktion einer Zellenachse unter anderem sich auch richten müsse nach der Zahl und der Lagerung der Einzelelemente des Mikrocentrums, so kämen wir zu den absonderlichsten Schlussfolgerungen. So würden sich für mehrere mitotische Muttersternfiguren des gleichen Stadiums je nach der Zahl und Lagerung der in den beiden Mikrocentren vorhandenen Centralkörper ganz verschiedene Zellenachsen er- geben: Ist nur je ein Centrosoma vorhanden, dann haben wir die Spindelachse als Zellenachse; treten aber an einem oder an beiden Spindelpolen je 2 Centrosomen auf, so können diese in ganz be- liebiger Weise gegen die Spindelachse gedreht liegen, und man müsste eine höchst schwerfällige Construktion machen, um die Zellenachse zu finden, welche nun wohl auch jede beliebige an- dere als die erstgedachte Lage haben könnte. Also: sogehtdieSachenicht, das mussanders angefangen werden. 142. Vielleicht das Meiste für die Polaritätshypothese und die Theorie von der bilateralen Symmetrie der Zelle hat E. van Beneden gethan. Obwohl schon in dieses Autors grossem Werke vom Jahre 1883 viele diesbezügliche Auseinandersetzungen gegeben sind, wollen wir uns doch lediglich an die „Nouvelles re- cherches ete.“ halten, da jedesfalls diese Schrift dem jetzigen Stand- punkte van Beneden’s mehr entspricht. Dieser Autor geht ganz consequenter Weise von der Mitose aus, da die mitotischen Bewegungserschei- nungen schliesslich mit einer typischen Lagerung der wesentlichen, für die Polarität der Zelle in Betracht kommenden Strukturtheile endet. Dies Verfahren ist, wie mir scheint, noch aus einem anderen Grunde das allein richtige. Denn die Polaritätshypothese hat für sich selbst einen geringen Werth, wenn sie nämlich bei der Be- 704 Martin Heidenhain: trachtung der einzelnen Zelle stehen bleibt. Soll aber die „Polarität“, oder noch allgemeiner: der gesetz- mässige, allen Zellen zukommende, übereinstim- mende Bau so erkannt werden, dass derselbe mit dem gesetzmässigen Aufbau des thierischen Kör- pers, mit der Bildung der Gewebe, in ursächli- chem Zusammenhangegedachtwerdenkann, dann muss auch von der Zellentheilung ausgegangen werden. Ich wiederhole hier die Abbildungen van Beneden’s nicht, da sie jedermann bekannt sein dürften. Rufen wir uns das Strukturbild des zum ersten Male sich theilenden Eies von Ascaris megalocephala ins Gedächtniss zurück, in der Art, wie es uns von dem genannten Autor überliefert wurde, so können wir sehr wohl verstehen, dass auf einem der chromatischen Muttersternfigur entsprechenden Stadium die Eizelle als ein bilateral-symmetrischer Organismus genommen wird. Da nämlich die Mittelpunkte der Basen der Polkegel, die Centralkörper der Spindelfigur und die Mitte der chromatisehen Sternfigur nach van Beneden auf einer schwach gebogenen Kurve liegen, so ist durch diese selbst eine Symmetrie- ebene gegeben. Jene Kurve würde dann eine „Zellenachse“ vor- stellen, und dieser würde ausserdem noch eine „Polarität‘‘ zuge- schrieben werden müssen, da nämlich die beiden durch die erste Furchung abfallenden Tochterzellen ungleichwerthig sind (Anlagen des Ektoderms und Entoderms, pag. 591. e.). Was diese bilaterale Symmetrie des sich theilenden Ascariseies anlangt, so können wir sie nicht für ganz gewiss nehmen, da Boveri sich ganz ausdrücklich dagegen ausgesprochen hat (15; pag. 89): „In allen meinen Prä- paraten mit fertiger Spindel projieiren sich bei polarer Ansicht die beiden einander deckenden Centrosomen auf das Centrum der Aequatorialplatte, und bei seitlicher Ansicht wird der Stab, als welcher die Platte hier erscheint, von der Verbindungslinie der beiden Pole halbirt, wie man auch das Ei um diese Achse ro- tiren mag.“ Was ferner die „Polarität‘“ der Achse der ersten Furehungsspindel bei van Beneden’s Objekte anlangt, so ist ja allerdings richtig, dass sie durch die Ungleichheit der beiden in die zwei ersten Furchungszellen eingehenden Eihälften unmittel- bar gegeben ist. Allein wir haben da doch einen ganz speeiellen Fall vor uns, der nicht bei jeder Zellentheilung wiederkehrt. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 7105 Mithin müssen wir bekennen, dass diese Sorte von „Polarität‘ eine für unsre Spekulationen unwesentliche ist. Dagegen haben wir dann in den beiden ersten Furchungs- zellen eine deutliche Polarität, welche durch die (ursprüngliche) Stellung der (ungetheilten) Astrosphäre gegenüber dem Kern ge- geben ist. Diese Polarität bin ich geneigt für eine wesentliche zu halten, da sie zu Stande kommt auf Grund der Genese der Zelle und ich werde dies späterhin durch Erörterung der me- chanisch-physiologischen Verhältnisse der inneren Zellstruktur näher begründen. Auch für die beiden ersten Furchungskugeln nimmt van Beneden eine bilaterale Symmetrie in Anspruch (l. e. pag. 64); was man von dieser zu halten habe, dafür gilt schliesslich das Gleiche, wie für die bilaterale Symmetrie der Eizelle auf dem Stadium des chromatischen Monasters: man kann sie nicht für gewiss nehmen, denn die reale Existenz jener Momente, welche sie zu Wege bringen würden, ist von Boveri sehr lebbaft angestritten worden. Auch die vorzeitige Theilung des Mikrocen- trums (um die Sache richtig zu bezeichnen!)) in den van Be- neden’schen Fällen kann hier nicht in Betracht kommen, da sie für die ruhende Furchungskugel, wie sie Boveri zu beobachten Ge- legenheit hatte (l. e. pag. 167f.) in Fortfall kommt. Mithin können wir auf Grund der Conkurrenz der beiden Fundamentalarbeiten vanBeneden’'s und Boveri’s nur das Eine für wahrscheinlich erachten, dass den beiden ersten Furchungskugeln von Ascaris eine bipolare Struktur zukommt. 143. Schon aus dem Kapitel 2 wird klar ersichtlich sein, dass die Symmetrieverhältnisse der Lympho- eytenwesentlichbestimmtwerdendurchdasPrin- eip der ursprünglichen Identität der Länge der organischen Radien (d. h. durch das Spannungsgesetz der Fäden des centrirten Systems). Auf der andren Seite kommt auch der Kern ganz erheblich in Betracht, insofern 1) Hier ist wahrscheinlich nicht von einer Theilung der Central- körper in meinem Sinne die Rede; denn der Centralkörper ist hier nach van Beneden ein „amas granuleux“. Es handelt sich gewiss um die Theilung eines ächten Mikrocentrums und darum um eine im Gang begriffene Mitose, nicht etwa um einen doppelten Centralkörper bei ruhender Zelle. 106 Martin Heidenhain: derselbe den Bewegungstendenzen des Mikrocentrums gegenüber einen passiven Widerstand leistet und somit einen gewissen Ein- fluss auf die Lage desselben gewinnt. Dieses mechanische Wechsel- verhältniss zwischen Zellleib und Kern wird aus dem Folgenden noch viel klarer ersichtlich werden. Zunächst handelt es sich für uns jedoch darum eine genauere Einsicht in den Thatbestand selber zu gewinnen, und deswegen wollen wir uns die faktisch am Leibe der Lymphoeyten stattfin- denden Symmetriegesetze noch einmal vor Augen führen. Ich verzichte dabei, wie ganz selbstverständlich ist, auf eine Verwer- thung oder Besprechung stark amöboider Zellenformen !) und lasse ebenso die Lymphocyten mit stark polymorphem Kern gänzlich bei Seite. Dies sind ja doch nur Specialfälle, die als abgeleitete Typen aufgefasst werden müssen. Die einfachsten Verhältnisse finden wir bei Lymphocyten mit kugligem, ovoidem oder ellipsoidem Kern; in den beiden letzteren Fällen können wenigstens die Verhältnisse sehr einfach liegen, sofern nämlich das Kernellipsoid einem Ro- tationsellipsoid entspricht und das Mikrocentrum in der Hauptaxe des Kerns steht (annähernd im Fig. 16). Derartige Zellen, sowie Leukoeyten mit rein kugligem Kerne, wie solche unter den klei- neren Formen ungemein häufig vorkommen, sind allemal poly- symmetrisch zu denken; jene Linie, um welche die Symme- trieebene beliebig drehbar ist, verläuft durch die Mitte von Mi- krocentrum und Kern. Es ist natürlich selbstverständlich, dass wir, nach dem, was schon vorausgegangen, von den Strukturen im Zellkern selbst und von der gegenseitigen Stellung der Cen- tralkörper bei Beurtheilung der Symmetrieverhältnisse gänzlich absehen. Nun können zwar Zellen mit Kernen von Eiform oder von der Form eines Rotationsellipsoides sich polysymmetrisch verhalten, wie gezeigt wurde; dies ist aber durchaus nicht immer der Fall. Steht nämlich das Mikrocentrum in der kurzen Achse des Kerns, dann müssen solche Zellformen nach anderen Gesichtspunkten beurtheilt werden, und zwar nach denselben Gesichtspunkten wie Zellen mit bohnen- (Fig. 1, 2, 9), sack-, hufeisen- (Fig. 3, 1) Die Prineipien, nach denen die Zellenruhe beim Lymphocyten erkannt wird, glaube ich in Capitel 2 mit voller Sicherheit klar gelegt zu haben. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 707 4, 7, 8 ete.) oder auch ringförmigem Kerne (Fig. 6). Der- artige Kerne haben, wie leicht ersichtlich, zwei Symmetrie- ebenen, welche auf einander senkrecht stehen. Für die Fig. 1 bis 9 mit Ausnahme von Fig. 5, sowie für die Fig. 25, 26, 28, 30, 32, 35, 35 und 36 wird die eine Symmetrieebene durch die Papierebene gegeben, entsprechend der Bedingung, unter welcher die Auswahl der abzubildenden Zellen stattfand (Absatz 39); die andre Symmetrieebene steht auf der ersten senkrecht und wird in Fig. 8 z. B. gegeben durch die Ebene, welche durch die Linie AB geht (und auf der Papierebene senkrecht steht). Liegt das Mikrocentrum in jener Linie, in welcher sich die beiden Sym- metrieebenen des Kerns schneiden, dann haben wir eine bisym- metrische Zelle, z.B. in Fig. 7, 8,9. Tritt das Mikrocen- trum aus jener Linie heraus in eine der beiden Kerm-Symmetrie- ebenen hinein, dann haben wir eine bilateral-symmetrische oder monosymmetrische Zelle (z. B. Fig. 31). Sofern am Leukocyten nach der Mitose keine besonderen Verlagerungen des Zellinhaltes stattfinden, wenn vielmehr mit der Telokinese nur die typischen Wanderungen des Mikrocentrums, bezw. auch des Kerns zu Stande kommen, so resultiren entweder polysymmetrische, oder, wenn der Kern dem auf ihm lastenden Drucke nachgiebt (Absatz 36), bisymmetrische Zellen. Diese Formen der Symmetrie sind daher für den ruhenden, nicht in amöboider Bewegung begriffenen Leukocyten die typischen. Assym- metrische Zellen entstehen dadurch, dass das Mikrocentrum aus den Symmetrieebenen des Kerns nachträglich herausrückt. Dass die Entstehung assymmetrischer Zellen sekundär statt- findet, geht unmittelbar aus der Genese der bisymmetrischen Kern- formen hervor. Denn diese werden durch die Druck- wirkung des centrirten Mitoms erst aus den poly- symmetrischen Kernen herausgeprägt, so zwar, dass das Mikrocentrum von vornherein in der Schnittliniedersichüberkreuzenden Symmetrie- ebenen zu liegen kommt. Mithin würden aus der Mitose zunächst immer nur symmetrische Zellen resultiren, wenn nicht in einigen Fällen die ursprüngliche Symmetrie schon im Entstehen durch sekundäre Bewegungen des Zelleninhaltes verloren ginge (Fig. 5 untere Zelle). Von den beiden Symmetrieebenen bisymme- 708 Martin Heidenhain: trischer Zellen entspricht die eine jener Ebene, innerhalbderenderKernursprünglich die grösste Pressung erlitt; diezweite Symmetrieebene wird gegeben dureh die Riehtungen, in welchen der Kerninhalt zum Ausweichen kam (Richtungen des ge- ringsten Druckes; Schema Fig. 88). Aus alledem geht hervor, dass die Linie welche durch die Mitte von Mikrocentrum und Kern hindurchgeht, einen besonderen eonstructiven Werth hat; sie ist die Achse der Symmetrieebenen, und wir bezeichnen sie als die „organische Achse der Zelle“. Durch die Mittelpunkte von Mierocentrum und Kern ist die Lage dieser Achse unter allen Umständen bestimmt; durch seeundäre Verschiebungen des Mikrocentrums kann die Zellenachse derart verlagert werden, dass die Zelle assymmetrisch wird; in günstigen Fällen jedoch kann sich die frühere Lage wieder herstellen, oder es könnte sich auch eine neue Symmetrie ausbilden. 144. Die Lage der Achse wird ersichtlich beim Uebergang in die Zellenruhe durchaus nur bestimmt erstens durch das Bestreben der organischen Radien die gleiche Länge anzunehmen (in den nämlichen Spannungszustand überzugehen) — denn hier- durch wird der Ort des Mikrocentrums endgiltig festgelegt, — und zweitens durch die von dem Kern ausgeübten Widerstände: ist nämlich die Trägheit der Masse des Kerns am Anfange der Telokinese so gross, dass er an seinem Orte verharrt, so muss die Sphäre mit dem Mikrocentrum um 180° rotiren und die Lage der Zellenachse kehrt sich direkt um; giebt der Kern aber nach, führt er grössere oder geringere Wanderungen aus, dann richtet sich die Lage der Zellenachse nach dem Grade dieser Nachgie- bigkeit, denn nach dieser bestimmt sich die Lage des Kernmit- telpunktes. Alles in allem genommen wird mithin die Lage der organischen Achse beim Lymphoeyten nur aus inneren, we- sentliehen Gründen heraus bestimmt, nämlich einmal durch die innerhalb des Mitoms schon ursprünglich herrschenden Span- nungen und zweitens durch die Lage und Trägheit des Kerns. Die organische Achse des Lymphoeyten zeigt mit Beziehung auf Mikrocentrum und Kern eine manifeste „Polarität“: wir haben Zellen vor uns, deren feinere Strukturtheile in einer bestimmten Orientirung auf Grund physiologischer Ursachen der- Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 709 art festgehalten werden, dass dadurch eine dauernde innere Po- larität des Zellkörpers garantirt wird. Aus dem Prineip der ursprünglichen Längengleichheit der organischen Radien folgt, dass bei den hier betrachteten Elementen mit einfachen Kernformen die organische Achse sich leicht eon- struiren lässt, auch wenn das Mikrocentrum nicht sichtbar ist. Zieht man eine Linie von der Mitte des Kerns aus im der Rich- tung der grössten Ausdehnung des Protoplasmas, so muss das Mikrocentrum in dieser Linie liegen, welche somit die Zellenachse vorstellt (Absatz 35, vergl. die Schemata und ferner die Abbil- dungen der ersten beiden Tafeln). Für diese Linie ist im übri- gen klar, dass weder die gegenseitige Lage noch auch die Grösse der Centralkörper etwas mit ihrer „Polarität* zu schaffen haben. Ehe ich nun in der Verfolgung meiner Absichten weiter fortschreite, will ich hier die Frage aufwerfen, ob die gleiche organische Achse auch an anderen Zellen con- struirbar ist, oder ob sie einzig ist in ihrer Art. Hier habe ich zunächst zu bemerken, dass die von van Beneden für die beiden ersten Furchungszellen von Ascaris construirte Zellen- achse mit der für den Lymphocyten nachgewiesenen wesentlich übereinstimmt. Im übrigen finde ich beim Nachsuchen in der Literatur nur so überaus wenig ruhende Zellen mit Centralkörpern oder Mikrocentren abgebildet, dass die Ausbeute für die ange- deutete Frage eine recht geringe ist. Die drei von Hermann’s Seite aus hier in Betracht kommenden ruhenden Zellen (in 44), darstellend 1) eine Spermatogonie des Frosches mit gelapptem Kerne und anliegender Protoplasmastrahlung, 2) eine Spermato- cyte vom Proteus im Ruhezustande und 3) eine Spermatogonie von Helix pomatia im Ruhestadium zeigen auf das allerdeut- lichste die bipolare Zellenachse und auch hier durehschneidet wie beim Leukocyten die von der Mitte des Kerns her in der Richtung der grössten Ausdehnung des Proto- plasmas ausgezogene Linie die Stelle des Mikrocen- trums. Dieselbe Construktion lässt sich mit dem gleichen schla- genden Erfolge bei der übergrossen Mehrzahl der von van der Strieht gegebenen Abbildungen ruhender Zellen ausführen (Nr. 90). Natürlich kann von vornherein nicht jede beliebige Zeichnung einer ruhenden Zelle mit Mikrocentrum für die Vor- nahme der Construktion der Zellenachse geeignet sein; es muss 710 Martin Heidenhain: nämlich dem Zeichner eine Zelle vorgelegen haben, bei welcher Mikrocentrum und Kern, letzterer seinem grössten Durchschnitte nach, wenigstens annähernd in dieselbe optische Querschnitts- ebene fielen. So ist es schon als eine sehr grosse Uebereinstim- mung zu betrachten, wenn bei van der Stricht von sechs ruhen- den Knorpelzellen sich fünf ganz so verhalten, wie Lymphoeyten mit kugligem Kerne, so dass auch hier die von uns nominirte Zellenachse das Protoplasma in der Richtung seiner grössten Aus- dehnung durchquert. Ganz genau in der gleichen Weise verhalten sich bei van der Stricht auch die beiden ruhenden Furchungs- zellen vom Ei des Triton eristatus, welche als Fig. 1 und 2 ab- gebildet sind. Aus den Arbeiten Flemming’s kann ich leider nichts entnehmen, was hier mit zur Beurtheilung herangezogen werden könnte, denn der genannte Forscher hat leider die Leiber der Endothel- und Bindegewebszellen, deren Mierocentren er ab- bildet, nicht ausgezeichnet, so dass aus diesen zerstückten Zellen für uns nichts zu schliessen ist; es bleiben höstens noch die von Flemming abgebildeten Lymphocyten übrig, welche, soweit sie nicht stark amöboid beweglich sind, selbstverständlich mit der von mir gegebenen Bestimmung der Zellenachse übereinstimmen. Bei Moore schliesslich stimmen von 7 ruhenden Geschlechts- zellen aus der Genitalleiste der Salamanderlarve 5 mit unsrer Construktion, indem wiederum die Zellenachse das Protoplasma seiner grössten Erstreckung nach durchläuft. Ich will nun gleich weiter die Frage erheben, ob es denkbar möglich sei, dass diese organische Achse sich bei allen einkernigen Zellen von gewöhnlichem Typus construiren liesse. Diese Möglichkeit hängt offenbar grössten Theils von der Beantwortung der Frage ab, ob die Centralkörper permanente Bildungen sind oder nicht. Sollte entgegen der heute herrschenden allgemeinen Annahme dies nicht der Fall sein, dann complieirt sich das Problem der Polarität oder Axialität der Zelle in so ausserordentlicher Weise, dass sich das- selbe vorläufig jeder weiteren Erwägung entzieht. Auch wird in den Fällen, in denen der Centralkörper oder das Mikrocentrum thatsächlich existirt, nicht immer die Achse in derRich- tung der grössten Ausdehnung des Protoplasmas zu liegen kommen. Es ist vielmehr von vornherein als ge- wiss anzunehmen, dass die im thierischen Körper herrschenden mechanischen Bedingungen den Zellen oftmals eine derartige Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 11 äussere Form aufdrängen werden, dass die Zellenachse nach einer ganz anderen Richtung hin verlagert wird. Die Verhältnisse können nur in den Fällen sich gerade sowie beim ruhenden Leukocyten her- ausbilden, wenn die äussere Formengebung der Zelle, ihre Gestalt, wesentlich dureh innere Mo- mente bedingt wird, wie dieseben beim Lympho- eyten zutrifft, und wenn diese bedingenden Ur- sachen der Zellform mit der specifischen physio- logischen Funktion der betreffenden Zelle nichts mehr zu schaffen haben. 145. Ich gehe nun zu einer kurzen Betrachtung der Achsen- verhältnisse während der Mitose über. Soweit ich mich an Leukocyten davon überzeugen konnte, — die Beobachtung wird hier schwierig, weil die entsprechen- den Stadien nicht leicht in genügender Anzahl aufgefunden wer- den können, — steht hier die Verbindungslinie der beiden von einander sich entfernenden Tochtermikrocenten senkrecht auf der Richtung der ursprünglichen Achse (Fig. 87 im Vergleich zu 85). Man findet nämlich noch im Stadium des segmentirten Knäuels die beiden Mikrocentren einseitwendig neben der Kern- masse in der Nähe des Polfeldes in ungefähr symmetrischer Stel- lung. Mithin glaube ich als das vorläufig Wahrscheinlichste an- nehmen zu müssen, dass die Achse der ausgebildeten Spindelfigur ebenfalls senkrecht auf der Richtung der ursprünglich vorhandenen Zellenachse steht (Fig. 87T B vergl. mit Fig. 85). Eine solche Stellung der Achse der Spindelfigur gegen die Achse der Mutterzelle scheint häufiger vorzukommen. So zeigen auch die Abbildungen van Beneden’s, dass die innerhalb der beiden ersten Furchungskugeln sich entwickelnden Spinden senk- recht auf der hier allerdings wegen der vorzeitigen Theilung des, Mikrocentrums nur in idealer Art gegebenen ursprünglichen Achse der Mutterzelle stehen. Boveri hat zwar gerade an diesem Punkte widersprochen und nach ihm kann die Verbindungslinie der auseinanderweichenden Centra gegenüber der ursprünglichen Achse geradezu jede beliebige Stellung einnehmen, allein es wird gleichzeitig doch zugegeben, dass in der Mehrzahl der Fälle jene besprochene gesetzmässige Beziehung stattfindet. Dies ist für die 712 Martin Heidenhain: Auffassung der Lage vollkommen genügend: denn nur das, was durchschnittlich oder der Regel nach sich zuträgt, kann hier maass- gebend sein. Abweichungen von wesentlichem Umfange würden gewiss bei den nächstfolgenden Zellentheilungen oder auf anderem Wege durch die ja überall im thierischen Organismus vorhan- denen Gesetze der Selbststeuerung wieder ausgeglichen werden. — Aehnlich schneidet nach van der Stricht beiden Furchungskugeln vom Triton die sich entwieckelnde Spindelfigur rechtwinklig die Achse der Mutterzelle (eine Folgerung, die sich aus einem Ver- gleich der Fig. 1, 2, 5 und 7 in Nr. 90 ergiebt). Hier tritt dann die weitere Complikation hinzu, dass späterhin die Zelle in der Richtung der Spindelfigur wächst (Fig. 8, 9 ibidem), wodurch die Lage sich erheblich complieirt. Ferner werden wir höchst wahrscheinlich in vielen einschichtigen (!) Epithelien, zumal den Cylinderepithelien, den Fall haben, dass die Achse der ausge- bildeten Spindelfigur die Achse der ruhenden Zelle senkrecht überschneidet. Dies muss der Fall sein bei den Eileiterepi- thelien des Frosches (Rana temporaria) und der Geburtshelfer- kröte, wenn wenigstens die von Lebrun als centres plasmatiques in den betreffenden Epithelzellen beschriebenen Bildungen den von den Mikrocentren ausgehenden Radiärsystemen analog sind, woran ich übrigens nicht zweifle. Hier haben wir hocheylin- drische Zellen, deren von mir sogenannte organische Achse parallel der langen Ausdehnung der Zelle verlaufen würde; im Fall der Zellentheilung aber muss die Spindel, wenn das Epithel einschichtig bleiben soll, annähernd quer, der Breitenausdehnung der Zelle entsprechend, zu liegen kommen. Auch bei dem Epithel der Darmgrübehen vom Salamander fand ich bei Gelegenheit früherer Untersuchungen die Sphäre, wo ich sie deutlich salı, soweit ich mich jetzt noch entsinnen kann, immer auf der nach dem Lumen zugewendeten Seite des Kerns, so dass auch hier die Achse der ruhenden Zelle senkrecht zur Fläche des Epithels steht, während doch die Achse der ausgebildeten Spindelfigur zu eben jener Fläche der Regel nach parallel stehen muss, falls nämlich über- haupt ein einschichtiges Epithel zu Stande kommen soll. Wenn ich hier einige Fälle aufzählte, in denen die mito- tische Spindelfigur mit der ursprünglich vorhandenen Zellenachse einen Winkel von 90° macht, so meine ich doch nicht, dass dieser bestimmte Winkel diese bestimmte Grösse nun durchaus überall haben Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 113 müsse, sondern ich meine nur, dass jenem Winkelwerthe an einer bestimmten Stelle des thierischen Körpers eine bestimmte durch- schnittliche Grösse zukommen müsse, welche gesetzmässig fest- steht. Der Fall, in welchem jene beiden Construktionslinien, die Achse der Mutterzelle und die Achse der nächsten mitotischen Spindeltigur, einander senkrecht kreuzen, ist nur gerade eben am leichtesten zu übersehen und aus diesem Grunde habe ich einige Beispiele dieser Art angeführt. Im übrigen muss ich aber ganz besonders hervorheben, dass für alle jene Zellen, welche nicht unter besonderen inneren und äusseren mechanischen Be- dingungen stehen, es als wahrscheinlich gelten darf, dass die Achse der Spindelfigur senkrecht zu der durch Mikrocentrum und Kern sich bestimmenden Achse der Mutterzelle steht. Denn nach meinen Erfahrungen am Lymphoeyten tritt aus inneren Gründen, sofern nieht besondere veranlassende Momente fremder Art vorhanden sind, in Beziehung auf die Zellenachse eine sym- metrische Lagerung der Strukturtheile ein; da nun die während der Mitose (neben anderen) wirksam werdenden Spannkräfte (Absatz 34) an die Strukturtheile, speciell an die fädigen Diffe- renzirungen des Protoplasınas gebunden sind, so muss auch eine symmetrisch zur Zellenachse stattfindende Vertheilung jener Spann- kräfte vorhanden sein. Für diesen Fall kann es aber keine ein- fachere Annahme geben als die, dass sich die Spindel senkrecht zur ursprünglichen Achse der Mutterzelle stellt (Fig. 85 und 87)}). Nachdem ich angenommen und wahrscheinlich gemacht habe, dass das Prineip der ursprünglichen Identität der Länge der or- 1) Es ist selbstverständlich und dies habe ich oben im laufenden Texte nicht besonders erwähnt, dass die Art der Insertion der Radiär- fäden an den im Mikrocentrum enthaltenen Centrosomen von vVOorn- herein so beschaffen sein muss, dass dadurch überhaupt die Mög- lichkeit einer Stellung der Spindel quer zur Achse der Mutterzelle an die Hand gegeben wird. Stellen wir uns vor, dass in dem Mikro- centrum des Schemas der Fig.85 2 Centralkörper enthalten sind, so dürften die Radiärfäden nicht beliebig an diesen inseriren; es dürf- ten z. B. nicht von jedem Centrosoma her allseitig ausgebildete Ra- diensysteme ihren Ursprung nehmen. Vielmehr müssten die Insertio- nen der Radiärfäden schon von vornherein ungefähr in der Weise ver- theilt sein wie Fig. S7A zeigt. Diese Regelung der Ursprungsorte der centrirten Fäden am Mikrocentrum ist ein wichtiger Punkt und ich glaube, dass dieselbe in allen Fällen überall in der nämlichen Art er- folgt, so dass hier kein punctum variationis der Mitose vorliegt. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 46 714 Martin Heidenhain: ganischen Radien einer der beiden Faktoren ist, welcher bei der Bestimmung des Ortes des Mikrocentrums wesentlich in Betracht kommt, ist es selbstverständlich, dass dieses Prineip in meinem Sinne auch Geltung haben muss während des Ablaufs der Mitose. Es ist nun klar, dass wenn für eine ruhende Zelle die Noth- wendigkeit eintritt sich zu theilen, d. h. wenn der innere Anstoss zur Theilung soeben erfolgte, dass dann in diesem Augenblicke in der Zelle schon zwei Tochterradiärsysteme implieite gegeben sind, welche nur noch die Aufgabe haben, sich zu trennen. Diese Trennung geschieht durch die Theilung des Mikrocentrums und das Auftreten der Centralspindel (Fig. 87 A). Für die beiden Tochterradiärsysteme tritt nun sofort wieder jenes Prineip in Geltung, welches schon die innere Form der Mutterzelle be- herrschte und auf Grund dessen die organischen Radien eines centrirten Systemes (unter einfachen inneren und äusseren Be- dingungen) alle dem gleichen Zustande der inneren Spannung zustreben, oder anders ausgedrückt: auf Grund dessen sie einer mittleren ihnen durchschnittlich zukommenden Länge sich zu nähern suchen. Die ursprüngliche Gleichgewichts- lage der ruhenden Zelle (Fig. 85) ist einmal gestört durch das Auftreten der Spindelfigur (Fig. 87 A) und nun streben die Tochterradiärsysteme sofort einer neuen Gleichgewichtslage zu (Fig. 87 B). Da nun in Folge des Wachsthums der Centralspindel und wegen der allmählichen Auflösung der Kernmembran die über die Kernober- fläche hinweggebogenen gedehnten Fäden in der Lage sind, sich verkürzen zu können, so kommt es schliesslich, während die chromatische Masse des Kerns zur Muttersternfigur sich umordnet, zur Bildung jener wunderbar gleichmässig ausgestalteten dicen- trischen Figur (87 B), innerhalb deren die Länge der organischen Radien der beiden Tochterradiärsysteme bei weitem besser aus- geglichen ist, als während der Zellenruhe selbst. Mit anderen Worten: da im Verlaufe des mitotischen Processes der blasenförmigeKernals besonderer Grund der Dehnung gewisser Systeme der Zellenfäden fort fällt, so ist die Ausgleiehung der ursprünglich im Mitom herrschenden Spannungsverhältnisse wohl als die nächste Ursache der Wanderungen Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 715 der Tochtermikrocentren sowie der gesetzmässigen Stellung der Spindelfigur anzusehen (vgl. Abs. 34). Ist das Stadium der cehromatischen Monasterfigur erreicht, dann ist damit ‘zunächst ein Ruhestadium eingetreten, welches bekanntermaassen für gewöhnlich lange anhält, so dass diese Muttersternfiguren wohl in allen wachsenden Geweben am häu- figsten zu finden sind. Wenn ich hier auch nicht so weit gehe wie Boveri (l. e. p. 110), zu sagen, dass dieser Ruhezustand vielleicht der Ruhezustand par excellence im Leben der Zelle sei, so muss ich nach meinen Grundsätzen und Erwägungen doch auch behaupten, dass das Spiel der Kräfte auf diesem Stadium der Mitose für einige Zeit als völlig ausgeglichen zu betrachten sei. Erst späterhin beginnt dann eine physiologische Verkürzung der Polfädengruppe (Schema Fig.87T C und D), welche nachmals wäh- rend der Telokinese wiederum so weit wie nur irgend möglich zum Ausgleich kommt (durch eigenthümliche Wanderungen des Mikrocentrums, des Kerns oder beider Theile). Noch möchte ich auf Folgendes aufmerksam machen. Im Stadium der Muttersternfigur (Fig. 87T B) üben gemäss meinen Voraussetzungen die im Aequator der Zelle endigenden organi- schen Radien die relativ grösste Zugwirkung an der Zellen- peripherie aus; denn hier im Aequator der Zelle inseriren die- Jenigen Radiärfäden, welche nun noch am stärksten gedehnt sind. Gerade an dieser Stelle findet aber auch die Einschnürung des Zellleibes statt (Fig. ST C, D). Ich glaube mithin ein weiteres unterstützendes Moment für das Zustandekommen der Einschnü- rung des Zellleibes gefunden zu haben. Nachdem wir nun in der Vorbetrachtung so weit gekommen sind, ist es für uns sehr leicht, die Achsenverhältnisse der mito- tischen Figuren vollständig einzusehen. In dem Augenbliek nämlich, in welchem sich die beiden Tochtermikrocentren von einander zu entfernen beginnen, spaltet sich die Zellenachse und wir haben nun sogleich ent- sprechend den beiden in Bildung begriffenen Tochter- zellen nicht weniger denn zwei gleichwerthige orga- nische Achsen (Fig. ST A ab und ab,). Diese bilden einen zuerst minimalen, späterhin an Grösse zunehmenden Winkel mit einander und besitzen beide die nämliche Polarität. Ist jener- Winkel bis auf 180° angewachsen, dann fallen die bei 716 Martin Heidenhain: den Achsen der Tochterzellen in eine gerade Linie zu- sammen (87 B; Linie bab,), welche nunmehr die Achse der mitotischen Gesammtfigur vorstellt. Diese Achse hat aber einen ganz anderen Werth als die Achse der ruhenden Mutterzelle, denn sie ist eigentlich — sit venia verbo — eine „Doppelachse“, die aus zwei gleichwerthigen, sich ihrer Zusammenfügung nach „spie- gelbildlich“ verhaltenden Theilabschnitten hervorgegangen ist. Diese Linie hat, wie wir jetzt einsehen, ihrer Genese nach keine Polarität mehr. Die Polarität ist verschwunden, gleich null geworden; man könnte sich etwa dahin ausdrücken, dass die „Polarität“ der mitotischen Figur während der Prophasen in dem gleichen Maasse abnimmt, wie die ursprünglich innerhalb des centrirten Mitoms vorhandene Spannung). Wir untersuchen nun fernerhin die Lage der organischen Achse während der Telokinese. Es ist nun schon in Capitel 4 auseinandergesetzt worden, dass das Mikrocentrum während der Endphasen der Mitose in den meisten Fällen erhebliche Wande- rungen unternimmt, welche mit oder ohne gleichzeitige Verla- gerung des Kerns zu jener typischen Stellung des Mikrocentrums führen, wie sie dem ruhenden Lymphocyten eigen ist. Die Wanderung des Mikrocentrums entspricht dem Spannungsgesetz des centrirten Mitoms, die Gleitbewegungen des Kerns sind seiner Neigung gemäss in der Richtung der grössten interfilaren Räume auszuweichen. Der Kern besitzt nun offenbar eine grosse Trägheit. Bleibt er ganz an jener Stelle liegen, an welcher die chromatische Tochtersternfigur zuvor stand (Figur 89 A Anfangsstellung), dann muss das Mikrocentrum sich um 180° um den Kern herumbewegen (Figur 89F zugehörige Endstellung für diesen Fall). Dies kommt ganz gewöhnlich vor. Wenn umgekehrt in seltenen Fällen das Mikrocentrum zunächst die Tendenz verfolgt, auf seinem Platze zu verharren, dann weicht der Kern in der Richtung der Zellen- achse nach der gegenüberliegenden Seite hin aus und das Mikro- centrum folgt ihm nach Maassgabe des preisgegebenen Terrains allmählich nach (Figur 89 E). Im letzteren Falle wird die Lage 1) Die Construktion der organischen Achse in den Theilungs- figuren 87B und C ist selbstverständlich ihrer Art nach genau die nämliche wie bei der ruhenden Zelle. Wir gehen immer von der Mitte oder dem Schwerpunkt der Kernmasse aus und construiren die Linien durch die Mikrocentren hindurch. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. za der Zellenachse beibehalten, im ersteren kehrt sich ihre Polarität um. Combiniren sich Bewegungen des Mikrocentrums und des Kerns, so wird die Lage ungemein complieirt. Ein klares Bild von dem Wesen dieser Vorgänge ’ können wir uns jedoch auf folgende Weise machen. Die Bewegungen des Mikrocentrums finden in einer Kurve statt, welehe der jeweiligen Stellung des Kerns entspricht. Diese Wanderung kann man sich zerlegt denken in eine Bogen- strecke, welche der Oberfläche der Zelle parallel zu denken ist, und in eine zweite gradlinige Strecke, welche gegen den Mittelpunkt der Zelle hin gerichtet ist (vergleiche die Schemata der Figur 89). Die Länge der Bogenstrecke ist proportional dem Widerstande des Kerns und ist somit inden Einzelfällen ungleich gross; die Kanse der: centripetalen Streeke ist dazesen immer gleich gross, weil sie dem Spannungs- gesetze des centrirten Mitoms gemäss ist und somit immer die gleichen wirkenden Ursachen zur Grundlage hat. Die Grösse der Drehung der Zellenachse kann, wie leicht ersichtlich, an jener Bogenstrecke gemessen werden. Haben wir z. B. in Figur 89A die Anfangsstellung und in © die Endstellung, so entspricht jener in einer idealen Weise vorgestellten Kreisbewegung des Mikrocentrums eine Drehung der Zellenachse um 90°. Die eventuell während der Telokinese stattfindenden Bewe- gungen des Kerns entsprechen gleichfalls einer bestimmten Kurve, welehe an der Bewegung des Kernmittelpunktes oder seines Schwerpunktes verfolgt werden kann. Die von diesem beschrie- bene gebogene Linie können wir in Gedanken gleichfalls in eine Kreisbogenstrecke und in eine gerade Strecke von eentrifugaler Richtung zerlegen, welche letztere übrigens in praxi von untergeordneter Bedeutung ist. Der Kreisbogen entspricht in dem oben angenommenen Falle (Figur 89A und C) auch beim Kern in Beziehung auf den Mittelpunkt der Zelle einem Winkel von 90° Gehört zu einer Anfangsstellung A (Figur 89) eine Endstellung D (Figur 89) mit einem Drehungswinkel des Mikrocentrums von 135°, so gehört zum Kern ein Drehungs- winkel von 45°; umgekehrt beträgt der Drehungwinkel beim Mikrocentrum 45° (Figur 89B), so muss er für den Kern 135° 718 Martin Heidenhain: betragen. Mithin beträgt dieSumme der Drehungs- winkel von. Mikrocentrum und Kern auf alle Fälle 180% Dies ist nieht wunderbar, denn es ist dies nur eine Umschreibung der Thatsache, dass die Zellenachse eine grade Linie ist. — In den beiden zu allererst betrachteten Fällen (Figur SIE und F), in welchen zunächst das Mikrocentrum oder auch der Kern die Tendenz zeigen auf dem ursprünglichen Platze zu verharren, beträgt der Drehungswinkel des Kerms bezw. des Mikrocentrums nach einer analog gedachten Construction jedes- mal für sich allein 180°. 146. Ich werfe nun schliesslich die Frage auf, wel- ches der innere Sinn dieser eigenthümlichen Bewegungen am Schlusse der Mitose ist. Die mechanische Seite dieser An- gelegenheit kennen wir ja freilich schon: nach der physiologischen Contraetion der Polradien während der Anaphasen kehrt das Mitom in die Ruhelage zurück und es findet ein Ausgleich, eine mögliehst weitgehende Egalisirung der Spannungsverhältnisse der centrirten Zellenfäden statt; dadurch wird dann die für den ruhenden Lymphocyten typische Lagerung der Strukturtheile her- beigeführt. Aber es fehlt uns nun doch vorläufig jeder Anhalt für die Beantwortung der Frage, warum das Mikrocentrum mit Beziehung auf den Mittelpunkt der Zelle während der Telokinesis eine ganz beliebige zwischen OÖ und 180° liegende Drehung ausführen kann. Warum ist dieser Winkel nicht eonstant? Oder vielmehr: da doch die Drehung mitunter ganz ausbleibt, warum sind nicht von vornherein die mechanischen Bedingungen derart angeordnet, (dass immer dieser einfachste Fall zutrifft? Nun, ich glaube, dass diese Drehungen darum stattfinden, weil sie bei den fixen Zellen überall vorkommen und weil sie als ein Erbtheil den Lymphocyten von jenen frühen Zeiten des Embryonallebens her mit auf die Wanderschaft gegeben wurden, wo es zur Ablösung wandernder Zellen kam. Nur darum, denkeich, weil die Drehung der Zellenachse für den Lymphocyten an sich werthlos ist, ist sie inconstant in ihrer Grösse, nur darum kann sie in weiter Ausdehnung schwanken. Indem wir nun weiterhin die Frage erwägen, ob der Drehungswinkel der Zellenachse am Schlusse der Mitose in Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 719 fixen Gewebeformen und während der Embryonalentwicklung als gesetzmässig bestimmt zu denken sei, betreten wir ein neues Gebiet: wir gehen von der Theorie der Zellen zur Theorie der Gewebe über. Hier handelt es sich dann in Wahrheit um das Problem, das von Rabl gestellt wurde: ob die Axialität und Polarität der Zelle etwas zu thun habe mit der Entwicklung und dem fertigen Zustande der Gewebe. Dies wird, denke ich, aus Folgendem einleuchten. Gapitel XX: Das Problem der gesetzmässigen Drehungs- winkel. 147. Dieses kleine Capitel verfolgt im Grunde nur den Zweck die Prinzipien für neue Untersuchungen an die Hand zu geben, und in diesem Sinne, so hoffe ich, werden meine Aus- einandersetzungen gelitten sein. Ich lege die Annahme zu Grunde, dass trotz der ab- weichenden und gewiss höchst interessanten Befunde Brauer's sich die Mikrocentren in der Regel der Fälle werden im Zellen- protoplasma finden lassen; dann ist auch die Zellenachse in meinem Sinne construirbar, das heisst, es ist eine Linie gegeben, in Be- ziehung auf welche die für die Mitose in Betracht kommenden wesentlichen Strukturtheile eine bestimmte und bei einfachen inneren und äusseren Bedingungen symmetrische Lagerung auf- weisen. Nun geht meine Meinung dahin, dass zum Beispiel in einem einschichtigen Cylinderepithel (!) diese Zellenachse überall eine constante, übereinstimmende Lage habe und dass durch diese schon wiederum die constante Lage der mitotischen Spindelfigur -—— parallel zur Oberfläche des Epithels — bestimmt sei. Dies leite ich aus den bereits eitirten Befunden Lebrun’s sowie von meinen Beobachtungen an den Epithelzellen der Darmgrübehen des Salamanders- her ab. Schliesslich ist auch nicht einzusehen, durch welche gesetzlichen Vorgänge die Lage der Spindelfigur bestimmt werden sollte, wenn die Achse der ruhenden Zelle, das heisst die auf Grund innerer Ursachen erfolgende Orientirung der wesentlich für die Mitose in Betracht kommenden Strukturtheile, von vornherein eine ganz beliebige wäre. Für das Paradigma der Cylinderepithelzelle nehme ich ganz 720 Martin Heidenhain: unbedenklich an, dass das Mikrocentrum vom Mittelpunkte des Kerns aus in der Richtung der grössten Erstreekung des Proto- plasmas gelegen sei, dass also die Achsen der Nachbarzellen auf der Oberfläche des Epithels senkrecht stehen. Dann würde die Achse der mitotischen Spindelfigur aus genau denselben Gründen senkrecht zur Achse der Mutterzelle zu stehen kommen, auf Grund deren auch beim Leukoeyten die gleiche Stellungnahme statt hat; hier ist wichtig zu bemerken, dass bei den Epithelzellen und überhaupt wohl bei den Zellenformen aller Arten die Neigung besteht, sich während der Mitose kugelig abzurunden, so dass die räumlichen Verhältnisse denen der Leukocyten ange- nähert werden, Steht nun die Achse der Spindelfigur einmal parallel zur Oberfläche des Epithels und ist sie in der Zellenruhe um 90° gegen diese Lage gedreht, dann muss während der Telo- kinese durchaus eine Wanderung des Mikrocentrums und des Kerns, eine Drehung der Achse der Tochterzellen um 90° statt haben, und zwar muss diese Drehung bei den beiden Tochter- zellen in ein und derselben auf der Oberfläche des Epithels senkrecht stehenden Ebene, deren Lage dureh die Achse der ursprünglichen Mutterzelle und die Achse der Spindelfigur gegeben ist, in umgekehrtem Sinne erfolgen. Fände nämlich die Drehung in gleichem Sinne statt, dann würden die beiden Toechterzellen eine umgekehrte Polarität aufweisen. Mithin wäre, wenn alle Voraussetzungen zutreffen, eine Drehung der Zellenachse um 90° während der Telokinese die Be- dingung, unter welcher ein einschichtiges Cylinder- epithel entsteht; denn ist der Drehungswinkel ein anderer, so entstehen unter im übrigen gleichen Bedingungen durch fortgesetzte Zellentheiluüngen ganz andere Zellenkomplexe. Also meine ich, dass die Frage wohl der Erwägung werth sei, ob nicht am Schlusse der Mitose in vielen speecifisch geordneten Gewebsformen gesetzmässig regulirte Drehungen des Zellinhaltes zu Stande kommen, welche die Lage der Zellenachse und damit auch wieder die Lage der nächstfolgenden mitotischen Spindelfigur bestimmen. Für den vollständig entwickelten thierischen Körper würde jene durch die Rotation der Zellenachse gemessene Drehung des Zellinhaltes an einer bestimmten Stelle für alle im Laufe der Neue Untersuchnngen über die Centralkörper etc. 121 Jahre aufeinander folgenden Zellgenerationen emem ganz be- stimmten Winkelwerthe gleichkommen. Für die Embryonal- entwicklung müsste dagegen wegen der nach verschiedenen Raumesrichtungen hin in gesetzmässiger Weise sich vollziehenden Zellentheilungen eine von vornherein festgelegte, ordnungsmässig im Laufe der Zellgenerationen sich vollziehende Aenderung der Winkelwerthe statt haben. Hier haben wir mithin wiederum das Problem der „Po- larität“ der Zelle in Beziehung zur Histogenese und zwar unter einer neuen Form, unter der Form des „Problems der gesetz- mässigen Drehungswinkel“. Freilich hat die „Polarität“ hier keine direkte Beziehung mehr zur Entwicklung von Bindegewebs- fibrillen, zur Genese der Nervenfasern oder zur Entstehung der Muskelfibrillen, sondern die Frage lautet lediglich dahin, ob die räumliche Anordnung der Zellen im Thierkörper, deren Gesetz- mässigkeit ja besonders in den einfachen Gewebsformen von epithelialer Art hervortritt, durch einen gesetzmässigen Wandel des Drehungswinkels im Laufe der Entwicklung und durch die specifische Constanz desselben an den verschiedenen Orten des erwachsenen Thierkörpers garantirt werde. Es ist leicht ein- zusehen, dass dieses Problem auch für die Theorie der Regenera- tion und der Geschwulstbildung Bedeutung hat. Ich würde diese Erwägungen hier nicht vorgeführt haben, wenn nicht die angeregte Fragestellung der Untersuchung am Objekte zugängig wäre. Mit Hilfe der modernen Untersuchungs- mittel wird man die Probe am Objekte machen können und ich hoffe selbst auf diesen Gegenstand in der Zukunft zurückzukommen. Die in dieser Schrift und namentlich in dem unmittelbar Vor- stehenden entwickelten Anschauungen betreffend das Stellungsgesetz der Mikrocentren haben einige äusserliche, man kann fast sagen scheinbare Berührungspunkte mit jenen Aufstellungen, welche O0. Hertwig!) in seinem bekannten Lehrbuche der allgemeinen Anatomie (pag. 175ff.) bezüglich der gesetzmässigen Lage der Theilungspole der mitotischen Figur vertheidigt hat. Der genannte Autor äussert sich wie folgt: 1) Zu dem Nachfolgenden vergleiche die Schrift von W. Roux: „Ueber richtende und qualitative Wechselwirkungen zwischen Zellleib und Zellkern“. Zoolog. Anz. No. 432. 1893. —\] 1% [8] Martin Heidenhain: „Es lässt sich hier das zweite allgemeine Gesetz aufstellen, dass die beiden Pole der Thheilungsfigur in die Richtung der grössten Protoplasmamassen zu liegen kommen, etwa in derselben Weise wie die Lage der Pole eines Magneten durch Eisentheile in seiner Umgebung beeinflusst wird.“ Hertwig hat hier offen- bar denselben Punkt herausgegriffen, den ich im Hinblick auf die Lagerung der Astrosphäre im ruhenden Leukoeyten früher besonders betonen zu müssen glaubte (41; pag. 158); ich drückte mich dabei ebenfalls in unklarer Weise aus und meinte, dass die Sphäre immer derartig orientirt sei, dass sie eine grösstmögliche zusammenhängende Protoplasmamasse frei vor sich habe. Wie im Falle OÖ. Hertwig’s handelte es sich nur um den Versuch der Feststellung eines thatsächliehen Verhältnisses. Die Ursache der in Rede stehenden Lagerungsformen der Sphäre oder des Mikrocentrums wird aber ganz allein durch das von mir aufgestellte Prineipium der ursprünglichen Längengleichheit der organischen Radien bezeichnet. Tritt dieses in Wirksamkeit, so kann, unter Umständen, wie dies auch beim ruhenden Leukocyten der Fall ist, die Centralkörpergruppe „in die Richtung der grössten Protoplasmamassen“ zu liegen kommen. Dass jedoch dieses mit Bezug auf die Ausdehnung des Plasmakörpers gedachte räumliche Verhältniss für sich allen keine durchschlagende, allgemeine Gültigkeit haben kann, das ersehen wir daraus, dass schon beim Leukoeyten z. B. und gewiss auch bei vielen anderen Zellen (Cylinderepithelzellen!) im Anfang der Mitose das Auseinanderweichen der getheilten Mikro- centren nicht(!) „inderRichtungdergrösstenPro- toplasmassen“ erfolgt, sondern in einer Richtung senkrecht zu dieser (siehe oben pag. 712). Ferner muss ich darauf aufmerksam machen, dass dieser Ausdruck ‚in die Riehtung der grössten Protoplasmamassen‘‘ bei O0. Hertwig eigentlich etwas grundsätzlich Anderes bedeutet, als wenn ich an mehreren Stellen davon sprach, dass das Mikrocen- trum von der Mitte des Kerns aus gerechnet auf einer Linie, welche das Protoplasma in seiner grössten Ausdehnung durchzieht, zu liegen kommt. Und auf dieser äusseren Aehnlichkeit einer dem Sinne nach durchaus verschiedenen Ausdrucksweise beruhen jene scheinbaren Berührungspunkte zwischen ©. Hertwig und mir, von denen ieh sprach. Der Gegensatz unserer Auf- fassungsweisen wird aus Folgendem klar. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 123 Auf den oben eitirten Satz hin folgt nämlich bei O. Hertwig der nachstehende Passus: „Nach dem zweiten Gesetz kann z.B. in einem kugligen Ei, in welchem Protoplasma und Dotter gleich- mässig vertheilt sind, die Achse der central gelegenen Kernspindel mit der Riehtung eines beliebigen Radius, dagegen in einem ovalen Protoplasmakörper nur mit dem längsten Durchmesser desselben zusammenfallen.“ Hieraus geht nun hervor, dass O.Hertwig gar nieht meint, dass die Theilungspole ‚in die Richtung der grössten Pro- toplasmamassen“ zu liegen kommen, sondern in die Rich- tung der grössten Erstreekung des Gesammtzell- körpers von dessen Mittelpunkt aus gerechnet. So kann nach O0. Hertwig im einer kugligen Zelle, da die Ausdehnung des Zellkörpers nach allen Raumesrichtungen hin gleichmässig erfolgt, die Spindel beliebig steben. Ich bin aber gerade bei der Herleitung der gesetzmässigen Stellung der Spindel vom kuglig abgerundeten Lymphoeyten ausgegangen (Fig. 85 bis 87) und meine, dass die Spindel nieht beliebig stehen kann, sondern immer senkreeht zur ursprünglichen Achse der Lymphzelle stehen muss. Im Gegensatz zu Hertwig ist bei mir, wenn ich von der grössten Ausdehnung der protoplasmatischen Substanz spreche, dieser Ausdruck im eigentlichsten Sinne des Wortes zu verstehen und daher auch für die Verhältnisse der kugligen, ruhenden Zelle anwendbar, denn ich betrachte hierbei das Protoplasma immer von der Lage des Kerns her. Wie schon oben erwähnt, bezieht sich dieH ertwig'’sche Auf- stellung betreffs der Lage der Spindel auf einige Specialfälle. Da nun diese sowohl als auch Fälle anderer und gegensätzlicher Art (Stellung der Spindel bei Lymphocyten und einschiehtigen Cy- linderepithelien!) durch das nämliche Spannungsgesetz cen- trirter Mitomtheile erklärt werden, da auch die Ursache der La- gerung des Mikrocentrums in kugligen, ruhenden Zellen für sehr viele Einzelfälle durch das nämliche Spannungsgesetz erklär- lich ist, so denke ich kommt man auf dem von mir eingeschla- genen Wege doch noch weiter vorwärts. Aber die Ausführungen Hertwig’s an dem eitirten Orte (l. ec. pag. 175ff.) sind noch weiterhin für mich von besonderem Interesse. Aus jenem von ihm aufgestellten „Gesetze“, welches die Spindelstellung betrifft, leitet der genannte Schriftsteller noch Folgendes ab: 124 Martin Heidenhain: „Im Grossen und Ganzen wird nun bei jeder Theilung einer Mutterzelle, wenn dieselbe nicht in einer Richtung besonders in die Länge gestreckt ist, der Fall eintreten, dass in den Tochter- zellen die Achse, welche in der Richtung der früheren Hauptachse der Mutterzelle liegt, die kürzeste geworden ist. Die Achse der zweiten Theilungsspindel wird sich daher in diesem Falle nie in der Richtung der vorausgegangenen Theilspindel, vielmehr recht- winklig zu dieser Richtung, der Form des Protoplasmakörpers entsprechend, einstellen müssen. Daher wird die zweite Theilebene die erste rechtwinklig schneiden müssen.“ „Im Allgemeinen werden die aufeinanderfolgenden Theil- flächen einer Mutterzelle, die in 2, 4, 8 und mehr Tochterzellen durch successive Zweitheilungen zerlegt wird, in den drei Rich- tungen des Raumes alternirend erfolgen und dabei mehr oder weniger genau senkrecht auf einander stehen.“ Diese Herleitung erscheint ihrem Werthe nach sehr zweifel- haft. O0. Hertwig bezieht sieh zur weiteren Begründung der- selben hauptsächlich auf botanische Zeugnisse. Bleiben wir aber bei den Thieren stehen, so müssen wir sagen, dass hier während der Entwicklung gerade das Wachsthum flächenhaft aus- gebreiteter Zellenstrata (Epithelien, Keimblätter!!) eine ganz besondere Rolle spielt, und dass darum innerhalb der Zellenkörper auch ganz allgemein Einrichtungen oder Vor- gänge verbreitet sein müssen, welche, wenn eine gewisse variable Be- dingung sieh ändert, auch die flächenhafte Ausbreitung der sich theilenden Zellen mit Nothwendigkeit zur Folge haben können. Es liesse sieh nun, um auf das Obige zurückzukommen, in der Aenderung des Drehungswinkels der Zellenachse während der mitotischen Sehlussbewegungen eine solche variable Bedingung vermuthen, welehe die Stellung der nächsten Spindel regulirt, so dass z. B., wie schon hergeleitet wurde, ein Drehungswinkel von 90° dem Flächenwachsthum eines einschichtigen Cylinderepithels entsprechen würde. Dies das Problem der gesetzmässigen Drehungswinkel, dessen Zutreffen, als Theorie gedacht, ich indessen keineswegs be- haupten will. Denn es wäre vor allem noch erst als sicher zu erweisen, dass die Lage der Spindelfigur bestimmt gegeben ist, wenn die Lage der Achse der Mutterzelle gegeben war. Dass dies für einige Zellenformen zutrifft, kann ja allerdings kaum Neue Untersuehungen über die Centralkörper ete. 725 noch die Frage sein; allein wenn wir aus den in den beiden letzten Capiteln gegebenen Fragestellungen heraus eine brauch- bare Theorie formiren wollten, so müssten wir doch vor allem erst den Boden besser reinigen, von dem wir ausgehen. Schluss der Redaktion dieser Arbeit (Fertigstellung des vollständigen Stenogramms): 18. December 1893; Absendung an die Redaktion des Archivs 13. Januar 1894. Literatur. 1. Altmann: Ueber Kernstruktur und Kerntechnik. Verhandl. der anatom. Gesellsch. 1893. Derselbe: Ein Beitrag zur Granulalehre. Verhandl. der anatom. Gesellsch. 1892. 3. 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Ocular- Nummer für die Leukocyten No. 18; für die Riesenzellen No. 121); Projektion auf den Arbeitstisch. Die Vergrösserung beträgt mithin über 1500, bez. über 1000. Bei der Mikroskopie der Kerngerüste und der Centralkörper wurde zumeist Gaslicht in Anwendung gezogen. Tafel XXV 2). Fig. 1. Kaninchen; Knochenmark. Sessiler Leukocyt. Anilinblau- Fig. Eisenhämatoxylin. Länge des Kerns 7,8u; Breite etwa 5,2 u Die obere Hälfte des Kerns ist weggeschnitten. Die Kern- struktur ist hier ganz gewiss nicht vollständig gefärbt worden. Centralkörpergruppe etwa 0,87 u lang°). Der untere in der Richtung auf A gelegene Centralkörper ist grösser und stärker gefärbt als der obere. Beide Centralkörper liegen in der näm- lichen Einstellungsebene und diese entspricht dem grössten Durchschnitte des Kerns, d. h. dessen (grösserer) Symmetrie- ebene. Das Objekt ist so gewählt, dass die Papierebene als Symmetrieebene der Zelle sich darstellt. (Vergl. Cap. III unter 34; Cap. XIX unter 138.) Kaninchen; Knochenmark. Sessiler Leukocyt. Anilinblau- Eisenhämatoxylin. Länge des Kerns ca. 9,6 u. Am Kern ist die obere Hälfte weggeschnitten, so dass nur die untere Hälfte in die Zeichnung aufgenommen ist und an dieser fehlt noch ein kleines Stück entsprechend der unteren Schnittfläche. Centralkörpergruppe mehr als 0,87 u gross. Beide Central- körper gleich gross, der untere dunkler tingirt als der obere. Die Lage der Centralkörper entspricht, wie es scheint, dem mittleren grössten Durchschnitt des Kerns oder dessen (grös- serer) Symmetrieebene. Dasselbe Objekt, dieselbe Färbung wie vorher. Grösste Länge des Kerns auf einer Geraden (von oben nach unten) gemessen ca. 10,4 u. Centralkörpergruppe etwa 0,87 u breit. Alle drei Centralkörper ungleich gross und ungleich stark gefärbt. Immer der grössere Centralkörper stärker gefärbt als der klei- nere. Das grösste Centrosoma liegt nach abwärts gegen A hin. Alle drei Körperchen bei der nämlichen Einstellungsebene sichtbar. Der grösste Durchschnitt des Kernes oder dessen 1) Einzig und allein Fig. 66 ist mit No, 8 gezeichnet worden. 2) Diese Tafel ist im April 1893 gezeichnet worden. 3) Der Theilstrieh meines Mikrometers hat nach mehrfachen Bestimmungen etwa den Werth von 0,87 « (für den Apochrom. von 3mm Brennw.). Fig. 4. Big. T. Neue Untersuehungen über die Centralkörper etc. 731 Symmetrieebene fällt nicht ganz mit dieser Einstellungsebene zusammen. Vielmehr liegt das obere Ende des Kernes ein klein wenig höher im Schnitt als das untere. Für die im Text durchgeführte theoretische Besprechung kann diese Zelle immerhin noch als solche gelten, deren Symmetrieebene mit der Papierebene zusammenfällt. Objekt und Färbung wie vorher. Länge des Kerns etwa 8,3 u. Breite der Centralkörpergruppe ca. 0,87 u. Der grössere Centralkörper liegt nach aufwärts gegen A hin und ist dunkler gefärbt als der andere. Die obere Hälfte des Kerns ist grössten Theils weggeschnitten. Beide Centralkörper liegen in der nämlichen Einstellungsebene, welche der Wahl der Zelle gemäss zugleich die grösste Durchschnittsebene des Kerns, d.h. dessen Symmetrieebene vorstellt. Ein Tochterzellenpaar durch einen starken Strang zusam- menhängend. Lymphocyten von der wandernden Form. Kaninchen. Die gleiche Färbung wie vorher. Von Central- spindelresten oder dem Flemming’schen Körperchen ist nichts zu sehen. Man hat hier das Ende einer Telokinesis vor Augen. In der oberen Zelle (ß) ist die Centralkörpergruppe seit dem Ende der Anaphase um 180° um den Kern herum- gewandert; dieser hat inzwischen Hufeisenform angenommen. In der unteren Zelle (a) müssen während der Telokinesis aty- pische (amöboide) Bewegungen stattgefunden haben, denn der Kern zeigt eine spiralige Drehung. Länge des Kerns der oberen Zelle (ß) an einer Geraden gemessen ca. 7,4 u; grösste Breite der Kernfigur in der unteren Zelle (a) etwa 5,7u. Die Centralkörpergruppen sind beide unter 0,87 u breit (. In «a sind die Centralkörper gleich gross, in ß ungleich gross, wobei der grössere Centralkörper nach aufwärts gegen A hin liegt. In beiden Mikrocentren liegen je die beiden Centralkörper nicht in der nämlichen Einstellungsebene und die durch sie hindurchgelegten Linien haben nur den Werth zeichnerischer Hilfslinien. Objekt und Färbung wie bei 4. Von der Oberseite des Kernes sind geringe Theile weggeschnitten. Der mittlere Durchschnitt des Kernes und die beiden gleich grossen Centralkörper fallen in die nämliche Einstellungsebene, welche somit die Symmetrieebene der Zelle vorstellt und bei der Abbildung als mit der Papierebene zusammenfallend gedacht werden kann. Die von dem Kern gebildete Kreisfigur hat einen grössten Durchmesser von etwa 8,7 u. Objekt und Färbung wie vorher. Von dem unteren Schenkel des hufeisenförmigen Kernes ist auf der Oberseite ein ganz kleines Stück weggeschnitten; im übrigen ist der Kern voll- ständig. Breite des Kernes entsprechend der Mitte des Huf- eisens 3,9 u. Die Haupt-Symmetrieebene des Kerns liegt paral- Fig. Martin Heidenhain: lel (bez.:in) der Papierebene. Das Mikrocentrum liegt ein klein wenig über (im Sinne der Zeichnung) jener; zudem liegt der linke Centralkörper um ein Geringes höher als der rechte; doch sind beide noch in der nämlichen Einstellungsebene sichtbar. Der nach A hin gelegene Centralkörper ist nur sehr wenig grösser als der andere. Objekt und Färbung wie vorher. Grösste Ausdehnung der Kernfigur auf einer Geraden gemessen ca. 9,1u. Breite des Kerns entsprechend der Mitte des Hufeisens 4u. Es ist fast ganz genau die obere Hälfte des Kerns fortgeschnitten. Die Hauptsymmetrieebene des Kerns enthält auch die beiden Cen- tralkörper und kann als mit der Papierebene zusammenfallend gedacht werden. Mikrocentrum über 0,87 u breit. Die beiden Centrosomen ungleich gross; der grössere Centralkörper liegt in der Richtung nach A hin; beide Centrosomen gleich stark tingirt. ? Dasselbe Objekt, dieselbe Färbung wie vorher. Längendurch- messer des Kernes 8,7 u; Breitendurchmesser entsprechend der Mitte desselben etwa 6,1 u. Kern anscheinend sehr regelmässig geformt; fast die ganze obere Hälfte ist weggeschnitten; auf der Unterseite fehlt ebenfalls ein kleines Stück. Der mittlere Langschnitt durch den Kern entspricht nicht einer bestimm- ten Einstellungsebene, sondern die der Längenachse des Kerns entsprechende Symmetrieebene liegt linker Hand etwas höher, rechter Hand etwas tiefer im Schnitt; sie schneidet also die Papierebene indem sie sich nach rechts hin um Etwas neigt. Die Centralkörper sind ungleich gross; der grössere etwas stärker tingirte liegt nach A hin. Beide Centrosomen liegen in der nämlichen Einstellungsebene (so dass die durch sie hindurchgelegte Linie parallel der Ebene der Zeichnung ist); sie liegen aber nicht ganz in der Hauptsymmetrieebene des Kerns, sondern etwas seitlich davon und zwar im Sinne der Zeichnung nach abwärts. Diese Zelle kann immerhin noch allerdings mit einem kleinen Fehler als symmetrisch gebaut genommen werden. Die Form des grösseren Centralkörpers ist deutlich ellipsoidisch, die des kleineren mehr rundlich. Breite des ganzen Mikrocentrums etwa 1,2u (!). Länge des grösseren Centrosomas ca. 0,87 u. Dasselbe Objekt, dieselbe Färbung wie vorher. Ein hufeisen- förmiger Kern ist quer geschnitten. Der Querriegel des Hufeisens lag nach abwärts. Die Achse des Hufeisens steht anscheinend ganz genau senkrecht zur Schnittfläche. Von den Centralkörpern ist der nach rechts hin gelegene grösser. Die durch die Centrosomen hindurch gelegte Linie verläuft parallel zur Ebene der Zeichnung. Der Umkreis der Astrosphäre ist deutlich zu sehen. Fig. 11. Genau wie vorher. Die Achse des hufeisenförmigen Kerns ist Fig. 13. Fig. 14. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 133 ein klein wenig nach rechts und unten hin geneigt. Central- körper ungleich gross; der grössere liegt nach links und ab- wärts; er erscheint etwas dunkler gefärbt als der kleinere Centralkörper. Form der Centrosomen rundlich. Sie liegen in einer Ebene parallel zur Ebene der Zeichnung. . Genau wie bei Figur 10. Centralkörper alle drei unter sich ungleich gross; der grösste liegt gegen A hin, der kleinste (das „Nebenkörperchen“) nach C hin. Die beiden grösseren Körperchen intensiv schwarz gefärbt, das Nebenkörperchen hell. Die Form der Körperchen ist kugelig; sie liegen in einer Ebene parallel zur Ebene der Zeichnung. Sehr kleiner Lymphocyt aus dem Knochenmark des Ka- ninchens. Färbung wie vorher. Kern lang etwa 6,1 u, breit etwa 4,4 u. Grösse des Mikrocentrums etwa 0,87 u. Der Ober- theil des Kernes, etwas weniger als die Hälfte, ist abgeschnit- ten. Die Hauptsymmetrieebene des Kernes und die beiden Centralkörper entfallen auf die gleiche Einstellungsebene, also kann die Ebene der Zeichnung als Symmetrieebene der Zelle gedacht werden. Die Form der Centralkörper ist kugelig; sie sind ungleich gross; der grössere liegt in der Richtung gegen A hin. Telokinesis. Tochterzellenpaar, der grossen, sessilen Form der Leukocyten zugehörend. Anilinblau-Eisenhämatoxylin. Kern der unteren Zelle sackförmig; hier ist fast die ganze obere Kernhälfte abgeschnitten. Kern der oberen Zelle (ß) hufeisenförmig; an den beiden Schenkeln des Hufeisens sind die Endstücke entsprechend der oberen Schnittfläche durch das Messer abgetrennt. In a’liegt die Hauptsymmetrieebene des Kernes parallel der Papierebene, in ß steht die Achse des Hufeisens fast genau senkrecht, jedoch mit einer kleinen Nei- gung nach abwärts. In a sind die Centrosomen intensiv schwarz gefärbt und ungleich gross; der grössere Centralkörper liegt in der Richtung nach A hin. Beide Centrosomen sind durch eine excentrische Substanzbrücke von lichtem Aussehen mit- einander verbunden. In dieser Zelle (a) liegen beide Körper- chen innerhalb des grössten Durchschnittes des Kernes, d. h. innerhalb der Hauptsymmetrieebene der Zelle, als welche die Papierebene gedacht werden kann. Die Telokinesis hat in die- ser Zelle ihr völliges Ende erreicht. In der oberen Zelle (ß) war der eine Centralkörper hell und in seinen Conturen nicht sehr deutlich gefärbt; der andere (nach links hin gelegene) Central- körper war intensiv geschwärzt. Form der Centralkörper in beiden Zellen kugelig. Während in der unteren Zelle (a) das Mikrocentrum um den Kern herum eine Drehung von 1800 gemacht hat, beträgt dieselbe in der oberen Zelle (ß) anscheinend noch nicht 90°. In ß ist der Kern während der Telokinesis seitlich ausgewichen 1 SV) fr Fig. Fig. Fig. Fig. 15. 16. 1% nu. g. 19a bis g. Kernlose rothe Blutkörperchen erwachsener Ge- . 20. Martin Heidenhain: und hat der im Zellenkörper herrschenden Spannung nach- gebend Hufeisenform angenommen. Das Flemming'sche Körperchen ist sichtbar; ebenso sind noch einige Central- spindelreste deutlich zu sehen. Kernhaltiges, rothes Blutkörperchen aus dem Knochen- mark des Kaninchens. Kern und Mikrocentrum überfärbt. Einige klumpig aussehende van Beneden sche Mikrosomen sind sichtbar. Anilinblau-Eisenhämatoxylin. Wie bei Fig. 1. Kern etwa 9,6u lang. Auf der Öber- und Unterseite des Kerns sind sehr grosse Stücke fortgeschnitten. Centralkörper intensiv schwarz gefärbt, der obere anscheinend ein wenig grösser. Eosinophile Zelle. Kaninchenknochenmark. Anilinblau- Eisenhämatoxylin. Kern überfärbt. Centralkörper ungleich gross; der linke ist der grössere. Wie bei Figur 15. ; schöpfe mit Pseudokernen. d aus dem Knochenmark des Kaninchens; a, b, c,e, f, g aus einer Lymphdrüse vom Hunde. h hierzu zum Vergleich ein kernhaltiges rothes Blutkörper- chen vom Kaninchen mit 2 Centrosomen. d und h von Anilin- blau-Eisenhämatoxylin-Präparaten; die übrigen von Bordeaux- Eisenhämatoxylin-Präparaten. Das Blutkörperchen bei g ist „sternförmig“; man sieht, dass der Pseudokern der Sternform folgt. Vergleiche Text, pag. 441. Wie bei Fig. 1. Das Kerngerüst war zum Theil undeutlich, wohl auch vom Messer zerbrochen. Centralkörper ungleich gross und mit einander verbacken. Der Umkreis der Astro- sphäre ist deutlich zu sehen; an ihm sieht man einige ge- färbte van Beneden’sche Mikrosomen liegen; diese hat- ten die Farbe bei der Differenzirung beibehalten. Telokinesis. Leukocyten-Tochterzellenpaar aus dem Kanin- chenknochenmark. Bordeaux-Eisenhämatoxylin. Die beiden Zel- len decken sich zum Theil und hängen an der Stelle desZwischen- körperchens mit einander zusammen. Beide Zellen platten sich an einem nicht unbeträchtlichen Theile ihrer Oberfläche gegen- seitig ab. Das stark verklumpte Zwischenkörperchen liegt nicht in der Mitte dieser Abplattungsfläche, sondern augen- scheinlich excentrisch. In beiden Zellen sind die Kerne wäh- rend der Telokinesis hufeisenförmig geworden, indem sie be- züglich ihrer Form den (im Protoplasma) herrschenden Span- nungsverhältnissen nachgaben. Von dem Kern der oberen Zelle (ß) ist ein Stück des rechten Schenkels weggeschnitten; von dem Kern der unteren Zelle (a) liegen nur die beiden freien Enden der Schenkel des Hufeisens im Schnitt. In der oberen Zelle (a) sind 3 Centralkörper vorhanden, welche 3 ver- schiedene Grössen zeigten und ungleich stark tingirt waren: Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 135 immer der grössere Centralkörper war stärker tingirt als der kleinere. In a sieht man 2 Centralkörper von ungleicher Grösse und ungleicher Färbungsintensität. Fig. 22. Telokinesis; wie vorher gefärbt. Leukocyten-Tochterzellen aus dem Kaninchenknochenmark. Kern in der unteren Zelle (a) oanz im Schnitt, in der oberen (ß) sieht man nur ein Stück des ganzen Kerns; das übrige ist weggeschnitten. Central- körper der unteren Zelle ellipsoidisch, gleich gross, gleich stark gefärbt, in der Tiefe durch eine (in der Zeichnung nicht angegebene) Substanzbrücke zusammenhängend. In dieser Zelle (a) hat das Mikrocentrum seinen definitiven Ort noch nieht erreicht, sondern ist noch auf der Reise um den Kern herum begriffen. In der oberen Zelle (ß) sind die Centralkörper ungleich gross, der grössere stärker gefärbt. Hier ist auch der Aussencontur der Sphäre zu erkennen, an welchem ein einzelnes van Beneden'’sches Mikrosoma durch stärkere Färbung hervortritt. Fig. 23. Telokinesis. Gefärbt wie bei 21. Kleines Tochterzellenpaar. Wegen ungünstiger Färbungsverhältnisse war nicht zu ent- scheiden, ob Leukocyten oder kernhaltige, rothe Blutkörper- chen vorlagen. Centralkörper in beiden Zellen zu unregel- mässigen Klümpchen verbacken. Diese müssen nun als über- färbte Mikrocentren bezeichnet werden. In der einen Zelle (a) ist das Mikrocentrum um 180°, in der anderen (ß) nur um etwa 90° um den Kern herumgewandert. Von dem Flemming'’- schen Körperchen aus sieht man die Centralspindelreste unter der Form von Strängen in das Zellplasma eintreten. In beiden Zellen setzen sich diese Stränge noch unter den Kernen wei- ter fort; ihr wahres Ende konnte nicht ermittelt werden. Fig. 24. Telokinesis; wie bei 21. Sehr ungünstig situirtes Zellenpaar. In beiden Zellen die Centralkörper verklumpt, die Kerne nur Abschnitzel von grösseren Individuen. Es ist nur die allgemeine Situation kenntlich. Tafel XXVI. Anmerkung: Die auf dieser Tafel befindlichen Conturzeich- nungen von Lymphoeyten aus dem Kaninchenknochenmarke (Bordeaux- Eisenhämatoxylinpräparate) sind durchaus keine Schemata, sondern sehr sorgfältig mit dem Abbe’schen Apparate entworfene Zeichnungen. DieLage und Grösse der Centralkörper ist so genau wie nur irgend möglich wiedergegeben. Um diese Verhältnisse, wie sie für den direkten Augenschein sich darstellen, noch besser zum Ausdruck zu bringen und um gleicher Zeit auch die Färbungsverhältnisse mög- lichst berücksichtigen zu können, habe ich bei jeder dieser Zellen dasMikro- eentrum noch einmal in stark vergrössertem Maassstabe neben der Hauptabbildung nachgezeichnet. Diese Vergrösserungen leistet das 736 Martin Heidenhain: Mikroskop freilich nicht mehr; sie sind nach freiem Augenmaass her- gestellt. Das Gleiche gilt von den in Fig. 27 dargestellten Mikrocentren. Vom Kern wurde immer (excel. Fig. 29, 31 und 34) der grösste Durch- schnitt gezeichnet). Fig. 3. Fig. 26. Fig. 27. Der Kern liegt fast in seiner ganzen Ausdehnung im Schnitt; jedoch sind die beiden Schenkel des sackförmigen Kerns auf der Oberseite angeschnitten. Die Hauptsymmetrieebene des Kerns liegt nicht ganz genau der Papierebene parallel, son- dern dieselbe neigt sich nach links hin ein wenig gegen die Tiefe des Schnittes. Alle 3 Centralkörper unter sich ungleich gross; der grösste (x) intensiv schwarz, die beiden anderen etwas heller und gleich stark tingirt. Die Form der Körperchen ist rein kuglig. Sie sind alle drei bei gleicher Einstellungsebene sichtbar und liegen fast genau entsprechend der Hauptsym- metrieebene des Kernes. Für diese Zelle kann mit einem ganz kleinen Fehler die Papierebene als Symmetrieebene der Zelle genommen werden. Kern etwa 7,8m lang; wahrscheinlich auf der Ober- und Un- terseite angeschnitten. Der grösste Durchschnitt des Kerns (Hauptsymmetrieebene) ist nicht ganz parallel der Ebene der Zeichnung; jene Durchschnittsebene liegt rechts etwas tiefer, links etwas höher. 2 Centralkörper (x u. y) sind gleich gross und intensiv schwarz gefärbt; das dritte Centrosoma, das Nebenkör- perchen (z), ist um Vieles kleiner und nur hell gefärbt. Form der Centralkörper rundlich; sie liegen ungemein dicht bei einander. Alle drei Körperchen sind in der gleichen Einstellungsebene sichtbar, welche somit der Ebene der Zeichnung parallel ist. Die Körperchen liegen ein klein wenig über dem grössten Durchschnitt des Kerns. 16 verschiedenartig geformte Mikrocenten aus Lymphoeyten vom Kaninchenknochenmarke. Bordeaux-Eisenhämatoxylin. Die meisten dieser Mikrocenten sind nicht ganz typisch und eben aus diesem Grunde hier nachgezeichnet, um die ver- schiedensten Formen der Mikrocentren zur Anschauung zu bringen. Typische Formen der Zusammenordnung mit 3 Cen- tralkörpern finden sich in Fig. 3, Fig. 25 u. 26, Fig. 28—34. a. Sehr grosses Mikrocentrum von etwa 1,3 u Breite, stammend aus einer grossen Knochenmarkszelle mit hufeisenförmigem Kern. 2 Centralkörper (x u. y) sind intensiv schwarz gefärbt und ungleich gross; das Nebenkörperchen (z) ist hell gefärbt und auffallend gross. Alle 3 Körperchen durch heller tingirte Sub- stanzbrücken unter einander verbunden. b. Typisches Bild eines Mikrocentrums mit 4 Centralkörpern. 2 Centrosomen sind intensiv schwarz gefärbt und unter sich ungleich gross: Der 1) Der grösste Durchschnitt entspricht der Hauptsymmetrieebene bisymme- trischer (Text pag. 707) Zellen. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 137 orössere liegt nach rechts hin. Es sind 2 hell gefärbte Neben- körperchen (z; Centrosomen der kleinsten Form) vorhanden; diese sind unter sich gleich gross, doch kleiner als die beiden ersten Centrosomen. Die Verbindungslinie der Nebenkörperchen steht senkrecht auf der Verbindungslinie der beiden anderen Cen- trosomen, in der Projektion auf die Ebene gedacht; doch liegen die Körperchen nicht in ein und derselben Ebene, son- dern nach den Spitzen eines Tetraeders geordnet. c. Von den 3 Centrosomen sind die beiden kleineren (x u. z) fast genau gleich gross; das dritte, grössere Centrosoma (y) liegt nach rechts hin. Die Substanzbrücken zwischen den Centrosomen sehr deutlich zu sehen. Das Bild ist nicht typisch, da nämlich das Neben- körperchen sich weder durch besondere Kleinheit, noch durch besonders helle Färbung auszeichnet. d. Mikrocentrum aus einer grossen Knochenmarkszelle, deren Kern die Form eines Dreiviertelrings hatte. Die beiden Centralkörper rundlich und ungleich gross, durch eine sehr auffallende excentrische Substanzbrücke unter einander verbunden. In dieser ist wahr- scheinlieh ein hier nicht gefärbtes Nebenkörperchen (Text p. 463) enthalten. e. Mikrocentrum mit enorm kleinem und relativ weit abliegendem Nebenkörperchen (z). Die Substanz- masse zwischen den Centrosomen sehr schön zu sehen. f. Ty- pisches Bild eines Mikrocentrums mit doppelten ungleich grossen Centralkörpern und einer auf direktem Wege sich zwischen beiden ausspannenden Substanzbrücke. g. Mikro- centrum mit 2 ungleich grossen Centralkörpern et excentri- scher Substanzbrücke. Um die beiden Centrosomen herum ist ein Reflex sichtbar, durch welchen die Substanzbrücke von den Centrosomen scheinbar abgegliedert wird. h. Mikrocentrum mit drei Centralkörpern, welche alle unter sich ungleich gross und ungleich stark gefärbt sind. Je grösser der Centralkörper, desto stärker die Färbung. Das Nebenkörperchen ist sehr klein und unmittelbar der Oberfläche des grössten Central- körpers angelagert. Dies deutet auf eine Entstehung desselben von dem grösseren Centralkörper her (Text p. 486). i. Cen- tralkörper ungleich gross; Situation ähnlich wie bei g. k. Mi- krocentrum, welches die Knospung eines sehr kleinen Central- körpers (z) an der Oberfläche eines grösseren zeigt. Alle drei Centrosomen sind ungleich gross und ungleich stark gefärbt; immer das grössere Centrosom ist stärker gefärbt als das kleinere, das kleinste Centrosom (Nebenkörperchen) lag zum Theil auf seinem grossen Nachbar (x) und musste bei der Pro- jektion auf die Ebene daher mit einem Theil seines Umfangs in diesen hineingezeichnet werden. Die Formen k und h re- präsentiren jedesfalls zwei aufeinander folgende Zustände. 1 Mi- krocentrum mit4Centralkörpern: 2primären Centrosomen (xU.Y) und 2 Nebenkörperchen (z). Die beiden grösseren Centralkörper 00 iX Fie. Fio Fig. Fig. a9. 3l. Martin Heidenhain: unter sich ungleich gross und ungleich stark gefärbt. Die Nebenkörperchen noch kleiner als die ersteren, sehr hell, doch unter sich gleich stark gefärbt. m. Mikrocentrum von ganz atypischem Ansehen. 3 Centralkörper von sehr verschiedener Grösse und sehr verschiedenen Färbungsverhältnissen. Wieder- um das grösste Centrosoma (x) am stärksten, das kleinste (z) am schwächsten gefärbt.: n. Mikrocentrum mit 2 gleich grossen und intensiv geschwärzten Centrosomen und einem hell ge- färbten Nebenkörperchen (z). Die Situation ist wohl nach Ana- logie der Figur g zu erklären. 0. Ganz atypisches Mikrocen- trum. Der grosse intensiv schwarz gefärbte Centralkörper ist vielleicht nur eine Verklumpungsfigur, bestehend aus 2 mit einander verbackenen Centralkörpern. p. Eine nicht selten vorkommende Form des Mikrocentrums, zu erklären nach Analogie der Figur &. q. Mikrocentrum mit 2 gleich grossen Centralkörpern und einem kleineren hell gefärbten Neben- körperchen. Es ist eine reichliehe Masse schwach färbbarer Substanz zwischen den Centralkörpern vorhanden. Länge des Kerns etwa 8,7u. Die grösste Durchschnittsebene des Kerns (Hauptsymmetrieebene) liegt parallel zur Ebene der Zeichnung. Alle 3 Centralkörper sind unter sich ungleich gross und ungleich stark gefärbt. Das grösste Körperchen (x) liegt nach links hin und ist intensiv schwarz tingirt; das kleinste Körperchen (z) ist am hellsten. Alle 3 Körperchen liegen in der grössten Durchschnittsebene des Kerns; mithin kann auch hier wieder die Papierebene als Symmetrieebene der Zelle genommen werden. Die Form der Centrosomen ist eine rein kugelige. Zelle mit hufeisenförmigem Kern. Die optischen Durchschnitte der Schenkel des Hufeisens sind in der Zeichnung sichtbar. Die Achse des Hufeisens stand genau senkrecht im Präparat. Die 3 Centralkörper alle unter sich ungleich gross und ungleich stark gefärbt; der grösste (x) ist am stärksten, der kleinste (z) am schwächsten tingirt. Form der Centralkörper rein kugelig. Alle 3 Körperchen liegen in einer Ebene parallel zur Ebene der Zeichnung. (Siehe auch unter Fig. 34.) Der Kern liegt ganz im Schnitt. Seine Hauptsymmetrieebene (grösster Durchschnitt) liegt nicht ganz genau parallel der Ebene der Zeichnung, sondern nach rechts hin ein klein wenig höher. Zwei grosse, intensiv schwarz gefärbte Centralkörper von gleichem Durchmesser (x u.y) und ein drittes kleineres blass gefärbtes Nebenkörperchen (z). Alle3 Körperchen sind bei glei- cher Einstellungsebene sichtbar und sie liegen fast ganz genau entsprechend dem grössten Durchschnitt des Kerns. Auch hier kann mit einem sehr geringen Fehler die Papierebene als Symmetrieebene der Zelle genommen werden. Kern hufeisenförmig; die quer durchschnittenen Schenkel des- Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 139 selben in der Zeichnung sichtbar. Die Achse des Hufeisens stand fast genau senkrecht im Schnitt, jedoch mit einer kleinen Neigung nach abwärts. Die Centralkörper sind alle 3 unter sich ungleich gross; das kleinste Centrosoma (das Nebenkör- perchen) ist hell gefärbt (z), die beiden anderen intensiv schwarz. Zwischen den beiden Körperchen ist eine sie verbindende Substanzmasse wahrnehmbar. Alle 3 Körperchen sind bei gleicher Einstellungsebene sichtbar, doch liegt das Centrosoma mittlerer Grösse ein klein wenig höher als die beiden anderen. Fig. 32. Grösste Länge des Kerns etwa 8,7u. Seine Hauptsymmetrie- ebene (grösster Durchschnitt) liegt fast genau parallel der Ebene der Zeichnung; sie ist jedoch nach aufwärts hin ein wenig gegen die Tiefe geneigt zu denken. Färbungs- und Grössenverhältnisse der Centralkörperchen wie bei Fig. 31. Alle 3 Körperchen sind in der gleichen Einstellungsebene sichtbar; sie liegen fast ganz genau entsprechend der Haupt- symmetrieebene des Kerns. Auch hier kann die Ebene der Zeichnung als Symmetrieebene der Zelle genommen werden. (Siehe auch unter Fig. 34.) Fig. 33. Kern in Form eines Dreiviertelrings. Sein grösster Durch- schnitt liegt parallel der Ebene der Zeichnung. Färbungs- und Grössenverhältnisse der Centralkörper wie bei Fig. 31. Die Körperchen sind alle drei bei der gleichen Einstellungsebene sichtbar und liegen genau entsprechend der Hauptsymmetrie- ebene des Kerns. Mithin stellt hier die Ebene der Zeichnung ganz genau die Symmetrieebene der Zelle vor. € Fig. 34. Kern hufeisenförmig; die Achse des Hufeisens steht genau senkrecht im Schnitt. In der Zeichnung sieht man die opti- schen Querschnitte der Schenkel des Hufeisens. Färbungs- und Grössenverhältnisse der Centrosomen wie bei Fig. 31. Alle 3 Körperchen in der gleichen Einstellungsebene sichtbar. Sie können als in der Ebene der Zeichnung liegend betrachtet werden, wobei dann, der Art der Abbildung gemäss, diese Ebene zugleich auch jene ist, bei welcher die optischen Durch- schnitte durch die beiden Schenkel des Kerns aufgenommen wurden. ie. 35. Anilinblau-Eisenhämatoxylin. Grosse Ausdehnung des Kerns auf einer Geraden gemessen etwa 10,1u. Der grösste Durch- schnitt des Kerns oder die Hauptsymmetrieebene liegt parallel der Ebene der Zeichnung. Centralkörper ungleich gross; der grössere liegt nach aufwärts gegen A hin und ist etwas dunk- ler gefärbt als der andere (dies in der Zeichnung nicht be- rücksichtigt). Beide Centralkörper liegen genau in der Haupt- symmetrieebene des Kerns. Mithin stellt bei dieser Abbildung wieder die Ebene der Zeichnung zugleich die Symmetrieebene der ganzen Zelle vor. Fig. 36. Anilinblau-Eisenhämatoxylin. Genau wie bei der vorigen Fi- Fio ig. a7. Martin Heidenhain: gur! Der grössere Centralkörper liegt nach abwärts gegen A hin. Grösste Ausdehnung des Kerns auf einer Geraden gemessen 8,7 u. Jugendliche Riesenzelle. Kaninchenknochenmark. Der Kern zeigte (bei Mikroskopie in der Serie!) kein Pyrenocöl und ist auf dem vorliegenden Durchschnitt nur tangential getroffen, daher ein Lappen desselben ganz abgetrennt er- scheint. Linker Hand in einer Einbuchtung der Kernmasse sieht man einen sphärenartigen Körper mit 3 Centrosomen. Im Protoplasma gewahrt man eine radiäre Strahlung, welche das Phänomen der concentrischen Kreise erkennen lässt. Biondi’sche Lösung. Dasselbe Objekt. Bordeaux-Eisenhämatoxylin-Rubin. Kern noch ohne Pyrenoeöl mit mehreren tiefen Einbuchtungen, in welchen je ein Mikrocentrum gelegen ist. 3 Mikrocentren zeigten je 2, eines 3 Centrosomen. Auf dem vorhergehenden Schnitte der Serie zeigte sich noch efn fünftes Mikrocen- trum. Die Verdichtung der Zellsubstanz rechter Hand an der Oberfläche des Zellkörpers entspricht dem Rudimente einer „Mittelschicht“. Fig. 39 und Fig. 40. Färbung wie vorher. Dasselbe Objekt. Zwei Fig. Fig. 41. 43. aufeinander folgende Durchschnitte derselben Zelle. Kern noch ohne Pyrenoeöl, aber stark polymorph. Auf jedem Durchschnitte je 2 Mikrocentren mit je 2 und 6, 5 und 9 Centralkörpern. Zum Theil sind in der Cirkumferenz der Mikrocentren sphärenartige Körper sichtbar. Im Zellen- protoplasma gewahrt man rechter Hand das Rudiment einer „Mittelschichte“* in Form eines ellipsoiden Körpers. Dasselbe Objekt; dieselbe Färbung wie vorher. Kern noch ohne Pyrenoeöl, aber stark polymorph. 4 Centralkörpergrup- pen: eine zu 3, eine zu 4, eine zu 7 und eine zu 12 Central- körpern. Die letztere Gruppe ist von dem nächst folgenden Schnitte auf die vorliegende Abbildung übernommen. Im Zellenprotoplasma sieht man linker Hand die Anlage einer „Mittelschicht“. Leukocyt vom Salamander; wiederholt aus der Schrift „Ueber Kern und Protoplasma“. Einfache Hämatoxylin-Eisen- lackfärbung. Zeiss 3mm; Oc. No. 12. Das Mikrocentrum liegt central, der Kern peripher. Telokinesis. Kaninchenknochenmark. Bordeaux-Eisenhäma- toxylin-Rubin. Leukocyten-Tochterzellen. Die Mikrocentren waren nicht zu sehen. Ein schwärzlicher Faden stellt den Rest der Centralspindel vor. Ausserdem sieht man zwei stark gefärbte Ringe, welche den im Text erwähnten „Schnürringen“ entsprechen. Vielleicht liegt eine vorzeitige Theilung eines ursprünglich einfachen Ringes vor. Es lässt sich nicht genau feststellen, ob der Centralspindelstrang frei Neue Untersuchungen über die Centralkörper etec. 741 durch die Oeffnung der Ringe zieht, oder ob die letzteren mit dem ersteren verlöthet sind. Der eine (untere) Ring ist etwas angeschuitten und erscheint demgemäss nicht ganz vollständig. Derartige Ringe bilden, indem sie sich ganz zusammenziehen, meiner Vorstellung nach die Flemming’schen Zwischenkör- perchen, wobei dann der Theil des Centralspindelstranges, welchem sie aufsitzen, durch Verklebung oder Verlöthung mit in das Flemming’sche Körperchen eintritt. Vergleiche die beiden nächsten Abbildungen. Fig. 44. Telokinesis. Objekt und Färbung wie vorher. In einer Zelle 3, in der anderen 1 Centralkörper sichtbar. Die Kerne sind wahrscheinlich nur angeschnitten. Es lässt sich nicht genau beurtheilen, auf welchem Stadium sich die Telokinesis befindet. Der Centralspindelstrang mit dem Flemming’schen Körperchen ist sichtbar. Man hatte unmittelbar (am Objekte selbst!) den Eindruck, als ob ein völlig zusammengezogener Ring dem Centralspindelstrange aufsässe. Fig. 45. Telokinesis. Objekt und Färbung wie vorher. Die Telo- kinesis ist jedesfalls ganz nahe ihrem Ende. Mikrocentren nur als Verklumpungsfiguren sichtbar. Verhalten des Central- spindelstranges und des Flemming’schen Körperchens wie bei der vorhergehenden Figur. Fig. 46. Telokinesis. Objekt und Färbung wie vorher. Letztes Ende des mitotischen Processes. Die beiden Tochterzellen, welche verklumpte Mikrocentren zeigen, sind ein Stück weit von einander entfernt und noch durch den Rest des Central- spindelstranges mit einander verbunden. 47. Telokinesis. Objekt und Färbung wie vorher. Die mito- tische Schlussbewegung hat hier wahrscheinlich schon ihr Ende erreicht oder ist demselben nahe. In einer Zelle 2, in der anderen 3 Centrosomen. Centralspindelstrang und Flem- ming’sches Körperchen sind nicht sehr deutlich. Fig. Tafel XXVII. Riesenzellen (Megacaryocyten) aus dem Knochenmark des Kaninchens. Bezeichnungen, welche für diese und die nächstfol- sende Tafel allgemeine Gültigkeit haben: End. = Endoplasma. M. En. — Mittelschichte des Endoplasmas. Pf. K.— Perforirender Kanal des Kerns. Exopl. = Exoplasma. J. Ex. = Innenschichte des Exoplas- mas. M. Ex. —Mittelschichte des Exoplasmas. A. Ex. — Aussenschichte des Exoplasmas. Gr.3= Grenzmembran dritter Ordnung. Zm. —= Zell- membran. Fig. 48. Bordeaux-Eisenhämatoxylin. Grösste Länge der Zelle 5lu. Centralkörper-Hauptgruppe ohne Centralkörper-Verstreuung. Phänomen der concentrischen Kreisfiguren. Nukleolen zum Theil gefärbt. Fig. oO Lo} Fig Fic 0’ ne Fig. 54. or’ 50. N ul 6) Martin Heidenhain: Zelle der Arnold’schen Form. Erstes Stadium der cellulären Degeneration. Dies ist die grösste Riesenzelle, welche mir im Kaninchenknochenmarke jemals zu Gesicht gekommen ist. Der Kern ist nur den Conturen nach im optischen Durchschnitte gezeichnet. Einzelne Theilchen sind völlig vom Kern abgeschnürt. Viele Nukleolen sind stark gefärbt. Die Centralkörper-Hauptgruppe zeigt einen geringen Grad der Centralkörper-Verstreuung. Grösste Länge der Zelle 69 u. Biondi’sche Lösung. Im Endoplasma ist eine stark excen- trisch gelegene Centralkörper-Hauptgruppe schwach sichtbar. Zu beachten das Verhältniss der Protoplasmaschichtung: Links liegt die Innenschichte des Exoplasmas frei zu Tage; rechts sind die drei Zonen des Exoplasmas gut ausgebildet. Biondi’sche Lösung. Centralkörper-Hauptgruppe schwach sichtbar. Um diese herum war am Öbjekte selbst eine zarte Strahlung sichtbar. Die Mittelschichte des Endoplasmas hängt durch strangartige Verbindungen mit der korrespondirenden Zone des Exoplasmas zusammen. In letzterem sind die drei typischen Zonen ganz gut zu erkennen. Eine jugendliche Riesenzelle mit Endoplasma. In letzterem eine Centralkörper-Hauptgruppe. (Bordeaux-Eisenhämatoxylin- färbung.) Das Exoplasma ist unvollkommen geschichtet; aber es ist einerseits (nach oben hin) ein breiter Randsaum ent- wickelt, welcher sich fein radiärstreifig zeigt und offenbar dem physiologischen Zerfalle nahe steht. Zu beachten: die haarscharfe durch einen gefärbten Contur vermittelte Abgren- zung zwischen Randsaum und unterliegendem Zellenproto- plasma. Bordeaux-Eisenhämatoxylin. Typische, grosse, dreifach ge- gliederte Riesenzelle. Die Aussenschicht des Exoplasmas oder der Randsaum zum Theil blasenartig vorgewölbt. Von den mehrfachen in dieser Abbildung sichtbaren perforirenden Kanälen des Kerns sind zwei (Pf. K.) besonders deutlich, da die über und unter ihnen befindlichen, die Continuität der Kernmasse herstellenden Theile weggeschnitten sind. Central- körper-Hauptgruppe mit Centralkörper-Verstreuung. Biondi’sche Lösung. Kernform sehr typisch mit vielen per- forirenden Kanälen. Von Centralkörpern war nichts Deut- liches gefärbt. Im Endoplasma ist die Mittelschichte unter der Form eines ellipsoiden Körpers vertreten. Im Exoplasma ist die Mittelschichte nur rechter Hand in breiterer Weise ent- wickelt. An anderen Stellen ist sie in rudimentärer Form (R.M.) ausgebildet und zeigt selbst vielfache Defekte. An letzteren Stellen ist das Mitom der Innenschichte und des Randsaumes (A. Ex.) in unmittelbarem Zusammenhange. Biondi’sche Lösung. Atypische Zelle aus einem etwas dickeren Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 743 Schnitte. Der Randsaum fehlt vollkommen. Die Mittelschichte findet sich nur linker Hand an der Zelle in Form eines klum- penartigen Anhanges. Im Endoplasma findet sich eine schön ausgebildete „zweite Zone“ (Substanz der Mittelschichte), welche sich durch mehrfache Verbindungsstränge (Vb. Str.) mit der Mittelschichte des Exoplasmas (M. Ex.), der Grenzmembran dritter Ordnung (Gr.5) und der Zellmembran (?? rechts oben) in Communikation setzt. Ich glaube diese Zelle spricht sehr deutlich dafür, dass unter Umständen auch die Grenzmembran dritter Ordnung sich in die Zellmembran umbilden kann. Tafel XXVII. Riesenzellen (Megacaryocyten) aus dem Knochenmark vom Kaninchen. Fig. 56. Biondi’sche Lösung. Mehrere sehr breite perforirende Ka- Fig. Fig. Fig. Fig. DT. 58. 99. 60. 61. näle des Kerns sind zu sehen. Die Grenzmembran dritter Ordnung setzt sich durch diese hindurch in das Endoplasma hinein fort, und zwar unter der Form von Strängen oder La- mellen; letzteres im Falle die perforirenden „Kanäle“ sich der Spaltform nähern. So ist der nach aufwärts ziehende sehr feine „Verbindungsstrang“ nur der optische Langschnitt einer bandartigen Bildung. Ebenso ist der vom Endoplasma aus nach unten hin ziehende sehr breite Verbindungsstrang wohl nur eine dünne Lamelle in der Flachansicht. Die Verbindungs- stränge setzen sich alle an oder in der Mittelschichte des Endoplasmas fest. J.En. Innenschichte des Endoplasmas kor- respondirend der Innenschichte des Exoplasmas (J. Ex.). Bordeaux-Eisenhämatoxylin-Rubin. Sehr schöne Riesenzelle ganz ohne Randsaum. An Stelle desselben fanden sich im Präparate Detritusmassen. Die Abgrenzung der Zelle gegen diese hin war im ganzen Umfang des Zellenleibes eine scharfe und die Zellmembran überall deutlich zu sehen. Im Endo- plasma eine Centralkörper-Hauptgruppe mit reichlicher Cen- tralkörper-Verstreuung. Biondi’sche Lösung. Riesenzelle mit sehr vollständig aus- gebildeter Mittelschichte des Endoplasmas (M. En.). C.G. Cen- tralkörper-Hauptgruppe, nicht sehr deutlich sichtbar. ab. K. = Abgelöstes Kerntheilchen. Biondi’sche Lösung. Junge Riesenzelle. Kern ohne Pyrenoecöl. M. = dunkler Substanzstreifen in der Nähe des Kerns, welcher dem Rudimente einer Mittelschichte entspricht; demgemäss: .—= Innenschichte; A. — Aussenschichte. In letzterer war ein schönes feinfädiges Mitom sichtbar. Im Endoplasma ist eine Mittelschichte in Ringform ausgebildet. Vergl. Text pag. 592f. Centralkörper-Hauptgruppe nur schwach sichtbar. Biondi’sche Lösung. Biondi’sche Lösung. Im Endoplasma ist die Centralkörper- Fig. Fig. Fie. {: Fig. 68. 64. 65. . 66. e. 67. Martin Heidenhain: gruppe nur als verschwommener Fleck kenntlich. Die Mittel- schichte ist ebendort unter der Form eines ellipsoiden Körpers kenntlich. Auffallend an diesem Exemplar ist ein sehr breiter und sehr schön radiärfaseriger Randsaum. Bordeaux-Eisenhämatoxylin-Rubin. Jugendliche Riesenzelle mit Pyrenoeöl und Centralkörper-Hauptgruppe. Während nach oben hin eine typische dreifache Gliederung des Exoplasmas kenntlich ist, zeigt nach unten hin die Zelle den in völligem (physiologischem) Zerfalle begriffenen Randsaum unmittelbar angrenzend an die Innenschichte des Exoplasma. Zwischen beiden befindet sich eine Grenzmembran (dritter Ordnung), welche auf dem Wege ist sich in die Zellmembran umzubilden. Biondi’sche Lösung. Die Centralkörper-Hauptgruppe ist nur als verwaschener Fleck kenntlich. Die radiäre Struktur des Endoplasmas ist hier ziemlich deutlich zu sehen. Ein vom Hauptkern völlig abgelöstes Theilchen liegt rechter Hand. Zu beachten: Linker Hand liegt die Innenschichte des Exoplasmas frei zu Tage. Tafel XXIX. Riesenzelle. Bordeaux-Eisenhämatoxylin-Rubin. Ganz ty- pisch. Ein Theil der Nukleolen sehr stark gefärbt. Central- körper-Hauptgruppe mit Körnchenverstreuung. Die dreifache Gliederung im Exoplasma sehr gut ausgesprochen. „Mehrkerniger* LeukocytvonSalamandra. Wiederholt aus der Schrift „Ueber Kern und Protoplasma“. Die Lagerung der Sphäre ist ungewöhnlich und ihr weiter Abstand vom Kern durch amöboide Bewegung erzeugt. Man sieht von der Sphäre ausgehend das System der organischen Radien. Zeiss 3 mm. Apert. 1,40. Oc. No. 18. Projektion auf den Arbeitstisch. Die Zeichnung der Kerne ist nicht ausgeführt. Biondi’sche Lösung. Zeichnung von 1891. tiesenzelle. Biondi’sche Lösung. Zeiss 3mm. Oec. No. 8. Zeichnung von 1892. Sehr typische schöne Form des radiär- streifigen Randsaumes. Riesenzelle. Bordeaux-Eisenhämatoxylin-Rubin. Central- körper-Hauptgruppe mit reichlicher Centralkörper-Verstreuung. Im Kern sind einige Chromatinfetzchen sichtbar, welche die Eisenfarbe konservirt haben. Einkerniger Leukocyt von Salamandra. Wiederholt aus der Schrift „Ueber Kern und Protoplasma“. Die Sphäre zeigt einen scharfen Contur, herrührend von dem van Bene- den’schen Mikrosomenstratum, welches hier indessen als sol- ches nicht erkennbar ist. Vom Kern sind nur die basichroma- tischen Theile gezeichnet. Technik wie bei Fig. 65. Zeichnung von 1891. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 145 Fig. 69. Abschnitzel eines „mehrkernigen“ Leukocyten von Salamandra. Wiederholt aus der Schrift „Ueber Kern und Protoplasma“. Zwei Kerntheile sind sichtbar, daneben die Sphäre mit dem van Beneden’schen Mikrosomenstra- tum. Von der Sphäre sieht man die organischen Radien bis zur Zellenperipherie hin sich erstrecken. Zeichnung von 1891. Fig. 70. Riesenzelle. Bordeaux-Eisenhämatoxylin-Rubin. Innerhalb des Kerns haben nur einige wenige chromatische Fetzchen die Eisenfarbe zurückbehalten. Diese schwarz gefärbten Chro- matinstückehen zeigten die granuläre Zusammensetzung. Cen- tralkörper-Hauptgruppe von sehr typischer Form. Die Aus- ziehung des Zellenleibes rechter Hand erklärt sich daraus, dass eine buckelige Vorwölbung des Zellenkörpers tangential angeschnitten ist. Fig. 71. Riesenzelle. Biondi’sche Lösung. Kern nicht ausgeführt. Die Centralkörper der Hauptgruppe sind besser dargestellt, als das sonst gewöhnlich bei Biondi’scher Lösung der Fall ist. Rechter Hand ist eine tiefgehende Einschnürung bemerk- bar, welche wohl auf eine im Beginne begriffene Amitose zu- rückzuführen ist. Die Strukturen im Exoplasma sehr com- plieirt und nur durch den Text der Arbeit verständlich. Fig. 72. Riesenzelle. Bordeaux-Eisenhämatoxylin-Rubin. Links oben eine tiefe Einschnürung am Protoplasma, welche wie bei der vorigen Abbildung zu beurtheilen ist. Centralkörper-Haupt- gruppe eng zusammengeschlossen; nur wenige Centrosomen liegen etwas abseits. Im Kern haben eine Reihe von Nukleo- len die Eisenfarbe conservirt. Tafel XXX. Riesenzellen vom Kaninchen-Knochenmark. Anmerkung: Die auf dieser Tafelbefindlichen Contur- zeichnungen sind ebensowenig Schemata wie die Contur- zeichnungen auf Tafel XXVI. Die Conturlinien wurden mittelst des Abbe’schen Apparates entworfen. ‘Auf die Abbildung der Central- körpergruppen wurde die allergrösste Sorgfalt verwendet. Fig. 73. Kleinere Riesenzelle mit Pyrenocöl und nur wenig umfangreicher Centralkörper-Hauptgruppe. Im Exoplasma finden sich zwei dunkel gefärbte Körper, welche dem Rudimente einer Mittel- schichte entsprechen. Bordeaux-Kisenhämatoxylin-Rubin. Fig. 74. Riesenzelle von gestreckter Form mit langgezogener Cen- tralkörper-Hauptgruppe. Bordeaux-Eisenhämatoxylin. Diese Zelle ist jedesfalls in Amitose begriffen, worauf auch die Einschnürung (einseitwendig!untenin der Figur) hinweist. Fig. 75. Biondi’sche Lösung. Demonstration einer eigenartigen Um- wandlung des Protoplasmas der Mittelschichte! Im Endoplas- ma ist die Mittelschichte unter der Form eines ellipsoiden Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 48 -1 > n Fig. 78. Martin Heidenhain: Körpers vertreten. Zu beachten: Unten in der Figur sieht man die Innenschichte und Aussenschichte des Exoplasmas durch eine breite Oeffnung in der Grenzmembran hindurch direkt communiciren. Nach rechts davon ist es die Grenz- membran dritter Ordnung allein, welche die erste und dritte Zone von einander trennt. Eine anscheinend normale Zelle vom Typus der dreifach ge- gliederten Riesenzellen; jedoch sieht man mehrere abgelöste Kernfragmente (degenerative Fragınentirung?). Bordeaux- Eisenhämatoxylin-Rubin. Ganz abnormal ist, dass die Central- körper-Hauptgruppe im Exoplasma liegt. Einige Centrosomen sind noch im Endoplasma sichtbar; ein einzelnes Centrosoma liegt in einem perforirenden Kanal des Kerns in der Nähe der Centralkörper-Hauptgruppe. Die Centralkörper-Haupt- gruppe scheint durch diesen perforirenden Kanal hindurch nach aussen entwichen zu sein. . Degenerirende Riesenzelle. Arnold’scher Typus. Das Protoplasma dieser Zelle war gleichartig gefärbt. Bordeaux- Eisenhämatoxylin-Rubin. Die Centralkörper-Hauptgruppe ist in das Exoplasma hinein verlagert und wahrscheinlich durch jenen perforirenden Kanal hindurchgeschlüpft, an dessen äusserer Mündung sie liegt. Die Centralkörper lagen hier so dicht, dass man sie weder zählen, noch im einzelnen nach- bilden konnte. Variante des Typus der dreifach gegliederten Rie- senzellen mit einem Ansatz zur Ausbildung einer Mittel- schiehte im Exoplasma, welche unter der Form eines gros- sen ellipsoiden Körpers erscheint. Bordeaux-Eisenhäma- toxylin-Rubin. Die Zelle ist derjenigen in Fig. 73 ähnlich, aber etwas grösser; daher ist auch die Centralkörper-Haupt- gruppe umfänglicher. Eine Centralkörper-Nebengruppe rechts unten in der Figur in einer Einbuchtung des Kerns. Variante des Typus der dreifach gegliederten Rie- senzellen; ähnlich wie die Zellen der Fig. 78 und 73. Bor- deaux-Fisenhämatoxylin-Rubin. Die Centralkörper-Haupt- gruppe besonders gross und über eine weite Fläche hin aus- gedehnt. Sie erscheint dadurch abweichend von dem ge- wöhnlichen Verhalten, dass eine Stelle, an welcher die Cen- trosomen in starker Verdichtung sich ansammeln, nicht sichtbar ist. Auch lag hier ein grosser Tbeil der Central- körper paarweise geordnet. Ich zählte 74 Centrosomen; der vorhergehende Schnitt war verloren, der nächstfolgende zeigte noch 20 CGentrosomen in der Hauptgruppe. Ausserdem war ein vereinzeltes Centrosoma (rechts!) im Exoplasma in einer Einbuchtung der Kernoberfläche sichtbar. Fig. 80. Amitose einer Riesenzelle. Bordeaux-Eisenhämatoxylin. Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 747 Dreifach gegliederte Riesenzelle. Centralkörper-Hauptgruppe in die Länge gezogen und wahrscheinlich nur angeschnitten. Fig. 81. Riesenzelle mit dreifacher Gliederung des Exo- plasmas. Die Centralkörper-Hauptgruppe ist im Endoplasma in der Nähe der inneren Kernoberfläche gelegen. Fig 82. Riesenzelle vom dreigliederigen Typus. Im Endo- plasma ist die Mittelschichte unter der Form eines ellipsoiden Körpers vertreten. Die Centralkörper-Hauptgruppe liegt da- neben. Die Figur beweist mithin, dass nicht jener rundliche, dunkel färbbare Körper die Sphäre ist, denn in seinem In- neren sind Centrosomen nicht vorhanden. An der Stelle der dichtesten Ansammlung lagen die Centrosomen so massen- haft übereinander, dass das einzelne Centralkörperchen dort nicht nachgezeichnet werden konnte. Schönes Beispiel einer Centralkörper-Verstreuung. Fig. 83. Riesenzelle vom dreigliederigen Typus. Bordeaux- Eisenhämatoxylin-Rubin. Ausser der Centralkörper-Haupt- gruppe sind zwei Centralkörper-Nebengruppen sichtbar. Aus 2 Sehnitten einer Serie mit Sorgfalt combinirt. Der erste Schnitt zeigte die beiden Centralkörper-Nebengruppen mit 12 und S Centrosomen. Der nächste Schnitt zeigte den Haupt- antheil der Centralkörper-Hauptgruppe mit 40 Centrosomen. Der abermals folgende Schnitt zeigte von der Centralkörper- Hauptgruppe noch 21 Centrosomen; diese sind in die Zeich- nung nicht aufgenommen worden. Fig. S4. Objekt und Färbung wie vorher. Combination aus 3 aufein- anderfolgenden Schnitten. Centralkörper-Hauptgruppe und 4 Centralkörper-Nebengruppen. Der erste Schnitt zeigte die Centralkörpergruppe a mit 11 Centrosomen. Der zweite Schnitt zeigte die Gruppen b, e und d mit 3, 5 und 1 Centrosoma sowie auch einen kleinen Theil der Centralkörper-Haupt- gruppe. Von diesem Schnitte wurden die Conturlinien der Zeichnung entnommen. Der dritte Schnitt zeigte den grös- seren Theil der Centralkörper-Hauptgruppe. Tafel XXX1. Schemata. Fig. 55 und 86. Schemata zur Erläuterung des Baues und des physiologischen Zustandes des ruhenden Leu- koceyten. Es ist nur das centrirte System und sein Ver- hältniss zum Zellenkern berücksichtigt. Man sieht Mikrocen- trum, Sphärenstrahlen, den van Beneden’schen Mikrosomen- kranz und die organischen Radien. Die Frage der eventuellen Theilung oder Spaltung der Radiärfäden, ebenso die Frage der queren Verbindung der Radiärfäden unter einander lassen 748 Martin Heidenhain: die Schemata ganz ausser Acht. Die kleinen Knötchen an den Radiärfäden stellen die Zellenmikrosomen vor. Fig. 86 stellt eine rein ideale Construktion vor und soll zum Aus- 81. ig. 90. druck bringen, dass in der ruhenden Lymphzelle der Zu- stand der Spannung der organischen Radien ein derartiger ist, dass nach einer Fortnahme des Kerns (Fig. 86) und nach Her- stellung eines völligen Gleichgewichtszustandes zwischen den antagonistisch wirkenden Radiärfäden, das Mikrocentrum genau central stehen würde. Der Zustand der organi- schen Radien in Fig. 55 wird mithin derart gedacht, dass sie bei gleicher Spannung die gleiche Länge aufweisen würden. Oder: die absolute Länge der organischen Radien wird überall als die nämliche angenommen. Im übrigen vergleiche den Text. Demonstration des Verhaltens der centrirten Systeme und der Spannungsverhältnisse der organischen Radien während der Mitose. Text pag. 711 ff. . Demonstration der Entstehung sack-, hufeisen- und ringför- miger Kerne. Text pag. 508 ft. Demonstration der Lageveränderungen von Kern und Mikro- centrum während der Telokinesis. Text pag. 716 ff. Ideale Construktion der Entstehung eines einheitlichen Radiär- systems (B) auf der Basis mehrerer ursprünglich vorhandener Radiärsysteme (A). In A sind 6 Mikrocentren (mit ihren or- ganischen Radien) gedacht, welche die Bestimmung haben sollen nach Ablauf einer eben in Gang begriffenen pluripo- laren Mitose zu einer einheitlichen Centralkörpergruppe (B) zusammenzurücken. Hierbei findet eine „Umklappung“ der organischen Radien statt, analog der von Flemming zuerst beschriebenen „Umklappung der Sphärenstrahlen“. Die vorher (A) allseitig ausgebildeten Radiärsysteme sind nunmehr nur noch einseitig ausgebildet und setzen in ihrer Summe ein vollständiges Radiärsystem zusammen. Die vorherige „Sonnen- form“ ist in eine „Kometenform“ übergegangen. Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. 7149 Inhaltsübersicht. Einleitung. Seite 1. Allgemeine Orientirung über die Ziele der Untersuchung . 423 Material und Methoden der Untersuchung. 2. Untersuchungsmaterial . . . . RN i . 426 3. Conservirungsmittel. Saure und entre een Weitere Vorbehandlune. 2.01 ya ae war tits hezi nee AD 4. Färbungen. Die subtraktiven Tinktionen. Pseudokerne der rothen Blutkörperchen a: . 450 9. Das Mikroskopiren bei sehr heben Venen N 12) 6. Das Zeichnen vermittelst des Abbe’schen Apparates bei sehr hohen Vergrösserungen . . . 5 , Dee) 7. Bestimmungen des Ortes ae Cor Haken er durch ein Strichkreuz im Ocular. Messungen ... .:. . 447 Empirischer Theil. Erster Abschnitt: Die Lymphzellen. Vorbemerkungen. 8. Klassifikation der Leukocyten. Literarisches. . . 2... .41 Capitel I: Das Mikrocentrum. 9. Die Zahl der Centralkörper beträgt in der ruhenden Lymph- zelle mindestens zwei 5 Fa Old BO ic u 2456 10. Beurtheilung derjenigen Fälle, bei denen im Inneren der Re sphäre sich ein scheinbar einheitlicher Centralkörper vorfindet 457 11. Die zu den Centrosomen gehörigen „Nebenkörperchen“ . 459 12. Die gegenseitige Verbindung der Central- und Nebenkörper- chen durch eine besondere, geformte Substanzmasse. Begriff des Mikrocentrums .. ! Pesesl. 461 13. Frage nach der Constanz der ao Annter ehzas der zu ein- ander gehörigen Centralkörper. Frage nach der Constanz der Nebenkörperchen. Nothwendigkeit der zahlenmässigen Auf- rechnung der Verhältnisse des Mikrocentrums für eine grös- sere, Anzahl» vonszellenes., 13 2. dr. u das ERNST .-A64 14. Ueber die zweckmässigste Form einer döranisen Malishdohen Aufrechnung EN ana ln RR 3465 15. Zahlenmässige Aufreshnung der Verhältnisse des Mikrocen- trums bei 1000 Lymphocyten vom Kaninchen. Einige Bemer- kungen zu dieser tabellarischen Uebersicht. te, 16. Ueber einige störende Einflüsse, welche bei den Zählungsver- suchen in Betracht kommen, und eventuell den Werth der Zählungen in Frage stellen könnten Rt . 471 17. Die beiden zu einander gehörigen Cenwalkanper Ama det 22 24. 29. 26. Martin Heidenhain: Seite Regel nach ungleich gross. Widerlegung der Annahme, dass es sich um einen Extraktionseffekt handelt . . . . .475 Die absoluten Grössenunterschiede, die äussere Gestalt und die wechselnden Färbungsverhältnisse der Centralkörper . . 477 Die Nebenkörperchen sind nicht constant . . 2. ..2......47 Beginn der Erörterung über die Bedeutung der Nebenkörper- chen. Die Anlage der Centralspindel ist schon in der ruhenden Zelle vorhanden . . . e . 480 . Erwägung der Frage, ob die Nebenkorpkrenen zur Anlade der Centralspindel gehören. Stellung zu von Kostanecki’s Befunden, betreffend die Centralspindelkörperchen. . . . .481 2. Mitosen mit „überzähligen“ Centralkörpern. Die Nebenkör- „ > perchen sind nichts anderesals kleinste Öentrosomen 483 . Es werden auch während der Zellenruhe unter Um- as ständen Centrosomen neu gebildet. Das Mikrocen- trum folgt einem von den Erscheinungen der Mitose zum Theil unabhängigen Bildungsgesetze . . . .48 Ueber die Art und Weise, in welcher die Vermehrung der Centrosomen vor sich geht. Die sogenannte Theilung der Centrosomen stellt sieh unter dem Bilde einer Knospung dar. Die Grössenunterschiede entsprechen den Altersunterschieden . . . . Er ee Näheres Verhältniss der Erzeugung der Bsoren und der Theilung des Mikrocentrums zur Mitose. Hervorhebung der Thatsache der individuellen Ausbildung des Mikrocentrums bei den verschiedenen Repräsentanten ein und derselben Fellenaut...me2.241:708 Rad ee: Capitel II: Die gesetzmässige Stellung des Mikrocentrums im Zellenleibe und die Polymorphie des Kerns beruhen auf den ‚nämlichen Ursachen. Die zwischen Kern und Mikrocentrum thatsächlich bestehen- den Lagebeziehungen. Leukocyten mit kugligem, ovoidem, sack-, hufeisen- und ringförmigem Keım. . . . 1. 490 Die Lagerung der Protoplasmamassen mit Beziehuid auf Mikrocenirum: und\Kern at. 1. malul.o? , nal ei Reue 35 Der Bau der Astrosphäre; das van Beneden’sche Körner- siratum, » - E a nl af. Ki er Die een Baden der Zeile Inu las dan A ER Mikrosomaler Bau der Zellenfäden. Vergleich mit der Muskel- fibnille#!@ GE ls Net ee En Das Phänomen der eongentnsehem Kreisfigurentll fen 1 32. Die organischen Radien der Zelle sind von gleichem Bau und von gleicher Länge. Das Spannungsgesetz . . . . .50l . Genauere Anordnung der organischen Radien im Zellkörper. Der Kern liegt frei in den interfilaren Räumen. Bedeutung der Börämembran. u lik. BEI nr er ERE ROB 34. 39. 36. 37. 38. 39. 40. 41. ER 47. 48. Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. Die Spannungsverhältnisse des centrirten Mitoms während dersZellenruhenss rer: i Air Vollständige Erklärung der Se line ke des MikrocentrumsunddesKerns und der Lagerung der Protoplasmamassen auf dem Grunde einer ge- setzmässig bestimmten Spannung innerhalb des centrirten Mitoms ; und: land Erklärung der Bo lslepite 168 Kerns beim ruhen- den und wandernden Leukocyten auf Grund der Spannungsverhältnisse des Mitoms. Excurs über die Ausstossung des Kerns bei den Erythroblasten Vergleichendes Capitel Ill: Ueber den Versuch Flemming’s, aus der Duplici- tät der Centralkörper eine „Polarität* der Zelle herzuleiten. Entwicklung der Fragestellung: Hat die von Flemming durch die beiden Centralkörper hindurchgelegte Linie, welche A eine Zellenachse bezeichnet wurde, einen constructiven Werth oder niehtir, >... .: ; : Ueber die ebene an deren Zellen, welche zur Entscheidung der obigen Frage herangezogen wurden. Er- läuterungen zu den Abbildungen . . a en un Beim Lymphocyten ist die Lage ae von Flemming sogenannten Zellenachse undihre „Polarität“ durch- aus inconstant. Die gegenseitige Lagerung der Centro- somen im Mikrocentrum in Bezug auf die räumliche Erstreckung der Zelle ist eine beliebige . . . : Bemerkungen zu den Versuchen Mena se ie „Polarität“ der von ihın sogenannten Zellenachse auf die „Polarität“ der Zellen im Sinne Rabl’s zurückzuführen . Capitel IV: Die mitotischen Schlussbewegungen (Telophasen, Telokinesis). . Die Stellung des Problems 8 . Ueber die Entstehung des Flemming schen Könneschens a die Schicksale der Centralspindel beim Lymphocyten . Vorgänge am Mikrocentrum und Kern während der Telokinesis und Erklärungsversuche . Problem der Drehung des Kerns am Ti A se Capitel V: Bemerkungen zur Struktur der Kerne, vornehmlich der Lymphocyten. „ Vorbemerkuneenlsr 2. BUERAOUEST 0 3; AITıE Eng und weitläufig a eodindie Kernen Anordnung der Gerüste in den grösseren Leukocytenformen s Zusammensetzung der Kerngerüste aus einer rnch substanz (Linin) und darin eingebetteten Kügelchen vonder Grosse.der Centrosomen, ana en N . 506 751 Seite . 505 . 508 . 516 . 518 sale 523 940 192 Martin Heidenhain: Seite 49. Ueber die Chromatophilie der Kernsubstanzen. Basichromatin und-Oxyehromatin oder Lanthanin .... sr a WR 50. Ueber die räumliche Zusammenordnung von Basi- und Oxy- chromatin in den Gerüststrängen . . ; ee DE 51. Phosphorreiche und phosphorarme Nukleine, Theoretisches zur Chromatophilie der Kernsubstanzen. Möglichkeit der ge- legentlichen Umwandlung von Basi- in Oxychromatin und UmEBEEhTti vu ee U HA N RE Zweiter Abschnitt: Die Riesenzellen. Capitel VI: Die äussere Form der Riesenzellen, Aeussere Form und Inhalt des Zellkernes. 52. Vorbemerkungen. Die äussere Form der Riesenzellen . . . 549 93. Die Form der Zellenkerne Endoplasma und Exo- plasma. Perforirende Kanale’". 0.0. 0. 0 b4."Inhaltider Zellenkerne .,.. „In. 2m. u. Capitel VII: Allgemeine Orientirung über die Verhältnisse des Zellenprotoplasmas. 95. Gliederung des Exoplasmas in drei concentrische Schichten: Innen-, Mittel und Aussenschicht . . . N e.512.C 56. Die Innenschicht oder erste Zone des ans Lage des Kerns im Verhältniss zur Innenschicht. Die Grenzmembran dritter Ordnun® .. ir me a EEE 57. Die Mittelschicht oder zweite Zone des Exoplasmas. Die Grenzmembran zweiter Ordnung. Varianten in der Ausbil- dung der Mittelschicht . . . Ä , a IR 58. Die Aussenschicht oder dritte Zone gt Krone Die Un- ansehnlichkeit dieser Bildung. Die Grenzmembran erster Ordnung oder Zellmembran. Die verschiedenen Formen, unter denen die Aussenschicht auftreten kann. . . » 2 2... ..563 59. PBrläuterungen zu den Abbildungen . . 1 a 60. Das Endoplasma. Möglichkeit der Kukbldans einer zweiten Zone oder Mittelschicht des Endoplasmas . . . 2 .2..2....566 Capitel VIII: Die Centralkörper und Centralkörpergruppen der Riesenzellen. 61. Die Zahl der Centralkörper in den ausgewachsenen Riesenzellen. 569 62. Die Centralkörper-Haupt- und -Nebengruppen. Betrachtung des einzelnen Centrosomas. . . . I 63. Specielles über die Centralkörper- En ruppe. Ihre Gestalt. Die Centralkörperverstreuungen . . 2»... .978 64. Specielles über die Centralkörper-Nebengruppen . . . . . 576 Capitel IX: Der feinere Bau der Protoplasmamassen bei den Riesenzellen. a) Das Endoplasma. Allgemeine Structurform desselben. 65. Protoplasmagranulirung und Mitomfäden . . .» 2 2... ..978 Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. 153 Seite 66. Radiäre Einstellung des Mitoms im Endoplasma. Näheres Ver- hältniss der Centralkörper zu den Mitomfäden. Einheitlicher Charakter des im Endoplasma vorhandenen Radiärsystems . 580 67. Das Phänomen der concentrischen Kreisfiguren. . . . .. .984 68. In wie weitlässt sichetwa der Astrosphären- beenitt auf „diaspeieintriuit;e »8.3,85it,8,m. 1m, JEinidio- Plasma ineAnwendwne bringen. +... ..0.,..44400» 980 69. Fällt die Centralkörper-Hauptgruppe unter den Begriff eines Nizacentrums dr ae DT b) DieInnenschichtdesExoplasmas. 70. Allgemeines Aussehen. Radiäre Streifungen.. . . 2... ... 887 «1. Die radiären Systeme des Exoplasmas . ..... ® 2.2... 588 12. Die Centralkörper-Nebengruppenundfolge- richtig auch die Centralkörper-Hauptgruppen fallen unter den Begriff des Mikrocentrums 5% c) Betrachtung solcher Fälle, bei denen es zur Ausbil- dung einer Mittelschieht im Endoplasma kommt. 73. Die Lage der Centralkörper-Haupteruppe in Beziehung auf die zweite Zone des Endoplasmas : : ©» 2... ..2n.. 5891 74. Verhalten des Kerns gegenüber der zweiten Zone des Endo- Plasmas: 9» . on U RUE ER RTL RR A 2,902 d) Die Grenzmembran dritter Ordnung. 75. Zusammensetzung der Grenzmembran aus gröberen BSoEmERNI EN A 591 76. Uebertritt der Grenzmembran auf die zur zweiten Zone des Endoplasmas hinführenden Verbindungsstränge. . . .....599 e) Orientirender Ausblick auf die physiologische Funktion der Riesenzellen. Morphologische Varianten und functionelle Zustände auf dem Gebiete der zweiten und dritten Zone des Exoplasmas . . . 596 78. Ueber das Entstehen und Vergehen der Randsäume und über die Bedeutung: dieser Erscheinung . . 2 . 2». „2.2.90 1 1 f) Die Mittelschicht des Endoplasmas. 79. Die hohe Färbbarkeit und anscheinende Structurlosigkeit der Mittelschicht 2 ara u re se 598 80. Hypothetischer Bau der Mittelschicht . : . » 2... Se a 81. Functionelle Veränderungen auf dem Territorium dieser Zone 600 g) Die Aussenzone des Exoplasmas. 82. Feinerer Bau der Randsäume. Radiäre Faserung. Concen- trische Mikrosomenstrata. Die Grenzregion zwischen zweiter undedritier@ Zonen ee en 00 83. Physiologischer Zerfall der Randsäume . . . 2 2.2.2....604 84. Entstehung der Randsäume . . ... ee 25.606 85. Die Mikrosomenstrata, welche den Grenzmembranen ent- sprechen, haben potentia die Fähigkeit, sich durch seitliche Ss. Martin Heidenhain: Seite Verschmelzung der in ihnen enthaltenen Körner in Zellen- membranen umzuwandeln . . . . rat Be EENE . Analogieen zu den letztbese N en = Sir ER h) Anhang zu vorstehendem Capitel. 1. Ueber einige Abarten der Riesenzellen. Riesenzellen ohne dreifache Gliederung des Exoplasmas. Va- rianten der dreifach gegliederten Riesenzellen . . . ‚„".”.60 2. Noch ein Wort über die Function der Riesenzellen. Angebliche Phagocytose. Angebliche Abgliederung vonLymph- zellen aus dem Leibe der Riesenzellen. Angeblicher Zusam- menhang mit den bindegewebigen Bestandtheilen des Kno- chenmark® Stoffwechselfunetionen der Riesenzelle. Die an- gebliche „Functionslosigkeit* der Riesenzellen . . . . ....613 Capitel X: Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Riesenzellen. 9. C € 91. 92. 93. 9. 3. a) Die erste Entstehungsgeschichte. Der Uebergang vom Leukocyten zur Riesenzelle . . .„ .„ . el - ‘ . Jugendliche Riesenzellen. Riesenzellen ohne Endo- plasma. . 2.2 2... Gizamehre live si tr TRATEN Das Verhältniss der multiplen Mitosen zur Entstehungs- geschichte des Endoplasmas . . ... en re ee Bemerkungen zur Entstehungsgeschichte ve concentrischen Gliederungen im Zellenprotoplasma eb a Be a Be b) Mitosen. Die Mitosen der Riesenzellen im Knochenmark werden jedes- falls grössten Theils vom Stadium der Muttersternfigur oder vom Stadium der Metakinesis an rückläufig . . . ... .... 622 . Bedeutung der multiplen Mitose für die Riesenzellen . . . 624 ec) Directe Zellentheilung. Wahrscheinlichkeit des Vorkommens zweier verschiedener For- men der Amitose. Das Vorkommen von Zellenpaaren, deren Individuen sich spiegelbildlich verhalten. Zweifel an der Vi- tabilität der einen Form der Amitose . . » 2. 2 22 2.2.63 Capitel XI: Degenerationserscheinungen an den Riesenzellen. a) Einleitendes. ‚ Veberganesformen vom gesunden zum senilen Zustande . . 628 {>) o [o) b) Erste Periode der cellulären Degeneration. . Zellen der Arnold’schen Form. Chromatolytische Form des Kerns; » . 0’ a ee 2, 254 5 see ge or ) Zweite Periode der cellulären Degeneration. Schwund des Protoplasmas. Entstehungsgeschichte der protoplasmaarmen und protoplasmafreien Kerne . 631 d) Dritte Periode der cellulären Degeneration. Völliger Zerfall der Zellen und Kerne . . . 2 2.2 ..2....683 100. 101. 102. 108. 104. 105. 106. 108. 109. 110. 111. 412. 113. ‚ Ausblicke in die Zukunft Neue Untersuchungen über die Centralkörper etc. Theoretischer Theil. Capitel XII: Was hat man unter einem Centralkörper zu verstehen? Wir gehen auf van Beneden zurück. Schwanken des van Beneden’schen Centralkörperbegriffes. Unter Centralkörpern soll man morphologisch nicht mehr zerlegbare, einheitliche Ge- . 634 . 636 bilde-verstehen UNI Boveri; Brauer; Zimmermann. RE RLENE sine kurzen Charakieh ent der Bentalkörpen auf Grund der ihnen wesentlich zukommenden Eigenschaften. . . " . Capitel XIII: Was hat man unter einer Astrosphäre zu verstehen ? Wir gehen abermals auf van Beneden zurück. Die Astro- sphäre muss durchaus durch einen deutlichen Aussencon- tur abgrenzbar sein. Eine blosse radiäre Strahlung ist noch keine Astrosphäre ... U BEN Lehe, "ne un Die Astrosphäre ist kein Kaas an“ im eigentlichen Sinne des Wortes. Diese Bezeichnung kann nur eine to- pographische Bedeutung haben . . . m. : Gegen eine solche Auffassung sind eine Reihe von Ei inw Anden möglich, aber er Diese Einwendungen lassen sich von vornherein widerlegen. Kurze Zusammenfassung meiner gegenwärtigen Anschauung betreffend die richtige Anwendungs- weise des Astrosphärenbegriffes Capitel XIV: Ueber den Archoplasmabegriff. Einleitung. Art der Einführung des Archoplasmabegriffes bei Boveri Er ie ATELIER Der Versuch der Beweiskührung bei Bor eri. Gegengründe. Das Archoplasma ist keine Substanz von speeifischer Qualität, sondern ein Theil des Cytomitoms RE WER A 400 Hinweis auf die grundsätzliche Bedeutung der Ben Hypothese von der Specifität des „Archoplasmas“ Capitel XV: Theorie der Ubiquität der Centralkörper. Die allgemeine Wahrscheinlichkeit des Zutreffens der van Beneden-Boverischen Hypothese wird dadurch gegeben, dass die Centralkörper bei den Metazo@n an den mitotischen Figuren aller Zellenarten auftreten . i ; i In welchem Umfange kann die genannte By Polhese heue schon als erwiesen gelten, oder in welchem Umfange wird sie sich voraussichtlich später einmal erweisen lassen? Zellen „embryonalen“ Charakters 5 : Mög lichkeit von „Centrosomen neuer Bildune“ wäh- rend der Mitose solcher Zellen, welche nur facultativ sich theilen. - 637 . 697 . 648 . 641 . 691 152 756 Martin Heidenhain: Möglichkeit der Neubildung radiärer Systeme durch Fibrillen- spaltung. Bi NN und Cohnheim ’'sche Fel- dieniunien!Tz ET RN TER OHREN! SO 114. Möglichkeit einer indie Beweisführung zu Gunsten der van Beneden-Boveri'schen Hypothese bei Zellen, welche facultativ sich theilen. Zellen, welche überhaupt nicht mehr theilungsfähig sind, kommen für den Entscheid der Frage we- Seite 654 655 656 657 657 neun Betracht. 4 „a, al ur a a warte DEN Ye re SET 1 Capitel XVI: Die Substanz der Centrosomen. 135. Einletune 1a me dee See I ne 116. Färbung der Centrosomen durch Anilinfarbstoffe. Saure, ba- sische und neutrale Anilinfarben . . . ee 117. Die Hämatoxylinfärbungen der Berner Die „reinen“ Eisenhämatoxylinfärbungen der Centralkörper . ». . 2... 118. Die typische Stufenfolge der allmählichen Entfärbung beim subtractiven Verfahren. Bezeichnung der Momente, welche die Regression des Farbstoffes bestimmen . . 2.2... , 119. Die Substanzdichte der Oentrosomen spielt bei den Ei Senn bungen keine Rolle. Basichromatin, Nucleolen und Linin sind der Substanz nach verschieden von den Centralkörpern . . 120. Lanthanin und Zellenmikrosomen sind ebenfalls von andrer Substanz als die Centrosomen. Den Gentrosomen kommt eine specifische Substanz zu, welche an andren Orten in der Zelle nicht len SL“ For 0 8 a 121. Einwände gegen diese Aufstellung und deren ideen \ Capitel XVII: Die physiologische Rolle der &entralkörper. 122. Einleitung. Verschiedene Formen der Bethätigung der Cen- tralkörper. Die Theorie der Insertionsmittelpunkte und die Theorie der materiellen Herrschaft .. .. 123. Die Theilung der Centrosomen. Das Verhältniss der Theilung der Centrosomen und der Mikrocentren zur Zellentheilung. Mehrfache Mikrocentren in vielkernigen Zellen . . . ne 124. Genauere Betrachtung der Zwischenmasse im ana Schluss auf die Zusammensetzung der Centrosomen aus einem Gemenge verschiedener ckemischer Körper . . 2...» 125. Geht mit der Centrosomentheilung eineVermehrung der organischen Radien oder umgekehrt mit der Vermehrung der organischen Radien eine Centro- somentheilung Hand in Hand? . . .. ß EERE, 126. Besprechung der Theorie der ertonistnitleiuneie Verhält- niss zur Theorie der materiellen Herrschaft der Gentrosomen. Zur Mechanik der indireceten Theilung . . .» » .. 5 127. Gehen von den Centrosomen aus Erregungszustände ame das Protoplasma über, welche den Gang der indireeten Theilung behertsehen? 1.12 0a NAHER NEE N: 128. ‚Schlusswort zu diesem Kapitel ,.. . rn an 660 662 663 664 666 668 ON 673 677 679 129. 130. 131. 132. 133. 134. 135. 136. Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. s 157 Seite Capitel XVIII: Die Frage der Herkunft der Centralkörper. Versuch einer Lösung der Frage nach dem Heimathrecht der Centralkörper auf@rund einer vergleichend-anatomischen Theorie der karyokinetischen Figuren. Die Fragestellung. Man kann nicht darüber streiten, ob die Centrosomen Kern- oder Zellsubstanz seien, denn es ist keine durchgängige prineipielle Verschiedenheit der Kern- und Zell- substanz vorhanden. Was das Verhältniss der Centrosomen zum Kern- und Zellenprotoplasma anlangt, so kann nur die Frage nach der ursprünglichen territorialen Zugehörigkeit, das heisst der Ort der ersten Entstehung der u diseutirt werden . - . ; e a: Aus dem Studium der Kar olırene bei den höher en echo en ergiebt sich kein Anhaltspunkt für die ursprüngliche territoriale Zugehörigkeit der Centrosomen zum Kern oder zum Zellen- protoplasma. Daher muss man zur Beurtheilung der ange- regten Frage bis auf die einzelligen Geschöpfe herabgehen, . 680 bei welchen die Mitose erworben wurde . Ar . 683 Bei allen thierischen Zellentheilungen ı die Fa. sern der Centralspindel einander gleichwerthig . 68 Die in dem Mikrocentrum der Lymphoeyten enthaltene die Centralkörper unter sich verbindende „achromatische* Substanz, welche aus sich die Centralspindel hervorgehen lässt, ist gleich- werthig mit eben jener „achromatischen Substanz“ des Mikro- nucleus der Infusorien, welche dort die Spindel aus sich her- vorgehen lässt . 1 EN EN ER TORE > Der Makronucleus ale Haiuntkern der noeh entspricht dem Kern der Zellen der Metazoen.- Die chromatische Substanz des Mikronucleus ist in den Zellen der Metazoen verschwunden. Die bei der Theilung der Mikro- nuclei der Infusorien von diesen gelieferten Chromosomen werden vermöge eines Ablösungsvorganges in den Zellen der Metazoen nunmehr von dem Makronucleus d. h. dem Zellen- kern der Autoren geliefert . He Der Spindelmantel und die Polen sind im Laufe der Phylogenese zu jener Zeit erworben wor- den, als der Makronueleus die Lieferung der Chro- mosomen, der Mikronucleus den Transport dersel- ben auf die Tochterzellen übernahm. Es liegt ein Prin- eipium der Arbeitstheilung zwischen beiden Kernen vor Die Centralkörper können alsAbgliederungen oder polare Differenzirungen der Mikronucieus-Spindel autcefassitiwerden:, 2.: . 3 Die von Hermann als Ar elek Fe erahneien Bil. dungen sind rudimentäre Chromosomen. . 2. 2. 2 2.2 .% . 687 . 690 692 . 692 694 137. 138. 139. 140. 141. 142. 143. 144. 145. 146. 147. M. Heidenhain: Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. Seite Die directe Zellentheilung kann alsdie atavistische Form der Zellentheilung aufgefasst werden . 694 Zusammenfassung und Schluss . .... . 965 CGapitel XIX: Die Polaritätshypothese. Begriff der Polaritätshypothese. Das Problem der Zellenachse. Das Orientirungsproblem. Die problematischen Symmetrie- verhältnisse der Zellen a - Die Polarıaätshypothese Rabl Ss. .'».... ZN Flemming’sVersuch die Polaritätshypothese Ra bl’s zu stützen Edouard van Beneden'’s Polaritäts- und Symmetriehypo- DReSCH A Re re RP Symmetrie- und Achsenverhältnisse der Lymphocyten. Der polysymmetrische und bisymmetrische Zustand ist für den Lymphoeyten der ursprüngliche; alle anderen Formen sind abgeleitet. Die Achse der Symmetrieebenen ist als ee „organische Achse”zu bezeichnen’. ee Ursachen der Lage der Zellenachse. Der Zellenachse wohnt von vornherein eine „Polarität“ inne. Con- struction der Zellenachse beim Lymphocyten von der Mitte des Kerns aus in der Richtung der grössten Ausdehnung des Protoplasmas. Besteht eine Möglichkeit diese Zellenachse auch bei anderen Elementen als gerade den Lymphocyten in glei- cher Weise zu construiren? Literatur . . . „. . „22 Betrachtung der Achsenverhältnisse während der Mitose. Zur Mechanik der Mitose abermals. Drehungen der Zellenachse während der"Telokineset ; 727,7 0 ze Bedeutung der Drehungen der Zellenachse am Schlusse der MItOBB. 0 2 Se tar SEELE Capitel XX: Das Problem der gesetzmässigen Drehungswinkel. Beziehungen der telokinetischen Drehungen der Zellenachse zur Theorie der Entwicklung und des gesetzmässigen Zustan- des der thienschen-tewebe .... nn 2 0 ne Titeratütverzeichias laesst, all 6 dee ST her an ehe Pe Erklärungen. zu. Tafel; ] XV, ‚a1 4 wi nsas an el el mie: DA, „ i at RN rat ae ir are 2 ale RN aaa ee Fe he INORBEROFNE 215: °* SPERREN NET BU Sn 0. ni te SSR E22 ee Imhaltsubersicht . .:: 2 2.0 Som eye Bea 1 a ae — je) Si) za! 159 Ueber generative und embryonale Mitosen, sowie über pathologische Kerntheilungsbilder. Von Dr. Valentin Häcker, Privatdozent und Assistent am zoologischen Institut der Universität Freiburg i. Br. Hierzu Tafel XXXII und 2 Figuren im Text. ———. Die neueste Arbeit vom Rath's!) hat werthvolle Beiträge für die Kenntniss derjenigen besonderen Kerntheilungsformen ge- liefert, welehe vorzugsweise im Cyklus der generativen Zelien auftreten und sich als „plurivalente Kerntheilungen“ zusammen- fassen lassen. Ich nehme die Gelegenheit wahr, unter Heran- ziehung einiger nicht veröffentlichter Beobachtungen noch einmal auf den genetischen Zusammenhang der plurivalenten (generativen) mit den gewöhnlichen (somatischen) Mitosen zurückzukommen. Nachdem vom Rath in einer vorläufigen Mittheilung (1891) die Entstehung der bekannten „Vierergruppen“ der Reifungs- periode aus Ringen beschrieben hatte, sprach er sich in seiner ausführlichen Arbeit?) dahin aus, dass jedes der sechs Doppel- fadensegmente, aus welchen die eigenthümlichen Chromatinringe und später die „Vierergruppen“ hervorgehen, „zwei Segmenten homolog gesetzt werden kann“ (S. 110). Darnach nahm also vom Rath an, dass die für die Spezies typische Theilungszahl „12“ auch hier, wenigstens implieite, vorhanden ist. Die Kerntheilungsvorgänge, welche die Urgenitalzellenbil- dung von Cyelops einleiten und bei welchen eine Doppelwerthig- 1) ©. vom Rath, Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese von Salamandra maculosa. Zeitschr. f. wiss. Zool. 57. Bd. 1893. (1.) 2) O. vom Rath, Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllo- talpa vulgaris Latr. Arch. f. mikr. Anat. 40. Bd. 1892. (2.) Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 43 49 760 ValentinHäcker: keit der Chromosomen wirklich bewiesen werden konnte, sind für mich einige Zeit nachher (1892)!) der Ausgangspunkt für einen Ver- such gewesen, sämmtliche im Cyklus der generativen Zellen auftreten- den Abarten der Mitose unter einem einheitlichen Gesichtspunkt zusammenzufassen. Darnach würde das besondere Wesen dieser Theilungsformen darin begründet sein, dass sie bezüglich der Zerlegung des Doppelfadens im Segmente um eine Stufe gegen- über den somatischen Mitosen zurückbleiben. Nehmen wir bei- spielsweise eine Spezies mit der Theilungszahl „12* an: dann wird sich in den betreffenden Mitosen des generativen Zellen- Cyklus der Doppelfaden nur in sechs Segmente zerlegen, aber die Einzelfäden dieser Doppelfadensegmente sind doppelwerthig, indem sie aus zwei hintereinander gereihten einfachen Elementen bestehen. Es tritt also auch hier, obschon in verdeckter Weise, die normale Theilungszahl auf und dies kommt in einzelnen Fällen in der nachträglichen Halbirung deran die Pole rüekenden Schleifen zum handgreiflichen Ausdruck. In Uebereinstimmung mit vom Rath glaubte ich auch die „Vierer- gruppen“ dahin deuten zu können, dass je zwei im ursprüng- lichen Spirem hintereinander liegende Segmente (Kugel- chromosomen) zunächst inengerem Zusammenhang blei- ben und sieh mit dem entsprechenden (durch Längsspaltung ent- standenen) Schwesterpaar zu einem ringförmigen, viertheiligen Gebilde vereinigen. Des weiteren kam ich zu dem Schluss, dass auch bei der im Salamanderhoden auftretenden „heterotypischen“ Theilungsform die Schleifen aus je zwei hintereinander liegenden Chromosomen bestehen, ferner dass die im Dyaster dieser Thei- lung bemerkliche Längsspaltung eine vorzeitige, auf die nächstfolgende Theilung sich beziehende Längsspaltung darstellt, und endlich, dass die von Flemming im Salamanderhoden ge- fundenen und als abnorme Vorkommnisse geschilderten Vierer- gruppen der ersten Theilung der Reifungsphase angehören. Ich fasste damals alle Theilungen mit doppelwerthigen Elementen unter der Flemming’schen Bezeichnung der „heterotypischen“ Theilungsform zusammen, sah mich aber aus praktischen Gründen bald darauf veranlasst, diesem Ausdruck seine ursprüngliche Be- 1) V. Häcker, Die heterotypische Kerntheilung im Cyklus der generativen Zellen. Ber. Nat. Ges. Freiburg. 6. Bd. 1892. (8.) Ueber generative und embryonale Mitosen, ete. 761 deutung zu lassen, und jene Theilungen als Theilungen mit plurivalenten (streng genommen bivalenten) !) Chromosomen oder kurz als „plurivalente (bivalente) Theilungen“ zusammenzufassen. Bald darauf?) gelang es mir, für die Eizellen von Cyelops strenuus den Nachweis zu führen, dass die Bildung der Vierer- gruppen (und damit die erste Richtungstheilung) dem plurivalenten Schema folgt. Im besondern wurde ihre Entstehung aus „Doppel- winkeln“ dargelegt und betont, dass ihrer Bildung nur eine einmalige Längsspaltung des Chromatinfadens vorangeht. In seiner neuen Arbeit über die Spermatogenese von Sa- lamandra (1) hat nunmehr vom Rath dieselbe Entstehungsweise der Vierergruppen in erster Linie für Salamandra, dann aber noch für weitere Formen nachgewiesen. Seine Figur 7 (, Taf. VII) stimmt in allen wichtigen Punkten mit meiner Figur 16 (4, Taf. XXVII) und meinem Schema A ’(4, S. 482) überein. Vom Rath gelangte ausserdem seinerseits zu der Auffassung, dass sowohl die heterotypen als die homöotypen Theilungen im Salamanderhoden doppelwerthige Elemente haben müssen (l. e. S. 121) und stellte endlich noch fest, dass die Längsspaltung der Schleifen im Dyaster der heterotypen Theilung wirklich eine vorzeitige Längsspaltung für die nächstfolgende Theilung dar- stellt (l. ec. S. 109) und demnach mit der im Dyaster der letzten Theilung der Ureizellen von Cyelops auftretenden vorzeitigen Längsspaltung verglichen werden kann (l. ec. S. 119). Während so die empirischen Befunde, ebenso wie die darauf gegründeten Anschauungen vom Rath’s in allen wesent- lichen Punkten mit den meinigen im Einklang sind, scheint ihm meine Bezeichnung „plurivalente Mitosen* für Theilungen mit doppelwerthigen Elementen nieht besonders glücklich zu sein und er möchte lieber vorläufig den Ausdruck „halbzählige Mito- sen“ verwenden. Was vom Rath unter „halbzähligen“ Mitosen versteht, darauf weisen folgende beide Citate hin. „Die homöo- typen und heterotypen Theilungen der Ursamenzellen des Sala- manders folgen beide einer Mitose mit doppelwerthigen Schleifen 1) Der Ausdruck „bivalent“, welcher am besten geeignet gewesen wäre, hat durch OÖ. Hertwig bereits eine Verwendung in entgegen- gesetztem Sinne gefunden (Ascaris megalocephala bivalens). 2) V. Häcker, Das Keimbläschen, seine Elemente und Lage- veränderungen. I. Arch. f. mikr. Anat. 41. Bd. 1893. (4.) 7162 Valentin Häcker: — halbzählige Mitose) —“ (l. e. S. 109). „In einer eben er- schienenen neuen Arbeit lässt nun Häcker die Verallgemeinerung des Begriffes der heterotypen Theilung wieder fallen und ver- einigt alle Varianten mit doppelwerthigen Segmenten unter der leider auch nicht besonders glücklichen Bezeichnung von „pluri- valenten“ Kerntheilungen, da der viel sachgemässere Ausdruck bivalens schon in einem anderen Sinne Verwendung gefunden hat. Vielleicht wäre die Bezeichnung halbzählige Mitosen einst- weilen zu verwenden“ (l.e. S. 124). Daraus würde wohl zu- nächst zu entnehmen sein, dass vom Rath's Ausdruck ‚‚halb- zählige Mitosen* sich dem Sinne nach mit dem Ausdruck „plurivalente Mitosen“ decken soll. Ich fürchte aber, dass durch eine doppelte Nomenelatur in den an und für sich schon schwierigen Gegenstand Verwirrung hereingetragen wird, und möchte daher die Gründe darlegen, welche mir gegen die Anwendbarkeit des Ausdrucks „halbzählig“ an Stelle der von mir vorgeschlagenen Bezeichnung zu spre- chen scheinen. Zunächst glaube ich, dass der Ausdruck „halb- zählig‘‘ in keiner Weise den Kern der Sache trifft. Denn unter „halbzähligen“ Mitosen wird man wohl zunächst nur Theilungen mit der halben Zahl von Elementen verstehen. Vom Rath und ich legen aber doch gerade darauf Werth, dass die betreffenden Mitosen nur scheinbar die halbe Zahl von Elementen besitzen, thatsächlich aber in Folge der Doppelwerthigkeit der Chromo- somen ganzzählig sind. Der Ausdruck „halbzählig“ wäre also offenbar ein lucus a non lucendo, falls er im Sinne von „plurivalent“ gebraucht würde. Es spricht nun aber ausserdem gegen die Verwendung des Ausdrucks „halbzählig‘“ ein weiterer, und wie mir scheint, be- sonders schwerwiegender Umstand. Es giebt nämlich eine Reihe von Mitosen, welehe thatsächlieh nur die halbe Zahl von Elementen besitzen, die aber doch nicht unter den Begriff der „Halbzähligkeit“ im Sinne der obigen beiden Citate fallen. Hier- her gehören z. B. die Theilungen selbstständiger Spermakerne in eikernlosen Fragmenten der Seeigeleier (Boveri 51), S. 345), ferner die Theilungen der Merocytenkerne im Selachierei, bei 1) Th. Boveri, Zellen-Studien III. Jen. Zeitschr. 24. Bd. 1890. (5.) Ueber generative und embryonale Mitosen, etc. 163 welchen nach Rückert (6), S. 329) halb so viel Elemente als in den Furchungskernen auftreten und welche dieser Autor daher für Abkömmlinge von Spermaköpfen hält. Halbzählig im eigent- lichen Sinne des Wortes ist endlich aber vor Allem auch die zweite Theilung der Reifungsphase sowohl bei der Spermato. genese, als bei der Ovogenese. Denn bei derselben sind nach den übereinstimmenden Befunden der meisten Autoren von vorn- herein nur halb so viel Uhromosomen vorhanden, als der normalen Theilungszahl der betreffenden Spezies entsprechen würde. Hier haben wir also thatsächlich Theilungen mit der halben Zahl von Elementen vor uns, die aber trotzdem im Sinn der vom Rath’schen Citate nicht als „halbzählig“ bezeichnet werden dürfen. Angesichts des Umstandes, dass der Ausdruck „halbzählig“ dem Wortlaut nach offenbar nieht eindeutig ist und demnach wohl kaum als eine Verbesserung des früheren Ausdrucks „pluri- valent‘‘ zu bezeichnen ist, möchte ich den Vorschlag machen, den Ausdruck ‚„halbzählig“ beizubehalten, ihm aber entgegen der vom Rath schen Definition einen allgemeineren Sinn zu unter- legen. Als „halbzählige‘“ Mitosen möchte ich ohne Rück- sieht auf irgend welche theoretischen Vorstel- lungen alle diejenigen Theilungen bezeichnen, in denen eine Anzahl von Theilungseinheiten (Chromosomen) auftritt, welche der Hälfte der „Normalzahl“ entspricht. Die ‚„Normalzahl‘“‘ würde dabei, wenn möglich, den Soma-Mitosen des ausgewachsenen Thieres zu entnehmen sein. „Halbzählig‘“‘ würden demnach eben- sogut die zweite Reifungstheilung und die Theilungen isolirter Spermaköpfe sein, wie diejenigen Mitosen, für welche eine Dop- pelwerthigkeit der Elemente bewiesen oder theoretisch wahr- scheinlich gemacht werden kann. 1) J. Rückert, Ueber physiologische Polyspermie bei merobla- stischen Wirbelthiereiern. Anat. Anz. 7. Jahrg. 1892. (6.) H. E. Ziegler hält dagegen die Ableitung der Merocytenkerne von Nebensperma- kernen nicht für bewiesen und stellt die betreffenden Mitosen hinsicht- lich der Zahl der Chromosomen den weiter unten zu besprechenden Befunden vom Rath's bei Salamandra-Embryonen und -Larven an die Seite. Vergl. H. E. Ziegler, Ueber das Verhalten der Kerne im Dotter der meroblastischen Wirbelthiere. Ber. Nat. Ges. Freiburg. 8. Bd. 1894 (Festschrift für A. Weismann). (6a.) 764 Valentin Häcker: „Plurivalent“ wären dagegen speziell die Mitosen, bei wel- chen die geringere Anzahl der Theilungselemente auf eine Doppel- oder Mehrwerthigkeit!) der Elemente zurückzuführen ist. Das plurivalente Schema versucht im Speziellen eine Erklärung zu geben für das Auftreten von Mito- sen mit halber Chromosomenzahl innerhalb des Cyklus der generativen Zellen und insbesondere auf die Entstehung der Vierergruppen und die Bedeutung der heterotypen Theilung ein Licht zu werfen). Ich hoffe, dass diese Fassung der Begriffe eine sachdien- liche und annehmbare ist. Aus dem Bisherigen geht hervor, dass vom Rath und ich bezüglich der Entstehung und Bedeutung der Vierergruppen zu den nämlichen Ergebnissen gelangt sind. Da die Bildungsweise dieser Theilungselemente von theoretischer Wichtigkeit ist und da dieselben nach den übereinstimmenden Angaben der meisten neueren Autoren eine aligemeine Verbreitung haben, so möchte ich auf Grund des reichen und vielseitigen, meinem Arbeitsge- nossen vom Rath und mir vorliegenden Materiales den Ver- such machen, auch die Angaben anderer Forscher von dem von uns gewonnenen Gesichtspunkt aus zu prüfen. Es soll dabei nur auf solche Arbeiten eingegangen werden, in welchen eben die Frage nach der Entstehung der Vierergruppen erörtert worden ist. Für das Problem der Vierergruppen besteht offenbar nur das Dilemma: entstehen dieselben durch einmalige oder zwei- malige Längsspaltung? Vom Rath und ich sind zu den über- 1) Eine Zusammensetzung der Schleifen aus mehr als zwei Theilungseinheiten niedrigerer Ordnung scheint, wie unten gezeigt werden soll, bei Ascaris vorzukommen. Der allgemeinere Ausdruck „plurivalent“ dürfte daher schon an und für sich den Vorzug vor der näherliegenden Bezeichnung „bivalent“ verdienen. 2) Beispielsweise würden die von vom Rath gefundenen Mito- sen in embryonalen und larvalen Geweben von Salamandra, welche anstatt der Normalzahl 24 nur 12 Elemente besitzen (l. e., S. 106, Anm.), zunächst als „halbzählig* zu bezeichnen sein. Indem aber vom Rath die Aehnlichkeit derselben mit der homöstypen Form hervor- hebt und an die Möglichkeit einer Doppelwerthigkeit der Schleifen denkt, weist er diesen Mitosen im Speziellen auch einen „plurivalen- ten“ Charakter zu. Ueber generative und embryonale Mitosen, etc. 165 einstimmenden Resultate gelangt, dass nur eine einmalige Längs- spaltung vorliegt, dass aber je zwei hintereinanderliegende Seg- mente zunächst miteinander verbunden bleiben. Es entstehen so Doppelwinkel, aus welehen unter Durchbruch der Winkel- ecken (Metalyse) und Parallellagerung der sich verkürzenden Stäbchen die Vierergruppen hervorgehen. Von den vier Elemen- ten sind also je zwei einander identisch!. Wenn nun, was bis jetzt in einem einzigen Fall beobachtet wurde (4, S. 485), bei der ersten Theilung die an die Pole rückenden Zweiergruppen je einem Einzelwinkel entsprechen, also je zwei nicht-identische Nachbar-Elemente darstellen, so haben wir auch hier das pluri- valente Schema vor uns, insofern zwei im Spirem hintereinander gelegene Elemente zunächst miteinander im engeren Verbande bleiben. In der zweiten Theilung würde dann die endgültige Trennung der nicht-identischen Paare, gewisser- maassen durch Quertheilung erfolgen. Im Gegensatz dazu haben Boveri und Brauer eine zweimalige Längsspaltung behauptet. Was zunächst die Bilder, welehe Boveri (5) von der ersten Richtungstheilung verschie- dener Formen gibt, anbelangt, so wird aus dem Folgenden her- vorgehen, dass sie zum Theil wenigstens auf eine Entstehung der Vierergruppen durch einmalige Längsspaltung, beziehungs- weise auf ihre Bildung nach dem plurivalenten Schema, hinwei- sen. Ich gebe hier zwei Bilder Boveri’s wieder, von denen das erste (Boveri’s Figur 3) die erste Riehtungsspindel des Pterotrachea-Eies, das zweite (Boveri’'s Figur 15) die Vierer- gruppen des Carinaria-Eies darstellt ?). In Figur 3 sehen wir die an die Pole rückenden Elemente theils in Form paarweise angeordneter Stäbchen, theils als winklig gebogene Schleifen auftreten: Boveri zählt auf jeder Seite 16 Chromosomen, indem er die Einzelstäbehen und die Schleifen als gleichwerthige Gebilde ansieht. Nimmt man aber, unter Be- 1) Unter identischen Elementen versteht Weismann solche Elemente, die durch Längsspaltung eines Mutterelementes entstanden sind (Schwesterelemente), nicht identisch sind dagegen zwei im Faden hintereinander gelegene Elemente (Nachbarelemente). 2) Die beiden Bilder sind durch einen hiesigen Lithographen, Herrn Schilling, nach den Boveri’schen Figuren copirt und für die zinkographische Darstellung vergrössert worden, 766 Valentin Häcker: rücksiehtigung der Befunde von mir und vomRath, die schlei- fenförmigen Gebilde als doppelwerthig, die Einzelstäbehen als ein- werthig an, so hat man das Bild einer plurivalenten Mitose vor sich, bei welcher ein Theil der < > doppelwerthigen Schleifen durch De 3 NRZ Durchbruch an der Umknickungs- HER = s. stelle sieh während des Ausein- > “ _ anderrückens in je zwei einwer- SUN thige Stäbchen zerlegt hat. Ist dies richtig, so folgt mit Nothwendigkeit, dass die Vierergruppen, welche hier aus stäbchen- und nicht aus kugelförmigen Einzel- gebilden zusammengesetzt sind, einer einmaligen Längsspal- tung und nachfolgenden Knickung und Quertheilung der Seg- mente ihre Entstehung verdanken. Allerdings muss dann im Hin- blick auf die Normalzahl angenommen werden, dass Boveri speciell bei der Figur 3 das eine oder andere Chromosomenpaar übersehen hat, eine Möglichkeit, welche angesichts der grossen Schwierigkeit aller Chromosomenzählungen wohl eingeräumt wer- den muss. Die Figur 13 ist gleichfalls von Boveri im Sinn einer zweimaligen Längsspaltung gedeutet worden. Ein Theil der Chromosomengruppen besitzt aber offenbar eine grosse Aehnlich- keit mit den „Doppelwinkeln“, welche von mir und vom Rath als Anfangsstadien der Vierergruppen festgestellt worden sind. Man könnte also auch für Carinaria annehmen, dass die Vierer- gruppen durch einmalıge Längsspaltung des Fadens, durch Um- Ueber generative und embryonale Mitosen, etc. 167 kniekung der anfänglich entstandenen Segmente (Doppelwinkel- bildung) und nachträglichen Durchbruch der Winkelecken (Meta- lyse) ihre Entstehung nehmen !). Man könnte ferner geneigt sein, auch die in der Aequatorial- platte der ersten Richtungsspindel von Sagitta (Boveri, Fig. 17) auftretenden Doppelwinkel im Sinne einer plurivalenten Theilung aufzufassen. So viel dürfte jedenfalls aus dem Obigen hervor- gehen, dass die Boveri’schen Bilder zum Theil nicht nur eine Interpretation im Sinne meiner Annahme zulassen, sondern dass sogar gewisse Einzelheiten derselben nur durch die letztere ver- ständlich werden. Der Beweis emer zweimaligen Längs- spaltung scheint mir aber andererseits von Boveri nicht ge- liefert worden zu sein. Was die Pyrrhocoris betreffenden älteren Bilder Henking's anbelangt, so haben dieselben bereits von Seiten Weismann's (Amphimixis, Jena 1891) eine Deutung erfahren, welche mit der hier vorgetragenen Auffassungsweise übereinstimmt. In der neueren Arbeit Henking’s?) sind nur in wenigen Figuren (beispielsweise Fig. 101 und 104) Vierergruppen andeutungsweise wieder gegeben worden. Dass dieselben aber auch bei Insekten verbreitet sind, ist durch vom Rath in unzweifelhafter Weise dargethan worden. Die von Brauer?) für das Branchipus-Ei gegebene Dar- stellung ist neuerdings durch vom Rath (1, S.135) besprochen und berichtigt worden. Während Brauer eine Entstehung der Vierergruppen durch zweimalige Längsspaltung annimmt, kommt vom Rath auf Grund eigener Beobachtungen zu Ergebnissen, welche unsern anderweitigen Befunden vollkommen entsprechen. Hinsichtlich des oben (S. 764) aufgestellten Dilemmas steht also auf der einen Seite eine Reihe von Befunden, welche über- 1) Boveri lässt die Figur 13 dem Stadium entsprechen, in wel- chem die „primären“ (auf die erste Theilung bezüglichen) Schwester- elemente, deren jedes aus 2 scharf geschiedenen parallelen (sekun- dären) Fädchen besteht, gerade begonnen haben, sich von einander zu entfernen. 2) H. Henking, Untersuchungen über die ersten Entwicklungs- vorgänge in den Eiern der Insekten. III. Spezielles und Allgemeines. Zeitschr. f. wiss. Zool. 54. Bd. 1892. (7.) 3) A. Brauer, Ueber das Ei von Branchipus Grubii. Abhandl. d. k. preuss. Ak. d. Wiss. Berlin 1892. (8.) 768 Valentin Häcker: haupt nur in der durch mich und vomRath vertretenen Weise gedeutet werden können, und eine Anzahl anderer, welche we- nigstens eine Interpretation in unserem Sinne zulassen und nahe- legen (Boveriss Molluskenbefunde). Es ist auch gleich hier zu erwähnen, dass bei der Bildung der Vierergruppen zwei Haupt- typen zu unterscheiden sind. Im einen Fall gehen aus den Doppelwinkeln unter tropfenförmiger Anschwellung der Winkelenden „Kugelehromosomen‘“ hervor, im andern bleiben die vier Schenkel der Winkel als „Stäbehenchromosomen‘“ erhalten und legen sich nach Durchbruch an der Umkniekungsstelle — ver- muthlich in Folge gegenseitiger Anziehung — parallel zu ein- ander zu einem Bündel zusammen. Dieser Uebereinstimmung gegenüber stehen nun in schroffem Gegensatz die Brauer’'schen Befunde bei der Spermatogenese von Ascaris!). Hier wird mit aller Bestimmtheit eine zweimalige Längsspaltung des Chromatinfadens vor der Bildung der Vierer- gruppen behauptet und wir stehen also damit vor der Wahl, ent- weder in diesem Punkte eine tiefgreifende Verschiedenheit inner- halb des Metazoenreiches anzunehmen, oder die Deutung, welche Brauer seinen Befunden gibt, für wnrichtig zu halten. Eine im hiesigen zoologischen Institut in Ausführung begriffene Arbeit wird auf das Verhältniss der bei Ascaris auftretenden Bilder mit den übrigen Beobachtungen abermals eingehen. Aus den mir selbst vorliegenden Asearis-Präparaten geht jedenfalls soviel her- vor, dass bezüglich der einschlägigen Stadien die Bilder bei As- caris an Klarheit hinter Gryllotalpa, Salamandra und den Cope- poden zurückstehen, und dass wohl auch dureh Brauer’s Arbeit die Frage nach den Reifungstheilungen von Ascaris nicht eine de- finitive Erledigung gefunden hat. Schon aus allgemeineren Gründen von mehr theoretischer Natur würde es übrigens in hohem Maasse wahrscheinlich sein, dass auch die Ascaris-Bilder mit den Befunden bei andern Formen im Einklang stehen. Bekanntlich hängt die Frage nach der Entstehung der Vierergruppen mit der „Reduetionsfrage‘“ auf’s Engste zusammen. Dies ist erst vor Kurzem durch vom Rath ausführlich erörtert 1) A. Brauer, Zur Kenntniss der Spermatogenese von Ascaris megalocephala. Arch. f. mikr. An. 42. Bd. 1893. (9.) Ueber generative und embryonale Mitosen, etc. 7169 worden und es bleibt mir hier nur noch übrig, auf einen Punkt hinzuweisen. Ueberall wo die Zahlenverhältnisse der Chromo- somen klar zu Tage liegen, vor Allem bei Ascaris, Öyclops und Salamandra, tritt die gemeinsame Erscheinung hervor, dass un- mittelbar vor der ersten Richtungstheilung doppelt so viele fer- tige Theilungseinheiten auftreten, als die „Normalzahl“ der Spezies beträgt. Es finden sich also hier, was die Zahlvder fertigen, zumMertheilungribierertem Ele- mente anbelangt, genau die nämlichen Verhält- nisse, wie beijeder gewöhnlichen Mitose. Durch zweimalige Vertheilung findet die Herabsetzung dieser Anzahl auf die Hälfte der Normalzahl statt, so wie es von Weismann theoretisch postulirt wurde. Boveri muss nun bekanntlich, um seine zweimalige Längs- spaltung aufrecht erhalten zu können, annehmen, dass bereits im Ruhestadium diese Reduction der Chromosomenzahl auf eine nicht weiter erkennbare Weise stattfindet. Dies steht aber mit der bei zoologischen Objeeten anscheinend allgemein gültigen Regel in Widerspruch, welcher zu Folge die Anzahl der aus dem Ruhestadium hervorgehenden Mutterelemente der Anzahl der Tochterelemente entspricht, welche nach Ablauf der vor- angegangenen Theilung in das Ruhestadium eingegangen waren. Diese Regel ist bis jetzt auf zoologischem Gebiet durch keine Thatsache umgestossen worden, denn in denjenigen Fällen, in welchen im Cyklus der generativen Zellen eine halbe Anzahl von Chromosomen auftritt, konnte eine Bivalenz der Elemente theils bewiesen (Urgenitalzellen und Ureizellen von Cyelops), theils wahrscheinlich gemacht werden. Auf die einzige Beobachtung, welche gegen die erwähnte Regel zu sprechen scheint, nämlich auf die Boveri’schen Befunde bei den Furchungskernen von Ascaris, werde ich im Schlussabschnitt zu sprechen kommen: ich werde dort an der Hand eigener Beobachtungen zu zeigen ver- suchen, dass dieselben sich durchaus innerhalb des Rahmens der bisher bekannten Thatsachen bewegen. Alles in Allem scheint mir heute die obige Regel fester als je zu ..stehen, so dass sie vielleicht sogar zu einem Gesetz der konstanten Idantenzahl !) er- 1) Ich wähle hier den Weismann’schen Ausdruck „Idant“, um den Ausdruck „Chromosom“ für die bei den verschiedenen Kern- 770 Valentin Häcker: hoben werden darf, und die von Rabl und Boveri begründete, von Boveri selbst aber wieder ins Schwanken gebrachte ‚In- dividualitätshypothese‘‘ würde damit wieder eine sicherere Basis erhalten. Es ist indess hier nicht meine Absicht, auf die theo- retische Bedeutung dieses Gesetzes einzugehen, ich habe vielmehr diese Verhältnisse aus einem andern Grunde herangezogen. Ich wollte damit zeigen, dass die Brauer ’schen Befunde bei Ascaris nicht nur mit den übrigen Thatsachen der Ei- und Samenreife, sondern mit ganz allgemeinen kerntheilungsgeschiehtlichen Prin- zipien im Widerspruch stehen, falls nicht eine andere Deutung derselben zulässig ist, als die von Brauer selbst gegebene. In einer Reihe von kürzeren Mittheilungen !) hat uns Bo- veri mit einem Vorgang bekannt gemacht, der sich m den Furchungskernen von Ascaris meg. abspielt und auf einen Gegen- satz der ehromatischen Substanz der Sexualzellen und jener der somatischen Zellen hinweist. Im Zweizellenstadium von Ase. meg. univalens gehen in jedem der beiden Kerne aus dem Ruhe- stadium je zwei bandförmige, an den Enden verdickte Chromo- somen hervor. Im Kerne der einen Zelle (‚erste Stammzelle‘‘) ?) theilungsformen thatsächlich wahrzunehmenden, morphologischen Theilungseinheiten zu reserviren. Boveri selbst stellte früher (5, S. 372) das Gesetz auf: „Für jede Spezies ist die Zahl der Chromosomen konstant, d. h. in den karyokinetischen Figuren homologer Zellen finden sich stets die gleichen Zahlen.“ Dieses Gesetz lässt sich in dieser Fassung nicht mehr aufrecht erhalten. Dies zeigen vor Allem die in den ersten Furchungsstadien von Ascaris vorkommenden Variationen, welche Boveri beschrieben hat und auf welche weiter unten zurückgekom- men werden soll. 1) Th. Boveri, Ueber Differenzirung der Zellkerne während der Furchung des Eies von Ascaris megalocephala. Anatom. Anzeig. 2. Jahrg. 1887. (10.) — Derselbe, Zellen-Studien III. (#.) S. 392. — Derselbe, Ref. „Befruchtung“ in Merkel und Bonnet, Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte. I. Bd. 1891. (11.) S. 434. — Derselbe, Ueber die Entstehung des Gegensatzes zwischen den Ge- schlechtszellen und den "somatischen Zellen bei Ascaris meg. Sitz.-Ber. d. Ges. f. Morph. u. Phys. in München. 8. Bd. 1892. (12) 2) Der Uebersichtlichkeit zu liebe nummerire ich für den vor- liegenden Zweck die Stammzellen sowohl als die Ursomazellen vom Zweizellenstadium an. Im Sinne Häckel’s und Boveri’s würde da- gegen die befruchtete Eizelle als erste Stammzelle zu bezeichnen sein. Ueber generative und embryonale Mitosen, etc. 771 spalten sich dieselben ihrer ganzen Länge nach in der für die Chromosomen des Einzellenstadiums beschriebenen Weise. Aus der folgenden Theilung gehen zwei grosse ehromatinreiche Kerne hervor. Im Kern der zweiten Zelle des Zweizellenstadiums (,‚Ur- somazelle I‘) machen sich zwei Eigenthümlichkeiten der chro- matischen Substanz bemerklich, welche meiner Ansicht nach scharf auseinander zu halten sind: Erstens werden von jedem der beiden Chromosomen die verdickten Enden abgestossen, dieselben bleiben zunächst im Aequator der Spindel liegen und gelangen schliesslich in das Innere der Tochterzellen, wo sie resorbirt werden. Zweitens theilt sich der übriggebliebene mittlere Theil ehe Bandes in äusserst kleine Chromatinkörnehen, welehe hier die sich spaltenden Theilungsemheiten darstellen. Aus der Theilung des Kerns der Ursomazelle I gehen zwei kleine, ehromatinarme Kerne herver. Im Vierzellenstadium sind also zwei Zellen mit grossen und zwei mit kleinen Kernen vor- handen. Beim Uebergang in das Achtzellenstadium treten in den beiden kleinen Kernen wieder die kleinen körnchenförmigen Thei- lungselemente auf, die beiden aus dem Kern der „Stammzelle‘“ hervorgegangenen grossen Zellen verhalten sich nun ihrerseits wieder, wie die beiden ersten Furchungskerne. Nur in dem einen derselben, in dem Kern der „zweiten Stammzelle*, treten die Chromatinstreifen als solche in die Theilung ein, im andern stellen sich wieder die Erscheinungen ein, welche im Kerne der Ursomazelle I beobachtet wurden. Dieser „Reductionsvorgang“ (Boveri) wiederholt sich noch dreimal und schliesslich bleibt nur noch eine Zelle mit ursprünglichem Kern, die Ur geschlechts- zelle, als direkter Abkömmling der Stammzellenreihe zurück. Betrachten wir nun zunächst den zweitgenannten Punkt, in welchem sich bei dem Boveri’schen Objeete die Somazellen von den Stamm- und Urgeschlechtszellen unterscheiden. Es tritt hier in unzweifelhafter Weise die Thatsache hervor, dass die Theilungselemente der Somakerne in grösserer Zahl und in Gestalt von kurzen, stäbehenförmigen Chromosomen auftreten, während bei den Stammzellen nur eine geringe Anzahl langer, band- oder schleifenförmiger Gebilde die Einheiten der Theilung darstellt. Es ergibt sich so ohne Weiteres eine Aehnlichkeit mit den Vorgängen, welche ich früher für die Keimblätterbildung 172 Valentin Häcker: des Cyelops-Eies beschrieben habe: bei letzterem finden sich beim ersten Auftreten der Urgenitalzellen auffallend lange ehro- matische Gebilde, welche sich nieht nur durch ihre Grösse, son- dern auch durch ihre geringere Anzahl von den Theilelementen der Furchungs- und Blastodermkerne unterscheiden. Die Figur 6 veranschaulicht den Gegensatz im Kerntheilungshabitus, welcher bei Cyelops einerseits zwischen der Urgenital- (A) und Urmeso- dermzelle (B), den Abkömmlingen der „Stammzelle“, andrerseits zwischen den Entoderm- (e) und Blastodermzellen besteht; dort lange, mannigfaltig gewundene und gedrehte Schleifen, hier kurze winkelförmige Gebilde. Die Figur 6 bildet ein vollkommenes Seitenstück zu den Figuren 2 and 4, welche Boveri in seiner letzterschienenen Mittheilung (12) gegeben hat. Es war bei Cyelops möglich, auf Grund gewisser, nament- lich im Dyasterstadium auftretenden Erscheinungen den Schluss zu ziehen, dass jedes der Chromosomen der Urgenitalzelle ein doppelwerthiges Element darstelle. Es liegt nun nahe, auch für Ascaris anzunehmen, dass die Chromosomen der Somakerne ‚Thei- lungselemente niedrigerer Ordnung“ darstellen, deren Anzahl in einem gesetzmässigen Verhältniss zur Anzahl der in den Stamm- zellkernen auftretenden Schleifen steht. Während bei Cyelops dieses Verhältniss durch 1:2 ausgedrückt werden kann, ist der Nenner dieses Bruches bei Ascaris vielleicht eine etwas grössere Zahl. Während also die Theilung der Urgenitalzelle von Cyelops streng genommen eine „Kermtheilung mit bivalenten .Elementen“ oder kürzer eine „bivalente Kerntheilung“ ist, hätten wir in den Theilungen der Stammzellen von Ascaris vielleicht eine wirkliche „plurivalente Kerntheilung‘“ vor uns. In ähnlichem Sinne hat sich von Wasielewsky!') be- züglich der Theilungen ausgesprochen, welche m der Keimzone der Genitalschläuche von Ascaris meg. auftreten. Er beobachtete auch hier einen Zerfall des Chromatinfadens in eine Anzahl (8—10) von Theilungseinheiten niedrigerer Ordnung, welche die Gestalt von eubischen Elementen haben. „Dieser Theilungsmodus be- weist, dass der Chromatinfaden durch Verschmelzung einer grös- seren Anzahl von Chromatinkörpern entstanden ist.“ Ich werde 1) v. Wasielewsky, Die Keimzone in den Genitalschläuchen von Ascaris megalocephala. Arch. f. mikr. An. 41. Bd. 1893. (13.) Ueber generative und embryonale Mitosen, etc. 713 weiter unten auf die von Wasielewsky schen Untersuchun- gen nochmals zurückkommen. Es wurde im Obigen gezeigt, dass sowohl bei Cy- elops wie bei Ascaris die Urgeschlechtszellen sieh dureh die geringere Zahl und die bedeuten- dereGrösse der chromatischen Elemente von den somatischen Kernen unterscheiden. Die Art und Weise, wie die Trennung des somatischen und generativen Kern- theilungsmodus während der Furchung erfolgt, ist jedoch bei den beiden Formen eine verschiedene. Bei Cyelops stellt sich die erste Furchungstheilung als plu- rivalente (heterotypische) Mitose dar (3, Fig.3 ec). Die zu Ringen geschlossenen Doppelfadensegmente ordnen sich „parallel zur Spindelaxe und es kommt auf diese Weise eine typische T on- nenform zu Stande.‘“ Die Anzahl der je aus vier Elementen zu- sammengesetzten Ringe ist halb so gross, als die „normale“ Thei- lungszahl (8) der chromatischen Elemente (3, S. 21 [180]). An jeden Pol rücken vier Halbringe, deren jeder ein doppel- werthiges Element darstellt. Während der folgenden Furchungsstadien treten, wie ich mich bei verschiedenen Cyelops-Species überzeugte, in sämmtlichen Kernen wieder ein- fache Theilungselemente auf: bei jeder Theilung rücken an jeden Pol je acht einfache schleifenförmige Chromosomen. Doch unterscheiden sich namentlich die während der ersten Fur- chungsstadien zu beobachtenden Theilungen in einigen Punkten von den „somatischen‘“ Mitosen, wie sie später bei der Differen- zirung der Keimblätter gefunden werden. Die Schleifen sind grösser und unregelmässiger gelagert, als bei den letztgenannten Mitosen. Bei Polansicht stellt der Aster (Mutterstern) keine regel- mässige kranzförmige Figur dar, vielmehr sind die Schleifen gleich- mässig über die ganze Aequatorebene vertheilt (Taf. XXXIL, Fig. 1a). Bei Seitenansicht sieht man häufig einzelne Schleifenenden weit her- vorragen (Fig. 1b) und dies erinnert an die Bilder, welche nach Flemming!) die heterotypische Theilung im Salamanderhoden und ebenso die Theilung der Urgenitalzelle von Cyelops dar- 1) W. Flemming, Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. Arch. f. mikr. An. 29. Bd. 1887. (14.) -774 Valentin Häcker: bietet. Es kommt noch hinzu, dass das Asterstadium!) und die Metakinese relativ häufig, der Dyaster dagegen seltener auf- tritt, während umgekehrt bei den eigentlichen somatischen Mi- tosen die Dyasterfiguren verhältnissmässig zahlreich sind. Bei den Theilungen der Furchungsstadien muss demnach die Meta- kinese (Flemming) relativ lange dauern und auch hierin zeigt sich eine Annäherung an die heterotypische Mitose (vgl. 3, S. 4, sowie Flemming, 14, 8.408). Ich möchte die Kerntheilungen der ersten Furchungsstadien als embryonale Mitosen den generativen (plurivalenten, heterotypischen) ?) und soma- tischen Mitosen gegenüberstellen. In Bezug auf die Anzahl der Theilungselemente stimmen die embryonalen Mitosen mit den somatischen überein, in ihrem Habitus zeigen sie dagegen viel- fach Anklänge an die generativen Theilungen. Im Verlauf der weiteren Furchungsvorgänge nehmen die embryonalen Mitosen mehr und mehr den somatischen Typus an: Die Elemente werden kürzer, ihre Anordnung gewinnt an Regel- mässigkeit, die Dauer der Metakimese wird eine geringere und das Dyasterstadium nimmt dafür eine längere Zeit in Anspruch. Zur Zeit der Differenzirung der Keimblätter sieht man dann auf einmal wieder neben dem somatischen Typus Kerntheilungs- bilder auftreten, welche den bei der ersten Furchungstheilung beob- achteten überaus nahe stehen und sich dem plurivalenten Schema einfügen (Fig. 6). Diese Bilder finden sich bei der Theilung der Urgenitalzelle (A), nachdem schon bei der vorhergehenden Thei- lung, aus welcher die A- und B-Zelle hervorgegangen waren, wieder längere Schleifen bemerkbar waren. 1) Ich unterlasse es, an Stelle der Bezeichnungen „Aster“ und „Dyaster“ die Ausdrücke. „Astroid“ und „Dyastroid“ anzuwenden, welche Flemming neuerdings in Beantwortung eines Einspruchs von Fol in Vorschlag gebracht hat (Zur Nomenklatur der Zelltheilung, Anat. Anz., 7. Jahrg. 1892, 15). Ich glaube, dass speziell die ältere Flemming'sche Bezeichnung Dyaster so geläufig und bequem ist, dass sie ohne zwingenden Grund nicht aufgegeben werden sollte. 2) Die Ausdrücke generativ und plurivalent decken sich nicht vollkommen, da vom Rath auch in der Urniere der Embryonen und Larven von Salamandra und ebenso in den Dotterkernen im Bereich des Mitteldarms von jungen Larven Mitosen gefunden hat, die wohl als plurivalent zu deuten sind (1, S. 106). Nach H. E. Ziegler (6a) wäre auch die halbe Zahl der Chromosomen in den Merocytenkernen der Selachier in diesem Sinn zu erklären. Ueber generative und embry onale Mitosen, etc. 775 Im Gegensatz zu Cyelops wird bei Ascaris der generative Typus in unmittelbarer Descendenz von der befruchteten Eizelle auf die Stammzellen und Urgeschlechtszellen übertragen, während die Ursomazellen direkt zum somatischen Typus überspringen. Dabei vollzieht sich nach Boveri in denselben ein eigenthüm- licher Differenzirungsprocess, auf welchen ich im nächsten Ab- schnitt zurückkommen werde. Hier soll nur noch einmal her- vorgehoben werden, dass sich also bei Cyelops und Ascaris die Differenzirung des generativen und somatischen Typus insofern verschieden gestaltet, als dort der erstere während der Furchungs- stadien gewissermaassen latent bleibt, während er sich bei Ascaris in kontinuirlicher Folge von der befruchteten Eizelle bis zur Urgeschlechtszelle forterhält. Während so Ascaris ein viel prägnanteres Beispiel für den kerngeschichtlichen Gegensatz zwischen Geschlechts- und Soma- zellen darstellt, dürften die Befunde bei Cyelops vielleicht in anderer Richtung von Interesse sein. Es scheint mir, dass durch dieselben der Zusammenhang zwischen den beiden Kerntheilungs- formen, wie sie sich bei Ascaris in extremer Weise einander ge- genüberstehen, vermittelt und das physiologische Verständniss dieser Verschiedenheiten angebahnt wird. Es wurde bereits oben darauf hingewiesen, dass der embryonale Kerntheilungstypus im Ver- lauf des Furchungsprocesses allmählich in den somatischen Typus übergeht. Andrerseits zeigt derselbe nicht nur in der Grösse der Elemente, sondern vor Allem auch in der Bewegungsweise derselben Anklänge an die generative (plurivalente) Form. Die Anordnung der Chromosomen, wie sie auf Schnittbildern zum Ausdruck kommt, lässt nämlich einen Rückschluss zu auf die Bewegungsvorgänge, welche zur schliesslichen Orientirung der Theilungselemente führen: es kann jedenfalls soviel gesagt werden, dass die Bewegungsvorgänge lebhaftere und unter dem Spiel einander entgegenwirkender Richt- und Torsionskräfte Kompli- eirtere sein müssen, als dies bei den somatischen Mitosen der Fall ist. Genau dieselbe Erscheinung tritt aber in viel auffäli- gerem Maasse in den generativen (plurivalenten) Mitosen, speciell bei der eigentlichen heterotypischen Form hervor, wie dies schon von Flemming ausgeführt und auch von mir wiederholt her- vorgehoben worden ist. In Bezug auf die Grösse der Elemente und ebenso auf die Bewegungsweise derselben kann also der Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 DI 776 Valentin Häcker: embryonale Typus auch mit dem generativen durch vielfache Uebergänge in Zusammenhang gebracht werden. Immerhin wäre aber noch ein Unterschied zwischen dem . embryonalen und generativen Modus hervorzuheben. Bei der generativen (plurivalenten) Mitose treten doppelwerthige Elemente in der halben Anzahl auf, bei den embryonalen Mitosen dagegen ist bereits die Normalzahl emwerthiger Elemente vorhanden. Aber auch in diesem Punkte dürfte kein unüberwindlicher Gegensatz zwischen den beiden Typen bestehen: wir kennen einerseits Fälle, wo beim plurivalenten Typus im Dyaster eine nachträgliche Zer- fällung der Doppelelemente in einwerthige erfolgt, z. B. die Thei- lung der Urgenitalzelle von Cyelops, andererseits gibt es, wie bereits oben (S. 764, Anm. 2) hervorgehoben wurde, embryonale (nieht-generative) Mitosen, die nur die halbe Anzahl von Theilungs- elementen zeigen und vermuthlich als plurivalente Theilungen aufzufassen sind. Alles in allem können wir demnach eine zusammenhängende Reihe aufstellen, welche von den somatischen Mitosen durch die embryonalen hindurch zu den generativen führt. Diese Reihe ist gekennzeichnet durch die allmähliche Grössenzunahme der Ele- mente und die lebhafteren und komplieirteren Bewegungsvorgänge, welehe sich bei der Rangirung derselben abspielen. Im Zusam- menhang damit dürfte ein audres physiologisches Moment stehen: je mehr wir uns dem echten generativen Typus nähern, um so mehr nimmt die Tendenz zur letzten Zerfällung der Doppelehro- mosomen in einwerthige Elemente ab, so dass sie schliesslich bei den echten plurivalenten Mitosen überhaupt unterbleibt, wenn auch offenbar immer noch eine gewisse Neigung dazu vorhanden ist (3, S. 10 [169], 4, S. 483). Wir kommen so zu dem auffallenden Schluss, dass, je grösser die Elemente sind, um so weniger leicht die endgültige Zerfällung der Doppelelemente zu Stande kommt. Damit steht vielleicht die von Boveri (12, S. 125) erwähnte Erschemung im Zusammen- hang, dass bei Ascaris häufig noch im Vierzellenstadium die ur- sprünglichen zwei Schleifen in allen vier Furchungskugeln erhalten bleiben. Die Grösse der Kerme und die Masse der Elemente scheint hier — unter gewissen, nicht kontrollirbaren Umständen — der Zerlegung der Schleifen in Elemente niedrigerer Ordnung im Wege zu stehen. Ueber generative und embryonale Mitosen, etc. TT7 Andrerseits zeigen nach von Wasielewsky die kleinen Kerne der Keimzone (trotzdem sie im Cyelus der generativen Zellen liegen) eine Zerlegung des Chromatinfadens in Elemente niedrigerer Ordnung. Es würde dies nach dem Obigen mit der relativ geringeren Masse der chromatischen Substanz in V erbin-_ dung zu bringen sein. Wenn so die generativen Mitosen mit den embryonalen und damit auch mit den somatischen durch Uebergänge verbunden sind, so ist doch nicht ausser Acht zu lassen, dass wenigstens zwischen den beiden Extremen ein bemerkenswerther Unterschied besteht. Ich möchte es wenigstens nicht für unbedeutsam halten, dass bei den plurivalenten Theilungen gerade die letzte Seg- mentirung unterbleibt!). Boveri hat aus seinen Befunden den Schluss gezogen, dass das bandförmige Chromosom von Asearis megalocephala nicht etwa eine continuirliche Serie gleichwerthiger Bestandtheile darstellt, sondern dass es eine symmetrische Bildung ist, deren Endabschnitte sich ganz anders verhalten als die een- tralen (12, S. 122). Wenn ich auch die Erscheinungen, auf welehe Boveri seinen Schluss gründet, nieht als normal be- trachten kann, so glaube ich doch angesichts des Auftretens von doppelwerthigen Elementen und der augenscheinlichen Besonder- heiten der letzten Segmentirung, dass die Frage nach dem symmetrischen Bau der (Doppel-)Chromosomen eine weitere Be- achtung verdient. Es würde hier vielleicht noch in Betracht zu ziehen sein, dass nach allem, was wir davon wissen, in der zweiten Reifungstheilung das Chromatin der Doppelelemente in einwerthige Elemente zerlegt und so auf die beiden Tochterkerne vertheilt wird, ein Vorgang, der gleichfalls auf einen symmetrischen Bau der Doppelelemente hinweist. Es soll nun noch der andre Punkt besprochen werden, in welchem nach Boveri die kerngeschichtliche Differenzirung der Geschlechts- und Somakerne zum Ausdruck kommt, nämlich die eigenthümliche Abspaltung der Schleifenenden. Ich werde ver- 1) Ascaris bildet hier vielleicht eine Ausnahme, insofern hier die Schleifen der Keimbahn-Mitosen mehr als zwei Elementen der Soma- Mitosen entsprechen (s. S. 772 unten). Vergl. die Befunde von Boveri und von Wasielewsky. 778 Valentin Häcker: suchen, den Nachweis zu führen, dass es sich hier nur um eine pathologische Erscheinung handeln kann. Es sind mir selbst bis jetzt von Ascaris keine späteren Sta- dien als das Vierzellenstadium zu Gesicht gekommen und ich ver- mag daher die Boveri’schen Angaben bei Ascaris selbst nicht zu kontrolliren. Nur so viel möchte ich gleich hier bemerken, dass schon in den Anfangsstadien der Furchung vielfach augen- scheinlich pathologische Bilder vorkommen. Boveri hat diesen Ver- hältnissen auch Rechnung getragen und bemerkt daher (5, S. 697), dass er die vollkommen lebendigen Würmer persönlich dem Darm des vor seinen Augen geschlachteten Pferdes entnommen hat, und er glaubt mittelst Abtödtens der Eier durch Hitze zuverlässige Präparate erhalten zu haben. Nun ist aber dem gegenüber in Betracht zu ziehen, dass zwischen der Tötung des Pferdes und dem Abdecken und Oeffnen desselben immerhin eine beträchtliche Zeit, minde- stens zwanzig Minuten, zu vergehen pflegt, ein Zeitraum, welcher genügen würde, um den normalen Gang der Furchungstheilungen zu stören. Es ist aber des weiteren auch nicht ausgeschlossen, dass die Würmer bereits im lebenden Pferd unter nicht ganz normalen Bedingungen gelebt haben. Beispielsweise liesse sich denken, dass eine beim Wirth aufgetretene Verdauungsstörung für den Parasiten Ernährungsanomalien herbeiführt. Dies würde sich aber leicht in degenerativen Veränderungen der Geschlechtspro- dukte äussern können!). | In den auf zahlreichen Präparaten mir vorliegenden Zwei- und Vierzellenstadien von Ascaris megalocephala bivalens habe ich wohl vielfache Unregelmässigkeiten, dagegen keine Furchungsbilder finden können, welche auf die von Boveri angegebenen Differenzirungsvorgänge hingewiesen hätten. Aeltere Stadien fehlen mir. Dagegen besitze ich eine Anzahl von Präparaten von einem andern Objekte, welche ganz analoge Kerntheilungsfiguren zeigen 1) Es kommt hier die den hiesigen Pferdeschlächtern geläufige Thatsache in Betracht, dass Ascaris vorzugsweise bei jungen, gesun- den und gut genährten Thieren gedeiht und in Menge vorkommt. Die zum Schlachten verwendeten Pferde sind aber sehr häufig ältere und abgetriebene, wenn nicht sogar kränkliche Thiere, und es ist dann stets mit der Möglichkeit zu rechnen, dass die in denselben etwa vor- kommenden Ascaris auf dem Aussterbeetat stehen oder wenigstens nicht unter vollkommen zusagenden Bedingungen leben. Ueber generative und embryonale Mitosen, etc. 779 © D 5 und für welche der Nachweis, dass es sich hier um pathologische Veränderungen handelt, mit Bestimmtheit erbracht werden kann. Im Mai 1890 konservirte ich eine in einem Tümpel am Rhein in grosser Menge vorkommende Cyelops-Spezies (Öyelops strenuus), und zwar theils unmittelbar an Ort und Stelle, theils, nachdem die Thiere ein Zeit lang in Aquarium gelebt hatten. Ebenso besitze ich konservirtes Material vom Mai 1891. Dagegen fand ich die Spezies in den folgenden Jahren in der betreffenden Jahres- zeit nicht wieder. Es liegen mir fast alle Furchungsstadien mehr- fach vor und es liess sich feststellen, dass jedenfalls alle 2-, 4-, 8- und 32-Zellenstadien in allen Furchungszellen Kerntheilungen vom gewöhnlichen „embryonalen* Habitus (Fig. 1) aufweisen. Von einer Differenzirung der Geschlechtszellen konnte ich in diesen früheren Furchungsstadien nichts bemerken, trotzdem ich eine grosse Anzahl von Eiern, Kern für Kern, sorgfältig durch- musterte. Unter drei Präparaten, welche das Sechzehnzellenstadium zeigen, wiesen nun aber zwei Kerntheilungsbilder auf, welche eine auffallende Aehnlichkeit mit den Boveri'schen Bildern be- sitzen. Ich vermuthete schon bei der ersten Untersuchung, dass ich es mit pathologischen Bildern zu thun habe, um so mehr als ich in dem abnorm sich furchenden Ei einer Meduse, Aequorea, auf entsprechende Kerntheilungsformen stiess. Inzwischen habe ich, durch die Boveri'schen Publikationen veranlasst, eine ge- nauere Untersuchung vorgenommen und bin dabei zu dem Er- gebniss gelangt, dass es sich hier thatsächlich um Degenerations- formen handelt?). Die Figur 2 zeigt einen Schnitt durch ein Sechszehnzellen- stadium. Sämmtliche Kerntheilungsfiguren sind dadurch aus- gezeichnet, dass die Theilungselemente in der normalen An- zahl auftreten, dass aber der Aequator von einem Kranz über- zähliger Chromatinpartikelchen umstellt ist. Dies lässt sich im Einzelnen an der Figurenreihe Fig. 3, a—f verfolgen, welche die wichtigsten Stadien vom Asterstadium bis zum Dispirem zeigt. Die Abspaltung der Chromatinpartikelchen erfolgt offenbar zur 1) Asterstadien mit abgesprengten oder verirrten Chromosomen hat D. Hansemann auch in Careinomen und Sarcomen gefunden. Die betreffenden Figuren, Taf. X, Fig. 17—22, entsprechen ziemlich genau der Figurenreihe, Fig. 3a—f. Vergl. D. Hansemann, Ueber pathologische Mitosen. Virchow’s Archiv. Bd. 123. 1891, (16.) 1780 Valentin Häcker: Zeit, wenn sich die Schleifen zum Aster ordnen. Sie liegen anfangs in der ganzen Kernperipherie, späterim Aequatorder Spindel, wie dies namentlich in den charakteristischen Dyasterstadien besonders auffäl- lig ist (Fig. 3,d). Im Dispiremstadium (Fig. 3, f) legen dann die Partikelehen einseitig in einiger Entfernung vom Kern und zwar zwischen demselben und der Eiperipherie, welch’ letztere jedem einzelnen Kern gegenüber eine muldenförmige Vertiefung zeigt. Ich möchte gleich hier auf die Aehnlichkeit hinwiesen, welche speeiell zwischen dem Dyasterstadium Fig.3,d und der Boveri- schen (halbschematischen) Figur 8 (linke Furchungszelle) im Artikel „Befruchtung“ (11) besteht. Das dritte meiner Präparate, welches das Sechzehnzellen- stadium aufweist, zeigt die meisten Kerne in Ruhe (Fig. 4, a). Bei der angewandten Methode (erwärmte Flemming sche Flüssig- keit, Stückfärbung in Boraxkarmin, Nachfärbung in Hämatoxylin) heben sich die rothgefärbten Nucleolen in sehr schöner Weise von dem blaugefärbten Chromatingerüst ab. Irgend etwas Be- sonderes war an diesen ruhenden Kernen nicht zu beobachten. Da- neben traten einzelne Kerne im Asterstadium auf, in welchen insofern eine Andeutung des oben beschriebenen Vorganges zu bemerken war, als einzelne wenige Chromatinpartikelchen heraus- geschleudert waren (Fig. 4,b). An der Färbung liess sich leicht feststellen, dass es sich wirklich um chromatische, und nieht um nucleoläre Substanz handelt. Ausser den erwähnten Kernbildern waren aber noch eine Anzahl vollkommen normaler Asterstadien und — was besonders ausschlaggebend ist — einige durchaus normale Dyaster (Fig. 4, c) zu beobachten. Von einer Umstellung des Aequators mit Chromatinpartikelchen war an denselben nichts zu bemerken. Wenn schon auf Grund dieses dritten Präparats ein Zweifel hinsichtlich der pathologischen Beschaffenheit der Bilder der beiden andern Präparate kaum möglich ist, so kann ich zur weiteren Bekräftigung meiner Auffassung noch anführen, dass mir von meinen entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen her von einer grösseren Anzahl von Copepodenspezies die betreffenden Stadien vorliegen, und dass kein einziges Bild andere, als nor- male Kerntheilungsformen aufweist. Das Schnittbild Fig. 5 zeigt den Uebergang vom 16- zum 32-Zellenstadium im Ei von Oyelops brevicornis. Sämmtliche Figuren, im Besondern die ausschlag- Ueber generative und embryonale Mitosen, etc. s1 gebenden Dyaster, zeigen die von andern Mitosen her bekannte Beschaffenheit. Erst in einem späteren Stadium tritt die früher beschriebene Kerndifferenzirung im Sinne des plurivalenten Schemas auf. Es kann noch die Frage erhoben werden, warum gerade nur bei Cyelops strenuus die beschriebenen Bilder gefunden wor- den sind. Es ist vielleicht darauf hinzuweisen, dass diese Art, in unserer Gegend wenigstens, gewöhnlich nur als pelagische Form in grösseren Seen auftritt und daher vielleicht in kleinen Tümpeln und vollends im Aquarium auf weniger zusagende Le- bensbedingungen stösst. Die Eier simd daher vielleicht mehr der Invasion der Bakterien und der Einwirkung physikalischer und chemischer Veränderungen der Umgebung ausgesetzt, als dies bei den eigentlichen tümpelbewohnenden Formen der Fall ist. Wie aus dem Obigen hervorgeht, konnte für eime Cyelops- Spezies der Nachweis geführt werden, dass die bei den Fur- ehungstheilungen da und dort auftretende Chromatinabspaltung eine pathologische Erscheinung ist. Nun’ zeigen aber die bei Cyelops auftretenden abnormen Theilungsfiguren der Hauptsache nach eine grosse Aehnlichkeit mit denjenigen, welche von Bo- veri für Ascaris als normale Vorkommnisse beschrieben wor- den sind. Es ist eine der Aufgaben des vorliegenden Aufsatzes ge- wesen, den Nachweis zu erbringen, dass hinsichtlich der bei der Eibildung, bei der Eifurchung und Keimblätterbildung auftreten- den Kerntheilungsformen innerhalb des ganzen Metazoenreiches eine ausserordentliche Gleichförmigkeit und Gesetzmässigkeit be- steht. Es war möglich, die bei der Bildung der Geschlechts- produete und bei der Differenzirung der Geschlechtszellen auf- tretenden scheinbar heterogenen Theilungstypen unter Zugrund- legung des plurivalenten Schemas auf einander und auf die ge- wöhnlichen Formen der Mitose zurückzuführen. Man steht also vor der Wahl, entweder den bei Ascaris beobachteten Bildern eine Ausnahmestellung zuzuweisen und das, was für Cyelops als pathologisch nachgewiesen werden konnte, bei Ascaris als nor- mal gelten zu lassen, oder aber man muss annehmen, dass dieser Theil der Boveri’schen Untersuchungen auf einem Irrthum be- ruht. Ich bin weit davon entfernt, die Möglichkeit abzuweisen, dass zwischen zwei sich entfernt stehenden Formen eine der- 182 Valentin Häcker: artige Verschiedenheit bestehen könnte, aber ich möchte an- gesichts der schwerwiegenden Einwände, die sich gegen Bo- veri’s Bilder zu Felde führen lassen, es als äusserst wahr- scheinlich betrachten, dass die Chromatinabspaltung bei der Furehung von Ascaris eine pathologische Erscheinung ist. Ich möchte demnach die Annahme vertreten, dass bei As- caris thatsächlich die Somazellen andere Kerntheilungsbilder dar- bieten als die Zellen der „Keimbahn“, insofern in den ersteren bei jeder Theilung eine Zerfällung der Schleifen in Elemente niedrigerer Ordnung erfolgt, dass aber die Chromatin- abspaltung ein Accidens pathologischer Na- tur ist. Es könnte nun der Einwand erhoben werden, dass es doch auffallend wäre, dass gerade die Zellen der Keimbahn normal bleiben, während die Kerne anderer Zellen pathologischen Ver- änderungen anheimfallen. Es wurde aber oben gezeigt, dass bei der plurivalenten Kerntheilung die Wirksamkeit der ordnenden und richtenden Kräfte eine andre sein muss, als dies bei den gewöhnlichen Mitosen der Fall ist, dass also in dieser Richtung eine physiologische Verschiedenheit zwischen beiden Kerntheilungs- formen bestehen muss. Es wäre denkbar, dass in dieser physio- logischen Verschiedenheit auch eine verschiedene Widerstandskraft der plurivalenten Mitosen der Keimbahn gegen äussere Einflüsse bedingt ist. Nehmen wir es als richtig an, dass die Chromatinabspaltung ein pathologischer Vorgang ist, so wird doch damit den Bo- veri’schen Befunden ihre Bedeutung nieht genommen: dieselben stellen vielmehr eim ausserordentlich werthvolles Seitenstück zu den Beobachtungen bei Oyelops dar, insofern bei ihnen viel frü- her ein kerngeschichtlicher Unterschied zwischen Geschlechts- und Somazellen auftritt. Es ist in dem vorliegenden Aufsatz der Versuch gemacht worden, für einige früher ausgesprochenen Sätze die Giltigkeits- grenzen nach der einen und andern Richtung hin weiter zu stecken. Dies durfte geschehen, da sich inzwischen das ein- schlägige empirische Material bedeutend vermehrt hat und da andrerseits, so viel ich sehe, keine Thatsache bekannt geworden Ueber generative und embryonale Mitosen, etc. 183 ist, welche in unlösbarem Widerspruch mit der hier vertretenen Anschauungsweise steht. Man könnte nun die Frage erheben, was denn eigentlich mit der Aufstellung des plurivalenten Sche- ma’s erreicht ist ? Es muss hier zunächst zugegeben werden, dass ein weiterer Einblick in die Mechanik der Kerntheilung nur bis zu einem ge- wissen Grade gewonnen ist. Denn in dem plurivalenten Schema soll einzig und allein die Behauptung zum Ausdruck kommen: der Chromatinfaden aller Kerne hat die Tendenz, vor jeder Thei- lung in eine für die Spezies charakteristische Anzahl von Seg- menten zu zerfallen. Dieser Zerfall kommt aber unter beson- deren Verhältnissen nur in unvollständiger Weise zur Durchfüh- rung, so dass die Segmentirung nur bis zur Bildung von Thei- lungseinheiten höherer Ordnung, speciell von Doppelelementen fortschreitet!). Ein Vergleich der „plurivalenten“ Mitosen mit denjenigen des „embryonalen“ Typus liess es ferner als wahrscheinlich er- scheinen, dass die Fähigkeit der chromatischen Sub- Stanz, sich imEinheiteminiedrigerenOrdnungzu zerlegen, in einem gewissen Abhängigkeitsver- hältniss zur Masse des Chromatins und damit zur Grösse des Kerns steht. Je grösser der Kern und damit die Masse der chromatischen Substanz ist, um so weniger leicht kommt die endgültige Zerfällung der Doppelelemente zu Stande. Darauf weisen die Befunde „plurivalenter“* Mitosen in embryonalen und larvalen Geweben von Salamandra (vom Rath), sowie das aus- nahmsweise Vorkommen solcher in beiden Zellen des Zweizellen- 1) Die Tendenz des Chromatinfadens, sich auch in diesem Falle in die „Normalzahl“ von Elementen zu zerlegen, dürfte in zahlreichen Besonderheiten der plurivalenten Theilungsformen zum Ausdruck kom- men. Dahin gehört z. B. in der Urgenitalzelle von Cyclops die Herz- form der Elemente während der Prophasen und der sekundäre Durch- bruch derselben im Dyaster (3, S. 10 [169]). Vielleicht sind hier noch anzuführen die schon von Flemming beschriebenen Krümmungen und Verschlingungen der Schleifen bei der heterotypischen Theilung, sowie die Ueberkreuzungen und Achterbildungen, welche die Doppel- fadeuzüge vor der ersten Richtungstheilung zeigen. „Es ist, als ob darin sich ein unbefriedigtes Bestreben der doppelwerthigen Elemente äussern würde, an den präformirten Stellen doch noch schliesslich zum Durchbruch zu gelangen und sich so in einwerthige Elemente zu zer- legen“ (4, S. 483). 784 Vahkentin Hacker: stadiums von Ascaris (Boveri) und andrerseits die Befunde in der Keimzone von Ascaris (von Wasielewsky) hin. Der Umstand endlich, dass (wenigstens in den meisten Fällen) gerade nur die letzte Segmentirung unterbleibt, lässt es als möglich erscheinen, dass innerhalb des Chromatinfadens die beiden zu einem Doppelelement gehörigen Elemente (Idanten) in engerer Beziehung zu einander, als zu den benachbarten Elementen des Fadens stehen und dass demnach der letzten Segmentirung eine besondere Bedeutung zukommt im Vergleich zu denjenigen Segmentirungsprocessen, welche eine Zerlegung des Chromatinfadens in Doppelelemente herbeigeführt haben. Auf eine besondere Bedeutung der letzten Segmentirung scheint auch die Rolle hinzuweisen, welche dieser Vorgang bei der zweiten Reifungstheilung spielt. Nach Allem, was wir wissen, ist es nämlich höchst wahrschemlich, dass bei der zweiten Reifungstheilung die letzte Segmentirung (Quertheilung), also die Zerfällung der Doppelelemente in einwerthige Elemente (Metalyse) diejenige Rolle spielt, welche bei allen andern Mitosen der Längsspaltung zukommt. Während bei letzteren die zwei durch Längsspaltung eines Mutterelements entstandenen Schwester- elemente sich je auf einen T'ochterkern vertheilen, scheint dies bei der zweiten Reifungstheilung für die beiden durch Quer- theilung eines Doppelelements entstandenen einwerthigen Ele- mente zu gelten. Die vorstehenden, auf die Theilungsmechanik bezüglichen Ergebnisse, tragen zum grossen Theil einen hypothetischen Cha- rakter. Aber ich glaube doch, den Vorstellungen, zu welchen ich bei meinen mehrjährigen Untersuchungen auf dem Gebiet der generativen Kemtheilungen allmählich gelangt bin, hier Aus- ‚ druck geben zu sollen, weil ich meine, dass denselben eine ge- wisse Einheitlichkeit und Zusammengehörigkeit nicht abgespro- chen werden kann. Jedenfalls glaube ich, meiner früher (3, 4) ausgesprochenen Behauptung, dass im Cyelus der generativen Zellen Kerntheilun- gen mit doppelwerthigen Elementen (plurivalente Mitosen) eine weit verbreitete Erscheinung sind, in folgenden drei Sätzen eine erweiterte und besser begründete Form geben zu können: 1) Die chromatische Substanz des Kernes besitzt die Ten- denz, vor jeder Theilung durch Segmentirung (Quertheilung) in Ueber generative und embryonale Mitosen, etc, 185 Tabelle. 77 TRIER | Nicht-generative Mitosen. (Generative Mitosen. | > | | | | ##2& | SomatischeMitosenmitder, | {as} | 4 Hz Seen Normalzahl von Elementen. | | (ea MD ER =D] Fi Re | "225 Embryonale Mitosen mit Mitosen der Keimzone von = Sr = der Normalzahl von Elemen- | Ascaris. Zerfall der Schleifen | 77.0 |ten. Die Schleifen zeigen in | in zahlreiche Elemente nie- 222% | Grösse und Anor dnung An- | drigerer Ordnung (von Wa- ©oz2:% klänge an die eenerativen |sielewsky). | Da | Mitosen. | | | | | ' Erste Theilung der Rei-| | fungsphase. Der Chromatin- | | faden zerlegt sich in der, ‚ Normalzahl von Elementen. | Je zwei derselben bleiben aber in engerem Zusammen- | hang (vom Rath, Häcker). | | Urgenitalzelle vonCyclops. | , Je zwei Blemente bleiben mit einander verbunden. Im Dy- | aster erfolgt nachträglich die | Zerlegung in einwerthige | Elemente (Häcker). elementen. Embryonale Mitosen mit Heterotype und homöotype der Hälfte der Normalzahl. | Theilungen im Salamander- ? Doppelwerthigkeit der Ele- hoden. ?Je zwei Elemente mente (embryonale und lar- | sind mit einander verbunden vale Gewebe von Salaman- | und bleiben dies auch im Dy- dra, vom Rath). \aster (Häcker, vomRath). Plurivalente Mitosen. Generative Theilungen bei , Ascaris. ?Mehr als zwei Ele- mente niedrigerer Ordnung bleiben mit einander ver- bunden. Mittelgrosse bis grosse Kerne mit grossen Chromatin- eine für die Spezies charakteristische und konstante Anzahl von Theilungselementen (Idanten) zu zerfallen (normale Theilungszahl) !). 2) In grossen, chromatinreichen Kernen, wie solche während der Furchung und späteren Embryonal- und Larvalentwicklung auftreten, unterbleibt zuweilen die letzte Segmentirung des Fa- 1) Ich habe früher versucht, nachzuweisen, dass es sich in der Regel um einfache, auf den Primzahlen 2 und 5 sich aufbauende Zahlenverhältnisse handelt. Vergl. V. Häcker, Die Furchung des Eis von Aequorea Forskalea. Arch. f. mikr. Anat. 40. Bd. 1892. (17.) Valentin Häcker: dens, so dass doppelwerthige Elemente auftreten (Befunde bei Embryonen und Larven von Salamandra). 3) Der Ausfall oder wenigstens die unvollkommene Durch- führung der letzten Segmentirung ist eine weitverbreitete Er- scheinung im Cyklus der generativen Zellen (plurivalente Thei- lungen). Im Besondern sind in diesem Sinne die Vierergruppen der Reifungstheilungen als längsgespaltene Doppelelemente zu betrachten. Freiburg i.Brsg., den 12. Februar 1894. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXII. Sämmtliche Figuren sind nach Schnitten gezeichnet, Fig. 1 u. 3 mit Zeiss, hom. Imm. 3mm, Oc. 8 (Vergr. 667), Fig. 2 und 4-6 mit Obj. D, Oec. 4 (Vergr. 435). Fi Oo oO eh | 11 „Embryonale“ Mitosen aus den ersten Furchungsstadien des Eies von Cyelops strenuus. a Polansicht des Asterstadiums. b Seitenansicht desselben. Einzelne Fadenenden ragen weit über das Niveau des Aequators heraus. . Sechszehnzellenstadium von Cyclops strenuus. Pathologische Chromatinabspaltung. Die Buchstaben weisen auf die Einzel- bilder der Fig. 3 hin, in welchen die betreffenden Stadien (theilweise nach andern Schnitten) in vergrössertem Maassstab wiedergegeben sind. Pathologische Kerntheilungsformen aus dem sich furchenden Ei von Cyelops strenuus. a Asterstadium in Seitenansicht. b Dasselbe in Polansicht, schräg angeschnitten. ce und d Dy- asterstadium, die überzähligen Chromatinpartikelchen haben sich in der Peripherie des Aequators angeordnet. e Dyaster in schräger Polansicht. f Zwei Schwesterkerne im Beginn des Dispiremstadiums, die herausgeschleuderten Chromatinparti- kelchen liegen der Peripherie des Eies an. An der betreffen- den Stelle der Eiperipherie treten muldenförmige Einsenkun- gen auf. . Sechszehnzellenstadium von Cyclops strenuus mit Spuren der Chromatinabspaltung. a Ruhende Kerne, völlig normal. b Aster- stadium mit einzelnen abgesprengten Chromatinpartikelchen. ce Normaler Dyaster. Ueber generative und embryonale Mitosen, etc. 187 Fig. 5. Uebergang vom Sechszehn- in das Zweiunddreissigzellensta- dium im Ei von Cyelops brevicornis. Normale Theilungs- fiyuren. Fig. 6. Genitalzellen-Differenzirung bei Cyclops brevicornis. A (ug) Urgenitalzelle, B (um) Urmesodermzelle. Beide sind durch Theilung einer Stammzelle entstanden. Vor (?) der in die Tiefe des Dotters eindringenden Urmesodermzelle liegt eine Gruppe von Entodermzelien, von denen eine in Theilung be- griffen ist. In der Urgenitalzelle treten grosse schleifenförmige, in den Entodermzellen kleine winkelförmige Chromatinelemente auf. Das Bild ist zusammenzustellen mit den Boveri’schen Figuren 2 und 4 in 12. Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. Von Dr. F. Brandis (Friedrichsberg, Hamburg). II. Theil: Das Kleinhirn. Hierzu Tafel XXXII. Das Kleinhirn der Vögel stellt eine bedeutend fortgeschrittene Entwicklungsstufe des Reptilienkleinhirns dar, es bleibt jedoch andererseits weit hinter dem der Säugethiere zurück, hauptsäch- lich deshalb, weil ihm jene starke Ausdehnung seitwärts fehlt, welche sich dort in der Bildung der Hemisphären äussert. Dem Wurm des Cerebellum der Säuger entspricht das Kleinhirn der Vögel jedoch nur insofern, als es im Gegensatz zu jenem wenig- stens theilweise auch die centralen Kerne, welche dort in den | Hemisphären gelegen sind, mit enthält. Die Gliederung der Ober- fläche des Kleinhirns geschieht in derselben Weise wie bei den Säugern, auch hier gehen von der weissen Substanz des central gelegenen Körpers zahlreiche blattförmige, aus Nervenfasern be- stehende Fortsätze ab, die in ihrer Stellung ähnlich den Schaufeln eines Mühlrades angeordnet sind und die Grundlage der Gyri bilden. Sie eonvergiren sowohl noch dem Centrum, wie auch 188 BeeBrmanldhtsı; beiderseits nach den lateralen Polen hin, an denen sie immer niedriger werdend zusammenstossen, so dass sie in dieser Anord- nung den Spelzen einer Apfelsine gleichen. Häufig findet man an dieser Stelle einen mehr oder weniger entwickelten, oft etwas caudal- oder ventralwärts gekrümmten seitlichen Fortsatz. Alle diese Markstrahlen sind in ganz ähnlicher Weise wie auch bei den Säugethieren von der auch hier in die drei typischen Schichten zerfallenden Rinde bekleidet. Diese ist an der Basis der einzelnen Gyri am schmalsten und verbreitet sich etwas nach der Peripherie zu; doch ist es hauptsächlich die innerste, die Körnerschicht, welche an dieser Zunahme Theil hat. Es beruht dieses darauf, dass die Körnerschicht jene Ausdehnung, welche die beiden äusseren Schichten durch ihre periphere Lage vor ihr voraus haben, durch die Breite compensiren muss. Aus demselben Grunde endigt auch die Markschicht an ihrem peripheren Ende gewöhnlich mit einer keulenförmigen Verbreiterung. Sowohl der am meisten caudalwärts wie der am meisten eerebralwärts gelegene, dem Hirnstamm anliegende Markfortsatz ist zum grössten Theil nur an der dorsalen Fläche von Rinde bedeckt, nur an dem pe- ripheren Ende derselben, an welchem beide häufig etwas dorsal- wärts umbiegen, geht die Rinde auch etwas auf die ventrale Seite über. Während der ersterwähnte Fortsatz sich in die den vierten Ventrikel überspanneude Epitheldecke fortsetzt, zieht die Mark- schicht der letztgenannten direkt in das Dach des Mittelhirns hinein, seine Rinde dagegen wird bald schmaler und wandelt sich wenigstens auf eine gewisse Strecke gleichfalls in eine einfache Epithellage um. Die einzelnen Fortsätze unterscheiden sich dadurch von denen der Säugethiere, dass sie verhältnissmässig viel weniger Seitenzweige haben; viele sind ganz einfach, andere wieder zeigen an dem peripheren Ende eine Gabelung, nur der am meisten _ dorsal- und proximalwärts gelegene Fortsatz pflegt stärker ver- zweigt zu sein. Die Zahl der Seitenäste eines Fortsatzes steht im engen Verhältniss zur Körpergrösse der betreffenden Vogel- species, indem sie um so spärlicher sind, je geringer diese ist, während die Grössenzunahme des Kleinhirns, da die Rinde ver- hältnissmässig stärker daran betheiligt ist als die Marksubstanz, sich besonders in einer Oberflächevermehrung äussert, welche durch das Aussprossen mehr oder weniger zahlreicher Seitenzweige von Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 789 den Hauptästen und nur selten durch das Entstehen neuer Haupt- äste bewerkstelligt wird. Es entstehen dadurch an den Haupt- gyri kleine Nebengyri, die jedoch gewöhnlich in den Furchen versteckt bleiben. Die Anordnung der Hauptäste dagegen scheint in einem gewissen Verhältnisse zur Phylogenese zu stehen und ist für manche Familien recht charakteristisch. Auf die hiermit in Ver- bindung stehenden Ergebnisse für die Systematik hoffe ich an einer anderen Stelle näher eingehen zu können. Was nun den Körper des Kleinhirns anbetrifft, so liegen hier von der breiten Schieht eines dichten Filzes markhaltiger Nervenfasern nach aussen rings umschlossen Anhäufungen grauer Substanz, die untereinander wenig differenzirt sind und nur dureh in sie eindringende Vorsprünge der Marksubstanz eine beginnende Trennung in einen inneren und einen äusseren Kern zeigen, ohne Jedoch die Sonderung der verschiedenen Gangliengruppen des Säugethierkleinhirns von einander zu erreichen. Vor dem letzteren ist der Kleinhirnkörper der Vögel ferner besonders dadurch aus- gezeichnet, dass sich eine dorsale Fortsetzung des vierten Ven- trikels in denselben hineinerstreckt (Fig. 1 u. f. a.) und die Gang- lienmassen beider Seiten in der Mittellinie zum grössten Theil von einander trennt, dann aber auch besonders bei einigen Vögeln noch weiter dorsalwärts in die Markmasse, ja selbst bis in die Wurzel des Hauptastes dringt, welcher an der dorsal- und proxi- malwärts gerichteten Spitze des Cerebellum gelegen ist. Diese Ausbuehtung des vierten Ventrikels liegt in der Richtung der grössten Längsachse des Kleinhirns, während sie den Körper in eine gleiche rechte und linke Hälfte theilt, ist der eerebral- und ventralwärts von ihr gelegene Theil des Kleinhirnkörpers be- deutend umfangreicher als der dorsal- und eaudalwärts befind- liche; auf dieser Seite wird sie nämlich nur von Marksubstanz begrenzt, während sie die centralen Ganglienmassen ganz an der ventralen Seite hat, in der Mittellinie wohl zwischen dieselben eindringt, ohne jedoch die Markschicht hier wieder zu erreichen. Auch bei den Papageien, bei welchen die centrale graue Substanz besonders auffällig weit caudalwärts in die weisse Marksubstanz eindringt, so dass hier ein sonst nieht vorhandener Vorsprung entsteht, geschieht dieses nur in den lateralen Theilen, so dass 790 F. Brandis: der Ventrikel des Cerebellum auch hier in der Mittellinie dorsal- wärts nur von der Markschicht begrenzt wird. Während dieser Hohlraum des Kleinhirns bei seinem Ueber- gange in den vierten Ventrikel nur einen schmalen Canal dar- stellt, besonders eingeengt durch die etwas proximalwärts vor- springenden unteren Gyri der dorsalen Seite, erweitert er sich zwischen den inneren Ganglienmassen bedeutend, um wieder schmaler zu werden und spitz zulaufend zu endigen, sobald er in die Markschicht eintritt. Wie die übrigen Ventrikel so ist auch dieser von einer Endothelschieht ausgekleidet, an welche die Ganglien des Kleinhirnkörpers dicht herantreten. Was die Verbindung des Cerebellum mit dem Hirnstamm anlangt, so findet man hier nicht jene gesonderten drei Stiele wie bei den Säugethieren, sondern die verschiedenen Faserzüge ver- flechten sich vielfach und bilden zusammen auf jeder Seite gleich- sam einen Pfeiler, auf dem das Kleinhirn ruht. Zwischen den einstrahlenden Fasern zeigen sich besonders in dem mehr cau- dalwärts gelegenen Theile zahlreiche vereinzelte oder mehr an- gehäufte Ganglienzellen, die sich eontinuirlich von dem Hirnstamm bis zum Körper des Kleinhirns fortsetzen. Die Faserzüge, durch welche das Cerebellum mit den übrigen Hirntheilen in Verbindung steht, zerfallen naturgemäss in Leitungs- bahnen, die proximalwärts weiter führen, und in solche, die mit den caudalwärts vom Kleinhirn gelegenen Theilen des Gehirns resp. mit dem Rückenmark in Verbindung stehen. Diese letztere Categorie kann man der Uebersichtlichkeit halber wieder in das an der äusseren Peripherie gelegene corpus restiforme und in jene Faserzüge eintheilen, welche medianwärts davon in den inneren Theil des pedunculus eerebelli einstrahlen. Diese letzteren stammen zu einem nicht unbedeutenden Theile aus dem beim Acusticusursprung beschriebenen Bogenzuge. Wie dort erwähnt wurde, verliert derselbe allmählich seine einfache Beziehung zum grosszelligen Kerne, er nimmt noch bedeutend an Stärke zu, wenn jener bereits wieder kleiner wird, er umschliesst dann vorerst den kleinzelligen Kern und geht wahrscheinlich mit ihm eine nähere Verbindung ein, um dann den processus eere- belli mit aufbauen zu helfen. Der Bogenzug wird jetzt von fol- genden Faserzügen gebildet; am weitesten dorsalwärts liegen Fasern, welche die Mittellinie direkt überschreiten und in die Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 791 Gegend des kleinzelligen Kernes der anderen Seite ausstrahlen. Dann folgen zahlreiche Fasern, die sich mehrfach innerhalb des Bogenzuges kreuzen; sie verlaufen, nachdem sie die Raphe über- schritten und sich mit denselben Zügen der anderen Seite ge- kreuzt haben, etwas ventralwärts und verlieren sich zwischen der der Raphe anliegenden Fortsetzung der Vorderstränge. Zweifel- haft ist, ob jene Fasern, welche aus dem ventralen Theile des Querschnitts der anderen Seite stammen und convergirend zum dorsalen Ende der Raphe ziehen, nach Ueberschreitung dieser dem Bogenzuge sich anschliessen. Man glaubt zwar nicht selten einzelne dieser Fasern hierher verfolgen zu können, doch geht der bei weitem grösste Theil derselben jedenfalls weiter ventral- wärts zu den Vordersträngen und deren Umgebung. Ferner be- kommt der Bogenzug noch Fasern, die weiter ventralwärts aus der Raphe entspringen, sich dann dorsalwärts wenden und die intracerebralen Fasern des nervus vestibularis kreuzen, ehe sie zum Bogenzuge gelangen. Schliesslich sieht man noch ziemlich ver- einzelte Fasern hierherstreben, welche direkt aus dem ventralen Theile des Querschnitts der gleichen Seite kommen und wahr- scheinlich von den dort sagittalwärts verlaufenden gekreuzten Seitenstrang- oder Hinterstrangfasern herstammen. Während nahe der Mittellinie der Bogenzug auf beiden Seiten vom Boden des vierten Ventrikels durch eine ziemlich breite Schieht grauer Substanz getrennt wird, die zahlreiche kleine Ganglienzellen und ein dichtes Netz feiner Nervenfasern enthält, nähert er sich nach aussen mehr der dorsalen Peripherie des Hirnstammes, ein kleinerer Theil verläuft direkt an dieser und geht in die Faseranhäufung über, welche an Stelle des grosszelligen Kernes entstanden ist, ein grösserer Theil dagegen begrenzt den kleinzelligen Kern ven- tralwärts uud zieht dann erst diesen theilweise kreuzend dorsal- wärts weiter. Wie früher näher geschildert wurde, bilden etwas weiter distal- wärts der kleinzellige Kern und der ihm dicht anliegende Ecekkern den dorsalen und lateralen Theil des Querschnittes der medulla oblongata. Weiter proximalwärts sammeln sieh aber zwischen jenen Kernen und etwas ventralwärts davon allmählich grosse multipolare Ganglienzellen zu einem nicht unbedeutenden Kerne an, welcher sich bei der jetzt beginnenden Abnahme der beiden erstgenannten Kerne sowohl in der Breite vergrössert, als auch Archiv f. mikrosk. Anat, Bd. 43 al 192 F-Brandis: besonders dorsalwärts sich ausbreitet und dadurch die erste An- lage des processus eerebelli bildet, den wir daher nucleus pro- cessus cerebelli (Fig.2c) nennen wollen, einen Namen, den Stieda bereits auf die dorsale Fortsetzung dieses Kernes angewandt hat. Die Zellen desselben liegen zwischen zahlreichen, jetzt noch sagit- tal verlaufenden Nervenfasern, die sich hier dorsal vom inter- cerebralen Vestibularis angesammelt haben und durch ihre all- mählich stattfindende Vermehrung sehr zur Vergrösserung dieser Region beitragen. In den sich auf diese Weise bildenden processus cerebelli ziehen nun von innen her die Fasern des Bogenzuges hinein, welche sich um den kleinzelligen Kern herum angesammelt hatten. Sie begrenzen zuerst den Processus in breiter Schicht dorsalwärts, nachdem dieser aber das Kleinhirn erreicht hat, strahlen sie fächerförmig in denselben ein und erreichen zum Theil, indem sie ihn in seiner ganzen Breite von innen nach aussen durchziehen, die lateralen Rindenschiehten des Oerebellum (s. Fig. 2e). Ein kleinerer Theil dieser Fasern aus der Umgebung des kleinzelligen Kernes schlägt jedoch einen andern Verlauf ein, man sieht nämlich am inneren Rande des Kleinhirnstieles einen ziem- lich schmalen Faserzug dorsalwärts weiterziehen und die gegen- überliegende Seite des Kleinhirnkörpers erreichen, nachdem er sich in der Mittellinie und zwar zum Theil dorsalwärts zum Theil proximalwärts vom Ventrikel des Cerebellum mit dem gleichen Zuge der anderen Seite gekreuzt hat (Fig. 3h). Weiter cerebralwärts erschöpft sich jedoch die Faseran- sammlung um den kleinzelligen Kern bald, und die von ihr her- rührenden Fasern verschwinden wieder bis auf einige Reste, die einen zugleich etwas proximalwärts gerichteten Verlauf hatten. Zugleich wird auch der kleinzellige Kern selbst und ebenfalls der Bogenzug allmählich immer schwächer, bis sie ganz vom Quer- schnitt verschwinden. Schon vorher sah man ventralwärts vom Bogenzuge und ihm ungefähr parallel verlaufend zahlreiche Fasern dahin- ziehen, die jetzt annähernd seine Stelle einnehmen; sie sind im Gegensatze zu ihm sehr locker angeordnet und zeigen einen un- regelmässigen, sich vielfach kreuzenden Verlauf. Sie entspringen aus dem dorsalen Theile der Raphe, manche jedoch ziemlich nahe dem ventralen Ende der dorsalen Hälfte, so dass sie erst in Bogen Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 793 dorsalwärts ziehen müssen; ferner schliessen sich ihnen zahlreiche Einzelfasern an, die aus der formatio retieularis derselben Seite stammen. Der so zusammengesetzte Faserzug zieht ventralwärts des kleinzelligen Kernes, so lange dieser noch besteht, weiter cerebralwärts aber mehr oder weniger dieht unter dem Boden des vierten Ventrikels nach aussen und strahlt am inneren Rande des processus cerebelli angelangt in ganz ähnlicher Weise wie die Fasern des Bogenzuges in denselben ein und zwar erreicht er, indem er ihn nach aussen und etwas dorsalwärts gerichtet durehzieht, den Streifen dieht aneinander gelagerter und verfloch- tener Nervenfasern, welcher den Kleinhirnstiel von der anliegen- den Rindensubstanz trennt. Diesem Streifen schliessen sich die Fasern dorsalwärts weiter ziehend an und vertheilen sich von hieraus allmählich in die benachbarten Rindenbezirke. Diese den dorsalen Theil des Querschnittes des Hirnstammes eingehende Fasercategorie lässt sich weit cerebralwärts verfolgen, sie begleitet den processus cerebelli in seiner ganzen sagittalen Ausdehnung, wenn auch in wechselnder Stärke und sendet ununter- brochen Fasern in ihn hinein, welche allerdings in dem proximalen Theile jenes zwischen den dichten Faserzügen des corpus resti- forme bald dem Auge entsehwinden. Ein kleiner Theil der Fasern bleibt jedoch lateralwärts weiterziehend ventral vom Kleinhirnstiel und lässt sich häufig bis zu den die Peripherie umsäumenden Fasern des corpus restiforme verfolgen, welchem sie sich vielleicht anschliessen (Fig. 6). Was die Herkunft dieser sämmtlichen Faserzüge anbelangt, so kann man sie, wie erwähnt, zum grössten Theil bis zur Raphe verfolgen, sie bilden innerhalb der Vorderstränge einzelne starke Bündel, die sich m der Nähe der Raphe angelangt wieder auf fasern, und deren einzelne Bestandtheile dann divergirend nach allen Seiten auseinanderfahrend die Raphe überschreiten. Auch von diesen Fasern bleibt ein Theil jedenfalls innerhalb der Vorder- stränge der gegenüberliegenden Seite, andere jedoch durchziehen diese in derselben Schnittebene und breiten sich in der benach- barten formatio reticularis aus, mit deren zahlreichen grossen Ganglienzellen sie vielleicht in Verbindung treten. Es ist hier vielleicht die richtige Stelle ein Gebilde zu er- wähnen, das in seiner Bedeutung zwar noch zweifelhaft geblieben ist, welches aber möglicher Weise zu der eben erwähnten Faser- 794 F. Brandis: categorie in Beziehung steht. Es ist dieses ein ziemlich grosser rundlicher Kern (Fig. 31), welcher ventralwärts vom austretenden Facialisstamme nahe der Peripherie liegt und aus diehtgelagerten kleinen Ganglienzellen zusammengesetzt ist, zwischen denen zahl- reiche feine Nervenfasern liegen. Von diesem Kerne aus geht in der Richtung zum dorsalen Rapheende ein deutlicher, ziemlich kräftiger Faserzug, welcher dort die Mittellinie überschreitet und sich jenen Fasern anzuschliessen scheint. Eine andere Beziehung dieses Körpers wurde nicht aufgefunden; die Fibrae arcuatae, zwischen denen er liegt, ziehen um seine Peripherie herum, ohne in ihn einzutreten. | Während die bis jetzt beschriebenen Faserzüge mehr von innen her in den Processus cerebelli einstrahlten, finden sich nach aussen davon und noch nach innen vom Corpus restiforme gelegen, zahlreiche Fasern, die einzeln oder zu stärkeren Strängen ver- einigt, direkt von ventralwärts her in den Kleinhirnschenkel ein- dringen. Von diesen stammt ein Theil von jenen bisher sagittal verlaufenden Fasern her, von denen wir bereits weit distalwärts die Querschnitte anfangs dorsal vom intracerebralen Vagusstamme, dann ventralwärts vom grosszelligen Kerne sich anhäufen sahen, weiter proximalwärts waren sie dann zwischen den intracerebralen Vestibularisfasern zu finden wie auch im Fusse des Kleinhirn- schenkels selbst. Alle diese Fasern wenden sich jetzt allmählich dorsalwärts und ziehen zerstreut in den Processus eerebelli hin- ein. Ihnen schliessen sich weiter cerebralwärts auf einzelnen Schnitten ziemlich zahlreiche und besonders kräftige Fasern an, die sich schon durch ihre intensive Färbung aus der Umgebung hervorheben, und welche aus den Faseransammlungen, die sich ventral vom intracerebralen Facialisstamme gebildet haben, hier- her umbiegen oder aber von weiter ventralwärts her aus der Formatio retieularis derselben Seite kommen. Die meisten der bisher erwähnten Zuzüge des Processus cerebelli zogen von der dorsalen Hälfte der Raphe ähnlich wie die Fibrae arcuatae verlaufend hierher; diejenigen Bogenfasern jedoch, welehe mehr von dem ventralen Theile der Raphe aus- gingen, bogen bislang in der äusseren und dorsalen Ecke des Querschnittes des Hirnstammes um und verliefen eine Zeitlang sagittalwärts. In diesem Verhalten tritt jetzt eine Aenderung ein. Die von der ventralen Hälfte der Raphe herkommenden Fasern Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 195 werden jetzt von denen aus der dersalen Hälfte durch einen grösseren Zwischenraum getrennt, in welchem unter anderen der Facialiskern liegt. Sie theilen sich ihrem Verlaufe nach in zwei Categorien, von denen die eine aus. den mehr nach innen gele- genen, die andere aus den mehr äusseren Fasern besteht. Die ersteren weichen, wenn sie auf ihrem dorsal- und etwas proximal- wärts gerichteten Verlaufe ventral von den intracerebralen Vesti- bularisfasern angelangt sind, ziemlich bedeutend nach innen ab, so dass sie die Faseransammlung um den kleinzelligen Kern er- reichen, mit denen vereint und gleich verlaufend sie dann in den Kleinhirnschenkel einstrahlen (Fig. 3). Während der klemzellige Kern weiter cerebralwärts immer schwächer wird, nehmen diese Fasern noch an Zahl zu, sie erstrecken sich proximal bedeutend weiter als der Bogenzug, nach dessen Verschwinden es häufig den Anschein gewinnt, als wenn der kleinzellige Kern, jetzt von der Raphe losgelöst, an jenen Fibrae arcuatae wie an einem Stiele befestigt wäre, indem auch seine Längsachse anstatt von aussen nach innen jetzt mehr in der Richtung jenes Zuges von ventral- nach dorsalwärts gelegen ist. Auch nach dem gänzlichen Ver- schwinden des kleinzelligen Kernes behalten diese Fasern ihren Verlauf bei, erreichen also erst den innersten und am meisten ventralwärts gelegenen Theil des Processus cerebelli und strahlen von hier aus dorsal- und lateralwärts zum äusseren Rande des- selben aus. Die zweite Categorie, die mehr aussen verlaufenden Fasern, ziehen grade dorsalwärts ohne bedeutende Abweichung nach innen, dagegen wenden sie sich häufig nach Kreuzung der intracere- bralen Vestibularisfasern stark cerebralwärts und erschemen dann auf dem Querschnitte eine Strecke weit nur als ein Complex kurzer Abschnitte, ehe sie in den Kleinhirnschenkel eintreten. Innerhalb des letzteren verlaufen alle. jene Nervenfasern, welche ihm direkt von ventralwärts her zuziehn, einzeln oder zu Strängen von geringem Umfange vereinigt, anfangs ziemlich grad- linig dorsalwärts und zugleich gewöhnlich stark proximalwärts, sie ziehen zwischen den zahlreichen zerstreut liegenden Ganglien- zellen des Nucleus processus cerebelli hindurch, es erscheint je- doch auch möglich, dass sie mit diesem in Verbinduug treten. Darauf beschreiben sie im Grossen und Ganzen eimen leichten, mit der Convexität nach innen gerichteten Bogen, welcher sich 796 F, Brandis: dem inneren Rande des Processus cerebelli stark nähert, wenden sich dann wieder nach aussen und erreichen die äussere Faser- schicht des Klemhirnkörpers an jener Stelle, wo diese in einem breiten Fortsatze in die centrale graue Substanz von dorsalwärts und aussen her eindringt und dadurch eine wenn auch unvoll- kommene Trennung zwischen einem inneren und äusseren Theile desselben hervorruft (Fig. 4). Diese Scheidung wird wenigstens auf eine gewisse Strecke durch jene Faserzüge vervollständigt, welche von dem inneren Rande des Processus cerebelli herkom- mend die noch medianwärts bestehende Brücke zwischen den beiden Theilen der Ganglienmasse kreuzen, so dass man dann von einem inneren und äusseren Kern des Kleinhirnkörpers sprechen kann. Innerhalb der dicht verflochtenen Markfasern jenes Fort- satzes verschwinden die eintretenden Fasern einer weiteren Ver- folgung schnell. Es erübrigt noch die Herkunft jener in den Processus cere- belli eintretenden Nervenfasern zu besprechen, welche in der Form der Fibrae arcuatae von dem ventralen Theile der Raphe ausgehn. In der Nähe der letzteren angelangt, zerfallen die Faserbündel in ihre einzelnen Bestandtheile die ihrerseits medianwärts aus- einanderstrahlen und durch ihre zahlreichen Kreuzungen mit den Fasern der gegenüberliegenden Seite in der Mittellinie die Raphe bilden, welche‘ hier in ihrem ventralen Theile sehr schwach ist und keine auf eine längere Strecke gerade dorsalwärts verlaufende Fasern enthält. Nachdem die Einzelfasern der Fibrae arcuatae die Mittellinie übersehritten haben, verschwinden sie sehr schnell zwischen den zahlreichen grossen Ganglienzellen, welche hier der Raphe beiderseits in ziemlich breiter Schicht anliegen, so dass man als wahrscheinlich ansehen muss, dass sie aus diesen Zellen ihren Ursprung nehmen und die Axencylinderfortsätze derselben darstellen. Für diese Annahme sprechen auch einige Degenera- tionsversuche, welche weiter unten näher beschrieben werden sollen. Wir haben also gesehen, wie die dem Kleinhirn zuziehen- den Fasern des inneren Theiles des Processus cerebelli, welche auch zugleich mehr den distalen Theil desselben einnehmen, ab- gesehen von den auf derselben Seite entspringenden Fasern, fast von der ganzen Länge der Raphe ausgehen und dann conver- girend im Fusse des Kleinhirnschenkels zusammentreffen. In —1 de) —1 Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. dem letzteren findet dann eine Kreuzung statt, indem die ur- sprünglich am meisten dorsal gelegenen Fasern den ventralen Theil der äusseren Faserschicht des Processus cerebelli erreichen, während die von den mehr ventral gelegenen Theilen der Raphe ausgehenden im Kleinhirnschenkel weiter dorsalwärts ziehen, wo- bei sie die erstgenannten Fasern kreuzen und dann jene Faser- schieht dorsalwärts von ihnen erreichen. Beide jedoch wenden sich mit ihrem bei weitem grössten Theil den Fasern der late- ralen Gegend des Kleinhirns zu, während die Fasern des Corpus restiforme, wie wir sehen werden, mehr die dorsalen Theile des Cerebellum versorgt. Einen wesentlichen Bestandtheil des Corpus restiforme bil- den die Fasern der Kleinhirnseitenstrangbahn; diese behalten, wie bereits erwähnt wurde, ihren sagittalen Verlauf weit cerebral- wärts bei und zeigen sich auf dem Querschnitte als ein dichter Complex von ziemlich starken Faserquerschnitten, welcher ven- tralwärts vom Vagusaustritte längs der Peripherie nach aussen von der aufsteigenden Trigeminuswurzel liegt. Ihm schliessen sich ventralwärts zahlreiche Nervenfasern an, die als ein schmaler Streifen den ganzen ventralen Theil des Querschnittes einfassen. Sie stammen theils aus der Formatio retieularis derselben Seite und zwar hauptsächlich von Fasern, welche unmittelbar an der inneren Grenze der Randfasern diehte Anhäufungen bilden und im Ganzen einen sagittalen Verlauf haben, theils kommen sie, die Mittellinie nahe der ventralen Peripherie überschreitend, von dem ventralen Theile der eben erwähnten Faseransammlungen der gegenüberliegenden Seite. Wenn alle diese Fasern in ihrem dor- salen Verlaufe in der Nähe der Kleinhirnseitenstrangbahn ange- langt sind, nehmen sie eine sagittale Richtung an und bilden dann mit jener einen ziemlich einheitlichen Complex sagittalwärts verlaufender Fasern. Dorsal von der Kleinhirnseitenstrangbahn sammeln sich die Faserzüge, welche aus jenen Fibrae arcuatae stammen, die in mehr oder weniger starken Bogen je nach der Höhe der Raphe, von der sie ausgehen, dorsalwärts ziehen, den intracerebralen Vagusstamm überschreiten und dann scharf nach Aussen zur Peripherie abbiegen. In der Nähe derselben angekommen, schla- gen auch diese Fasern eine sagittale Richtung ein und erscheinen so auf dem Quersehnitte als Ansammlung von Faserquerschnitten, 198 F. Brandis: die dorsalwärts und, nach innen von der Kleinhirnseitenstrang- bahn gelegen, sich von dieser durch das geringere Faserealiber unterscheiden, und die von den verschiedenen Strängen des aus- tretenden Vagus durchzogen werden. Zu dieser Fasergruppe ge- hören auch ziemlich starke Züge, die ungefähr den Vagusfasern parallel verlaufend aus dem dorsalen Theil der Raphe nach aussen ziehen und, in der Nähe der Peripherie angelangt, dorsal- wärts in die dort liegenden Faseransammlungen abbiegen und somit ebenfalls zum Corpus restiforme gehören. Schliesslich sind hierher auch die früher erwähnten Fasern zu zählen, welche aus dem Hinterstrange derselben Seite längs der Peripherie in die Umgebung der Kleinhirnseitenstrangbahn gelangen und hier, sich dieser anschliessend, sagittalwärts weiterziehen. Auch aus dem der Raphe anliegenden ventralen Theil der Vorderstränge nehmen zahlreiche Fasern ihren Verlauf zum Cor- pus restiforme. Man sieht auf dem Querschnitte von dort aus ventralwärts zahlreiche kräftige Eimzelfasern verlaufen, welche an Stärke den Fasern der Vorderstränge entsprechen. Sie ziehen längs der Raphe, doch ventralwärts sich mehr und mehr von dieser entfernend der ventralen Peripherie zu und biegen, wenn sie diese erreicht haben, nach aussen um und schliessen sich den äussersten Fasern derselben auf ihrem dorsalen Verlaufe zum Kleinhirnschenkel an und bleiben somit auf derselben Seite. Durch den Abgang dieser Fasern werden die Vorderstränge bedeutend verkleinert und ziehen sich so scheinbar dorsalwärts zurück, in- dem sie ihre vertralen Theile verlieren. In dem weiteren Verlaufe des Corpus restiforme ändern zuerst die am meisten ventralwärts gelegenen Fasern desselben ihre Riehtung, indem sie jetzt allmählich dorsalwärts umbiegen und in dieser Richtung längs der Peripherie weiterziehen. Diese Verlaufsänderung setzt sich nach und nach bei den benachbarten Fasern dorsalwärts fort, bis auch die der Kleinhirnseitenstrang- bahn und des Fasereomplexes dorsalwärts derselben ihr folgen und nun dorsalwärts auf den Kleinhimschenkel zuziehen. Indem diese Fasern ganz allmählich und zugleich stark proximalwärts ziehend, dorsalwärts fortschreiten, werden sie von den Vestibularisfasern in paralleler Anordnung durchbrochen, so dass sie auf dem Querschnitte das Ansehen von Reihen zwischen denselben liegender kurzer Faserabschnitte erwecken. Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 199 Dringen die Faserzüge des Corpus restiforme noch weiter dorsalwärts vor, so stossen sie auf den früher erwähnten Eck- kern, welcher in Beziehung zur Acusticusgruppe steht. Sie buchten denselben von ventralwärts her stark ein und drängen ihn schliess- lich ganz nach Innen (Fig. II u. III d), wo er gewöhnlich etwas weiter cerebralwärts sein proximales Ende erreicht. Die Fasern des Corpus restiforme dringen nun ganz allmählich und zugleich noch stark cerebralwärts verlaufend in den Kleinhirnschenkel ein und ziehen vorerst gewöhnlich als ziemlich kräftige, einander parallel verlaufende Züge längs der äusseren Peripherie des Processus cerebelli, jedoch nach Aussen schon von Rinde be- kleidet. Diese empfängt jedoch nur ganz vereinzelte Fasern aus dem Corpus restiforme, bezieht vielmehr, wie schon erwähnt, ihre markhaltigen Fasern von jenen Zügen, welche von Innen her in den Kleinhirnschenkel einstrahlen und desshalb erst jene Faser- züge des Corpus restiforme kreuzen müssen. Erst von dort an, wo die Fasern des letzteren die dorsale Peripherie des Kleinhirnkörpers erreicht haben, biegen zahlreiche Einzelfasern, während die Gesammtmasse zuerst noch an jener entlang zieht, in die anliegende Rindensubstanz um, sei es direet, sei es, indem sie erst in die Markschichten der Gyri eintreten. Während im Kleimhirnschenkel das Corpus restiforme besonders den cerebralwärts gerichteten Theil einnimmt im Gegensatz zu den von Innen her in jenen einstrahlenden Fasern, welche be- sonders im caudalen Theile überwiegen, wenden seine Fasern, sobald sie die Marksehicht des Kleinhirnkörpers erreichen, sich auch caudalwärts um und verbreiten sich, indem sie die Klein- hirnkerne umziehen, über die gesammte weisse Substanz des Kleinhirnkörpers. Während in den weiter eaudalwärts gelegenen Theilen des Processus cerebelli die Fasern des Corpus restiforme nur am äusseren Rande einen breiten Streifen bilden und sich erst dor- salwärts der Kerne des Kleinhirnkörpers nach Innen wenden, um in die Markschicht desselben überzugehen, ziehen sie weiter proximalwärts bereits im ventralen Theile des Kleinhirnschenkels nach innen und zugleich schräg dorsal- und proximalwärts, und dringen um so mehr nach innen vor, je mehr sich die centralen grauen Massen cerebralwärts verringern, was scheinbar dadurch geschieht, dass sie durch die Fasern des Corpus restiforme, 800 RESBoyanidanse® welche jetzt von allen Seiten, auch von ventralwärts, an sie her- antreten, verdrängt werden. Ueberall verlieren sich jene Nerven- fasern sehr bald in ihrem weiteren Verlaufe in dem dichten Faser- filz der Markmassen, der ausser von ihnen selbst und den an- deren mehr von Innen her einstrahlenden, aus der Medulla stammenden Fasern des Kleinhirns wahrscheinlich auch von jenen Fasern mit gebildet wird, welche in der Rinde entspringend cere- bralwärts und zwar vermuthlich zuerst bis zu den Kernen des Kleinhirnkörpers ziehen. Längere Faserzüge des Corpus resti- forme sind nur noch längs des dorsalen Randes der Marksubstanz des Kleinhirnkörpers zu verfolgen, verschwinden jedoch in dieser gewöhnlich bereits, ehe sie die Mittellinie erreichen; ferner ver- läuft in der Nähe von dessen ventralem Rande aus dem Corpus restiforme von beiden Seiten her em Zug kräftiger Markfasern nach der Mittellinie, wendet sich dann ganz in der Nähe der- selben angekommen ziemlich scharf dorsalwärts und kreuzt sich mit dem der anderen Seite auf einer ziemlich langen Strecke der Mittellinie selbst, auf diese Weise eine Art Raphe bildend, und gelangt so zur dorsalen Peripherie der gegenüberliegenden Hälfte der Markschicht. Es entsteht so auch eine proximalwärts gelegene Kreuzung der Rückenmarksfasern des Cerebellum, welche aber ventralwärts vom proximalen Ende des Kleinhirnventrikels liegt, während die oben erwähnte distale Kreuzung dorsal vom Ventrikel und zum Theil caudalwärts desselben stattfindet. Während jener diehte Faserfilz des Kleinhirnmarkes abge- sehen von der Trennung durch den Ventrikel eine Scheidung in der Mittellinie nieht zeigt, beschränken sich doch die von distal- wärts her in das Kleinhirn eintretenden Fasern zum allergrössten Theil auf die Hälfte derselben Seite. Abgesehen von jenen beiden eben erwähnten Faserkreuzungen treten nur spärliche, transversal verlaufende Einzelfasern zur anderen Seite hinüber und zwar haupt- sächlieh dorsal vom Ventrikel und dann auch in den centralen Theilen der Markstrahlen verlaufend; dagegen scheinen in einer sehr auffälligen und umfangreichen Faserkreuzung in der Mittel- linie, ventral vom dorsalen Theile des Ventrikels und distal der oben beschriebenen proximalen Kreuzung gelegen, Fasern der bis jetzt behandelten Categorie die gegenüberliegende Seite nicht zu erreichen. Es besteht jene vielmehr wahrscheinlich aus solehen Fasern, welche aus den Kernen der anderen Seite entspringend Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 801 an der inneren Peripherie des Kleinhirnschenkels ventralwärts und dann im Hirnstamme cerebralwärts weiterziehen. Betrachten wir nun erst die von dem beschriebenen Markmantel eingehüllte graue Substanz des Kleinhimkörpers. Diese ist fast in ihrer ganzen proximo-distalen Ausdehnung in der Mittellinie durch den Klein- hirnventrikel in eine rechte und linke Hälfte getheilt; nur in dem am meisten cerebralwärts gelegenen Abschnitte wird die Trennungs- linie häufig statt des Ventrikels durch eine Schicht von Nerven- fasern gebildet. Auf jeder Steite stellt die graue Substanz ur- sprünglich ein zusammenhängendes Ganze dar, jene oben erwähnte, nur auf einer ziemlich kurzen Strecke vollständige Trennung in einen äusseren und inneren Kern ist nur eine äusserliche und nicht durch eine Verschiedenheit in dem Bau derselben bedingt, was sich auch dadurch ausprägt, dass bei den wechselnden Grössen- verhältnissen der beiden Theile zu einander doch die Summe derselben stets ungefähr gleich bleibt; denn während weiter cau- dalwärts der äussere Kern den inneren gewöhnlich an Umfang übertrifft, überwiegt weiter cerebralwärts der innere bedeutend an Grösse. Beide Kerne haben eine rundliche Gestalt; dereäusssre ist nicht scharf gegen den Hirnschenkel und den Kern desselben abgegrenzt, indem vereinzelte von dessen Zellen bis zu ihm herantreten. Er wird von allen Seiten von weisser Marksubstanz begrenzt, nur ziemlich weit distalwärts erreicht er auf eine kurze Strecke die Peripherie des vierten Ventrikels. Der innere Kern dagegen stösst mit seinem inneren Rande, der zuweilen noch durch einige Nervenfasern begrenzt wird, an den Kleinhirnventrikel. Distalwärts, wo der letztere eine bedeutende Breite hat, ist der innere Kern nur unbedeutend, während dieser sich weiter pro- ximalwärts immer mehr nach innen vorwölbt, so dass der Ven- trikel immer schmaler wird und schliesslich nur einen Spalt in der Mittellinie bildet (Fig. 6). Dieser wird dann weiter proximal- wärts, während gleichzeitig auch die inneren Kerne bereits wieder sehr abnehmen, von ventralwärts der allmählich durch die hier stark anwachsende Marksubstanz bis zum völligen Verschwinden eingeengt (Fig. 8). Was die Zusammensetzung der beiden Kerne des Kleinhirn- körpers anlangt, so bilden den Hauptbestandtheil derselben ver- hältnissmässig grosse Ganglienzellen, welehe bei Carminfärbung auch hier jene zwei bereits früher erwähnten Formen zeigen, elche Flesch chromophile und chromophobe Zellen nennt, die 802 F. Brandis aber auch hier mannigfaltige Uebergänge unter einander zeigen. An Menge überwiegen gewöhnlich die letzteren bedeutend, sie erscheinen bläschenförmig und zart gefärbt mit deutlichem rund- lichen Zellkern; die ersteren, in bedeutend geringerer Zahl vor- handen, haben keine bestimmte Anordnung innerhalb der Zellnester, sie liegen zerstreut durch die ganze graue Substanz verbreitet und zeigen auch bei verschiedenen Exemplaren derselben Species nieht die geringste Constanz in ihrer Anordnung. Man wird da- her auch hier wieder, da an eine verschiedenartige Wirkung der Härtungsflüssigkeit und der Färbemittel an sich bei der nahen Nachbarschaft der einzelnen Zellen nicht gedacht werden kann, zu der Vermuthung gedrängt, dass diese verschiedene Färbbarkeit nur durch ein verschiedenes Stadium im Leben oder in der Thä- tigkeit der Zellen bedingt wird. Nach der Golgi’schen Methode behandelt zeigen diese Zellen nicht besonders zahlreiche aber kräftige Protoplasmafortsätze, welche verhältnissmässig wenig ver- zweigt sind und sich über den ganzen Durchmesser des Kernes erstrecken können; der Axenceylinder ist gewöhnlich nach der innerem Peripherie des Zellnestes gerichtet, konnte jedoch bisher nie auf eine längere Strecke verfolgt werden. Zwischen diesen grossen Zellen liegen zerstreut und spärlich kleine rundliche oder spindelförmige Formen, welche wahrscheinlich dem Stützgewebe angehören;. man bemerkt wenigstens in Präparaten nach Golgi an dieser Stelle häufig Gliazellen von der gleichen Grösse, welche sich durch gedrungene kurze, stark verästelte Fortsätze aus- zeichnen. Ebensolche Zellen findet man auch zerstreut zwischen den Fasern der weissen Substanz. Die erwähnten grösseren Zellen drängen sich nach dem Cen- traum der Kerne dicht zusammen, oder sie bilden mehrere Zell- nester von verschiedener Grösse, von denen ein besonders con- stantes und bedeutendes an der medialen und ventralen Peripherie des inneren Kernes liegt und häufig stark in den Ventrikel vor- springt. Nach der Peripherie der Kerne zu werden die Zellen sehr spärlich, sie wird gebildet von einem breiten Saume von dunkler, stark granulirter Grundsubstanz, durch welehe aus der Schicht der weissen Substanz von allen Seiten her sehr zahlreiche feine Nervenfasern hindurchtreten und über den ganzen Kern hin- weg ein dichtes unentwirrbares Geflecht bilden. Im Gegensatz zu diesem feinen Fasergewirr stehen zahlreiche Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 803 stärkere einzelne Fasern, welche jene Kerne, aus deren stärkster Zellenansammlung sie gewöhnlich auftauchen, hauptsächlich an der ventralen Peripherie verlassen, und zwar wenden sich die aus dem äusseren Kerne dabei gewöhnlich etwas nach innen und ziehen am inneren Rande des Kleinhirnschenkels ventralwärts. Während ein Theil der Fasern aus dem inneren Kerne sich diesen anschliesst, geht ein anderer Theil, die Mittellinie kreuzend, zur gegenüberliegenden Seite hinüber und zieht dort ventralwärts weiter (Fig. 5). Eine allerdings bedeutend geringere Zahl von stärkeren Fasern verlässt den inneren Kern aber auch an seiner dorsalen und medialen Peripherie und geht, in etwas dorsalwärts gerichtetem Bogen das proximale Ende des Kleinhirnventrikels umgehend, zur gegenüberliegenden Seite. Wie wir sehen werden, stellen alle diese Fasern solche vor, welche aus dem Kleinhirn zu höher gelegenen Centren ziehen. Der bereits wiederholt erwähnte Kern des Processus cere- belli ähnelt in seiner Zusammensetzung denen des Kleinhirnkörpers sehr, von welchen er kaum gänzlich getrennt werden kann; nur liegen seine Zellen mehr zerstreut und durch die im Kleinhirn- schenkel zum Cerebellum aufsteigenden Fasern von einander ge- trennt, jedoch bilden sie besonders im äusseren Theile des Pro- cessus cerebelli häufig kleine rundliche, geschlossene Zellnester, welche dann einen Uebergang zu den Kernen des Kleinhirnkörpers darstellen. Es scheinen diese auch Fasern zu der cerebralwärts ziehenden Fasercategorie abzugeben, während die ventralwärts liegenden einzelnen Zellen mehr eine Zwischenstation gewisser zum Kleinhirn ziehender Nervenfasern vorzustellen scheinen. Der Nucleus des Processus cerebelli ist hauptsächlich auf den caudalwärts gelegenen Theil desselben beschränkt, wenn er sein proximales Ende erreicht hat, beginnt der äussere Kern des Kleinhirnkörpers kleiner zu werden, während der innere Kern aın weitesten proximalwärts zu verfolgen ist. Dieses Verhältniss ist jedoch zu einem grossen Theile ein rein äusserliches und beruht darauf, dass die Hauptachse des Cerebellum nieht senkrecht auf dem Hirmstamme steht, sondern bedeutend cerebralwärts geneigt ist, so dass die im Kleinhirn mehr dorsalwärts gelegenen Bestand- theile erst auf weiter cerebralwärts gelegenen Schnitten siehtbar werden. Schon verhältnissmässig weit distalwärts bemerkt man im 804 F. Brandis: inneren Theile des Processus cerebelli Nervenfasern, welche aus den Zellnestern des dorsalen Theiles vom Kerne des Kleinhirn- schenkels und aus dem jetzt deutlich werdenden äusseren Kerne des Kleinhirnkörpers entspringen und im leichten Bogen und mit einander eonvergirend zum inneren Rande des Processus cerebelli ziehen. An diesem verlaufen sie ventralwärts, bis sie in die Nähe der Grundfläche des vierten Ventrikels gelangen, sie geben dabei allmählich ihre ventrale Verlaufsrichtung auf und ziehen ceerebral- wärts weiter, so dass hier am ventralsten Theile des inneren Randes des Kleinhirnschenkels ein starker sagittalwärts verlau- fender Faserzug entsteht, der auf dem Querschnitte als ein Com- plex kräftiger kurzer Faserabschnitte erscheint (Fig. 6k). Diese Fasern nehmen weiter proximalwärts immer mehr an Menge zu, je mehr sich die Kerne des Kleinhirnkörpers entwicken. Man sieht die Fasern in ziemlich diehtem Bündel von ventralwärts her in die Kerne eindringen und in der Nähe der Üentren derselben angelangt, sich nach allen Seiten vertheilen. Auch aus dem inneren Kerne ziehen jetzt Fasern hierher und zwar geht anfangs ein besonders auffälliger Zug von dem erwähnten inneren Zellneste aus, welcher jedoch weiter proximalwärts bald wieder verschwindet. Alle diese Fasern verlaufen längs des ventralen Randes des Klein- hirnkörpers und dann an der inneren Peripherie des Processus cerebelli ventralwärts, so dass der vierte Ventrikel jetzt abgesehen von der Grundfläche rings von dieser ziemlich breiten Schicht von Nervenfasern eingeschlossen wird bis auf jene kleine Strecke, wo der jetzt nur noch sehr schmale Ventrikel des Kleinhirns in ihn einmündet. Aber auch diese Stelle wird etwas weiter pro- ximalwärts bald verlegt; denn ein bedeutender Theil der Fasern aus dem inneren Kerne des Kleinhirnkörpers wendet sich jetzt, nachdem er erst ventralwärts ziehend in die Nähe der ventralen Peripherie des Körpers des Cerebellum gelangt ist, längs dieser nach innen, überschreitet, sich mit den gleichen Fasern der an- deren Seite kreuzend, die Mittellinie und schliesst sich ganz den jenseitigen cerebralwärts ziehenden Fasern an. Diese Faserzüge nehmen weiter proximalwärts an Zahl immer mehr zu, und es entsteht dadurch in der Mittellinie eine sehr breite Faserkreuzung ventral von dem proximalen Endstück des Kleinhimventrikels (Fig. 7 und 8). Sie wird in dorso-ventraler Richtung von sehr zahlreichen, unregelmässig verlaufenden feinen Fasern durchzogen, Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 805 welche aus der Rinde der ventralen und proximalen Windungen stammen, deren Zusammenhang mit dem Kleinhirnkörper jetzt auf dem Querschnitte siehtbar wird. Diese Fasern treten dem grössten Theile nach in das diehte Fasernetz des inneren Kernes ein, nachdem sie zum Theil erst längst der Ventrikelspalte in der Mittellinie etwas dorsalwärts gezogen sind. Jene cerebralwärts verlaufenden Faserzüge, welche aus dem inneren Kerne der anderen Seite stammen, übertreffen die auf derselben Seite entspringenden Fasern weiter proximalwärts immer mehr an Menge und bilden den Haupttheil der Faserzüge am inneren Rande des Kleinhirnschenkels. Der Verlauf derselben wird jetzt jedoch dadurch dem Auge theilweise entzogen, dass in dieser Höhe die Fasern des Corpus restiforme dicht geschlossen und schräg nach innen und dorsalwärts ziehend in den Klein- hirnschenkel einstrahlen, wobei sie jene Fasern kreuzen und theil- weise verdecken. Ein Theil von ihnen verlässt auch den Pro- cessus cerebelli am inneren Rande wieder und tritt von lateral- wärts her in die ventral und proximal gelegenen Windungen des Kleinhirns ein. Weiter lateralwärts, ungefähr etwas nach aussen von der Mitte des Kleinhirnschenkels verlaufen in dorso-ventraler Richtung und dabei die oben erwähnten Fasern des Corpus restiforme schneidend, kräftige Faserzüge, die man gewöhnlich bis nach aussen vom äusseren Kerne des Kleinhirnkörpers verfolgen kann, oder aber, falls dieser schon sein proximales Ende erreicht hat, die Stelle desselben einnehmen sieht (Fig. 7). Nur bei einer ganz bestimmtes schrägen Schnittriehtung gelingt es diese Fasern weiter zu verfolgen, da sie sich in ihrem dorsalen Theile ziemlich stark distalwärts wenden. Man bemerkt dann, dass sie den in- neren Kern dorsalwärts umziehen und dorsalwärts vom Endtheil des Kleinhirnventrikels zur anderen Seite gelangen, auf welcher sie sich ventralwärts wenden und entweder von dorsal- und median- wärts in den inneren Kern jener Seite eintreten oder weiter nach aussen in der diehten weissen Substanz verschwinden. Auch diese Züge, welche durch ihre Faserstärke ausgezeichnet sind, gehören zu jenen, die aus dem Üerebellum zu höher gelegenen Centren proximalwärts weiterziehen, wie sich leicht aus ihrem weiteren Verlaufe ergiebt. Da der Processus cerebelli sich jetzt schnell verschmälert 806 an F! Brandis: und bald sein proximales Ende erreicht hat, sind die oben be- sehriebenen, bisher am inneren Rande desselben eerebralwärts verlaufenden Fasern etwas weiter ventralwärts gezogen und liegen jetzt im dorsalen Theile des Hirnstammes. Ein oft ziemlich starker Theil derselben wendet sich bereits in dieser Höhe nach innen (Fig. 7 und SD), zerfällt dann gewöhnlich schnell in einzelne Fasern und gelangt, indem er mit diesen einen flachen Bogen um die graue Substanz am Boden des vierten Ventrikels beschreibt und zugleich ziemlich stark proximalwärts zieht, zur Raphe. Die Fasern kreuzen diese ventralwärts von den jetzt sehr umfangreichen hinteren Längsbündeln und ziehen auf der anderen Seite weiter, um hier jedoch bald wieder eine sagittale Riehtung einzuschlagen. Der bei weitem grössere Theil jener Fasercategorie zieht aber eine kurze Strecke weiter ventralwärts und vereinigt sich hier mit den weiter nach aussen gelegenen, im Kleinhirnschenkel hin- abziehenden Faserzügen zu einem starken Complexe, dessen Fasern anfangs in sagittaler und etwas ventraler Richtung dorsal vom sensiblen Kerne des Trigeminus im Hirnstamme cerebralwärts ziehen, und welchen man als das Brachium conjunetivum des Kleinhirns auffassen muss (Fig. Sm). Von diesem zieht wieder ein kleiner Theil am inneren Rande des sensiblen Quintuskernes ventralwärts, dessen Fasern sich einzeln nach und nach der Mittel- linie zuwenden und die Raphe kreuzend auf der anderen Seite cerebralwärts umbiegen. Die Hauptmasse jedoch zerfällt, nachdem der sie ventral begrenzende Trigeminuskern verschwunden ist, in eine grössere Anzahl einander sehr nahe liegender, dicht ge- schlossener Bündel rein sagittalwärts ziehender Fasern, welche anfangs noch von den zum velum anterius aufsteigenden Fasern durchzogen werden. Sie liegen zuerst nahe der dorsalen und äusseren Peripherie des Hirnstammes, weiter proximalwärts rücken sie jedoch immer etwas weiter ventralwärts und wenden sich schliesslich bereits im Bereiche der Lobi optiei gleichfalls der Mittellinie zu und verlaufen auf der entgegengesetzten Seite cere- bralwärts weiter in eben derselben Weise wie die bereits früher von ihnen sich trennenden Fasern. Wir haben bis jetzt gesehen, wie die Fasern, welche zum grössten Theil aus dem Rückenmark stammten, in das Kleinhirm eintraten und entweder direct oder nach längerem Verlaufe in der dichten weissen Substanz des Kleinhirnkörpers zur Rinde Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 307 gelangten; und ferner wurde erwähnt, wie aus der zu Kernen angeordneten centralen grauen Substanz des Cerebellum Fasern ausgingen, welche cerebralwärts weiter zogen. Diese Kerne stehen wieder durch ein dichtes feines Fasernetz mit der sie um- gebenden weissen Substanz in Verbindung. Es fehlt uns jedoch noch die Kenntniss des sehr eomplieirten Zusammenhanges dieser beiden Systeme, der durch die sehr verschiedenartigen Zellformen der Rinde dargestellt wird. Man sieht, wie aus der weissen Substanz zahlreiche markhaltige Fasern in die Körmerschicht ein- treten und sich hier vielfach kreuzen, da einige fast geradlinig zur äusseren Peripherie derselben verlaufen, während andere in schräger Richtung ihr Ziel erreichen oder der Markschicht fast parallel ziehen. Die letztere Verlaufsart trifft man besonders in den Windungsthälern, und es scheinen durch diese Fasern die benachbarten Gyri in Verbindung gesetzt zu werden. Fast alle diese Fasern endigen jedoch in der Nähe der Schicht der Pur- kinje’schen Zellen, ohne dass ein Zusammenhang mit diesen deutlich würde, wenn auch ein theilweiser aus anderen Methoden geschlossen werden kann, nicht wenige der Fasern scheinen aber auch in der Körnerschicht selbst zu endigen. Diese besteht, wie man schon bei Carminfärbung sehen kann, hauptsächlich aus zwei Arten von Nervenzellen, die denselben Bestandtheilen bei den Säugethieren entsprechen. Es sind dieses die kleinen Kör- nerzellen, welche die Hauptmasse bilden, und die, nach der Golgi’schen Methode behandelt, auch bei den Vögeln verhält- nissmässig wenig Protoplasmafortsätze haben, welche ihrerseits auch nur spärlich verzweigt sind. Der Achseneylinderfortsatz tritt auch hier in die Moleeularschicht und theilt sich dort in zwei Aeste. Verhältnissmässig zahlreich liegen zwischen diesen kleinen Körnerzellen grössere nach Carminfärbung multipolar erscheinende Zellen, welche nach Silberimprägnirung zahlreichere Ausläufer zeigen, die sich durch die ganze Breite der Körnersehicht er- streeken können, ihr Achseneylinderfortsatz verästelt sich inner- halb derselben Schicht. Auch jene Zellen konnten bei den Vö- geln beobachtet werden, deren Körper der Purkinje schen Zellenschicht sehr nahe liegt, deren Nervenfortsatz in die Kör- nersehieht dringt und sich hier ausserordentlich fein verzweigt, während die bedeutend weniger verästelten Protoplasmafortsätze Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 52 808 REN Byrsarntdals® in die Moleeularschicht ziehen und fast deren äussere Peripherie erreichen. Die Purkinje schen Ganglienzellen sind denen der Säuger ausserordentlich ähnlich und in gleicher Weise angeordnet, nur erschien es bei Vögeln häufig, dass die stark verästelten Seiten- zweige erst von einem längeren Spitzenfortsatze des Zellkörpers ausgingen. Innerhalb der schmalen Zellschicht findet man bei den Vögeln sehr zahlreiche kleine Zellen, von denen jede meh- rere fast einfache zarte Fortsätze in oft fast geradlinigem Ver- laufe nach aussen bis zur äusseren Peripherie der Moleeularschicht sendet. Ein Achseneylinderfortsatz wurde an jenen Zellen nicht beobachtet, und es dürfte wahrscheinlich sen, dass sie den Stütz- geweben angehören; die Fortsätze derselben haben eine grosse Aehnliehkeit mit den sogenannten Radiärfasern, welche von der Basalmembran in die Kleinhirnrinde treten, doch ist ein Zell- körper derselben in der Purkinje’schen Sehicht sehr häufig deutlich zu erkennen. In der Moleeularschieht sieht man längs der inneren Peri- pherie eine Zone feiner markhaltiger Fasern verlaufen, und zwar dieser zunächst solche Fasern, welche senkrecht zur Querachse des Kleinhirns verlaufen, also auf dem Sagittalschnitte der Länge nach getroffen werden, während nach aussen davon Fasern in senkrechter Richtung dazu, d. h. parallel der Querachse ziehen. Die Zellen der Molecularschicht sind wieder denen der Säuge- thiere sehr ähnlich, auch bei den Vögeln findet man zahlreiche Zellen, von deren sehr langem Nervenfortsatz Seitenzweige ab- gehen, welche die bekannten „Faserkörbe“ und die Purkinje’schen Ganglienzellen bilden. Ferner sieht man gewöhnlich ziemlich weit nach aussen liegende kleine Ganglienzellen mit verhältniss- mässig kurzen, wenig verzweigten Fortsätzen. Zwischen all’ diesen Zellen bemerkt man nicht selten Endverästelungen von solchen Fasern, welehe aus der Körnerschicht hierherziehen. Die Resultate, welche wir durch die Markscheidenfärbung erhalten haben, sind auch durch die Degenerationsmethode ge- prüft worden. Zu diesem Zwecke wurde mehreren Tauben der Kleinhirnschenkel einer Seite ganz oder theilweise durchschnitten, das Thier nach vier Wochen getödtet, und das Gehirn in der bekannten, von Marchi und Alghieri angegebenen Weise be- handelt. Es zeigte sich dann auf der linken operirten Seite, Untersuchungen über das Gehirn der Vöeel. 309 oO >} auf welcher auch der kleinzellige Kern stets von der Verletzung direet betroffen oder durch die Folgen derselben erweicht war, der Bogenzug sehr stark degenerirt, aber auch auf der rechten Seite war er, wenn auch im schwächeren Maasse, verändert, und auch der kleinzellige Kern jener Seite zeigte zwischen den Zellen und in der Umgebung zahlreiche schwarze Körmer, ohne dass von ihm ausgehende Fasern degenerirt gefunden wären. Auch die ventral vom Bogenzuge ihm parallel verlaufenden Fasern waren auf der linken Seite stark entartet bis zur Raphe zu ver- folgen, jenseits welcher fast nur das hintere Längsbündel durch seine Degeneration einer Fortsetzung derselben zu entsprechen schien. Innerhalb der Formatio retieularis der operirten Seite zeigte ein Segment, welches von dem mittleren Drittel der late- ralen Peripherie nach der Gegend des dorsalen Rapheendes zu sich ausbreitet, ohne dieses jedoch zu erreichen, an der Stelle vieler Faserquerschnitte ebenfalls die Degenerationsproduete der- selben. Es dürften diese den Querschnitten solcher Fasern ent- sprechen, welche weiter proximalwärts eine dorsale Richtung einschlagend in den Processus cerebrelli eintreten; es spricht dafür auch, dass man häufig einzelne degenerirte Fasern bemerkt, welche aus dieser Gegend nach der dorsalen und äusseren Ecke des Hirnstammes ziehen. Das hintere Längsbündel der rechten Seite ist bedeutend stärker verändert als das der operirten, die schwarzen Körner desselben lassen sich weit proximalwärts ver- folgen, dagegen sind dort, wie bereits erwähnt, im der Formatio reticularis degenerirte Fasern nur ganz vereinzelt zu bemerken, so dass man annehmen muss, dass die oben beschriebenen, zu- weilen ziemlich zahlreichen Fasern, die von dort in den Klein- hirnschenkel der gegenüberliegenden Seite ziehen, direet aus Zellen entspringen und daher der Entartung nicht anheim fallen. Von den Fasern des Corpus restiforme sind die der Klein- hirnseitenstrangbahn besonders stark degenerirt, und auch ven- tralwärts derselben sieht man eine umfangreiche Degeneration in der Faseransammlung längs der Peripherie, die allmählich immer schwächer werdend, auch eine kurze Streeke über die Mittel- linie bis zur anderen Seite sich erstreekt, und ebenso sind die Fasern entartet, welche aus der anliegenden Formatio retieularis hierherziehen. Ferner sieht man längs der Raphe auf der ope- rirten Seite degenerirte Fasern vertralwärts ziehen, welehe aus s10 KeBranrdnee der weiter dorsalwärts der Raphe anliegenden Faserformation stammen. Von den Fibrae arcuatae sind nur, da sie ja, wie wir gesehen haben, wahrscheinlich aus Ganglienzellen der anderen Seite entspringen, ganz vereinzelte, und zwar jene degeneritt, welche der Peripherie am nächsten liegen. Innerhalb der weissen Substanz des Kleinhirnkörpers und der Gyri beschränkt sich die Entartung fast ganz auf die Hälfte der operirten Seite, zur anderen sieht man nur vereinzelte mit schwarzen Körnchen gefüllte Fasern ziehen, abgesehen von der oben beschriebenen distalen und proximalen Kreuzung, welche durch diese Methode gleichfalls deutlich hervortreten. Uebrigens erstreekt sich die Degeneration nicht auf die weisse Substanz der betreffenden Seite in ihrem ganzen Umfange, sondern man sieht dort ebensoviele normale, wie entartete Fasern und in der. Körnerschicht treten die letzteren gegenüber den ersteren noch mehr zurück. Was nun die eerebralwärts ziehenden Fasern, welche die Brachia eonjunetiva repräsentiren, anbetrifft, so zeigen sie sich nur auf derselben Seite degenerirt, jedoch sind verhältnissmässig viele Fasern normal geblieben. Auf der gegenüberliegenden, nicht operirten Seite zeigte sich die Entartung nur in einem Falle, in welchem auch der innere Kern des Kleinhirnkörpers der ope- rirten Seite in ziemlicher Ausdehnung verletzt war, so dass auch hierdurch der zum Theil gekreuzte Ursprung dieser Fasern be- wiesen wird. Die austretenden Nervenfasern des Hirnstammes in dieser Gegend zeigen nur ganz vereinzelte schwarze Schollen, wie sie auch in anderen nicht degenerirten Faserzügen nicht selten vor- kommen; eine Entartung derselben ist auch nicht zu erwarten, da sie ja hier direct aus ihren Kernen entspringen. Dagegen ist bemerkenswerth, dass regelmässig nach Durchschneidung des Hirnschenkels das feine Fasernetz des Kermes des Nervus ab- ducens auf der nicht operirten Seite sich in hohem Maasse ent- artet zeigte, wodurch der Zusammenhang desselben mit dem Kleinhirn wahrschemlich wird. Von den proximalwärts gerichteten Windungen des Klein- hirns setzt sich die am meisten ventralwärts gelegene, deren Mark- schicht, wie bereits erwähnt wurde, nur auf der dorsalen Seite von Rinde bekleidet ist, weiter proximalwärts fort und bildet Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. sı1 das Velum medullare antieum. Die Rindenschicht desselben, die sich von der des Kleinhirns nicht wesentlich unterscheidet, endigt weiter cerebralwärts sehr bald, während die Markschicht in das Dach des Mittelhirns übergeht. Die Markschieht wird zum grossen Theil von transversal verlaufenden Fasern gebildet, die sich in der Art ihres Ursprungs wenigstens in der Nähe des Cerebellum ganz an den der Faserzüge des Kleinhirns anschliessen. Man sieht, wie aus dem Corpus restiforme Fasern abbiegen, den Kleinhirnschenkel, der hier bereits stark verschmälert ist, durch- kreuzen und in das Velum an dem lateralen Ende desselben eintreten. Ferner bemerkt man, dass Fasern aus den seitlichen Theilen der Formatio retieularis entspringen, parallel dem Corpus restiforme dorsalwärts verlaufen und in gleicher Weise in das Marksegel einbiegen. Andererseits wieder zieht etwas nach innen von den eben erwähnten Fasern aus dem Velum medullare ein Faserbündel ventralwärts, dessen einzelne Fasern im Hirnstamme gleich nach allen Seiten auseinander fahren, nachdem sie aber eine grössere oder kleinere Strecke ventralwärts verlaufen sind, im grossen Bogen der Mittellinie sich zuwenden. Diese letzteren Fasern dürften mit denen der Bindearme in Parallele zu stellen sein (Fig. 8). Innerhalb des Marksegels verlaufen die Fasern sich viel- fach kreuzend und bilden em dichtes Geflecht, aus welchem einzelne feinere Fasern dorsalwärts in die Rinde eindringen und in der Körnerschicht derselben ihr Ende finden. Wenn wir die Faserzüge des Kleinhirns der Vögel mit denen der Säugethiere vergleichen, so fällt besonders auf, dass. entsprechend dem Fehlen einer eigentlichen Brückenformation bei den ersteren auch der mittlere Kleinhirnschenkel nicht vor- handen ist; eine Andeutung davon haben wir aber vielleicht in jenen Faserzügen zu suchen, welche an der Peripherie des Hirn- stammes entlang ziehen und im ventralen Theile des Querschnitts sich dorsalwärts wenden. Dass der vordere Kleinhirnschenkel jenen cerebralwärts ziehenden Fasern entspricht, welche zum grössten Theile aus den centralen Kernen entspringen, wurde bereits erwähnt; es ist auch nicht ausgeschlossen, dass auch bei den Vögeln ein Theil der- selben direct aus der Rinde oder dem dichten Filze der weissen Substanz des Kleinhirnkörpers entstammt, nämlich jener äussere 312 By Briandıs: Faserzug, welcher dorsalwärts vom Ventrikel zur anderen Seite hinüberzieht und dann nahe dem äusseren Rande des Kleinhirn- schenkels verläuft. Was nun den hinteren Kleinhirnschenkel anbetrifft, so findet man die meisten der zahlreichen Bestandtheile, aus denen er bei den Säugethieren zusammengesetzt ist, auch bei den Vögeln wieder. So treffen wir hier die Kleinhirnseitenstrangbahn, ferner zahlreiche Fasern aus den Hintersträngen, welche auf derselben Seite längs der dorsalen Peripherie nach aussen gezogen sind und sich in der Umgebung der Kleinhirnseitenstrangbahn dem Verlauf von deren Fasern angeschlossen haben; auch die zahlreichen Fasern, die aus der Formatio retieularis zum Kleinhirnschenkel ziehen, dürften wenigstens zum Theil von dieser Herkunft sein und dann wohl meistens ursprünglich von der anderen Seite stammen, ein anderer Theil von ihnen entspringt wahrscheinlich auch von den zahlreichen dureh die Formatio retienlaris vertheilten Zellen, welche vielleicht dem Seitenstrangkerne von Bechterew’s entsprechen. Auch einen Olivenantheil kann man bei den Vögeln annehmen und dürfte dafür wohl jene Fasern ansprechen, welche, wie uns hauptsäch- lich die Marchi’sche Methode deutlich gemacht hat, von dem kleinzelligen Kern der anderen Seite herkommen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXIL. Fig. 1. Sagittalschnitt durch die Mittellinie des Kleinhirns von Athene noctua, x—x ist die Achse, zu welcher parallel die folgenden Horizontalschnitte verlaufen. Vergröss. 5:1. . Horizontalschnitt durch das Kleinhirn von Picus major. Ver- STÖSs. 12:1. Fig. 3. Kleinhirn von Sturnus vulgaris, etwas weiter proximal ge- troffen. Vergröss. 8:1. Fig. 4. Dasselbe von Phasianus pietus. Vergröss. 12:1. Fig. 5. Phyllopneuste trochilus. Hartnack, Obj. 1, Oe. 0. Fig. 6. Pieus.major. Vergröss. 12:1. Fig. 7. Passer domestieus juv. Vergröss. 14:1. Fig. 8. Phyllopneuste trochilus. Hartnack, Obj. 1, Oc. 0. ie) ee (0 fe) 10) Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 813 a. Ventrikel des Kleinhirns. b. Kleinzelliger Kern. e. Kern des Hirnschenkels. d. Eckkern. e. Ausstrahlungen von der Umgebung des kleinzelligen Kernes nach aussen. h. Dieselben dorsalwärts gerichtet. f. Aeusserer Kern des Kleimhirnkörpers. &. Innerer Kern desselben. Kern ventral vom austretenden Facialisstamme. k. Innere Abtheilung der Bindearme. l. Dieselbe medialwärts ziehend. m. Aeussere Abtheilung der Bindearme. N. VIIIb. Nervus vestibularis. N. VO. N. facialis. N. V. N. trigeminus. 0, N Sensibler Kern desselben. Ueber den feineren Bau der Gelenke. Von Dr. J. Aug. Hammar, a. o. Pofessor an der Universität Upsala. Zweite Hälfte. Abth. II: Der Gelenkknorpel. Hierzu Tafel XXXIV und XXXV. Die Mittelpartie des Knorpels. Wenn man durch die Mitte des (frischen oder m M. F.- Spiritus gehärteten) Gelenkknorpels eines Menschen einen Schnitt vertikal gegen die Gelenkfläche legt, so lassen sich ohne jedwede Färbung schon mit unbewaffnetem Auge zwei Schichten des un- verkalkten Knorpels unterscheiden !). 1) Ich habe mich bei meiner Untersuchung nicht mit dem ver- kalkten, tieferen Theil des Knorpels beschäftigt und zwar schon des- halb, weil er mir vom Gesichtspunkt der Gelenke von untergeordnetem 814 J. Aug. Hammar: Zunächst unter der Oberfläche hebt sich eine schmale Zone durch ihre Durehsichtigkeit von der tieferen Hauptmasse des Knorpels ab. Diese sieht mehr körnig aus und hat in etwas dickeren Schiehten einen trüben, grauen Farbenton. Nach der Hämatoxylinfärbung (z. B. mit Delafield’s Häma- toxylin) eines solehen Schnittes erscheint die tiefe Schicht fein- gesprenkelt durch blaue Flecke, die oberflächliche dagegen mehr blassblau mit gleichmässigem Farbenton. Bei der mikroskopi- schen Untersuchung erscheimt* die Grenze zwischen den beiden Schichten gewöhnlich in der Region der runden Zellengruppen)). Ferner ersieht man dann auch, dass die stärkere Färbung der tieferen Schicht an die Umgebung der Zellen gebunden ist. Diese selbst sind nur kerngefärbt. Der Zellenkörper (Taf. XXXIV, Fig. 12) ist ungefärbt und hebt sich dadurch recht scharf gegen einen Hintergrund von gleichmässiger, dunkelblauer Farbe ab, der als ein gut begrenzter Fleck (fg) die Zellengruppe umgiebt und im allgemeinen die Gestalt derselben hervorhebt, indem er dieselbe in vergrössertem Maassstab darstellt. Zwischen diesen Flecken tritt die Grundsubstanz des Knorpels mit einem „matten“ oder feimkörnigen, an mattgeschliffenes Glas erinnerndes Aussehen hervor, das oft als charakteristisch für die Grundsubstanz des hyalinen Gelenkknorpels angeführt wird. Diese „körnige* oder, wie ich sie anteeipationsweise lieber nennen möchte, differenzirte Grundsubstanz hat nicht durchweg Interesse erscheint. Seine Untersuchung setzt ausserdem Methoden voraus, die kaum dem übrigen Knorpel gegenüber als indifferent an- oesehen werden können. 1) Bekanntlich besitzen die Zellengruppen des normalen Gelenk- knorpels verschiedene Form und Anordnung in verschiedenen Tiefen (Taf. XXXIV, Fig. 1). Im tieferen Theil des Knorpels (l) werden also die Gruppen als langgestreckt und vertikal — häufig eher mehr oder weniger schräg — im Verhältniss zur Gelenkfläche (ob) beschrieben. Zunächst unter derselben sind die Zellenhöhlen in einer Ebene parallel mit derjenigen der Gelenkfläche abgeplattet (p). Zwischen diesen, den „Gebieten der langgestreckten“* und „der platten Zellen- gruppen“ befindet sich eine Uebergangszone (r), wo sich die Gestalt der Gruppen mehr oder weniger den sphärischen nähert. Im Fol- genden gehe ich von dieser ziemlich allgemein angenommenen Ein- theilung des Gelenkknorpels aus, obwohl man freilich, wie die Zeich- nungen auch bereits andeuten, nicht so ganz genau mit jeder Abwei- chung des Schemas rechnen darf. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 815 dieselbe Färbung. Am stärksten ist sie in der Umgebung der eben beschriebenen, homogenen, gefärbten Flecke. Die Farbe schwächt sich nach aussen zu ab, so dass man gewöhnlich zwischen benachbarten Zellengruppen Züge antrifft, die gar nicht oder ver- hältnissmässig wenig Farbe aufgenommen haben. Die gefärbten Zonen von benachbarten Gruppen können sich übrigens vielfach begegnen, so dass nur in den grösseren Zwischenräumen, zwischen drei oder vier benachbarten Gruppen ungefärbte Grundsubstanz hervortritt. Die die Zellengruppen umschliessenden, stärker gefärbten Theile der differenzirten Grundsubstanz bezeichne ich der Kürze wegen als Mantelschicht (ms), die dazwischenliegende, relativ ungefärbte, differenzirte Grundsubstanz als die intermediären Züge (iz). In einiger Entfernung von der freien Fläche hört die stärkere Färbung um die Zellengruppen auf. Wie bereits angedeutet ge- schieht dieses gewöhnlich in der Region der runden Zellengruppen. Zuerst nimmt die Mantelschicht ab und verschwindet und eine schwach gefärbte, differenzirte Grundsubstanz folgt unmittelbar ausserhalb der homogenen, pericellulären Flecken. Noch höher hin- auf gegen die Oberfläche und auch diese Flecken nehmen an Umfang ab, um schliesslich ganz aufzuhören. Dieses geschieht gewöhnlich wenngleich nicht konstant, auf etwa demselben Niveau, wo die Gestalt der Zellenhöhlen von der runden zur platten, auf Vertikalscehnitten spaltenartigen Form der oberflächlichen Region übergeht. In der oberflächlichen Region des Knorpels scheinen die Zellen also direkt von schwach oder gar nicht gefärbter Grund- substanz umgeben zu sein. Diese streckt sich dann mit derselben blassen Farbe bis zur Gelenkfläche hinauf. Sie nimmt aber in der oberflächlichen Re- gion des Knorpels ein immer homogeneres Aussehen an, die „Körnig- keit“ wird immer undeutlicher. Der zunächst unter der Ober- fläche liegende Rand weist schliesslich ganz besondere Eigen- thümlichkeiten auf, wovon mehr weiter unten. Ich bin weit davon entfernt diese eben geschilderten Bilder als neu und bisher unbekannt zu betrachten. Im Gegentheil sind sie von so auffallender Art, dass sie zweifellos von jedem beob- achtet worden, der bei Anwendung oben angeführter, gewöhnlicher Untersuchungsmethode einen Schnitt vom Gelenkknorpel des 516 J. Aus, Hammar: Menschen untersucht hat. Wenn ich sie nichts destoweniger hier in Kürze wiederholen zu müssen glaube, so geschieht es aus dem Grunde, weil sie den natürlichen und nothwendigen Ausgangspunkt der Schilderung einiger, wie ich glaube, weniger beachteten Strukturverhältnisse im Gelenkknorpel bilden. Indem ich nun successive die hier angedeuteten, verschie- denen Bilder einer genaueren Prüfung unterwerfen werde, gehe ich von den Verhältnissen in den tieferen Theilen des Knorpels aus. 1.DieRegionderlanggestrecktenZellengruppen. Die Form und Lage dieser Gruppen wird, wie bereits an- sedeutet, in der Regel von den sie umschliessenden dunkelblauen Flecken markirt. Indessen ist es aber durchaus nieht immer eineinziger, grosser Fleck, der jeder Zellengruppe entspricht. Oft sieht man statt dessen eine Anzahl kleinerer Flecke, gewöhnlich von unregelmässig gerundeter, drei- oder viereckiger Form, dicht aneinander gedrängt. Im diesem Falle sieht man bald eine Zelle in jedem Fleck, bald zwei oder mehrere. Auch wenn ein solcher Fleck mehrere Zellen oder eine ganze Zellengruppe umschliesst, kann man oft bei näherer Betrachtung eine mehr oder weniger scharf hervortretende Andeutung einer Eintheilung von Gebieten oder Feldern um jede einzelne Zelle wahrnehmen. Die ungefärbte, etwas glänzende und unregelmässig geformte Zelle ist gewöhnlich nicht unerheblich kleiner als der umgebende Fleck, der rund um die Zelle herum als ein blauer Rand erscheint. In welcher Beziehung stehen die Knorpelhöhlen zu den eben geschilderten Flecken? Fallen sie in der Ausdehnung mit diesen zusammen? In dem Falle wäre die Zelle stark geschrumpft und die blaue Farbe hauptsächlich an den Boden der Höhle gebunden; die Höhle wäre mit einer ganz dünnen, blaugefärbten Schicht — einer blauen Tapete — ausgekleidet. Oder ist die Höhle kleiner als der blaue Fleck, ist sie mit einer diekeren Wandschicht blautingibler Substanz umgeben ? Obgleich in dieser Hinsicht aufklärende Bilder bereits in Präparaten von bisher beschriebener Art zu finden sind, namentlich dort wo eine Zelle ausgefallen und die Höhle leer geworden ist, so gewinnen doch die Bilder durch die Nachfärbung des häma- toxylingefärbten Präparats mit Eosin an Deutlichkeit. Schnitte eines in M. F.-Spiritus gehärteten Knorpels werden Ueber den feineren Bau der Gelenke. 817 stark hämatoxylingefärbt und in Aq. dest. nachgespült; dann in 7OV/o- tigen Alkohol mit 1/g%/, Salzsäuregehalt gebracht. Hier nehmen die vorher blauen Schnitte eine rothbraune Farbe an. Einige Sekunden nach vollbrachter Farbenveränderung werden sie in Aq. dest. zurück- gelegt. Das Wasser wird ein paar Mal erneuert. Hierunter nehmen die Schnitte ihre blaue Farbe wieder an. Jetzt kommen sie in stark verdünnte Eosinlösung (spirituslösliches Eosin 1 Theil, 60%/,igen Spiri- tus 60 Theile: Ya—1 Tropfen dieser Farbenlösung zu einem Uhrgläs- chen Wasser). Hierin bleiben sie 2—5 Stunden liegen, werden wieder in Aq. dest. abgespült, wenigstens 24 Stunden in Kochsalzglycerin differenzirt und in dieselbe Flüssigkeit aufgehoben. Die hier gebrauchten Härtungs- und Färbungsmittel vermögen nach Thin!) Scheinbilder im Knorpel hervorzubringen. Er untersuchte eine Knorpelgeschwulst theils 1) mit Härtung in Kal. bichr. und Färbung in Hämatoxylin, Pikrokarmin oder Eosin, theils 2) mit Purpurinfärbung (nach Ranvier) des frischen oder osmiumgehärteten Gewebes. In jenem Falle fand er verzweigte, in diesem Falle eingekapselte, platte, runde oder etwas polygonale Zellenformen. Er schliesst daraus, dass die verzweigten Zellen Scheinbilder wären, entstanden durch die Fär- bung einer in bestimmten Zügen vorkommenden, formlosen Substanz. Dass diese Behauptung nichts weniger als bewiesen ist, liegt auf der Hand, namentlich da sie sich auf ein Gewebe mit dem wechseln- den Charakter einer Knorpelgeschwulst stützt. Ich glaube auch keiner anderen Vertheidigung hinsichtlich der Zuverlässigkeit der von mir angewendeten Methode zu bedürfen, als eine Erinnerung daran, dass auch andere Methoden, darunter gerade Osmiumhärtung, mir analoge Bilder geliefert haben (siehe unten). Die Zellen treten rot mit blauen Kernen hervor. Die Um- sebung ist fortwährend blaugefärbt. An geeigneten Stellen lässt sich nun ohne Schwierigkeit konstatiren, dass der Umfang der Zellenhöhle gar nicht oder ganz unbedeutend denjenigen der Zelle übersteigt. Die Höhle erscheint also von eimer nicht unerheblichen Wandschicht blaugefärbter Substanz (Taf. XXXV, Figg. 3—6 fg) umgeben. Dieselbe zeigt sich unter allen Verhältnissen als homogen, strukturlos. Ich be- nenne sie daher im Folgenden die formlose Grundsub- stanz des Knorpels zum Unterschied von der nach aussen da- von liegenden differenzirten (dg)?). 1) Thin, G., On hyaline cartilage and deceptive appearances produced by reagents, as observed in the examination of a cartila- ginous tumour of the löwer jaw. Proc. of the Royal Soc. of London. Vol. 28, 1879. 2) Hinsichtlich der Gründe in der Wahl dieser Namen siehe weiter unten. s1S J. Aug. Hammar: Die Zellenhöhle ist also gleichsam im Inneren dieser form- losen Grundsubstanz ausgegraben. Die Form der Höhle oder — was bei guter Fixirung ungefähr auf eins herauskommt, — die Form der Zelle in ihrem Innern wechselt erheblich auch bei einem und demselben Knorpel. Nicht selten ist dieselbe rund oder gerundet drei- bis viereckig. Die Wandschicht formloser Grundsubstanz um die Höhle ist dann manchmal ziemlich gleich diek in der ganzen Peripherie der Zelle; sie erscheint auf dem optischen Durchschnitt als ein gleichbreiter Ring und entspricht insofern der Beschreibung einer Knorpelkapsel. Eben so oft sieht man aber Zellen mit einer unregelmässig eckigen Form. Nicht selten sind dieselben keil- oder sichelförmig, bisweilen sternförmig. Auch unter diesen Verhältnissen können die Zelle und ihre Höhle sich kongruent erweisen, was einen guten Beweis dafür liefert, dass die unregelmässige Form in diesem Fall nicht das Resultat einer Schrumpfung ist, mit welcher man sonst aus guten Gründen betreffs der Zellen des gehärteten Knorpels zu rechnen pflegt. Die äusseren Umrisse einer solchen Zelle sind nicht mehr parallel mit der äusseren Grenzlinie der umgebenden formlosen Grund- substanz; diese zeigt auch nieht mehr das typische Bild einer Knorpelkapsel. Eine unerlässliche Bedingung bei dieser Untersuchung ist indessen, dass der Schnitt an der betreffenden Stelle die gehörige Dünne besitzt. Namentlich eignen sich hierzu abgeschärfte, dünne Sehnittränder. Wo die Dieke des Schnittes den Diameter der Knorpelhöhle untersteigt, kann es also möglich sein gerade durch die geöffnete Höhle hindurch zu sehen. Ist die Zelle, wie häufig vorkommt, fortgefallen, so lässt sich bisweilen ohne weiteres die unregelmässige Form der Höhle konstatiren. Liegt aber die Zelle da, so kann das Bild noch einleuchtender sein. Man sieht dann entweder die blaugefärbte, formlose Grundsubstanz die Zelle ohne jedweden Zwischenraum umschliessen, oder noch häufiger findet sich ein soleher, aber ein nur ganz schmaler, spaltenförmiger. Zur Vermeidung des Verdachts, dass ich jede in einem Knorpel- präparat vorkommende, unregelmässig geformte Zelle als in ihrer natürlichen Form auftretend gehalten habe, wäre es vielleicht ge- eignet zu betonen, dass ähnliche eckige und zackige Formen sehr wohl durch postmortale Veränderungen hervorgerufen werden Ueber den feineren Bau der Gelenke. 819 können. Solehe Bilder sind sogar sehr gewöhnlich in Knorpel mit grossen, ursprünglich protoplasmareichen, aber schlecht kon- servirten Zellenkörpern. Im einzelnen Falle ist es also nur der Mangel eines Spalten- raums um die Zelle, der den Gedanken an eine Schrumpfung derselben berechtigterweise ausschliesst. Es ist die Grösse und die Ausdehnung eines vielleicht vorhandenen Spaltenraums, welche den Grund einer eimigermaassen richtigen Vorstellung von dem Umfang der Schrumpfung und von der ursprünglichen Form der Zelle abgeben. Wenigstens lässt sich nicht mit Fug annehmen, dass die Zelle mehr geschrumpft sei, als der umgebende Spaltenraum an- giebt. Diese Annahme würde nämlich eine Anschwellung der umgebenden formlosen Grundsubstanz voraussetzen, was aber nach unserer Kenntniss von der Wirkung der angewendeten Konser- virungsmittel auszuschliessen ist. Hierzu kommt, dass die Bilder in dieser Hinsicht übereinstimmend sind, sei es dass man den frischen Knorpelschnitt direkt färbt, oder dass die Schnitte von Material mit Härtung in M. F.-Spiritus oder Osmium herstammen. Präparate mit starker Hämatoxylinfärbung lassen nur unter sonst sehr günstigen Verhältnissen die Totalform der Zellen genau hervortreten. Durch eine Verlängerung des Aufenthalts der Schnitte in dem salzsäurehaltigem Spiritus bei der oben beschriebenen Doppelfärbungsmethode lässt sich die Entfärbung ohne besondere Schwierigkeit so abstufen, dass die formlose Grundsubstanz mit einem durchsichtigen, hellblauen Farbenton hervortritt. Dieser genügt um das Vorhandensein und die Ausdehnung derselben zu markiren, verdunkelt aber nicht die rothgefärbten Zellen. Nun zeigt es sich, dass die meisten Zellen der Region der langgestreckten Gruppen Fortsätze besitzen. Sie gehen in radiärer Richtung von den Zellen aus und durchziehen die umgebende formlose Grundsubstanz. In diesem Theil ihres Verlaufs sind die Fortsätze gewöhnlich ziemlich gerade, fadenähnliche Gebilde mit spärlicher, spitzwinkliger Verästelung (Taf. XXXV, Figg. 3—6a). Ihre Anordnung um die Zellen wechselt innerhalb weiter Grenzen. Einzelne Zellen erscheinen sternförmig wegen der Menge solcher nach allen Seiten ausstrahlenden Fortsätze. Andere Zellen haben sie auf eimem kleineren Theil ihrer Fläche gesammelt. 320 J. Aug. Hammar: Dieses kann namentlich mit den sichelförmigen Zellenformen der Fall sein. Von ihrem konkaven Rand sieht man nicht selten eine grössere Anzahl Fortsätze ausgehen, während der übrige Umkreis wenige oder gar keine besitzt. Aechnliche Variationen finden in der Anzahl der Fortsätze statt. Dass sie bisweilen reichlich vorkommen, ist bereits ange- deutet. Manchmal sieht man dagegen nur einen oder einige, und dies kann fast als Regel bei gewissen Knorpeln gelten. Einige Zellen zeigen gar keine Fortsätze. Eine nicht unbeträchtliche Anzahl dieser letzteren Bilder ist aber höchst wahrscheinlich dadurch bedingt, dass die Fortsätze nicht in die Schnittebene kamen. Hier und dort bemerkt man auch solehe Fortsätze im Querschnitt als rothe Punkte in der blauen formlosen Masse, die eine solche scheinbar unverzweigte Zelle umgiebt. In der Peripherie dieser Grundsubstanz kann man ferner rothgefärbte, körnige Massen antrefien. Diese sind aber, wie gleich unten näher gezeigt werden wird, nichts Anderes als die feinsten Zweige der Zellenfortsätze. Ihr Vorhandensein ist also auch ein Kriterium, dass die betreffende Zelle wirklich ver- zweigt ist. Nur ausnahmsweise habe ich Gelenkknorpel angetroffen, die in der Region der langgestreckten Zellengruppen anscheinend wirklich unverzweigte Zellen aufwiesen. Die Fortsätze, die also in grösserer oder kleinerer Anzahl von der Zelle ausgehen, zertheilen sich, wie schon gesagt, auf ihrem Wege durch die formlose Grundsubstanz in eine Anzahl Zweige. Diese lassen sich gewöhnlich ohne Schwierigkeit bis zur Grenze zwischen der formlosen und der differenzirten Grundsubstanz verfolgen. Hier kommen Häufchen mit körnigem Aussehen vor, in der Färbung und Lichtbrechung mit dem Protoplasma der Knorpelzellen übereinstimmend. Sie verbleiben auch nach der Säurebehandlung unverändert. Schon auf dem nur hämatoxylingefärbten Präparat erscheint eine ungefärbte Grenzlinie zwischen der formlosen und der diffe- renzirten Grundsubstanz (Taf. XXXIV, Fig. 1). Dieses Bild ist im allgemeinen durch das Vorhandensein der (hier ungefärbten) Kornhäufehen bedingt. In verschiedener Ausdehnung liegen dieselben längs der Peripherie der formlosen Grundsubstanz (Taf. XXX V, Figg. 3—6 4). Ueber den feineren Bau der Gelenke. s21 Bisweilen ist diese von einer grösseren sicheltörmigen, körnigen Masse nmschrieben, ein anderes Mal findet man nur einen oder einige, unregelmässige Kornhäufchen. Vorzugsweise liegen sie an den Enden der hier nicht selten zugespitzten Zellengruppen. Von hier aus können sie recht weit in die differenzirte Grund- substanz hineinragen. Sonst ist gewöhnlich ihre Ausdehnung in derselben recht beschränkt. Auch ihre innere Grenze wechselt. Wo zwei oder mehrere Zellen in derselben Partie der formlosen Grundsubstanz liegen, sieht man die körnigen Massen bald nur am Rande dieser Sub- stanz liegen, bald keilförmig em Stückchen zwischen den Zeilen hineinragen, bald einen dieselben ganz trennenden Zug bilden. Auf diese Weise kann sich die formlose Grundsubstanz mehr oder weniger in Gebiete um jede Zelle auftheilen. In diesen körnigen Massen verschiedener Form lassen sich nun die verzweigten Zellenfortsätze verfolgen. In einzelnen Fällen kann man ihnen auch eine Strecke hinein als stark kömige Fäden nachspüren. Gewöhnlich entziehen sie sich aber hier dem Blick des Untersuchers. Auch lässt sich in der Regel kein gegensei- tiger Zusammenhang oder eine deutlichere Anordnung dieser Körnchen nachweisen. Pericellulär eingelagerte Körnchen werden von verschiedenen Verfassern betreffs allerhand Knorpeln beschrieben, ohne dass mir im- mer aus den Beschreibungen völlig klar geworden ist, inwiefern diese Beobachtungen eine Analogie mit den von mir beschriebenen haben. Einige dürften aber von diesem Gesichtspunkt aus erwähnens- werth sein. So beschreibt Rheiner!) eine um die Zellen der Larynx- und Trachealknorpel auftretende Körnigkeit unter dem Namen „körnige Umwandlung“ der Grundsubstanz, während Schottelius?) sie „kör- nige Infiltration“ benennt; letzter Name wird auch von Solger?) ge- braucht, der ähnliche Thatsachen im Cartil. Septi Nar. bei Schafen nachgewiesen. Flesch#) erwähnt, wie unter Anderm im Rippenknorpel älterer 1) Rheiner, H., Beiträge z. Histologie des Kehlkopfs. Inaug.- Diss. 1852 [Cit. nach Solger (siehe hier unten)]. 2) Schottelius, M., Die Kehlkopfknorpel. 1879. 3) Solger, B., Ueber pericelluläre und intercelluläre Ablagerun- gen im Hyalinknorpel. Arch. f. ınikr. Anat. Bd. 34. 1889. 4) Sitzung d. 4. Jan. 1879. Verhandl. d. phys.-med. Gesellsch. in Würzburg. N.F. Bd. XIV. 1880. 822 J. Aug. Hammar: Individuen „den Knorpelhöhlen sieh anschliessend feinkörnige Trü- bungen, am dichtesten in Umgebung der Zellen, mit der Entfernung von der letzteren an Dichtigkeit abnehmend“ vorkommen. Seine Ab- bildung!) dieser Trübungen hat eine gewisse Aehnlichkeit mit den von mir im Gelenkknorpel gefundenen Bildern. Die pericellulären Kornanhäufungen, die von Deutschmann?), Gerlach?) u. a. von elastischem Knorpel beschrieben und von den- selben in Beziehung mit der Bildung der elastischen Fasern gestellt werden, dürften einer anderen Categorie als die Bilder im Gelenk- knorpel gehören. Eine genauere Analyse dieser Bilder ist mir erst auf mit Goldehlorid behandelten Präparaten gelungen. Zu diesem Zwecke habe ich mehrere Goldfärbungsmethoden ver- sucht. Darunter schien mir Ranvier'’s Citronensaftmethode auch hier am sichersten zum Ziele zu führen. Dieselbe ist bekanntlich ursprünglich zur Färbung der Endver- zweigungen der Muskelnerven angegeben. Rücksichtlich der grösseren Festigkeit und Schwerdurchdringlichkeit des Knorpelgewebes ist es nothwendig, die Zeit für die Einwirkung des Citronensaftes und der Goldiösung bis zu resp. 15—20 und 30—45 Min. zu verlängern. Nur ganz kleine Stückchen (l/»„—1lem im Durchschnitt) dürfen zur Färbung gelangen, aber auch dann ist es nicht ungewöhnlich eine centrale, un- gefärbte Partie in jedem Knorpelstück zu finden. An solehem Präparat (Taf. XXXV, Figg. 1 u. 2) sieht man, wo die Goldfärbung gelungen, die Zellen sich durch ihre schwärzliche Farbe scharf von der umgebenden, gewöhnlich ganz ungefärbten, formlosen Grundsubstanz (fg) abheben. Ihre Form und gröberen Fortsätze entsprechen in allem Wesentlichen dem, was man an den Hämatoxylin-Eosin-Präparaten findet. Aber anstatt sich wie dort in den Kornanhäufungen zu verlieren, lösen sich die Fortsätze hier buschig an der Grenze zur differenzirten Grundsubstanz auf. Anstatt der Kornhäufchen findet mah also ein Flechtwerk von feinen, reichverästelten Fa- sern, die wahrscheinlich gerade in Folge ihrer Verästelung ein körniges Aussehen aufweisen können. Ihr Verbreitungsgebiet fällt mit dem der „Kornhäufchen* zusammen. Sie erstrecken sich also selten ein längeres Stück 1) Fleseh, M., Untersuchungen über die Grundsubstanz des hyalinen Knorpels. 1880. Taf. IV, Fig. 4. 2) Deutschmann, R., Ueber die Entwicklung der elastischen Fasern. Inaug.-Diss. 1873. 3) Gerlach, L., Ueber d. Anlage u. d. Entwicklung d. elast. Gewebes. Morphol. Jahrb. Bd. IV, 1878. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 823 in die differenzirte Grundsubstanz (dg). Sie verlaufen entweder eine ganz kleine Strecke in radiärer Richtung in dieselbe hinein, um nach einer mehr oder weniger reichen Verästelung hier auf- zuhören; oder auch schwenken sie auf der äusseren Grenze der formlosen Grundsubstanz in eireulärer Richtung um und um- spinnen dieselbe eine längere oder kürzere Strecke mit ihren Zweigen. In beiden Fällen können sich Zweige von benachbarten Fortsätzen — sie mögen von denselben oder von benachbarten Zellen herstammen — mit einander zu einer Art Plexus ver- flechten. Ob dabei wirkliche Anastomosen zu Stande kommen, ist schwer zu entscheiden. Das Goldsalz hat also eine Sammlung haarfeiner, reich verzweigter Ausläufer zum Vorschein gebracht, wo die Eosin- färbung nur eine protoplasmaartige Kormanhäufung zeigte. Viel- leicht ist dies nur dem schärferen Färbungsvermögen des ersteren Tinetionsmittels zuzuschreiben. Andererseits konservirt das Gold- ehlorid unzweifelhaft viel besser, als Müller’s Flüssigkeit das Protoplasma. Es ist deshalb denkbar, dass ähnliche Verände- rungen, die bei ersterem Fixirungsmittel mehr oder weniger hoch- gradige Schrumpfungen des Zellenkörpers bewirkten, auch einen körnigen Zerfall der feinsten Zellenausläufer hervorbringen konnten. Für erstere Annahme spricht aber, dass man bei Färbung mit Methylviolett nach der in der en Hälfte S. 273 angege- benen Methode mit den Goldbildern analoge Bilder auch nach Härtung in M. F.-Spiritus erhalten kann. Jedenfalls lässt sich mit gutem Fug annehmen, dass die vom Goldsalz gelieferten Resultate den wirklichen Verhältnissen am meisten entsprechen. In Ausnahmefällen (namentlich bei älteren Individuen) kann man auf der äusseren Grenze der formlosen Grundsubstanz auch Anhäufungen von grösseren, nicht selten concentrisch abgeplat- teten, sonst unregelmässig geformten, an den Rändern häufig zer- rissene Klumpen oder Schollen antreffen. Auch diese gleichen im Uebrigen dem Protoplasma in der Färbung und im Aussehen. Einen sicheren Zusammenhang zwischen denselben und den Zellenfortsätzen habe ich nieht finden können. Die meisten dieser Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 53 824 JAUe Hammar“ Klumpen sind viel gröber als die Zellenfortsätze, so dass ein soleher Zusammenhang schon aus dem Grunde wenig wahrschein- lich erscheint. Was diese Bilder zu bedeuten haben, ist mir übri- gens völlig unbekannt. Bei meinen goldimprägnirten Präparaten sind mir solehe, überhaupt seltene, Bilder nicht begegnet. Die bisher geschilderten Thatsachen beziehen sich auf Er- wachsene. Bei einem Kind von 13 Jahren habe ich etwas abwei- chende Bilder angetroffen. Die Gestalt der Zellen und die An- ordnung der gröberen Ausläufer waren etwa die eben beschrie- benen. Die Kornhäufehen der Hämatoxylin-Eosin-Präparate und der reiche periphere Ausläuferplexus der Goldpräparate traten dagegen nur hier und dort hervor. Ebenso oft endigten die Aus- läufer in der Peripherie der formlosen Grundsubstanz ohne wei- tere Verzweigung mit einem zugespitzten oder angeschwollenen Ende. Ich bin nicht in der Lage gewesen, die Allgemeingiltigkeit dieser Thatsachen für das Kindesalter eonstatiren zu können — halte sie aber nicht für unwahrscheinlich. Dieselben bilden näm- lich gewissermaassen einen Uebergang von denjenigen, die im fötalen Knorpel vorkommen. Hier erscheinen die im Allgemeinen keilförmigen Zellen in den tieferen Theilen des Gelenkknor By wenig oder gar nicht verzweigt. Zur Controllirune der erhaltenen Resultate — sowohl der eben angeführten, wie der noch zu schildernden — habe ich Knorpel unter- sucht, die in kleineren Stückchen mit Pikrinsäure (gesättigte Wasser- lösung), 1/5°/, Ueberosmiumsäure oder Flemming's Flüssigkeit kon- servirt waren. Es ist hierbei mit keiner besonderen Schwierigkeit verbunden gewesen, die Gestalt der Zellen und ihre gröberen Veräste- lungen zu konstatiren. Bei den feineren Ausläufern nicht weniger als bei der formlosen Grundsubstanz wird aber das Färbungsvermögen durch erwähnte Reagentien häufig so unvortheilhaft beeinflusst, dass ich hinsichtlich dieser Einzelheiten hauptsächlich auf in M. F.-Spiritus oder Goldehlorid fixirte Präparate angewiesen war. Bei einigen Os- miumpräparaten ist es mir aber gelungen, gute und scharfe Bilder zu erlangen, die in Allem die hier gegebenen Schilderungen bestätigen. Ehe ich meine Beschreibung fortsetze, könnte es von In- teresse sein, hervorzuheben, dass ähnliche Verhältnisse in einigen Encehondromen zu existiren scheinen. Während in den Gelenkknorpeln von Bildern die Rede ist, Ueber den feineren Bau der Gelenke. 825 die sich erst nach der Anwendung aller Ressourcen des Mikro- skops analysiren lassen, weisen die Knorpelgeschwäülste bekannt- lieh nicht selten sehr ausgeprägte Bilder verzweigter Zellen auf. Eine solche subkutane Geschwulst ‘mit wirklich riesigen Zellenformen wurde mir nebst mehreren anderen vom hiesigen pathologischen Institute gütigst zur Verfügung gestellt. Gewisse Theile der Neubildung zeigten eine formlose, nur fleekenweise differenzirte Grundsubstanz, in welcher verzweigte, sternförmige Knorpelzellen mit ziemlich geraden Fortsätzen frei und reichlich anastomosirten. Auf anderen Stellen war die form- lose Grundsubstanz in sphärische Klumpen oder Bälle gesammelt, die durch Züge differenzirter Grundsubstanz getrennt waren. In der Mitte eines jeden Balles lagen eine oder einige Zellen ein- gebettet. Die Fortsätze durchzogen diese formlose Grundsubstanz in radiärer Richtung, um früher oder später und zwar bald im Innern, bald auf der Oberfläche derselben eireulär umzuschwenken und sich weiter zu verzweigen. Obwohl die Bilder von wechselnderer Art als’ in dem nor- malen Knorpelgewebe waren, so zeigen doch die zuletzt geschil- derten, durchaus nicht spärlichen Zellen so grosse Analogien mit denen des Gelenkknorpels, dass der wesentlichste Unterschied zwischen denselben nur in den bedeutenden Verschiedenheiten der Dimensionen bestand. Ich gehe nun zur Schilderung der differenzirten Grund- substanz über, welche die Zwischenräume zwischen den lang- gestreckten Zellengruppen des Gelenkknorpels ausfüllt. Zunächst ausserhalb des Gebiets der „Kornhäufehen“ oder richtiger der feinsten Zellenausläufer fängt die Mantelschicht differenzirter Grundsubstanz an. Der Umfang und die Ausdehnung desselben ist wechselnd. Gewöhnlich sieht man sie auf Vertikalsehnitten seine Zellengruppe ringförmig umschliessen. Letztere kann dabei central liegen; aber noch häufiger findet man Gruppen mit excentrischer Lage. Ausnahmslos habe ich sie dann gegen den tiefen Rand der Man- telschicht verschoben gefunden. Dieses liegt dann mit seiner Hauptmasse oberflächlicher als die Zellengruppe, nimmt rasch ‚an den Seitenflächen derselben an Breite ab, um sie mit einer 326 J. Aug. Hammar: ganz schmalen Schicht an ihrem tiefen Ende zu umgeben. Hier kann es sogar gänzlich fehlen. Mehrmals sah ich die Mantelschicht auf dem Vertikalschnitt vorzugsweise nach den beiden Seiten der langgestreckten Zellen- gruppe abschweifen. Die Form der letzteren war dann gewöhn- lich auffallend schmal und langgezogen. Im Allgemeinen trifft man in dieser Hinsicht ungefähr einerlei Typus in demselben Knorpel oder wenigstens in den be- nachbarten Theilen eines Knorpels. Auf Flächenschnitten sieht man meistens die Mantelschicht als einen gleichbreiten Ring seine Zellengruppe umgeben. Eine excentrische Lage derselben kann in der Regel hier nicht wahr- genommen werden. Ich habe die Verhältnisse bisher so geschildert, als befände sich um jede Zellengruppe in der Region der langgestreckten Gruppen eine Schicht formloser und ausserhalb derselben eine Mantelschicht differenzirter Grundsubstanz. Ausnahmen sind auch selten. Bisweilen kann man freilich in der betreffenden Region Zellengruppen finden, die sich bei Hämatoxylinfärbung durch keinerlei stärker gefärbte Umgebung verrathen. Die Mantel- schieht und die formlose Grundsubstanz fehlen. Die betreffende Zellengruppe liegt direct in schwach gefärbte differenzirte Grund- substanz eingebettet. Im Gelenkknorpel spärlich, kommen aber solche Bilder viel zahlreicher in einigen andern Knorpeln vor, in denen die Ver- hältnisse übrigens in vielen Hinsichten den eben geschilderten sehr nahe stehen. So z.B. in den centralen Theilen der Rippen- knorpel des Menschen. Ich habe betont, dass sich die Mantelschieht auf hämatoxy- lingefärbten Schnitten durch ihre auswärts verbleichende blaue Fär- bung auszeichnet. Aber auch ohne jede Färbung — Ja, sogar auf frischem Gewebe — sticht es von der Umgebung durch seinen etwas stärkeren Glanz und Durchsichtigkeit ab. Schon dieses deutet an, dass es sich hier um etwas mehr als eine zufällige Farbendifferenzirung handelt. Die Anzahl der Farbenreactionen, wo die Mantelschicht eine von den intermediären Zügen ab- weichende Färbung annimmt, liesse sich auch leicht vermehren. Die unten angegebene Doppelfärbung mit Säurefuchsin und Ma- Ueber den feineren Bau der Gelenke. 827 lachitgrün ist ein Beispiel. So auch die unten eitirten Mör- ner schen !) Färbungen. Bei Eosin und Goldehlorid nimmt die Mantelschicht eine schwächere Färbung, als die übrige differen- zirte Grundsubstanz an. In keinem Falle aber ist die Farbengrenze zwischen ihnen scharf. Im Gegentheil erbietet die Mantelschicht das Bild eines allmählichen Uebergangs der Farben von der formlosen zur inter- mediären differenzirten, zwischen welchen beiden die Farben- differenz gewöhnlich am grössten ist. Diese verschiedene Farbenaufnahme der verschiedenen Theile der Grundsubstanz ist allzu auffallend, als dass sie früheren Forschern hätte entgehen können. Doch ist diese Thatsache zu meinem Erstau- nen wenig in der Literatur hervorgehoben worden. Orth?) hat aber eine Angabe über Rippenknorpel älterer In- dividuen nach Färbung mit Anilinviolett. Er sagt: „Die Zellenkapseln und die nächst anstossenden Theile der Zwischensubstanz färben sich hellroth, die übrige Zwischensubstanz bläulich, doch ist die Vertheilung der Farben nicht überall gleichmässig. Dies Präparat zeigt, dass die Beschaffenheit der an die Kapseln anstossenden Theile der Zwischen- substanz noch mehr mit diesen übereinstimmt als mit den weiter von ihnen entfernten Theilen.“ Renaut?) beschreibt im Kalbknorpel, der in Osmiumdämpfen fixirt und in „glyeerine hematoxylique“ gefärbt worden, „une multi- tude de cereles ou de nuages violets semes autour des capsules carti- lagineuses.“ Er glaubt, dass diese Färbung durch das Vorhandensein einer besonderen Substanz bedingt ist, die er „substance chondro- ehromatique“ nennt. | Untersucht man die differenzirte Grundsubstanz (bei in M. F.-Spiritus gehärtetem Material) mit stärkerer Vergrösserung (Hartnack hom. Imm. Nr. I), so lässt sich gewöhnlich ohne Schwierigkeit konstatiren, dass sie aus stärker und schwächer lichtbrechenden Partikelehen in inniger Mischung besteht. Ge- . wöhnlich verleihen diese der betreffenden Substanz ein feinkör- 1) Mörner, C. Th., Histokemiska iakttagelser öfver tracheal- broskets hyalina grundsubstans. Upsala Läkareförerings förhandlingar. Ba. 23. 1887. 2) Orth, J., Cursus der normalen Histologie. 5. Aufl. 1888, p. 142. 3) Renaut, J., Sur la bande articulaire, la formation eloisonnante et la substance chondrochromatique des cartilages diarthrodiaux. Comptes rendus. T. 104, 1887. 828 J. Aug. Hammar: niges Aussehen; bisweilen glaubt man eine undeutliche Retieulirung zu sehen, bisweilen eine wenig markirte Feinstreifung, haupt- sächlich winkelrecht gegen die Oberfläche des Knorpels. Diese Bilder können bereits ohne jede Färbung hervortreten. Am ge- eignetsten ist hierbei Wasser oder Spiritus als Untersuchungs- flüssigkeit anzuwenden. Eine richtige Auffassung der Bedeutung der betreffenden Bilder erhält man aber erst durch passende Färbung. sin in M. F.-Spiritus gehärtetes Knorpelstück!) wird ins Mikro- tom zwischen zwei Hollundermarkstückehen so eingeklemmt, dass die Schnittrichtung genau rechtwinklig zur Gelenkfläche fällt. Das schiefgestellte Messer wird mit Weingeist angefeuchtet und möglichst dünne Schnitte gemacht. Im Wasser werden sie von den Hollunder- markresten befreit, in Weigert’s Säurefuchsin 5—10 Min. gefärbt (gesättigte Wasserlösnng, mit 1/; vol. Aq. dest. verdünnt). In 70% Weingeist, mit Salzsäure bis 1/,0/, Säuregehalt versetzt, abgefärbt, bis sich keine diekeren Farbenwolken ablösen; in eine 1—2/,ige Lösung von Malachitgrün in 90%, Weingeist gebracht; nach 5 Min.?) in Alko- hol abs. abgespült, bis die anfangs blauschwarzen Schnitte anfangen rothe Flecke zu zeigen. Dann in Xylol gebracht und in Xylol-Kanada- balsam aufgehoben. Auf diese Weise angefertigte Präparate habe ich Jahrelang aufbewahrt, ohne dass eine Veränderung in ihrem Aussehen eingetreten. 3ei schwacher Vergrösserung betrachtet, zeigen diese Prä- parate rothe Zellen und Zeilenfortsätze in der grasgrün gefärbten forınlosen Grundsubstanz eingebettet. Ausserhalb derselben tritt die Mantelschieht mit einem grauvioletten Farbenton hervor, der nach aussen in die stark rothe Farbe der intermediären Züge übergeht. Untersucht man die Mantelschieht eines solehen Schnittes (Taf. XXXIV, Fig. 3 ms) bei starker Vergrösserung (hom. Im- mersion), so heben sich äusserst feine, aber völlig deutliche rothe Linien von dem grasgrün gefärbten Grund ab °). 1) Ich habe bei meinen Knorpeluntersuchungen absichtlich ver- mieden, das Material mit starkem Weingeist resp. Alkohol abs. zu be- handeln und zwar wegen der dabei entstehenden Schrumpfungsbilder. Aus diesem Grunde habe ich im allgemeinen Paraffin- oder Celloidin- einbettung nicht angewendet. 2) Die Zeitangaben können natürlich nur approximativ sein. Eine gewisse Uebung ist erforderlich für eine rechte Abstufung der gegenseitigen Stärke der beiden Farben. 3) Eine gute, genau regulirte Beleuchtung, dünne Schnitte und Ueber den feineren Bau der Gelenke. 829 ‘s liegt nahe, diese Linien für Knorpelfibrillen zu halten, auf deren Vorkommen Tillmanns u. A. die Aufmerksamkeit gerichtet haben. Die Richtigkeit dieser Annahme geht aus dem Folgenden hervor. Die Fibrillen in dieser Region sind gegenseitig parallel und im Allgemeinen ziemlich gerade. Nur hier und dort weichen sie in weitem Bogen von eimander ab, langgestreckte, häufig spindelförmige Lücken freilassend, in denen die Zellengruppen mit umgebender, formloser Grundsubstanz ihren Platz haben. Keine Andeutung einer fascikulären Anordnung war wahrzuneh- nen. Die Faserrichtung in dieser Region erschien mir überall ungefähr winkelrecht gegen die Oberfläche, doch darf man nicht erwarten, dass sie überall gerade mit derjenigen des Verti- kalsehnittes zusammenfalle. Die Fibrillen liegen sehr gedrängt, so dass nur an dünnen Selmmitten die Zwischensubstanz hervortritt, welche sie zu ver- kitten scheint. Diese Substanz ist in der Umgebung der Zellen- gruppen von klarer grasgrüner Farbe, die sich auswärts immer mehr abschwächt; in den intermediären Zügen (iz) sieht man zwischen den rothen Fibrillen einen gleichfalls rothen Farbenton, nur ein wenig blasser als den der Fibrillen. Hieraus folgt, dass diese in letzteren Theilen viel weniger distinkt als in der Man- telschicht hervortreten, wo sie sich von einer Umgebung mit kon- trastirender Färbung abheben. Obwohl also mehr oder weniger auffallend, ist doch die Faserung durch die ganze differenzirte Grundsubstanz unbe- streitlich., Zwischen den Zellengruppen hinziehende, sogen. interkapsuläre Fasern, wie sie v. d. Strieht!) und vor ihm verschiedene andere Ver- fasser beschrieben und abgebildet, sind mir nicht begegnet. Meine Untersuchungen sind aber in dieser Hinsicht zu wenig eingehend ge- wesen, als dass ich wagen wollte, bestimmte Behauptungen darauf zu gründen. Die formlose Grundsubstanz (Taf. XXXIV, Fig. 5 fg) zeigt, wie erwähnt, eine gleichmässige grüne Farbe. Nur hier und da erscheinen Zellenausläufer in derselben als gröbere oder fei- eine gelungene Schnittrichtung sind hierbei nothwendige Vorbedin- gungen. 1) v. d. Stricht, O., Recherches sur la cartilage hyalin. Archi- ves de Biologie. T. 7. 1887. 830 J. Aug. Hammar: nere rothe Punkte und Striche. Keine Andeutung zur Fibrilli- rung ist vorhanden. In ihrer Peripherie treten die „Körner- häufchen“ (a‘) rothgefärbt hervor. Auch zwischen denselben be- grenzt sie sich gewöhnlich mit einer distinkten Aussenlinie von der umgebenden fibrillär differenzirten Substanz. Geht man von diesen also gewonnenen Bildern aus und vergleicht sie mit denen, welche ein ungefärbter oder hämatoxy- lingefärbter Schnitt erbietet, so begegnen verhältnissmässig ge- ringe Schwierigkeiten bei der Deutung derselben. Es sind die Knorpelfibrillen, welche den stärksten lichtbrechenden Bestand- theil der differenzirten Grundsubstanz bilden. Nach der Länge geschnitten, können sie derselben ein gestreiftes Aussehen ver- leihen, was bereits Nykamp') in Betreff der mit Kaliumbiehro- mat gehärteten Knorpel betont hat. Quer- oder schräggeschnitten verleihen die Fibrillen dagegen der Substanz ein scheinbar kör- niges oder retikuläres Aussehen. Während die Fibrillen überall einerlei Färbbarkeit zu be- sitzen scheinen, wird die Verschiedenheit in der Farbe der Man- telschieht und der intermediären Züge ziemlich auffallend von der verschiedenen Tinetionsfähigkeit der interfibrillären Substanz in den verschiedenen Gebieten bedingt. Diese ist es also, die in der Mantelschieht vom Malachit- grün grün und vom Hämatoxylin blau gefärbt wird, während sie hier wenig Verwandtschaft mit dem Eosin oder Goldsalz zeigt. In allen diesen Fällen ist ihre Färbbarkeit in den centralen Theilen der Mantelschieht dieselbe, wie sie in der formlosen Grundsubstanz des Knorpels auftritt. Dasselbe Verhalten finden wir bei den Mörner’schen Färbereactionen wieder. Nirgends habe ich diese Substanzen — die interfibrilläre der Mantelschicht und die formlose — verschiedene Färbbarkeit aufweisen sehen. In der Literatur habe ich die Angabe von zwei Methoden angetroffen, um durch Färbung die Faserung des hyalinen Knorpels nachzuweisen. Nykamp?) und v. d. Stricht?) gebrauchen zu diesem Zwecke Pikrokarminfärbung. Letzterer bedient sich dieser Methode auf allerlei Material und nach allerlei Konservirungsmethoden als: Härtung in Müller’s Flüssigkeit (3—4 Wochen), Chromsäure 1°%/,, oder Alkohol. 1) Nykamp, A., Beitrag z. Kenntniss der Struktur d. Knorpels. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 14, 1877, p. 49. 2). c. p: 495. 3)"1. e.0P90: Ueber den feineren Bau der Gelenke. 831 Flesch!) giebt an, dass Fürbringer’s®) kombinirte Färbung mit Hämatoxylin, Eosin und Methylgrün dasselbe Ergebniss im Säuge- thierknorpel liefert. Eine angestellte Kontrolluntersuchung mit Anwendung letzterer Methode ergab aber, dass die Faserung zwar hervortrat, aber nicht wegen Farbendifferenzirung, sondern nach meiner Erfahrung nur in Folge der Verschiedenheit in der Liehtbrechung zwischen dem wasser- haltigen Schnitt und dem Untersuchungsmedium (Nelkenöl). Zu demselben Ergebniss scheint Vogel’) gekommen zu sein, nach seiner Angabe zu urtheilen, dass der Alkohol, nicht die Farben- lösung, das Hervortreten der Faserung bewirkt. Die im Vorhergehenden erhaltenen Erfahrungen in Betreff der Grundsubstanz des Knorpele werden durch Resultate ver- schiedener Macerations- und Digestionsversuche ergänzt und be- stätigt. Ich habe mich hierbei verschiedener Flüssigkeiten be- dient, die von verschiedenen Forschern zur Nachweisung der fibrillären Struktur des Knorpels angewendet wurden. Von frischem Knorpel wurden Vertikalschnitte mittelst Mikro- tome angefertigt, hauptsächlich nach der auf S. 823 angegebenen Methode; das Messer war hierbei trocken oder mit Wasser angefeuch- tet. Serien von 20—30 Schnitten wurden in jede der unten angege- benen Flüssigkeiten gebracht; nur der erste und letzte Schnitt jeder Serie wurde als Kontrollpräparat zurückbehalten, in Hämatoxylin ge- färbt und in Glycerin eingeschlossen. Die erprobten Macerationsflüssigkeiten waren: 10%, Kochsalz- lösung und Chamäleonlösung (1/,/,) nach Tillmanns®), Kalk- und Baryt- wasser (Baber), 1°, Chromsäure (v. d. Stricht) und 5°, neutr. chromsaures Ammon (Nykamp). Daneben Trypsindigestion (Ewald- Kühne, Tillmanns) |Glycerinextrakt auf Kalbpankreas°’) 6 ccm, 5%, Sodalösung (aq.-freies Salz) 2ccem, Aq. dest. 12 cem]. Die Macerationsflüssigkeiten wurden häufig erneuert, die Menge derselben war reichlich (100—200 eem jedesmal); nach der Auswaschung in fliessendem Wasser wurden die Schnitte in Aq. dest. untersucht. 1) Würzburger Verhandl. Bd. 14. Sitzungsber. p. IV. 2) Fürbringer, M., Ueber das Gewebe des Kopfknorpels der Cephalopoden. Morph. Jahrb. Bd. III. 1877. 3) Vogel, A., Die Saftbahnen des hyalinen Knorpels. Dissert. 11833, pP. 28. 4) Tillmann empfiehlt aber in Betreff des Chamäleon nur „mittelstarke Lösung“, „mitteldunkel-violett gefärbte Flüssigkeit“. (Bei- träge z. Histol. d. Gelenke, p. 434.) 5) Für dieses Extrakt und für Rath und Anweisungen bei der Anordnung der Digestionsversuche bin ich Prof. Hammarsten zu Dank verpflichtet. 832 J. Aug. Hammar: Wo Kalk- oder Barytkrystalle die Schnitte in grösserer Menge bedeckten, wurden diese vor der Untersuchung mit 1°/, Essigsäure und erneuerter Auswaschung in Wasser behandelt. Die Anzahl der untersuchten Gelenkknorpel betrug 51). Sie stammten von vier verschiedenen und zwar erwachsenen Personen, vom Fuss- und Kniegelenk (ein Knorpel von der Oberfläche der Corp. Tali, einer von der Patella, drei von den Femurkondylen). Alle er- gaben übereinstimmende Resultate. Nun zeigte sich, dass alle die erprobten Flüssigkeiten die “ähigkeit besassen, dem Knorpel mit grösserer oder geringerer Schnelligkeit em fibrilläres Aussehen zu verleihen. Nur ehrom- saures Ammon ergab undeutliche Bilder, auch nach der Einwir- kung während eines so langen Zeitraums wie 5 Monate ?). In Betreff des Aussehens und der Anordnung der Fibrillen bekräftigten diese Präparate die durch Färbung erhaltenen Bilder. Sehr häufig fanden sich — namentlich an den dünneren Rändern des Schnittes — isolirte Fibrillen, Bilder, die ohne eine solehe vorläufige Behandlung gar nicht hervortreten. Dies Verhalten scheint dazu geeignet, die Ansichten der Verfasser zu bestätigen, dass betreffende Reagentien auslösend auf die interfibrilläre Kitt- substanz einwirken. Bei emem nach emer der angegebenen Arten behandelten und nachher hämatoxylingefärbten Schnitte ?) erhält man je nach dem Grad der Einwirkung der Reagentien verschiedene Bilder. Man findet also anfangs Stufen, wo entweder die Mantelschicht allein oder sowohl diese als die formlose Grundsubstanz unge- färbt hervortreten. Die intermediären Züge sind in letzterem Falle die am stärksten blaugefärbten Theile des Schnittes. Die Farbenverthei- lung in einem solehen Schnitte ist also derjenigen des Controll- präparats gerade entgegengesetzt. Als Endresultat findet man 1) Zwei davon wurden aber nicht mit Kalkwasser und Trypsin untersucht. 2) Vielleicht war das angewendete Chromsalz nicht von geeig- neter Beschaffenheit. 3) Ich habe dabei im allgemeinen progressive Färbung gebraucht. Nur nach Einwirkung der Chamäleonlösung erwies sich eine stärkere Ueberfärbung nothwendig, um dadurch womöglich die durch das Man- sansalz hervorgerufene braune Schnittfarbe zu beseitigen. Die über- färbten Schnitte wurden danach in geeignetem Grade mit salzsäure- saurem Spiritus entfärbt. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 333 eine relativ schwache und zwar ganz diffuse Färbbarkeit des Schnittes. Die charakteristische Neigung des Knorpels dem Hämatoxylin gegenüber ist verschwunden und die von der um- gebenden Kittsubstanz befreiten Fibrillen zeigen keine grössere Vorliebe für den Färbestoff als z. B. die Bindegewebsfibrillen. Während sich bei unvollständiger Maceration resp. Digestion meistens noch formlose Grundsubstanz in den Sehnitten nach- weisen lässt, wenn auch ohne ihre charakteristische Färbbarkeit, so fehlt dieselbe in den zuletzt beschriebenen Bildern gewöhnlich gänzlich. Die Zellenreste liegen hier in weiten Hohlräumen, die direet von fibrillärer Substanz begrenzt sind. Wenn man Schnitte auf verschiedenen Stadien der Maceration resp. Digestion vergleicht, findet man, dass die formlose Grund- substanz in der Regel zuerst ihre Färbbarkeit (für Hämatoxylin) einbüsst, später allmählich verschwindet und einen Hohlraum hinterlässt, dessen Weite der ursprünglichen Ausdehnung der betreffenden Substanz entspricht. Sie kann übrigens theilweise und mit homogenem Aussehen übrig sein noch dann, wenn die Fibrillen der differenzirten Grundsubstanz bereits deutlich her- vortreten. Dies Alles zeigt, dass dieselben Reagentien, welche die Knorpelfibrillen durch Auslösung der interfibrillären Substanz freimachen, auch die formlose Grundsubstanz des Knorpels auslösen können. Die Schnelligkeit, womit diese Auslösung geschieht, wechselt bei den verschiedenen Reagentien. Auch in dieser Hin- sicht scheinen die Thatsachen rücksicehtlich der interfibrillären und der formlosen Substanz sich analog zu stellen. Beide wer- den am kräftigsten vom Baryt- und Kalkwasser nebst Trypsin- digestion beeinflusst. Etwas weniger wirksam sind die Chrom- säure- und Chamäleonlösungen, während die Kochsalz- und be- sonders Ammoniumchromatlösungen die schlechtesten Resultate ergeben. Nur an den dünnsten Schnitträndern erscheint die formlose Grundsubstanz nach dreimonatlicher Behandlung mit Kochsalzlösung beseitigt und die Fibrillen liegen frei; eine ebenso langwierige Maceration in Ammoniumehromatlösung vermochte nur ihre Färbungsfähigkeit zn beeinträchtigen und zwar nur an den Schnitträndern. Diese Eigenschaft der formlosen Grundsubstanz bei gewissen 834 J. Aug. Hammar: Reagentient), die Tinktionsfähigkeit einzubüssen oder ganz aufgelöst zu werden, dürfte eine Erklärung abgeben, weshalb diese Substanz von einigen Verfassern, die die fibrilläre Struktur des hyalinen Knor- pels untersuchten, gar nicht erwähnt wird. So glaubt Tillmanns?) auf Grund seiner trypsindigerirten Prä- parate das Vorkommen von präformirten Höhlen für die einzelnen Zellen in Frage stellen zu können. Er fügt hinzu: „aber wenn die Zellen in grösserer Zahl zusammenliegen, so ist es leicht erklärlich, dass das faserige Grundgewebe von grösseren oder kleineren Hohl- räumen, von mehr oder weniger regelmässig ausgebildeten Höhlen durchsetzt wird“. Aus Obigem geht also hervor: Dass die meisten Zellen in der Region der langgestreckten Gruppen von einer structur- oder formlosen Einbettungsmasse um- geben sind, ausserhalb welcher die Grundsubstanz des Knorpels fibrillär differenzirt ist; dass die interfibrilläre und die formlose pericelluläre Sub- stanz einerlei Löslichkeit zu besitzen scheinen, während die in der Nähe der Zellengrnppe vorkommende Aehnlichkeit ihrer Tinetionsfähigkeit nach auswärts allmählich abnimmt und ver- schwindet. Nach meinem Dafürhalten fehlt unter solehen Verhältnissen nicht ganz eine Stütze für die Annahme, dass es eine und die- selbe Substanz ist, welche die Zellen zunächst umgibt und die sich als Kittsubstanz mit einer allmählich modifieirten Tinetions- fähigkeit nach auswärts zwischen den Knorpelfibrillen fortsetzt. Dieses gleichzeitige Vorkommen einer formlosen und einer fihrillär differenzirten Grundsubstanz scheint nicht etwas nur für den hyalinen Gelenkknorpel des Menschen Auszeichnendes zu sein. Im Gegentheil habe ich in allen hyalinen Säugethier- knorpel, die ich in dieser Hinsieht untersuchte, eine Andeutung analoger Verhältnisse zu finden geglaubt. [Z. B. beim Nasen-°), 1) Dass solche Reagentien (z. B. Chromsäure) nicht als geeignete Conservirungsmittel für den Knorpel betrachtet werden können, ist selbstverständlich. Dagegen scheint mir die Aehnlichkeit der Bilder des frischen und des in M. F.-Spiritus behandelten Materials zu Gun- sten dieser Conservirungsmethode zu sprechen. 2) Tillmanns, H., Ueber die fibrilläre Struktur des Hyalin- knorpels. Arch. f. Anat. u. Physiol. Anat. Abth. 1877, p. 17. 3) Als ein Untersuchungsobjekt, das geeignet ist, ohne Schwierig- Ueber den feineren Bau der Gelenke. 83 Schild-, Tracheal-, Rippen- und Epiphysenfugenknorpel!) des Menschen.] Spina?) beschreibt, wie auf verschiedenen Orten, namentlich im Giessbeckenknorpel des Pferdes aber auch im „Gelenkknorpel von Greisen“, zwei Knorpelarten vorkommen, die er weisser und gelber Knorpel nennt. Der erstere bildet verästelte Balken; die Zwischen- räume derselben sind von dem «elben Knorpel ausgefüllt. Die Be- schreibung dieser Thatsachen und der von Spina gefundenen ver- zweigten Zellen erinnern etwas an die von mir gelieferte Schilderung. Bei einem Blick auf Spina’s Bilder zeigt sich jedoch keine Aehnlichkeit mit den von mir beschriebenen Strukturverhältnissen. Eine nach der von S. angegebenen Methode (Härtung und Untersuchung in Alkohol) vorgenommene Kontrolluntersuchung hat mir wahrscheinlich gemacht, dass seine Bilder zur Kategorie der sogenannten „Alkohol- fasern“ (Solger) gehören auf welche ich im Folgenden etwas näher eingehen werde. Spina selbst bezeichnet auch die Balken als analog mit den Saftkanälchen Budge's. Dagegen dürfte, was ich hier als formlose Grundsubstanz ge- schildert habe, Neumann'’s Pericellularsubstanz?) entsprechen. Er spricht bekanntlich als seine Ansicht aus: „dass der täuschende An- schein von Hohlräumen im Knorpel einfach darauf beruht, dass im nächsten Umfange der Knorpelzellen die hyaline Grundsubstanz des keit eine orientirende Uebersicht der Verhältnisse der formlosen und der fibrillär differenzirten Grundsubstanz in dem „hyalinen“ Knorpel zu geben, können Cart. pinnales (Härtung in M. F.-Spiritus) des Men- schen empfohlen werden. Ein durch einen solchen Knorpel geführter, in Alaunhämatoxylin gefärbter und in Spiritus oder Wasser unter- suchter Vertikalschnitt zeigt, wie die Zellen in den centralen Thei- len des Knorpels im allgemeinen von einer geringen Menge homogen blaugefärbter, formloser Grundsubstanz umgeben sind. Ausserhalb derselben ist die von einzelnen elastischen Fasern durchsetzte Grund- substanz fein gestreift und zwar winkelrecht gegen die perichondrium- bekleidete Fläche des Knorpels. Ein durch die centralen Theile gelegter Flächenschnitt da- gegen zeigt die differenzirte Grundsubstanz mit dem gewöhnlich be- schriebenen „feinkörnigen“ Aussehen. Unabhängig von der Schnittrichtung treten die von den „Knor- pelkapseln“ bedingten, vom Hämatoxylin ungefärbten, glänzenden Ringe auf der Grenze der formlosen und der differenzirten Grund- substanz hervor. 1) Inbetreff des letzteren vergl. unten. 2) Spina, A., Beiträge zur Histologie des hyalinen Knorpels. Med. Jahrb. 1886. 3) Neumann, E., Bemerkungen über das Knorpelgewebe und den Össifieationsprocess. Arch. d. Heilkunde, Bd. 11, 1870. 836 J. Aug. Hammar: Knorpels sich in ihrem Lichtbrechungsvermögen von wässrigen Flüs- sigkeiten nicht unterscheidet, während sie gegen die übrige, stärker liehtbrechende Grundsubstanz und insbesondere gegen die nach aus- sen zunächst an sie anstossende Kapselschicht sich mit scharfer Grenze abhebt“. Nach N. besitzt also die Grundsubstanz des Knorpels „eine dreifache Gliederung“ in pericelluläre Substanz, Kapselsubstanz und eigentliche Intercellularsubstanz. Durch eine in centrifugaler Richtung fortschreitende Umwandlung gehen die inneren dieser Substanzen in die nächst ausserhalb derselben liegende über. Die mittlere dieser Schichten — die Kapseln —, die sich auch nach N.’s Angabe nicht immer genau markirt, fehlt normaler Weise in den eentralen Theilen des Gelenkknorpels. In einigen Perichondrie beklei- deten Knorpeln (z. B. Rippen-, Trachealknorpel u. a.) hebt sich dagegen häufig auf der Grenze der differenzirten und formlosen Grundsubstanz eine scharf glänzende, homogene Grenzlinie ab, die vom Hämatoxylin ungefärbt bleibt, aber vom Eosin grell roth tingirt wird. Am unge- färbten Schnitt scheint diese Knorpelkapsel die innerste Begrenzung der Zellenhöhle zu sein, indem die formlose Grundsubstanz gewöhnlich hier nicht sichtbar ist. Schon aus dem auf S. 819 Gesagten ist zu entnehmen, dass ich keine Bestätigung der grossen Schwellungsfähigkeit gefunden habe, die N. der pericellulären Substanz zuschreibt. 3esonderes Interesse scheinen mir in dieser Hinsicht der Sehild- und Trachealknorpel von (ausgewach- senen)Rindern zu erbieten. In den centralen Theilen dieser Knorpel hat Mörner!) das Vorkommen zweier an Tinktions- fähigkeit und Zusammensetzung von einander gut charakterisirter, regelmässig abwechselnder Gebiete der Grundsubstanz nachge- wiesen. Die eine, „die Chondrinballen“, bildet um die einzelnen Zellengruppen mächtige Einbettungsmassen von runder oder com- plieirterer Form, die andre, „das Trabekelwerk“, trennt die be- nachbarten Chondrinballen von emander. 3ej der Untersuchung eines solchen Knorpels mittelst Fär- bung mit Säurefuchsin-Malachitgrün, Maceration oder Trypsin- digestion nach oben angegebenen Methoden, weist das Trabekel- werk Knorpelfibrillen auf, während die Substanz der Chondrin- ballen strukturlos bleibt. Hier scheint also der formlose Theil der Grundsubstanz eine weit grössere Rolle zu spielen als im Gelenk- und den übrigen Yale. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 837 untersuchten Knorpeln; da ferner dieser Knorpel von Mörnert) in mehreren Beziehungen einer eingehenden Untersuchung unter- worfen ist, so erschien es mir von Interesse einen Vergleich zwischen den Chondrmballen und dem Trabekelwerk emerseits und entsprechenden Gebilden im Gelenkknorpel des Menschen andrerseits einzuleiten. Hinsichtlich der Tinktionsfähigkeit habe ich dabei vollständige Analogie konstatiren können. Mörner hat mehrere Farbenreak- tionen für die Chondrmballen und das Trabekelwerk angegeben: für jene Färbbarkeit in Anilinroth, Methylviolett und Berlinerblau in statu nascendi; für diese Tropäolin und Indigoextrakt. Indem ich in Allem?) die Richtigkeit dieser Mörner’schen Angaben konstatiren konnte, fand ich auch, dass die formlose und die differenzirte Grundsubstanz im Gelenkknorpel eine mit derje- nigen der Chondrinballen resp. des Trabekelwerkes übereinstim- mende Beziehung aufweisen. Dieselben Analogien fanden sich auch bei Hämatoxylin-Eosim- oder Goldfärbung des Rindknorpels; so auch, wie bereits erwähnt, bei Doppelfärbung mit Säurefuchsin- Malachitgrün. Weniger günstig fielen, wenigstens beim ersten Anblick, Ma- cerations- und Digestionsversuche aus, die mit denselben oben angegebenen Flüssigkeiten angestellt wurden. Nur mit Chamäleon- lösung und bei Trypsindigestion ?) gelang die Auslösung der Chon- drinballen ohne weiteres; die andren Flüssigkeiten benahmen ihnen zwar die Färbbarkeit für Hämatoxylin mehr oder weniger vollständig, vermochten aber nicht sie zu entfernen. 1) I. e. und Mörner, ©. Th., Studier öfver trakealbroskets kemi. Ups. läkarefören:s förhandl. Bd. 24, 1888. 2) Ich betone diese Thatsache gegenüber Wolters (Zur Kennt- niss der Grundsubstanz und der Saftbahnen des Knorpels. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 32), der vorzugsweise mit der Doppelfärbung mittelst Methylviolett-Tropäolin Erfolg hatte. Er wendete aber alkoholge- härtetes Gewebe an, ich arbeitete hauptsächlich mit in M. F.-Spiritus konservirtem Material, während Mörner (nach mündiicher Mittheilung) den Knorpel in frischem Zustande färbte. 5) Eine schwache, langsam wirkende Trypsinlösung ist hierbei erforderlich, da die Schnitte sich sonst ganz auflösen. Ich habe des- halb bei übrigens derselben Zusammensetzung der Digestionsflüssig- keit nur etwa !/, oder ?/, der oben angegebenen Menge vom Pankreas- Extrakt angewendet. 838 J. Aug. Hammar: Diese von derjenigen der formlosen Substanz abweichende Lös- lichkeit scheint sich aber auf eine nur quantitative zu beschränken und zwar auf eine grössere Schwerlöslichkeit der Chondrinballen. Wenigstens gelang es das Ziel, die Auslösung der Chondrinballen, durch die eine oder andre Art der Potenzierung der Einwirkung dieser Reagentien zu erreichen. Wenn man also mit starker Chromsäure (25°/, nach Mörner’s Vorschrift) arbeitet, lässt sich der Process bequem unter dem Mikroskop während der wenigen, dazu erforderlichen Minuten verfolgen. Bei Digestion in Wärme (40° G,) mit Barytwasser (Kalkwasser wurde nicht erprobt) erhielt man dasselbe Resultat. Dieselbe Wirkung erwies sich auch mit '/,°/‚iger Kalilauge bei derselben Temperatur. Von den schwächer wirkenden wurde nur Kochsalzlösung (10 °/,) in Wärme geprüft. Auch jetzt wurde nieht mehr erreicht als eine Herabsetzung der Tinktionsfähigkeit der Chondrinballen für Hämatoxylin, und zwar obgleich die Digestion während zwei Wochen fortgesetzt wurde. Trotz befindlicher Verschiedenheiten hat man also dem An- schein nach ein gewisses Recht eine Analogie zwischen „den Chondrinballen“ und der „formlosen Grundsubstanz“ anzunehmen. Von dieser Vorstellung ausgehend habe ich bei der Wahl der Terminologie die Benennung „Knorpelkapsel“ für die die Zellen umschliessende strukturlose Grundsubstanz nicht zutreffend ge- funden. Es erschien mir nämlich etwas gezwungen die umfang- reichen, häufig äusserst komplieirt gestalteten Chondrinballen so zu rubrieiren. Der Namen bezieht sich ja übrigens auf ein ganz anderes, im normalen Gelenkknorpel nicht vorkommendes Gebilde. Auch die Aufnahme des Namens Chondrinballen erschien mir un- eigentlich. Nicht allein, dass er mir mit der Vorstellung einer &ewissen chemischen Zusammensetzung verknüpft erscheint, von deren Vorkommen in den entsprechenden Gebilden des Gelenk- knorpels mir nichts bekannt ist, sondern noch mehr aus gewissen morphologischen Gründen. Diese lassen sich übrigens mit dem- selben Recht gegen die ältere Benennung „Knorpelkapsel“ geltend machen. Mit Apolant!) habe ich nämlich in einigen, zur Gruppe 1) Apolant, H., Ueber Faserknorpel. Dissert. 1590. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 839 des Bindegewebsknorpels gehörenden Geweben eine Substanz ge- funden, die nach ihrem Aussehen und ihrer Tinktionsfähigkeit mit dem strukturlosen Theil der Grundsubstanz des Knorpels übereinzustimmen und auch (wie an der Randpartie des Knorpels) eine direkte Fortsetzung desselben bilden zu können scheint. Hier im Bindegewebsknorpel bildet sie aber häufig keine runden Massen, sondern tritt in Form unregelmässiger Blätter und Septen allerlei Art zwischen den Fibrillbündeln auf. Da es nach meinem Dafürhalten nicht unwahrscheinlich ist, dass fortgesetzte Untersuchungen eine innige Verwandtschaft oder Identität zwischen allen diesen Substanzen werden nachweisen können, so erschien es mir geeignet eine Terminologie zu wählen, die auf alle passen kann. Dabei habe ich die Benennungen in Analogie mit denen gewählt, die für die entsprechenden Theile des Bindegewebes schon lange ziemlich gangbar gewesen. 2, Die Resion derwunden Zellenpruppen. Ueberträgt man die Untersuchung auf das Gebiet, wo die Form der Zellen sich den runden nähert, so findet man auch hier oft ein Verhalten, das in allem Wesentlichen mit dem über- einstimmt, das in dem bisher geschilderten Theil des Knorpels die Regel bildet. In wechselnder Tiefe dieser Region erscheint indessen der Umfang der Mantelschicht vermindert und schliesslich fehlt die- selbe ganz. Auf demselben Niveau oder etwas mehr oberflächlieh ist auch die formlose Grundsubstanz redueirt. Schliesslich hat auch diese aufgehört; die Zellen scheinen direkt von blass gefärbter, differenzirter Grundsubstanz umgeben zu sein. Man kann in solchen Fällen die runden Zellengruppen drei verschiedene Arten von Bildern darstellen sehen: 1) in der Tiefe Gruppen, die von formloser Grundsubstanz und von Mantelschieht umschlossen sind. 2) Gruppen, die von formloser Grundsubstanz ohne Mantelschicht umgeben sind. 3) Am oberflächlichsten Gruppen, die unmittelbar in wenig gefärbter, differenzirter Grundsubstanz eingebettet liegen. Alle drei Arten können wie gesagt in dieser Region vor- kommen. Nicht so ganz selten fehlt aber bald ersteres, bald letzteres Bild, oder mit anderen Worten, bald hört die Mantel- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 54 540 J- Aue Hamman! schicht schon beim Uebergang zwischen der langgestreckten und der runden Zellengruppen auf, bald ist die formlose Grundsubstanz um die Gruppen bis zu der Region der platten Gruppen oder sogar bis in dieselbe hinein beibehalten. Ich habe schon genügend von den unter 1) angeführten Bildern gesprochen. Auch von denen unter 2) ist nicht viel hinzu- zufügen. Das Aussehen und das Verhalten der verzweigten Zellen zur formlosen Grundsubstanz bleibt gewöhnlich dasselbe wie in den darunter liegenden Zellengruppen. Nur die Tinktionsfähigkeit der umgebenden differenzirten Substanz ist herabgesetzt. Angemerkt zu werden verdient, dass man auf Flächenschnitten durch dieses Gebiet in gewissen Fällen ein Bild erhalten kann, das eine scheinbare Versetzung der Farbenvertheilung in der diffe- renzirten Substanz aufweisen kann. Die stärkere Färbung tritt nämlich zwischen den Zellengruppen hervor, während die nächste Umgebung ausserhalb ihrer formlosen Grundsubstanz wenig oder gar nicht gefärbt ist. Ein Vergleich mit dem Vertikalschnitt zeigt, dass das Bild dadurch bedingt ist, dass die Mantelschichten von darunter liegenden Zellengruppen zwischen solche Gruppen hin- aufragen, denen diese Schicht fehlt. In den Zellenhöhlen, um welehe die formlose Grundsubstanz nur als eine ganz dünne Schicht da ist, zeigen die Zellen ge- wöhnlich ein verändertes Aussehen. Der Zellenkörper ist mehr gerundet, protoplasmareicher, seine Schrumpfung (in gehärtetem Material) bedeutender. Die betreffenden Veränderungen sind noch auffallender, wo die formlose Grundsubstanz ganz fehlt. Auch hier haben die Zellen in der Regel Fortsätze. Diese ziehen sich längere oder kürzere Strecken in die differenzirte Grundsubstanz hinein, welche die unmittelbare Begrenzung der Zellenhöhle bildet. In Anzahl und Anordnung wechselnd lassen sich die gröberen nicht so ganz selten auch auf Präparaten mit Härtung in M. F.-Spiritus und Färbung in Hämatoxylin und Eosin verfolgen (Taf. XXXV, Fig. D)). 1) Beim Studium dieser und oberflächlicherer Theile des Knor- pels nach der Hämatoxylin-Eosinmethode ist eine starke Hämatoxylin- färbung (keine Entfärbung), eine kurze Eosinbehandlung (Y/, Stunde in der p. 817 angegebenen Lösung) und gründliche Differenzirung in Kochsalzglycerin erforderlich. Nur so gelingt es den Zellen und der Grundsubstanz genügend von einander abstechende Farbentöne zu verleihen. Ueber den feineren Bau der Gelenke. s41 Das Bild ist um so deutlicher, als diese gröberen Fortsätze (a) nicht selten in recht weiten Kanälen (k) liegen, die eine direkte Verlängerung der Zellenhöhle (zh) bilden. Durch die Schrumpfung der Fortsätze markiren sich diese Thatsachen bisweilen nur um so besser. In der Umgebung solcher Ausläufer erscheint die Grund- substanz oft wie von feinen, rothen Körnern (a‘) infiltrirt. Die Ausläufer selbst verlieren sich nach längerem oder kürzerem Ver- lauf gewöhnlich in ein Kornhäufehen. Obwohl sich auch hier Methylviolett vortheilhaft als Kon- trollmittel gebrauchen lässt, sind es doch erst die goldgefärbten Präparate, welche eine genauere Kenntniss der Zellenfortsätze ermöglichen. Sie zeigen sich hierbei schon von ihrem Abgang von der Zelle reich verzweigt (Taf. XXXV, Fig. 10). Der Ver- ästelungstypus scheint im Ganzen derselbe, buschige, zu sein, wie bei den tieferen Zellenausläufern bei ihrem Eindringen in die differenzirte Grundsubstanz. In der Länge und Dicke erbieten sie recht beträchtliche individuelle Variationen. Gelegentlich sieht man sie aber in den Gruppen mit einander verbunden. Anastomosen zwischen den verschiedenen Gruppen kommen nur ausnahmsweise vor. Ein Zusammenhang zwischen den Zellenausläufern und den Fibrillen oder der interfibrillären Substanz der Grundsubstanz habe ich hier eben so wenig wie in anderen Theilen des Gelenkknorpels nach- weisen können. Nach Heitzmann's!) Abbildungen zu urtheilen, scheinen die eben beschriebenen verzweigten Zellenformen, die auf den goldge- färbten Präparaten hervortreten, seiner eigenthümlichen Auffassung vom Bau des Knorpels zu Grunde gelegen zu haben. Eine unver- kennbare Aehnlichkeit ist auch in gewissen Beziehungen zwischen H.’s Fig. 16 und meiner Fig. 10, Taf. XXXV vorhanden. Man hat versucht H.'s Bilder weg zu disputiren, als bedingt durch einen oberflächlichen Niederschlag von Goldkörnern, der sich fortpinseln liesse?). Das Unberechtigte einer solchen Behauptung geht schon aus H.’s ausdrücklicher Erklärung hervor, dass er die ober- flächlichen Schnitte immer unberücksichtigt gelassen). 1) Heitzmann, C., Studien am Knochen und Knorpel. Medice. Jahrb. 1872. 2) So z. B. Brückner, E., Ueber Eiterbildung von hyalinem Knorpel. Inaug.-Diss. 1873, p. 17. a) l. €. pP. 382: 842 J. Aug. Hamma?: Die Faserung der Grundsubstanz ist in dieser Region recht schwer auf gewöhnlichen Schnitten zu konstatiren. Die Substanz hat auch bei starker Vergrösserung ein mehr homogenes Aussehen als in dem tieferen Theil des Knorpels. Bei Doppelfärbung mit Säurefuchsin und Malachitgrün markiren sich die Fibrillen wenig, indem diese Region und überhaupt der ganze oberflächliche Theil des Knorpels dabei eine fast diffuse, rothe Farbe annehmen. Auch auf Macerationspräparaten bin ich wenig in der Lage ge- wesen die näheren Verhältnisse beim Uebergang von der ver- tikalen..Fibrillenrichtung der tieferen Theile zur horizontalen der der Oberfläche zunächst liegenden zu studiren. Dass ein soleher Uebergang hier stattfindet, wie v. d. Strieht!) angiebt, erscheint mir ziemlich unzweifelhaft. 3. Die Region der platten Zellenglupp.en. In dieser oberflächlichsten Region des Knorpels tritt wieder eine homogene Einbettungsmasse um die Zellen hervor. Sie ist augenscheinlich von derselben Art wie die, welche bei der Ge- lenkmembran als Kapselsubstanz?) beschrieben worden. Auf die Bilder, die von derselben bedingt sind, werde ich weiter unten näher eingehen. Es scheint mir aber geeignet vorher einige Haltepunkte auf- zustellen zur Beurtheilung, in wie weit diese Kapselsubstanz und die in den tieferen Theilen des Knorpels vorkommende formlose Grundsubstanz wirklich verschiedener Art sind. Färbemitteln gegenüber zeigt sich, soweit meine Er- fahrung reicht, eine durchgehende Verschiedenheit. Nicht allein, dass die formlose Grundsubstanz bei Hämatoxylin- Eosin-Färbung konstant blau wird, die Kapselsubstanz roth — beide gewöhnlich mit derselben ausgeprägten Verwandtschaft für ihr Färbemittel. Bei Goldfärbung verbleibt die formlose Grundsubstanz, wie bereits erwähnt, ungefärbt, während die Kapselsubstanz offenbar stark redueirend auf das Goldsalz einwirkt; sie nimmt entweder 1)/2. 6, pr 48} 2) Sowohl Innen- als Aussenkapseln können auch hier vorkom- men. Die ersteren sind aber an Anzahl überlegen, auf sie bezieht sich auch die folgende Schilderung zunächst. Bei den Innenkapseln habe ich dem bereits Gesagten nichts hinzuzufügen. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 843 eine ganz diffuse, schwärzliche Farbe an oder sie wird mehr oder weniger reichlich mit einem Niederschlag von schwarzen Körnern imprägnirt. In beiden Fällen ist die Färbung gewöhnlich so stark, dass die eingekapselte Zelle dadurch ganz unsichtbar werden kann !)). Auch bei sämmtlichen oben angeführten Anilinfärbungen (die Mörner’schen und die mit Säurefuchsin-Malachitgrün) treten Gegensätze in der Tinktionsfähigkeit auf. Die Kapselsubstanz nimmt dabei regelmässig dieselbe Farbe wie die intermediären Züge resp. das Trabekelwerk an, während, wie bereits betont, eine innige Uebereinstimmung zwischen der formlosen Grundsub- stanz und den Chondrinballen herrscht. Bei den oben abgeprobten Macerationsmitteln treten auch Verschiedenheiten auf. Mehrere dieser Flüssigkeiten scheinen sich indifferent gegen die Kapselsubstanz zu verhalten. Mit un- veränderter Färbbarkeit für Eosin ist sie nach 2!/,—3 monatlicher Behandlung in Kalk- oder Barytwasser, 10 °/, Kochsalz- oder 5°], Ammoniumehromat-Lösung noch vorhanden. Chamäleonlösung er- gab unsichere Resultate sowohl wegen der dadurch hervorgeru- fenen Verfärbung, als auch wegen der Neigung des Knorpelschnitts sich bei längerer Behandlung mit dieser Flüssigkeit zu zerbröckeln. Jedenfalls scheint die Auslösung der Kapselsubstanz durch Cha- mäleonlösung, wenn dieselbe überhaupt stattfindet, weit langsamer als die der formlosen Grundsubstanz vor sich zu gehen. Dies gilt auch von 1°/, Chromsäurelösung. Typsindigestion scheint dagegen beide betreffende Substanzen gleich schnell aufzulösen. Diese Substanzen unter solchen Umständen ohne weiteres für identisch zu erklären kann offenbar nicht berechtigt sein. Ich habe mir daher auch erlaubt, sie unter verschiedenen Namen anzuführen, ohne aber dabei eine Ansicht aussprechen zu wollen, inwiefern diese Verschiedenheiten den Reagentien gegenüber einen Unterschied mehr oder weniger wesentlicher Art andeuten. Dekhuyzen?) erwähnt basophile und acidophile Neigungen der Zellen, der jüngsten Knorpelkapseln und der pericellulären Substanz. 1) Es ist kaum nöthig zu bemerken, dass die Goldmethode unter solchen Umständen für das Studium der eingekapselten Zellen nicht anwendbar ist. In Betreff derselben bin ich auch fast ausschliesslich auf Hämatoxylin-Eosinfärbung angewiesen gewesen. 2) Dekhuyzen, Over den aard von het process der kleuring, 844 J. Aug Hammar: Inwiefern diese Angaben mit den oben angegebenen Verschieden- heiten der formlosen Grundsubstanz und der Kapselsubstanz in Be- ziehung stehen ist mir unmöglich zu entscheiden, da D.'s Ergebnisse mir nur aus dem kurz gefassten Referat in Hofmann-Schwalbe's Jahresbericht bekannt sind. Innerhalb der bisher beschriebenen Gebiete des Knorpels treten die Zellen und die Zellengruppen im Allgemeinen mit dem- selben Aussehen auf Vertikal- und Flächenschnitten auf. Anders verhält es sich in den oberflächlichen Theilen des Knorpels, zu deren Schilderung ich jetzt übergehe der Region der platten Zellengruppen. Die Bilder wechseln hier mit der Schnittriehtung, und eine Vergleiechung von Vertikal- und Flächenschnitten ist da- her erforderlich, um eine richtige Auffassung der Strukturverhält- nisse zu bekommen. Schon ein nur hämatoxylingefärbter Vertikalschnitt zeigt, wie die runden Zellengruppen in einer bei verschiedenen Knorpeln etwas verschiedener Entfernung unter der Gelenkfläche anfangen sich abzuplatten und ziemlich schnell von Gruppen lang- sestreckter, mit der Fläche ungefähr paralleler, bikonvexer oder spindelartiger Form ersetzt werden. Die Abplattung ist gewöhn- lieh ausgeprägter, je mehr man sich der Oberfläche nähert. In der Mehrzahl dieser Gruppen sieht man gefärbte Kerne, welche die Lage und die Anordnung der Zellen markiren. Bald sieht man in soleher Gruppe nur einen, bald zwei oder mehrere horizontal angereihte Kerne. Eine Ausnahme hiervon machen die oberflächlichsten Höhlen. Oft treten keine Kerne in ihrem Innern hervor — sie sehen leer aus. Färbt man nun einen solchen vom Hämatoxylin stark ge- färbten Schnitt mit Eosin nach, so erhöht sich die Deutlichkeit der Bilder in mehreren Hinsichten. Die tieferen dieser betreffenden Zellenhöhlen erscheinen häufig gänzlich von einem röthlichen, körnigen Protoplasma aus- gefüllt, das einen oder mehrere Kerne umschliesst. In der Um- gebung der Zellengruppe, gewöhnlich in der horizontalen Ver- vooranavelijk naar anleiding van een onderzoek over het kraakbeen. Versl. d. buiteng wetensch. vergad d. Nederl. Dierk. Vereen van 18. XII. 1886. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 845 längerung derselben zeigen sich daneben oft protoplasmatische Züge oder kleinere Flecke, die sich bisweilen mit Anwendung der Schraube bis in die Zellenhöhle verfolgen lassen, und deren Beziehung zur Zelle im Inneren der Höhle sich auf diese Weise nachweisen lässt. Oder auch man sieht ähnliche Protoplasma- streifen als direkte Seitenverlängerungen von einer Zellengruppe abgehen, die dadurch ein ausgezogenes, zugespitztes Aussehen erhält. Daneben findet man aber andre Bilder: Zellen mit plattem, ovalem Zellenkörper, von einer homogenen, rothen Linie dicht umgeben. Ausserhalb derselben kann wieder eine körnige Masse auftreten, die in Allem den Charakter des Protoplasmas besitzt, und diese füllt die „Enden“ der bikonvexen Höhle aus. Gele- gentlich ist die rothe Linie selbst seitlich von der Zelle zu einer solchen keilförmigen Spitze verdickt. Selbstverständlich rühren die ersteren dieser beschriebenen Bilder von Zellen her, die direet von differenzirter Grundsubstanz umschlossen sind (= uneingekapselte), die letzteren wiederum von eingekapselten Zellen. Luschkal) beschreibt und bildet einige Bilder aus den tieferen Theilen der Bekleidung der Wirbelkörper ab, welche den obigen ähneln: „Die Knorpelhöhle der Grundsubstanz enthält gegen ihre Pole hin bald eine feine Punktmasse, bald eine hyaline Flüssigkeit; in dem mittleren, weiteren Abschnitt der Höhle aber liegt ein rundlicher — — Nucleus“. Er fügt hinzu: „Viele dieser Knorpelhöhlen fliesen an ihren Enden mit nachbarlichen zusammen“ — ein Bild, das ich ver- hältnissmässig selten im Gelenkknorpel angetroffen. Retzius?) sagt: „An einigen Stellen sieht man freilich in den hya- linen Knorpeln (z. B. in den oberflächlicheren Theilen der Rippen- knorpel) und zwar sowohl von einzelnen Zellen als von Mutterzellen- reihen eine Art aus dunklerer, körniger Substanz gebildete Ausläufer in der entgegengesetzten Richtung der Zellen und Zellenreihen ab- gehen, aber diese Ausläufer erscheinen mehr wie ein Ueberbleibsel von der Substanz der Mutterzelle; sie sind nämlich durch eine Kapsel von der eigentlichen oder Tochterzelle getrennt; sie besitzen ausser- dem keine völlig scharfe Begrenzung gegen das Zwischengewebe, er- reichen keine bedeutendere Länge und verbinden, so weit ich ersehen konnte, keine Zellen oder Zellenreihen“. Es kommt mir nicht unwahr- 1) Luschka, H., Die Halbgelenke des menschlichen Körpers. 1858. p. 33. 2) Retzius, G., Bidrag till kännedomen af broskväfnaden. Nord. Medic. Arkiv. Bd. IV, 1872. No. 14, p. 11. 846 J. Aug. Hammar: scheinlich vor, dass sich diese Schilderung gerade auf mit den oben geschilderten analoge Bilder bezieht. Die Frequenz dieser verschiedenen Arten von Bildern ist nicht dieselbe in verschiedener Entfernung von der Oberfläche. Die uneingekapselten Zellen kommen am zahlreichsten in den tiefsten der platten Zellengruppen vor. Mehr nach der Ober- fläche zu fehlen sie bisweilen ganz. Gelegentlich findet man sie wiederum bis hinauf unter. der Oberfläche. Doch ist ihre Anzahl hier sehr verschieden nicht nur in verschiedenen Knorpeln, son- dern auch in verschiedenen — bisweilen recht benachbarten — Theilen desselben Knorpels. Die eingekapselten Zellen sind jenen an Zahl sehr über- legen. Ziemlich spärlich in den tiefen Schichten der Region nehmen sie schnell an Menge nach der Oberfläche hinauf zu. Auch werden sie hier im Allgemeinen deutlicher. Die rothe Linie der Kapsel nimmt an Dicke zu, offenbar auf Kosten der Zelle. Gerade ‘jene füllt in den oberflächlicheren Theilen die Randparthien der bikonvexen Höhle aus. Oben unter der Oberfläche findet man, dass dieselben Höhlen, die auf dem nur hämatoxylingefärbten Schnitt keine Kerne aufwiesen, jetzt nach der Eosinbehandlung nicht selten von einer homogenen Masse mit der rothen Farbe und dem Aussehen der Kapsel aus- gefüllt sind. Ein anderer Theil — und zwar der oberflächlichste — dieser Höhlen zeigt auch jetzt keinen Inhalt und tritt nur als leere Spalte auf. Gehen wir nun zu Flächenschnitten über, so findet man die Zellengruppen hier mit rundlichem Umkreis; sie enthalten verschiedene Formen von Zellen, mit und ohne Kapseln, von denen viele eine unverkennbare Aehnlichkeit mit den in der Ge- lenkmembran vorkommenden aufweisen. Gewöhnlich ist hierbei wie bei diesen ein Zellentypus in der Gruppe vorherrschend. Gruppen mit sowohl eingekapselten als uneingekapselten Zellen sind aber nicht selten. In Betreff der uneingekapselten Zellen geben die Gold- und Hämatoxylin-Eosin-Methoden einerlei Resultate. Ganz unten findet man solche Zellen, die, von der Ober- fläche gesehen, runde oder unregelmässige, oft drei- bis viereckige Formen zeigen. Die Fortsätze verlaufen in der Ebene des Schnittes. Ihr Ueber den feineren Bau der Gelenke. 347 Aussehen wechselt. Bisweilen sind die reich verzweigten Fasern von fast demselben Typus, wie die eben von der Region der runden Zellengruppen beschriebenen. Im Allgemeinen sind sie aber gröber und machen den Eindruck von abgeplatteten, der Oberfläche parallel liegenden, bandförmigen Gebilden. Die Ver- ästelung ist verhältnissmässig spärlieh — bald mit Verjüngung, bald mit Innehalten fast derselben Breite an den Zweigen wie am Stamm (Taf. XXXV, Figg. 9, 11—18).. In jenem Falle schliessen sie mit mehr zugespitzten, in diesem mit runden Enden ab. Nebst solehen längeren und verzweigten Ausläufern können diese Zellen auch alle Formen von kurzen aufweisen, bis herab ‚u kleinen knospenähnlichen Auswüchsen, mit denen die Peri- pherie der Zellen bisweilen rund herum besetzt sein kann (Taf. XXX V, Fig. 8). Die längeren Fortsätze — sie mögen nun feiner oder gröber sein — anastomosiren recht häufig innerhalb der Gruppen, aber selten zwischen denselben. Solche verzweigte, in der differenzirten Grundsubstanz direct eingebettete (— uneingekapselte) Zellen können bis hinauf unter der Gelenkfläche angetroffen werden. Der Zellentypus ist dabei un- gefähr derselbe, aber die Fortsätze nehmen an Länge und Ver- ästelung zu, je oberflächlicher die Zelle liegt. Gleichzeitig findet eine Vermehrung im der Anzahl der Anastomosen statt. Nach dieser Erforschung der Flächenbilder ist es nicht mehr schwierig, die Bilder zu verstehen, welche die uneingekapselten Zellen auf Vertikalschnitten geben. Wo ein Fortsatz seiner ganzen Länge nach in der Ebene des Schnittes liegt, erscheint er als eine directe Verlängerung des Zellenkörpers in horizon- taler Richtung. Wo er schräg getroffen oder quergeschnitten worden, erscheint er als ein isolirter, protoplasmatischer Streifen oder Fleck. Angaben über das Vorkommen verzweigter Zellen in der ober- flächlichen Schicht des Gelenkknorpels sind mehrfach in der Literatur anzutreffen. Beobachtungen sind in dieser Richtung von Colomiatti?), Waldeyer?), v. d. Stricht?) und Czermak) gemacht worden, 1) Colomiatti, V.F., Sulla struttura delle cartilagini ialine e fibro-elastico-reticolato. Rivista eliniea di Bologna 1874; eit. nach Vir- chow-Hirsch’s Jahresber. 2) Virchow-Hirsch's Jahresber. 1874. S)alaecs 4) Czermak, N., Vergleichende Studien über die Entwicklung des Knochen- und Knorpelgewebes. Anat. Anz. Bd. III, 1888. 848 J. Aug. Hammar: Verfasser, die nicht Heitzmann’'s!) u. a. Hypothese von einem den ganzen Knorpel durchziehenden, dichten Ausläufernetz zu huldigen scheinen’). Die eingekapselten Zellen betreffend, findet man, dass die tieferen derselben auf Flächenschnitten häufig recht lange und distinkte Ausläufer besitzen, welche die Kapsel durchdringen, um sich längere oder kürzere Strecken in die umgebende Grund- substanz hineinzuziehen. Ohne Zweifel sind es diese Ausläufer, die am Vertikalschnitt ausserhalb der Knorpelkapsel als keil- förmige, protoplasmatische Seitenverlängerungen der Zellen her- vortreten. Näher an der Oberfläche werden die Kapseln dieker und die Zellenfortsätze der eingekapselten Zellen kürzer. Diese Fort- sätze überschreiten im Allgemeinen nicht mehr das Kapselgebiet, in welchem sie bald radiär, vielleicht noch häufiger eireulär ver- laufen. Sie sind häufig schmal und sehen körnig zerfallend aus (Taf. XXXV, Fig. 17 a). Die oberflächlichsten Bilder bestehen gewöhnlich (ausser spärlichen, verzweigten, uneingekapselten Zellen) aus einer Mi- schung unverzweigter Zellen mit dieken Kapseln und zellenfreien Kapseln. Bei jenen Bildern trifft man solche mit übriggebliebenen, aber leeren Ausläuferkanälchen (Taf. XXXV, Fig. 17 k); bei diesen Kapseln mit übriggebliebener Zellenhöhle — häufig einige zerstreute Körner einschliessend (Taf. XXXV, Fig. 17 zb) — oder ganz solide. Angrenzende Kapseln können dabei höchst verschiedene Bilder aufweisen. Es ist sogar nicht ungewöhnlich, eine ganze Zellengruppe anzutreffen, die einer einzigen mehr- räumigen Kapsel entspricht, die sowohl Zellen (mit oder ohne Ausläufer) als leere Zellenhöhlen umschliesst. Dieselbe bei der Gelenkmembran beschriebene Variation in der äusseren Gestaltung der Kapsel ist hier wiederzufinden: Man trifft Kapseln, die einseitig verdiekt oder sichelförmig sind, oder zu Strängen von allerlei Dieke und Gestalt ausgezogen — gerade oder gedreht, gleichmässige oder knollig verdiekte (Taf. XXXV, Fig. 17 ak’). Dale, 2) Literaturangaben die Randpartie des Knorpels betreffend sind bei diesem Kapitel anzutreffen. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 8349 Zu dieser Categorie unregelmässig gestalteter Kapseln ge- hört eine Serie von Bildern, von deren Bedeutung mir erst der Knorpel eine völlige Ueberzeugung verschaffte, obgleich sie mir gelegentlich auch in der Gelenkmembran begegneten. Ich meine hier Kapseln, die in ihrer gröberen Gestaltung sich ganz unzwei- deutig dem in der Umgebung gewöhnlich vorherrschenden, lang- verzweigten Zellentypus anschliessen (Taf. XXXV, Fig. 16a—d). Man trifft also verzweigte Zellen, um welche sich die Kapsel wenngleich mit abnehmender Dieke an den Ausläufern entlang fortsetzt; daneben andere, wo die Verlängerung (a’b‘) von der Kapsel solid ist, vielleicht nur an ihrem äussersten Ende oder in ihrer ganzen Ausdehnung (Figg. 16a und b). Im Inneren der- selben erscheinen nicht selten zerstreute Körnchen (k). In noch anderen Kapseln ist die Zelle in ihrer Gesammtheit verschwun- den. Eine centrale, von Körnchen ausgefüllte Höhlung (zh) kann noch den Platz derselben andeuten (Fig. 16), oder auch ist die Kapsel durchweg fest (Fig. 16d). Das Konstante bei allen die- sen wechselnden Bildern ist die äussere Gestalt der Kapsel, die noch als ganz festes Gebilde die Konturen einer mit groben, verzweigten Fortsätzen versehenen Zelle!) besitzen kann. Von diesen beiden Bilderserien, der mit runden und der mit verzweigten Kapseln ist jene unverhältnissmässig zahlreicher in den Präparaten repräsentirt. Unter welchen Verhältnissen die eine oder andere Form zu Stande kommt, ist mir unbekannt. Diese Serien sind übrigens nicht immer vollständig reprä- tirt bei den Schnitten anzutreffen. Die Bildung fester Kapseln scheint recht oft nicht zu Stande zu kommen und zwar dadurch, dass die Zellen schon vorher an der freien Knorpelfläche abge- stossen werden. Andererseits scheinen sich die Kapseln an der Gelenk- fläche noch mehr verändern zu können. Sie können in grössere oder kleinere Klumpen und Körner zerfallend erscheinen. Dabei ist die Gelenkfläche nicht so selten mit unregelmässigen, stark 1) Bei allen diesen oberflächlichen Bildern von festen Kapseln habe ich mich überzeugt, dass sie innerhalb des Schnittes mit einer Lage vorkommen können, welche die Möglichkeit ausschliesst, dass sie vom Messer nur oberflächlich tangirte Kapseln sein könnten. 8350 J. Aug. Hammar: rothgefärbten Massen bedeckt, welche das homogene Aussehen und die Tinktionsfähigkeit der Kapselsubstanz besitzen. Weichselbaum!) hat als senile Amyloiddegeneration Bilder vom oberflächlichen Theil des Gelenkknorpels beschrieben, die in vie- len Hinsichten mit den hier geschilderten übereinstimmen. Seine Worte lauten: „Sie (amyloide Entartung) befällt zuerst die Zellen und zwar zunächst deren Kapsel, welche hierdurch ungleichmässig auf- quillt und einen matten, glasigen Glanz annimmt. Von der Kapsel schreitet die Entartung gegen das Innere der Zelle und zwar entweder von allen Seiten gleiechmässig, oder es wird zunächst die Kapsel der Tochterzelle ergriffen, dann erst deren Leib und endlich der Kern, bis schliesslich die ganze Zelle und Zellengruppe in eine homogene, matt- glänzende Masse verwandelt ist. Durch Zusammenfliessen mehrerer erkrankter Zellen entstehen grössere, unregelmässige Schollen und Massen — — —. Das weitere Schicksal der entarteten Zellen besteht darin, dass in der amyloiden Substanz Sprünge und Risse entstehen und sie in eine bröckliche oder körnige Masse zerfällt, die anfangs nur zum Theile abgestossen wird, so dass noch die leeren Knorpel- kapseln als glasige, entweder ganz homogene oder aus Körnern zu- sammengesetzte Ringe zurückbleiben.“ Trotz ihrer Aehnlichkeit sind. Weichselbaum’s und meine Bilder nicht dieselben. Ich habe nämlich mit Amyloidreagentien einen grossen Theil meines Materials durchprobt — darunter namentlich solche Gelenke, die älteren Individuen angehörten — und dabei nur bei einem einzigen an einigen Kapseln eine schwache rothe Färbung bei Gen- tianaviolett erhalten. Der betreffende Knorpel stammte von den Fe- murkondylen eines 7Ojährigen Mannes. Alle übrigen Knorpel ergaben negative Resultate sowohl bei Gentianaviolett wie bei Jod und Jod- Schwefelsäure. Mir bleibt noch übrig etwas von den Zellen in der Region der platten Gruppen zu reden und zwar vom Gesichtspunkt des Aussehens des Protoplasmas und der Kerne. Die protoplasmareiche Beschaffenheit der oberflächlicheren Zellen in den runden Gruppen bleibt bei den uneingekapselten, verzweigten Zellen bis hinauf unter der Oberfläche bestehen. Ein ähnliches Verhalten erscheint auch gewöhnlich dort, wo eine In- nenkapsel vorkommt. Die nur von einer Aussenkapsel umgebenen Zellen — und diese machen wie bereits angedeutet die Mehrzahl aus — weisen dagegen ein spärliches, glänzendes, stark roth tin- girtes Protoplasma auf, das an der Gelenkfläche nicht selten An- zeichen eines körnigen Zerfalls zeigt. Feine, intracelluläre Fett- tropfen sind in der Regel in der ganzen Region anzutreffen. 1) Die senilen Veränderungen der Gelenke, p. 228 u. 229. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 85 Inbetreff der Kerne in dieser Region der platten Gruppen traten schon in M. F.-Spiritus gehärtetem Material Bilder hervor, die eine besondere Untersuchung erheischten. Ich trafnämlich in dem tiefsten Theil der Region ganz ausge- prägtlobirteKernean. Das Gebiet ihres Vorkommens war da- bei nicht schärfer begrenzt, als dass die Bilder in einzelnen Fällen auch höher hinauf gegen die Gelenkfläche anzutreffen waren oder sich in die darunterliegenden, runden Zellengruppen erstrecken konnten. Diese Bilder wechselten in der Anzahl. Bei einigen Knorpeln traten sie nur vereinzelt auf; bei anderen dagegen (Taf. XXXV, Fig. 15) bildeten sie einen bei den meisten Zellen des genannten Gebietes wiederkehrenden Befund. Nebst einigen mehr unregelmässigen Kernen waren es nament- lich Kerne jener Form, die man „Stangkugelform“ genannt hat, welche meine Aufmerksamkeit auf sich zogen: zwei, drei, bisweilen vier mehr oder weniger runde Gebilde, jedes ungefähr von dem Aussehen eines Kernes, obgleich nient immer gegenseitig gleich gross, hingen durch feine Stränge zusammen. Dadurch konnte in gewissen Fällen eine Art Hantelform, oder Bilder von drei- vierkleeblättriger Form entstehen. Regelmässig lagen dabei die verschiedenen Segmente des Kerns neben einander in derselben Horizontalebene. Die That- sachen lassen sich daher auch am besten an Flächenschnitten studiren. Bei allen diesen Unregelmässigkeiten in der Kernform konnten die Zellen resp. die Zellenhöhlen rund sein. Noch häufiger zeigten sie eine mit derjenigen des Kerns übereinstimmende Segmentirung durch von der Grundsubstanz hineinragende schmale, unvollständige Septa. Schliesslich sei bemerkt, dass in und gleich oberhalb des Gebiets dieser lobirten Kerne zweikernige Zellen in bemerkens- werther Anzahl auftraten. Um mit Kernfixirungsmitteln diese mit meinem in M. F.- Spiritus gehärtetem Menschenmaterial erhaltenen Bilder zu kon- ‚trolliren, habe ich, aus Mangel an geeignetem Material von Menschen, Thierknorpel angewendet. Gelenkknorpel vom Pferd, Kuh, Hund und Katze sind untersucht worden und haben übereinstimmende Resultate geliefert. Die Untersuchungmethoden waren die S. 302 angeführten. 852 J. Aug. Hammart: Auch hier komnte ich konstant ähnliche Kernbilder nach- weisen. Bei den kleineren Thieren liessen sie sich bis hinauf dieht unter der Gelenkfläche wiederfinden. Im Allgemeinen er- schienen sie etwas weniger zahlreich als beim Menschen. Die Gestalt dieser Kerne war im Allgemeinen einfach (Taf. XXXV, Fig. 19a—d, f—h). Durch eine allseitige oder einseitige Einschnürung in der Mitte erhielten sie eine mehr oder wenig regelmässige Bisquit-, Stundenglas- oder Hantelform. Ueber- aus selten fand ich komplieirtere Formen. (Ein Beispiel von solehen zeigt indessen Fig. 19e Taf. XXXV.) Das Verhalten des Zellenkörpers war das oben geschilderte. Er erschien bald ganz rund (Fig. 19a und b, Taf. XXXV), bald durch ein hervorragendes Septum unvollständig getheilt. Nicht selten erhielt man den Eindruck, dass das schmale Mittelstück des Kerns fast den einzigen Zusammenhang zwischen zwei benach- barten, übrigens ganz getrennten Zellen vermittelte (z. B. Fig. 19e). Was die innere Beschaffenheit des Kerns betrifft, so war diese sehr abwechselnd. Nur eins war konstant: die Abwesen- heit aller Anzeichen einer mitotischen Theilung. Der Kern hatte in allem den Charakter eines Kerns im „Ruhezustand“: eine deut- liche Kernmembran, ein mehr oder wenig feinfaseriges Kernnetz und (in einigen Fällen) typische Kernkörperehen entweder nur einen, oder nicht selten zwei. Eine eigentliche Störung in der Kernstruktur konnte oft gar nicht nachgewiesen werden. In ein- zelnen Fällen durchzogen dagegen eine Anzahl Chromatinfasern longitudinal das schmale Mittelstück des Kerns (Taf. XXXV, Fig. 19h); in anderen wiederum trat dieses ungefärbt hervor, da alles Chromatin in den Endpartien des Kerns gesammelt zu sein schien. Mit oder ohne eine solche Störung in der Kernstruktur fand bisweilen eine Chromatinvermehrung statt. Kernformen obiger Art sind in der Knorpelliteratur mehrfach beschrieben worden. Sie schienen namentlich in der Zeit, wo die mi- totische Kerntheilung gar nicht oder wenig bekannt war, Gegenstand der Aufmerksamkeit gewesen zu sein. Sie wurden als Theilungsformen aufgefasst, ja der hyaline Knorpel wird von Bigelow!) als das klas- sische Untersuchungsobjekt in Betreff der Kern- und Zellentheilung bezeichnet. 1) Bigelow, W.S., Notiz über den Theilungsvorgang bei Knor- pelzellen, sowie über den Bau des Hyalinknorpels. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 16, 1879. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 853 Meine Bilder scheinen mir in gewissen Hinsichten Analogien be- sonders mit Bütschli’s!) Befund aufzuweisen. Jedoch sind einige Ab- weichungen anmerkungswerth. So habe ich mich z. B. nicht über- zeugen können, dass das Septum überall einseitig in die Zelle hinein- ragt. Ferner habe ich im Gegensatz zu Bütschli „sich theilende Kerne in Zellen mit ungetheiltem Protoplasma“ gefunden. Schliesslich hat die seit der von B.’s Aufsatz verbesserte Methodik mir gestattet, die feinere Kernstruktur zu konstatiren, was nach B.’s eigenem Aus- spruch ihm nur unvollständig gelungen ist. Bekanntlich hat Flemming?)?) in den letzten Jahren die Fälle zusammengestellt, wo amitotische Theilungen nachgewiesen oder wahr- scheinlich gemacht worden. Er bezeichnet dabei?) die Befunde Bütschli’s und Bigelow’s über direkte Theilung bei Knorpelzellen als nur scheinbare, ob mit Fug und Recht erlaube ich mir auf Grund meiner ähnlichen Erfahrungen zu bezweifeln. Eine Arbeit von Ley- digt), wo nach dem Referate Flemming's direkte Kernfragmentirungen in etwas eigenthümlicher Form im Knorpel der Salamanderlarve als eine häufige Sache angegeben wird, ist mir leider nicht zugängig. Jüngst hat auch Ten derich?) direkte Zellvermehrungsvorgänge in einem Chon- drome beiläufig erwähnt, ohne etwas näher auf die Bilder einzugehen. Der Gelenkfläche zunächst werden ferner andere Kern- formen angetroffen. Sie stimmen in Allem mit.den Kernmodifi- kationen überein, die ich in der Flächenschicht der Gelenkmem- bran beschrieben, und zwar gilt dies sowohl bei Härtung in M. F.-Spiritus als auch bei Kernfixirung. Im letzteren Falle findet man demnach homogene Kerne von allen oben beschriebenen, ver- schiedenen Gestalten (siehe Abth. I), — die unregelmässigen nicht ausgenommen — ferner vakuolisirte Kerne. Dabei sah ich bald das eine, bald das andere Bild reichlicher hervortreten. DieGrundsubstanz in der Region der platten Zellen- gruppen hat wesentlich dieselbe mehr homogene Beschaffenheit, welche die zunächst darunterliegenden Theile auszeichnet. Erst 1) Bütschli, 0% Zur Kenntniss des Theilungsprocesses der Knorpelzellen. Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Bd. 19, 1877. 2) Flemming, W., Ueber Zelltheilung. Verhandl. der Anat. Ge- sellsch. auf der 5. Versamml. 18.—20. Mai 1891. 3) Derselbe, Entwicklung und Stand der Kenntnisse über Amitose. Ergebnisse der Anatomie u. Entwicklungsgesch. II. Bd. 1893, 4) Leydig, Zelle und Gewebe. Bonn 1885. 5) Tenderich, H., Untersuchungen über genetische und biolo- gische Verhältnisse der Grundsubstanz des Hyalinknorpels. Virchow’s Archiv. Bd. 131. s54 J. Aug. Hammar: dieht unter der Oberfläche verändert sie in vielen Fällen ihren Charakter. Sie erhält ein lockreres, bei stärkerer Vergrösserung deutlich fibrilläres Aussehen. Die Fibrillen gehen entweder in einer Hauptriehtung parallel mit der Oberfläche, oder auch bilden sie eine Anzahl flächenparalleler Bündel, die sich nach verschie- denen Richtungen in einander verflechten. Demnach treten auf Vertikalschnitten umschichtig gestreifte und körnige Züge von längs- resp. quer- oder schräggeschnittenen Fibrillen auf. Längs- geschnitten erscheinen die Fibrillen nicht selten feinlockig oder wellig, und das Gewebe erbietet dann eine auffallende Aehnlich- keit mit Bindegewebe oder Bindegewebsknorpel. Auch wenn man die freie Oberfläche des Knorpels betrachtet, treten die Knorpelfibrillen hervor, wo nicht andre Gebilde (z. B. der oben erwähnte Belag der Kapselsubstanz) dieselben decken. Babert!) fand, dass 1/,0%/, Kochsalzlösung ein beim Druck hervor- tretendes fibrilläres Aussehen des Hyalinknorpels hervorrufen konnte. Er sieht in dieser Wahrnehmung die Erklärung der physiologischen Fibrillirung der Matrix auf der freien Oberfläche des hyalinen Gelenk- knorpels. Der Knorpel wird hier nämlich von der kochsalzhaltigen Synovia gebadet und dem Druck der gegenüberliegenden Gelenk- fläche ausgesetzt. Vielleicht ist es gerade diese faserige Flächenschicht des Knor- pels, welche nicht nur der Ansicht früherer Histologen über eine Synovialbekleidung des Gelenkknorpels, sondern auch einigen späteren Verfassern in Betreff eines Perichondriums auf der Gelenkfläche zu Grunde gelegen (Bubnoff?, Dekhuyzen?), Schenk‘)). Die Fibrillen lassen zwischen sich grössere und kleinere, runde Hohlräume frei, in denen Zellengruppen oder einzelne Zellen ihren Platz finden. Dabei ist das Verhältniss der Kapseln zu der fibrillär differenzirten Substanz nicht immer dasselbe. In einzelnen Fällen ist der Zusammenhang ein inniger. In den meisten findet man aber um die oberflächlichen Kapseln herum eine breitere oder schmalere Spalte (Taf. XXXV, Fig. 17h), welche dieselben 1) Baber, E. C., On the structure of hyaline cartilage. Journ. of anatomy and physiology. Vol. 10, 1876. 2) Bubnoff, N., Beiträge zur Kenntniss der Struktur des Knor- pels. Wiener Sitzungsber. Bd. 57, Abth. I, 1868. 3) Dekhuyzen, M. C. Het hyaline kraakbeen, zijn beteckenis en zijn groei. Nederl. tijdschr. v. Geneeskunde. 1889, 2 deel. 4) Schenk, S. L., Grundriss der normalen Histologie d. Men- schen. 2. Aufl. 1891. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 855 von der fibrillären Grundsubstanz trennt. Die Höhle in derselben hat einen grösseren Umfang, als die Kapsel auszufüllen vermag. In der nächsten Umgebung treten die Fibrillen oft besonders spärlich und distinkt auf. Sie umgeben bisweilen die Zellenhöhle in fast eireulärer Richtung, noch häufiger kreuzen sie sich regellos. Es kann vorkommen, dass sie mit einander verflochten erscheinen wie die Reiser eines Vogelnestes. In der Mitte eines solchen „Zellennestes“ haben die Zellen ihren Platz (Taf. XXXV, Fig. 15). Innerhalb der differenzirten Grundsubstanz und zwar in der Flächenschicht des Knorpels trifft man hier und da elastische Fasern (Taf. XXXV, Fig. l15e) an. Ihre Anordnung ist hori- zontal. Ich weiss nicht, ob es nur ein Zufall ist, dass sie mir vorzugsweise in den Knorpeln der grösseren Tarsalknochen — dem Talus und dem Calcaneus —- begegneten. Die Gelenkfläche ist niemals glatt, erbietet aber übrigens ein sehr wechselndes Aussehen. Selten ist es ein und dasselbe auf der ganzen Fläche desselben Knorpels. Häufig ist sie seicht grubig. Hier und da kann eine solche Grube noch Reste von Kapseln mit oder ohne Zellen enthalten. Nicht selten ist der Rand der Grube gegen das Auge zu aufge- rollt und erscheint als eine stark glänzende Linie. Die Grube erweitert sich hierdurch und solehe flache Aushöhlungen können, die eine dicht neben der anderen, das ganze Gesichtsfeld ausfüllen. Mehrfach hat die Knorpelfläche jenes splittrige Aussehen, wie es bei der Oberfläche der Gelenkmembran beschrieben worden. Die losgelösten Häutchen oder „Splitter“ von fibrillär differen- zirter Grundsubstanz können auch hier nieht selten zu Strängen zusammengedreht sein. Diese auf der Gelenkfläche mehr oder weniger frei liegen- den Gebilde können in der Anordnung eine gewisse Regelmässig- keit aufweisen. Dies scheint besonders dort der Fall zu sein, wo die Gelenkflächen sich in ein und derselben Richtung gegen einander reiben. Die „Häutchen“ erscheinen hier gern quer gegen die Richtung der Bewegung gestellt, die freieren Fasern liegen parallel mit derselben. Hierdurch wird auf der Knorpelfläche eine mehr oder weniger regelmässige Netzzeichnung ungleich- mässiger, gröberer und feinerer, glänzender Linien hervorgerufen. Man trifft aber auch ein wirkliches Netzwerk von ganz demselben Aussehen, wie das bei der Gelenkmembran vorhandene Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 43 55 856 J. Aug. Hammar: Flächennetz. Auch am Knorpel sind die Maschen in der Riehtung der Bewegung gestreckt (Taf. XXXV, Fig. 14). Namentlich habe ich ein solches Flächennetz recht konstant auf den Femureondylen und besonders auf solchen Knorpeln gefunden, die sich makros- kopisch durch ihre glatte, glänzende Fläche auszeichneten. Es tritt schon am frischen Material besonders nach Hämatoxylin- färbung hervor. Sein Zusammenhang mit dem darunterliegenden (ewebe ist gewöhnlich so innig, dass es ohne wesentlichen Schaden zu erhalten ein vorsichtiges Abwischen der Synovia von der frischen Knorpelfläche gestattet. Die Möglichkeit, dass dieses Netzbild ein Kunstprodukt wäre, scheint mir unter solchen Verhältnissen ausgeschlossen zu sein. Wird eme solche Fläche .energisch gepinselt, so dass das Netzwerk zerreisst und seine oberflächlichen mehr freiliegenden Fasern entfernt werden, so zeigt es sich, dass die übrigen Reste aus Fasern und Splittern bestehen, welche sich zur Knorpelfläche im Allgemeinen auf dieselbe Weise verhalten wie die oben be- schriebenen. Es erhält daher den Anschein, dass das Netzwerk auch am Gelenkknorpel durch eine Art eigenthümlicher Auflockerung der Grundsubstanz des Gewebes entsteht). Auffallend ist es, dass eine so oft vorkommende und so in die Augen fallende Struktureinzelheit wie dieses „Flächennetz“ nicht mehr beachtet worden ist, als bisher der Fall war. Ganz übersehen ist es aber nicht. So hat Tillmanns?) Linien in dunkler Schattirung erwähnt und abgebildet, die sich nach der Silberfärbung mitten auf dem Ge- lenkknorpel wahrnehmen lassen. Sie. bilden kleinere oder grössere zusammenhängende oder auch nicht ganz geschlossene Netzwerke. Nach seinem Dafürhalten sind sie durch Falten in einem Silberhäut- chen bedingt und treten in demselben oder anscheinend etwas darüber erhoben hervor. In vielen Fällen wiedernm erscheinen die Linien deutlich von Silberkörnehen zusammengesetzt, ohne dass T. aber, wie er selbst gesteht, die Ursache angeben kann, weshalb das redueirte Silber sich in Form solcher Linien absetzt. 1) Auf der mit hyalinem Knorpel bekleideten Fläche der Hypo- mochlia gewisser Sehnenscheiden (z. B. die Scheide desM. flex. hallueis long.) kann diese Auflockerung der Grundsubstanz des Knorpels sich recht weit in die Tiefe erstrecken. Man sieht dann das Netzwerk eine Schicht von beträchtlicher Mächtigkeit bilden; in derselben lassen sich gewöhnlich Zellen und Zellenreste nachweisen (Taf. XXXIV, Fig. 4). 2) Unters. über die Unzuverlässigk. d. Versilberungsmeth. p. 405. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 857 Ob das „epi- oder supracartilaginäre nutritive* Netz, das Pe- tronel) an der Gelenkfläche beschreibt, mit dem von mir geschilder- ten analog ist, ist mir, da mir die Originale der betreffenden Arbeiten nicht zugänglich waren, unmöglich zu entscheiden. In Uebereinstimmung mit den eben beschriebenen Flächen- bildern der Gelenkfläche erscheint der freie Rand des Knorpels selten glatt auf Vertikalschnitten. Hier und da kann er eine seichte Einkerbung aufweisen, offenbar der Platz einer geöffneten Zellenhöhle. Häufig erscheint dieselbe mehr oder weniger auf- gefasert. Die aufgefaserten Theile können so fein sein, dass sie erst bei starker Vergrösserung hervortreten. Auf andern Knorpeln sieht man schon mit schwacher Linse den ganzen Rand durch faserige Gebilde ausgefranzt, die sich in unregelmässiger Ent- fernung von der Grundsubstanz loslösen. Wo ein einigermaassen dichtes und diekes Netzwerk die Gelenkfläche ‚bedeckt, zeigt der Vertikalschnitt gewöhnlich einen etwas aufgefaserten Rand, an welchem eine grobe, ziemlich gleich- breite Randlinie entlang läuft (Taf. XXXIV, Fig. 1 ob.). In diesem wie in oben geschildertem Fall zeigt der freie Rand des Knorpels selten den Charakter der darunterliegenden Grundsub- stanz. Gewöhnlich ist dieselbe stärker glänzend und besitzt grössere Tinktionsfähigkeit dem Eosin gegenüber. Es scheint die obenerwähnte Randlinie zu sein, die Arnold?) — nach seiner Fig. 5, Taf. III zu urtheilen — seiner Annahme eines die Gelenkfläche deeckenden, homogenen, dichten, festen, pergamentartigen Ependym über der Gelenkfläche zu Grunde legte. Auch Luschka°) scheint das betreffende Bild beobachtet zu haben. Er fasst es auf und beschreibt es als eine auf der Knorpel- substanz liegende, homogene, leicht faltbare Membran, ähnlich der Membrana Descemeti. Es ist ihm auch gelungen, dieselbe zu isoliren. Die Randzone des Knorpels. Die bisherige Schilderung bezieht sich auf die Mittelpartie des Knorpels. Beim Uebergang vom Knorpel zur Gelenkmembran 1) Petrone, A., Communicazione preventive sull inflammazione delle cartilagine e sulla sua struttura. Riv. elin. di Bologna, 1874. — Derselbe, Sulla Struttura delle cartilagine. Giorn. internaz. delle scienze med. N. S. .1579. — Beide nach Referaten in Hofmann- Schwalbe’s Jahresber. 2) Arnold, Fr. Handb. d. Anat. d. Menschen. Bd. TI. 1844. p. 218. 5) Luschka, H., Die Struktur der serösen Häute des Menschen. 1859. p. 89. 858 J. Aug. Hammar: findet man einige abweichende Verhältnisse, welche ich jetzt in Kürze angeben werde. Die Grenze zwischen dem Knorpel und dem Bindegewebe geht bekanntlich nicht winkelrecht zur Oberfläche, sondern schräg. Die Gelenkmembran ragt mehr oder weniger weit hinein über die Knorpelfläche und nimmt dabei an Mächtigkeit ab. Sie setzt sich kontinuirlich in der schmalen, deutlich fibrillären Flächenschiecht des Knorpels fort. Infolge der bindegewebsähnlichen Beschaffen- heit der letztgenannten lässt sich mit dem Mikroskop gewöhnlich keine scharfe Grenze zwischen den oberflächlichsten 'Theilen des Knorpels und denen des Bindegewebes ziehen; die Gestalt der Zellen und das fibrilläre Aussehen der Grundsubstanz bleiben sich auf der ganzen Strecke gleich. Gewöhnlich bildet nur eine mehr ausgeprägt fascikuläre Anordnung der Bindegewebsfibrillen einen auffallenderen Unterschied. Die Randpartie des Knorpels weist gewisse Eigenthüm- lichkeiten in ihrem Bau auf. Die Form der Zellenhöhlen ist häufig in der ganzen Knorpeldicke weniger regelmässig. Formlose Grund- substanz ist bisweilen gar nicht vorhanden. Gewöhnlich ist sie aber nur in den tiefsten Theilen des Knorpels um die Zellen herum zu finden. Die Beziehungen zwischen den Zellen und der Grund- substanz sind dann dieselben, wie die bei der Region der lang- gestreckten Gruppen geschilderten. Die Anzahl der Zellen, welche direkt in der differenzirten Grundsubstanz eingebettet liegen, ist unter solchen Verhältnissen ungewöhnlich gross (Taf. XXXIV, Fig. 2). Sie bilden eine auffallend dieke Schicht unter der Ober- fläche, weleber zunächst eingekapselte Zellen (k) auftreten, aber nicht selten in bemerkenswerth geringer Anzahl. Statt dessen kann die Mehrzahl der oberflächlichen (uneingekapselten) Zellen eine auffallende Verästelung aufweisen. Ihre Fortsätze gehen nicht immer parallel mit der Gelenkfläche, sondern häufig in winkelrechter oder schräger Richtung gegen dieselbe. Am Flächenschnitt ist die Verästelung dieser Zellen noch auffallender. Der Zellentypus ist derselbe wie in andern Theilen der Knorpelfläche, die Ausläufer sind aber länger und die Anzahl der uneingekapselten, verzweigten Zellen grösser. Ohne Zweifel sind es gerade diese Thatsachen, die bewirkt haben, dass die Verästelung der betreffenden Zellen schon seit lange be- kannt ist. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 859 Dieselben werden erwähnt von Hueter!), Boehm?), Albert), Reyher*) und auchinQuains Anatomy°) Eine besonders genaue Beschreibung befindet sich bei Retzius®). Die Zellenanordnung im oberflächlichen Theil des Knorpel- randes stimmt in anderen Fällen mit Weichselbaum’s Be- schreibung überein: „Unter der letzteren (Synovialmembran) können die Zellen des Knorpels die gewöhnliche Anordnung be- sitzen, oder es fehlen die abgeplatteten Zellen, so dass wir sogleich auf die Uebergangssehiehte oder die senkrechten Zellengruppen stossen.“ Aber auch andere Wechselungen können im Bau der Rand- partie vorkommen. So habe ich z. B. in Ausnahmefällen besonders grosse, die Zellengruppen umgebende Bälle formloser Grundsub- stanz gefunden. Dieselbe kann sich noch weiter zwischen den benachbarten Bindegewebsbündeln als schmale Septa oder Blätter hinziehen, in welchen die verzweigten Zellen ihren Platz haben. Eine Gewebspartie von grösserer oder geringerer Mächtigkeit entsteht demnach mit den Charakteren, welche Apolant°) dem Bindegewebsknorpel beigelegt hat. Regelmässig hat das Bindegewebe in der Nachbarschaft des Knorpels einen durchweg festen Bau. Erst in etwas abwechselnder Entfernung von dem Knorpelrand zeigt sich eine Differenzirung in verschiedenen Bindegewebsschichten durch das Auftreten eines subsynovialen Gewebes. Der zellenärmere Typus des festen Ge- webes wird fast gleichzeitig von dem zellenreichen gefolgt. Eine besondere Entwicklung erhält diese zellenärmere Rand- partie der Gelenkmembran bei gewissen Knorpeln, wo man sagen kann, dass sie durch das feste Gewebe in der Labra eartilaginea repräsentirt wird. Schlussfolgerungen. Ich habe bisher versucht eine objektive Darstellung der Strukturverhältnisse zu liefern, die ich im hyalinen Gelenkknorpel 1) Zur Histol. d. Gelenkflächen. Al eiep. 10: 3) Wiener Sitzungsber. p. 433. Are. P. 200: 5) 10th ed. Vol. I: 2, p. 246. b)alac. 7) 1. e. p. 204. Sale ce: 860 J. Aug. Hammar: gefunden, indem ich absichtlieh nur ausnahmsweisse Schlussfol- gerungen daraus gezogen. Doch scheinen mir einige von mehr oder weniger bedingter Beschaffenheit nieht ganz unberechtigt zu sein. So ist es ziemlich augenschemlich, dass ein Abnutzungs- process!) an der Gelenkfläche des Knorpels so wie an der Innenseite der Gelenkmembran stattfindet. An beiden Orten scheint er seinen Ausdruck in fast einerlei Veränderungen des Gewebes zu erhalten, und zwar einer Auflockerung der Grund- substanz und einem Zerfall der Zellen. Wie nahe die Annahme einer Abnutzung der Gelenkknorpel- substanz auch liegen mag, so scheint dieser Process von den Verfassern nicht so beachtet worden zu sein, wie er es verdient. Manche haben sein Vorkommen sogar ganz geläugnet. Sappey?) sagt 1876: „Les frottements les plus durs et les plus eontinuels renouvel&es chaque jour pendant une longue suite d’annees, restent sur eux (cartilages articulaires) sans influence aucune. S’user r&eiproquement, est la condition imposee A tous les corps inorganiques qui frottent l’un sur l’autre; se frotter incessamment et ne j'amais s’user, tel est au contraire le privilege, l’attribut le plus earacteristique des cartilages articulaires.“ Auch Hueter?) ist wegen der im jugendlichen Alter regelmässig glatten Beschaffenheit der Gelenkflächen wenig geneigt einen physio- logischen Abreibungsprocess des. Gelenkknorpels anzunehmen. „Was man im späteren Alter von Zerklüftungszuständen auf den Gelenk- flächen erkennt, gehört in das Gebiet der Pathologie, wenn auch diese Zustände bei Hinzurechnung der minimal ausgeprägten Fälle so häufig sind, dass sie einen fast physiologischen Vorgang zu repräsen- tiren scheinen.“ Die Mehrzahl der Verfasser nimmt aber eine Abnutzung an. Besonders klar scheint mir Brinton®) diese Ansicht mit seinem Korollarium, der Annahme einer compensirenden Regeneration des Knorpels ausgedrückt zu haben; ich erlaube mir hier auch seine Worte anzuführen: „However carefully the surfaces of diarthrodial cartilage may be lubricated by the synovial fluid, a very slight knowledge of mechanies would inform us, that some friction of these must of neces- 1) Ich will hiermit nieht die Möglichkeit der Einwirkung anderer Faktoren an der Gelenkfläche ausgeschlossen haben — z. B. solche nutritiver Art. 2) Sappey, Ph. C., Trait€ d’anatomie descriptive 3ieme dd. T. I, 1876, p. 480. 3) Klinik der Gelenkkrankheiten, p. 27. 4) Todd’s Cyclopaedia, T. IV: 1, p. 529. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 861 sity obtain; and that from the conditions of its density, homogeneous nature ete., it is probable that the amount of this is, though diminished, yet by no means inconsiderable. So also, from the structure of this substance, it is physiologically probable that its tissue grows towards this surface, and that the arrival of any one particular portion at this point is, mediately or immediately the cause of the termination of its existence.“ Von der Form, unter welcher die Abnutzung stattfindet, sprechen die Verfasser meistens nur nebenbei. So z. B. betonen Todd-Bowmann!) und Brinton?), dass die Fläche oft durch von derselben mehr oder weniger frei hervorragende Zellen uneben erscheint. Reichert?) erwähnt, dass sich in der Gelenkschmiere ganz dünne, abgestossene Knorpellamellen wiederfinden lassen, die er wegen ihrer gleichmässigen Dicke für im Knorpel präformirt hält. Tillmanns®#) spricht von einer Auffaserung des Knorpels auch in makroskopisch völlig gesunden Gelenken. Hierdurch entstehen die endothelfreien oder falschen Villi. Nach Ogston?°) bewirkt die Abnutzung die Bildung eines feinen Detritus. In Betreff der Zellen sagt er: „Just before the surface is reached, the nuclei have all disappeared and the cells are represented by thin celefts, containing at the most a few granules of fat.“ Anmerkungswerth ist, dass eine Kapselbildungin den meisten Fällen mit diesem Zerfall der Zellen parallel geht. Das Auftreten einer Kapsel bin ich in diesem Fall, wie in Betreff der entsprechenden Gebilde der Gelenkmembran geneigt zu den vom Druck hervorgerufenen Wirkungen zu zählen. In noch höherem Grade als in dem weichen, nachgiebigen Gewebe der Gelenkmembran lässt sich nämlich in dem resistenten Knorpel eine steigende Ausbildung der Kapseln nach der Gelenkfläche zu nachweisen. Für dieselbe Annahine spricht ferner, dass die Kapseln in der Randzone gewisser Knorpel (z. B. Theile der Femurkondylen) spärlicher vorzukommen scheinen, wo man berechtigt ist eine weniger ausgeprägte und konstante Belastung des Knorpelrandes als der Mittelpartie anzunehmen. 1) Todd, R. B. and Bowman, W., Physiological Anatomy and Physiology of Man 1845, vol. I, p. 9%. =) 1 ce 3) Reichert, K. B., Bericht. Müller’s Archiv 1849. 4) Beitr. z. Histol. d. Gelenke, p. 432. 5) Ogston, A., On artieular cartilage. Journ. of Anatomy and Physiology. Vol. 10, 1876, p. 58. 862 J. Aug. Hammar: Dass die Kapselsubstanz wirklich als ein an der Oberfläche neugebildeter Gewebebestandtheil und nicht als eme oberflächliehe Modifikation der formlosen Grundsubstanz der tieferen Theile des Knorpels zu betrachten ist, kommt mir mehr als wahrschein- lich vor. In dieser Auffassung werde ich weniger durch die oben nachgewiesenen Verschiedenheiten der Tinktionsfähigkeit und Lösbarkeit der beiden Substanzen als vielmehr durch ihre topo- graphische Vertheilung im Knorpel bestärkt. Das oberflächliche Gebiet mit seiner Kapselsubstanz grenzt nämlich in der Regel nicht direkt an die tieferen Theile, wo die formlose Grundsubstanz vorkommt; beide werden ja im All- gemeinen, wenn auch nicht ausnahmslos, durch eine schmalere oder breitere Region begrenzt, wo die letztere Substanz ver- schwunden ist und die Zellen direkt von differenzirter Grund- substanz umschlossen werdeu. Diese Thatsache scheint mir unvereinbar mit der Annahme, dass die formlose Grundsubstanz im dem Maasse, wie sie im Laufe der Abnutzung zur Oberfläche hinaufrückt, modifieirt werde und die Eigenschaften der Kapselsubstanz annehme. Betont werden muss aber, dass das Obige keineswegs die Möglichkeit ausschliesst, dass diese beiden strukturlosen, pericellu- lär auftretenden Substanzen einander nahestehen. Einzelne Bilder schienen mir sogar nach dieser Richtung hinzudeuten. Wenn also eine Abnutzung der Grundsubstanz des Knorpels und eine Zerstörung ihrer cellulären Elemente an der Gelenk- fläche stattfindet, so versteht es sich von selbst, dass die Erhal- tung des Knorpels einen hiermit parallel gehenden Regenera- tionsprozess voraussetzt. Dass derselbe in wesentlicherem Grade von dem am Rande des Gelenkknorpels befindlichen Bindegewebe ausgehen sollte, scheint mir schon a priori wenig glaublich. Es lässt sich auch leicht nachweisen, dass dies nicht der Fall sein kann. In verschiedenen Gelenken ist offenbar, dass eine gewisse, mehr centrale Partie des Gelenkkopfknorpels vorzugsweise der Abnutzung gegen die weniger umfangreiche Gelenkpfanne unter- worfen ist. Erst bei extremeren Bewegungen werden die Rand- Ueber den feineren Bau der Gelenke. 863 partien!) des Knorpels des Gelenkkopfes abgenutzt. Andrerseits liegen diese Randpartien gerade dem supponirten Neubildungs- herd zunächst. Eine geringere Abnutzung und eine lebhaftere Zufuhr des neugebildeten Gewebes müsste eine grössere Dicke an den Rändern als in der Mitte des Gelenkknorpels zur Folge haben. Die Thatsachen liegen indessen bekanntlich gerade ent- gegengesetzt. Boehm?) spricht die Vermuthung aus, dass an der Peripherie des Knorpels ein appositionelles Wachsthum desselben vom Binde- gewebe der Synovialis stattfindet und zwar durch direkte Umwandlung der Bindegewebszellen in Knorpelzellen. Bestimmter äussert sich Weichselbaum?) in derselben Richtung. Er hält die eckigen und an Ausläufern reichen Zellen („Proliferations- zellen“) in der Randpartie der Gelenkmembran für geschaffen die dureh Abnutzung zerstörten Zellen in der oberflächlichen Schicht des Gelenkknorpels zu ersetzen, während die Zellen in den tieferen Schich- ten durch endogene Zellenbildung entstehen. Die Proliferationszone ist demnach, nach W., die Matrix der oberflächlichen Zellen des Ge- lenkknorpels und spielt bei dem Knorpel dieselbe Rolle wie das Mark- gewebe und das Periost beim Knochen. Es scheint mir unter diesen Umständen nur eine Möglichkeit übrig zu sein und zwar die, welche überhaupt zunächst liegt, dass die Regeneration im Innern des Knorpels, in dessen unter der Gelenkfläche belegenen inneren Theilen vor sich geht. Dekhuyzen*) nimmt im Gelenkknorpel des Frosches nebst einem expansiven Zuwachs eine in den oberen Schichten vorkommende appositionelle Neubildung an. Er sieht in der oberflächlichsten Schicht des Gelenkknorpels, die sich durch die Neigung der Grundsub- stanz für saure Färbemittel auszeichnet, ein „knorpeliges Perichon- drium“. Von diesem geht der appositionelle Zuwachs aus. Diese An- nahme stützt er auf das Vorkommen von Uebergangsformen zwischen den oberflächlichen und den tiefen Zellen und auf die schiefe Lage der Schwesterzellen der oberflächlichen Schicht, welche Lage darauf hindeutet, dass die Zellen bei der Theilung in schräger Richtung in die Tiefe geschoben werden. Ogston?) bezeichnet die Region der runden Zellengruppen als ein „eentrum of central growth“; von diesem wächst der Knorpel theils gegen den Knochen zu, um dort die durch den Druck atroficirte 2 1) Oder wenigstens gewisse Theile der Randpartie. 2), .:6,93 10: 3)/.1.2679.:200. 4) Het hyaline kraakbeen etc. DIHlIG: 864 J. Aug. Hammar: Knochensubstanz zu regeneriren, theils gegen das Gelenk zu, um dort eine Fläche, die beständig abgenutzt wird, beständig zu erneuern. Man ist wohl ziemlich einig in der Annahme, dass eine solche Neubildung der Grundsubstanz von den Zellen ausgeht. Demnach haben wir also vorzugsweise in der Umgebung derselben die Spuren des betreffenden Processes zu suchen. In den oberflächlicheren Theilen der Region der runden Zellengruppen sind die Zellen direkt von einer differenzirten Grundsubstanz umgeben, die sich durch nichts von der weiter von ihnen entfernten trennt. Obwohl man aus diesem Grunde natürlich die Möglichkeit einer von diesen Zellen ausgehenden Neubildung der Grundsubstanz nicht ausschliessen kann, muss andrerseits zugegeben werden, dass nichts für eine solehe An- nahme spricht. Das hier Gesagte kann übrigens mit gleichem Recht den uneingekapselten Zellen in der Region der platten Gruppen gelten. In Betreff der übrigen dieser Zellen — der eingekapselten — habe ich bereits oben Gründe angeführt, die für ihr Einbegriffensein in einem Process, welcher das Absterben und den Zerfall der Zelle bewirkt, sprechen können. Schon dieses lässt sich nicht gut mit der Annahme vereinen, dass diese Zellen eine regene- rative Thätigkeit repräsentiren. Betrachtet man die Substanz, die in der unmittelbaren Nach- barschaft der Zellen und mit deren Zerstörung ungefähr parallel zur Entwieklung gelangt, so muss zugegeben werden, dass ihr Zusammenhang mit der umgebenden differenzirten Grundsubstanz niemals besonders innig ist. Ihre Ausbildung scheint mit der Bildung von festen Kapseln ihren Höhepunkt zu erreichen, welche, weit entfernt als integrirender Bestandtheil in das Gewebe ein- zugehen, im Gegentheil die ersten sind — da sie häufig frei an der Gelenkfläche abgestossen zu werden. Es sind also die Gruppen in den tieferen Theilen des Knor- pels übrig, wo die Zellen von formloser Grundsubstanz umgeben sind. — Die Aehnlichkeit der Eigenschaften dieser Substanz mit der interfibrillären Substanz der Mantelschicht scheint eine Stütze für die Annahme liefern zu können, dass zwischen den beiden Grundsubstanzen, der formlosen und der differenzirten, ein Ueber- gang stattfinden könne. Jene würde dann die von den Zellen zuerst gebildete ausmachen, die erst durch einen sekundären liegen Ueber den feineren Bau der Gelenke. 865 Process — eine Differenzirung — zu faseriger Textur übergehen würde. Die hier aufgestellte Annahme von der Bedeutung der form- losen Grundsubstanz erhält eine gewisse Stütze durch die Sach- verhältnisse im Epiphysenfugenknorpel. In demselben besitzen wir ein anderes Beispiel eines Knor- pels, in welchem (während der ganzen Zuwachszeit des Indivi- duums) der Verbrauch von Knorpelgewebe durch einen entspre- chenden interstitiellen Zuwachs eompensirt werden muss, während man den Umfang der perichondralen Neubildung für sehr be- grenzt halten muss. Bei Untersuchung verschiedener solcher Knorpel von Kin- dern im Alter von 8—14 Jahren erwies sich, dass die Zellen in den bekannten, an der Verknöcherungsgrenze liegenden Zellen- reihen in einer besonders reichlichen formlosen Grundsubstanz, in langgestreekt rundlichen, an die Chondrinballen erinnernden Massen eingebettet liegen. Zwischen diesen treten schmale Züge feiner, paralleler Fasern vertikal gegen die Verknöcherungs- grenze auf. Diese Fasern, welche v. Brunn!) als „elastische Stützfasern“ beschrieben, verhalten sich in Färbbarkeit wie die Fibrillen des Gelenkknorpels. Bei Trypsindegestion?) wurden sie nicht aufgelöst, sondern im Gegentheil distinkter und schliess- lieh ganz isolirt. Ich nehme daher keinen Anstand, sie als Knor- pelfibrillen zu bezeichnen, die hier nur wegen einer etwas ab- weichenden Liehtbreehungsfähigkeit leichter wahrzunehmen sind, als es sonst gewöhnlich im Knorpel der Fall ist. Ist die Annahme richtig, dass die Grundsubstanz sich form- los anlegt und sich erst secundär differenzirt, dann muss selbst- verständlich die zuletzt differenzirte Grundsubstanz diejenige sein, welche der formlosen zunächst liegt. Aber gerade dieser Theil der differenzirten Grundsubstanz zeichnet sich durch einen besonderen Glanz aus und durch eine mit der Färbbarkeit der formlosen Grundsubstanz übereinstim- mende Tinktionsfähigkeit. Fällt daher vielleicht auch das Gebiet dieses Theils der differenzirten Grundsubstanz — die Mantel- schicht — mit dem Gebiet der zuletzt erfolgten Differenzirung 1) Brunn, A. v., Beitr. zur OÖssificationslehre. Arch. f. Anat. 1874, 2) Schwach alkalische Flüssigkeit, frisches Gewebe. 866 J. Aug. Hammar: zusammen? Man könnte demnach in der Lage und Anordnung der Mantelschicht um ihre Zellengruppe so zu sagen den Wegen nachspüren, welche die Neubildung in der Grundsubstanz einge- schlagen. Ohne eine solehe Annahme für erwiesen zu halten, scheint es mir jedoch von Interesse zu sein hier daran zu er- innern, dass diese Mantelschicht sehr häufig oberhalb ihrer Zellengruppe dicker erscheint, also in der Richtung, wo der Knorpelverbrauch stattfindet. Wie die supponirte Differenzirung zu Stande kommt, davon weiss ich ausser den oben angeführten Analogien zwischen der formlosen und der interfibrillären Grundsubstanz nichts zu sagen. Mit meiner im Obigen angeführten Hypothese lässt sich ohne Schwierigkeit vereinen, dass einzelnen der langgestreckten Zellen- gruppen eine stärker gefärbte Umgebung fehlt, dass sie also direkt von den intermediären Zügen umgeben sind. Diese Gruppen sind nach dem Obigen als wenigstens nicht augenblicklich an der Neubildung der Grundsubstanz theilhaftig — als unthätige Gruppen — zu betrachten. . Schliesslich sei betont, dass ich keineswegs blind gegenüber der Schwierigkeit bin, welche der eben dargestellten Auffassung über den Verlauf der Neubildung der Grundsubstanz begegnet, eine Schwierigkeit, welehe jedweder Ansicht, die von der Annahme einer Ablagerung von Grundsubstanz um die Zellen ausgeht, ge- meinsam ist. Woher kommt es nämlich, dass die Zellenhöhlen dabei nieht obliteriren? Anzeichen einer solchen Obliteration — wie sie u. a. von Tenderich!) beschrieben ist — sind mir nicht begegnet. Ohne in dieser Hinsicht hinreichende Gründe zur Aeusserung einer Ansicht zu besitzen, erlaube ich mir hier nur daran zu erinnern, dass man in dieser Hinsicht verschiedene Hypothesen aufgestellt, als: 1) Partielle Resorption der Grund- substanz (!), 2) Interstitieller Zuwachs oder 3) Expansion derselben unter dem Einfluss der Knorpelzellen (Dekhuyzen’s „Tono- plasten*). In Betreff derRegeneration der Korpelzellen habe ich wenig zu sagen. Ob eine mitotische Theilung in den tie- feren Knorpeltheilen stattfindet, ist mir unbekannt; sicher ist DRlEe: Ueber den feineren Bau der Gelenke. 867 jedoch, dass ich keine Anzeichen eines solchen Processes in der Region der platten Zellengruppen gefunden habe. Dagegen scheinen mir‘ die dort vorkommenden lobirten Kernformen in diesem Zusammenhang nicht ganz übersehen werden zu dürfen. Ohne bestimmt für die Bedeutung dieser Bilder als Theilungsformen einzutreten, will ich aber daran erinnern, dass sie wesentlich mit Kernformen übereinstimmen, die in anderen Geweben nachgewiesen und als auf eine direkte Kemtheilung deutend aufgefasst wurden. In diesem Zusammenhang muss Flemming's!) zunächst in Betreff der Leukocyten gemachte An- nahme erwähnt werden, dass nämlich die durch Kernfragmen- tirung entstandenen Abkömmlinge nicht mehr produktives Zellen- material seien, sondern dem Untergange geweiht, wenngleich sie noch lange in den Geweben und den Säften fortleben können. Unwillkürlich entsteht die Frage: können nicht diese an- scheinend konstanten Kernformen in der Flächenschicht des Knor- pels darauf hindeuten, dass die Knorpelzellen einen letzten Thei- lungsprocess durchmachen und zwar durch Fragmentirung, ehe sie der Gelenkfläche zunächst nach und nach untergehen. In dem Gelenkknorpel kommt unzweifelhaft eine Auflocke- rung der oberflächlichen Grundsubstanz vor. Vielleicht ist hier die Erklärung der auffallenden Verlängerung zu suchen, welche die Fortsätze erfahren je mehr die Zellen der Oberfläche nahe treten, selbstverständlich nur dort, wo sie der Zerstörung ent- gangen, welche die Kapselbildung sonst mitzuführen scheint. So erscheint es mir auch nicht unmöglich, dass es gerade die resistente Beschaffenheit der tieferen differenzirten Grundsubstanz ist, welehe den Zuwachs der Ausläufer der tieferen Zellen hemmt. Durch die Annahme eines solchen, durch ungünstige äussere Verhältnisse gehemmten Zuwachses der Ausläufer der kurzver- zweigten Zellen scheint mir auch eine annehmbare Erklärung für die Neigung dieser Zellen, unter gewissen pathologischen Ver- hältnissen lange, reichlich verzweigte Ausläufer zu entsenden, ge- geben zu sein. Wenn man von dem gewöhnlichen Schema einer mehr oder weniger runden Knorpelzelle ohne Fortsätze ausgeht, 1) Flemming, W., Ueber Theilung und Kernformen bei Leuko- cyten und über deren Attractionssphären. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 37, 868 J. Aug. Hammar: so scheint die Neigung derselben, in einen verzweigten Zellen- typus überzugehen ganz unerklärlich. | Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, dass Anastomosen zwischen den verschiedenen Zellengruppen im Allgemeinen nicht vorkommen. Nur in der Flächenscehicht des Knorpels finden sich etwas zahlreichere Ausnahmen von dieser Regel. Es braucht daher kaum daran erinnert zu werden, dass wir in den geschil- derten Strukturverhältnissen keine für die Saftströmung im Knor- pel besonders bestimmte Bahnen besitzen. Andere Bilder der Art, dass sie mit Sicherheit als Saft- wege aufgefasst werden könnten, habe ich auch nicht gefunden. Gelegentlich habe ich zwar besonders bei spiritusgehärtetem Material ziemlich grade und grobe, glänzende Limien in verschie- dener Menge zwischen den Zellen gesehen. Solche ‚Bilder sind bekanntlich von einer grossen Anzahl For- schern beschrieben und von ihnen auf die verschiedenste Weise ge- deutet worden. Man findet sie demnach in der neueren Knorpel-Li- teratur als Zellenfortsätze, Saftkanäle, Fasern, preformirte oder arte- fakte Spalten, Balken einer besonderen Knorpelart ete. beschrieben. Nach Färbung solcher Sehnitte mit Säurefuchsin-Malachit- srün habe ich bei starker Vergrösserung konstatiren können, dass das Auftreten dieser Linien mit einer Veränderung der gewöhn- lichen Anordnung der Knorpelfibrillen zusammenhängt. Eine Anzahl benachbarter Fibrillen macht nämlich auf ein- mal eine plötzliche Bogenbiegung und ruft dadurch die ange- deutete optische Wirkung hervor. Dies stimmt ganz genau mit dem überein, was früher von Solger!) nachgewiesen worden. Ich nehme auch keinen Anstand das Auftreten des betreffenden 3ildes mit ihm als eine Schrumpfungserschemung zu bezeichnen. Andeutungen soleher Bilder sind in Taf. XXXIV Fig. 5f. wiederge- geben. Eine andere Frage ist, in welchem Maasse diese Schrumpfung von präformirten Verschiedenheiten in der Grundsubstanz des Knorpels bedingt sein kann. Wolters?) glaubt, dass die Linien von einer Auflockerung 1) Solger, B., Ueber Schrumpfungserscheinungen am hyalinen Knorpelgewebe des Menschen und deren Beziehung zu den Fibrillen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 31, 1888. Arl.ie. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 869 der Grundsubstanz herrühren. Ich habe beim Gebrauch von Wolters’ Methode (Alkoholhärtung, Ueberfärbung mit Hämato- xylin und Entfärbung mit Pikrinsäure) seine Angabe konstatiren können, dass die betreffenden Linien dabei gelbe, die übrige Grundsubstanz blaue Farbe annehmen. Wie er halte ich es nicht für unwahrschemlich, dass dieses Färbungsergebniss durch die an jenen Stellen grössere Permeabilität der Grundsubstanz bedingt ist. Die Frage scheint sich mir daher bei der augenblicklichen Lage der Dinge darauf zu beschränken, ob diese Auflocke- rung präformirt ist und demnach vielleicht für eine Fal- tung der Fibrillen bei Alkoholhärtung prädisponirt; oder ob die Auflockerung im Zusammenhang der Fibrillen und deren Faltung beidesalsSchrumpfungserscheinungen zu betrachten sind. Eine bestimmte Entscheidung für die eine oder die andere dieser Möglichkeiten scheint sich mir gegenwärtig kaum verthei- digen zu lassen. Abth. III: Die Gelenksynovia. Das mikroskopische Studium der Gelenksynovia erschien mir hauptsächlich in zwei Hinsichten von Interesse, und zwar zunächst zur Ermittelung ihres Verhaltens unseren gewöhn- licheren histologischen Reagentien gegenüber; dies ist eine noth- wendige Vorbedingung zur Vermeidung von Kunstprodukten bei der vorbereitenden Präparirung des Gelenkmaterials oder, wo solehe Kunstprodukte nicht umgangen werden können, zur Be- reitung von Garantien, dass man von denselben nicht irre ge- leitet wird. Ferner kann die mikroskopische Untersuchung der Formen- elemente der Synovia werthvolle Aufklärungen hinsichtlich der in den Wänden der Gelenkhöhlen und in der Synovia selbst vor- sichgehenden Processe liefern. Das Verhalten der Synovia einigen histologischen Reagentien gegenüber. 1.7 Ungse ner) oe wohn lichhere rk DruUngsI und 870 J. Aug. Hammar: Härtungsflüssigkeiten haben nicht alle dieselbe Ein- wirkung auf die Synovia. Die Mehrzahl der erprobten hatten eme niederschlagende Wirkung. Dies ist der Fall mit Alkohol (70 °/,, 90°/, und ab- soluten), Chromsäure (1°/,), Rabl’s Chrom-Ameisensäure-Mischung, Pikrinsäure (gesättigte Wasserlösung), Flemming’s Flüssigkeit, Sublimat (gesättigte Weasserlösung), Silbernitrat (1/,%/,), Gold- chlorid (1/,0/,)- Augenblicklich, nachdem die Synovia mit einer der be- nannten Flüssigkeiten in Berührung kommt, wird dieselbe getrübt und nimmt je nach den verschiedenen Verhältnissen verschiedene Formen an, gewöhnlich diekere oder dünnere Häutchen oder Fäden weisslicher Farbe und undurchsichtigen Aussehens bildend. Wenn sie aus der Flüssigkeit herausgeholt werden, fallen sie zu faserigen, dem ausgewaschenen Blutfibrin nieht unähnlichen Fetzen zusammen. Zur mikroskopischen Untersuchung des Synoviakoagels wurde die Synovia mit Pipette aus dem eben geöffneten Gelenk herausge- holt. In dünner Schicht wurde sie auf Deckgläschen ausgebreitet, die in horizontaler Stellung in ein Stückchen Hollundermark oder in einen mit geeigneten horizontalen Einschnitten versehenen Pfropfen hinein- gesteckt wurden. Nachdem die Gläser in erwünschter Menge befestigt worden, wurde der ganze Apparat vorsichtig in die Fixirungsflüssigkeit gesenkt, wobei ein am unteren Ende des Hollundermarkstückchen resp. Pfropfens befestigter Glasstöpsel als Belastung diente. Auf den Glä- sern schlug sich eine sehr dünne Synoviaschicht nieder, die hier fest adhärirte. Die auf diese Weise erhaltenen Deckglaspräparate liessen sich ohne Schwierigkeit färben oder anderen Behandlungsmethoden unterwerfen. Auf diesen Präparaten tritt die Synoviaschicht bei mikrosko- pischer Untersuchung als eine gleichmässig feingranulirte Masse auf, die bei starker Vergrösserung als aus einer Menge ziemlich gleichgrosser, stark glänzender Körner bestehend erscheint. Das Aussehen ist etwa dasselbe bei Anwendung jeder der oben angegebenen Flüssigkeiten. Die Abweichungen beschränken sich hauptsächlich auf die durch die niederschlagende Flüssig- keit mehr oder weniger beeinflusste Farbe des Koagels. Jeden- falls findet man einen graueren Farbenton und grössere Undurch- sichtigkeit dort, wo der Synoviabelag etwas dicker ist. Gleichmässig ausgebreitet besitzt dieser amorphe Nieder- schlag eine an die des mattgeschliffenen Glases erinnernde Fein- Ueber den feineren Bau der Gelenke. 871 körnigkeit. Allerlei Zufälle können jedoch den Charakter des Bildes verändern. Das Vorhandensein von Luftblasen in grösserer Menge kann eine gröbere oder feinere Netzzeichnung hervor- rufen. Wo Formenbestandtheile mehr oder weniger zufälliger Art in den Präparaten vorkommen, bilden sie bisweilen ein Ge- rüst, auf welches die Körner der Synovia sich anheften, die Unterlage nicht selten ganz bedeckend. So können allerlei bizarre, bisweilen nicht so leicht zu deutende Bilder entstehen. In der Regel tritt aber bei stärkerer Vergrösserung die charakteristische Körnig- keit der Synovia hervor, und in solchen Fällen ist die Deutung nicht schwer. Gelegentlich kann aber dem Synoviakoagel auf kleineren oder grösseren Flecken dieses Aussehen fehlen und kann es völlig homogen und glänzend erscheinen. Am Rande solcher Flecke tritt die Körnigkeit wieder auf und man erhält den Eindruck, dass die homogenen glänzenden Partien durch ein Verschmelzen der Körner im Synovianiederschlag entstanden. Es kam mir vor, als ob derartige Bilder vorzugsweise dann auftraten, wenn die Synovia diekflüssig war (beim Niederschlag verdünnter Synovia habe ich dieselben nicht angetroffen) und auf solchen Stellen, wo die Umstände günstig für eine schnelle Koagulatıon waren. Auch diese homogene Form koagulirter Synovia ist in der Regel nicht schwierig zu erkennen. Der eigenthümliche Glanz und der Uebergang der homogenen Partien zu anderen körnigen Aussehens sind hierbei ein guter Leitfaden. Einerlei Bilder geben unter dem Mikroskop jene Fäden und Häutchen, welche durch eine freie Mischung der Synovia mit der koagulirenden Flüssigkeit entstehen. Nirgends ist eine wirklich faserige Textur des Koagels zu erblicken, obgleich die Faltung eines Synoviahäutchens gelegentlich bei schwacher Ver- grösserung ein solches Bild täuschend hervorbringen kann. Es giebt eine andere Gruppe von Flüssigkeiten, die sich mit der Synovia klar vermischen lassen. Ein solches in- differentes Verhalten zeigen Ueberosmiumsäure und Müller's Flüssigkeit). 1) Zur selben Kategorie gehören Aq. dest. und schwache Lö- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 56 872 J. Aug. Hammar: Dieses macht die erwähnten Flüssigkeiten zu werthvollen Hilfsmitteln, wenn es gilt beim Fixiren der Gewebselemente das Entstehen von Synoviakoageln zu vermeiden. Besonders anwend- bar ist Müller’s Flüssigkeit und zwar durch ihre Eigenschaft die Gewebebestandtheile relativ gut zu konserviren ohne seine Tinktionsfähigkeit bei mässiger Einwirkung in höherem Grade herabzusetzen. Durch Abspülen der Wandtlächen des eben geöffneten Ge- lenkes mit Müller’'s Flüssigkeit, wiederholte Erneuerung dieser Lösung und ein nach 14 Tagen vorgenommenes Abwaschen in fliessendem Wasser dürfte sich die Synovia in der Hauptsache entfernen lassen. Ich habe bei Anwendung dieses Verfahrens nur in wenigen Ausnahmsfällen (und dann in einer für die Flüssigkeit nicht gut zugänglichen Falte) Synoviakoagel bei der nach dem Abwaschen folgenden Spiritusbehandlung angetroffen. Schon die Möglichkeit des Entstehens eines solchen Nieder- schlags ist indessen hinreichend um eine Untersuchung über das Aussehen des Niederschlagproduktes anzustellen. Die Synovia lässt sich m Müller’s Flüssigkeit oder m Ueberosmiumsäure in eine diekflüssige Flüssigkeit auflösen, die in dem Masse, wie das Verdünnen zunimmt, ihre fadenziehende Beschaffenheit verliert. In einer solchen Lösung von 1 Theil Synovia auf 4—5 Theile Müller’s Flüssigkeit setzen sich die Formenbestandtheile ziemlich rasch als Bodensatz ab. Die über- stehende, klare Flüssigkeit wird dekantirt und filtrirt, wenns nöthig ist. Bei hinreichender Beimischung von Spiritus (70 %/,) zu einer solehen Synovialösung wird ein Niederschlag erhalten, der sich hauptsächlich durch lockreres Aussehen von dem in unverdünnter Synovia auftretenden unterscheidet. — Auf Deekgläsern ausge- breitet und mit 70 °/, Spiritus niedergeschlagen giebt die betref- fende Lösung mikroskopische Präparate, die das Bild eines spärlich- körnigen, amorphen Niederschlags erbieten. Es ist demnach auch sungen gewisser Salze wie NaCl und Na5SO,. Solche etwa einprozen- tigen Salzlösungen habe ich daher häufig mit Vortheil beim Abspülen synoviabelegter Gewebeflächen gebraucht, ehe dieselben dem Einfluss niederschlagender Reagentien ausgesetzt wurden. Als Vorbereitung zur Silberfärbung habe ich, wie bereits erwähnt, NasSO,-Lösung ge- braucht. Zu Kernstudien habe ich eine solche Vorbehandlung nicht ' angewendet. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 873 hier eigentlich nur die lockrere Beschaffenheit des Niederschlags, welche ihn von den bei unverdünnter Synovia erhaltenen Präpa- raten unterscheidet. Häufig bildet der Niederschlag keine zu- sammenhängende Membran, sondern vereinzelte, isolirte Flöckchen, in denen die einzelnen Körner deutlich hervortreten. Derartige homogene Flecke, wie sie oben beschrieben, sind hier nicht vorhanden. 2. Hinsichtlich des Verhaltens derSynoviaFärbe- mitteln gegenüber kann ich mich kurz fassen. Bei diesen Untersuchungen habe ich theils Deckglaspräparate der Synovia, mit 70°/, Spiritus oder gesättigter Sublimatlösung nieder- geschlagen, angewendet, theils habe ich die Synovia in möglichst dicker Schicht auf der inneren Fläche eines Stückes frischer Synovialmembran ausgebreitet und beide mit Spiritus behandelt. Vextikalschnitte durch das Gewebe mit daranhängendem Synoviabelag boten demnach Ge- legenheit gleichzeitig die Färbung der Synovia und der Gewebs- elemente zu studiren. Diese beiden Verfahren habe ich auch bei in Müller’s Flüssig- keit aufgelöster Synovia gebraucht, nur dass das dabei verwendete Gewebe zuerst Behandlung mit erwähnter Härtungsflüssigkeit unter- worfen war. Der Niederschlag geschah durch Spiritus. Trotzdem ich eine grosse Anzahl Färbemittel in einfacher oder combinirter Färbung, mit Anwendung von allerlei Beizungs- und Entfärbungsmittel angewendet habe, ist es mir nicht gelungen, eine für die Synovia charakteristische Farbenreaktion zu finden. Die meisten Anilinfarben tingiren die Körner der nieder- geschlagenen Synovia distinkt und schön; einen ausgeprägten Unterschied in dieser Hinsicht zwischen basischen und sauren Anilinfarben habe ich nicht wahrgenommen. — Mit Hämatoxylin färben sich die Körner weniger scharf und zum Carmin ist ihre Neigung noch geringer. Aber denselben Farbenton wie bei diesen Körnern habe ich in der Regel auch bei den Gewebszellen gefunden. Die Ver- schiedenheiten, welche ich bisweilen angetroffen, waren allzu un- bedeutend und wenig markirt, als dass sie sich praktisch ver- werthen liessen oder das Ziehen von theoretischen Schlussfolge- rungen gestatteten. Ich habe mich deshalb gezwungen gesehen, diese zeitrau- benden Versuche aufzugeben, obgleich ich damit auch die Hoffnung aufgeben musste, den mit der Synoviabereitung in Zusammenhang stehenden Processen mit etwas grösserer Sicherheit zu folgen. 874 J. Aug. Hammar: Ueberall, wo die Synovia sich färbt, erschien die Farbe an die Körner im Niederschlag gebunden, während die Zwischen- räume ungefärbt waren. Das Niehtvorhandensein einer die Körner zusammenbindenden Substanz lässt sich auch mit Leichtigkeit in den lockeren Koageln der mit Müller’s Flüssigkeit verdünnten Synovia konstatiren. Dasselbe Verhalten lässt sich, obgleich mit etwas grösserer Schwierigkeit, betreffs der unverdünnten, koagu- lirten Synovia nachweisen. Die Formenbestandtheile der Synovia. Beim Studium des Synoviasediments bin ich folgenden Methoden gefolgt: Theils wurde die Synovia auf dem Deckglas mit 70°/, Spiritus, absolutem Alkohol, gesättigter Wasserlösung von Sublimat oder (na- mentlich bei Kernstudien) Flemming’s Flüssigkeit oder Rabl’s Chrom- Ameisensäure-Mischung koagulirt und auf verschiedene Weise gefärbt. Theils wurde die Synovia in einer reichlichen Menge Ueber- osmiumsäure (1/,%,) oder Müller’s Flüssigkeit aufgelöst und zum Sedimentiren stehen gelassen. Der Bodensatz wurde nach einem Tage resp. einer Woche mit Pipette heraufgeholt, unter dem Deekglas mit Agq. dest. gewaschen und dann gefärbt (hauptsächlich mit Hämatoxylin und Eosin oder nur Eosin). Die Formenbestandtheile, die ich dabei m der Synovia ge- funden, lassen sich kurz in folgende Kategorien zusammenfassen: 1. Grössere, meistens isolirte, aber auch nicht selten in kleineren Gruppen zusammenhängende Zellen mit gewöhnlieh recht reichlichem Protoplasma (Taf. XXXIV, Fig. 5 3). Die Gestalt dieser Zellen ist bisweilen rundlich, gewöhnlich unregelmässig. Im allgemeimen sind sie mit einen oder mehreren stumpfen, nieht besonders langen Fortsätzen versehen. Das Pro- toplasma hat oft ein lockeres Aussehen; häufig sieht es sogar körmnig zerfallend aus und hat dann keine scharfe Randkontur. Es enthält in einzelnen Fällen feine Fettkörner. Ueberaus häufig erscheint es auch reich vakuolisirt. In der Regel umschliesst es einen, bisweilen 2—3 Kerne. Auf mit Rabl’s Mischung oder Flemming'’s Flüssigkeit fixirten Präparaten haben diese Kerne ein sehr verschiedenartiges Aus- sehen: bald sind sie gross, oval, mit deutlichem Kernnetz und mit oder ohne gröbere Kromatinklumpen; bald kleiner, ganz diffus gefärbt; schliesslich giebt es Zwischenformen der Art, wie sie Ueber den feineren Bau der Gelenke. 3 pag. 304 geschildert worden. Auch vakuolisirte Kerne werden an- getroffen. Eine mitotische Theilung habe ich dagegen nirgends in den Zellen der Synovia gefunden. Augenscheinlich ist es, dass diese Zellen von der Synovial- haut herstammen und mehr oder weniger stark modifizirte Syno- vialiszellen sind. Ausserdem dürften auch von der Knorpelfläche stammende Zellen darunter vorkommen. 2aK heim ere,/siewöhnliech ganz runde Zellen, oft mit scharfer Randkontour und relativ spärlichem Protoplasma, das im allgemeinen keine auffallenden Veränderungen aufweist. Ein Theil von diesen Zellen sind mit einem einzigen ziemlich grossen und runden Kern versehen. Eben so oft findet man kleine, multiple Kerne oder ausgeprägt polymorphe Kernformen. In jedem Fall sind die Kerne gewöhnlich stark und oft diffus gefärbt (Bakı AXXTIV, Fig. D- Obgleich einige runde, einkernige Zellenformen vorkommen, über welche es sehr misslich sein kann sich auszusprechen, ver- rathen sich die meisten der letzt beschriebenen Zellen unbedingt als Leukoeyten. Hiermit stimmt auch überein, dass ich in frischer Hymdesynovia, die auf dem heizbaren @bjekttisch unter- sucht wurde, Zellen mit träger, aber deutlich amoeboider Bewe- gung wahrgenommen habe. In gesunden Gelenken ist die Anzahl dieser Leukoeyten denjenigen unter 1) angeführter Zellen weitaus unterlegen. In solchen Gelenken, die in der Nähe inflammatorischer Processe liegen, findet man ihre Menge bisweilen bedeutend vermehrt. Da das Heraufholen der Synovia aus einem Gelenk sich gewöhnlich nicht derartig bewerkstelligen lässt, dass völlige Ga- rantie gegen etwaige Mischung von Blut oder Lymphe!) geleistet 1) An eine Vermischung mit Lymphe hatte ich besonderen An- lass zu denken. In gewissen Synovia (namentlich in denen von Pfer- den) habe ich feine, glänzende, netzartig angeordnete Fäserchen in zahlreichen, grösseren und kleineren Häufchen angetroffen. Einzelne Leukocyten lagen in den Maschen des Netzwerks. Die Fäserchen färbten sich scharf bei Weigert's Fibrinfärbungsmethode. Die Bilder finden sich in der frischen, flüssigen Synovia wieder, was darauf hindeutet. dass es sich nicht um ein aus der Synovia durch Einwirkung von Reagentien hervorgerufenes Koagulationsprodukt 876 J. Aug. Hammar: werden kann, so darf ich diese Zellen allerdings nicht mit Sicher- heit als auch im Leben vorhandene Formenbestandtheile der Synovia bezeichnen. Was mir von der Struktur der Synovialhaut bekannt ist nebst meiner Erfahrung vom konstanten Vorkommen der Zellen in den Synoviapräparaten machen mich aber für eine solehe Annahme sehr geneigt. 83. Eingekapselte Zellen. Diese Zellen weisen oft Anzeichen einer vorgeschrittenen Fettdegeneration auf. Die Einbet- tungsmasse — die Kapsel — kann in eine Anzahl ‚unregelmässiger Klumpen zerfallend erscheinen. Gelegentlich findet man auch derartige Klumpen als feste oder mit einer centralen Höhlung versehene Gebilde, jedoch ohne jedwede Zellen. Uebrigens habe ich bei diesen eimgekapselten Zellen die Mehrzahl der in der Flächenschicht der Gelenkmembran und desKnorpels vorkommenden und daselbst beschriebenen Formen angetroffen. Die eingekapselten Zellen können isolirt vorkommen; in der Regel werden sie jedoch durch ein fibrilläres Zwischengewebe zu kleineren Gruppen zusammengehalten. Weder das Aussehen des- selben noch dasjenige der Zellen liefert aber in den meisten Fällen sichere Stützpunkte zur Entscheidung, ob die betreffende Gewebs- partie von der knorpligen oder der membranösen Wandfläche der Gelenkhöhle herstammt. 4. Zellenreste allerlei Art: einerseits kleinere, körnige Massen mit dem Aussehen und der Tinktionsfähigkeit des Proto- plasmas — nicht selten vakuolisirt — aber ohne Kerne; andrerseits freie Kerne mit wenigem oder keimem angehefteten Protoplasma, sowie auch freie kleinere Körner mit der Tinktionsfähigkeit des Chromatins. Allen diesen Kernen und Kernresten fehlt Kern- struktur und sie nehmen ganz diffuse Farbe an. Bei diesen Kernuntersuchungen erhielt ich gute Hülfe durch Methylgrün, bekanntlich eine empfindliche Reagenz für Kern- chromatin. Noch bessere Bilder geben Sublimatfixirung und Fär- bung mit Ehrlich-Biondis Lösung nach Heidenhain. Das Chromatin wird grün, das Protoplasma rothbraun. handelt; und eine spontane Koagulation der normalen Synovia haben wir bekanntlich keine Veranlassung anzunehmen. Da also hier von einer Beimischung zur Synovia die Rede ist, so scheint mir der Mangel von rothen Blutkörperchen in solchen Fibrin- netzen zunächst auf ihren Ursprung aus der Lymphe hinzudeuten. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 877 5. Dünne, gewöhnlich stark gefaltete Häutchen. In Deckglaspräparaten koagulirter Synovia lassen sie sich von ähn- lichen, dureh die Synovia hervorgerufene Bilder am bestem durch ihre stärkere Tinktionsfähigkeit bei Karmin unterscheiden. Bei Behandlung mit neutralem karminsaurem Ammon oder Pikrokar- min und vorsichtiger Entfärbung mit salzsäuresaurem Spiritus treten sie roth in dem entfärbten Synoviakoagel hervor. Am besten lassen sie sich in aufgelöster und sedimentirter Synovia untersuchen. Häufig sehen sie hier völlig homogen aus; gelegentlich zeigen sie eine feine Streifung, ohne dass sich jedes- mal so leicht entscheiden lässt, ob dieselbe durch Faltung bedingt ist oder auf eine fibrilläre Textur hindeutet. In einigen Fällen glaube ich aber Bilder gefunden zu haben, welche andeuten, dass letzteres der Fall sein kann. 6. Stränge mit homogenem oder fein längsgestreiftem Aussehen und gewöhnlich starker Tinktionsfähigkeit für Häma- toxylin. Sie sind oft knollig, zusammengedreht oder knotig ver- schlungen. Enthalten gewöhnlich keine Zellen. Sowohl Häutehen als Stränge können entweder von der Ge- lenkmembran oder dem Knorpel herstammen. Etwas Charakte- ristisches für den einen oder anderen Fall ist mir nicht vorge- kommen. 1. ElastischeFasern: Spärliche, feine, kürzere oder längere Enden, häufig mit charakteristischer Spiraldrehung. Wo etwas längere Faserenden vorkommen, bilden sie bisweilen mit ihren anhängenden Zweigen wirkliche Fasergewirre. 8. Grössere Gewebspartien. Am auffallendsten sind hier grössere oder kleinere Theile von Synovialvilli — vom zellenarmen oder zellenreichen Typus. Ausserdem allerlei andre Gewebstücke gewöhnlich aus Zellen und fasriger Grundsubstanz bestehend. Die meisten derselben scheinen von der Gelenkmem- bran herzurühren. 9. Fetttropfen. Dass diese nicht nur eine zufällige Bei- mischung von dem umgebenden Fettgewebe sind, dafür bürgt das physiologische Vorkommen von Fett in den oberflächlichen Zellen - des Gelenkknorpels und der Gelenkmembran. Wie bereits er- wähnt, scheint mir die Möglichkeit auch nicht ausgeschlossen werden zu können, dass der eine und dann wahrscheinlich der weitaus bedeutendere Theil des Fettes der Synovia von ober- 878 J. Aug. Hammar: flächliehen Fettzellen zugeführt sein dürften, die im Leben zer- platzt sind. 10. Rothe Blutkörpercehen seien schliesslich als einer jener Formenbestandtheile erwähnt, die selten in Synoviapräpa- raten ganz fehlen. Je vorsichtiger und sauberer man aber beim Heraufholen der Synovia verfährt, je spärlicher sind sie. Es dürfte auch kein Grund vorhanden sein, sie für etwas anderes als Verunreinigungen aufzufassen. Rücksichtlich der Histologie der Synovia trifft man in der Li- teratur ziemlich verschiedene Angaben. Einzelne Verfasser z. B. Stöhr!) behaupten, dass derselben For- menbestandtheile fehlen. Hueter?) hingegen findet, dass sie immer eine nicht geringe Menge einzelner Protoplasmakörner enthält. Seltener finden sich dieselben zu kleinen Häufchen der Grösse agglomerirt, „dass man sie als ziemlich intakten Inhalt einer Zelle betrachtensmuss“. Im allgemeinen geben die Verfasser aber an, dass sich in der Synovia Zellen derselben Art wie die zur Flächenschicht der Synovial- haut gehörenden vorfinden. Ferner werden oft Zellen mit dem Aus- sehen weisser Blutkörperchen oder „Schleimkörperchen“ angetroffen, sowie auch Zellenreste allerlei Art. Auch Fetttropfen werden gewöhn- lich als normale Bestandtheile angegeben. Ausserdem findet man schliesslich einzelne Notizen über das Vorkommen grösserer losgelöster Gewebepartien — Knorpel- oder Bindegewebsreste. Zur Frage von der Bildung der Synovia. Es wäre unzweifelhaft wünschenswerth gewesen, wenn ich dem Vorhergehenden einen Vergleich zwischen der Beschaffenheit des Synoviasediments in Gelenken mit verschiedenem Funktions- zustand hätte hinzufügen können. Die Verhältnisse haben mir aber keine Untersuchung aus erwähntem Gesichtspunkt gestattet, sowie ich auch denselben bei der Untersuchung der Gelenkwände nicht habe verwerthen können. Auch dort wo mir Angaben über den Funktionszustand des untersuchten Gelenks zu Gebote standen, war letzterer in der Regel nicht durch anhaltende Bewegung oder Ruhe ausgezeichnet. BemerkenswertheVerschiedenheiten in den mikroskopischen Bildern habe ich bei solchen Gelegenheiten nicht vorgefunden. Für den betreffenden Zweck Thierexperimente vorzunehmen, 1) Stöhr, Ph., Lehrb. d. Histol. 1892, p. 101. 2) Klinik d. Gelenkkrankh., p. 35. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 879 von denen eine Antwort auf diese Frage zunächst zu erwarten gewesen wäre, haben Zeit und Material nieht gestattet. Indessen dürfte das Angeführte schon hinreichend sein, die durch die Untersuchung der Gelenkmembran und des Gelenkknorpels erhaltene Ueberzeugung zu bestätigen, dass ein physiologischer Abnutzungsprocess sich auf den Flächen der beiden geltend macht. Das Synoviasediment besteht hauptsächlich aus Abnutzungs- produkten. Trotz dieses Abstossens geformter Bestandtheile von den Wänden der Gelenkhöhle findet augenscheinlich unter normalen Verhältnissen keine Anhäufung von Abnutzungsprodukten in der Gelenkcavität statt. Ihre Entfernung scheint indessen wohl nicht anders als in aufgelöstem oder wenigstens fein zertheiltem Zu- stand geschehen zu können. Dass wenigstens die cellulären Ele- mente der Synovia wirklich zur Auflösung in der Gelenkhöhle gelangen, davon scheinen mir die oben (unter 4) angeführten Bilder von Zellen im Zerfall ein Zeugniss abzulegen. Ich glaube mit Fug bezweifeln zu können, dass die Syno- vialiszellen bei dieser Resorption aus der Gelenkhöhle immer die passive Rolle spielen, welche Tillmanns!) ihnen zuertheilt, wenn er sagt: „Nach unseren bisherigen Versuchen scheint es, als ob unter normalen Verhältnissen der flüssige Gelenkinhalt durch die Gelenkbewegungen oder am ruhenden Gelenk durch den erhöhten intraartieulären Druck mechanisch in das Gewebe der Synovialmembran hineingepresst werde und von hier aus... in die Lymphbahnen gelange.“ Einige Beobachtungen scheinen mir in anderer Richtung hinzudeuten. So erwähnt Tillmanns?) selbst, dass er in einem Fall eine eingespritzte Lösung von Berlinerblau (nach fort- gesetzten passiven Pumpbewegungen des Gelenks) nur in der Endothelhaut angehäuft vorfand und nicht tiefer. Die Wahr- nehmung verliert aber einen Theil ihrer Beweiskraft, wenn man bedenkt, dass Tillmanns die oberflächliche Zellenschicht als eine continuirliche Endothelhaut auffasst. Die Möglichkeit ist vorhanden, dass der Farbenstoff zwischen den Zellen und nicht in denselben lag. 1) Die Lymphgefässe der Gelenke, p. 662. 2) Die Lymphgefässe der Gelenke, p. 6593. 880 J. Aug. Hammar: Dagegen scheinen Boehms!) Wahrnehmungen einem sol- chen Verdacht keinen Raum zu gestatten. Ich erlaube mir seine Worte zu eitiren: „Hatte ich nun bei solehen Versuchen Zinnober in das Gelenk injieirt, so konnte ich denselben nach einer 24 stün- digen Versuchsdauer mit der grössten Evidenz in den Zellen des epithelioiden Bindegewebes und zwar nicht nur in der oberfläch- lichsten Schichte nachweisen, sondern es ergaben verschiedene Einstellungen des Mikroskopes, dass auch in tieferen Gewebs- schichten noch zinnoberhaltige Zellen reichlich vorhanden waren. — Die Zellen hatten dabei nicht unmerklich an Unfang ge- wonnen und waren. meistens sehr dieht mit Zinnoberkörnehen vollgepfropft. Die_Identität solcher zinnoberhaltiger Zellen mit den normal vorhandenen epithelioiden Zellen ergab in einigen hierzu passenden Fällen die Silberbehandlung aufs untrüglichste.* Auch mich hat der Zufall eine ähnliche Erfahrung machen lassen. In einem Bein, dass infolge eines Maschinentrauma ampu- tirt wurde, hatte sich das Kniegelenk geöffnet, wodurch ein intra- artieuläre Blutung hervorgerufen wurde. Anzeichen einer im Synovialisgewebe selbst stattgefundenen Blutung waren dagegen nicht vorhanden. Die Amputation erfolgte etwa 12 Stunden nach dem Trauma. Schon bei einer makroskopischen Inspektion des Gelenks traten gewisse Flecke der Synovialis mit einem schnupftabak- braunen Aussehen hervor. Unter dem Mikroskop zeigten sich die oberflächlichen Synovialiszellen in diesen Flecken mit einer Menge kleinerer und grösserer pigmentartiger Körner vollge- pfropft. Diese erstreckten sich nicht selten bis in die Zellenfort- sätze hinein. Die ganze Zelle erschien vergrössert, angeschwollen. Wenn also auch geformte Bestandtheile in fein zertheilter Gestalt zur Resorption aus der Gelenkcavität gelangen zu können scheinen, so ist damit freilich nieht gesagt, dass dies der ge- wöhnlich vorkommende Fall ist. Das Nichtvorhandensein einer feineren Detritusmasse in der Synovia scheint mir eher zu Gunsten einer allmählich stattfindenden wirklichen Auflösung ihrer For- menbestandtheile zu reden. Diese stammen aber von der ganzen Wandfläche der Ge- lenkhöhle her und bestehen sowohl aus Zellen als aus Theilen Mil: ep. 15, Ueber den feineren Bau der Gelenke. 881 der Grundsubstanz vom Bindegewebe und vom Knorpel. Hieraus scheint mir auch als wahrscheinlich hervorzugehen, dass es alle diese verschiedenen Bestandtheile zusammen sind, welche durch ihre Auflösung die Synovia konstituiren. Von einer Synovia- sekretion zu reden kann unter solehen Verhältnissen nicht be- rechtigt sein, auch nicht einen gewissen Wandbestandtheil — Zellen oder Grundsubstanz -— als einsam thätig bei der Bereitung der Synovia zu betrachten. Die Gelenkschmiere dürfte Zerfallprodukte von allen enthalten. In welchem Maasse sie ausserdem bei ihrer Berührung mit den Wandflächen im Stande ist, vom Gewebe der- selben Bestandtheile direkt auszulösen, mag dahingestellt sein. Anders stellen sich die Sachen, wenn davon die Rede ist, in wiefern der eine oder andere von den Bestandtheilen der Synovia von dem einen oder anderen Gewebsbestandtheil her- rührt. Eine nothwendige Voraussetzung für die Beantwortung dieser Frage ist selbstverständlich eine genaue Kenntniss der chemischen Zusammensetzung der Synovia und der betreffenden Gewebe. Wenigstens in Betreff der Synovia kann unsere gegenwärtige Kenntniss derselben in dieser Hinsicht kaum genügend erscheinen. Nur hinsichtlich ihrer schleimigen Bestandtheile scheint mir eine wahrscheinliche Vermuthung schon jetzt ausgesprochen wer- den zu können. Nachdem diese Substanz chemisch als Nukleoal- bumin!) nachgewiesen worden, ist es wohl nieht zu kühn anzu- nehmen, dass dieselbe durch Maceration der Zellen —- zunächst der abgestossenen Synovialiszellen — der Synovia zugeführt werde. Auf analoge Verhältnisse im Serum bei lange einge- schlossenem Eiter hnweisend hat Hammarsten?) sich sehon vor langer Zeit für die Annahme des cellulären Ursprungs des Nukleoal- bumin in der Synovia ausgesprochen. Noch am Anfang dieses Jahrhunderts scheint Havers’?) Ansicht über die Bildung der Synovia Anhänger gefunden zu haben. Nach 1) Hammarsten, ©. Lehrbuch d. physiol. Chemie 1891, p. 105. Vergl. aber auch die abweichende Ansicht von der Art des schleimi- gen Stoffes, die von Salkowski in Virchow’s Arch. Bd. 131 ausge- sprochen worden. 2) Hammarsten, O. Bidrag till synovians kemi. Upsala Lä- karefören:s förhandl. Bd. 17, 1882. 3) Cit. nach Bichat (Anatomie generale) und Bendz (Almind. Anatomie). 882 J. Aug. Hammar: ihm bestand die Synovia aus einer Mischung des Fettes des Knochen- marks, das von den knorpelbekleideten Knochenenden ausgeschwitzt wurde, und dem Sekret jener Drüsen, die er in der Synovialmem- bran zu finden glaubte und welche eine spätere Zeit als fetterfüllte Synovialfalten erkannt hat. Nachdem diese Auffassung durch Bichat!) ihre Widerlegung erhalten, kam eine Zeit, wo man im allgemeinen in den Gefässen die unmittelbare Quelle der Synovia suchte. Dem Process, welcher ihre Bildung vermittelte, wurde nicht immer derselbe Name beigelegt: Bichat nennt ihn Exhalation, B&eclard?) und Todd?°) Perspiration. Auch als dureh Henle die Lehre eines Gelenkepithels entstand, schien dieselbe anfangs wenig auf die Auffassung von der Synovia- bereitung einzuwirken Henle®) spricht selbst dem Epithel einen wesentlichen Einfluss auf den Process ab. Im Gegensatz zu dieser Anschauung glaubte Rainey?°), dass das Epithel der Synovialzotten die Synovia secernirte. Erst nachdem Frerichs®) das Vorhandensein einer mit dem Schleimstoff in ihrem ehemischen Verhalten übereinkommenden Materie in der bisher nur als eine Eiweisslösung betrachteten Synovia nach- gewiesen, musste nothwendig eine Aenderung in der Anschauungs- weise eintreten. Frerichs selbst glaubte, dass dieser schleimige Stoff durch die Auflösung der abgestossenen Epithelien in dem alkalischen Serum gebildet wurde. Die Mehrzahl der folgenden Verfasser stimmte mit Frerichs darin überein, den Zellen eine wichtige Rolle bei der Synoviabildung zuzuschreiben. Im allgemeinen dürfte man aber dabei im Gegensatz zu Fre- richs den Process als eine mehr oder weniger reine Sekretion aufge- fasst haben. Schrant?) bezeichnet ihn also. Brinton®) spricht von einer Sekretion durch Zerplatzen blasenähnlicher Zellen, Soubbo- tine?) von einem schleimerzeugenden Synovialisepithel, Schneide- miühl!0) findet verschiedene’ Funktionszustände bei den Endothelzellen. Kölliker!!) drückt sich etwas unbestimmter aus, wenn er von der 1) Bichat, X., Anatomie generale appliquee A la physiologie et a la medieine. Paris an X (1801). 2) Beelard, P.A., El&ments d’Anatomie generale. 4ieme &d. 1840. 3) Cyclopaedia Vol. I, Art. Articulation. 4) Allgem. Anat. p. 385. 5) Lond., Edinb. and Dublin phil. mag. 6) Wagners Handwörterbuch. Art. Synovia. 7) Sehrant, Der Ursprung des Colloids; nach dem Holländischen von ©. E. Weber, Separatabdruck s. a. (etwa 1850?). 8) Todd’s Cyelopaedia. 9) Arch. de physiol. 10) Arch. f. Thierheilk. 11) Mikrosk. Anat. Ueber den feineren Bau der Gelenke. 883 Synovia spricht als von einem Sekret, das unter Mitwirkung des Epi- thels ganz einfach von den Gefässen der Synovialhaut und vorzugs- weise von ihren Gefässfortsätzen ausgeschwitzt wird. Tillmanns!) und Hagen-Torn?) repräsentiren eine etwas ab- weichende Ansicht. Beide nehmen an, dass ausser den Zellen auch die Grundsubstanz bei der Schleimproduktion mitwirkt. Eine noch selbstständigere Ansicht vertritt Hueter°), welcher sowohl das Vorkommen einer Massenauflösung der Zellen als das eines Sekretionsprocesses bestreitet. Nach ihm ist die Synovia eine Ernährungstflüssigkeit, welche die Bindegewebszellen und die Saftkanäle der Synovialis durchläuft und von diesem Bindegewebe ihren Muein- gehalt bezieht. Das Obige hat nachgewiesen, dass die Wände der Gelenk- höhlen aus nacktem Knorpel und nacktem Bindegewebe bestehen. Trotz ihres scheinbar einfachen Baues erbieten sie ein Reichthum wechselnder Bilder, die grösstentheils mit den funktionellen Ver- hältnissen des Gelenks zusammenhängen. Ich halte auch das Studium der Gelenkmembran und des Gelenkknorpels grade aus dem Grunde für wohl geeignet, die in vielen Hinsichten noch dunkele Physiologie des Binde- und des Knorpelgewebes zu beleuchten. Von diesem Gesichtspunkt aus dürften sie auch einer weit ein- gehenderen Untersuchung werth sein als der ihnen von mir hier zu Theil gewordenen. Upsala, Januar 1894. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXIV—XXXYV. Tafel XXXIV. Figg. 1 und 3 sind von Herrn L. Ljunggren gezeichnet, die übrigen vom Verf. Fig. 1. Vertikalschnitt durch den Gelenkknorpel des Condylus femoris eines Menschen; ob=stark tingirter Rand der Gelenkfläche zunächst; p—= die Region der platten, r — diejenige der rund- lichen, 1— diejenige der langgestreckten Zellengruppen; ms — Mantelschicht; iz = intermediäre Züge; fg — formlose Grund- substanz; z — Zellen: M. F.-Spiritus; Hämatoxylin, Eosin. Hartn. Oe. III, Obj. 4, halb ausgezogener Tubus. Fig. 2. Vertikalschnitt durch den Gelenkknorpel des Caput humeri in der Randzone. Die meisten Zellen besitzen regellos gehende 1) Beitr. z. Histol. d. Gelenke. DRG: 3) Klinik f. Gelenkkrankh., p. 37. 884 Fie. c J. Aug. Hammar: Fortsätze: k = eingekapselte Zellen; ob=der oberflächliche, stärker tingirte Rand des Knorpels. Fixirung und Färbung wie in Fig. 1. Hartn. Oe. III, Obj. 7, ausgez. Tubus. 3. Vertikalschnitt durch den Gelenkknorpel des Caput femoris in der Mittelpartie; ms — Mantelschieht; iz = intermediäre Züge; fg — formlose Grundsubstanz; z = Zellen; a’—= Kornhäufchen; f—= Faltungen der Fibrillen der Grundsubstanz. M. F.-Spiritus; Säurefuchsin, Malachitgrün. Hartn. Oc. III. Hom Imm.No.], ausgez. Tubus. Fig. 4. Vertikalschnitt durch den Knorpel, Aer die Furche unterhalb des Proe. later. ealcanei auskleidet und obere Wand für die Sehnenscheide des M. flex. hall. long. bildet. kn = hyaliner Knorpel mit verzweigten Zellen (=z), durch deren Schrum- pfung ein Theil der Zellenhöhle (=zh) leer geworden ist; fn = mächtiges Flächennetz, das bei ob der Oberfläche zunächst in unregelmässige Massen sich auflöst; z’= zwischen diesen Massen frei liegende Zellen. Fixirung und Färbung wie in Fig. 1. Hartn. Hom. Imm. No. I. Fig. 5. Zellen der Gelenksynovia eines Hundes; 1= Leukoeyten; s= (Figg. Figg. Figg. Synovialiszellen mit kurzen Stummeln der Ausläufer. Rabl’s Flüssigkeit, Ehrlich’'s Hämatoxylin; Hartn. Oc. III. Hom. Imm. No. I, ausgez. Tubus. Tafel XXXV. Bilder von Flächenschnitten der Mittelpartie des Gelenkknorpels 7 und 10 von Vertikalschnitten). 1 und 2. Von !der Region der langgestreckten Zellengruppen, fg — formlose Grundsubstanz (ungefärbt); dg = differenzirte Grundsubstanz; a und a’ = Ausläufer, Goldchlorid !/g°/,. Hartn “Oe. III. Hom. Imm. No. I, ausgez. Tubus. 3—6. Von der Region der langgestreckten Zellengruppen; z= Zelle; zu = Theil der Zellenhöhle, welcher durch die Schrum- pfung der Zelle leer geworden ist; fg = formlose Grundsub- stanz; dg = differenzirte Grundsubstanz; a —= Ausläufer, a’ —= feinste Ausläufer als Kornhäufchen hervortretend. M.F.- Spiritus; Hämatoxylin, Eosin. Hartn. Oc. III. Hom. Imm. No. I, ausgezogener Tubus (Fig. 5: eingeschobener). '. 7. Zelle aus der Region der rundlichen Zellengruppen, von dif- ferenzirter Grundsubstanz (= dg) unmittelbar umschlossen; die Zellenhöhle (=zh) verlängert sich als ein deutlicher Kanal (=k) längs dem Ausläufer (=a); in der Umgebung Körn- chen (= feinste Ausläufer) a’. Fixirung, Färbung und Ver- grösserung wie im vorigen. g. 8 und 9. Zellenformen von der Region der platten Zellengruppen, Flächenbilder. Färbung und Vergrösserung wie in Figg. 1—2 dieser Tafel. Fig. 10. Zellengruppe mit zahlreichen Ausläufern von der Region der Ueber den feineren Bau der Gelenke. 885 rundlichen Gruppen; z = Zelle; z/ = tiefer gelegene, nur durch- schimmernde Zelle; zh = Zellenhöhle; a= Ausläufer. Färbung und Vergrösserung wie in Figg. 1—2 dieser Tatel. Fig. 11. Zellengruppe mit Anastoınosen von der Region der platten Gruppen, Flächenbild; z= Zelle; z’= Zelle mit kurzen, knos- penähnlichen Ausläufern; zh = Zellenhöhle. Fixirung ete. wie in Figg. 3—6 dieser Tafel. Figg. 12 und 13. Gruppen mit verzweigten Zellen dicht unter der Gelenkfläche eines Femurkondyls, Flächenbilder. Einige Aus- läufer sind ganz kurz. Goldchlorid 1/°%,. Hartn. Oe. III, Obj. 7, eingeschobener Tubus. Fig. 14. Flächennetz eines Femurkondyls. Fixirung etc. wie in Fige. 3—6 dieser Tafel. Fig. 15. Flächenbild des Gelenkknorpels einer Kuh; zn = Zellennester, das obere mit zwei, das untere mit einer nur einige Körnchen einschliessenden Zellenhöhle; e= elastische Fasern. Fixirung ete. wie in Figg. 3—6 dieser Tafel. Fig. 16. Verschiedene Formen von verzweigten Kapseln, von dem oberflächlichsten Theil des Knorpels. a=eingekapselte Zelle mit kurzem Ausläufer; b = einge- kapselte Zelle ohne Ausläufer; e—= Kapsel mit leerer Höhle; d=links: kompakte Kapsel, rechts: eingekapselte, kurzver- zweigte Zellen; — Zelle; zh = Zellenhöhle; ak = Aussenkapsel; a’k’ —Ver- längerung der Aussenkapsel; k = Kornhäufchen. M. F.-Spiri- tus; Hämatoxylin, Eosin. Hartn. Oc. III. Hom. Imm. einge- ' schobener Tubus. Fig. 17. Eingekapselte Zellen vom oberflächlichsten Theil des Knorpels. Die Bilder sind von verschiedenen Theilen des Präparats zu- sammengeführt. a/k’, ak = Aussenkapseln; z = Zelle; zh = Zellenhöhle; k = mit der Zellenhöhle kommunizirender (Ausläufer-)Kanal; h — Zwischenraum zwischen der Kapsel und der differenzirten Grundsubstanz (= dg). Fixirung etc. wie in voriger Fig. Fig. 18. Ein paar Zellengruppen mit lobirten Kernen, vom Knorpel des Caput fem. unfern der Oberfläche; s=in die Knorpel- höhle hineinragendes Septum. M. F.-Spiritus; Hämatoxylin; bei derselben Vergrösserung wie Figg. 3—6 dieser Tafel ge- zeichnet, nachher halbe Grösse. Fig. 19. Knorpelzellen mit lobirten Kernen; aus Gelenkknorpeln von Kuh, Pferd und Hund; a und b mit unsegmentirtem Zellen- leibe; c—h mit einem in die Zelle hineinragenden Septum (= s) durch welches die Zelle unvollständig halbirt wird; f= zwei- kernige Zelle, deren Zellenleib und ein Kern eingeschnürt sind. Flemming’s undRabl’s Flüssigkeiten. Ehrlich’s Hä- matoxylin; Hartn. Oc. III. Hom. Imm. No. I, ausgez. Tubus. 886 Stefan Apäthy: Das leitende Element in den Muskelfasern von Ascaris. Von Professor Dr. Stefan Apäthy in Kolozsvär. Hierzu Tafel XXXVI. Ich habe den Bau der Längsmuskelfasern von Ascaris lum- brieoides kürzlich in einer längeren Abhandlung in der Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie!) ausführlich beschrieben. Da ich in jener Arbeit, in welcher ich das Hauptgewicht auf die Schilderung der nach meiner Ansicht bei ähnlichen Untersuchun- gen am besten anzuwendenden Mikrotechnik legte, und die mit dieser Technik wahrgenommenen morphologischen Feinheiten hauptsächlich bloss zur Illustration der Technik selbst dienen wollten, so glaubte ich meiner Beschreibung nicht nothwendiger- ‚ weise auch Abbildungen aller besprochenen Verhältnisse bei- geben zu müssen. Auch hatte und habe ich die Absicht, das Nervensystem von Ascaris in einer besonderen Schrift eingehen- der zu behandeln. Ein wesentlicher Theil der dazu nöthigen Abbil- dungen war schon damals fertig, namentlich Alles, was sich auf den engeren Zusammenhang des leitenden Elementes, nach meiner Ueberzeugung der leitenden Primitivfibrillen, mit den Muskel- fasern bezieht. Einen wichtigen Theil jener Abbildungen habe ich bereits im Juli des vergangenen Jahres dem Redakteur der Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie, Herrn D. W.J. Beh- rens vorgezeigt. Anderweitige Verpflichtungen zwingen mich die Veröffent- lichung meiner Untersuchungen über das Nervensystem von Ascaris aufzuschieben. Ich weiss noch nicht, auf wie lange Zeit dieses geschehen muss; deshalb scheint es mir geboten wenigstens den Antheil, welchen die leitenden Formelemente an dem Auf- 1) Bd. X, Heft 1 (189), p. 36—73 mit Tafel III, und Heft 3 des- selben Bandes, p. 319—361. Das leitende Element in den Muskelfasern von Ascaris. 887 bau resp. in der Versorgung der Längsmuskelfasern von Ascaris haben, in Zusammenhang mit meiner oben eitirten Arbeit durch einige Abbildungen zu veranschaulichen. Eine besondere Veranlassung giebt mir dazu ein Artikel von Rohde, welcher jüngst im Zoologischen Anzeiger!) er- schienen ist, dessen betreffende Nummer mir eben heute (am 16. Februar) in die Hände gekommen ist. Meine Entdeckung der leitenden Primitivfibrillen, welche in die Ascarismuskelfasern eintreten, diese zum Theil dureh- setzen und sich in die Subeutieularschichte fortsetzen, bezeichnet Rohde als widersinnig. Für sein Urtheil hat er nicht weniger als vier Gründe. Wenn die Gewichtigkeit derselben so gross wäre, wie ihre Zahl, so wäre ich vollkommen geschlagen. Ja er hat sogar noch ein fünftes Argument: er ergeht sich nämlich in persönlichen Angriffen. Für letztere habe ich kein Gegenargu- ment; dazu jedoch, dass es mir gelingen wird die ersteren etwas abzuschwächen, habe ich noch Hoffnung. Das erste Argument basirt sich auf „theoretisch physiolo- gische Erwägungen“. Auf was sich aber letztere bei Rohde basiren, wollen wir gleich sehen! Zunächst wird aus meiner Sehilderung der leitenden Primitivfibrillen in ihrem Zusammen- hang mit der Muskelfaser eine vollkommen unberechtigte Conse- quenz gezogen. „Die Subeutieularfibrillen können doch nur als sensibel aufgefasst werden. Da nun Apaäathy angiebt, dass sie die direkte Fortsetzung der nervösen Fibrillen der Muskel- marksubstanz sind, so ständen wir zunächst vor dem physiolo- gischen Curiosum, dass eine und dieselbe Fibrille theils eentrifu- gal, theils centripetal leitet‘“‘“?). Wenn ich also behaupte, dass ein Nervenstamm sowohl Muskeln, als auch Sinnesorgane ver- sieht, d. h. ein Nerv gemischten Charakters ist, so folgt daraus, dass eine und dieselbe Nervenfaser oder Fibrille theils centri- fugal, theils centripetal leitet! Ebenso gemischten Charakters sind die Bündel von leitenden Primitivfibrillen, welche — meist dureh Vermittlung der sogenannten Markbeutelfortsätze oder Mus- kelquerfortsätze — in die Muskelfaser eintreten. Ein Theil der- 1) Rohde, E., Apäthy als Reformator der Muskel- und Nerven- lehre. Zoologischer Anzeiger No. 439 (1894), p. 38—47. 2), Rohde, E e. p..4l. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 97 888 Stefan Apäthy: selben bleibt in der Muskelfaser, indem sie sich in dem Zwischen- raum zwischen je zwei contractilen Leisten, wohin sie in radiärer Richtung einzeln eindringen, umbiegen und dort eine longitudi- nale Richtung annehmen, in welcher sie als je eine scharfe Linie, niechtaberalseinFilzwerkfeinerSpongioplasma- fäserchen, oft weit zu verfolgen sind (s. Figur 8). Der andere Theil der Primitivfibrillen‘ setzt die Rinde der Muskel- faser in radiärer Richtung, ebenfalls einzeln zwischen je zwei eontraetilen Leisten, durch und tritt in die Subeutieula ein. Dieses Verhalten habe ich in meiner Arbeit ausführlich beschrieben, mit besonderer Betonung dessen, dass jene Fibrillen keineswegs eine fadenartige Verflechtung von kleineren Fäserchen sind, wie es dem Spongioplasma Rohde’s entspricht, sondern ganz eontinuir- liche, scharf gezeichnete wirkliche Fibrillen mit abgesehen von kleinen, im mikroskopischen Bild zum Theil bloss vorgetäusch- ten Verdiekungen, Varicositäten — vollkommen glatten Con- touren, wie es besonders in Figur 6 und 7 des vorliegenden Auf- satzes deutlich sichtbar ist. Sie unterscheiden sich in diesen Zeichnungen eben so gut wie im Präparat durch ihre die aller übrigen Gebilde übertreffende Dunkelheit und Schärfe, sodass sie mit anderen etwa faserig erscheinenden Constituenten des mikros- kopischen Bildes in den nach meiner im erwähnten Aufsatz ge- nau beschriebenen Goldmethode gemachten Präparaten absolut nicht zu verwechseln sind !). Das alles habe ich schon damals betont. Auch habe ich dargelegt, dass diese Fibrillen in ihrer Continuität, auf weite Strecken verfolgbar, auch zu iso- liren sind. Nun kann von den Primitivfibrillen, die, in ein und dasselbe Bündel vereinigt, in die Muskelfaser eintreten, derjenige Theil, welcher in der Muskelfasser verbleibt, oder aus ihr wenigstens nicht nachweisbar heraustritt, als motorisch aufgefasst werden; derjenige Theil dagegen, welcher durch die Rinde in die Subeutieularschicht heraustritt, ist wahrscheinlich als sensorisch zu betrachten. Eigen- thümlieh ist es, aber es ist eben so, dass die sensorischen Fibrillen ihren Weg von der Subeutieula in die be- treffende Medianlinie, wo sie zum Nervencentrum geleitet wer- den, oder auch direkt zum Scehlundring — falls sie nicht bereits 1) Apätlıy, l. ec. p. 348--350. Das leitende Element in den Muskelfasern von Asearis. 889 früher ihr Ziel in Ganglienzellen der Medianlinie selbst erreichen — dureh die Muskelfasern nehmen und nicht den Zwischenraum zwischen je zwei Muskelfasern dazu benützen. Logisch kann man aus meiner Schilderung nur diese Con- sequenzen ziehen. Entweder hat sie Rohde nicht ganz durch- gelesen oder er hat sie nicht verstanden. Es giebt jedoch auch eine dritte Alternative; an diese will ich nicht denken, obwohl er mir noch eine ganze Anzahl anderer Behauptungen imputirt, mit denen ich nichts zu thun habe. „Die Muskelzelle besteht also zum grössten Theil aus nervösen Elementen U)!“ So etwas habe ich nie behauptet. Niemand wird es glauben, dass ich dieser Meinung bin, wer meine Arbeit mit unparteiischem Sinne liest. Ich betone es wiederholt, dass der grösste Theil der Mus- kelfasern aus dem Muskelplasma mit sehr viel Zellsaft besteht. Das Muskelplasma schildere ich an der Hand mehrerer Methoden ganz eingehend, und zwar in seinen verschiedenen Zuständen, wo es schaumig-wabig, resp. spongiös aussieht (s. Figur 6 und besonders 9) und wo es den Anschein hat, als bestände es bei- nahe nur aus einer dichten Granulamenge (s. Figur 7). In dieses oft spongiöse Muskelplasma eingebettet verlaufen die von mir entdeckten und durch meine Methode so deutlich darzustellenden Fibrillen, indem sie sich mehrfach ver- zweigen, resp. aus diekeren Bündeln in dünnere oder in ein- zelne Fibrillen auflösen; wo sie in grösserer Anzahl vorhanden sind (Figur 6), verflechten sie sich auch. Dieses Geflecht ist aber etwas ganz Anderes als das Spongioplasma Rohde’s. Wasich gefunden habe, sagt Rohde, ist nicht neu, sondern von ihm bereits be- schrieben. Offenbar vermochte er sich gar keine Vorstellung von dem von mir beschriebenen Fibrillensystem zu machen, sonst würde er dies kaum behaupten können. Wenn man seine Zeich- nungen mit den meinigen vergleicht, so wird man sich sofort überzeugen, dass ihm seine Präparate gar keine Ahnung von diesen Verhältnissen geben konnten. Ich veröffentliche nun meme Abbildungen, welche mit den besten optischen Hilfsmitteln, immer mit dem Abbe schen Zeichen- apparat verfertigt worden sind. Sie sind, wo nicht Anderes angege- ben, die getreueste Wiedergabe des betreffenden mikroskopischen 1) Rohde, 1. c. p,4E 890 Stefan Apäthy: Bildes bis auf jedes Strichlein, bis auf jeden Punkt. Ich habe meine Zeichnungen, bei mangelnder Zeit, lieber nicht ausgeführt, d. h. nur stellenweise Alles eingezeichnet, als dass ich an ihnen etwas schematisirt hätte. So ist z. B. in Figur 6 bloss die rechte Muskelzelle ganz ausgeführt, in die linke sind im Mark bloss leitende Fibrillen, welche im Bilde, wie gesagt, sehr scharf diffe- venzirt waren, eingezeichnet. In Figur 9 ist dagegen bloss das Mark einer Partie der Muskelzelle ausführlich eingezeichnet; die eontraetile Rinde bloss angedeutet. In Figur 7 ist das eine Gra- nulastruetur zeigende Mark bloss an zwei kleinen Stellen einge- zeichnet; die Rinde ist bloss in dem unteren Theil der Figur aus- geführt; dagegen ist Alles, was von leitenden Fibrillen in dem betreffenden Querschnitt der Muskelfaser zu sehen war, genau wiedergegeben, u.s.w. Vieles ist in den Figuren nicht gezeichnet, was aber da ist, ist so getreu, wie es nur Zeichenapparat und eigenes Können erlaubten, dargestellt. Dass jedoch aus diesen Figuren, wenn man sie mit denen von Rohde vergleicht, „die Gleichheit der von uns beschriebenen Fibrillen ohne Weiteres ein- leuchten wird“, glaube ich nicht. Seine Methode, und noch etwas Anderes, haben es Rohde nicht gestattet, in dem Mark der Muskelfasern von Ascaris mehr als bloss sein Spongioplasma wahrzunehmen. Meine Methoden bewirken dagegen eine weitere Differenzirung sowohl des Markes, als auch der Markbeutelfortsätze, der Subeuticula, der Nerven und des Schlundringes. Neben dem und in dem, was er als Spongioplasma zu bezeichnen vermag, sind dort auch Fibrillen, eontinuirliche Fibrillen ganz anderer Art vorhanden, welche ich zuerst entdeckt habe. Ob ich berechtigt war, diese als leitend anzunehmen, darauf komme ich weiter unten noch zurück. Nun hat Rohde mit den von mir so ausführlieh beschriebenen Methoden nicht nachuntersucht!); also könnte ich ihm einfach sagen, dasser gar nicht bereehtigt ist, über meine Angaben ein Ur- theil zu fällen, mag er seine eigenen Präparate, so lange er 1) Der zweite, hier hauptsächlich in Betracht kommende Theil meiner Arbeit ist am 7. November 1893 erschienen, Rohde's Entgeg- nung am 22. November 1893 dem Zoologischen Anzeiger eingegangen. Offenbar wäre die Zeit zum Nachuntersuchen zu kurz gewesen. Auch erwähnt Rohde von einem solchen gar nichts. Das leitende Element in den Muskelfasern von Ascaris. 891 will, wiederholt bewundern, zumal seine allgemeinen „theoretisch- physiologischen Erwägungen“ solcher zweifelhaften Natur sind, wie es gleich des weiteren gezeigt wird. „Bei der ganz aussergewöhnlichen Ausbildung nervöser Fibrillen in Museulatur und Subeutieula müssten wir ferner einer- seits auf eine sehr grosse Beweglichkeit der Thiere, andererseits auf einen ganz bedeutenden Reichthum von Sinnesorganen schliessen. Bekanntlich zeigt die Wirklichkeit gerade das Gegen- theil. Die Thiere sind äusserst träg und sehr arm an Sinnes- organen, welche hier als Papillen auftreten“ !). Die von mir entdeck- ten Fibrillen — ich spreche nieht vom Spongioplasma, welches wirklich nichts mit der Nervenleitung zu thun hat! — können also nicht nervöser Natur sein, weil die Thiere zu wenig be- weglich sind. Gut! Die auch von Rohde und vor ihm von vielen anderen Forschern beschriebenen Gebilde, welche als Mus- kelfasern bezeichnet werden, namentlich aber die grosse Menge contraetiler „Säulchen“, welche auch Rohde beschreibt, das Alles hat mit der Muskelthätigkeit nichts zu thun, sie können keine Muskeln sein, weil das Thier zu einer so grossen MengeMusculatur vielzuträge und unbeweglich ist. Ist die Menge der leitenden Fibrillen mit der Beweg- lichkeit in einem so einfachen direkten Verhältniss, wie Rohde meint, um wie Vieles mehr muss das zwischen eontraetiler Sub- stanz und Beweglichkeit der Fallsen? Wenn Rohde aus diesem, nach seiner Folgerungzwingendem, Grunde öffentlich erklärt, dass die bisher von der ganzen Welt für Muskelfasern gehaltenen Gebilde bei Ascaris keine Muskelfasern sind, dass er sich hierin auch geirrt hat, so bin ich ebenfalls bereit zu er- klären, dass das von mir entdeckte System von Fibrillen nicht reitender Natur ist. Wo die Menge der Muskelfasern so ausserordentlich gross sein kann, ohne dadurch eine grosse Beweglichkeit zu ver- ursachen, wie bei Ascaris, dort kann auch die Menge der Ner- venprimitivfibrillen eine auf den ersten Blick befremdend grosse sein, ohne deshalb eine grosse Empfindlichkeit des Thieres noth- wendig zu machen : wo die contractile Substanz massenhaft ent- wickelt ist, dort kann es ebensogut auch die leitende Substanz N Rohde, l2e.pr42: 8392 Stefan Apäthy: sein. Und andrerseits glaube ich nach dem, was ich von Leben und Lebenden weiss, dass, je weniger ein Thier mit Sinneswerk- zeugen ausgestattet ist, eine um so grössere Ausdehnung muss die, wenn auch in einem geringen Grade, aber doch empfindliche Körperoberfläche haben, und das Thier muss eine relativ un so grössere Menge leitender Bahnen und leitender Substanz überhaupt besitzen, damit es, trotz der so schlechten Ausnützung der Nervenleitung, doch irgendwelche äussere Eindrücke wahr- nehmen kann. Auch muss in solchen Fällen, namentlich bei Ascaris, wohl die Quantität der leitenden Substanz für die noch wenig verfeinerte Qualität entschädigen. Mehr Sinnes- organe würden Ascaris dazu befähigen, weniger leitende Bahnen und weniger leitende Substanz besser auszunützen und somit wäre die grosse Menge, welche bei ihr nachzuweisen ist, erst recht befremdend, weil sie unnöthig wäre. Die Schilderung, nach ihm bloss die „Deutung‘‘ meiner Fi- brillen, suchtRohde unter Anderem auch dadurch ad absurdum zu leiten, dass er aus ihr die Consequenz zieht: „Die Subeutieula hat also einen vorwiegend nervösen Charakter!“1). Jawohl, das hat sie: keinen vorwiegend nervösen aber auch einen ner- vösen Charakter, indem sie die äusserste zellige Körperschichte ist, in welcher die periphere Ausbreitung einer grossen Anzahl leitender Fibrillen stattfindet. Glaubt denn aber Rohde, dass ich die Zellkerne, welche in die Grundmasse der Subeutieula, stellenweise sehr dicht, eingestreut sind, nieht kenne? Zu diesen Zellkernen gehört auch je ein Zell- körper, wenn auch die Grenzen und Contouren derselben in der homogenen Zwischensubstanz, in welche sie eingebettet sind, ver- schwinden. Nun ist der Zellkörper eine protoplasmatische Substanz und somit vollkommen geeignet, um im mikroskopischen Bild eine Structur aufzuweisen, welche Rohde als spongiös bezeichnen mag. Auch die an und für sich hyaline Grundsubstanz ist der- art, dass sie beim Erstarren in Folge der angewandten Fixirungs- mittel, resp. bei der weiteren Behandlung eine verworren fibrilläre Struetur annehmen kann. Das sind aber bloss scheinbare oder nicht präformirte Fibrillen, welche der Subeutieula das Aussehen eines Filzwerkes aus feinen, kurzen, regellos verflochtenen Fäserchen 1) Rohde, l.c. p. 41. Das leitende Element in den Muskelfasern von Ascaris. 393 geben können. Dieses für mich jetzt unwesentliche Filzwerk ist nun von den scharf gezeichneten, genau zu verfolgenden Fibrillen durchzogen; die diekeren unter ihnen werden von dünneren Primitiv- fibrillen zusammengesetzt, welche, wie bereits öfters betont wurde, einzeln durch die Zwischenleisten, in denen sie je eine radiäre Mittellinie bildeten, aus den Muskelfasern heraustreten. Dieses Verhältniss ist in Figur 6 sehr deutlich zu sehen. Die Grund- substanz der Subeutieula geht in die Interstitialmembran, welche die Muskelfasern resp. deren Markbeutel und Markbeutelfortsätze gegen die Körperhöhle zu bedecekend, sich zwischen je zwei Muskelfasern radiär hineinschiebt, wie es besonders Figur 10 zeigt, ununterbrochen über. Doch will ich hier Schilderungen, welche sich in meiner ausführlichen Arbeit finden, nieht wiederholen. Die Subeutieula von Ascaris entspricht gleichzeitig der Epithelschiehte und dem subepithelialen Bindegewebe der höheren Würmer. Ebenso wie dort das Epithel und seine direkteren Abkömmlinge, die eventuell tief in den Körper hineingesunkenen einzelligen Drüsen, hat hier die Subeuticula in erster Linie für den Schutz des Körpers durch Absonderung der dieken Cutieula zu sorgen. Nach der Mehr- zahl seiner Zellen, welche einzellige Drüsen sind oder zu solchen werden sollen, ist das Epithel von Lumbrieus eine in erster Linie absondernde Schichte, und doch hat dieser Umstand Lenhossek und Retzius nicht verhindert, das Eintreten von sehr zahlreichen Nervenfibrillen in das Epithel nachzuweisen. Bereits hat sich so- gar ein Leuckart für die Annahme Lenhosseks, dass das Epithel von Lumbrieus und wahrscheinlich vieler anderer Thiere auch nervöser Natur ist, ausgesprochen. Warum soll die Subeutieula von Ascaris, welche gleichzeitig auch dem Epithel von Lumbrieus ent- spricht, nicht auch unter Anderem nervöser Natur sein? Lenhossek würde unter den Zellen der Subeutieula vielleicht sensorische Nervenzellen suchen. Ich meinerseits willnur so viel nachgewiesen haben, dass die sensorische End- ausßreitung des Nervensystems von Asearisin der ganzen Subcuticula stattfindet. Ist das bei dem heutigen Stande unseres Wissens über das Nervensystem der nie- deren Thiere ein Absurdum? Ich schmeichle mir, dass meine Angaben für die Mehrzahl der gegenwärtigen Nervenforscher 894 Stefan Apäthy: eher ein willkommener Beitrag zu unseren Kenntnissen sein werden. Noch einen Einwand, welcher in die Kathegorie der „theore- tisch-physiologischen Erwägungen Rohde’s gehört, will ieh erwähnen. Das betreffende Argument kann in der folgenden Weise zusammengefasst werden: Der „Achseneylinder“ der Nervenfaser, welcher je eine Papille von Ascaris versorgt, zieht „unter Verjüngung bis an die Oberfläche der Cutieula“. Die Subeutieularfasern treten aber „niemals über die Papille hinaus in die Cutieula*, folglich können sie keine Nervenfibrillen sein!). Dagegen frage ich einfach, ob denn die Nerven im Kör- peroberflächenepithel von Lumbrieus in die Cuticula eintreten; ob denn die Nervenfasern der Epidermis der Wirbelthiere auf die Oberfläche derselben hinaustreten? Sind denn deshalb jene Nerven keine Nerven? Was haben die Nerven, ausgenommen bei ganz speciellen Endigungsweisen, in der Cutieula, welche ja bei den meisten Würmern wiederholt abgeworfen wird, zu thun? Das zweite Argument Rohde'’s lautet folgenderweise. Auf die Frage, was mich dazu berechtigt jene Fibrillen für ner- vös zu erklären, findet sich bei mir angeblich bloss die „Er- klärung, dass sie gerade so aussehen wie die von mir „bei Hirudineen, Chaetopoden, Crustaceen etc. für nervös betrachteten Elemente.“ Nun sei es aber evident, dass es ein Absurdum ist, Subeutieularfibrillen als leitend anzusehen, und so habe ich meiner „ganzen Nervenreformationstheorie dadurch, dass ich sie auf die Nematoden ausdehnte, selbst den Todesstoss gegeben“?). Mit anderen Worten: die Fibrillen sind nicht nervös, weil sie nicht nervös sind! Ich weiss nicht, was auf eine solche Beweisführung zu antworten ist. Rohde irrt sich sehr, wenn er glaubt, dass er es irgend- wie nachgewiesen hat, dass die Primitivfibrillen, welche ich be- sonders bei Hirudineen genau geschildert habe, nicht leitender Natur und nicht das eigentlich Wesentliche der Nervenfasern sind. Meine Methylenblaumethode) lieferte mir ganz schlagende 1) 1. e.'p. 42, 2).1.1.C. p.,48. 3) Apäthy, St., Erfahrungen in der Behandlung des Nerven- systems für histologische Zwecke. I. Mittheilung: Methylenblau. Zeit- schrift f. wissensch. Mikroskopie, Bd. IX (1892), p. 19—37. Das leitende Rlement in den Muskelfasern von Ascaris. 895 Beweise für die Richtigkeit meiner Auffassung und bestätigte das, was schon an meinen früheren Goldehloridpräparaten so klar ge- wesen ist!); nun kommt jene Goldehloridmethode dazu, welche ich in meiner Ascarisarbeit empfohlen habe, welche Alles noch- mals bestätigt, ja sogar Vieles, da hier feine Schnittreihen be- handelt werden können, noch deutlicher hervorhebt (s. die Fi- guren 5— 10). | Uebrigens habe ich bloss erwähnt, dass die betreffenden Fibrillen bei Ascaris genau dieselben Reaetionen zeigen, wie jene Primitivfibrillen, von welchen ich bei Hirudineen, Lumbrieus ete. bereits nachgewiesen habe, dass sie die leitende Substanz sind. Rohde war nieht im Stande, sie bei den Hirudineen zu sehen; er sah bloss Spongioplasma; auch bei Ascaris kann er sie nicht sehen, auch hier sieht er bloss sein Spongioplasma. Das aber finde ich natürlich, dass sein Spongioplasma hier, wie dort gleich aussieht; ebenso natürlich ist es andrerseits, dass die von mir nachgewiesenen leitenden Primitivfibrillen bei den verschiedenen Objeeten gleich aussehen. Ausser dieser Gleichheit habe ich noch ganz andere Gründe aufgeführt und das Hauptgewicht auf diese gelegt: ich habe die leitenden Primitivfibrillen von der Sub- euticula einerseits in die Mediannerven, andererseits in die Mus- kelfasern, von dort in die Markbeutelfortsätze, weiter in die Me- diannerven oder in den Schlundring, resp. bis zu peripherischen Ganglienzellen, in ihrer ununterbrochenen Individualität — in grössere Bündel, bezüglicherweise diekere Fibrillen vereinigt — verfolgt (s. Figur 3, 4 und 5). Es entspricht also nicht der Wahrheit, dass mein alleiniger Grund, die Fibrillen für nervös zu erklären, ihr Aussehen gewesen ist. Auch ist Alles, was er über die von mir aufgestellte Analogie des Baues von Muskelfaser und Nervenfaser erwähnt, ganz verdreht. Er könnte es ganz gut wissen, wenn er meinen Auf- satz Contractile, und leitender Primitrwiibeilften), den er eitirt, auch gelesen hat, dass ich ebenso, wie von Muskel- fasern zweierlei Typen von Nervenfasern (Nervenspindeln) unter- scheide, nämlich den bündelförmigen und den röhrenförmigen 1) Apäthy, St., Contractile und leitende Primitivfibrillen. Mit- theilungen a. d. zoolog. Station zu Neapel, Bd. X. 1892), p. 355—375. 2) S. die vorige Anmerkung. 896 Stefan Apäthy: Typus. Aus der Darstellung der Nerven von Ascaris, welche ich auf Seite 357 meiner Ascarisarbeit, obwohl ich auf die Schilde- rung des Nervensystems nicht eingehen wollte, gegeben habe, sowohl als auch aus dem auf Seite 358 Gesagten, ist es ganz deutlich, dass ich die Nerven von Ascaris ebenso wie zum Theil sogar die der Hirudineen, ‚welche zu einem gemischten Typus gehören, als bündelförmig betrachte: in ihnen verlaufen die leitenden Primitivfibrillen, gerade wie in den verjüngten Strecken der Markbeutelfortsätze, in Bündel veremigt und nicht m der Wand einer Röhre (s. Figur 5). Also weise ich folgenden Satz Rohde’s als incorreet zurück: „Dem entsprechend hält er auch bei der Nervenfaser von Ascaris den hellen feinfibrillären, oben als Achseneylinder bezeichneten Inhalt (Fig. 2) nur für eine nicht nervöse Marksubstanz und die die Scheide bildenden Sub- eutieularfibrillen für die leitenden Elemente“ !). Meine Arbeiten über die Nervenfasern der Mollusken und der Crustaceen sind wohl nieht so ausführlich, auf alle Einzelheiten eingehend, wie über die der Hirudineen, Lumbrieus und Ascaris, im Wesentlichen wird aber das Wenige, was ich über jene bereits mitgetheilt habe, auch von den künftigen diesbezüglichen Mittheilungen Rohde’s wohl nieht viel zu fürchten haben. Vielleicht wird sich Rohde bis dann sogar die Technik, welche eine deutliche Differenzirung der leitenden Primitivfibrillen gestattet, aneignen: bisher hat er sie nie gesehen. | Das dritte Argument Rohde’s lautet etwa folgender- maassen: Seine Präparate sind nach sehr guten, bewährten Me- thoden verfertigt, auch sind sie sehr schön; die mikroskopischen jilder, welche sie von der Beschaffenheit unseres Objectes geben, sind sehr scharf, folglich existirt in dem Objeet nichts weiter, als was Rohde an ihnen zu sehen im Stande ist, folglich existiren die von mir prätendirten leitenden Primitivfibrillen nieht resp. ist das von mir bei Ascaris besehriebene Fibrillensystem nichts weiter, als das Spongioplasma Rohde’s, welches nicht das Leitende sein kann. Was nun zuerst die Methoden Rohde’s anbelangt, so habe ich es in meiner Asecarisarbeit zur Genüge auseinanderge- setzt, warum ich solche zur Untersuchung der uns interessiren- 1),Rohde, ]. c. 9.43. Das leitende Element in den Muskelfasern von Ascaris. 397 (len Verhältnisse für unzulänglich halte. Ich betonte es wieder- holt, dass ich bei Ascaris ausser den eingehender beschriebenen Methoden auelı so manche andere Fixirungen und Färbungen, Isolationsmethoden und Imprägnirungen angewandt habe, unter diesen auch alles von Rohde Empfohlene. Es war mir ja, aus Gründen, welche keinen direeten Bezug auf das in der Ascarisarbeit Erstrebte haben, hauptsächlich daran gelegen, die Resultate verschiedenster Methoden der meo- dernen Mikrotechnik bei einem und demselben Object genau zu vergleichen. Wenn ich die Methoden Rohde’s für unzulänglich erklärte, so that ich dies deshalb, weil ich die seinigen Ja nachgeprüft habe und weil andere Methoden einer- seits das bereits mit der Technik Rohde’s Siehtbare noch schärfer hervortreten lassen und hauptsächlich vorwurfsfreiere Schlüsseaufdienatürliche Beschaffenheit unseres Objecetes gewähren, andrerseits aber Manches, was in den Rohde’schen Präparaten absolut nicht sicht- bar seinkann oder wenigstens nur sehr Schwer erkenntlich ist,sicherund deutlich differenziren, so namentlich die leitenden Primitivfibrillen. Dass Rohde seine eigenen Präparate schön findet, ist eben Geschmacksache, und, nach seinen Resultaten zu urtheilen, auch ein Zeichen gewisser Genügsamkeit. War er ja vollkommen überzeugt, und ist es wohl auch noch heute, dass die Präparate, hauptsächlich Paraffinserien, auf welche sich seine Arbeit über das Nervensystem der Hirudineen gründete, sehr schön und vollkommen überzeugend sind. Er war so freundlich sie mir und einigen anderen Fachgenossen in Neapel zu demonstriren, in der Hoffnung mich und jene anderen Herren von der Richtig- keit seines Standpunktes, gegenüber dem meinigen, zu überzeugen. Nun waren ja diese Präparate sehr nett hergestellt, die Schnitte sehr dünn und als solche tadellos; das, was man unter dem Mikroskop an ihnen sehen konnte, erschien sehr rein, deutlich und scharf gezeichnet, ebenso wie die Abbildungen, welche Rohde von ihnen verfertigte. Leider war an ihnen das Wesentliche undifferenzirt und deshalb das unsichtbar, was bereits an meinen damaligen, noch mehr aber an meinen neueren, namentlich Methylenblau- und Goldehloridschnittserien- präparaten so deutlich zu Tage tritt: ich meine die Existenz, die 898 Stefan Apäthy: Beschaffenheit und den Verlauf der leitenden Primitivfibrillen. Das Siehtbare dagegen forderte ganz dringend jenes granum C A salis, welches allein den Forscher befähigt, aus den unvermeid- lichen Kunstprodueten seiner Präparate richtige Schlüsse auf die natürliche Beschaffenheit seines Objeetes zu ziehen. Von den Urtheilen jener Fachgenossen darf ich wohl so viel erwähnen, dass sie mit mir darin vollkommen übereinstimmen, dass das Kunstproduet in den uns demonstrirten Präparaten etwas über das Unvermeidliche hinausgegangen war. Jedenfalls bin ich Rohde für seine liebenswürdige Demonstration zu grossem Dank verpflichtet, da er mich durch diese in der Ueberzeugung von der Richtigkeit meiner eigenen Anschauung der seinigen gegenüber ganz wesentlich verstärkt hat. Was nın meine armen Muskelpräparate betrifft, welche ich ihm damals demonstrirte, so sind diese freilich derart, dass ich mir nach ihnen „nichts träumen“ lasse von der Schärfe, mit welcher in der Muskelzellrinde „die contraetilen Leisten nach Osmiumsäure-Fixirung auf Schnitten“ bei Ascaris hervortreten. Es ist wirklich ein Wunder, dass sie es doch vermochten, Rohde von der vollkommenen Unrichtigkeit seiner früheren Darstellungen der Muskelfasern verschiedener Thiere zu überzeugen und ihn, was die Beschaffenheit der contractilen Substanz betrifft, voll- kommen zu meiner Anschauung zu bekehren, — was er ja in seiner eitirten Entgegnung selbst zugiebt. Zu meiner Entschul- digung soll dienen, erstens, dass ich wohl schon damals (im Sommer 1891) über bessere Präparate verfügte, als welche ich in Neapel, auf einer Reise, bei mir hatte; zweitens, dass die Beschaffenheit der eontraetilen Rindg aus alternirenden contrac- tilen Leisten und Zwischenleisten sowohl als auch deren Natur bei Ascaris unvergleichlich auffälliger und leichter zu demon- striren ist, als bei den Hirudineen; und drittens, dass seit jener Zeit auch ich um einige kleine Schritte in der Technik, meinen Gegenstand zu bewältigen, vorwärts gekommen bin. Alles das ist hier jedoch Nebensache! Die Hauptsache ist, dass, auf Grund von in Betreff gewisser Verhältnisse negativen Resultaten, welehe er mit sonst noch so guten Methoden erhalten hat, niemand berechtigt ist die positiven Resultate, welche nach ganz anderen Methoden erzielt worden sind, anzuzweifeln. Seine Pflicht ist mit denselben Methoden nachzuuntersuchen, und wenn Das leitende Element in den Muskelfasern von Ascaris. 899 er, trotz der skrupulösesten Sorgfalt in der Ausführung der vor- geschriebenen Methode an demselben Objekt und trotz sehr oft wiederholter Versuche, dennoch keine positiven Resultate bekommt, — num dann kann er auch nieht mehr, als die Methode für unsicher zu erklären, und die betreffenden angezweifelten Ver- hältnisse als ein Ereigniss im Präparat, welches nicht ohne Weiteres auf die natürliche Beschaffenheit des Objeetes bezogen werden soll, zu bezeichnen. Bekommt er dagegen positive Resultate, so mag er dieselben nach ihrer Beweiskraft analysiren oder, wenn er es kann, zu Gunsten seines eigenen Standpunktes er- klären. Kann er dies nicht, so muss er nachgeben. Die Prä- parate z. B., welehe man nach Chromsäurefixirung und Härtung und Tinktion im alten ammoniakalischen Carmin von Gehirn und Rückenmark der Wirbelthiere bekommt, können in ihrer Art sehr schön sein und lassen von den hochwichtigen Verhältnissen, welche uns erst die Golgi’sche Methode enthüllt bat, doch gar nichts ahnen. Wäre es richtig immer nur auf den Untersuchungsresul- taten, welehe man an den alten Präparaten gewonnen hat, herumzu- reiten und deshalb von mit anderen Methoden gewonnenen Re- sultaten nichts wissen zu wollen? Etwas ganz ähnliches thut -mir gegenüber Rohde, über dessen histologische Technik, was die Herstellung der Nervenpräparate betrifft, die verschiedenen Goldmethoden, die Chromsilbermethoden, die Methylenblaumethoden ete. spurlos hinweggeflogen sind, um von meinen eigenen Verfahren, welchen ich meine von ihm bestrittenen Angaben verdanke, gar nicht zu reden. Nur so ist es zu verstehen, dass er so hart- näckig an der unglücklichen Hyaloplasmatheorie der Nervenleitung festhält, wo doch unsere heutige Kenntniss der Vertheilung und der Endigungsweise der leitenden Bahnen (— vielfach nieht in den Zellen, sondern zwischen den innervirten Zellen —) dieselbe geradezu unmöglich macht. Gehen wir aber endlich zum vierten und letzten Argument Rohde’s über! Dieses ist kein geringeres, als das Constatiren der Thatsache, dass er seine Schilderungen mit vielen, mühevollen Abbildungen erläutert, wogegen ich das von mir Behauptete ent- weder nur mit wenigen, ungenügenden Zeichnungen oder über- haupt nicht illustrirte. Folglich verdient seine Darstellung volles Vertrauen; die meinige erweekt dagegen Misstrauen. — Warum ich in meiner Ascarisarbeit das, was sich auf das Leitende in den 900 Stefan Apäthy: Muskelfasern bezieht, nieht mit Abbildungen begleitet habe, ist dort deutlich mitgetheilt und wurde bereits auch hier erwähnt. In meinem hier ebenfalls eitirten Artikel über contraetile und leitende Primitivfibrillen ist das im Text Auseinandergesetzte durch Abbildungen, wie ich glaube, in genügender, weil überzeugender Weise erläutert. Ich hätte wohl auch mehr geben können; allein ich spare meine Zeiehnungen, welche sich auf Hirudineen beziehen, für eine seit langen Jahren verbreitete grössere Monographie auf: auch das habe ich bereits bei verschiedener Gelegenheit erklärt. Und was für Abbildungen und wie viele ich, besonders von dem feineren Bau des Nervensystems besitze, darüber könnte die Di- recetion der zoologischen Station zu Neapel, auf welcher die Ver- lagskosten meiner Monographie lasten, etwas reden. Dagegen steht nichts im Wege, dass ich die Rolle des leiten- den Elements in der Muskelfaser und in der Subeuticula von As- caris an der Hand einiger Abbildungen hiermit noch besser er- läutere. Ich gebe nur das, was ich zu diesem Zweck für noth- wendig erachte. Fig. 1 und 2 sind nach Quetsehpräparaten in 5Oprocentigem Glycerin gezeichnet und sollen die Reaetion der frischen, leben- den Muskelrinde nach der Goldehloridameisensäuremethode, welche auf Seite 334 und 335 meiner eitirten Ascarisarbeit beschrieben ist, veranschaulichen. Die contractile Rinde der Muskelfaser, und besonders die eontraetilen Leisten selbst sind hier stark ge- quollen. (Vergleiche letztere in Fig. 2 bei 1500facher und in Fig. 6 bei 2000facher Vergrösserung.) Die contractilen Leisten cl sind im Präparat sehr blass hortensia roth, kaum gefärbt, wogegen die Zwischenleisten zl stark tingirt, kirschroth er- scheinen, mit meist dunklen, beinahe schwarzen, eingelagerten Körnehen, welche in Fig. 1 nur stellenweise eingetragen, dagegen in Fig. 2 genau eingezeichnet sind. Figur 1 ist ein Stückchen der eontractilen Rinde mit ver- tikal auf das Gesichtsfeld stehenden contractilen Leisten, von aussen betrachtet, bei bloss 400facher Vergrösserung. Sie zeigt besonders zwei Thatsachen deutlich: erstens dass die eontractilen Leisten bloss gruppenweise ganz parallel zu einander verlaufen, die einzelnen Gruppen dagegen, innerhalb gewisser Grenzen, ver- schiedene Richtungen annehmen können; zweitens dass die con- tractilen Leisten verschieden lang sind und es auch ganz kurze, Das leitende Element in den Muskelfasern von Ascaris. 901 inzwischen eingekeilte, wie bei x giebt. Und noch eine eigen- thümliche Erscheinung tritt hier deutlich zu Tage, dass nämlich jede vierte Zwischenleiste breiter ist, als die übrigen alle, und jede zweite Zwisehenleiste etwas breiter als die erste und dritte. Auch die eingelagerten Körnchen sind in den breiteren Zwischen- leisten grösser. In ihrer ganz typischen Anordnung erscheinen die Leisten in der Figur links oben. Noch deutlicher sind dieselben Verhältnisse, welche mir üb- rigens nach anderen Methoden nicht aufgefallen sind, in Fig. 2 sichtbar. Diese ist ein anderes Stückchen contractiler Rinde von aussen gesehen und mit von innen anhaftendem Muskelmark, etwas stärker gequetscht, wodurch die faserigen, resistenteren Bestand- theile des Markes mit ihrer feingekörnten Umhüllung sich nach vorne und seitwärts umgeschlagen haben und hervorgedrängt worden sind. Die Verbindungen der in das Wabenwerk des Muskelmarkes wm eingebetteten Fibrillen mit den Zwischenleisten zl durch feine Fibrillen rf und If sind sehr deutlich. In ihrer natür- lichen Lage besitzen sowohl die Fibrillen ıf, als auch jene mit If bezeichneten, welche als eine longitudinale Fortsetzung der Zwischenleisten erscheinen, eine radiäre Richtung zur Rinde, nur sind erstere im Präparat nach der Seite, letztere nach vorne um- gebogen. Jede seitswärts umgebogene Fibrille rf begiebt sich zu einem scheinbaren Körnchen in einer Zwischenleiste, besonders deutlich zu sehen auf der rechten Seite der Figur, wo die Bruch- linie des Rindenstückes beinahe vollkommen einer Zwischenleiste entspricht. Diese Körnchen, welehe in ziemlich regelmässigen Abständen hintereinander gereiht sind, entsprechen der Umbiegungs- stelle resp. dem optischen Querschnitt der Fibrillen ıf, die sich, wie es besonders in Fig. 6, T und 9 deutlich zu sehen ist, als radiäre Mittel- oder Zwischenfibrillen in die Zwischenleisten fortsetzen. Da sich weiter in jeder Zwischenleiste auch longitudinale Mittel- fihrillen befinden, das heisst die in radiärer Riehtung in die Leiste eingetretenen Fibrillen sieh in longitudinaler Richtung umbiegen, so können die Körnchen auch Kreuzungs- und Verlöthungspunkte von radiären und longitudinalen Mittelfibrillen darstellen. (Ver- sleiche den Längsschnitt der Rinde in Fig. S und die Querschnitte besonders in Fig. 6 und 7.) Die Verlöthung derselben wird durch die Perifibrillärsubstanz (Axoplasmaumhüllung der Nervenfibrillen nach anderen Autoren, u. A. Schiefferdecker) bewirkt; je nach- 902 Stefan Apäthy: dem sie spärlicher oder reichlicher auftritt, erscheinen die Körnchen (ein Theil der sogenannten Variecositäten der leitenden Fibrille) kleiner oder grösser. Das in dieser Figur abgebildete Stückchen Muskelrinde lag nicht ganz eben im Präparat; die mit J bezeichneten dunkleren Par- tien zeigen, bei scharfer Einstellung der Körnchen in der Partie A etwas unter der Aussenfläche der Rinde, die Innenfläche der letzteren, wo sie an das Mark grenzt. An der vorderen Risslinie des Stückes sieht man eine Fibrille qf, welche quer zur Längs- achse der Muskelfaser, hart an der Grenze von Mark und Rinde verläuft; sie steht einerseits mit deu Fibrillen If, andererseits mit den mit Muskelplasma umhüllten Fibrillen des Markes in Ver- bindung. Bei a ist eine solche Verbindung mit einer Zwischen- leiste und mit einer Radiärfibrille «, durch Aendern der Einstel- lung genau verfolgt und eingezeichnet. In den in Fig. 1 und 2 abgebildeten Quetschpräparaten sind die Fibrillen, welche in den folgenden Figuren mit nfi (Nerven- fibrillen) bezeichnet wurden, durch ihre Farbe von dem Muskel- plasma und der Grundsubstanz der Zwischenleisten wenig oder nieht differenzirt, sie sind nicht so scharf wie in meinen vergol- deten Sehnittpräparaten gezeichnet und es haften ihnen feine Körnehen und Fädehen an, welche zu dem eigentlichen Muskel- plasma gehören. Dass sie präformirt im Objekt vorhanden sind, zeigt ihre grosse Resistenz beim Quetschen gegenüber dem eigeut- lichen Muskelplasma, welches durch die Emwirkung der schwachen Ameisensäurelösung (1: 100) sehr weich wurde und hier kein festes, derbfaseriges Coagulum bildet, sondern sich leicht zerdrücken lässt. Dass aber die Fibrillen der Fig. 2 den leitenden Fibrillen der übrigen Figuren entsprechen, zeigt ihre Anordnung und ihre Verbindungen. In den vergoldeten Schnitten dagegen, welche nach der auf Seite 348 und 349 meiner öfters eitirten Ascarisarbeit beschriebenen Methode hergestellt sind, differenziren sich die leitenden Fibrillen, wie ich es wiederholt betont habe, sowohl durch eine sehr scharfe Zeichnung als auch durch eine sehr dunkel violette, beinahe schwarze Färbung. Das Muskelmark bekommt sie entweder vom Markbeutel her oder von besonderen Bündeln, resp. dicken Fibrillen, welche sich direkt zur Innenseite (Markseite) der Muskelfaser begeben (s. As- Das leitende Element in den Muskelfasern von Asearis. 903 carisarbeit p. 342— 343). Letzteres Verhalten ist in Fig. 3 dar- gestellt. Die Muskelfaser, im welche die dieke Fibrille nfi,, um- hüllt von einer Lamelle der in mehrere Blätter gespaltenen In- terstitialmembran im (Asecarisarbeit p. 343— 344), eintritt, liegt in der Nähe der ventralen Medianlinie. (Bei Q. ist der schräge Querschnitt eines dicken Markbeutelfortsatzes angedeutet, dessen Vereinigung mit der Medianlinie in einem weiteren Schnitt der Serie stattfindet.) Die contractile Rinde er ist bloss angedeutet. Bei a, b und e sind an verschiedenen Stellen angetroffene Formen der eontractilen Leisten halbschematisch eingezeichnet. Das Haupt- gewicht wurde auf die genaue Einzeichnung sämmtlicher Verästelun- gen der Fibrille nfi, gelegt, welche sich in diesem 2u dieken Schnitt der Serie befinden. Das verbindende Stück zwischen den Stellen a und ß liegt in dem nächstbenachbarten Schnitt. Ebenso lassen sich die Fibrillenstücke vnfi, als zu den Verzweigungen der Fibrille nfi, gehörend nachweisen. Die Fibrillenstücke vufi, stammen anderswoher, nicht von der Fibrille nfi,. Die hier angedeuteten radiären Mittellinien rf sind nicht mit dem Zeichen- apparat, sondern nachträglich eingetragen. Figur 4, eine Uebergangsstelle der eontraetilen Rinde im die Markbeutelwand, zeigt den anderen Modus des Eintrittes der leitenden Fibrillen in das Muskelmark. Die Markbeutelwand zeigt zwischen zwei Lamellen der Interstitialmembran im den Durch- schnitt eines Interstitialmuskels imu, in welchem längliche, dunkle Gebilde sichtbar sind, deren Natur ich nicht genau feststellen konnte (s. Ascarisarbeit p. 344—345). Zwei leitende Fibrillen verlaufen hier nebeneinander in der etwas schräg (tangential) getroffenen Beutelwand, von welchen besonders die dickere nfi, mit Ausnahme von einigen kleinen Strecken, an welchen sie aus benachbarten Schnitten ergänzt werden muss, innerhalb der Schnitt- dieke (2—3 u) deutlich zu verfolgen ist. Man sieht, wie sich radiäre Aeste von ihr in die contractile Rinde begeben, welche hier übrigens zum grösseren Theil bloss angedeutet ist. Auf die Frage, woher die Markbeutel ihre leitenden Fibrillen bekommen, giebt Fig. 5 Antwort, in welcher drei Querschnitte der sogenannten Markbeutelfortsätze oder „Muskelquerfortsätze* in verschiedener Entfernung vom Markbeutel abgebildet sind. Sie sind von Lamellen der Interstitialmembran umhüllt, welche die äusserste Schichte der Wand der Markbeutelfortsätze ebenso Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 aYe) 904 Stefan Apäthy: wie der Markbeutel selbst bildet. In die Interstitialmembran sind hier Fibrillen von Interstitialmuskeln imu eingelagert, welche, mit einander anastomosirend und verschmelzend, ihrerseits eben- falls eine gefensterte Membran darstellen. Bei a ist der Mark- beutelfortsatz nicht weit von der Stelle getroffen, wo er in den Markbeutel übergeht. Die quer durchschnittenen leitenden Fibrillen erscheinen, je nach ihrer Stärke, als kleinere oder grössere, sehr dunkle, beinahe schwarze Punkte, welche sich hier besonders an einer Seite angesammelt haben. Von den Fibrillen dieses Fort- satzes setzt sich eine dickere Nervenfibrille nfi zusammen, welehe gerade in der Schnittebene abbiegt und so einen längsgetroffenen Seitenast des Querfortsatzes bildet. Auch die Fibrillen, welehe in den Seitenast einlenken, befinden sich zum Theil in der Schnitt- dieke und einige von ihnen sind ebenfalls längs getroffen. — Je näher man zum Markbeutel kommt, umsomehr peripherisch lagern sich die Fibrillen im Fortsatz, letzterer nähert sich also umso- mehr dem röhrenförmigen Nerventypus; je weiter man ihn da- gegen vom Markbeutel weg verfolgt, umso ähnlieher wird er dem anderen Nerventypus, den ich den bündelförmigen genannt habe. In solehen mehr und mehr verjüngten Partien des Mark- beutelfortsatzes, wie eine in dieser Figur bei b dargestellt ist, spielt der von Seiten des Markbeutels in ihn hineingesandte protoplas- matisch-saftige Theil eine immer geringere Rolle; die leitenden Primitivfibrillen dagegen, ebenso wie in den gleichfalls nach dem bündelförmigen Typus geformten Längsnerven des Ascariskörpers, eine immer grössere. Noch weiter können die einzelnen leitenden Fibrillen des noch mehr verjüngten Fortsatzes zu einer dieken, sehr stark tingirten Fibrille verschmelzen, wie z. B. bei e, wo die äusserst starke Fibrille von emer geschichteten Zone peri- fibrillärer Substanz und der Interstitialmembran umhüllt wird. Die letztere Beschaffenheit besitzt der Markbeutelfortsatz sehr oft, als er in die betreffende Medianlinie, resp. in den dort verlaufenden Längsnerv, oder sogar in den Schlundring selbst eintritt. Der Eintritt des so beschaffenen Fortsatzes in den betreffenden Me- diannery ist bei Rohde in seiner ausführlichen Ascarisarbeit !) auf S. 90 geschildert. Die dieke Fibrille kann schräg durchge- schnitten, wie Rohde sagt, in Form eines Zapfens in den „Axen- 1) tohde, E., Muskel und Nerv. I. Ascaris. Zoologische Bei- träge, Bd. III, Heft 2, 1892. Das leitende Element in den Muskelfasern von Ascaris. 905 eylinder“ des Nerven hineinragen. In der That ändert sie aber an solchen Stellen bloss ihre Richtung und zerfällt bald in einzelne dünnere leitende Fibrillen, welche sich mit dem Längsnerv un- unterbrochen in den Schlundring, gelegentlich aber bereits früher zu einzelnen Ganglienzellen, die in die Medianlinien eingestreut sind, begeben. Nach Rohde zerlegen sich die Zapfen „durch weiter fortgesetzte Spaltung in immer kleinere Stücke, bis schliess- lich ihr Spongioplasma sich im einzelne Fibrillen aufgefasert hat, welehe von denen des Axenceylinders nicht mehr zu unterscheiden sind, so dass ein direkter Uebergang des Spongioplasmas der Muskel- zelle in dasjenige des Axencylinders wahrschemlich ist.* Hätte Rohde das Muskelplasma von den dasselbe durchziehenden leitenden Primitivfibrillen zu unterscheiden gewusst, so hätte er diese Beobachtung gewiss ganz anders verwerthet. Wenden wir uns nun aber zu den weiteren Figuren, welche sämmtlich die Vertheilung der leitenden Fibrillen in den Muskel- fasern, bezüglicherweise ihren Uebergang im die Subeutieula ver- anschaulichen. In Fig. 6 sind die genauen Querschnitte von zwei Muskel- zellen dargestellt; von ihren Nachbarn ist die angrenzende con- tractile Rinde bloss angedeutet, nur rechts unten sind drei con- traetile Leisten auch eingezeichnet, weil an dieser Stelle zufällig ein direkter Uebergang einer radiären Mittelfibrille nfi in die benachbarte Muskelfaser deutlich zu sehen war. Einen solchen nicht häufig zu nennenden Uebergang sieht man übrigens auch in Fig. 10. Von den zwei Muskelquerschnitten der Fig. 6 ist nur in dem rechten alles, was in dem Schnitte von 2 u Dicke vorhanden, das heisst bei dieser Vergoldung, welehe mehr Einzelheiten als alle anderen Tinktionen enthüllt, und bei starker Beleuchtung in stark brechendem Einschlussmedium sichtbar gewesen ist, eingezeichnet. Links ist dagegen bloss der peripherische Theil, die Kante der betreffenden Muskelfaser gezeichnet; die eontractilen Leisten sind bloss zum Theil und bei verschiedener Beleuchtung eingetragen: alle sind in umgekehrter Richtung, als die der rechten Muskel- faser beleuchtet, und zwar die seitlichen bei etwas schräger, die mittleren und unteren bei ebenfalls schräger, aber mit der Leistendieke paralleler Beleuchtung. Das eigentliche Muskelmark ist auf dieser Seite überhaupt nicht gezeichnet, von den 906 Stefan Apäthy: leitenden Primitivfibrillen bloss zwei stärkere mit ihren sämmtlichen in dem Schnitte befindlichen Verzweigungen. In die in der Figur vorhandene Zone der Subeutieula se habe ich alle lei- tenden Fibrillen eingezeichnet; die übrigen, bedeutend blas- seren, gar nicht scharfen Fibrillen, bezüglicherweise so ausschen- den Bestandtheile sind nur ganz wenig angedeutet; sie waren mit dem Zeichenapparat auch nicht sicher zu verfolgen. Umso genauer konnten verfolgt werden — und wurden es auch — die Uebergänge der radiären Mittelfibrillen in die Sub- eutieula und in Subeuticularfasern ; die Vereinigung mit den letz- teren wurde nur insofern eingezeichnet, als sie in dem hier gezeich- neten Schnitte selbst stattfindet. Aus demselben Grunde fehlt in der Zeiehnung das Ergänzungsstück der starken Fibrille links beix, und die 5 kleinen Stücklein bei y, wo die betreffende Fibrille einen kurz- welligen Verlauf, mit senkrecht auf die Schnittebene stehenden Wellen, besass. Ebenfalls ein solcher welliger Verlauf der Fibrille, jedoch noch ganz innerhalb der Schnittdicke, verursacht ihr stellen- weise perlschnurartiges Aussehen in der rechten Muskelfaser, z. B. beiz. Ein anderes oben bereits erwähntes moniliformes Aussehen besitzen die feineren Verzweigungen der leitenden Fibrillen, z. B. bei v, und namentlich alle radiären Fortsätze, welche sie als radiäre Mittel- oder Zwischenfibrillen rmfi (nfi) in die eon- tractile Rinde senden. Zwei solche Fortsätze in einer Ebene in einer Zwischenleiste der Rinde habe ich nur sehr selten gesehen und glaube, dass dieses normalerweise gar nicht vorkommt. Wie sie nın an den Kanten der Muskelfaser in die Subeutieula hin- austreten und sich dort, um diekere Subeutieularfibrillen zu bilden, sammeln, ist in der Figur unten deutlich zu sehen. Obwohl in Fig. 6 rechts auch vom Muskelplasma, von dem eigentlichen Muskelmark alles Sichtbare eingezeichnet ist, so halte ich Fig. 9 doch nicht für überflüssig, da hier die Beschaffenheit des Muskelplasmas noch deutlicher hervortritt. Die contractile Rinde, welche diese Stelle des Markes rechts und links begrenzt, ist bloss angedeutet. Man sieht den grossen Gegensatz, in welchem die Wabenwände des Muskelplasmas, die Plasmazüge, zu den lei- tenden Fibrillen, die von ihnen umhüllt werden, stehen. Die schwarzen Punkte sind Querschnitte von leitenden Fibrillen. Auch hier ist es deutlich, dass bloss die dünneren Fibrillen, namentlich wo sie Aeste abgeben oder mit aus anderer Richtung kommen- Das leitende Element in den Muskelfasern von Ascaris. 907 den Fibrillen verlöthet werden, varicös sind. Wo an Kreuzungs- punkten keine Verdickung gezeichnet ist, liefen sie übereinander, ohne verlöthet zu sein, hinweg. Der Grenze der eontractilen Rinde und des Markes folgt beiderseits je eine Fibrille. Bloss durch solche, sich jederseits an der Grenze der con- traetilen Rinde haltenden Primitivfibrillen und ihren radiären Aesten ist das leitende Element in dem Querschnitt von Fig. 7 repräsentirt. Es ist der Querschnitt einer von ihren Nachbarn, welche hier gar nicht angedeutet sind, seitlich stark abgeplatteten Muskelzelle, un- weit hinter dem Scehlundring, 1002 u hinter dem Vorderende des Körpers (eines mittelgrossen & von Ase. lumbrieoides). Oben in der Figur tritt an Stelle der aufhörenden eontractilen Rinde die Markbeutelwand (mab=Markbeutel). Beinfig sind sich umbiegende, resp. Seitenäste abgebende diekere Nervenfibrillen quer getroffen. Auch die hier an der Grenze zwischen Rinde und Mark ver- laufenden Fibrillen (nfi a, und nfi b,) sind Seitenäste von solchen. Die contractilen Leisten sind bloss in der unteren Hälfte der Figur, aber hier ganz genau in ihren Lagebeziehungen zu den radiären Aesten der zwei leitenden Fibrillen nfi a, und nfi b, eingetragen. Je eine von zwei Radiärfibrillen begrenzte Gruppe von contraetilen Fibrillen cfi entspricht einer contractilen Leiste, welche sich in erstere aufgelöst hat. Es sind hier verschiedene Uebergänge sichtbar zwischen der typischen radiären Leiste und den scheinbar regellos zerstreuten Gruppen von contractilen Primitivfibrillen. — Von den an der Aussenseite der Muskelfaser (in der Figur unten) heraustretenden leitenden Primitivfibrillen gehen zweie (nfi a) innerhalb des Scehnittes (2 u diek) verfolgbar in die be- treffende Nachbarmuskelfaser über; eine (nfi b) schmiegt sich der Aaussenseite des rechten Nachbarn an; zweie gehen in radiärer Richtung weiter in die Subeutieula hinein und verschmelzen dort, nach ziemlich langem, unabhängigen Verlauf mit anderen ähn- lichen Fibrillen. Das Mark, in welchem hier das Granulöse über- wiegt, im Gegensatz zu Fig. 6 und 9, wo das Alveoläre, Schaumige vorherrscht, ist bloss an zwei Stellen me gezeichnet. Auch die Interfibrillärmasse, die Grundsubstanz im den Zwischenleisten, sicht hier anders aus, indem im ihr feine blasse Körnehen und Fädehen deutlicher auftreten, offenbar jedoch bloss infolge der coagulirenden Wirkung des Reagens (heisser Sublimatalkoho)). Die bisher besprochenen Abbildungen von Schnitten zeigten os 908 Stefan Apäthy: das Verhältniss der leitenden und des contractilen Elementes in den Muskelfasern im Querschnitt, wo sich ersteres innerhalb der Rinde in Form der radiären Mittelfibrillen hervorthut und bloss die Stellen als Verdiekungen sehen lässt, an welchen sich eine radiäre Mittelfibrille in eine longitudinale umbiegt oder mit einer solchen sie kreuzenden verlöthet ist. Zur besseren Veranschau- lichung der longitudinalen Mittelfibrillen habe ich hier in Fig. 3 die Abbildung eines in tangentialer (nach der F. E. Schulze’schen Terminologie paratangentialer) Längsrichtung getroffenen Stückchens eontractiler Rinde gewählt, und zwar einer so dünnen Lage, dass in ihr nicht einmal in jeder Zwischenleiste eine longitudinale Mittelfibrille enthalten ist, da die Abstände der- selben hintereinander, besonders in diesem Körpertheil (etwa zwei Centimeter hinter dem Vorderende), bedeutend grösser sind (2—3 u), als die hier zur Untersuchung gekommene Lage von Rinde. au ist die, wegen der allmählichen Verjüngung der Muskelfaser gegen ihre Enden zu, schräg getroffene äussere Grenze der contractilen Rinde. Die genau senkrecht auf der Schnittebene stehenden con- tractilen Leisten el reichten nach vorne nicht bis zur Grenzlinie an, wodurch ersichtlich, dass die contraetilen Leisten nicht immer bis zur äussersten Oberfläche der Rinde hinausragen, sondern leztere eine dünne Aussenzone besitzen kann, die rein aus Inter- fibrillärsubstanz (die Grundsubstanz der Zwischenleisten ifs) besteht, welche keine wesentliche Struktur besitzt und als eingedichteter, eventuell mehr oder weniger veränderter, euticularisirter, Zellsaft aufzufassen wäre. Die longitudinalen Mittelfibrillen nfi (l.m. fi) zeigen kleine Varices, welche ihren Kreuzungspunkten mit den radiären Mittelfibrillen entsprechen. Die in mehrere Lamellen gespaltene Interstitialsubstanz (im=Interstitialmembran, rechts eine solche, tangential getroffene, sich von ihrer Fläche präsentirend) schmiegt sich der Aussenzone der Rinde nieht unmittelbar an. Dasselbe Verhalten ist auch in Fig. 10 sichtbar, wo der Zwischenraum zwischen zwei Muskelfasern, von welchen bloss die eontractile Rinde er angedeutet, und der Uebergang der Inter- stitialsubstanz in die Grundsubstanz der Subeutieula abgebildet ist. Zwischen Interstitialsubstanz und den entsprechenden Seiten- flächen der Muskelfasern, zwischen welche sie sich hineinschiebt, existirt im Präparat beiderseits ein wahrscheinlich künstlich her- vorgerufener Spaltraum; gerade dieser macht die Stelle besonders Das leitende Element in den Muskelfasern von Ascaris. 909 lehrreich. In der in dieser Weise eingekeilten Interstitialsubstanz sieht man die bereits stark verjüngten Enden zweier Muskelfasern hintereinander quer getroffen. Wie bekannt, bilden die Muskel- fasern der Körperwand von Ascaris bloss eine Zellschichte, wo sie, seitlich stark abgeplattet, radiär nebeneinander stehen; nur ihre bereits stark verjüngten Enden können sich seitlich ver- schieben und so zu zweit, wie in Fig. 10, höchstens zu dreien hintereinander lagern. Bei ihrer Verjüngung schwindet aus ihnen das Markplasma immer mehr und schliesslich bestehen die Mus- kelenden bloss aus eontractilen Leisten, beziehungsweise Fibrillen und körnig-fädig coagulirender Interfibrillärsubstanz. Wie die an den Aussenecken (Kanten) der Muskelfasern — je eine aus jeder 'Zwischenleiste in einem und demselben Niveau, nicht was hier, wohl aber in Fig. 6 deutlich ist — heraustretenden radiären Mittelfibrillen convergiren und so ein conisches Bündel, welches zu einer diekeren Fibrille wird, bilden können, ist in der Figur links unten zu sehen: etwas Aehnliches hat, wie ich es auch in meiner vorigen Arbeit hervorgehoben habe, bereits Rohde wahrgenom- men, er hat es aber ziemlich ungenau gezeichnet (vergleiche seine Fig. 26 und 55 l. e,, wo aus jedem Zwischenraum regellos mehrere Fädchen, in Fig. 26 rechts unten sogar pinselförmig auseinanderstrahlend, heraustreten) und, als eingefleischter Hyalo- plasmatiker, nach meiner Ueberzeugung wenigstens, ganz falsch gedeutet. Und hiermit beende ich diesen Artikel in der Hoffnung das in meiner früheren Ascarisarbeit Auseinandergesetzte in ein schärferes Licht gestellt und weiteren Missverständnissen vorgebeugt zu haben. Man möge es mir vorläufig verzeihen, wenn ich mich über ver- schiedene Punkte, welche ich bei einer anderen Gelegenheit besser erörtern zu können glaube, weiter „ausschweige“. Ich weiss selbst am besten, wie einseitig meine Arbeit ist und wie viel in ihr noch fehlt, — sind ja darin nicht einmal die ethnographischen Ver- hältnisse der Somalineger behandelt, die doch auch glückliche Besitzer von Spulwürmern sein können. Kolozsvar, im Februar 1894. 910 Stefan Apäthy: N Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXVI. Sämmtliche Figuren sind mit dem Abbe’schen Zeichenapparat und — ausgenommen die schwächer vergrösserte Figur 1 — mit apo- chromatischen Oelimmersionsystemen von Zeiss verfertigt, Fig. 1 u. 2 von Zupf- beziehungsweise Quetschpräparaten nach Goldchlorid-Ameisen- säurebehandlung des frischen lebenden Objectes, die übrigen Figuren von in Canadabalsam aufgehobenen Serienschnitten (2—3 u dick) nach Fixirung mit heissem Sublimatalkohol und Vergoldung der am Objeect- träger aufgeklebten Serie, sämmtlich aus Ascaris lumbricoides. Die Buchstaben bedeuten: er = contractile Rinde, Rinden- schicht der Muskelfaser; el = contractile Leiste; zl = Zwischenleiste, Zwischenraum von je zwei contractilen Leisten; wm = Wabenwerk des Muskelmarkes (Medulla), Muskelplasmazüge, welche die leitenden Fi- brillen umhüllen; qf= quer, an der Grenze von Rinde und Mark ver- laufende leitende Fibrillen; !f= longitudinal umgebogene radiäre Mittel- fibrille; rf = seitwärts umgebogene radiäre Mittelfibrille; nfi = Nerven- fibrillen (leitende Fibrillen); vnfi= Verästelungen einer Nervenfibrille; nfig od. qggf—= quergetroffene Nervenfibrillen; rf od. rmfi = radiäre Mittel- oder Zwischenfibrille; Imfi = longitudinale Mittel- oder Zwischenfibrille; me oder mep = Medullarplasma; im = Interstitialmembran; imu = Inter- stitialmuskeln; is (im) — Interstitialsubstanz; se —= Subeutieularschichte; sex — Grundsubstanz der Subeuticula; mab — Markbeutel; ifs = Inter- fibrillärsubstanz ; em — Querschnitte von verjüngten Muskelfaserenden. Fig. 1. Stück contractiler Muskelrinde von aussen gesehen; contractile Leisten vertical auf das Gesichtsfeld. Verlauf der Linien- systeme der Zwischenleisten. Vergr. 400 (vergl. p. 900, 901). Fig. 2. Etwas gequetschtes Stück contractiler Rinde mit von unten anhaftendem Muskelmark. Die Körnehen und scheinbaren Körnchen der Zwischenleisten sämmtlich eingezeichnet. Vergr. 1500. Durch die starke Quellung erscheinen die contractilen Leisten zweimal so breit als im natürlichen Zustande (vergl. p. 901, 902). Fig. 3. Eintritt einer dickeren leitenden Fibrille in die Muskelfaser und ihre Verzweigungen (meist quer getroffen, als Punkte sichtbar). Vergr. 1500 (vergl. p. 903). Fig. 4. Uebergangsstelle von contraetiler Rinde und Markbeutelwand. Vergr. 1500 (vergl. p. 903). Fig. 5. a,b, ce Querschnitte von Markbeutelfortsätzen; d der Fortsatz ce längs getroffen. Vergr. 1500 (vergl. p. 903—904). Fig. 6. Querschnitt von zwei Muskelfasern (die rechte vollkommen ausgeführt) mit angrenzender Zone der Subeutieula. Links ist das eigentliche Mark nicht eingetragen. Vergr. 2000 (vergl. p. 905—907). Das leitende Element in den Muskelfasern von Ascaris. 3 . Querschnitt einer seitlich stärker abgeplatteten Muskelfaser, mit Auflösung der contractilen Leisten in Gruppen von ein- zelnen contractilen Primitivfibrillen. Vergr. 2000 (vergl. p. 907). Fig. 8. Tangentialer Längsschnitt der Muskelrinde mit contraetilen Leisten und longitudinalen Mittelfibrillen. Vergr. 1500 (vergl. p. 908). Fig. 9. Das Muskelmark in ihrer schaumig-wabigen Beschaffenheit, mit eingebetteten sich verästelnden leitenden Primitivfibrillen. Vergr. 2000 (vergl. p. 906). Fig. 10. Der keilförmige Zwischenraum von zwei Muskelfasern und der Subeutieularschicht, deren Grundsubstanz sich zwischen erstere hineinschiebt, mit zwei Querschnitten von stark ver- jüngten Muskelfaserenden. Vergr. 1100 (vergl. p. 905—909). = (je) 1 Ontogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. Von Julia B. Platt. I. Studre. Hierzu Tafel XXXVII—XLIN. Einleitung. Diese Arbeit wurde im Frühling 1893 in dem Laboratorium meines Freundes Dr. J.S. Kingsley angefangen, der mir nicht nur die Ausrüstung seines Laboratoriums zur Verfügung stellte, sondern mir auch mit seiner praktischen Erfahrung und weit- gehenden Belesenheit behilflich war. Fortgesetzt wurde die Ar- beit in Woods Holl, wo die Marine Biologieal Soeiety mir gütigst die Benützung eines Zimmers überliess; jetzt ist sie im Labora- torium des Herrn Professors v. Kupffer in München vollendet und herausgegeben worden. Zu dreifacher Dankbarkeit bin ich verpflichtet und mif be- sonderem Vergnügen gedenke ich der grossen Güte, mit welcher 912 IullmazB. Plant: Herr Prof. v. Kupffer mieh in Deutschland empfangen hat, da er mich versicherte, dass dieselbe ein Ausdruck ‚internationaler Freundlichkeit“ sei. Ich danke ihm hierfür in meinem Namen sowohl, als in dem meines Vaterlandes. Aber auch Herrn Dr. Böhm bin ich nicht wenig Dank schuldig, denn er ist stets m (der liebenswürdigsten Weise mit semer Bibliothek, wie im Labo- ratorium meinen Wünschen zuvorgekommen. Mit Bedauern habe ich erfahren, dass Professor Gorono- witsch (14) mein Referat seiner Schrift „Die Axiale und die Laterale Kopfmetamerie der Vogelembryonen“ (12) ungenügend findet. Als ich meine erste vorläufige Mittheilung (32) schrieb, wusste ich, wie dort ausdrücklich bemerkt ist, noch nicht, welche Rolle die Neuralleiste in der Bildung späterer Gewebe spielt und war in Folge dessen nicht fähig, seine Vermuthung, dass diese Leiste an der Bildung des Schädels über dem Mittel- und Zwischenhirn theilnimmt (loc. eit. pag. 456), zu erörtern. Ich kann aber jetzt sagen, dass ich bei Necturus keine Stütze für diese Ansicht finde. Uebrigens fühle ich mich nicht wenig ge- schmeichelt, dass Prof. Goronowitsch es auch nur einen Augenblick für möglich halten konnte, dass irgend Jemand, der sich für die von uns behandelten Gegenstände genügend imteressirt, um meiner Arbeit seine Aufmerksamkeit zu schenken, mit den veröffentlichten Forschungen des Prof. Goronowitsch selbst nicht vertraut sein sollte. In der folgenden Studie werde ich weder eine historische noch kritische Uebersicht von schon geschriebenen Arbeiten ver- suchen, denn ich nehme an, dass meine Leser auch der Ansicht sein werden, dass solche Uebersichten und abermalige Ueber- sichten von Uebersichten, in welchen so viele Forscher jede von ihnen entdeckte Sache einhüllen, die Arbeit des Studirenden nur unnöthig erschweren, denn dieser, mit der Vergangenheit schon vertraut, wird doch stets in erster Linie fragen: „Was für neue Thatsachen bringst du ?* Der Zweck dieser Studie ist ein doppelter: 1. soll sie zeigen, welcher Theil des „mittleren Keimblattes* des Kopfes von dem Ektoderm abstammt; 2. soll sie die Linien bezeichnen, in denen die ersten Verdiekungen und Wucherungen des Ekto- derfis bei Necturus vorkommen, wodurch sie weitere Unter- suchungen über das periphere Nervensystem einleiten mag, und Ontogenetische Differenzirung des Ektoderms in Neeturus. 913 indem sie beweist, dass das „Mesoderm“, worin die Kopfknorpel zuerst erscheinen, ektodermaler Herkunft ist, soll sie als Ein- leitung zu weiteren Arbeiten über deren Anlage dienen. Mein Material, Neeturus Maculosus Raf., wurde in Oconomowoe in Wisconsin gesammelt und was Belehrung über Zeit, Ort und Mittel anbelangt, so danke ich diese der Freund- lichkeit Prof. Whitman’s.. Das Ei des Neeturus hat unge- fähr sechs Millimeter im Diameter und der Embryo gleicht, den grösseren Umfang ausgenommen, einem Salamanderembryo. Da die Eier in grossen Quantitäten gelegt werden, erhielt ich mehrere Hunderte, vielleicht Tausende von Exemplaren, welche mir eine vollständige Serie zwischen den ersten Furchungsstadien und den kleinen, acht Monate alten und vier Centimeter langen Amphibien gaben. Ich werde an dem am Blastoporusrande gefochtenen Streite nicht theilnehmen, sondern annehmen, dass der Sieg der Majori- tät gehört, und dass das axiale „Mesoderm‘“ in seinem Ursprung entodermal ist. Zum Unterschiede von späteren ektodermalen Antheilen des „mittleren Keimblattes‘“ werde ich dieses entoder- male Mesoderm künftig Mesentoderm nennen und die Zellen von ektodermaler Herkunft, welche später zwischen die zwei primi- tiven Keimblätter zu liegen kommen, unter der gemeinsamen Be- nennung Mesektoderm zusammenfassen. Diese Unterscheidung ist bei Necturus durch die Thatsache geboten, dass im Embryo kein homogenes ‚„Mesoderm“ ist, son- dern eine Mittelschicht, deren Zellen bis zur Zeit ihrer Differen- zirung in die definitiven Körpergewebe, das Dotterzeichen ihres Ursprungs tragen. Wir finden deshalb zwischen Ektoderm und Entoderm Zellen zweierlei Art, die von entodermaler Herkunft, geschwollen und von den ungeheuer grossen Dotterkugeln, welche sie enthalten, verzerrt, jene von ektodermaler Herkunft symme- trisch und klar. Ich werde meine Beschreibung mit dem durch Querschnitte in den Figuren 1 und 2, Taf. XXXVII dargestellten Stadium be- ginnen. Diese Querschnitte sind von einem etwas Jüngeren Embryo als dem, welchen man in natürlicher Ansicht auf Fig. 7 sieht, auf welch letzterer ich bei den Linien 1 und 2 die Ebenen ‘an- gegeben habe, durch welche die Schnitte gehen. Die Neural- 914 TulTarBr BE arte: platte geht nieht allmählich in das Ektoderm über, wie es bei manchen Wirbelthieren in diesem Stadium der Entwieklung der Fall ist, sondern ist scharf abgegrenzt. In dem vorderen Schnitte, Fig. 1, ist das Ektoderm indessen auf jeder Seite der Neural- platte zwei Schichten tief, und wo, beim Verlassen der Eiober- fläche, das Ektoderm sich aufwärts wendet, um mit dem Rande der Neuralplatte zusammenzutreffen, zeigt sich eine entschiedene Vermehrung seiner Dicke. Dieses bezeichnet eine Leiste in dem Ektoderm, welche unter der vorderen Grenze der Neuralplatte beginnt, lateral um die Neuralfalten in dem Winkel, wo diese Falten von der Oberfläche des Eies aufsteigen, verläuft und sich schliesslich in dem hinteren Theile des Embryo verliert, unter allmählicher Abnahme an Tiefe. In Fig. 1 ist das Mesentoderm nicht scharf getrennt von der Wandung des Urdarms, sondern ist durch zerstreute Zellen vertreten, welche schon die Urdarmwand verlassen haben oder eben jetzt verlassen, während man in Fig. 2 auf jeder Seite der medialen Rinne, welche die sich bildende Chorda andeutet, zwei ganz scharf abgetrennte Schichten von Mesentoderm findet, wo- raus sich ergiebt, dass dieser Schnitt dureh die Flügel des axialen Mesentoderms geht, welche von dem Rande des Blastoporus nach vorn verlaufen. Fig. 1 liegt vor diesen Flügeln und in der Gegend, wo das Mesentoderm in situ aus der dorsalen Wandung des Urdarms hervorgeht. Ehe ich zum nächsten Stadium übergehe, will ich erwähnen, dass bei Neeturus, wie es von Jordan (21), Seott und Osborn 5) für „the Newt‘ beschrieben wird, die tiefere Schieht des Ektoderms grösstentheils von Zellen gebildet ist welche einfach von der oberen Schicht durch die Ueberwucherung angrenzender Zellen hinunter gedrängt worden sind. Deshalb kom- men Zellen, welehe ursprünglich einen Bestandtheil der äusseren Schicht des Ektoderms gebildet haben, später in die tiefere Schicht zu liegen. Man findet aber auch oft Mitosen zwischen Zellen der äusseren und inneren Schichten mit ganz verschiedenen Theilungs- ebenen. Fig. 10 Taf. XXXVII illustrirt eine Zellentheilung zwischen den zwei Schichten unter einem Winkel von 45° zur Oberfläche. Diese Thatsachen scheinen mir von Interesse, weil sie sich auf einen allgemeinen Schluss beziehen, welcher kürzlieh von Mall in seiner Arbeit über die Histogenesis der Retina bei Öntogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 915 Amblystoma und Neeturus ausgesprochen wurde (28). In dieser Arbeit stellt der Autor fest, dass „The primitive growing point of all vertebrate nerves is in the layer of cells on the outermost side of the ecetoderm and the axis of division is parallel with the eetoderm.“ Da bei Necturus eine grosse Anzahl Zellen von der tieferen Schicht des Ektoderms in die Kopfganglien und die Ner- ven der Seitenorgane auswandern, dürfen wir, ehe wir die obige Feststellung in ihrer allgemeinen Tragweite annehmen, den Autor wohl fragen, wie wir unter diesen Zellen die, welehe durch Theilung in eimer mit dem Ektoderm parallelen Ebene die äussere Schicht verlassen haben, von jenen unterscheiden können, welche unter einem Winkel von 45° sich theilten, oder von andern, welche nur von der äusseren Schicht nach unten verlagert wor- den sind. Denn es scheint, dass, bis diese fundamentale Frage beantwortet ist, es unsicher wäre, aus dem künftigen Verhalten solcher Zellen Schlüsse zu ziehen auf die Richtung der Theilungs- axe, unter der sie die äussere Ektodermschicht verlassen haben. Fig. 3 und 4 sind von einem etwas älteren Embryo und gehen durch Ebenen, welche mit entsprechenden Ziffern in ‚Fig. 7 bezeichnet sind. Die Gipfel der Neuralfalten haben ange- fangen sich einander zuzuneigen. In der vorderen Region des Kopfes findet man noch engen Zusammenhang zwischen den Zellen des Mesentoderms und der dorsalen Wand des Urdarms. Die Auswanderung von Zellen aus dem Urdarm dauert folglich immer noch fort, aber die zerstreuten Mesentoderm-Zellen, die man in Fig. 1 sieht, haben eine mehr epithelartige Anordnung angenommen. Man sieht, das@sie sich lateral nur wenig jenseits des Bodens der Neuralplatte ausdehnen, auf deren beiden Seiten das Ektoderm in unmittelbarer Berührung mit dem Entoderm liegt. Diese Verhältnisse sind klarer in Fig. 5, einem Schnitte aus der vorderen Region eines noch älteren Embryo, wo die laterale Wandung des Urdarms den epithelartigen Charakter an- genommen hat, den man nur in der Dorsalwandung in Fig. 3 sieht, und der hier oft durch die rasche Auswanderung der Mesentoderm-Zellen unterbrochen wird. Die Zellen der Chorda, welche in Fig. 2 eine Rinne in der mittleren Dorsalwandung des Urdarms umgeben, sind in vorderen Schnitten schon von dem Entoderm getrennt und bilden einen Strang von Zellen, wie man sie in Fig. 4 sieht. Die Chorda- 916 JuliaB. Platt: Anlage endet unterhalb jenes Theils der Neuralplatte, der den Facialis entstehen lässt. Die Flügel des axialen Mesentoderms, welche auf jeder Seite der Chorda sich lateral eine gute Streeke jenseits der Breite der Neuralplatte zwischen Ektoderm und Ento- derm hinziehen, breiten sich aber nach vorme nur wenig über die vordere Spitze der Chorda aus. Von dem Punkte an, wo die Chorda endigt, bis zu der vorderen Grenze der Neuralplatte, lässt die dorsale Wandung des Urdarms Mesentoderm entstehen, welches zuerst aus zerstreuten Zellen zusammengesetzt ist, die sich später in einer, dann in zwei Schichten anordnen. Schliess- lich finden wir zwischen den zwei Schichten einen mehr oder weniger unterbrochenen Raum (Fig. 5), welcher sich jedoch nicht über die Achse des Embryo erstreckt. Hier finden wir an Stelle der Chorda-Anlage eine solide Masse von Zellen, welche zweifels- ohne bei Necturus die vordere Verlängerung des Darmes dar- stellt, welche auch bei Acanthias vorkommt (31). Hier wie dort entsteht Mesentoderm aus den diesen Darmtheil zusammensetzen- den Zellen. Zwischen dieser Masse von Zellen und der Spitze der Chorda ist ein kurzer medianer Raum, in welchem die Deeke des Urdarms direet in Berührung mit einer Vertiefung an dem 3oden des Hirnes kommt (Fig. 6, 11A Taf. XXXVID). Diese Vertiefung ist der Anfangspunkt der Gehirnkrümmung und be- zeichnet ihre hintere Grenze. Neben derselben liegt jene Region des Gehirns, in welcher die Neuralleiste unterbrochen ist, vor ihr die Trigeminus-Region, und hinter ihr diejenige Region in welcher eine mit dem Facialis beginnende Neuralleiste sich un- unterbrochen bis zu dem hinteren Ende des Körpers hinzieht. Sowie die Entwieklung des Embryo fortschreitet, nimmt auch die Vertiefung des Hirnbodens nach vom zu und es wird dadurch die mediane Masse von Zellen (Fig. 5), welche vor ihr liegt, lateral verschoben, so dass nur eine dünne Schicht in der Axial- linie zwischen dem Gehirn und dem Urdarm zu liegen kommt. Fig. 5 und 6 stammen von demselben Embryo. Die Rich- tung des Schnittes der Fig. 5 ist in Fig. 7 angedeutet. Die Schnitte sind aber von einem älteren als dem in Fig. 7 darge- stellten Embryo genommen. Fig. 6 liegt nur wenig hinter Fig. 3, wo die Vertiefung oder Vorstülpung des Gehirnbodens, wie wir sie in Fig. 6 ausgedrückt finden, ebenfalls leicht angegeben ist. Eine Vertiefung am Ende der primären Medullarrinne, vor Ontogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 917 den Medullarfalten, wurde bei Triton von Miss Johnson ent- deekt, welche vermuthet, dass die Vertiefung die Anlage des Mundes sein könnte (20). Cunningham erklärt (4) diese Vermuthung für unbewiesen und findet in der Vertiefung die Anlage des Infundibulums und den Ueberrest des Mundes der Wirbellosen. Ich habe eine Reihe von Schemen nach Recon- struetionen gemacht (Fig. 11) um zu zeigen, dass die Vertiefung, welche ich von Neeturus abgebildet habe, nicht an dem künf- tigen Infundibulum zu finden sei. Diese Schemen könnten besser durch mediane Sagittalschnitte ersetzt werden, aber die für andere Zwecke nach Querschnitten entworfenen Reconstruc- tionen waren zur Hand, und erfüllten den Zweck. Fig. 11A ist ein Schema des Stadiums, von welchem die Schnitte 5 und 6 genommen sind. Die Grenze der erhobenen Neuralfalten ist oben gezeichnet. Unten sieht man, wie im Sagittalschnitt, die mittlere dorsale Wandung des Urdarms. Zwi- schen Neuralfalten und Urdarm liegen die Chorda und die vor- dere mediane Zellenmasse (Fig. 5), die durch die Vertiefung im Boden des Gehirns auseinander gedrängt sind. Vor der von o aus gezogenen Linie liegt diejenige Abtheilung des Gehirns, welche sich später in Mittel-, Zwischen- und Vorderhirn theilt — also die | Region der Trigeminus-Anlage. An der Stelle, wo die Vertiefung oder Hervorragung des Gehirnbodens sich befindet, fängt die Hirn- krümmung an. Das rasche Wachsthum des vorderen Theiles des Gehirns trifft mit dem Anfang der Hirnkrümmung zusammen, die sogar einen Ausdruck dieses Wachsthums darstellt. Das zweite Schema, B, lässt bei o die Stelle vor der Spitze der Chorda sehen, welche in A durch die Vertiefung im Gehirn- boden eingenommen war. Die mediane Zellenmasse, welche in Schema A vor der Vertiefung lag, hat sich jetzt nach beiden Seiten gelagert, und in Folge dessen steigt das Mesentoderm an der Seite des Gehirns höher *auf, während der mediane Boden des Gehirns durch eine dünne Zellenschicht von der Berührung mit der Wan- dung des Urdarms getrennt wird. Die Neuralfalten haben sich ge- schlossen und die Neuralleiste ist erschienen. Zwischen B und C hat sich die Gehirmkrümmung gesteigert, allein die Stelle o, wo die Krümmung anfängt, und 1, wo im Schema A die vordere Grenze des Gehirnbodens zu sehen war, lassen sich noch leicht bestimmen. In B sowie in C steht das Ektoderm am Neuroporus noch 915 Julia B. Platt: immer in Zusammenhang mit dem Gehirn. Im Schema D hat die Einbiegung des Gehirnbodens, die schon bei C angefangen hat, zugenommen, und bei I, wo das Infundibulum sieh zu bilden beginnt, berührt der Gehirnboden die Darmwandung. Bis jetzt war es verhältnissmässig leicht, die Stelle 1 im den verschiedenen Schemen zu bestimmen. Dies wird jetzt schwieriger, 1. dadurch, dass jeder einzelne Punkt der in A abgebildeten Gehirnwandung, jetzt in C, vorausgesetzt, dass das Wachsthum des Gehirns ein durchaus gleichmässiges gewesen ist, durch eine ansehnliche Strecke dargestellt wird und 2. dadurch, dass wir in diesen ersten Stadien kein Kennzeichen, ausser der allgemeinen Grössenzunahme der Gehirnbläschen haben, aus dem wir auf den Grad des Wachsthums schliessen können, und dies Kennzeichen ist durchaus nicht genau, da das Wachsthum des Gehirns nach vorne von einem wellen- artigen räumlichen Fortschreiten begleitet wird, was jedoch nicht immer einen gleichen Fortschritt der Bestandtheile voraussetzt. Zellen also, die beim früheren Stadium zu unterst in einem Hirn- bläschen zu finden sind, werden nicht nothwendigerweise im nächsten Stadium da zu suchen sein, denn die Wachsthumswelle mag weiter ziehen, indem sie die Zellengruppe zurück lässt. Die im Stadium C beginnende Einbiegung des Gehirnbodens zeigt sich in den Stadien E und F ausgesprochener. Ich ver- suche durch I und np gleiche Stellen in den Schemen anzudeuten, doch mache ich dabei, aus den oben angegebenen Gründen keinen Anspruch auf Genauigkeit. Auch habe ich die Stelle o als festen Punkt angenommen, was kaum gerechtfertigt sein mag, denn bei dem allgemeinen Wachsthum nach vom mag sie selbst auch vor- wärts getrieben worden sein. Aber als sicher erweist es sich aus den Schemen, dass die Lage der Vertiefung, die in Fig. 6 abgebildet wurde, nicht an dem Infundibulum zu finden ist. Die Schemen zeigen auch, dass die Stelle des Infundibulums, mit welcher die Hypophyse künftig in Berührung stehen wird, zu- nächst die vordere Grenze der Neuralplatte darstellt. Mein Material für das Entwicklungsstadium, aus welchem Fig. 5 und 6 und Schema 11 A stammen, reichte nicht hin, dass ich meine Ergebnisse durch Längsschnitte hätte bestätigen können, woran zum Theil Schwierigkeiten, die sich beim Fixiren und Schneiden in frühen Stadien zeigten, Schuld sind. Allein die in Fig. 3 dargestellte mediane Vertiefung ist noch auffallen- Öntogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 919 der in den angrenzenden Schnitten, und da ihre Lage in Be- ziehung auf die Längsachse des Embryo mit der Lage der m Fig. 6 abgebildeten Vertiefung übereinstimmt, habe ich mir er- laubt, die Aufmerksamkeit auf diese Vertiefung und ihr Verhalten zu den nachfolgenden Entwicklungsvorgängen hinzulenken. Soll die Vertiefung, wie Cunningham (4) vermuthet, in Zusammen- hang mit dem ancestralen Munde der Wirbellosen stehen, und stellt sie den Schlundring der Neuralstränge dar, so ist die Stelle ihres Auftretens bei Necturus, zwischen den Trigeminus- und Faecialis - Anlagen, unter der einzigen Unterbrechung der sonst ununterbrochenen Neuralleiste zu suchen. Meiner Meinung nach wäre diese Stelle für jene Deutung eben so günstig wie irgend ein anderer Punkt im Umkreise des Infundibulums. Ich zeigte, wie bei Acanthias (31) der prämandibulare und „anteriore* Kopfsomit vor der vorderen Grenze der Flügel des axialen Mesentoderms aus Zellen gebildet werden, welehe von der Darmwandung auswandern Der Mandibularsomit ist also bei Acanthias derjenige vordere Kopfsomit, welcher sich im Ge- biete der Mesentodermflügel befindet. Es ist überall interessant zu bemerken, dass bei Necturus der Mandibularsomit auch jen- seits der Flügel des axialen Mesentoderms aus Zellen, welche von der Decke des Urdarms abstammen, entsteht, in eimer Ge- gend also, welche derjenigen, wo bei Acanthias der prämandi- bulare und ‚anteriore‘“ Kopfsomit gebildet werden, genau homo- log ist. Ich kann die Abgrenzung der drei vorderen Kopfsomiten bei Necturus nieht bestimmen, allein die Lage des mandibularen Mesentoderms lässt sich leicht daran erkennen, dass es gleich vor der Hyomandibularspalte liegt. Diese Spalte oder die Berührung des Ektoderms mit dem Ento- derm, welche die Spalte darstellt, entsteht bei Neeturus nieht wie die hinteren Spalten dadurch, dass das Mesentoderm unterbrochen wird, um eine Vereinigung zwischen Ektoderm und Entoderm zu gestalten, sondern an der Hyomandibularspalte hat das Ekto- derm das Endoderm von Anfang an berührt. Die Spalte liegt vor den Flügeln des axialen Mesentoderms und anstatt, dass sie das Mesentoderm durchbricht, wird sie selbst von Mesentoderm umwachsen. Ein lateraler Auswuchs von den Zellen, welche aus ‚der dorsalen Wandung des Urdarms herkommen, erstreekt sich nach unten, umgiebt die Hyomandibularspalte und vereinigt sich mit Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 59 920 Jul var BrBHMaitt: dem Mesentodermflügel der nach vorwärts gewachsen ist. Kupffer (26) hat neulich eine ähnliche Bildung der Kiemen- spalten bei Petromyzon beschrieben, wo die Verhältnisse die bei Necturus an der Hyomandibularspalte vorkommen, sich rückwärts bis zu der dritten Kiemenspalte erstrecken. In Fig.5 sieht man, dass, noch vor dem Schlusse der Neu- ralfalten, das Ektoderm Zellen zur Bildung der Trigeminus-Anlage zu liefern angefangen hat. Sowie sich die Neuralfalten in dieser Gegend schliessen, vereinigt sich das Ektoderm auf einer an- sehnlichen Strecke in vertikaler Richtung (Fig. 8). Von dem oberen Theil der Vereinigung spaltet sich die Oberhaut ab, aus dem unteren bildet sich die dorsale Wandung des Gehirns, während Zellen aus dem mittleren Theile der Vereinigung in die Trigeminus-Anlage auswandern, welche auch noch weiter durch Zellen verstärkt wird, die vom Ektoderm zu beiden Seiten der Vereinigungslinie fortdauernd abgegeben werden, wie es in Fig. 14 abgebildet ist. Der dort bezeichnete Schnitt trifft die Längsachse des Embryo nicht im rechten Winkel, doch ist die Linie, wo die Neuralfalten sich geschlossen haben, deutlich zu sehen. Durch Vergleich der Schnitte 5, 8 und 14 wird man überzeugt, dass die Behauptung Beard’s (2), die äussere Schicht des Epiblasts sei an der Bildung der Ganglienanlage unbetheiligt, bei Necturus nicht zu vertheidigen ist, denn aus der ektodermalen Vereinigung wandern viele mittlere Zellen, die einst in der äusseren Ekto- dermschicht gelegen, direet in die Trigeminus-Anlage über. An der Bildung der Trigeminus-Anlage nehmen wenige Zellen aus der Wandung des Neuralrohrs Theil. Für den Faeialis gilt aber das Gegentheil, da durch die Auswanderung der Zellen aus der oberen Wandung des Neuralrohres die mittlere dorsale Decke des Gehirns eine zeitlang verloren wird, was eine secundäre Schliessung nöthig macht. Aehnliche Erscheinungen sind bei Selachiern von Kastschenko beschrieben (22) und von Beard abgebildet worden (2), obschon letzterer behauptet, dass die keil- förmige Zellenmasse, welche sich zwischen den Dorsalwänden des Neuralrohrs befindet, direet aus dem Ektoderm gewuchert sei. 3ei Necturus ist es nicht so, denn das periphere Ektoderm grenzt sich hier scharf von der Neuralplatte ab und bleibt in der Gegend des Faeialis bis zur Schliessung des Neuralrohrs dünn, ist des- | ÖOntogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 921 halb auch ganz ungenügend zur Erklärung der raschen Auswan- derung der Zellen, welche sofort nach der Schliessung erfolgt. Die Anlage des Facialis bleibt, wie die des Trigeminus, auf beiden Seiten mit dem Ektoderm in Zusammenhang und wird ferner noch dureh die Absonderung von Zellen aus diesem ver- grössert. Die Anlagen des Glossopharyngeus und Vagus sind der des Facialis ähnlich (Fig. 15) und es scheint mir von In- teresse, dass bei einem Thiere, bei dem sich das periphere Ekto- derm scharf von der Neuralplatte abgrenzt, eine Ganglienanlage — die des Trigeminus — beinahe einzig von direct aus dem Ektoderm kommenden Zellen zusammengesetzt wird, während andere Ganglienanlagen fast einzig von Zellen, die aus dem Neuralrohre auswandern, gebildet werden. An Fig. 4, welche den Embryo in der Mitte semer Länge schneidet, kann man sehen, dass die Leiste verdiekten Ekto- derms, die in Fig. 1 und 2 deutlich ist, sich gegen das hintere Ende des Embryo fortsetzt. Diese Leiste ist nichts anderes als der Anfang des berühmten Zwischenstranges von His, welcher Strang vor fünfundzwanzig Jahren in einem Werke über die Entwieklung der Wirbelthiere (15) abgebildet und beschrieben wurde, und zu dem seither nahezu jede über die Entwicklung des Nervensystems der Wirbelthiere erschienene Arbeit für oder wider Stellung genommen hat. Trotzdem schlage ich aber eben- falls vor, in Neeturus diese bestrittene Leiste anzunehmen. An dem Embryo, von welchem die Schnitte 5 und 6 ge- nommen sind, verdickt sich das Ektoderm an dem vorderen Ende des Embryo an der Stelle, wo der Kopf sich bald zu erheben beginnt. Indem dieser vordere verdiekte Streifen um die Seite der Neuralfalten hinläuft, verbreitet derselbe sich zu einem Bande, dessen oberer und unterer Rand leicht markirte Leisten zeigt (Fig.5 und 6 dir, epr). Die obere Leiste liegt über dem Mesento- derm (hier aus dem Urdarm), die untere unter dem Mesentoderm und gerade oberhalb der Stelle, wo das Ektoderm mit dem Ento- derm zusammentrifft. Diese Leisten sind noch so schwach ange- legt, dass man manchmal nur, nachdem man eine ganze Reihe von Sehnitten durchgesehen hat, ihrer Existenz sicher ist. Indem sich das Band verdiekten Ektoderms allmählich schmälert, nähert sich die untere Leiste der oberen und hört an dem Punkte, wo sich das vordere Mesentoderm mit den Flügeln des axialen Me- 922 Julia B. Platt: sentoderms verbindet, auf. Hinter dem Punkte o in Fig. 11 A haben wir also nur eine Leiste, welche sich bis zum hinteren Ende des Embryo in nahezu derselben Position fortsetzt, wie in Sehnitt 1, 3 und 4 zu sehen ist, oder in Schnitt 9, der gerade nach Schliessung des Neuralrohres durch die Region des Glosso- pharyngeus hindurchgeht. Diese Leiste ist einfach die tiefste Stelle eines breiten Bandes von diekerem Ektoderm. An dieser Stelle nehmen die Untersuehungen, die haupt- sächlich zur Erreichung dessen, was ich mit meiner Arbeit be- zwecken will, beitragen sollen, ihren eigentlichen Anfang, denn jetzt beginnen die Verdiekungen in dem Ektoderm verwickeltere Verhältnisse anzunehmen und jetzt erst zeigen sich die Zellen des neuralen Mesektoderms. Da ich jedoch finde, dass Schnitte nur in unbegrenzter Zahl abgebildet, eine vollständige Idee von der Reihenfolge der geringen Veränderungen, worauf ich die Aufmerksamkeit lenken möchte, geben können, habe ich ein schematisches Mittel gebraucht, um die Fortdauer oder Unter- breehung der Verhältnisse, wie sie die Schnitte ergeben, zu zeigen. Aus Camera-Umrissen meiner Sehnittserien wurden Projec- tionen auf Papier gemacht, welches im Verhältniss zur Dicke und Vergrösserung‘ der Schnitte liniirt war. Ich bekam so einen optischen Durehschnitt des Embryo, wie man ihn von oben sieht, oder einen optischen Schnitt des halben Embryo in seitlicher Ansicht. Nachdem ich einen Embryo in demselben Stadium wie eine meiner Reconstruetionen mit der Camera in Aussen-Ansicht gezeichnet hatte, reducirte ich die Reconstruction auf die Ver- grösserung, welehe die Zeiehnung der Aussen-Ansieht hat und brachte dann diese Zeichnungen übereinander an. Oft, aber nicht immer, stammen Aussen-Ansicht und Reconstruction vom gleichen Embryo. Ich habe ferner Schnitte durch typische Stellen abge- bildet, um die Tiefenverhältnisse zu zeigen, welche zu geben meine Projectionen gänzlich ermangeln. Um die Lage der Mesek- toderm-Zellen anzudeuten, sind willkürlich Kreise angenommen worden, und Schraftirung zur Bezeichnung von Verdiekungen der Haut. Es muss jedoch nicht angenommen werden, dass das Ektoderm da, wo meine Linien endigen, sofort dick zu sein auf- hört, denn dies ist, wie die Schnitte zeigen, nicht der Fall. Ich habe dureh gekreuzte Linien grössere Tiefe anzudenten versucht, Ontogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 923 aber der Uebergang von tieferem Ektoderm zu dem von gewöhn- licher Dieke ist so allmählich, dass es oft sehr schwer ist den Punkt, an welchem diese Veränderung stattfindet, zu bestimmen. Ieh versuchte die Tiefe-Verschiedenheiten durch entsprechende Schattirung anzudeuten, fand aber, dass es schwierig war, diese rein schematische Schattirung von der Schattirung der Embryo- oberfläche zu unterscheiden. Ein mit Farbe gemachtes Experi- ment missglückte aus demselben Grunde und ich bin deshalb ge- zwungen, es dem Vorstellungsvermögen meiner Leser anheim zu geben, sieh mit Hilfe der Schnitte die Verhältnisse, welche ich ausdrücken möchte, zu erklären. Fig. 12 zeigt den Embryo, wie er auf der Oberfläche des Eies, kurz nachdem sich die Neuralfalten geschlossen haben, liegt. Der von oben gesehene Umriss des Kopfes und Körpers ist an- nähernd auch der Umriss des Centralnervensystems. In der Seitenansicht liegt der Embryo zwischen Schema A und :B, Fig. 11, und trifft beinahe mit B zusammen. Die Abstände zwischen den aufeinanderfolgenden Ursegmenten sind an jeder Seite durch Sehattirungen angedeutet. Auch sind noch zwei Urseg- mente theilweise abgegliedert von den in der Aussenansicht ge- sehenen Segmenten vorhanden. Das vordere dieser eben er- wähnten Ursegmente entspricht dem vorderen der von mir am Hühnchen beobachteten Ursegmente, welches ich als gleich hinter der Glossopharyngeuswurzel liegend beschrieben habe (30). G or o- nowitsch (15) scheint dieses Ursegment mit einem von ihm selbst am Hühnchen entdeckten, vor dem Ohr liegenden Urseg- ment verwechselt zu haben, welche Entdeekung er mir zuweist. Ich weiss jedoch aus eigener Erfahrung, dass man leicht Beob- achtungen, von deren Genauigkeit man selbst überzeugt ist, An- deren zuschreibt. In Fig. 13 ist ein Schema der Neuralleiste und der Ekto- derm-Verdickungen des in Fig. 12 abgebildeten Embryo gegeben. Man sieht die Neuralleiste eine kurze Strecke lang in zwei Ab- theilungen von einander getrennt. Eine leichte Zusammenziehung in der hinteren Abtheilung bezeichnet die Lage des Ohres und die Grenze zwischen der Facialis und der Glossopharyngeus-Anlage, die in diesem Stadium zusammenhängen. Die vordere Spitze der Trigeminus-Anlage geht direet in die ektodermale Verdiekung am Neuroporus über. Das Nasal-Epithelium bildet sich auf bei- 924 Ju la Byrpilartts den Seiten aus der sich hier zeigenden triangularen Verdiekung. Unten läuft das verdiekte Ektoderm über das vordere Ende des Darmeanals hin, über dem Canal und unterhalb des Gehirn- bodens eine leichte einspringende Leiste aufweisend und eine andere tiefere Leiste unterhalb des Canals zeigend, wo das ein- springende Ektoderm anfängt den Kopf des Embryo von der Eioberfläche zu trennen. Hier setzen sich an der Seite des Embryo, unterhalb der Augen-Bläschen diese Leisten fort. Ver diesen Bläschen und dorso-lateral von denselben ist das Ektoderm dünn. Sofort hinter den Bläschen erhebt sich das dickere Ekto- derm zu einem breiten Bande mit dorsalen und ventralen Leisten, die in der Zeichnung (Fig. 15) durch gekreuzte Linien ange- geben sind. Diese Leisten sieht man in der Zeichnung einander näher liegen, als es wirklich der Fall ist, da die innere viel höher ist als die äussere und die Verschiedenheit an Tiefe nicht dargestellt ist. Um diese Verhältnisse verständlicher zu machen verweise ich auf Fig. 14, welehe durch die Fläche geht, die mit einer entsprechenden Linie in Fig. 13 angedeutet ist. Die Schnitt- fläche ist nicht vertical zur Achse des Embryo und der ventrale Theil des Schnittes ist demzufolge als vor dem dorsalen, die rechte Seite des Sehnittes als hinter der linken gelegen anzusehen. Gerade vor dem Schnitt erweitert sich die laterale Gehirnwandung zu den Augenbläschen, deren gemeinsame Basis mit dem Gehirmboden in diesem Schnitte auf einer Ebene liegt. Hinter dieser Abbildung folgt eine Anzahl von Schnitten, in welchen das Hirn eine ähn- liche Form hat und hinter welchen die Vertiefung in dem Ge- hirnboden allmählich sich verringert, bis das Gehirn in dem Raume zwischen den Trigeminus- und Facialis-Anlagen einen ovalen Um- riss annimmt. Man sieht im Schnitt 14 die Stelle, wo die Neural- falten sich geschlossen haben, auch dass die Trigeminus-Anlage in der Mitte noch mit dem Hirn, seitlich mit der Haut verbunden ist. Jenseits. der Stelle, wo diese Anlage und die Haut zusammenhängen, ist das Ektoderm, indem es über die Gehirnwandung hinläuft, dünn, wird aber dieker zwischen den beiden Sternen (Fig.14), welche die inneren und äusseren Grenzen der Schraffirung in Fig. 13 be- zeichnen. Seitwärts vom Hirn liegt das aus dem Urdarm kommende Mesentoderm. Man kann sehen, dass die mittlere Zellenmasse, Ontogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 925 die zwischen dem Hirnboden und dem Urdarm in Fig. 5 liegt, auf die Seite geschoben ist und offenbar zu der in Fig. 14 sicht- baren verticalen Tiefe des Mesentoderms, zur Seite des Hirns beigetragen hat. Zwischen diesen beiden Stadien (Fig. 5 u. 14) hat sich das an der Mesentodermseite liegende Band des diekeren Ektoderms ebenfalls erweitert und demzufolge sind auch die oberhalb und unterhalb des Mesentoderms liegenden Leisten wei- ter getrennt. Sie sind auch jetzt viel mehr markirt als in den früheren Stadien. Die untere Leiste (Fig. 14) berührt die Ur- darmwandung in der Gegend der Hyomandibularspalte. In hierzu caudalwärts liegenden Schnitten gestaltet sich das Mesentoderm weniger tief, das Band des diekeren Ektoderms wird schmäler, die Ektodermleisten (dIr, epr) nähern sich einander und verlieren sich in eine einzige Leiste, sobald die Schnitte hinter die Tri- geminus-Anlage fallen und die lateralen Flügel des Mesentoderms in denselben auftreten. Diese eine Leiste wird viel tiefer, wo sie durch die Ohranlage geht und wo ihre Lage eine ganz dor- sale ist. Nachdem sie durch diese Anlage hindurchgegangen, wird sie flacher und ist nur die Maximum-Tiefe in einem breiten Band diekeren Ektoderms, wie es in dem rechtsliegenden Ekto- derm der Fig. 15 gezeigt ist, welche durch die entsprechend numerirte Linie in Fig. 13 geht. Links trifft dieser Schnitt die Stelle, wo das hinter dem Ohr liegende Ursegment theilweise von dem zweiten abgegliedert ist, und hier erhebt sich auch wieder, wenn auch .nur eine kleine Strecke entlang, die Maxi- mum-Tiefe des Ektoderms zu einer Spitze da, wo die Ursegmente im Begriffe sind, sich von einander abzugliedern, worauf das Ektoderm wieder flacher wird, bis das zweite Ursegment passirt ist. Hier setzt sich num das diekere Ektoderm bis zum hinteren Ende des Embryo in drei schmalen Leisten fort, wie man im Schnitt der Fig. 16 sieht, welehe Schnittfläche auch in der Zeich- nung, Fig. 13 angegeben ist. Am hinteren Ende des Embryos verlieren sich allmählich diese Leisten in die eine breite Leiste (oder das Band), von der sie differenzirt waren (Fig. 9). Die obere Leiste liegt über dem Mesentoderm in der von der Leiste dir in den Figuren 5, 6 u. 14 eingenommenen Lage, oder in einer der Ohranlage entsprechenden. Sie läuft entlang der dorsalen Kante der Ursegmente, sich der unteren Leiste in den Intermetameren leicht nähernd. Die zweite Leiste bezeichnet de) D fer} u BrBilentite die Stelle, wo die Ursegmente sich von den Seitenplatten trennen. Diese Leiste ist homolog der in Fig. 15 links befindlichen und, wie ich später zu zeigen hoffe, auch der Leiste epr in Fig. 14. Die Leiste ist deutlicher ausgesprochen als die beiden anderen und erweitert sich zwischen den Ursegmenten in eine Leiste, die man eine doppelte nennen könnte, oder die vielleicht noch besser einem Kegel mit abgeschnittener Spitze zu vergleichen wäre. . Die untere Leiste, welche, wenn auch viel weniger deut- lich als die beiden anderen, sich noch hier findet, bezeichnet die Linie, wo das parietale Mesentoderm die ventrale Grenze des Nephrotoms zeigt, aus welchem die Vorniere und ihre hintere Fortsetzung, der Vornierengang, entstehen. Dr. Böhm hatte die Liebenswürdigkeit, mir Schnitte von Hühnchenembryonen zu zei- gen, in welehen drei scheinbar homologe Leisten viel klarer von der angrenzenden Fläche des Ektoderms differenzirt sind, als es bei Neeturus der Fall ist. Ueberdies sind eine oder die andere oder alle dieser Leisten so häufig in Schnitten durch Wirbelthier- Embryonen abgebildet worden, dass es überflüssig ist, mit wei- teren Beweisen für sie einzutreten. Ich verschiebe die Discussion ihrer Bedeutung, bis ich ihre weitere Entwicklung verfolgt habe. In Fig. 13 ist die Fläche, in welcher das vordere Mesen- toderm mit den Flügeln des axialen Mesentoderm zusammentrifft, vermittelst stärkere Striche durch einen Winkel bezeichnet. In diesem Winkel bildet sich in der schon beschriebenen Weise die Hyomandibularspalte. In Fig. 12 u. 13 sieht man den Em- bryo in eine gleichmässige Reihe von Segmenten getheilt. Das vordere dieser Segmente ist theils durch die Augenbläschen ge- bildet, theils durch Mesentoderm, das sich in dem Winkel hinter den Augenbläschen (Fig. 14) ziemlich hoch an der Seite des Mittelhirns erhebt, und so den Raum hinter den Augenbläschen ausfüllt, dass eine regelmässige Hervorwölbung entsteht, die in der Form den folgenden Embryosegmenten ähnlich scheint, aber in Wirklichkeit denselben doch ungleich ist, denn die folgende Segmentation ist einzig durch das Öentralnervensystem bestimmt, da in diesem Stadium sich das Mesentoderm, mit Ausnahme der Stelle an der Seite des Mittelhirns, nieht hoch genug über die Eioberfläche erhebt, um die Neuralsegmentation verdecken zu können. Obgleich das vordere Mesentoderm bis jetzt keine Segmente Öntogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 927 zeigt, geben doch die Hyomandibularspalte, das Ohr und die Stelle, an weleher das Band des diekeren Ektoderms in die drei Leisten übergeht, relativ bestimmte Punkte, durch welche man die Verhältnisse der hier sich zeigenden Neuromeren und der späteren mesentodermalen Segmentation bestimmen kann. Wie man durch die Sehattirung in dem hinteren Theile des im Fig. 12 gezeichneten Embryo sehen kann, wechseln die schon gebildeten Ursegmente mit den Neuromeren ab. Spätere Stadien zeigen, dass sich zwischen diesen Ursegmenten und dem Ohr zwei wei- tere Ursegmente bilden, die im den Abständen zwischen den Neuromeren liegen, ferner, dass ein Ursegment, das ebenfalls zwischen zwei Neuromeren sich befindet, unterhalb des Ohres gedrückt liegt, und dass vor diesem sich zwei Abtheilungen des Mesentoderms vorfinden, die dem dritten und zweiten Somit van Wijhe’s entsprechen. Der dritte Somit liegt gerade über der Hyomandibularspalte, der zweite vor derselben. Nimmt man nun an, dass die Segmentation des vorderen Himbläschens in Zwi- schen- und Mittelhirn in der Aussenansicht durch das an’ der Kopfseite befindliche Mesentoderm verdeckt ist, und dass da, wo nur zwei vordere Segmente anscheinend vorhanden, in Wirklich- keit drei sind, so findet man, dass zwischen der neuralen Seg- mentation dieses Stadiums und der späteren mesentodermalen Segmentation absolute Uebereinstimmung herrscht. Ich glaube, dass diese Uebereinstimmung vom hinteren Ende des Embryo bis zur Hyomandibularspalte von Bedeutung ist, aber der Versuch, in diesem Stadium vor dieser Spalte liegende Segmente zu unter- scheiden, führt bei Necturus nicht zum Ziele, da ja die gegen- wärtige Sonderung des vorderen Hirnbläschens in das Mittel- und Zwischenhirn bauptsächlich durch die Ausstülpung der lateralen Hirnwandung bei der frühzeitigen Anlage der Augenbläschen verursacht wurde, und wir hier faktisch nur ein Hirmbläschen haben, das eine neurale Anlage über sich und ein ununterbro- chenes Mesentoderm unter sich hat — kurz gesagt, nur ein Seg- ment darstellt. Die Spuren einer Segmentation, welehe später an dieser Stelle des Kopfes siehtbar werden, sind vielleicht dem Triebe, die schon durch den ganzen Körper stattfindende segmentale Ordnung bei dem Vorwärtswachsen des Kopfes zu wiederholen, zuzuschreiben. Dieser Trieb zeigt sich auch bei der Entwicklung 925 Iulaa@B. Pi aitıt: des Sehwanzes. Immerhin ist es zweifelhaft, ob die Segmenta- tion in dem vorderen Theile des Kopfes sich je vollständig aus- gedrückt hat und wir haben es deshalb hier wahrscheinlich nicht mit der Gliederung eines zusammengesetzten Gebildes in die dem- selben zu Grunde liegenden Segmente zu thun, als vielmehr mit dem Auftreten rudimentärer Segmente, die niemals vollständig gewesen sind. Bei Neeturus bildet das prämandibulare und mandibulare Mesentoderm keine epitheliale Wandung an den paarigen Kopf- höhlen wie bei den Selachiern, sondern zeigt sich als eine mit Dotter gefüllte Masse von Zellen, die sich bald in Mesenehym auflockern. Es ist mir deshalb nicht- möglich gewesen, das prä- mandibulare Mesentoderm von dem mandibularen zu unterscheiden. Diese Ausnahme abgerechnet ist aber die Segmentation des Mesen- toderms bei Neeturus dieselbe, die van Wijhe (36) auch den Selachiern zuschreibt. Obgleich Froriep (11) die Freundlichkeit hatte, meiner Beschreibung der Segmentation bei Acanthias einigen Werth bei- zulegen, hoffe ich, dass mir nicht die Ansicht, der Kopf der Wirbelthiere weise allgemein zwölf Segmente auf, zugeschrieben werde, denn wenn ich auch noch die Meinung hege, dass Acan- thias die von mir früher angegebene Segmentation zeigt, so finde ich doch auch, dass Neeturus Anhaltspunkte giebt, die van Wijhe’'s Vermuthung zu bestätigen scheinen. Ich habe mir aber bisher kein abschliessendes Urtheil hinsichtlich der wahrschein- lichen Segmentenzahl im Kopfe der Wirbelthiere bilden können und möchte weder die bei Neeturus noch die bei Acanthias erlang- ten Anhaltspunkte als für eine Entscheidung ausreichende halten. Ich meine jedoch, dass jedes Anzeichen von Segmentation von denen, welche der Lösung des Problems Interesse entgegen brin- gen, verzeichnet werden sollte, denn allein auf diese Weise kann man Material für die Vergleichung der zur Lösung dieses Pro- blems hinreichenden Ergebnisse sammeln. Das nächste Stadium ist das des in Fig. 19 in seitlicher Ansicht gegebenen Embryo. Die Figuren 21—26 zeigen Schnitte (durch denselben. In der Reconstruetion (Fig. 20) sind die Ebe- nen, dureh welche diese Schnitte gehen, mit den gleichen Ziffern angedeutet. Wie man auch aus Fig. 12 und 19 sehen kann, ist der Embryo, obgleich älter, relativ kleiner. Dies ist theilweise Öntogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 929 einer leichten Differenz im der Vergrösserung zuzuschreiben, hauptsächlich aber einer wirklichen Grössendifferenz, da hier ein merklicher Unterschied in der individuellen Grösse des Eies so- wohl als der des Embryo vorliegt. Zwischen den in Fig. 12 und 19 gegebenen Stadien sind die am meisten hervortretenden Veränderungen das Wachsthum des vorderen Kopftheiles, die Erhebung der dorsalen Gehirnwand, und die Zunahme der Embryoerhebung über die Eioberfläche. Das augenscheinliche Wachsthum des vorderen Kopftheiles ist grösstentheils der Umordnung von Zellen zuzuschreiben, für die schon vor der Schliessung der Neuralfalten in der Breite und Tiefe der vorderen Neuralplatte (siehe Fig. 5 und 6) das Material bereit lag. Durch Vergleichung der Zeichnungen 13 und 20 nimmt man wahr, dass die Trigeminus-Anlage an sagittaler Länge zugenommen hat und dass ihre Zellen angefangen haben von ihrer mittleren dorsalen Lage aus längs der Seite des Kopfes hinunterzuwandern, wo sie zwischen- dem Hirne und dem Ektoderm liegen. In der ganzen Gegend, die in der Zeichnung (Fig. 20) vermittelst sich durehschneidender Linien und Kreise angedeutet ist, erhält die Anlage beträchtlichen Zuwachs aus dem Ektoderm. Ueber der Anlage bildet das Ektoderm median in der dorsalen Kopfregion eine verdiekte Leiste, die sieh mit abnehmender Tiefe von der Gegend des zwischen den Nasalepithelien liegenden Neuroporus an, bis beinahe zur hinteren Grenze der Trigeminus-Anlage er- streckt (Fig. 20, 21, 22). Diese Leiste erhält sich bis m ganz späte embryologische Entwicklungstadien und ist histologisch den- jenigen Anlagen nahe verwandt, von der die Nerven und Sinnes- organe der Seitenlinie ausgehen, doch ist es wahrscheimlich, dass sie weder Nerven noch Sinnesorgane liefert, und ich bin geneigt, ‚diese Bildung als eine angehäufte Zellenreihe zu betrachten, die, anfangs zu den sensorischen Theilen des Oculomotorius und Tro- chlearis gehörend, in ihrer ursprünglichen Lage im Ektoderm ver- blieben ist und zwar weil die sensorischen Funktionen dieser Nerven schwanden. Diese Leiste mag homolog der durch v. Kupffer bei Acipenser beschriebenen Bildung sein (25). Ist dem aber so, dann kann ich die Leiste nicht als das Ueberbleibsel eines hoch spezialisirten Sinnesorgans ansehen, dessen Rudiment man, wie v. Kupffer erwähnt, in vielen Wirbelthieren findet, sondern neige 930 KulnarB.:Blatt;: vielmehr der Ansicht zu, dass die ektodermale Verdiekung, die sich in vielen Wirbelthieren findet, ein nicht spezialisirtes senso- risches Epithel repräsentirt, welches ausnahmsweise und auch nur theilweise in emigen Wirbelthieren eine höhere- Entwieklung er- reichen mag, wie in,den durch v. Kupffer angeführten Fällen. Gleiehzeitig mit der Erhebung des Kopfes des Embryo be- ginnt der Darmkanal sich vom Urdarm abzuschnüren (Fig. 22). Er verlängert sich nach vorne bis zu dem Punkte wo der Kopf des Embryo die Eioberfläche berührt. Hier zeigt sich eine Ver- schmelzung des Ektoderms und Entoderms. In Fig. 21, die dureh die Augenbläschen, nahe ihrer grössten Ausdehnung geht, ist die Trigeminus-Anlage gerade von dem Sehnitte erreicht worden. Ueber «em Hirne liegt median die dorsale Ver- diekung des Ektoderms, und unterhalb desselben eine mediane ventrale Verdiekung, die sich bis zu dem Punkte fortsetzt, wo Ektoderm und Entoderm am Ende des Darmkanales sich berühren. In Fig. 20 deuten gekreuzte Linien da, wo der Kopf dasEi be- rührt, die Verschmelzung am Ende des Darmkanales an und die hintere Fortsetzung dieser gekreuzten Linien markirt die Leiste, die an derjenigen Stelle sich befindet, an welcher sich der Em- bryo vom Ei abhebt (Fig. 22). Fig. 22 enthält die Trigeminus-Anlage in grösster dorso-ven- traler Ausdehnung, man sieht, dass sich an beiden Seiten des Kopfes bei dir dieser Anlage Ektodermzellen anschliessen. Dorsal von dieser Wucherung ist das Ektoderm verhältnissmässig dünn, aber unterhalb derselben ist das gesammte Ektoderm an der Kopf- seite diek. Diese Differenz, welche man durch Vergleichung des Ektoderms in Fig. 22 mit dem in Fig. 21 sehen kann, ist durch Linien in der Zeichnung Fig. 20 angedeutet. Das Her- abwachsen des Mesentoderms behufs Bildung des Mandibularbogens hat begonnen. Auf der rechten Seite dieses Schnittes (Fig. 22) berührt das Ektoderm das Entoderm in der Gegend der Hyoman- dibularspalte. Links liegt die Schnittfläche gerade vor dem Spalte. In den folgenden Schnitten erscheint unter dem Mesento- derm und über der Anlage der Hyomandibularspalte eine leichte Leiste. Es ist die mit epr bezeichnete Leiste in Schnitt 5 und 6. Hinter der Hyomandibularspalte hört die Leiste auf und man findet ein breites Band dieken Ektoderms (ähnlich dem links liegenden in Fig. 15), das auf seinem oberen Rande eine leichte Ontogenetische Differenzirung des Ektoderms in Neeturus. 91 Leiste hat, welche die ektodermale Zellwucherung für die Tri- geminus-Anlage mit Wucherungen für den Facialis und mit der Ohr-Anlage verbindet. Ueber der Hyomandibularspalte senkt sich die dorsale Grenze des Mesentoderms plötzlich und die Trigeminus-Anlage hört auf. Fig. 23 geht durch die Facialis-Anlage und hier erhält die- selbe Zuwachs von dem dorsalen Rande des dieken Ektoderm- bandes her. Im Niveau der Chorda ist das Mesentoderm an der ventralen Grenze der Ursegemente durch eme Berührung des Ektoderms und Entoderms unterbrochen. Es ist dies der Anfang der Hyobranchialspalte. Schnitt 24 ist nur wenig hinter Schnitt 23 gelegen und geht durch das Gehör-Epithel. Dies fängt an sich von dem umlie- senden Ektoderm abzusondern. Darunter sieht man, dass das Ektoderm wieder dieker wird. Ich hoffe, dass, wenn man die Fig. 23 und 24 vergleicht, die Verhältnisse, welche ich m der Zeichnung (Fig. 20) auszudrücken versuchte, verständlich sein werden. Eine leichte dorsale Leiste ausgenommen, hat das diekere Ektoderm dureh die mit Linien bezeiehnete Gegend zwischen den Trigeminus- und Facialisanlagen eine ziemlich gleichmässige Tiefe, zieht sich aber bei der Anlage der Hyobranchialspalte in eine Spitze aus, welche die Darmwandung zwischen Ursegment und Seitenplatten berührt. Diese Hervorragung an der inneren Ektodermoberfläche ist in der Zeichnung (Fig. 20) durch den mehr ventralen der beiden unterhalb des Ohres liegenden, mit gekreuzten Linien bezeichneten Kreise angedeutet. Geht man den folgenden Schnitten nach, so findet man, dass diese Hervorragung allmählich, unterhalb des Gehörepithels (Fig. 24) in diejenige über- geht, welche ich durch den oberen der beiden Kreise bildlich dargestellt habe. Wir haben sonach über der Anlage der Hyo- branehialspalte zwei ektodermale Verdiekungen, von denen die obere — das Gehörepithel — in dem Horizont liegt, in welchem die Trigeminus-, Facialis- und Glossophoryngeusanlagen Zuwachs aus dem Ektoderm erhalten. Kupffer (24) nennt diese An- schlüsse an die Neuralleiste „laterale Ganglien,“ zur Unterschei- dung von späteren mehr ventralen Anschlüssen, die er ebenso wie Beard ,„epibranchiale Ganglien* bezeichnet. Aus den bei Neeturus vorkommenden ektodermalen Wucherungen entstehen aber nicht nur Ganglien, ich ziehe es deshalb vor, statt „Ganglien“ den Aus- de & ID Julia B.-Plaitit: druck „Mesektoderm“ zu gebrauchen, auch nehme ich mir, ob- schon ich der Kupffer'schen Nomenclatur des Neural- und Epi- branchialmesektoderms folge, die Freiheit, bei der Beschreibung der dazwischen liegenden ektodermalen Wucherung anstatt „lateral“ den Ausdruck „dorso-lateral* anzuwenden, um Verwechslungen mit unserer englischen Bezeichnung „lateral line* für Seitenlinie zu vermeiden, denn entlang der „lateral line“ sind ebenfalls Gang- lienzellen hervorgewuchert. Die Haupt-„lateral line* ist aber nieht die Fortsetzung der Kupffer’'schen „lateralen Ganglien- linie“. Hinter dem Ohre läuft das dieke Ektodermband in verhält- nissmässig gleicher Dicke fort, bis es die Fläche, in welcher das vordere Ursegment endet, erreicht hat. Hier wird das Ektoderm wieder dicker, indem es sich in zwei Spitzen (Fig. 20) erhebt. Die Verhältnisse in diesem Intermetamer sind aber nicht so klar als sonstwo, da die Diekendifferenz zwischen den eigentlichen, in der Zeichnung durch Kreise angedeuteten Erhebungen und der umliegenden Ektodermfläche nicht so beträchtlich wie in anderen Intermetameren ist. Hinter dem ersten Intermetamer gestaltet sich das dicke Ektodermband weniger breit, wie in Fig. 25 zu sehen, welcher Schnitt hinter dem Ohre durch die ventrale Erhebung am zweiten Intermetamer geht. Hinter diesem Schnitt setzt sich das dieke Ektodermband gegen das hintere Ende des Embryo hin, in Ge- stalt von drei dünnen Leisten fort. Die untere dieser Leisten, welche in der Linie liegt, die die ventrale Grenze des Nephrotoms bildet, ist noch ganz unver- ändert, die mittlere dieser Leisten dagegen, welche in dem vor- ausgegangenen Stadium an den Intermetameren nur etwas breiter war, ist nun mit einer verticalen Leiste verbunden, welche sich von der mittleren aus in das Intermetamer erstreckt und mit der dorsalen Leiste zusammen trifft. Ueber dem zweiten, dritten und theilweise auch über dem vierten Ursegment fehlt aber die obere Leiste. Folgt man an Schnitten der mittleren Leiste vom dieken Ektodermband aus in caudaler Richtung, so kommt man bei jedem Intermetamer zu einer kegelförmigen Erhebung, die sich zu einer Doppelleiste erweitert, deren mehr ventraler Theil allmählich in die weniger ausgesprochene Erhebung der mittleren Leiste über- geht, während der mehr dorsale in derselben Weise in die inter- ÖOntogenetische Differenzirung des Ektoderms in Neeturus. 933 segmentale, verticale Leiste sich verliert. Fig. 26, deren Fläche in Fig. 20 angedeutet ist, zeigt diese drei Leisten. Houssay (19) beobachtet, dass bei Axolotl der Darm- kanal des Embryo durch dessen gesammte Länge vom Munde bis zum After eine Reihe intersegmentaler Erweiterungen zeigt. Die vorderen Erweiterungen bilden die Kiementaschen, die übrigen Erweiterungen berühren das Ektoderm nicht, stehen aber mit intersegmentalen Verdiekungen des Ektoderms mittels aus der Darmwandung auswandernder Zellen des Vascularsystems in Ver- bindung. Die intersegmentalen Verdiekungen, die Houssay be- schreibt und abbildet, sind die der mittleren Leiste, und ich kann seine Beobachtungen betreffs der imtersegmentalen Erweiterungen dureh die ganze Länge des Darmkanals bei Necturus bestätigen. Ich bringe diese Erweiterungen auch mit den intersegmentalen Verdiekungen des Ektoderms in Verbindung, finde aber keine Beziehungen zwischen diesen intersegmentalen Erhebungen des Ektoderms und dem Vascularsystem, wohl aber sehe ich m den oben erwähnten Beziehungen eine Bestätigung von Boveri’s Theorie (3), dass die Kiemenspalten Oeffnungen im Darmkanal darstellen, die früher in jedem Intersegment des Körpers vor- kommen. Fig. 23, 25, 26 und 35 beweisen, dass der Anfangspunkt der Hyobranchialspalte (Fig. 23), sowie der der zweiten Kiemen- spalte (Fig. 25), mit der Lage der vierten (Fig. 26) und siebenten (Fig. 38) hinter dem Ohre liegenden intersegmentalen Erhebung des Ektoderms übereinstimmen. In Folge der Biegung des Em- bryo (Fig. 19) waren die Verhältnisse, welche hinter Fig. 26 im Schnitte zu sehen sind, für diese Vergleichung unbrauchbar, ich habe daher zu einem. Schnitte des Embryo Fig. 31 verwiesen, der in geringer Vergrösserung gezeichnet ist. Die ese Erhebungen des Ektoderms sind nicht auf die ersten vierzehn Intermetameren beschränkt und übersteigen deshalb an Zahl die primitiven Kiemenspalten bei Amphioxus (38). Sobald die hinteren Ursegmente sich vom Mesentoderm abgegliedert haben, sind auch die intersegmentalen Erhebungen des Ektoderms von dem breiten, an der Seite des Embryo liegenden dieken Ekto- dermbande differenzirt. Bevor ich zu der nächsten Reconstruktion (Fig. 27) über- gehe, möchte ich auf zwei Sehnitte (Fig. 17 und 18 Taf. XXXVI) 95 Julia B. Platt: aufmerksam machen, deren Schnittfläche quer durch die Längs- achse des hinteren Embryotheiles geht und die einen Leitfaden betreffs der Bedeutung der untersten der drei Leisten geben. Der Embryo, von dem die Schnitte genommen sind, ist bemahe so alt, als der von Fig. 27. Vierzehn Ursegmente sind von ein- ander gesondert, aber noch mit dem ventralen Mesentoderm in Verbindung. Soweit diese Segmentation geht, sind die Zellen, welche an der Bildung des Vornierenganges theilhaben, von dem übrigen Mesentoderm in der Form eines festen unsegmentirten Stranges getrennt. Fig. 17 geht durch das zehnte der hinter dem Ohr liegenden Ursegmente und Fig. 15 durch das vierzehnte. Durch das fixi- rende Reagens sind die Gewebe geschwollen und infolge dessen hebt sich das Ektoderm von dem Mesentoderm ab. Die Zellen ddes Vornierenganges trennen sich gleichfalls von dem zurück blei- benden Mesentoderm und sind mit dem oberen Ektoderm so enge verbunden, dass es zuweilen unmöglich ist, zu unterscheiden, wo das Ektoderm aufhört und das Mesentoderm des Ganges beginnt. Wenn überdies, wie in Fig. 17, der Vornierenstrang leicht vom Ektoderm abgetrennt ist, zeigt es sich, dass auch vom Ektoderm, welches über dem Strange dünner wird, aber auf jeder Seite sich zu einer Leiste erhebt, Zellen ausgeschaltet sind. Die dorsale dieser Leisten ist homolog der mittleren Leiste in den Recon- struktionen, die ventrale homolog der unteren Leiste der Recon- struktionen, welche Leiste, wie man im Schnitt (Fig. 17) sieht, sich der mittleren Leiste am hinteren Ende des Embryo nähert. Uebrigens sind die mittlere und ventrale Leiste ihrer ganzen Länge nach durch die Breite der Vornierenanlage ge- trennt. Die Vorniere selbst hat ihre Lage in dem sie umgebenden Mesentoderm nicht verlassen. Entlang der Linie der ventralen Ektodermleiste aber finden sich abgelöste Zellen, welche zeigen, dass die Beziehungen zwischen Ektoderm und Mesentoderm ent- lang dieser Leiste so intim waren, dass Zellen bei der Trennung der beiden Schichten abgelöst wurden. Ich fand keine Mitosen zwischen Zellen des Vornierenganges und denen des Ektoderms, glaube aber, dass die oben erwähnten Thatsachen genügend sein werden, um zu beweisen, dass die von Field (8) und Mollier (29) gemachten Angaben, welche in den von ihnen studirten Amphibien eine Verbindung des Vor- Öntogenetische Differenzirung des Ektoderms in Neeturus. 935 nierenganges und des Ektoderms verneinen, nicht für die gesammte Amphibiengruppe aufrecht zu halten sind und dass Necturus in dieser Hinsicht sich an Säugethiere (9), Selachier (33, 37) und Vögel (7) anschliesst, da dieses Thier direkte Beweise für die primitive Theilnahme des Ektoderms an dem Vornierengang gibt. Ueberdies deuten die vordere Fortsetzung der ventralen Leiste und die der Leistenlinie entlang aus dem Mesentoderm ausgelösten Zellen auf eine gleich nahe Verbindung der Vorniere selbst mit dem Ektoderm hin. Die Vorniere liegt bei Necturus unter dem vierten und fünften Ursegment und ist mit beiden verbunden. Die ventrale ektodermale Leiste erstreckt sich zuerst, wie in Fig. 13 und 20 zu sehen ist, an dem Ursegment, unter welchem das vordere Segment der Vor- nieren sich befindet, noch weiter nach vorn. Dies kann vielleicht als ein Anzeichen der Reduction eines vorderen Segments gelten, worauf Field (8) hinweist. Gleichwohl, wenn auch Field das erste hinter dem Ohre liegende rudimentäre Segment als ein Ursegment ansieht, so würde doch noch bei den von ihm bear- beiteten Amphibien im Vergleich zu Necturus ein Segment fehlen, da in diesen Amphibien das vordere Segment der Vorniere unter dem zweiten oder dritten Ursegment liegt. Gegen Boveri’s Vermuthung, der Peribranchialraum des Amphioxus sei dem Vornierengang anderer Wirbelthiere homolog;, kommt ausser den von Rückert (34) erhobenen Einwendungen noch die Thatsache hinzu, dass die Verbindung zwischen Gang und Ektoderm in einem Horizont ventral von demjenigen liegt, in welchem das Entoderm das Ektoderm vor der Kiemenspalten- bildung berührt, während Willey (27) bewiesen hat, dass bei Amphioxus der Peribranchialraum aus Falten entsteht, die dorsal von den Kiemenspalten auftreten. Fig. 27 giebt die Reconstruktion ektodermaler Verdiekungen und der Neuralleiste in einem Entwicklungsstadium zwischen dem des Embryo der Fig. 19 und dem des Embryo der Fig. 51 wieder. Nur wenige Schnitte dieses Stadiums sind gezeichnet worden (Fig. 28, 29, 30), da ich hoffe, dass das, was mein Schema sagen will, durch eine Vergleichung mit der Reconstruktion in Fig. 19 und den zugehörigen Schnitten deutlich sein wird. Die Verän- derungen, die zwischen jenem Stadium und diesem stattgefunden haben, sind übrigens keine verwickelten. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 43 60 936 Julia B. Platt: An diesem Punkte habe ich die Vergrösserung meiner Schnitte geändert, in der Absicht, durch die in geringerer Vergrösserung gezeichneten Schnitte einfach die gegenseitigen Grenzen der Ge- webelagen zu geben, ohne Rücksicht auf die histologischen Ver- hältnisse, die in diesen Schnitten ganz schematisch gehalten sind. Die in stärkerer Vergrösserung gezeichneten Schnitte versuchen eine genaue Darstellung des histologischen Verhaltens, welches zwischen den Stadien der Embryonen Fig. 19 und Fig. 31 In- teresse erweckt infolge der Thatsache, dass die Dotterdifferen- zirung an den Mittelschichten des Kopfes sich nun deutlich zeigt. Bis zu dem in Fig. 19 gegebenen Stadium, sind die Zellen durch den ganzen Embryo mit Dotter gefüllt und die Bestimmung der Zellenumrisse ist eben so gut eine Sache des Vermuthens, als des Sehens. Doch beginnt es in diesem Stadium klar zu werden, dass in den Zellen des Mesektoderms relativ mehr Protoplasma im Vergleich zum Dotter auftritt, als in denen des Mesentoderns, wodurch die Dotterkügelchen weit rascher in den Mesektoderm- zellen abnehmen, die Entwicklung des ektodermalen Gewebes also im Vergleich zu der des entodermalen den Vorsprung erlangt. Dieser Unterschied an den Derivaten der beiden primitiven Keim- blätter ist im Körper durchaus nicht so deutlich wie im Kopfe. Die Differenzirung ist sogar am markirtesten in der Trigeminus- gegend und wird, sowie man sich dem Embryokörper nähert, all- mählich weniger klar. Immerhin ist diese Differenzirung, bis über die Vagusanlage hinaus, eine auffallende Erscheinung an jedem Schnitte durch den Kopf des Necturus, und hält bis zu einem noch späteren Entwicklungsstadium an als dem des ältesten in dieser Arbeit beschriebenen Embryo. Obgleich die Dotterdifferenzirung des Mesektoderms und Mesentoderms nun deutlich ist, so ist man doch nicht hierauf allein angewiesen, um sich ein Urtheil über den Ursprung irgend einer Zelle zu bilden, da alle hier (in Fig. 27) angetroffenen Mes- ektodermzellen noch die Lage behaupten, in welcher sie in anderen Wirbelthieren wiederholt als Ganglienanlagen rein ektodermalen Ursprung bezeichnet worden sind. Vergleicht man Schema 20 mit Schema 27, so bemerkt man, dass der von der Trigeminusanlage eingenommene Flächenraum sich weiter ausgedehnt hat, und dass, der Verlängerung der dor- salen Kopfoberfläche entsprechend, das Nasalepithel nun eine Ontogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 937 ventrale Lage einnimmt. Die mittlere dorsale Verdickung des Ektoderms setzt sich noch immer von den Nasalepithelien an rück- wärts über die Trigeminusanlage fort. Die Fläche, in welcher Zellen zu dieser Anlage hinkommen, hat zugenommen, und schliess- lich hat eine neue Biegung an dem vorderen Umrisse des an der Kopfseite liegenden verdiekten Ektoderms stattgefunden. Nahe der hinteren Grenze des Nasalepithels ist eine schmale Fläche durch gekreuzte Linien und Punkte bezeichnet. Hier verschmilzt das Ektoderm mit dem Ende des Darmkanals. Ueber dieser Vereinigungsstelle erhebt sich das dickere Ektoderm in einem Punkte (Ir) welcher, da er hart über dieser eben besprochenen Vereinigungsstelle liegt, wohl homolog einer der hinteren epi- branchialen Verdickungen des Ektoderms sein mag. An diesem Punkte ist jetzt das Ektoderm nur wenig dicker als das umlie- gende Ektoderm und diese Verdiekung liegt hinter den Augen- bläschen, doch sind diese, wie die spätere Entwicklung zeigt, mit der Biegung der Längsachse des Gehirns rückwärts und abwärts verlagert, während das Ektoderm vorwärts wächst und so geschieht es, dass dieser Punkt später an den Augen zu liegen kommt und dort als Linse abgeschnürt wird. Kupffer (24) hat schon auf die Thatsache hingewiesen, dass die Linse in der epibranchialen Linie der ektodermalen Verdiekungen liegt, und ich bestätige hier seine Beobachtung. Die gekreuzten Linien, welche vom Verschmelzungspunkte am Ende des Darms nach hinten gehen, markiren nun nicht mehr wie in Fig. 20 eine Leiste, in der das Ektoderm vom Embryo über den Dotter hinübergeht. Das diekere Ektoderm der früheren Leiste hat sich zu einem Bande an der lateralen Wandung des Branchialraumes erweitert und unterhalb der Hyomandibular- und Hyobranchialspalten wird das Ektoderm besonders tief, was durch gekreuzte Linien und Punkte im Schema (Fig. 27) ange- deutet ist. Man könnte meinen, dass die seither abgebildeten und be- schriebenen Leisten nur aus einer einfach mechanischen Zellen- verschiebung an der Stelle, wo sich eine Aenderung in der Bie- gung der Oberfläche zeigt, entstanden seien, dass die mittlere longitudinale Leiste des Körpers zum Beispiel der etwas plötzliehen Aenderung in der Biegung des Ektoderms, da wo es von der Eioberfläche zum Embryokörper übergeht, ihre Entstehung ver- 938 Il ar BP late danke. Dass aber der mechanische Faktor bei dieser Zellenan- ordnung nicht der entscheidende ist, mag durch die Schnitte, welche in diesem Stadium durch den vorderen Theil des Körpers gehen, begründet werden. Hier ist das gesammte Ektoderm, welches die Kiemenbogen bedeckt, dicker, und es geht unter einer allmählichen Tiefeabnahme von dem Embryokopf zu der Eiober- fläche über (Fig. 28 und 29), obgleich die Aenderung in der Biegung eine plötzlichere ist, als im vielen durch den Embryo- körper gelegten Ebenen, in welchen die mittlere longitudimale Leiste gut markirt ist. Offenbar wählen die Zellen des Necturus nicht alle Rinnen zum Zweck der Leistenbildung. Die in Fig. 20 über der Hyomandibularspalte sichtbare epi- branchiale Verdiekung ist in Fig. 27 grösser. In der Linie der dorsolateralen Leiste zeigt sich noch eine vor dem Ohr liegende und mit dem Facialis eng verbundene Verdiekung. Die Schnitte Fig. 23 und 29 sind dargestellt, um die etwas veränderten Ver- hältnisse in dieser Gegend anzudeuten. Die Schnitte sind nicht von derselben Kopfseite, die das Reconstruktionsbild zeigt, und da die Fläche, in welcher sie geschnitten sind, nicht genau ver- tical zu der Axe des Embryo liegt, erscheinen unterhalb der dorsalen Verdickung des Ektoderms in Fig. 29 Faecialiszellen im Schnitte, welche an der Reconstruktion nieht da sind. Fig. 23 geht durch die Anlage der Hyomandibularspalte und durch deren diekeres Epibranchialektoderm. Das Ektoderm ist von dem Entoderm in die Höhe geschoben worden, aber die oberen und unteren Grenzen der Berührung sind durch Erhebungen im Ektoderm bezeichnet, welches unmittelbar über der Spalte dünn ist. Fig. 29, welche, wie die entsprechend nummerirten Linien in dem Schema sehen lassen, ein Paar Schnitte hinter Fig. 28 liegt, geht durch die vor dem Ohr liegende dorsolaterale Verdiekung. Vergleicht man die Schnitte, Fig. 28 und 29, so sieht man, dass die Epibranchialverdiekung des Ektoderms in die dorsolaterale übergeht, ähnlich wie in Fig. 24, die epibranchiale Erhebung und das Gehörepithel sich über der Hyobranchialspalte vereinigen. Hinter dem Ohre trennt sich an dem neuralen Mes- ektoderm die Glossopharyngeus- und Vagusanlage und in der dorsolateralen Linie zeigt sich in Verbindung mit dem Glosso- pharyngeus noch eine spezialisirte Verdiekung des Ektoderms. Diese dorsale Verdiekung liegt in einer vertikalen Ebene mit der Öntogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 939 epibranchialen Verdiekung oberhalb der ersten Kiemenspalten- anlage. Fig. 30, ein durch das Intermetamer zwischen dem vierten und fünften Ursegment gehender Schnitt, wurde hauptsächlich gezeichnet um zu zeigen, dass die Verhältnisse hier dieselben sind wie am Embryo 20. Der Schnitt durcehschneidet die inter- sesmentale Doppelleiste, deren obere Kante die dorsale Kante des fünften Ursegmentes begleitet, wo dieses in den caudalwärts folgenden Schnitten sich successiv höher erhebt, während das vierte Segment ausfällt. In anderen Worten, die obere Kante setzt sich in der vertikalen Leiste zwischen den Ursegmenten fort, während die untere in der Leiste, welehe die Ursegmente von dem Nephrotom trennt, ihren Fortgang hat. Der Schnitt geht durch das Vornierensegment, welches unterhalb und in Ver- bindung mit dem fünften Ursegment liegt. Die dorsale Mesentodermgrenze ist mit einem breiteren Strich angegeben und die intersegmentale Lage der vertikalen dicke- ren Ektodermlinie ist klar. Ursegment und intersegmentale Leiste folgen einander mit genauer Regelmässigkeit, bis das erste vor dem Ohr liegende Intermetamer erreicht ist. Hier setzt sich die dorsolaterale Ektodermverdiekung in die epibranchiale Verdiekung über der Hyomandibularspalte fort, aber ebenso geht auch die dorsolaterale Wucherung des Trigeminus - Mesektoderms in die epibranchiale Wucherung an dem vorderen dorsalen Rande der Hyomandibularspalte über, und zwischen den zwei gegen die Hyomandibularspalte eonvergirenden Linien ektodermaler Diffe- renzirung liegt das Mesentoderm der dritten Kopfhöhle (v. Wijhe). Es zeigt sich somit, dass sich hier zwei intersegmentale Linien treffen. Vor der Hyomandibularspalte setzt sich die dorsale Wu- cherung des Mesektoderms in den vorderen Theil der Trigeminus- anlage fort, welche zwei weitere Sonderungen für den Trochlearis und den „Thalamieus“ bei den Selachiern aufweist. Darunter in der Fortsetzung der epibranchialen Linie der ektodermalen Differenzirungen, finden wir den Punkt Ir über der Vereinigung des Ektoderms und Entoderms an dem vorderen Ende des Darm- kanals. Ob diese Differenzirungen auf irgend eine Weise ver- wandt sind, kann ich nieht bestimmen. Vergleicht man die in den Zeichnungen 27 und 32 recon- struirten Embryonen, so bemerkt man, dass sich das über der 940 InElanBaHE RaItItE p\ Trigeminusanlage liegende breite Band gekreuzter Linien, durch welches die dorsolaterale Wucherung der Mesektodermzellen in Fig. 27 angedeutet ist, in Fig. 32 stark vermindert hat und dass auch das Band selbst unterbrocheu ist. Die Schnelligkeit, mit der in dieser Gegend die Wucherung des Mesektoderms stattfand, hat sich sehr vermindert und der grössere Theil der Zellen, welche in dem früheren Stadium (Fig. 27T) zu der Ekto- dermverdiekung beitrugen, ist schon in das Mesektoderm ausge- wandert, das darüberliegende Ektoderm verhältnissmässig dünn zurücklassend. Ueberdies ist die Trigeminusanlage, welche in Fig. 27 eine ununterbrochene Zellenschicht bildet, im Umriss weniger regelmässig. Die vorderen und ventralen Zellen der Anlage haben sich mehr zerstreut, während die dorsalen und hinteren Zellen in diekeren Lagen zusammengehäuft sind. Ein von dem Nasalepithel zur Hauptmasse des Trigeminusmesekto- derms sich erstreekender dorsaler Zellenstrang zeigt, dass die Zellen, welehe das Ganglion Gasseri und den primitiven ramus ophthalmieus profundus zu bilden bestimmt sind, im Begriff stehen, sich von dem zurückbleibenden Mesektoderm abzutrennen, ob- gleich Nervenfasern noch nicht vorkommen und diese Zellen nur durch ihre Lage und engere Anordnung von ihren Nachbarn zu unterscheiden sind. Da, wo in der hinteren Gegend der Trige- minusanlage, die Mesektodermzellen mit der Hyomandibularspalte in Berührung kommen, sind sie über den Rand des Mesentoderms, das hier durch das Zusammentreffen von Ektoderm und Entoderm unterbrochen ist, hinübergewandert und an der inneren Seite des Mesentoderms des Mandibularbogens zwischen das Mesentoderm und Entoderm zu liegen gekommen. Die Gewebeverhältnisse in der vorderen Kopfgegend wer- den verständlicher sein durch Vergleichung der Schnitte 33, 34, 35, 36 mit dem Schema in Fig. 32, bei der die Schnittflächen durch die entsprechend bezifferten Linien gehen. Die dorsale mediane Leiste von Fig. 33 läuft in der Medianebene um den Kopf herum in die ventrale mediane Leiste des Schnittes 33 hinein, wie in Fig. 32 zu sehen ist. Der Schnitt trifft den vor- deren Rand des Nasalepithels. Oben liegt das dorsale diekere Ektodermband, von welchem Zellen des dorsolateralen Mesekto- derms in die Trigeminusanlage ausgewandert sind. In diesem Schnitte haben die die Mittelschichten bildenden Ontogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 941 Zellen den Charakter des Mesenchyms, dass sie aber kein gleich- artiges Mesenchym bilden, ist aus Fig. 33 a ersichtlich, welche in stärkerer Vergrösserung den zwischen den Parallellinien der Fig. 33 eingeschlossenen Raum zeigt. Die Gesammtbreite des Gehirns ist nieht reproduzirt. Die abgetönte Fläche, mit der ich in Fig. 33a das Ektoderm und Mesektoderm bezeichnet habe, entspricht einem gleichmässigen Ton an dem Schnitte selbst, der durch die Färbung sehr feiner Dotterkügelchen, die zu klein sind um einzeln unterschieden zu werden, bedingt ist. Im Mesen- toderm fehlt dieser Grundton ganz, denn hier sind die Dotter- kügelchen noch gross und treten, wenn gefärbt, als dunkle von hellen Zwischenräumen umgebene Flecken hervor. Alle Kerne der ektodermalen wie entodermalen Gewebe verhalten sich gleich und färben sich einander ähnlich. Fig. 33a übertreibt die Differenz in dem histologischen Verhalten der Gewebe nicht und in dieser wie in den anderen vergrösserten Bildern, Fig. 34a und 36a wurden die Dotter- kügelehen der entodermalen Gewebe und die grösseren Kügelchen der ektodermalen mit der Camera gezeichnet. Der Schnitt, Fig. 33a geht durch die dorsolaterale Verdiekung des Ektoderms und die compakte Gruppe der gangliösen Mesektodermzellen. In Fig. 34 ist die mittlere dorsale Ektoderm-Verdiekung in dem Schnitte nicht mehr vorhanden. Die mittlere ventrale Ver- diekung und den hinteren Rand des Nasalepithels sieht man, aber sonst ist das Ektoderm ganz gleichmässig dünn. Das Mes- ektoderm, das im Schnitt 33 hauptsächlich durch zerstreute Zellen repräsentirt war, erstreckt sich im Schnitt 34 von der dorsalen Hirnwandung bis zur dorsalen Wandung der Augen- bläschen in einem kompakten Zellenband, dass noch immer zwi- schen Mesentoderm und Ektoderm liegt. Fig. 34a, welche den zwischen den Parallellinien der Fig. 34 eingeschlossenen Raum vergrössert, zeigt eine Dotterdifferenzirung der Gewebe, die jener in Fig.33 a gesehenen gleich ist. Das Mesektoderm gleicht dem Ektoderm histologisch und ist vollkommen vom Mesentoderm differenzirt. Dieser Theil des Schnittes 34 wurde hauptsächlich deshalb vergrössert, um die Natur der Mesentodermzellen, welche die Wandung der Blutgefässe bilden, zu zeigen (v). Obgleich die Zellen des primitiven Gefässepithels typisch ausserordentlich verdünnt sind und auch die Zellen des Gefässepithels bei Nec- 942 u lauarB FRirattt: turus die lebhafte Tendenz zeigen, die ihrer Art typische Ver- dünnung zu erlangen, was man aus ihren vielfachen Krümmungen wahrnehmen kann, so sind sie doch für eine lange Entwieklungs- periode nicht im Stande, die massenhaften Dotterkügelchen, welehe. sie enthalten, zu redueiren, während in den benachbarten Mesektodermzellen der Dotter schnellstens eonsumirt wird. Fig. 35 trifft den hinteren Theil der intersegmentalen Ver- diekung zwischen dem dritten und vierten mesentodermalen Seg- ment (v. Wijhe). Diese Verdiekung ist der Vorläufer der ekto- dermalen Zellenauswanderung in die Facialisanlage. Wie man dureh Vergleiehung der Fig. 27 und 32 sehen kann, bedeckt die Verdiekung in dem späteren Stadium mehr Flächenraum als in dem früheren und geht jetzt auch direkt in die Gehörver- diekung über, während bei dem Embryo, von dem das Rekon- struetionsbild 27 gemacht war, die ektodermale Verdiekung über der Hyomandibularspalte ganz deutlich von dem Gehörepithel getrennt war. Im Schnitt 35 findet man das Nasalepithel und die mittlere ventrale Verdiekung des Ektoderms nicht mehr, aber das gesammte, die ventrale Gegend des Schnittes bedeckende Ektoderm ist diek, wie ich durch Linien in der Zeichnung 32 angedeutet habe. Die Schnitte sind, wie das Schema Fig. 32 zeigt, nicht vertikal zu der Längsachse des Kopfes orientirt und während Schnitt 34 das Mesektoderm nahe dem Punkte, wo es sieh später dem Nachhirn als Ganglion Gasseri anfügt, dureh- schneidet, geht Schnitt 35 durch den ventralen Theil des Tri- geminus-Mesektoderms. Das in Schnitt 34 sichtbare dorsale Mesektoderm setzt sich aber in dem Mesektoderm des Sehnittes 35 fort, obgleich die Fortsetzung nicht in einem einzigen Schnitte zu sehen ist, was der Fall sein würde, fielen die Schnitte ver- tikal zu der Längsachse des Kopfes. Ich habe keinen Theil dieses Schnittes (Fig. 35) vergrössert, da hier die Gewebsdifferenzirungen mit denen der vorhergehenden und nachfolgenden Schnitte identisch sind. Eine Zellengruppe ist in der ventrallateralen Mesentodermgegend theilweise von dem übrigen Mesentoderm getrennt. Es sind Mesentodermzellen des Mandibularbogens, durch dessen Basis der Schnitt geht. In den folgenden Schnitten ist das mandibulare Mesentoderm durchaus von dem zurückbleibenden Mesentoderm des Kopfes getrennt und dehnt sieh ventral als ein solider Zellenstrang zwischen der Hyo- Ontogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 945 mandibularspalte und der Verbindung des Ektoderms und Ento- derms in der Mundgegend aus. Sowie das mandibulare Mes- entoderm sich von dem übrigen Mesentoderm trennt, biegt sich das an die Hyomandibularspalte stossende Mesektoderm um das gesonderte Mesentoderm des Mandibularbogens herum, und kommt, wie im Schnitt 36 zu sehen ist, zwischen dem Mesentoderm und dem Darm zu liegen. Dieser Schnitt (36), der kurz hinter Schnitt 35 fällt, geht durch die Anlage der Hyomandibularspalte. Die hier sich zeigende dorsale Verdiekung des Ektoderms setzt sich in die des Schnittes 55 fort und geht direkt in die ektodermale Verdiekung über der Hyomandibularspalte über. Fig. 56a vergrössert den in Fig. 36 zwischen den Parallel- linien eingeschlossenen Raum, ist aber zwei Schnitte vor dem Schnitt der Fig. 36. Die Verhältnisse sind eigentlich dieselben, ausgenommen, dass das Entoderm in Fig. 36a nicht wie das der Fig. 36 einheitlich ist, denn der ventrale Theil des Darmes und die lateralen Taschen der Hyomandibularspalte erstrecken sich nach vorn über das sie verbindende Ektoderm hinaus und kom- men demzufolge, wie man links in Fig. 36a bemerkt, zuerst ge- trennt in dem Schnitte. In der Mitte der Fig. 36a ist eine solide Gruppe von Mesentodermzellen, die homolog dem ventralen Theile der man- dibularen Kopfhöhlenwandung bei Selachiern ist. Die Zellen sind gross und noch mit Dotter gefüllt. Hier und da findet man einen Kern, welcher den Kernen .der umliegenden Gewebe gleich ist. Zwischen dem Mesentoderm und Entoderm einerseits und dem Mesentoderm und Ektoderm anderseits liegen die Mesekto- dermzellen. Vereinzelte Zellen des Mesektoderms, die zwischen Mesentoderm und Entoderm liegen, mögen zum Vergleich mit den das Mesentoderm bildenden Zellen dienen, deren Ausdehnung, obgleich sie nur theilweise im Schnitte von einander getrennt sind, nach der Lage und Zahl ihrer Kerne genügend bestimmt werden kann, um einen Vergleich mit den Mesektodermzellen zu erlauben. Dass die Zellen der zwei mittleren Gewebe bedeutend von einander verschieden sind, sowohl was Grösse als Inhalt betrifft, ist hier ersichtlich, wie auch, dass zwischen den zwei Geweben eine scharfe Trennungslinie be- steht. Zwischenzellen giebt es nicht. In allen, zur Rekonstruktion der Fig. 32 gehörenden Sehnit- 944 later B.BENaNE ten, waren die Gewebe durch das fixirende Reagenz künstlich von einander getrennt. Immerhin habe ich die Schnitte, in wel- chen die Zellenschichten getrennt waren, den anderen vorge- zogen und zwar aus dem Grunde, weil sie es gestatten, das Fehlen von Uebergangsformen zwischen Mesentoderm und Mes- ektoderm mit absoluter Sicherheit zu bestimmen. Trotz der auf- fallenden Verschiedenheit der beiden Gewebe, in denen Zellen von unregelmässigen Umrissen eng zusammen liegen, ist es noch immer schwierig, das Nichtvorhandensein von Zwischenformen zu beweisen, vor allem schwierig, wenn, wie bei Necturus, die Grenzen der aneinanderliegenden Zellen selten sichtbar sind. Durch eine Vergleichung des mandibularen Mesentoderms mit dem Mesentoderm der Schnitte 33a und 34a wird es klar, (dass wir in dem Mesentoderm der drei Schnitte ein gleichartiges Gewebe haben. Hat man das Mesentoderm dieser Schnitte mit dem Entoderm der Fig. 36a verglichen, so erscheint es kaum nöthig, den Ursprung des mandibularen Mesentoderms aus Zellen der dorsalen Wandung des Darmeanals verfolgt zu haben, um das Gewebe als entodermales bestimmen zu können. Vergleicht man das Mesektoderm mit dem Ektoderm dieser Schnitte, oder mit der in Fig. 33a dargestellten Gehirnwandung, so bedarf man kaum des weiteren Beweises, welcher durch Verfolgung der Mesektodermzellen von ihrem Ursprunge in der Neuralleiste an, durch das Stadium ihrer Vermehrung aus dorsolateralen und epibranchialen Verdiekungen des Ektoderms, bis zu ihrer gegen- wärtigen Lage, geliefert wird, um überzeugt zu sein, dass wir es hier mit Zellen ektodermalen Ursprunges zu thun haben. Ein Blick auf Fig. 36a sagt einem, dass das tiefe Zellenband, wel- ches das Mesentoderm des Mandibularbogens vollständig umgiebt, weder Ganglion, noch Nery ist, und ein weiterer Blick lehrt, dass die Zellen, die zwischen Ektoderm und Entoderm im Man- dibularbogen liegen, kein gleichartiges „Mesoderm“* bilden, wäh- rend Schnitt 33 a ebenso deutlich zeigt, dass es kein gleichartiges „Mesenchym“ giebt. Schnitt 37 geht dureh die hintere Wandung des Gehör- epithels und durch die epibranchiale Verdiekung über der Hyo- branchialspalte. Unter der Berührungsfläche des Ektoderms und Entoderms sieht man eine Zellengruppe, die zu dem Facialis- Mesektoderm gehört und im Hyoidbogen liegt. Sie bedeckt und Ontogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 945 überragt etwas das Hyoid-Mesentoderm, doch ist bis jetzt das Hyoid-Mesentoderm noch nicht vollständig vom Mesektoderm umgeben, wie es das Mandibular-Mesentoderm ist. An der Ober- fläche des Hyoidbogens ist das Ektoderm dick, was auch beim Ektoderm am Mandibularbogen der Fall ist (Fig. 36). Geht man zur Reconstruction, Fig. 32, zurück, so findet man, dass hinter dem Ohr wie auch in der Gegend der Trigeminus- und Faeialis-Anlagen die seriale Regelmässigkeit der verdiekten Ektodermlinien, die man in der Reconstruktion 27 bemerkt, durch die rasche aus dem Ektoderm in das Mesektoderm erfolgende Zellenauswanderung gestört wurde. Da, wo im vorangegangenen Stadium das Ektoderm am dieksten war, finden wir nun unter dem Ektoderm, aber immer noch mit diesem verbunden, eine Masse von Mesektodermzellen. In der Umgebung zeigt sich das Ekto- derm noch diek, und fährt auch noch weiter fort zu denjenigen Zellen, die eben dem Mesektoderm zugegangen sind, weitere hinzuzufügen. Auch unter den Kiemenspalten finden sich, wie in Recon- struktion 27, Ektodermverdiekungen, und die hintere dieser sub- branchialen Verdiekungen setzt sich in eier leichten Leiste in der unteren der drei longitudinalen Körperleisten, in der Nieren- leiste, fort. Ueberdies wird es in diesem Stadium klar, dass die intersegmentalen Leisten an Deutlichkeit gewinnen, während die longitudinalen weniger sichtbar werden. Die intersegmentalen Leisten haben sich ventralwärts ausgedehnt und verbinden nun hinter dem fünften Ursegmente die drei longitudinalen Leisten. Die dorsale Mesentodermgrenze ist mit einem breiteren Strich angegeben. Der wnregelmässige Umriss des ersten hinter dem Ohr liegenden Ursegments ist durch das Grösserwerden des Ge- hörbläschens veranlasst. Wir gehen nun zu dem in Fig. 39 dargestellten Entwick- lungsstadium über, mit welchem ich diese vorläufige Studie über die ontogenetische Differenzirung des Ektoderms in Neeturus ab- schliessen will. Obgleich die Ganglienzellen des Trigeminus, Fa- cialis, Glossopharyngeus und Vagus noch nicht vollständig durch die Bildung einer membrana limitans von den umliegenden Ge- weben abgeschlossen sind, so sind sie doch jetzt durch ihre An- ordnung bestimmt von dem übrigen Mesektoderm getrennt. Ek- todermzellen fahren fort, in das periphere Nervensystem auszu- 946 IulmarBsipiiantit: wandern, bis die Entwicklung der Nerven der Seitenorgane be- endigt ist. Auch fahren sie fort, sich mit dem mesektodermalen „Bindegewebe“ zu vereinigen, bis die Knorpelbildung begonnen hat. Zu einem undifferenzirten Mesektoderm, aus dem Ganglien-, Nerven- und „Bindegewebe“ hervorgehen mögen, erfolgt aber von (diesem Stadium an kein weiterer Ektodermzuwachs mehr, sondern die auswandernden Ektodermzellen dringen nun in ein speziali- sirtes Gewebe ein und nehmen entweder an der Bildung des Nervensystems, oder an der Bildung des „Bindegewebes“ direkten Antheil. Von diesem Punkte an verfolgt meine Arbeit natürlich zwei getrennte Pfade. Obgleich der in den Fig. 39 und 40 abgebildete Embryo beträchtlich älter als der der Fig. 31 und 32 ist, so sind doch der Charakter und die Veränderungen am Ektoderm und Mes- ektoderm so leicht von jüngeren zu dem vorgeschritteneren Sta- dium zu verfolgen, dass es unnöthig erscheint, noch Zwischen- formen darzustellen. In Fig. 40 sind die hinter der Vagusanlage liegenden Zellen der Neuralleiste nicht abgebildet. Ein Blick auf die beiden Reconstruktionen Fig. 32 und 40 zeigt, dass die mit Mesektodermzellen bedeekten Flächen der beiden Embryonen eigent- lich gleich gross sind. Immerhin zeigen die Schnitte (Fig. 41—50), dass das Mesektoderm an Tiefe zugenommen hat, was zum grossen Theil der Zellenauswanderung aus den schon in Fig. 34 festge- stellten, verdiekten Ektodermflächen zuzuschreiben ist. Die mehr ventrale Lage des in Fig. 40 zu sehenden Mesektoderms ist so- wohl dureh die Erhebung der Dorsalseite des Kopfes, wie auch durch die fortgesetzt nach abwärts erfolgende Auswanderung der Mesektodermzellen bedingt. Infolge des ersteren Unstandes liegt die dorso-laterale Linie des sensorischen Ektoderms auf einem relativ tieferen Niveau als in Fig. 32 und infolge des zweiten finden sieh jetzt unterhalb des Nasalepithels und ventral von den Kiemenspalten Mesektodermzellen. Die eingetretenen Veränderungen kann man am besten mit Hilfe der Fig. 41-50 verfolgen, deren Schnittflächen in der Zeiehnung Fig. 40 angegeben sind. In den in geringerer Ver- grösserung gezeichneten Schnitten habe ich Mesentodermzellen von Mesektodermzellen dadurch unterschieden, dass ich erstere mit Punkten versah und den letzteren einen Grundton gab. Durch dieses Mittel versuchte ich nur die relative Lage der zwei Zellen- Öntogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 947 gruppen anzugeben. Ihre wirkliche histologische Differenzirung ist in den vergrösserten Zeichnungen 44a, 48a und 48b dar- gestellt. Schnitt 41 schneidet ober- und unterhalb des Hirnes die Median-Leiste des verdiekten Ektoderms, das sich noch, wie die Reconstruktion 40 zeigt, von dem Punkte an, wo sich der Neuroporus schloss, bis zur hinteren Grenze der Trigeminusanlage ausdehnt. In dem Ektoderm an der Seite des Kopfes erscheinen zwei weitere Verdiekungen, von denen die untere den Anfang des Nasalepithels darstellt, die obere, unmittelbar über den Augenbläschen lie- gende, aber die dorso-laterale Verdiekung über der Trige- minusanlage ist. Diese Verdiekung war in Fig. 355 in einem früheren Stadium gezeichnet. Nur eine oder zwei Zellen sind noch an der äussersten vorderen Grenze dieser Verdiekung mit der Trigeminusanlage verbunden. Zwischen Ektoderm und Hirn oberhalb der Augenbläschen trifft der Schnitt den vorderen Theil des Trigeminusganglions, welcher sich hinter dem Auge in der Anlage des Ramus ophthalmieus profundus fortsetzt, dessen Zellen bis jetzt schwer von den zerstreuten Mesektodermzellen, die nahe dem Nasalepithel liegen, zu unterscheiden sind. In dem folgen- den Schnitte, Fig. 42, sieht man die mediane Leiste an dem Ektoderm nieht mehr, das Nasalepithel ist tiefer, die dorso-laterale Ektodermverdiekung ist über dem Augenbläschen noch wahr- nehmbar, während zwischen dieser Verdiekung und dem Nasal- epithel sich eine dritte Verdiekung, die Linse zeigt, dureh deren hinteren Rand der Schnitt geht, wie die Reeonstruktion (Fig. 40) es angiebt. Die dorsalen und ventralen Theile des Trigeminus-Mes- ektoderms sind hier durch das Augenbläschen voneinander getrennt. Der ventrale Theil besteht wie in Fig. 41 aus zerstreuten Zellen, welche dem Nasalepithel anliegen. Das dorsale Mesektoderm ist durch ein paar zerstreute Zellen, nahe dem Ektoderm, oberhalb des Augenbläschens repräsentirt, wie auch durch das Ganglion Gasseri, das in dieser Schnittfläche mit dem Hirn verbunden ist. Schnitt 43 unterscheidet sich nur wenig von Schnitt 42, dem derselbe nahe steht. In Fig. 43 setzt sich aber das Mes- ektoderm zwischen den zerstreuten Zellen, die sich in Fig. 42 über dem Augenbläschen befinden und denen, welche das Nasal- epithel begrenzen, fort. Vergleicht man die Schnitte 41, 42 und 45, so sieht man, dass in Schnitt 41 ein ununterbrochenes Mes- 948 Julia B. Platt: ektoderm hinter dem Augenbläschen durchgeht, und dass die Fortsetzung des Mesektoderms, welche in Fig. 42 durch das Augenbläschen unterbrochen ist, in Fig. 43 durch ausserhalb dieses Bläschens liegende Zellen wieder hergestellt ist. Das Schema deutet diese Verschiedenheit in der relativen Lage des vor und hinter der Linse liegenden Mesektoderms nicht an. In Fig. 43 sind in der Hirnwandung Kerne skizzirt, um damit zu zeigen, dass in diesem Stadium die Gehirnzellen gegen den Berührungspunkt des Hirnes mit den Kopfganglien conver- giren. Fasern der Gehirnzellen können bis in die Ganglien ver- folgt werden. Diese Fasern kommen nicht allein oder hauptsäch- lich aus den Ventralzellen des Gehirns, sondern zum grossen Theil aus Zellen seiner dorso-lateralen Wandung. Die primäre Verbindung der Neuralleistenzellen und des Gehirns besteht als eine Berührung der Zellen. Die sekundäre Verbindung der Kopfganglienanlagen und des Gehirns aber ge- schieht durch das Auswachsen von Fasern. Es ist von Interesse zu bemerken, dass bei Neeturus die sekundäre Verbindung der Kopfganglien zuerst durch das Herauswachsen der Fasern aus dem Gehirn herbeigeführt wird. Dies entspricht vermuthlieh der Thatsache, dass die Zellen des Centralnervensystems, die sich etwas freier von Dotterkügelchen, als die Mesektodermzellen zeigen, aus diesem Grunde aktiver sind und früher als die benachbarten Ganglienzellen Nervenfasern zu „spinnen“ beginnen. Doch folgen auch die Ganglienzellen bald dem Vorgange der Gehirnzellen und „spinnen“ Fasern, die in das Hirn gelangen. His (16) hat gezeigt, dass die menschlichen Kopfganglien ihre sekundäre oder dauernde Verbindung mit dem Gehirn durch das Herauswachsen der Fasern aus den Ganglien in das Gehirn erworben haben und unterstützt seine Beobachtungen durch sorgfältige und detailirte Studien am Geruchsganglion (17). Diese Untersuchungen sind durch andere Forscher bestätigt oder erweitert worden, bis sie zu der vielfach angenommenen Theorie wurden, alle Kopfgang- lien erwürben ihre dauernde Verbindung mit dem Gehirn durch das centripetale Wachsthum der Nervenfasern. Zwischen einigen und allen ist aber wohl zu unterscheiden. Fig. 44 liegt hinter der Verbindung des Ganglion Gasseri mit dem Gehirn. In der Linie der dorso-lateralen Ektodermleiste geht der Schnitt dureh das erste der Hautsinnesorgane. Schema, Öntogenetische Differenzirung des Ektoderms in Neeturus. 949 Fig. 40, zeigt, dass dieses Sinnesorgan zwischen den Trigeminus- und Facialisanlagen liegt, und dass die Ektodermleiste, die den Ursprung der dorso-lateralen Wucherung des Mesektoderms in die Trigeminusanlage bildete, direkt in das Sinnesorgan übergeht, während hinten das Sinnesorgan in die Ektodermverdiekung, die noch dem Facialis Zellen abgiebt, übergeht. Das Sinnesorgan liegt daher, wie man in den Reconstruktionen 32 und 27 nach- sehen kann, zwischen den zwei ersten intersegmentalen Vertikal- leisten des verdickten Ektoderms, die in der Hyomandibularspalte zusammentreffen. Die Lage des Sinnesorgans und seine Beziehung zum Facialis lassen in ihm das erste Organ der supra-orbitalen Linie von Allis (1) erkennen, welche sich von diesem Punkte an nach vorwärts in der dorso-lateralen Leiste des verdickten Ek- toderms fortsetzt. Die supra-orbitalen Sinnesorgane werden durch den Ramus ophthalmieus superfieialis Facialis innervirt. Dass dieser Nerv seinen Ursprung im Ektoderm hat, ist durch die Untersuchungen Dohrns (5) und andere ausser Frage gestellt worden. Wenn man daher bedenkt, dass die verdickte Ektoderm- leiste, die eben einen grossen Theil des Ganglion Gasseri und der Ganglienzellen des Ramus ophthalmieus profundus zustande brachte, nun sofort den Ramus ophthalmieus superficialis Facialis hervor- bringt, so findet man, dass ein etwas seltsames Licht auf die Be- deutung der Bemühungen geworfen wird, welche eine seriale Ho- mologie zwischen den verschiedenen Kopfnervenästen feststellen wollen. Wie kann es möglich sein, dass der Ramus ophthalmieus superficialis Facialis serial homolog mit irgend einem Aste des Trigeminus ist, wenn er nicht nur von dem Kopfsegment oder den Segmenten wozu der Trigeminus gehört, sondern auch von der gleichen Ektodermstelle, die einen grossen Theil der Trige- minusanlage geliefert hat, ausgeht? Fig. 44a giebt in stärkerer Vergrösserung den zwischen den Linien a—a’ in Fig. 44 eingeschlossenen Raum. Im oberen Theil der Zeichnung sieht man links ein wenig vom Hirn, rechts das Sinnesorgan, unter welchem das Ektoderm durch eine ein bis drei Zellen tiefe Mesektodermschicht begrenzt ist. Ziemlich in der Mitte der Zeichnung befinden sich zwei isolirte Gruppen von Mes- ektodermzellen, die zum Trigeminusganglion gehören. Die Zellen der unteren Gruppe haben angefangen, Fasern zu den Mesento- dermzellen, mit denen sie in Berührung liegen, zu entwickeln, 950 nam Bipaland Diese Fasern sind zweifellos motorische und die Zellen, von denen sie abstammen, sind entweder aus der Neuralleiste oder aus dem Ektoderm der Haut gekommen. Die secundäre Verbindung des Ganglion Gasseri mit dem Gehirn ist eben erworben worden und es giebt keinen Beweis, dass bis jetzt irgend eine Zelle vom Hirn nach dem Ganglion durch die Nervenwurzel ausgewandert wäre. Das Auftreten solcher Fasern in Reptilienembryonenen ist dureh Froriep (10) erwähnt worden und ähnliche Phenomene hat Kupffer (24) im Petromyzon beschrieben. Es wird bemerkt worden sein, dass die Mesentodermzellen im unteren Theil der Zeichnung (Fig. 44a) compakter gruppirt sind als im oberen. Es sind die Zellen an der Basis des Man- dibularbogens, welche im Schnitte 45 von dem übrigen Mesen- toderm sieh abzutrennen anfangen. Fig. 34a ist von einem Schnitte, der die Längsachse des Embryos so ziemlich in derselben Fläche wie Schnitt 44a schneidet. Man sieht, dass die Differenzirung der Mittelsehiehten wenig verändert ist, ausser dass die Durch- schnittsgrösse der Dotterkügelehen in Mesentoderm in Fig. 44a geringer ist, als die der Dotterkügelchen in Fig. 34a. Bei dem Sternehen in Fig. 44a wandern Ektodermzellen in das Mesekto- derm aus und eine kurze Strecke lang ist keine membrana limi- tans zwischen Ektoderm und Mesektoderm zu finden. In Fig. 43 zeigt sich eine leichte Leiste (Ir) im Ektoderm als Fortsetzung der Linsenverdiekung der Fig. 42. Diese leichte Leiste, findet sich auch in Fig. 44 und in Fig. 45 wird sie noch deutlicher. Hinter der Schnittfläche der Fig. 45 scheidet das Infundibulum aus den Schnitten aus, und die Leiste (Ir) geht in die median-ventrale Ektodermverdiekung über, welche mit dem vorderen Ende des Darmkanals sich vereinigt (Fig. 46). Ver- gleicht man die Reconstruktionen 27, 32 und 40, so wird es einem klar, dass die Linse der Fig. 40 von der bei Ir in den Fig. 32 und 27 zu sehenden Spitze des dicken Ektoderms abgeschnürt ist. Zwischen den Schnitten 43 und 45 geht eine allmähliche Tiefenzunahme des Mesektoderms unter der Leiste Ir vor sich. Sieht man Zeiehnung 40 durch, so findet man, dass diese Zu- nahme eine Zusammenhäufung von Mesektodermzellen, die vor und seitlich vom Munde liegen, andeutet, welche der Anhäufung von Mesektodermzellen oberhalb der auf einander folgenden Kiemen- spalten ähnlich ist. Auch bei Vergleichung der Fig. 32 mit Öntogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 951 Fig. 40 sieht man, dass die Mundeinstülpung die Zellen der Tri- seminusanlage theilt, so dass sie sich sowohl vor dem Munde, als hinter seiner Einstülpung, oder im Bereiche des Mandibular- bogens finden. Fig. 46 schneidet die epibranchiale Ektodermverdickung an der hinteren dorsalen Grenze der Hyomandibularspalte (hyel) in der Gegend, wo Zellen in das Facialisganglion eingewuchert sind. Unter der Spalte sieht man den Mandibularbogen mit semem von Mesektoderm umgebenen Mesentoderm. An emer Stelle nur wird dieser Mesektodermring unterbrochen. Hier bilden Zellen, welche das Darmentoderm eben verlassen haben, die Wandung eines Blutgefässes. . Die Fläche der Fig. 46 stimmt nahezu mit der von Fig. 36 überein, aber da, wo das Ektoderm an der- Hirmseite in Fig. 56 diek war, finden wir es im Fig. 40 dünn, und unter demselben liegt hier die runde Masse der Ganglienzellen des Facialis. Eine Vergleichung der Zeiehnungen Fig. 32 und 40 erweist klar was vor sich gegangen ist. In Fig. 32 sind die Zellen der Facialisanlage, die hier beinahe ausschliesslich neurale sind, abwärts in den Hyoidbogen gewandert und liegen unmittel- bar unterhalb dem Ektoderm in der Form einer in die Länge gezogenen Zellenmasse, die von der oberen Grenze des Gehör- epithels bis zur Mitte der Hyobranchialspalte hinunterreicht. In der Gegend der Facialisanlage dehnt sich ein Band diekeren Ek- toderms nach vorne bis über die Hyomandibularspalte aus. An der Stelle dieses Bandes finden wir in Fig. 40 die sagittale Ver- längerung des Ganglion Facialis. Darüber ist jetzt das Ektoderm in der Linie der früheren dorso-lateralen Leiste dünn, während das diekere Ektoderm in der Epibranchiallinie noch immer der Ganglion-Anlage Zellen zuführt. Hinter und ventral von der Stelle, an welcher am Rande der Kiemenspalte der Facialis seinen Zu- wachs aus dem Ektoderm erhält, wird das mesektodermale „Binde- sewebe* des Hyoidbogens auf gleiche Weise durch Zellen, die von der ektodermalen Verdiekung am Rande der Kiemenspalte auswandern, verstärkt. Ich möchte die verschiedenen Ziele dieser beiden Auswanderungen am Rande der Kiemenspalten durch die Richtung der in Fig. 40 an dieser Stelle angebrachten Linien andeuten. In Fig. 36a ist zu schen, dass das Mesektoderm an der äusseren Seite des Mandibularbogens dichter ist als an der inneren, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 43 61 952 JuliaB. Platt: wo die Zellen mehr oder weniger zerstreut sind. Aus Fig. 46, 47 und 48 ersieht man immerhin, wie das Wandern der Mesek- todermzellen um den Mesentodermrand bei der Hyomandibular- spalte wie auch bei der Mundeinstülpung so bedeutend gewesen ist, dass das mandibulare Mesentoderm sich jetzt von einem gleich- mässig breiten Kreis diehten Mesektoderms umgeben zeigt. Die Sehnittfläche der Fig. 48 liegt nur wenig hinter der- jenigen der Fig. 47 und geht durch die Mitte des Gehörbläschens, dessen ventrale Wandung, wie man in Fig. 43 sieht, Zellen zu dem Ganglion Faeialis i. e. Auditorius abgiebt. Gleich unter dem Bläschen findet man eine dichtere Gruppe von Mesentodermzellen, welche die Basis des ersten Branchialbogens markirt. Zwischen -diesen Zellen und dem Hyoidmesentoderm geht der Schnitt durch eine vor der dorsalen Grenze der Hyobranchialspalte liegende Region, wo Zellen aus dem Mesektoderm des Facialis über die dorsale Fläche des Hyoidmesentoderms in die innere (entodermale) Seite des Hyoidbogens hinüberwandern. Dieser Schnitt liegt wenig vor der Ebene des Schnittes der Fig. 37 (vide Schema 32). Man gewahrt, dass, während in dem jüngeren Embryo die Faci- aliszellen vor (im Schnitt unter) der Hyobranchialspalte das Mes- entoderm des Hyoidbogens nur hinten (im Schnitt oben) bedecken, das Mesentoderm des späteren Stadiums eben so vollständig von Mesektoderm umgeben ist, wie früher das Mesentoderm des Mandi- bularbogens (Fig. 36 und 36a). In dem Ektoderm auf Fig. 48 befinden sich drei Leisten, von denen die ventrale eine hintere Verlängerung der dem Munde angehörigen Verlöthung zwischen Ektoderm und Entoderm ist (Fig. 40), die mittlere die ventrale Verlängerung der Hyomandi- bularspalte darstellt, von dem Punkte aus, wo Ektoderm und Entoderm sich eben von einander abgesondert haben. Diese mittlere Leiste gehört deswegen der intersegmentalen, vertikalen Reihe an. Die obere Verdickung des Ektoderms liegt in der epibranchialen Linie und über der Hyobranchialspalte. An der mit einem Stern markirten Stelle (Fig. 48) wandern Zellen aus dem Ektoderm in das Mesektoderm des Facialis über, und in der ganzen mit Kreisen versehenen Linie stehen die Zellen des tieferen, an der Oberfläche des Hyoidbogens liegenden Ektoderms im Be- griff, in das unterliegende Mesektoderm sieh auszuschalten. Dies wird bewiesen durch eine geringe Verschiedenheit im Aussehen Öntogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 953 der in der inneren Ektodermschicht liegenden Zellen. Es bilden sich aber in dem sonst nur zweischichtigen Ektoderm immer zuerst drei Zellenschiehten, wie in Fig. 49 zwischen den zwei Stern- chen. Eine neue Membrana limitans entsteht zwischen den beiden inneren Schichten, und die innere Membran, welche die Ekto- dermzellen von den unteren Mesektodermzellen scheidete, löst sich auf. Diese Phenomene vollziehen sich durch die gesammte Branchial- gegend, gehören aber einem späteren Entwicklungsstadium an, als dem, mit welchem diese Arbeit endet. Fig. 48a und 45b sind vergrösserte Zeichnungen der zwischen den Parallellinien bei a und b in Fig. 48 eingeschlossenen Flächen. Diese Zeichnungen zeigen, dass hier in dem Hyoidbogen sowohl, als im Mandibularbogen dieselbe Gewebedifferenzirung stattfindet. Mit Fig. 36a verglichen zeigen sie, dass die Durchschnittsgrösse der Dotterkügelchen im Entoderm und Mesentoderm jetzt etwas geringer ist. Wie in dem früheren Stadium, gleicht das Mesek- toderm in seiner Histologie dem Ektoderm, während das Mesen- toderm dem Entoderm gleich ist. Die zwei Mittelschichten sind so scharf wie früher von einander getrennt. Zwischenzellen sind nicht vorhanden. Fig. 49 geht durch das Glossopharyngeusganglion von dessen Wurzel an bis zu dem Punkte, wo sich das Ganglion von dem übrigen Mesektoderm, das sich bis zur hinteren Wandung der Hyobranchialspalte erstreckt, abtrennt. Eine kleine Gruppe zwischen dem Mesentoderm und Entoderm liegender Mesektodermzellen setzt sich in den folgenden Schnitten in Zellen fort, die über das Mes- entoderm an der vorderen Grenze der ersten Branchialspalte ein- wandern, an einer Stelle, die serial homolog der in Fig. 48 unter der epibranchialen Ektodermverdiekung gesehenen ist. Ventral von der Hyobranchialspalte zeigen sich im Ektoderm zwei Leisten (Fig. 49). Sie setzen sich in der medianen ventralen Leiste und in der mittleren Leiste der Fig. 48 fort (vide Schema 40). Ueber der Spalte ist das gesammte Ektoderm bis zum Niveau der Dorsal- wandung des Gehörbläschens diek. Dies wird in der Recon- struktion Fig. 40, durch Linien, welche von der vorderen dorsalen Grenze der Hyobranchialspalte bis zum Niveau der Glossopharyn- seuswurzel gehen, angedeutet. Das Ohr ist in dem Schema skizzirt, bildet aber nieht mehr einem Theil des tieferen Ekto- derms, da es ein geschlossenes einwärts der Oberhaut liegendes 954 DArlırarB, Pant: Bläschen geworden ist. Ventral von der Hyobranchialspalte (Fig. 49) fliesst das Mesentoderm des Mandibularbogens mit dem des Hyoidbogens zusammen und die Mesektodermzellen, hier von der Hyoidanlage stammend, liegen fast ausschliesslich über dem Mesentoderm. Zwischen Schnitt 49 und 50 vereinigt sich das branchiale Mesentoderm der Fig. 49 mit dem Mesentoderm der gegenüber- liegenden Kopfseite, um die Wandung des im unteren Theile der Fig. 50 zu sehenden Pericardium zu bilden. Dieser Sehnitt (Fig. 50) geht durch die epibranchiale Verschmelzung des Vagus mit dem Ektoderm, über und hinter der ersten Branchialspalte, deren ventrale Grenze der Schnitt ebenfalls trifft. Unter der Spalte und über dem Pericardium geht der Schnitt durch das Mesentoderm des ersten Kiemenbogens, wo dieser im Begriffe ist, sich in die Wandung des Pericardiums zu spalten. Durch die Basis dieses Bogens geht Fig. 49. Ueber dem Mesentoderm liegen Mesektodermzellen der Glossopharyngeusanlage. Dorsal von der Spalte trifft der Schnitt das Mesentoderm an der Basis des zweiten Kiemenbogens, der theilweise vom Mesektoderm umgeben ist. Die untere der in Fig. 50 sichtbaren Gruppen von Ganglienzellen vereinigt sich in den folgenden Schnitten mit dem vertikalen Theil des Vagusganglions (Fig. 40), der sich zwischen dem Gehirn und dem Epibranchialektoderm ausdehnt. Die obere Gruppe der Ganglienzellen setzt sich in «das Glossopharyngeusganglion fort und ist vermuthlich im Stadium der Fig. 50 hauptsächlich aus Zellen derjenigen Gegend in der Neuralleiste zusammengesetzt, welche an dem Embryo, von dem die Reconstruktion Fig. 32 gemacht wurde, die Glossopharyngeus- und Vagusanlagen ver- bindet. Immerhin verschmilzt in den folgenden Schnitten diese Zellengruppe mit dem Ektoderm der dorso-lateralen Linie, wie auch mit den Zellen des vertikalen Theiles des Vagus, über dem sie liegt. Die primitiven Grenzen der ektodermalen Verdickungen dieses Stadiums verlieren sich bei der raschen Auswanderung der Ek- todermzellen in die Vagusanlage, welche in der gesammten hinter der zweiten Kiemenspalte liegenden Gegend vor sich geht. Ich habe in der Reconstruktion, Fig. 40 versucht, die Ektoderm- zellenauswanderung durch feine Linien anzudeuten, ähnlich wie an der hinteren und dorsalen Grenze der Kiemenspalten. ÖOntogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 955 Von diesem Stadium (Fig. 40) war es mir unmöglich, die segmentale Lage der zweiten Kiemenspalte zu bestimmen. Doch zeigen Längsschnitte eines Stadiums zwischen Fig. 31 und 39, dass die Spalte eine Fortsetzung der intersegmentalen Leiste ist, die zwischen dem zweiten und dritten Ursegmente hinter dem Ohr liegt. Die bis jetzt erschienenen Kiemenspalten sind des- halb, was ihre Lage betrifft, serial intersegmental. Man sieht jedoch aus der Aussenschicht (Fig. 39) sowohl, als aus der Reconstruktion (Fig. 40), dass die einfachen segmentalen Körper- verhältnisse in der Vagusgegend etwas durch das Sichzusammen- drängen des Kiemenapparates gestört sind. Fig. 51, welche von der Seite des Embryo genommen ist, welche der in Fig. 40 rekonstruirten gegenüberliegt, zeigt die Verschmelzung des Ektoderms und Entoderms an der hinteren Grenze der Kiemenspalten. Die Zeichnung wurde gemacht, um die Thatsache zu illustriren, dass die innere Ektodermschicht in der Gegend, wo sich die äusseren Kiemen bald zeigen werden, durch Zellen, welehe von dem Entoderm am Rande der Kiemen- spalten auswandern, ersetzt wird. Diese Zellen dehnen sich in der Zeichnung bis zu der mit einem Sternchen markirten Linie aus. Infolge der Zellenauswanderung aus der an der Kiemen- spaltengrenze liegenden inneren Ektodermschicht in das Mesek- toderm und infolge der Ersetzung der inneren Ektodermschicht durch das Entoderm kommt man zuweilen auf Schnitte, wo die Membrana limitans, die das Entoderm begrenzt, sich in das Mes- ektoderm öffnet. Wäre die Dotterdifferenzirung nicht, welche die Zellen der zwei primitiven Keimblätter scharf zu trennen ermög- licht, so würde man in Verlegenheit sein, dieses Phänomen zu erklären. Immerhin zeigt Fig. 51, dass das Ektoderm, welches gewöhnlich nur zwei Schichten tief ist, hier über der Kiemen- spalte drei Schichten hat. Bald nachdem sich die dritte Schicht gebildet hat, löst sich die Membrana, welche die innere Ektoderm- oberfläche begrenzte, auf, und die Zellen der tiefen Schieht wandern in das darunter liegende Mesektoderm aus. Aus der Zeichnung Fig. 51 sieht man, dass, wäre die Membrana oberhalb dem durch ein Sternchen markirten Punkte aufgelöst, die Membrana, welche unterhalb dieses Punktes das Entoderm begrenzt, sich zur Zeit in das Mesentoderm öffnen würde. Von dem Embryo der Fig. 39 sind hinter der Vagusanlage 956 fehle le Je llehınıns keine Schnitte gezeichnet worden, da die erfolgten Veränderungen leicht durch die Reconstruktion verfolgt werden können. Von diesen Veränderungen ist die Erhebung an der Oberfläche des Embryo, welche die Lage der Vordergliedmasse kennzeichnet, die hervorragendste. Diese Erhebung liegt immerhin unter dem vierten und fünften Ursegmente und ist ursprünglich durch die Vergrösserung der Vorniere bedingt. An der unteren Oberfläche des Ansatzes der Extremität erweitert sich die ventrale Leiste zu einem breiten Bande, das sich nach vorn in die unterhalb der Kiemenbogen liegende Leiste fortsetzt, mit der sich die ver- schiedenen branchialen Leisten vereinigen und welche an der Mundeinstülpung mit der entsprechenden Leiste der gegenüber- liegenden Seite zusammentrifft. In den Schnitten dieser Serien ist es von den drei longitudinalen Leisten des früheren Stadiums einzig die ventrale, deren Fortsetzung man noch verfolgen kann. Die mittlere longitudinale Leiste erscheint nur in Schnitten, welche denen, die die vertikale Leiste schneiden, nahe liegen. Die dor- sale Leiste ist nicht mehr zu finden und wenn man in diesem Stadium die Oberhaut des Embryo abträgt und färbt, so sind es einzig die vertikalen Leisten, die sichtbar werden. Entfernt man dagegen die Oberhaut in dem in Fig. 31 gegebenen Stadium, so bilden die in der gefärbten Oberhaut zu sehenden Leisten eine Reihe kleiner Quadrate von der Grösse eines Ursegmentes. Ueberblickt man die in dieser Arbeit beschriebenen Ver- änderungen des Ektoderms, so findet man zuerst an jeder Seite der Neuralfalten ein breites Band verdickten Ektoderms, welches am vorderen Ende des Embryo beginnend allmählich nach rück- wärts weiter wächst. Später ist dieses am Embryokörper be- findliche Band durch drei longitudinale Leisten ersetzt, während das die Kopfseite bedeekende Ektoderm dick bleibt, aber in be- sondere, der longitudinalen Linie entlang gehende Leisten diffe- renzirt ist. Die obere dieser Leisten ist die Fortsetzung der dorso-lateralen Linie des Körpers, liegt über der dorsalen Grenze des Mesentoderms, geht durch das Gehörepithel und ist der Ur- sprung des dorso-lateralen Mesektoderms (Kupffer’s laterales Ganglion). Die untere der zwei primitiven Kopflinien ist die der epibranchialen Mesektodermwucherung. Sie setzt sich in der mittleren lateralen Leiste des Körpers fort, welche die Trennungs- linie der Ursegmente von den Seitenplatten bezeichnet. Die Ontogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 957 unterste Leiste des Körpers liegt auf der Linie, in welcher sich das Nephrotom von den Seitenplatten trennt. Diese Linie ist später am Kopfe durch eine Leiste repräsentirt, welche an der Mundeinstülpung beginnend sich rückwärts und den Kiemenspalten, sowie diese successiv erscheinen, ausdehnt und sieh endlich mit dem ventralen Bande des Körpers vereinigt. Die mittlere longitudinale Leiste wird, sowie sich die Ur- segmente von einander abgliedern, in eine Reihe intersegmentaler Erhebungen differenzirt, welche den intersegmentalen Erweiterungen des Darmkanals entsprechen. In der branchialen Gegend markiren diese Erhebungen den Anfang und die dorsale Grenze der Kie- menspalten. In dem folgenden Stadium sind die longitudinalen Leisten durch intersegmentale Leisten mit einander verbunden, welche beim weiter entwickelten Embryo an Deutlichkeit zu- nehmen. Die Kiemenspalten liegen in der Linie der vorderen intersegmentalen Leisten. An diesem Punkte endigt meine erste Studie, es ist Jedoch von Interesse zu bemerken, dass mit dem Erscheinen des lateralen Liniensystems die Ektodermdifferenzirung zu ihrem primitiveren Zustand zurückkehrt und die drei longitudinalen Linien, deren Entwieklung wir verfolgt haben, wieder als dorsale, mediane und ventrale Linien der Seitenorgane zur Geltung kommen. Die me- diane und ventrale Linie mögen aus ektodermalen Verdiekungen am Rande von Poren, die einerseits in den Darmkanal, anderseits in die Leibeshöhle einmündeten, entstanden sein. Die dorsale Linie scheint ausschliesslich mit der Bildung des Mesektoderms in Beziehung zu stehen und mag als Supplement der Neuralleiste angesehen werden. Houssay (18) findet, dass sich am Kopf des Axolotl ein Strang oder Band in Segmente abtheilt, und er bezeichnet diese Segmente als „Kopfganglien* weil sich hieraus entstehende Gang- lienzellen mit Zellen der Neuralleiste, welche der Autor „dorsale Nervenwurzeln“ nennt, vereinigen. Er erklärt diesen Strang dem His’schen Zwischenstrang homolog, findet nicht, dass er zuerst sich auf den Rumpf des Embryo fortsetzt, meint aber, dass er später in der Laterallinie auftritt. Der Lateralnerv würde dem- nach zusammengeschmolzene Theile der primitiven Spinalganglien repräsentiren, die homolog den „lateralen“ Theilen der Kopfgang- 958 au lab SRRartt: lien wären. Diese Ansicht, die durch eine Vermuthung Eisig’s (6) veranlasst wurde, ist auch die meine. Die Verhältnisse bei Neeturus sind nicht ganz die von Houssay bei Axolotl beschriebenen, denn wie ich gezeigt habe, ist die Hauptseitenlinie bei Necturus die Fortsetzung der epi- branchialen Ganglienlinie und nieht der Linie der dorso-lateralen Mesektodermwucherung, welche dem His’schen Zwischenstrang homolog ist und sich im Körper in der dorsalen der drei Late- rallinien fortsetzt. Ueberdies erscheinen am Körper des Necturus alle drei Linien noch bevor die dorsolaterale Mesektodermwuche- rung am Kopfe auftritt. Erst dureh Kastschenko wurde die Aufmerksamkeit auf die erosse Zahl der aus der Neuralleiste entstehenden „Mesodermzellen“ gelenkt. Später stellte Goronowitsch die Ansicht auf, dass die gesammte Neuralleiste am Vogelembryo in die Bildung des „Mesoderms“ aufgehe. Diese Ansicht würde schliesslich durch seine Beobachtung, dass in der That Zellen der Neuralleiste an der Bildung der Facialis-Glossopharyngeus- und Vagusganglien Theil nehmen, eingeschränkt. Immerhin behauptet Goronowitsch in seiner ausführlichen Arbeit (13), die „Trigeminusanlage* gehe ausschliesslich in der Bildung des „Mesoderms“ auf. Zum Theil wurde dies „Mesoderm* als „nervenführendes Gewebe“ geschildert, zum Theil soll es aber auch in das am Gehirn liegende „Meso- derm“ aufgehen, und damit ein homogenes Mesenehym bilden. In seiner vorläufigen Mittheilung (12) sagt Goronowitsch, und diese Ansicht ist in seiner ausführlichen Arbeit beibehalten, dass „die im Kopte der Vögel am stärksten entwickelten Leisten weder mit der Entwieklung der Nerven, noch mit der Entwicklung der Ganglien etwas zu schaffen haben. Sie liefern Mesoderm. In- folge dieses Schlusses wird es klar, warum die am meisten ent- wiekelten Abschnitte der Leisten in der Region des Mittelhirns angelegt werden. Die massive Anlage vom mesodermalen Material erscheint dort, wo künftig der breiteste Abschnitt des Schädels angelegt wird.“ ei Neeturus aber, wie in allen, mit Ausnahme der Vögel, bis jetzt studirten Wirbelthieren, nimmt die Neuralleiste an der jildung aller Kopfganglien, inclusive der Trigeminus-Gruppe, Antheil. Die Zellen der Neuralleiste bilden mit dem Mesentoderm kein gleichartiges Mesenehym. Im das Mesentoderm an der Ge- Öntogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 959 hirnseite verlieren sie sich nieht. Sie haben offenbar nichts mit der Bildung des Schädels (Deckknochen?) „in der Region des Mittel- hirns“, dort, wo „die am meisten entwickelten Abschnitte der Leisten angelegt werden“, zu thun, sondern wandern alle (mit Ausnahme der die Ganglien bildenden Zellen) von ihrer dorsalen Ursprungs- stelle in die ventrale Kopfgegend aus, um dort, wo zuerst die Kopfknorpel erscheinen, das „Bindegewebe“, in dem diese Knorpel sich entwickeln, zu bilden. Neeturus gewährt also durch die Dotterdifferenzirung seiner Zellen die Gelegenheit, die ektodermale Herkunft des die Kopf- knorpel bildenden „Bindegewebes“ zu beweisen, und wie Klei- nenberg sagt, „es giebt gar kein mittleres Keimblatt“ (23), so zeigt es auch Neecturus. Ergebnisse. 1. Das „Mesoderm“ im Kopfe des Neeturus ist durch die Dotterkügelchen, die es enthält, in zwei scharf getrennte Gewebe differenzirt, die ich unter Bezugnahme auf ihre respective Herkunft als „Mesektoderm“ und „Mesentoderm“ unterscheide. 2. Das direkte Auswandern der Zellen aus dem einschich- tigen Ektoderm in die Tiefe zur Bildung eines zweischichtigen Ektoderms, und ferner das Auswandern der Ektodermzellen in die Kopfganglien und in die Nerven der Seitenorgane dienen als Beweis, dass die Beobachtungen, worauf Mall (28) seine Theorie: ‚The primitive growing point of all vertebrate nerves is in the layer of cells on the outermost side of the eetoderm and the axis of division is parallel with the ectoderm‘, stützt, nicht hinreichend sind. 3. Eine Vertiefung am Boden der Neuralplatte berührt die Wandung des Urdarms vor der Chordaspitze. Sie bezeichnet im Gehirnboden den Anfang und die hintere Grenze der Gehirn- krümmung, und liegt in der Gegend zwischen den Trigeminus- und Faeialisanlagen. Die Vertiefung entspricht also nicht einer Stelle an der Wandung des zukünftigen Infundibulums. 4. Während bei Acanthias nur die prämandibularen und vordersten Kopfhöhlen zwischen den aus der Wandung des Ur- darms vor den Flügeln des axialen Mesentoderms auswandernden Zellen entstehen, entsteht bei Neeturus auch das Mandibular- 960 len 3 1eAkenınıng mesentoderm aus Zellen, die vor dem axialen Mesentoderm die Wandung des Urdarms verlassen. 9. Bei der Entstehung der Hyomandibularspalte wird das Mesentoderm nicht, wie bei Entstehung der folgenden Kiemen- spalten, durchbrochen, sondern das Mandibularmesentoderm wächst nach unten und bedingt auf diese Weise die Begrenzung der Hyomandibularspalte, an welcher von Anfang an Ektoderm und Entoderm sich berühren. 6. Die primitive Trigeminusanlage ist hauptsächlich von Zellen des über dem Gehirn liegenden FEktoderms gebildet. Aus der Art und Weise der Schliessung der Neuralfalten in der Tri- geminusgegend wird es klar, dass emige Zellen der äusseren Ektodermschieht auch an der Bildung der Trigeminusanlage Antheil nehmen. Die Zellen der hinteren Kopfnerven-Anlagen stammen meistens aus der mittleren dorsalen Wandung des Gehirns. 7. Das Ektoderm, welches zuerst an der Stelle, wo sich der Embryo über die Eioberfläche erhebt, dieker wird, differen- zirt sich bei der Schliessung der Neuralfalten in ein breites Band diekeren Ektoderms, an dem sich besondere Erhebungen oder Leisten über der dorsalen Grenze des Mesentoderms und über den Kiemenspalten - Anlagen entwickeln. Vorn bedeckt dieses breite Band die Seitenwandung des Embryo, bei dem dritten hinter dem Ohr liegenden Intersegment zertheilt es sich aber in drei der Längsachse des Embryo parallele Leisten, von welchen die mittlere die markirteste ist. Die dorsale dieser drei Leisten liegt über der Dorsalgrenze der Ursegmente, die mediane auf der Linie, wo das Ursegment von dem Nephrotom getrennt wird, und die ventrale da, wo das Nephrotom sich von dem Parietal- mesentoderm trennt. Die longitudinalen Leisten werden bald durch intersegmentale Querleisten verbunden. Am Kopfe des Embryo bilden sich homologe intersegmentale Querleisten aus den einzelnen Elementen der Kupffer’schen Lateralganglien- leiste, welche mit ‘den darunter liegenden epibranchialen Ver- diekungen des Ektoderms und deren Verlängerungen in die Kie- menspalten sich vereinigen. Zwei dieser intersegmentalen Leisten, die das dritte Kopfsomit (v. Wijhe) vorn und hinten begrenzen, treffen über der Hyomandibularspalte zusammen. 8. Hinter der Hyomandibularspalte wechseln die primitiven Ontogenetische Differenzirung des Ektoderms in Necturus. 9 [or) m Neural- und Mesentoderm-Segmente regelmässig mit einander ab. Die mesentodermale Segmentation ist dieselbe, die von v. Wijhe (36) den Selachiern zugeschrieben wird. 9. Eine Reihe intersegmentaler Erweiterungen kommt durch die ganze Länge des Darmes vor. Sie stehen mit intersegmen- talen Erhebungen des Ektoderms, da, wo die Mittel- und Quer- Leisten aneinander treffen, in Beziehung. In der vorderen Ge- gend des Embryo schmelzen diese Erweiterungen des Darms mit den ektodermalen Erhebungen zusammen und bilden auf diese Weise die Kiemenspalten mit der sich darüber befindenden epi- branchialen Verdiekung. Hinter der Branchialgegend werden die intersegmentalen Erhebungen des Ektoderms nicht von den Darmerweiterungen berührt, ich glaube aber in der intersegmen- talen Annäherung des Ektoderms an das Entoderm einen Beweis dafür zu sehen, dass verloren gegangene Kiemenspalten, wie Boveri (3) vermuthet, einst am ganzen Körper vorkamen. 10. Zwischen der Vorniere sowohl, als dem Vornierengang und der ventralen Ektodermleiste, ist ein enger Zusammenhang. Die Vorniere liegt unter dem vierten und fünften Ursegment, vom Ohr ab gerechnet. Lateral von der Vorniere entsteht die Anlage der Vorderextremität. ll. Früher als die anliegenden Ganglienzellen fangen die Gehirnzellen an Nervenfasern zu „spinnen“, und die permanente Verbindung des Ganglions mit dem Hirn entsteht deshalb zuerst durch das centrifugale Auswachsen der Gehirnfasern. 12. Aus genau demselben Ektoderm, welches zu einer Zeit dem dorsolateralen Mesektoderm der Trigeminusanlage den Ursprung giebt, entsteht später die Supraorbitallinie (Allis, 1) der Hautsinnesorgane und der Ramus ophthalmieus superficialis Faeialis. In Folge dessen darf dieser Ast des Facialis mit kei- nem Ast des Trigeminus serial homologirt werden. 13. In der Gegend der äusseren Kiemen werden die Zellen der tieferen Ektodermschicht durch Entodermzellen ersetzt, welche aus dem Kiemenspaltrande auswandern. 14. Die aus der Neuralleiste und aus den dorsolateralen und epibranchialen Verdiekungen des Ektoderms ausgehenden Zellen bilden nicht allein Nerven, denn eine jede dieser Anlagen trägt sowohl zur Bildung des mesektodermalen „Bindegewebes“ wie zur Bildung der Ganglien bei, und nachdem Ganglien und Me) 5 180) ul marB. Bikatib: „Bindegewebe“ sich von einander getrennt haben, schliessen sich Ektodermzellen noch weiter den beiden Abtheilungen des Mes- ektoderms an. 10 ar 13. 14. München, den 11. Februar 1894. Literaturverzeichniss. Allis, E. P., The Anatomy and Development of the Lateral-line System in Amice-Calva. Journal of Morphology, Vol. II, No.3, 1889. Beard, J., Morphological Studies Il, The Development of tbe Peripheral Nervous System of Vertebrates. Quarterly Journal of Microscopical Science, Vol. XXIX, Part 2, 1888. Boveri, Theodor, Die Nierencanälchen des Amphioxus. Zoolo- gische Jahrbücher, Abth. f. Anat. u. Ontog. d. Thiere. Vol. V, 1892. Cunningham, J. 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Ir — Linsenleiste. aud = Ohr. m —= Mund. bremst = Gehim: mect — Mesektoderm. brel = Branchialspalte. mend = Mesentoderm. eh = /Chorda: mr = mediane Leiste. dir = dorsolaterale Leiste. mvr =mittelventrale Leiste. dr ==dorsale Leiste. n — Nase. ect = Ektoderm. np = Neuroporus. end = Entoderm. {0 — Vertiefung des Gehirn- epr = epibranchiale Leiste. bodens. ht Herz. pr. Perieardium. hybel = Hyobranchialspalte. pron = Vorniere. hyel = Hyomandibularspalte. S1 =erstes Seitenorgan. hyelr — Leiste unter der Hyoman- Sd = Vornierengang. dibularspalte. V = Gefäss. intr = intersegmentale Leiste. vr = ventrale Leiste. V, VII, IX, X. Anlagen der Gehirnganglien. Tafel XXXVIl. (Fig. 1. Querschnitt durch die Neuralplatte in der Trigeminus-Gegend. Fig. 2 Querschnitt durch den hinteren Theil desselben Embryos. | Fig. 3. Querschnitt durch die Neuralplatten in der Trigeminus-Gegend. | Fig. 4. Querschnitt durch die Mitte desselben Embryo. | Fig. 5. Querschnitt durch die Neuralfalten in der Trigeminus-Gegend. Fig. 6. Ein etwas weiter nach hinten folgender Querschnitt. Fig. 7. Ei, bei dem die Schnittflächen der Figuren 1-5 durch die entsprechend nummerirten Linien angegeben sind. Ontogenetische Differenzirung des Ektoderms in Neeturus. 965 1) le 19. 18: Schliessung der Neuralfalten in der Trigeminus-Gegend. Querschnitt in der Glossopharyngeus-Gegend, gleich nach der Schliessung der Neuralfalten. Zelltheilung unter einem Winkel von 45° gegen die Ober- fläche zwischen den zwei Schichten des Ektoderms. Umrisse der Medianwandung des Gehirns. Tafel XXXVII. Embryo auf dem Ei. Schema desselben Embryo, bei dem die Schnittflächen der Figuren 14—16 angedeutet sind. Querschnitt durch die Trigeminus-Anlage. Querschnitt durch die Vagus-Anlage. Querschnitt durch das vierte Intermetamer hinter dem Ohr. Querschnitt durch das zehnte Ursegment eines etwas älteren Embryo. Querschnitt durch das vierzehnte und fünfzehnte Ursegment desselben Embryo. Tafel XXXIX. Seitenansicht eines Embryo. Reconstruction desselben Embryo. Quersehnitt durch die vordere Trigeminus-Anlage dieses Embryo. Querschnitt durch die hintere Trigeminus-Anlage. Querschnitt durch die Anlage der Hyobranchialspalte. Querschnitt durch das Gehörepithel. Querschnitt durch die zweite Kiemenspalten-Anlage. Querschnitt durch das vierte Ursegment. Tafel XL. Reconstruction eines Embryo zwischen den Stadien der Fi- guren 19 u. 21, bei der die Schnittflächen der Figuren 28—30 gegeben sind. Querschnitt durch die epibranchiale Verdickung des Ektoderms über der Hyomandibularspalte. Querschnitt durch die dorsolaterale Verdickung des Ektoderms über der Hyomandibularspalte. Querschnitt zwischen dem vierten und fünften Ursegmente. Seitenansicht eines Embryo. Reconstruction dieses Embryo. Die Schnittflächen der Fi- guren 33—38 sind gegeben. . Querschnitt durch die vordere Trigeminus-Anlage. Fig. 34. Querschnitt in der Gegend des Ganglion Gasseri. Fig. 34a. Theil der Figur 34 vergrössert. Fig. 35. Querschnitt durch die hintere Trigeminus-Anlage. Fig. 36. Fig Ba 35a. Theil der Figur 33 vergrössert. Querschnitt durch die Hyomandibularspalte. 966 JuliaB. Platt: Ontogenetische Differenz. d. Ektoderms in Necturus. ',36a. Theil der Figur 36 vergrössert. eo, 37. Querschnitt ©, 38. Querschnitt zwischen dem siebten und achten Ursegment. durch das Gehörepithel. Tafel XLI. 39. Seitenansicht eines Embryo. 40. Reeonstruetion desselben, bei der die Schnittflächen der Fi- guren 41—50 gegeben sind. 41. Querschnitt Tafel XLII. durch die Anlage des Ramus ophthalmicus pro- fundus Trigemini. ©, 42. Querschnitt ©, 43. Querschnitt io, 44. Querschnitt ie. 45. Querschnitt e&. 46. Querschnitt &. 47. Querschnitt 48. QuerSchnitt durch die Wurzel des Ganglion Gasseri. wenig hinter dem der Figur 42. in der Gegend des ersten Seitenorgans. durch die Basis des Mandibularbogens. dureh das Faeialisganglion. durch die Wurzel des Faeialis. durch das Gehörbläschen. &. 48a und b. Theile der Figur 48 vergrössert. &. 49. Querschnitt g. 50. Querschnitt durch die Glossopharyngeuswurzel. durch das Vagusganglion. x 51. Verschmelzung des Ektoderms und Entoderins am hinteren Rande einer Kiemenspalte. Archur fXmikroskop. Anatomie Bd.XAXX. FE GFHEZED> ZZ Ko 87. 600, ® et ga / TEE a Bi ers Kl 3 u Ei 38 | 66 u (3 ev . = = 3er 2 120 (990 N) we Go 8 - \ en — | j r \ - 95 ” 35 am W Eon Kurt b} 5 Pi %. ” RN 5 7 WTB» “ Be ..: " : Br (Ei EZ) 16, . K.e6\ ge) (800% nn Br SUB N . EN) 95 K>>\ (soor u > es 20 a ER Eingz lu) 2 5 jr hs un) 3 800x y ee El oogu wie 10 Si FE ®@ Be ya Er BalTıTT. ” Kine % „ FRI “s er ‚Archiv f mikroskon. Anatomie Ba. XXX. (Der De VER r 16. > (800x 22. ” 895 | ER Z > Y 6 — Li... Taf. 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