FREE EL E Pe cree Br nn PN NE et pa jehah Era ah nn Sf Babratein dena hp eh et EN vente a wre damen N an ER Archiv für Mikroskopische Anatomie und Enntwicklungsgeschichte herausgegeben von O. Hertwig in Berlin, v. 1a Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Vierundvierzigster Band. Mit 38 Tafeln und 4 Figuren im Text. Bonn PM Verlag von Friedrich Cohen | 189. PFAI Inhalt. Vorwort. Zur Kenntniss der Furchung bei den Ascidien. Von Dr. Paul Samassa, Privatdozent der Zoologie in Heidelberg. Hierzu Tafel I ni II i Die Nervenendigungen im Re rin in aka erde Ha pebr. des Menschen. Von A. S. Dogiel, Professor der Histo- logie an der Universität zu Tomsk (Sibirien). Hierzu Tafel III Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im menschlichen Rücken- marke. Von Prof. Josef Schaffer, Assistent am histolo- gischen Institute in Wien. Hierzu Tafel IV. Ein Beitrag zur Kenntniss des menschlichen anne Von Martin Jacoby. (Aus dem I]. anatomischen Insti- tute zu Berlin.) Hierzu Tafel V Ueber Phosphoritisirung der Cutis der Testikel en ar Baer marks bei fossilen Fischen. Von Dr. Otto M. Reis, königl. OÖberbergamt, München. Hierzu Tafel VI. S Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre in den Snen re gonien von Salamandra maculosa. Von Dr. F. Meves. (Aus dem anatomischen Institut in Kiel.) Hierzu Tafel VII—XI Die Nervenendigungen im Gaumen und in der Zunge des Frosches. Von Albrecht Bethe. Hierzu Tafel XII und XIII Zur Kenntniss der Haarwurzelscheiden. Von Dr. A. v. Brunn, Prof. in Rostock. Hierzu Tafel XIV. Ueber die Embryonalniere von Calamoichthys HR (Smith), Von J. Lebedinsky, Privatdozent an der Universität in Odessa. (Aus dem anatomischen Instisut zu Freiburg i. Br.). Hierzu Tafel XV . Ueber eine eigenartige ar ee Br en palustris, Greeff. Von Prof. Dr. O. Israel. (Aus dem patho- logischen Institute zu Berlin.) Hierzu Tafel XVI. Die Blutkörperchen im bebrüteten Hühnerei. Von Dr. an C. S. Engel. (Aus dem II. anatomischen Institut der kgl. Universität Berlin.) Hierzu Tafel XVII ER: Zur Morphologie der Zelle. Von Gustav Schlaton in St. Petersburg. Hierzu Tafel XVIII Zellstudien. II. Theil. Von Dr. Friedrich Beide, | Privatddeont und Prosektor am anatomischen Institut in Rostock. (Aus dem anatomischen Institut zu Rostock.) Hierzu Tafel XIX . Beiträge zur experimentellen Morphologie und Entwicklungs- geschichte. I. Die Entwicklung des Froscheies unter dem Einfluss schwächerer und stärkerer Kochsalzlösungen. Von Seite 15 61 IV Inhalt. Oscar Hertwig. (Aus dem II. anatomischen Institut der >; Berliner Universität.) Hierzu Tafel XX, XXI und XXII . . 28 Histiologische Untersuchungen über den feineren Bau des Central- nervensystems von Esox Lucius mit Berücksichtigung ver- gleichend-anatomischer und physiologischer Verhältnisse. Von Ludwig Neumayer, Assistent für Histiologie an der ana- tomischen Anstalt in München. Hierzu Tafel XXIII. . . . 838 Studien über die Schilddrüse. Von Alfred Kohn, Assistenten am histologischen Institut der deutschen Universität zu Prag. (Aus dem histologischen Institut der deutschen Universität zu Prag. Vorstand: Professor Dr. Sigmund Mayer.) Hierzu DaIel AV u. oe 366 Experimentelle in er Er ai Reifung Me Berrueh tung der Eier bei Ascaris megalocephala. Von Dr. med. Luigi Sala, Privatdozent an der Universität Pavia. (Aus dem II. anatomischen Institut zu Berlin.) Hierzu Tafel XXV— 2.829 2 U 422 Beiträge zur Be ner der enennochleken. von M. Zondek. (Aus dem II. anatomischen Institut der Uni- versität Berlin.) Mit 4 Figuren im Text . . ........49 Untersuchungen an Nematoden. Von Dr. v. Linstow in Göt- tinren. Hierzu Tafel XXX und XXXI... ...,. Sean Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. III: Der Ur- sprung des N. Trigeminus und der Augenmuskelnerven. Von Dr. F. Brandis (Prov.-Irrenanstalt Nietleben bei Halle a./S.). ° Der Darel AXXIL +»... 594 Centrosoma und tn in Es nisch Zelle 1 Salamanderhodens.. Von Dr. Bernhard Rawitz, Privat- docenten an der Universität Berlin. Hierzu Tafel XXXII . 555 Studien über das Centralnervensystem von Carcinus Maenas nebst Angaben über ein neues Verfahren der Methylenblau- fixation. Von Albrecht Bethe. (Aus dem II. anatomischen Institut der Berliner Universität.) Hierzu Tafel XXXIV, XXXV ER 9. Di ee U 20.30: Die Retina der Vögel. Erste Mittheilung. Von A. S. Dogiel, Professor der Histologie an der Universität zu Tomsk (Sibirien). Hierzu Tatel AXXVU und AZXXVIN u 2 ..0...0 Me Berichtigung: pag. 249. Die Arbeit „Zur Morphologie der Zelle“ ist von Dr. Schlater (nicht Schloter). In dieser Arbeit ist statt „eyanopyle Körnelung“ stets zu lesen „eyaninophyle Körnelung“. Vorwort. Wenn das „Archiv für mikroskopische Anatomie, getreu seinem Titel, seine Spalten vorzugsweise solchen anato- mischen Arbeiten geöffnet hat, zu deren Durchführung wesentlich mikroskopische Forschungen erforderlich waren, so hat es sich doch schon von seiner Begründung an der Förderung der Ent- wicklungsgeschichte nicht verschlossen, wie es die bereits im I. Bande enthaltenen Arbeiten von Kupffer, Schweigger- Seidel und Einem der hier unterzeichneten jetzigen Herausgeber darthun. Die exacte mikroskopische Forschung hat durch den Be- gründer des Archivs, den unvergesslichen Max Schultze, einen hohen Aufschwung genommen, und es war damals gewiss voll- berechtigt, ihr ein eigenes publieistisches Organ zu schaffen, wenn man auch darüber nicht in Zweifel sein konnte, dass die „mikro- skopische Anatomie“ für sich keinen selbständigen Wissenszweig darstellt. Je mehr aber im Laufe der Jahre entwicklungsgeschicht- liche Arbeiten dem Archive für mikroskopische Anatomie zuge- wendet wurden, desto dringlicher trat die Frage an die Heraus- geber und an den Verleger heran, ob es nicht an der Zeit sei die Bezeichnung des Archivs derart zu ändern, dass dadurch der Inhalt desselben getreuer als bisher gekennzeichnet werde. Wies schon die Zahl und die Bedeutung der in unserer Zeitschrift erschienenen einschlägigen Aufsätze auf die Berück- sichtigung der Entwicklungsgeschichte bei einer etwaigen Titel- Aenderung hin, so liegt noch ein anderer und zwar innerer Grund hierzu vor. Naturgemäss hat sich das „Archiv für mikroskopische Anatomie“ zu einer Pflegestätte der allgemeinen Anatomie, der Gewebelehre und insbesondere der Zellenlehre gestaltet, für welche es so glücklich war die berufensten Mitarbeiter zu erlangen. Wie für viele der anatomischen Wissenszweige, so bildet auch für die genannten die Entwicklungsgeschichte vielfach das ver- knüpfende wissenschaftliche Band. Wohin wir uns also zu wenden hatten, wenn wir eine Aenderung der Benennung des Archivs eintreten lassen wollten — und dies war schon seit dem Tode Max Schultze’s, seit 1874, wiederholt in Anregung gebracht worden — konnte nicht zweifel- haft sein: aus den angegebenen Gründen bot sich die Einbe- ziehung der Entwicklungsgeschichte als das dem thatsäch- lichen Inhalte und den Zielen des Archivs am meisten Ent- sprechende dar. Wir wünschen, indem wir nunmehr die dem ersten Hefte des 44. Bandes vorgedruckte Vervollständigung des bisherigen Titels eintreten lassen, bestimmter als es bisher möglich war, die Stellung zu kennzeichnen, welehe Max Schultze’s Schöpfung bewahren und in Zukunft noch mehr befestigen soll, und hoffen damit auch der Ansicht unserer Freunde und Mitarbeiter zu ent- sprechen. Berlin und Bonn, im September 1894. Oscar Hertwig. von la Valette St. George. W. Waldeyer. Zur Kenntniss der Furchung bei den Ascidien. Von Dr. Paul Samassa, Privatdozent der Zoologie in Heidelberg. Hierzu Tafel I und I. Die Untersuchungen, über deren Resultat ich in Nach- stehendem berichte, wurden von mir zu dem Zwecke unternom- men, um die Frage nach der Entodermbildung bei den Ascidien aufzuklären. Nach den Angaben von van Beneden und Julin!) entstehen bei Clavellina durch die Theilung nach dem vierzelli- gen Stadium vier ventral gelegene Zellen, welche rein ectoder- maler Natur sind, während die dorsal gelegenen Zellen gemischten Charakters sind und durch weitere Theilungen noch Zellen- material dem Eetoderm hinzufügen, während der Rest dann zum Entoderm wird. Andrerseits nimmt Seeliger?), der zu gleicher Zeit und unabhängig von van Beneden und Julin die Ent- wicklung von Clavellina untersucht hatte, an, dass die vier dorsal gelegenen Zellen des achtzelligen Stadiums rein entodermal seien; da er aber die Furchung über das 32zellige Stadium hinaus nicht verfolgt hatte, so konnte er diese Annahme nur vermuthungsweise äussern und es konnten daher seine Angaben gegenüber der mit genauen Ableitungen der Zellen versehenen Arbeit van Beneden und Julin’s nicht ins Gewicht fallen. Da nun neuerdings v. Davidoff?) mit Bestimmtheit angibt, dass bei Distaplia, einer 1) Beneden, Ed. van et Julin, Ch., La segmentation chez les Ascidiens et ses rapports avec l’organisation de la larve. Arch. de Biologie, T. 5, 1884. 2) Seeliger, O., Die Entwicklungsgeschichte der socialen Asei- dien. Jenaische Zeitschr. f. Naturw. Bd. 18, 1885. 3) Davidoff, M., v., Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte der Distaplia magnilarva D. V. Mitth. der zoolog. Station zu Neapel. B949,.1891. Archiv f. mikrosk. Anat, Bd, 44 1 9 PaulSamassa: zusammengesetzten Ascidia, im achtzelligen Stadium das Eetoderm vom Entoderm bereits geschieden ist, so würden wir — die Richtigkeit der Angaben von van Beneden und Julin vor- ausgesetzt — der interessanten Thatsache gegenüberstehen, dass innerhalb derselben Thierelasse die dorsalen und ventralen Zellen des achtzelligen Stadiums nicht homolog sind, bezw. nieht homo- logen Organen Ursprung geben. Bevor ich diese Consequenz, die für unsere ganze Auffassung entwicklungsgeschichtlicher Pro- cesse von Bedeutung wäre, als Thatsache hinnehmen wollte, schien es mir doch gerathen, den Gegenstand einer ermeuten Untersuchung zu unterwerfen. Als Objekt der Untersuchung diente mir zuerst Ciona inte- stinalis und ich werde diese Form auch am ausführlichsten be- handeln; ausserdem habe ich auch Aseidia mentula und Clavellina lepadiformis untersucht. Die Entwicklung dieser T'hiere stimmt, wie auch van Beneden und Julin hervorgehoben haben, in hohem Grade überein; Ciona ist aber zweifellos zum Studium der Furchung am geeignetsten, weil die sowohl von van Beneden und Julin, als auch von Seeliger für Clavellina hervorge- hobene Symmetrie des Furchungsprocesses sehr lange erhalten bleibt; man sieht hier noch bei Larven mit beginnender Krüm- mung des Schwanztheils die Zellen auf der ventralen Seite voll- kommen symmetrisch zur Medianebene gelagert. Bei Clavellina wird hingegen die Lagerung der Zellen insbesondere auf der ventralen Seite schon bald nach dem 32zelligen Stadium unregel- mässig; bei Ascidia hält sich die Symmetrie viel länger, aber nicht so lange wie bei Ciona. Dieses deutliche Hervortreten der Medianebene ist nun deshalb von so grossem Werth, weil es die Orientirung des Embryos ungemein erleichtert; im übrigen sind die Eier von Ciona zwar nicht entfernt so durchsichtig wie die von Aseidia; dies ist aber insoferne kein Nachtheil, als in Folge dessen die Zellgrenzen desto deutlicher hervortreten. Was die Technik anlangt, so habe ich zuerst die Furchung von Ciona an Embryonen studirt, die mit dem von Wilson!) empfohlenen Glycerin-Eisessig-Wassergemisch conservirt und dann mit Sehneider's Carmin gefärbt waren; man hat hierbei den 1) Wilson, E. B., The Cell-Lineage of Nereis. Journal of Mor- phology. Vol. VI, 1892. Zur Kenntniss der Furchung bei den Ascidien. 3 Vortheil, jedes Stadium von allen Seiten betrachten und zeichnen zu können, da sich derartig behandelte Embryonen viel besser rollen und wenden lassen als lebende; zudem sind hier die Theilungsfiguren deutlich zu sehen, während sich am Lebenden höchstens die Richtung derselben aus der Form der den Kern umgebenden Protoplasmamasse annähernd erschliessen lässt. Nach- dem ich mich so über den Verlauf der Furchung genügend orientirt hatte, habe ich meine Resultate auch noch durch Beob- achtungen am Lebenden eontrollirt. Hingegen habe ich Clavellina ausschliesslich am lebenden Objeet studirt, da die Eier dieser Form sich für die oben erwähnte Behandlungsweise weniger eignen und insbesondere am conservirten Objeet die Zellgrenzen viel weuiger hervortreten als am Lebenden. Zudem ist das Stu- dium an lebenden Embryonen hier sehr bequem, da man sich jederzeit alle Stadien verschaffen kann. Mit Rücksicht darauf, dass ich bei Clavellina sehr eingehend die Literatur zu besprechen habe,‘ während bei Ciona so gut wie keine vorhanden ist, em- pfiehlt es sich, die beiden Formen getrennt zu behandeln. Ciona intestinalis (L.) Flem. Die erste Theilungsspindel stellt sich bei Ciona nicht in der Mitte des Eies, sondern in der Nähe des Randes ein; wie die weitere Beobachtung desselben Eies lehrt, entspricht der Rand, dem die Furchungsspindel näher liegt, dem späteren cau- dalen Ende der Larve ebenso, wie dies van Beneden und Julin für Clavellina angeben. Man kann daher bereits am Ei, das in der ersten Theilung begriffen ist, vorn und hinten unter- scheiden, nicht aber dorsal und ventral; daher auch nieht rechts und links, wenn man auch mit Sicherheit sagen kann, dass eine Furchungskugel das Material für die rechte, die andere das für die linke Hälfte der Larve liefern wird; das Ei ist also in diesem Stadium noch zweistrahlig symmetrisch !). Die erste, zweite und dritte Theilung folgen sich in der bekannten Weise in senkrecht aufeinander stehenden Ebenen ; Grössenunterschiede zwischen den einzelnen Zellen kommen zwei- 1) Dasselbe gilt für Clavellina; es ist daher nicht richtig, wenn van Beneden und Julin (l. e. pag. 114) sagen: „lon peut distinguer Se la moiti& droite (Fig. 1, Bl D) et la moiti& gauche (Bl G) de 4 PaulSamassa: fellos vor, doch sind dieselben nicht so ausgesprochen, wie bei Clavellina. Es gelang mir jedenfalls nicht, auf Grund der Grössen- unterschiede im vierzelligen Stadium vordere und hintere, im achtzelligen Stadium dorsale und ventrale Zellen zu unterscheiden ; es wäre aber immerhin möglich, dass eingehendere Untersuchun- gen Beziehungen der geringen Grössendifferenzen zu den Axen des Embryos feststellen könnten. Da dies aber für meinen Zweck sehr wenig Bedeutung hat, so habe ich mich darauf beschränkt, die von van Beneden und Julin, sowie von Seeliger für Clavellina entdekte Thatsache, dass jede der beiden ersten Furchungszellen das Material zum Aufbau einer symmetrischen Hälfte des Embryos liefert, durch direkte Beobachtung für Ciona zu bestätigen. Im achtzelligen Stadium besteht der Embryo aus vier dorsal gelegenen Zellen, die das gesammte primäre Entoderm und vier ventralen, die das gesammte Ectoderm liefern; ich werde die- selben daher als Ento- und Eetodermzellen bezeichnen. Dieselben sind im achtzelligen Stadium durch ihr Aussehen durchaus nicht von einander zu unterscheiden; dies bleibt auch so bis etwa zum Stadium der Fig. 10, erst in diesem Stadium werden die Ento- dermzellen heller als die Eetodermzellen und färben sich mit Reagentien schwächer. In einem Falle habe ich aber die Ento- dermzellen im Stadium der Fig. 10 gelb gefärbt gefunden, gegen- über den völlig farblosen Eetodermzellen und in diesem Falle ist es wohl möglich, dass schon in früheren Stadien dieser Unter- schied vorhanden war. Das Vorkommen verschieden gefärbter Eier bei derselben Species wurde von van Beneden und Julin für Corella parallelogramma und Clavellina beschrieben, für welch’ letztere Form ich selbst ihre Beobachtung bestätigen kann; der erwähnte vereinzelte Fund bei Ciona gehört offenbar auch hierher. Die Unterscheidung der beiden Keimblätter wird erst bei Beginn der Theilung nach dem achtzelligen Stadium möglich ; hierbei gehen die beiden eaudal gelegenen Eetodermzellen (ce, d) in der Theilung voraus, während alle übrigen Zellen gleichzeitig nachfolgen; dies ergibt dann von der ventralen Seite gesehen das Bild der Fig. 1, wo die Theilung der Zellen e und d bereits vollendet ist; jedoch stossen die Protoplasmamassen der beiden Zellen, die sich später ganz um den Kern herum zurückziehen, Zur Kenntniss der Furchung bei den Ascidien. 5 noch an der Scheidewand zusammen. Die vorderen Zellen (a, b) sowie sämmtliche Entodermzellen zeigen Theilungsfiguren im Stadium des Muttersterns. Die Theilungstiguren bilden alle so- wohl zu der Längsaxe, als auch zur Transversalaxe des Embryos Winkel von annähernd 45°; dem entsprechen aber die Theilungs- ebenen nicht, da wie schon aus Fig. 1 ersichtlich die Scheide- wände zwischen ec, und c,, sowie d, und d, nicht genau meri- dional sind und den Schnittpunkt der Axen nicht erreichen. Ist die Theilung ganz vollzogen, so haben die Zellen jedes Keim- blatts eine so charakteristische Anordnung, dass man daran die beiden Keimblätter leicht unterscheiden kann (Fig. 3, 4. Es stossen nämlich sowohl im Eetoderm als auch im Entoderm nur je 6 Zellen an die Medianebene; die beiden Zellen des Eetoderms, welche die Medianebene nicht berühren, liegen cephal (a, b,), während die entsprechenden Zellen des Entoderms (C, D,) caudal liegen; dieselben sind aber von der Medianebene viel weiter abgerückt, als im Eetoderm. Ausserdem sind die Zellen hier sehr dieht anemandergepresst, so dass sie keine Zwischenräume zwischen sich lassen, wie dies beim Eetoderm der Fall ist. In einem Fall sah ich eime Abweichung von der erwähnten Regel, indem die Trennungsflächen der Eetodermzellen genau meridional gestellt waren; aber auch bei dem oben geschilderten normalen Verhalten kommen die Eetodermzellen emer kranzförmigen An- ordnung viel näher, als die Entodermzellen. Durch die eigen- thümliche Stellung der Zellen wird überdies die Grenze zwischen den beiden Keimblättern in ganz bestimmter Weise beeinflusst: während dieselbe nämlich im achtzelligen Stadium eine im Aequator gelegene Ebene war, wird die Grenze jetzt unregel- mässig, indem sich, wie die Seitenansicht Fig. 4 leicht erkennen lässt, die Zellen C, und D, gegen das Eetoderm, andrerseits die Zeilen a, und b, gegen das Entoderm zu vorschieben. Von diesen Abweichungen aber abgesehen, hat sich überdies die Be- grenzungsfläche im cephalen Theile in ventraler Richtung gesenkt, im caudalen in entgegengesetzter Richtung gehoben, wie gleich- falls aus Fig. 4 zu ersehen ist. Bei der Theilung vom 16zelligen zum 32zelligen Stadium geht wieder das Ectoderm voraus; diesmal schreitet jedoch die Theilung vom cephalen zum caudalen Pol symmetrisch fort. Fig. 6 gibt eine Ansicht des Eetoderms unmittelbar nach der 6 Paul Samassa: Theilung wieder: die Zellen e, und d, haben mittelst äquatorialer Furchen je eine kleinere Zelle abgeschnürt, die nunmehr -das caudale Ende des Embryo charakterisiren. Die Zellen a,,, a,,, bi; has liegen je „unter 'a,,, 2,5; bis, 'b;,, wie: aus ‚der » Seiten. ansicht Fig. 5 hervorgeht und sind daher in Fig. 6 nicht zu sehen. Die Zellen des Entoderms sind, wie Fig. 5 zeigt, noch in Theilung; ist dieselbe vollzogen, so haben die Zellen des Ento- derms eine äusserst charakteristische kranzförmige Anordnung; an die Medianlinie anstossend finden sich jederseits fünf Zellen A AA Bir; Bis, Bar, Dir, Dis), während jeder seits drei Zellen (Ag, Oz, Casa — Bas, Ds, D>,) sich Kkeilförmig zwischen das Eetoderm einschieben. Ist die Theilung im Ento- derm vollzogen, so findet im Eetoderm eine Umlagerung der Zellen statt; in Fig. 6, wo durch Druck auf das Object die Zelle @,; herausgesprengt ist, sieht man deutlich, dass die Zellen e,, und d,, zwischen die sie umgebenden Zellen hineingepresst sind und sich deren Form angepasst haben; bei den Zellen a,, und b,; ist dies zwar nicht der Fall, doch erheben sie sich nicht über das Niveau der übrigen Zellen. Ist aber die Theilung der Ento- dermzellen vollzogen, so quellen die Zellen a5, Dis, &, und d,, über die sie umgebenden Zellen unter beträchtlicher Oberflächen- vergrösserung gewissermaassen heraus; möglicherweise bildet die Theilung der Entodermzellen, die eine Flächenausdehnung des Entoderms zur Folge hat, ein mechanisches Moment für diese Veränderung. Das Resultat derselben ist die Anordnung der Eetodermzellen, die wir in Fig. 7 wiedergegeben finden: die vier Zellen a,5, Dis, &ı, d,, bilden die Kuppe des ventralen Pols und überlagern zum Theil die übrigen Zellen, die dieselben kranzförmig umgeben. Nach dem 32zelligen Stadium finden während eimiger Zeit Theilungen im Entoderm nicht mehr statt, während die Zellen des Eetoderms sich weiter theilen, so dass das nächste Stadium aus 48 Zellen. besteht. Auch diesmal schreitet die Theilung vom cephalen gegen den caudalen Pol zu fort, so dass wir in Fig. 8 alle Zellen bereits in Theilung finden, mit Ausnahme der zu hinterst gelegenen d,; und d,,. Die Theilungsfurchen schneiden an den Zellen des unter der Kuppe gelegenen Zellkranzes an- nähernd äquatorial ein, so dass nunmehr zwei Zellkränze ent- standen sind; die vier Zellen am ventralen Pol theilen sich durch Zur Kenntniss der Furchung bei den Aseidien. 7 frontale Ebenen, so dass wir hier jederseits vier an der Median- ebene gelegene Zellen finden. Die erwähnte Anordnung der Zellen in zwei Zellkränzen erfährt übrigens insoferne eine Störung, als die caudal gelegenen kleineren Zellen e,, und d,, nicht durch äquatoriale, sondern durch meridionale Furchen getheilt werden und zwar in der Weise, dass die an der Medianebene gelegenen Zellen (Fig. 9, €&s,, dys,) sehr beträchtlich kleiner sind, als ihre Schwesterzellen (C,s», dyss). Diese kleinen Zellen sind nun in allen folgenden Stadien nahezu bis zum völligen Verschluss des Urmundes am hinteren Rande desselben zu sehen und da ich in denselben nie Theilungsfiguren sah, so nehme ich an, dass sie sich an den weiteren Theilungen nicht betheiligen. Die nächste Theilung nach dem 48zelligen Stadium beginnt am cephalen Pol in den beiden Zellkränzen; die Furehen sind meridional. Die weiteren Theilungen habe ich nicht mehr Zelle für Zelle verfolgt, da dies für die Lösung der mich imteressirenden Frage nicht von Bedeutung ist; ich beschränke mich darauf, die mechanischen Ursachen hervorzuheben, welche ich wesentlich für die weitere Entwicklung erachte. Dadurch, dass die Eetoderm- zellen sich theilen, die Entodermzellen aber nicht, wird ein Druck auf letztere ausgeübt, der ıhnen eine hocheylindrische Form gibt, während die Eetodermzellen mehr abgeplattet sind; dadurch wird auch die Furchungshöhle, die durch einen geringfügigen Spalt zwischen den beiden Kernblättern vorgestellt war, von den Entodermzellen völlig verdrängt. Ausserdem findet durch stär- keres Wachsthum der eaudalen Ectodermparthie eme Umlagerung der Entodermzellen statt, indem die Zellen, die nicht an der Me- dianebene liegen, in cephaler Richtung verschoben werden, wo- durch die kreuzförmige Gestalt des Entoderms in eine mehr herz- förmige übergeht; schliesslich findet in Folge weiteren Wachs- thums des Eetoderms eine leichte Einkrümmung des Entoderms statt. Das Resultat dieser Vorgänge sehen wir in dem Stadium, das in Fig. 10 und 11 dargestellt ist; das Entoderm zählt 20 Zellen, da sich jederseits zwei Zellen (A,,, Ca}, Bis, Ds.) getheilt haben; daraus geht hervor, dass sich nach dem Stadium von 16 Entodermzellen nieht mehr alle zugleich theilen, wohl aber immer Zellen, welche sich symmetrisch entsprechen, so dass man noch in viel späteren Stadien an gut geführten Längsschnitten in der Tranversalebene völlig symmetrische Zellbilder erhält. Man sieht 8 Paul Samassa: ferner an Fig. 10, dass in der caudalen Hälfte drei Eetoderm- zellen gegen das Entoderm vorgeschoben sind (7, 8, 9), von denen die mittlere (8) sich durch einen besonders grossen Kern auszeichnet; diese Zellen stellen mit einigen dahinter ge- legenen, die aber eine scharfe Abgrenzung nicht haben, die erste Anlage der Medullarwülste vor. Zu beachten ist ferner auf Fig. 10, dass mit Ausnahme der Zelle 3 und der symmetrisch entsprechenden sämmtliche Zellen, die an das Entoderm stossen, ruhende Kerne besitzen, auf der ventralen Seite ist hingegen gerade das Umgekehrte der Fall, wie die Seitenansicht Fig. 11 zeigt; hier sind alle Zellen in Theilung. Man gewinnt hieraus leicht eine Vorstellung, wie die Randzellen durch die hinter ihnen sich theilenden Eetodermzellen auf die dorsale Seite vor- geschoben werden. Die weiteren Veränderungen betreffen den Schluss des Bla- stoporus; hiebei bildet der eaudale Rand desselben, der von den Medullarwülsten gebildet wird, den fixen Punkt, gegen den der cephal gelegene Rand vorwächst. Die Zellen desselben, die im vorigen Stadium ruhende Kerne zeigten, befinden sich jetzt im Theilung, wobei die Theilungsfiguren gegen das caudale Ende gerichtet sind (Fig. 12). Auch während des weiteren Fortschrei- tens des Urmundverschlusses findet man immer Theilungsfiguren auf der dorsalen Seite vor, die dann meist m der zweiten oder dritten Zellreihe des cephalen Randes symmetrisch anzutreffen sind. Daraus geht für die Mechanik dieses Processes klar her- vor, dass der Urmundverschluss mit kleiner Axendrehung ver- bunden ist, wie K. Heider?) meint; dass vielmehr, wie aus dem 1) Wenn ich diese Bezeichnung von jetzt ab für die Grenze zwischen den beiden Keimblättern gebrauche, so ist der Zeitpunkt natürlich ganz willkürlich gewählt, da ja eine erkennbare Grenze zwi- schen Ectoderm und Entoderm nach dem achtzelligen Stadium bereits vorhanden war; theoretische Erörterungen über diesen Punkt ver- schiebe ich jedoch auf eine spätere Arbeit. 2) Korschelt, E. und Herder, K., Lehrbuch der vergleichen- den Entwicklungsgeschichte. Heft 3. 1893. — Heider nimmt eine Axendrehung der Voraussetzung zu Liebe an, dass bei den „übrigen Balaterien . .* ,,.. jene Primäraxe der Lage nach der späteren Längs- axe ungefähr entspricht“. Doch dürfte diese Voraussetzung kaum zu halten sein; sie trifft wenigstens für Polycladen (nach Lang) und für Cladoceren (nach meinen Untersuchungen) nicht zu. Zur Kenntniss der Furchung bei den Aseidien. 9 vorigen Stadium zu erkennen war, durch die Theilung der cen- tral gelegenen Zellen des äusseren Keimblattes, der Rand desselben auf die dorsale Seite vorgeschoben wird, dann aber der cephale Theil des Randes ohne weiteren Nachschub von der ventralen Seite durch selbstständiges Wachsthum den Verschluss des Ur- mundes herbeiführt. Schliesslich hebe ich noch hervor, dass die Medullarwülste sich erst vereinigen, wenn der Urmund von der cephalen Seite aus verschlossen ist, dass also von einer Vereini- gung der seitlichen Urmundränder, einer „Gastrularaphe“ nicht die Rede sein kann. Dies ergibt übrigens auch die Darstellung, die van Beneden und Julin!) sowie Seeliger für den Urmund- verschluss bei Clavellma, Metsehnikoff?, für Ascidia mentula gegeben haben. v. Davidoff ist daher im Irrthum, wenn er für Ciona annimmt, ‘es finde sich eine Gastrularaphe ebenso wie er sie bei Distaplia gefunden hat, und meint, Kupffer?) habe die- selbe fälschlich für die Medullarrinne gehalten; die Abbildung Kupffer’s Fig. 9, wo eine Gastrula vom caudalen Pol aus wieder- gegeben wird, ist vielmehr ganz richtig und die Einsenkung zwi- schen den Medullarwülsten kann um so weniger eine Gastrula- raphe sein, als sie sich in einer Region findet, in der der Urmund überhaupt nie war. Im Anschlusse an die hier gegebene Darstellung der Fur- chung von Ciona bemerke ich noch, dass ich eine Reihe von Stadien von Ascidia mentula untersucht und vollkommen mit Ciona übereinstimmend gefunden habe, doch ist die Zellsymme- trie in späteren Stadien nicht mehr so deutlich wie bei Ciona. Was die Litteratur über die Furchung der solitären Aseidien anlangt, so brauche ich bloss auf die Arbeit von Chabry*) ein- zugehen, da er der einzige ist, der die Genese der Zellen wenigstens bis zum 32zelligen Stadium verfolgt hat und zwar an Ascidiella aspersa. Er sah angesichts der widersprechenden Resultate, zu 1) Beneden, E. van et Julin, Ch., Recherches sur la morpho- logie des tuniciers. Arch. de Biologie T. 6, 1887. 2) Metschnikoff, E., Vergl. embryologische Studien. 3. Ueber die Gastrula einiger Metazoen. Zeitschr. f. wiss. Zool. 37. Bd. 1882. 3) Kupffer, C., Die Stammverwandtschaft zwischen Aseidien und Wirbelthieren. Arch. f. mikr. Anatom. Bd. 6, 1870. 4) Chabry, L., Contribution ä l’embryologie normale et terato- logique des Ascidies simples. Journ. Anat. Phys. T. 23, 1877. 10 PaulSamassa: denen van Beneden und Julin einerseits, Seeliger anderer- seits gekommen waren, die Bedeutung der Frage, von welchen Zellen die Keimblätter abstammen, wohl ein, meinte aber, dass dieselbe an Aseidiella nieht zu lösen sei, da sieh Ektoderm- und Entodermzellen in ihrem Aussehen von einander nicht unterscheiden; ich brauche wohl nieht hervorzuheben, dass dieses letztere Ar- gument nicht stichhaltig ist. Aus der Arbeit Chabrys geht her- vor, dass die Furchung von Ascidiella bis zum 32zelligen Stadium bis in alle Einzelheiten mit der von Ciona übereinstimmt. Es unterliegt aber kemem Zweifel, dass Chabry Eetoderm und En- toderm verwechselt hat und da er ja das Schicksal der Zellen über das 32-zellige Stadium nicht verfolgte, konnte er ja auch keinen Anhaltspunkt für die Bestimmung der Keimblätter haben. Clavellina lepadiformis, 0. F. Müll. Meine Untersuchungen an Clavellina haben mich zu dem Resultat geführt, dass die Keimblätterbildung bei dieser Form mit der von Ciona vollständig übereinstimmt; meine Hauptauf- gabe muss es daher im Folgenden sein, die Irrthümer, die van Beneden und Julin zu einer von der hier vertretenen weit ab- weichenden Auffassung geführt haben, nachzuweisen, was ich meist an den von diesen Forschern selbst gegebenen Abbildungen zu thun in der Lage bin; ohne die Arbeit van Beneden und Julins zu Rathe zu ziehen wird es daher dem Leser schwer möglich sein, meinen Ausführungen zu folgen. Zur Orientirung schicke ich voraus, dass nach meiner Meinung van Beneden und Julin bis zum Stadium ihrer Fig. 11 (Fig. 10e ausgenommen) dorsal und ventral verwechselt haben und infolge dessen einen Theil des Eetoderms für das gesammte Entoderm, den Rest des Eetoderms aber und das Entoderm für das Eetoderm gehalten haben. Ich gehe nun daran, diese Auffassung im einzelnen zu begründen. Im vierzelligen Stadium sind bei Clavellina zwei grössere und zwei kleinere Zellen vorhanden, und zwar sollen letztere nach der Angabe van Beneden und Julins caudal, nach der See- ligers cephal gelegen sein; meine eigenen Untersuchungen be- stätigen die Angaben van Beneden und Julins. Bei der Thei- lung nach dem achtzelligen Stadium geht ebenso wie bei Ciona das hintere Ectodermzellenpaar voran; die Anordnung der Zellen Zur Kenntniss der Furchung bei den Ascidien. 11 im 16-zelligen Stadium entspricht ganz der bei Ciona und wird von Seeliger in seinen Figg. 14 und 15 zutreffend wiedergegeben. ‘Van Beneden und Julin bezeichnen ihre Fig. 7 als ventrale Ansicht, sie ist jedoch in der That eine dorsale Ansicht dieses Stadiums, doch ist der eaudale Pol dem Beschauer zugedreht, so dass ausser den acht Entodermzellen (a, b, e, f, a’, b/, e/, f\) auch noch die beiden hintersten Zellen des Eetoderms (g, g), die den Zellen e,, d, bei Ciona (Fig. 2) entsprechen, zu sehen sind. Desgleichen ist die Fig. Ta nicht eime dorsale Ansicht, sondern eine ventrale, vom cephalen Pol aus gesehen, so dass die Zellen g, g° von h, h gedeckt werden und nicht zu sehen sind; die Seitenansicht Fig. Tb ist ganz richtig, wenn man von der falschen Orientirung absieht. Nach der Auffassung van Be- neden);und«Julins.sind die,Zellen.a, b,'e,.f,.g;,a/,b/, e;f:2/ Zellen des Eetoderms, meiner Ansicht nach simd dies bloss g und g’, während die andern Zellen dem Entoderm angehören. Die übrigen sechs Zellen sind nach van Beneden und Julin ge- mischten Charakters, die erst bei späteren Theilungen in Eetoderm und Entoderm zerfallen; ich halte sie für Eetodermzellen. Vom 32-zelligen Stadium gebe ich in den Figg. 13—15 Ab- bildungen, welche zeigen, dass sie Anordnung der Zellen im All- gemeinen mit der bei Ciona übereinstimmt, aber doch einige charakteristische Abweichungen aufweist, die hauptsächlich durch die bereits im vierzelligen Stadium vorhandene Grössenverschie- denheit der Zelien bedingt ist. Fig. 13 stellt das Eetoderm un- mittelbar nach der Theilung dar und zeigt, dass die Zellen der caudalen Hemisphäre mit Ausnahme von e,, und d,, beträchtlich kleiner sind als die entsprechenden Zellen der vorderen Hemi- sphäre; dies erklärt sich daraus, dass die kleinen Zellen des vier- zelligen Stadiums caudal gelegen waren. Eine zweite Abwi- chung gegenüber Ciona liegt darin, dass die Zellen a,, und b,, die Zellen a,,, Ass, D,,, D,, an Grösse etwas übertreffen, was be- sonders an Fig. 15 hervortritt. Letztere Figur zeigt, dass bei Olavellina ebenso wie bei Ciona die vier am Pol liegenden Zellen a,5, Bis, &ı, d,,, über die übrigen hervortreten und die- selben zum Theil decken. Die dorsale Ansicht (Fig. 14) zeigt die kreuzförmige Anordnung der Entodermzellen, von denen je fünf jederseits an die Medianebene stossen, während je drei sich keilförmig zwischen das Ectoderm einschieben; die Uebereinstim- 5 12 PaulSamassa: mung mit Ciona ist also auch hier eine vollkommene. See- liger bildet vom 32-zelligen Stadium bloss das Entoderm ab, gibt die Lage der Zellen in seiner Fig. 16 richtig wieder, er- kannte aber nicht die Zugehörigkeit der Zellen C,, und D,, zum Entoderm, so dass er nur 14 Entodermzellen abbildet. Von van Beneden und Julin weiche ich in Bezug auf das Thatsächliche der Zellableitung insoferne ab, als die belgischen Forseher die Zellen e,, und c,,, sowie @,, und e,, und die sym- metrisch entsprechenden von je einer gemeinsamen Mutterzelle ableiten. In Bezug auf die Deutung ist zu bemerken, dass van Beneden und Julin die Ektodermzellen a,,, as}, D}s, Ds, meiner Figg. 15 und 15 für entodermal, e,, und d,, für gemischt, den ganzen Rest für Eetoderm halten; es haben also nach der An- sicht dieser Autoren die vier dorsalen (nach meiner Auffassung ventralen) Zellen des achtzelligen Stadiums bei der Theilung zum 16-zelligen Stadium zwei, und bei der nächsten Theilung sechs Zellen zum Eetoderm geliefert, so dass im 32-zelligen Stadium 26 Eetoderm-, vier Entodermzellen und zwei Zellen, bei denen eine Scheidung der Keimblätter noch nicht erfolgt ist, vorhanden sind. Die Zellen der Seitenansicht (Fig. 9b) der belgischen Autoren sind unschwer mit denen meiner Abbildungen zu identi- fieiren, es gehören zum Eetoderm 1 (a,,), XIV (a,), 10 (a,,), XV (25), XVI (e,,), XD (e,,), VIH (6), 7 (&,), Sowie die symme- trisch entsprechenden; zum® Entoderm: 22.(A,)y:3 A, 110,5), 12 (Ca), 2: As) 9E, 5), 6 KO, Sowie) die Syre- trisch entsprechenden. Fig. 9 stellt dasselbe Stadium von der dorsalen (nach van Beneden und Julin von der ventralen) Seite dar, doch muss ich annehmen, dass das dieser Zeichnung zu Grunde liegende Objekt sehr stark gepresst war, da man sonst unmöglich die Zellen XIV und XV (a, und a,, meiner Arbeit) sehen könnte. Zu Fig. 9a ist zu bemerken, dass dieselbe die ventrale (nach van Beneden und Julin dorsale) Seite nur bei ganz hoher Einstellung wiedergibt und zum optischen Querschnitt Fig. 9e, dass ein realer Schnitt wohl ein etwas verschiedenes Bild geben würde, insoferne die Zelle 7 (e,,) direkt unter XVI (e,,) zu liegen kommt und nicht durch 6 (C,,) von ihr getrennt ist; auch haben die Zellen XIV (a,) und XVI (e,,) nicht die Aus- dehnung, die sie in Fig. 9e zeigen. An diese Figur knüpft sich übrigens ein weiteres Interesse; in derselben sind die Ectoderm- “ Zur Kenntniss der Furchung bei den Ascidien. 13 zellen van Beneden und Julins hoch eylindrisch gezeichnet, während die Entodermzellen XIV und XVI dieser Autoren den- selben calottenförmig aufliegen. In Fig. 10e, die den entsprechen- dien optischen Schnitt des nächsten Stadiums wiedergibt, ist es aber gerade umgekehrt: da sind die Entodermzellen hocheylin- drisch und die platten Eetodermzellen liegen denselben auf der Ventralseite kugelschalenförmig auf. Van Beneden und Julin sagen nun zur Erläuterung dieser beiden Figuren: „Ou bien les cellules eetodermiques forment ensemble une calotte appliquse par sa concavite contre les globes entodermiques et mixtes (comme dans la Fig. 10e) ou bien c’est le contraire, qui a lieu, les globes entodermiques et mixtes s’etalent en surface, de facon A eonstituer ensemble une calotte moulee sur l’eetoderme (Fig. 9e)“. Die belgischen Forscher nehmen also an, dass sowohl die Zellen des Entoderms, als die des Eetoderms bald abgeplattet, bald hocheylindrisch erscheinen — eine unwahrscheinliche Annahme, die wohl einer ausführlicheren Begründung wertb gewesen wäre. Ueberdies heisst es vom folgendem Stadium, in dem van Be- neden und Julin 44 Zellen annehmen: „La calotte ectoder- mique s’est notablement &tendu, elle tend A envelopper par £Epi- bolie la masse entodermique, qui affeete la forme d’un eöne A base et a sommet arrondis: le base du eöne repond A la face dorsale de la gastrula (Fig. 10c).“ Es wird also in diesem Stadium bereits eine eylindrische Form der Entodermzellen und eine abgeplattete der Eetodermzellen angenommen, ohne die ja eine epibolische Umwachsung gar nicht möglich wäre und wäh- rend eines Stadiums, in dem die Zahl. der Zellen nur um 12 zu- nimmt, sollen die platten Entodermzellen der Fig. 9e die eylin- drische Form in Fig. 10e angenommen haben, während die Ec- todermzellen die umgekehrte Verwandlung erfahren. Van Be- neden und Julin haben es nicht einmal versucht, für diese merk- würdigen Umgestaltungen irgend eine Thatsache beizubringen; die Abbildungen der beiden Autoren weisen zur Genüge darauf hin, dass Fig. 10e richtig, hingegen Fig. 9e falsch orientirt ist: in beiden Fällen gehören die eylindrischen Zellen dem Entoderm an und sind dorsal gelegen. In Fig. 11 bilden van Beneden und Julin ein Stadium ab, das richtig orientirt ist, bei dem aber der Urmundschluss schon ziemlich vorgeschritten ist. Ich gebe daher in Fig. 16 und 17 14 PaulSamassa: ein Stadium wieder, das etwas jünger ist und dem Stadium der Fig. 10 von Ciona ziemlich genau entspricht. Das Entoderm (Fig. 16) hat auch hier die herzförmige Gestalt wie bei Ciona, doch ist die Zellanordnung nicht so symmetrisch; so hat sich z. B. links die Zelle A,, bereits getheilt, rechts noch nieht und der Umwachsungsrand des Ectoderms ist rechts viel weiter vorge- drungen als links. Die Ansicht von der ventralen Seite (Fig. 17) zeigt eine völlig regellose Anordnung der Zellen, während die- selbe bei Ciona noch in viel späteren Stadien immer noch genau symmetrisch ist. Die Art des Urmundverschlusses stimmt mit der für Ciona angegebenen ganz überem; da dieser Vorgang überdies von Seeliger genau beschrieben wurde, brauche ich nicht weiter darauf einzugehen. Ich glaube, dass es mir gelungen ist zu zeigen, dass bei Ciona und Clavellina durch die dritte Furchung die Trennung der beiden primären Keimblätter erfolgt, indem die vier dorsal gelegenen Furchungskugeln das Entoderm, die vier ventralen das Eetoderm liefern. Da v. Davidoff denselben Vorgang bei Di- staplia beobachtet hat, liegt die Annahme nahe, dass diese Art der Keimblätterbildung für die Aseidien die Regel bildet. Neapel, 7. April 1894. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IT und I. Sämmtliche Zeichnungen sind mit Abb &'schem Zeichenapparatin der Höhe des Objeettisches entworfen; die Bilder von Ciona mit Sei- bert Apochr. S.4, Oc. 6; Vergr. 371; die von Clavellina S. 16, Oec. 12; Vergr. 186. Im achtzelligen Stadium sind die Entodermzellen mit grossen, die Eetodermzellen mit kleinen Buchstaben bezeichnet; die Abkömmlinge derselben nach der von Wilson (l. c.) gebrauchten Me- thode. Bei Dorsalansichten ist die Zellbezeichnung so gewählt, als ob man die Dorsalseite von der ventralen Seite aus betrachten würde, so dass man die entsprechende Ventralansicht unmittelbar damit zur Deckung bringen kann. d = dorsal, v = ventral, ce = cephal, ca = caudal. Tafel I. Ciona intestinalis. 1. Theilung nach dem achtzelligen Stadium. Ventrale Ansicht. 5) Fig Fi 16zelliges Stadium. Ventrale Ansicht. Oo, 0. ig. Ha 26. Zur Kenntniss der Furchung bei den Ascidien. 15 Dasselbe Object. Dorsale Ansicht. Dasselbe Object. Seitenansicht. Stadium von 16 Eetodermzeilen und 8 Entodermzellen, letztere in Theilung. Seitenansicht. Dasselbe Object. Venträle Ansicht. 32zelliges Stadium. Ventrale Ansicht. Tafel II. Ciona intestinalis. 32zelliges Stadium. Ein Theil der Ecetodermzellen bereits in Theilung. Seitenansicht. Stadium von 16 Entodermzellen und 32 Eetodermzellen. An- sicht vom cephalen Pol. Gastrulastadium. Dorsale Ansicht. . Dasselbe Object. Seitenansicht. . Vorgeschrittenes Gastrulastadium. Dorsale Ansicht. Clavellina lepadiformis. . 82zelliges Stadium. Ventrale Ansicht. . ö2zelliges Stadium. Etwas weiter entwickelt wie der Embryo der Fig. 13. Dorsale Ansicht. . Dasselbe Object. Ventrale Ansicht. le, . Dasselbe Object. Ventrale Ansicht. Gastrulastadium. Dorsale Ansicht. Die Nervenendigungen im Lidrande und in der Conjunctiva palpebr. des Menschen. Von A. S. Dogiel, Professor der Histologie an der Universität zu Tomsk (Sibirien). Hierzu Tafel II. So weit meine Kenntniss der vorhandenen Literatur reicht, war W. Krause der erste, welcher Meissner’sche Körperchen in den Papillen des Lidrandes entdeckte, aber ob im Lidrande ausser den genannten Körperchen noch andere Nervenendapparate existiren und in welcher Weise die Nerven in der Conjunetiva 16 A.S. Dogiel: palpebr. endigen, darüber finde ich bis jetzt im der Literatur keine Andeutungen. In letzter Zeit hatte ich die Möglichkeit menschliche Augen- lider in hinlänglich frischem Zustande zu erhalten, in denen sich die Färbung der Nerven mit Methylenblau leicht erreichen liess. Ich benutzte sowohl die oberen, als auch die unteren Augen- lider, deren Nerven ich in folgender Weise färbte. Von dem ausgeschnittenen Lide wurde zunächst die ganze Haut sammt der darunterliegenden lockeren Bindegewebeschicht entfernt, — es blieben dann nur unversehrt: der Lidrand, der Tarsus mit der denselben bedeekenden Conjunetiva und der Orbitaltheil der Con- Junetiva. Darauf wurde das Lid auf einem breiten Objeetivglase in der Weise ausgebreitet, dass die Bindehaut nach oben gerichtet war, worauf die Oberfläche der letzteren mit einigen Tropfen einer !/,;°/o Methylenblaulösung behandelt wurde. Nach Verlauf gewisser Zeiträume wurde die Oberfläche des Lides mit neuen Portionen des Färbemittels benetzt, um die Bindehaut vor dem Austrocknen zu bewahren. Im Sommer wurde die Färbung bei Zimmertemperatur aus- geführt, im Winter aber ist es bequemer, die Färbung in einem Thermostat bei 30—35° C.. vorzunehmen, obgleich ich bemerken muss, dass die Nerven sich auch bei einer Temperatur, wie sie im Winter gewöhnlich in Wohnhäusern vorkommt, d.h. 16—18° RR. gut färben lassen; in letzterem Falle besteht der ganze Unter- schied in der Färbung nur darin, dass zur vollständigen Nerventine- tion eine längere Zeit erforderlich ist. Ich färbte die Nerven meistens bei gewöhnlicher Zimmertemperatur und beobachtete, dass eine mehr oder weniger vollständige Färbung derselben nach einer oder anderthalb Stunden erzielt wurde, wobei das Präparat oft ein wenig versprechendes Aussehen annahm und fast durchweg schwach blau gefärbt erschien. Nach dem ange- gebenen Zeitraume wurden die Lider auf 18—24 Stunden in eine wässerige Lösung von pikrinsaurem Ammoniak gelegt und darauf in Glycerin, welches mit dem gleichen Raumtheile pikrin- saurer Ammoniaklösung verdünnt worden war, übertragen. Die Lider werden gewöhnlich nach 3—4 Tagen ganz durchsichtig, so dass man die Vertheilung und Endigung der Nerven in der Conjunctiva palpebr. und im Lidrande ohne Mühe in allen De- Die Nervenendig. i. Lidrande u. i. d. Conjunctiva palpebr. d. Menschen. 17 tails beobachten konnte; oft gelingt es sogar die Nervenendigung in den Meibom’schen Drüsen zu verfolgen. Bei dieser Methode der Nervenfärbung werden auch das Gewebe der Bindehaut und einige Zellen des Epithels schwach gefärbt, aber das hindert durchaus nicht die Nerven genau zu beobachten, da sie nach dem Fixiren des Präparats hinlänglich deutlich auf dem blassvioletten Ton desselben hervortreten. Meistentheils löst sich bei dem Fixiren der gefärbten Nerven mittelst wässeriger pikrinsaurer Ammoniaklösung das Epithel, mit Ausnahme der Zellenschicht, welche dem Bindegewebe un- mittelbar anliegt, ab, aus welchem Grunde man nicht im Stande ist, alle intraepithelialen Nervenfäden zu beobachten. Um daher den Verlauf der letzteren und ihre Endigung wahrnehmen zu können, ist es am besten, das Präparat mit dem von mir in Vorschlag gebrachten Gemisch aus einer Lösung von pikrinsaurem Ammoniak mit Osmiumsäure zu fixiren. An Präparaten, welche nach oben beschriebener Methode gefärbt und mittelst Glycerin aufgehellt sind, kann man ohne grosse Mühe beobachten, dass im Lidrande, von der Stelle an, wo die Ausführungsvorgänge der Meibom’schen Drüsen sich öffnen, und in der ganzen Conjunetiva palpebr. sich eine bedeu- tende Anzahl Nervenendapparate vorfindet, welche nach ihrem Bau und der Nervenendigung in ihnen vollständig den Apparaten ähnlich erscheinen, welehe in der Conjunetiva bulbi und dem Gefässe erhaltenden Rande der Hornhaut vorhanden sind, wes- halb sie auch als zur Gruppe der Nervenendkörperchen (End- kolben W. Krause) gehörig gerechnet werden müssen. Im Lidrande und in demjenigen Theile der Bindehaut, welcher noch den Charakter einer Haut besitzt, befinden sich die Endkörperchen in den Papillen und nehmen gewöhnlich den oberen Theil derselben ein (Fig. 1), wobei in der Mehrzahl der Fälle in jeder einzelnen Papille nur ein Körperchen vorhanden ist; in grösseren Papillen trifft man zuweilen zwei Körperchen (Fig. 1) in einer Papille an. In der Pars tarsalis conjunet. sind die Körperchen in dem Gewebe derjenigen zahlreichen Falten- Vorsprünge, welche den genannten Theil der Bindehaut bedecken und endlich im Orbitaltheil der Conjunctiva in der Mucosa pro- pria eingelagert. Ueberall, sowohl im Lidrande, als auch in der ganzen Con- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 2 18 A. 8. Doeiel: junetiva palp., liegen die Endkörperchen oberflächlich, meisten- theils unmittelbar unter dem Epithel; im den Papillen nehmen sie gewöhnlich, wie bereits erwähnt, den oberen Theil dieser oder jener Papille ein. Zuweilen trifft man jedoch einige Kör- perchen in ziemlich beträchtlicher Entfernung vom Epithel — an der Basis der Vorsprünge der Pars tarsalis conj. oder in der tiefen lockeren Schicht des Orbitaltheils der Conjunetiva an. Die Endkörperehen sind, soviel ich beobachten konnte, in der Weise eingelagert, dass ihr Längsdurchmesser, wenn sie von ovaler oder länglicher Form sind, parallel oder unter mehr oder weniger rechtem Winkel zu der freien Oberfläche der Bindehaut be- legen ist. Die Form der zu beschreibenden Körperehen in der Con- Junetiva palp., wie auch in der Conjunetiva bulbi, pflegt eine runde, ovale oder, wenn das Körperchen aus einigen Abtheilungen besteht, eine unregelmässige zu sein; in den Papillen haben diese Körperehen gewöhnlich eine runde und ovale Form (Fig. 1 und 2). Was die Grösse der Körperehen anbetrifft, so findet man die allerkleinsten von 0,02—0,04mm Länge und 0,01—0,02mm Breite in den Papillen, während in dem ganzen übrigen Theil der Conjunetiva palp., welche keine Papillen besitzt, neben klei- nen Körperchen auch solche vorkommen, die einen Längsdurch- messer von 0,05—0,1mm haben und deren Breite von 0,04-—- 0,08 mm variirt. Die Anzahl der Endkörperchen ist, wovon man sich ebenfalls bei gelungener Nervenfärbung überzeugen kann, eine sehr beträchtliche und sie sind gewöhnlich in der ganzen Conjunetiva palp. vertheilt, bald in Gruppen von 5—6 Körper- chen, bald einzeln mehr oder weniger von einander entfernt; man findet auch Körperchen in den meisten Papillen des Lid- randes und in dem Randtheile der Conjunetiva palp. Ihrer Structur und der Art und Weise der Nervenendigung nach stellen diese Endkörperchen, wie schon oben bemerkt, Apparate dar, welche denjenigen Endapparaten vollkommen gleichen, die ich in dem Gefässe erhaltenden Rande der Hornhaut!), in der Con- 1) Die Nerven der Cornea des Menschen. Anatom. Anzeiger. No. 16 u. 17, 1890. — Die Nervenendkörperchen (Endkolben, W. Krause) in der Cornea und Conjunctiva bulbi des Menschen. Arch. f. mikrosk. Anatomie. Bd. XXXVII. — Die Nervenendigungen in der Haut der änsseren Genitalorgane etc. Arch. f. mikrosk. Anatomie, Bd. XLI. Die Nervenendig. i. Lidrande u. i. d. Conjunctiva palpebr. d. Menschen. 19 Junetiva bulbi und in der Haut der äusseren Genitalorgane des Menschen beschrieben habe. Zu dem Bestande eines jeden Körperchens gehört eine Hülle und eine von derselben begrenzte Binnenmasse — der so- genannte Innenkolben —, welche den Nervenendapparat einge- schlossen enthält. Die Hülle besitzt, sogar bei kleinen Körper- chen, eine ziemlich bedeutende Dicke und besteht aus einer Reihe sehr feiner Bindegewebshäutchen, welche übereinander liegen, wobei das innerste den Innenkolben des Körperchens begrenzt. Zwischen den Häutchen, welche die Hülle des Körperchens bil- den, sind ovale, leicht abgeplattete Kerne eingebettet, die zu platten Zellen gehören (Fig. 4); die freie Oberfläche des in- nersten Häutchens ist, wie man solches besonders an Schnit- ten grosser Körperchen beobachten kann, mit ebensolchen platten Zellen besetzt, wie man sie zwischen den einzelnen Bindege- webshäutchen antrifft. Was die Nerven anbelangt, so empfangen alle Endkörper- chen ausschliesslich markhaltige Fasern, welche zusammen mit marklosen in einzelnen Stämmcehen in der tiefen Hautschicht des Lidrandes und der tiefen Schicht der Conjunetiva palp. sich vor- finden, wo sie ein breitmaschiges Geflecht bilden; das letztere liegt in der Pars tarsalis conjunet. an der Stelle des Ueberganges des dichten Conjunetivalgewebes in das Gewebe des Tarsus, während es sich in der Pars orbitalis conj. in der lockeren sub- eonjunctivalen Bindegewebsschicht befindet. Die markhaltigen Nervenfasern verlaufen, nachdem sie sich von dem obengenannten Geflecht abgesondert haben, in schräger oder senkrechter Richtung zur Mucosa propria eonjunetivae und theilen sich in ihrem Verlaufe an den Ranvier’schen Einschnü- rungen in einige Aestehen, von welchen jedes einzelne seinerseits nicht selten wiederum einer Theilung unterworfen wird. In vielen Fällen gehen von dem Axeneylinder dieser oder jener Markfaser an den Stellen der Ranvier’schen Einschnürungen Aestchen von verschiedener Dicke aus, welche während ihres ganzen Verlaufs der Markscheide entbehren. In dem Lidrande und dem ihm angrenzenden Theile der Con- Junetiva dringt gewöhnlich in jede das Endkörperchen einschlies- sende Papille eine Nervenfaser, seltner zwei, ein; die letzteren reichen bis an den unteren oder zuweilen bis an den oberen Pol 20 ANBBiog lie: des Körperchens und verlieren hier ihre Marksubstanz, während die Schwann’sche Scheide sich mit dem äusseren Häutchen der Kapsel des Endapparats vereinigt und der nackte Axeneylinder durch die Hülle des Körperchens in den Binnenraum desselben eindringt. In letzerem macht der Axencylinder, je nach der Grösse des betr. Körperchens, eine grössere oder geringere Anzahl Win- dungen oder er zerfällt zuvor in einige Aestchen von verschiedener Dicke, welche sich spiralförmig winden (Fig. 1—4). Die in ersterem Falle vom Axencylinder selbst — in letzterem von aus seiner Theilung entstandenen Aestehen gemachten Windungen, verlaufen entweder dicht an der ganzen Peripherie des Binnen- raumes des Körperchens, indem sie sich in verschiedenen Rich- tungen durchkreuzen, oder sie nehmen nur einen beschränkten Theil dieses Raumes ein, oder endlich, sie umfassen an einem Pol des Körperchens seine ganze Peripherie und vertheilen sich am anderen nur in einem gewissen Theile des Innenkolbens (Fig. 2—4). Das Verhalten der Schlingen, welche vom Axencylinder oder dessen Aestehen in dem Körperchen gebildet werden zur Längs- axe des Nervenapparats ist ein sehr verschiedenes: bald liegen die einen dieser Schlingen parallel zur Längsaxe des Körperchens und die anderen verlaufen vorzugsweise in querer Richtung, bald verflechten sie sich mit einander in verschiedenen Richtungen (Fig. 2—4). Oft trifft man Körperchen an, in deren Innerem irgend ein Typus der Schlingen-Anordnung vorherrschend er- scheint, d. h. die Mehrzahl der Schlingen nimmt ihre Richtung parallel zu einem der Durchmesser des Körperchens — entweder dem Längs- oder dem Querdurchmesser. So viel ich beobachten konnte, trifft man am häufigsten solche Körperchen an, in welchen die Mehrzahl der Schlingen, welche vom Axencylinder oder dessen Aestchen gebildet werden, eine mehr oder weniger parallele Rich- tung zum Querdurchmesser einnimmt. Indem der Axencylinder oder die durch dessen Theilung gebildeten Aestchen sich winden, zerfallen sie allmählich in eine gewisse Anzahl feiner, sieh oft ihrerseits wiederum vielfach ver- zweigender Fäden. Die letzteren winden sich in verschiedenen Richtungen in den Zwischenräumen, welche von den durch den Axencylinder oder dessen Aestchen gebildeten Schlingen freige- lassen sind, verbinden sich mit benachbarten Fäden und bilden Die Nervenendig. i. Lidrande u. i. d. Conjunctiva palpebr. d. Menschen. 21 schliesslich einen Knäuel zusammengedrehter und zugieieh mit einander verbundener Aestchen und Fäden, welche fast das ganze Innere des betr. Körperchens ausfüllen (Fig. 1—4). Sowohl der Axen- eylinder, wie auch alle Aestehen und Fäden, welche durch seine Theilung entstehen, sind gewöhnlich von Verdiekungen verschie- dener Grösse und Form besetzt; ähnliche Verdiekungen trifft man auch oft an den Theilungspunkten dieses oder jenes Aestehens oder Fädchens (Fig. 2—4). Da die Nervenästchen und Fäden, welche den Endapparat bilden, sich verschiedentlich winden, so ist es begreiflich, dass man bei einer gewissen Focaldistanz stets viele dieser Aestehen im optischen Durchschnitt erbliekt und sie daher, wie dieses Fig. 2—4 zeigt, sehr leicht irrthümlich für Endverdiekungen halten kann. Oft verliert eine markhaltige Nervenfaser ihre Mark- scheide in mehr oder minder grosser Entfernung vom Körperchen, zuweilen sogar an der Basis der Papille selbst, worauf sie sich in zwei oder mehr Aestchen theilt, welche an der Bildung des Endapparats in einem oder mehreren — zwei, drei — Körper- chen Antheil nehmen. Bei Untersuchung der in den Papillen eingelagerten Endkörperchen ist es mir nicht gelungen wahrzu- nehmen, dass die Nervenfaser noch vor ihrem Eintritt in das Innere dieses oder jenes Körperchens auf dessen Oberfläche zuvor einige Windungen macht, wie dieses oft bei grossen Körperchen, die in der Pars tarsalis und orbitalis conj. belegen sind, der Fall ist. In einigen Fällen traf ich Körperchen an, aus deren End- apparate 1—2 feine Fäden ausgingen; die letzteren durchbohrten die Hülle des Körperehens und man konnte sie ausserhalb des- selben eine gewisse Strecke weit verfolgen. Ob die genannten Fäden zur Vereinigung der Nervenendapparate einiger benach- barter Körperchen dienen, oder ob sie darauf in das Epithel ein- dringen, das konnte ich nicht konstatiren. Ausser den Nervenästehen und Fäden scheint im Inneren der Körperchen noch eine geringe Menge einer besonders fein- körnigen Substanz vorzukommen, welche zuweilen durch Methylen- blau bläulich gefärbt wird und aller Wahrscheinlichkeit nach nichts anderes ist als geronnene Lymphe; die Anwesenheit irgend welcher Zellenelemente im Binnenraume der Körperchen, ausser den obengenannten platten Zellen, welche die freie Oberfläche « 22 AS Dogiel: des inneren Kapselhäutchens bekleiden, gelang mir nieht wahr- zunehmen. Ganz in derselben Weise endigen die Nerven nicht nur in denjenigen Endkörperchen, welche in den Papillen belegen sind, sondern auch in denen, die sich in der Pars tarsalis und orbitalis eonj. befinden und mit ersteren annähernd dieselbe Grösse gemein haben (Fig. 3A, B und Fig. 4A, B). Von den Nervenknäueln der Endkörperehen, welche in den soeben genannten Theilen der Conjunetiva palp. belegen sind, werden Fäden von verschiedener Dicke abgesandt, wobei die einen von ihnen, aus dem betr. Körper- chen heraustretend, zur Bildung neuer Endapparate dienen (Fig. 3B), die anderen aber eine Art Anastomosen bilden, welche eine gewisse Anzahl Endapparate mit einander verbinden, wie ich dieses bereits in Bezug auf die Endkörperchen der Conjunetiva bulbi und der Haut der äusseren Genitalorgane des Menschen beschrieben habe. Was die Nervenendigung in den grossen und zusammen- gesetzten Endkörperchen anbelangt, welche man beständig in der Conjunetiva palp. antrifft, so empfangen sie am häufigsten einige markhaltige Fasern, die von einem oder beiden Polen des Körper- chens oder von verschiedenen Punkten seiner Oberfläche aus in dasselbe eindringen, wobei oft diese oder jene Faser, ehe sie in das Innere des Körperchens eintritt, um das Körperchen zuvor einige Windungen beschreibt (Fig. 3C). Zuweilen treten an ein solehes Körperchen zugleich mit der markhaltigen Faser ein oder zwei Aestehen heran, welche aus der Theilung dieser Faser her- vorgegangen, jedoch marklos sind. Gewöhnlich verlieren die markhaltigen Fasern ihre Markscheide dieht an dem Körperchen selbst, wie dieses aus Fig. 30 ersichtlich ist, oder an der Oberfläche des Körperchens, worauf der nackte Axeneylinder jeder Faser, nachdem er sich meistens zuvor in einige Aestchen getheilt hat, in das Innere des Körperchens ein- dringt; hier windet sich jedes Aestchen in verschiedener Weise und zerfällt unterwegs in eine beträchtliche Anzahl feinerer Aest- chen und Fäden, welche, sich mit einander vereinigend und ver- flechtend, einen ebensolehen Endapparat in Form eines Knäuels bilden (Fig. 30), wie er in den obenbeschriebenen Körperchen von geringerer Grösse vorkommt. Die grossen und zusammengesetzten Körperchen lagern sich, nach meinen Beobachtungen, im Gewebe der Conjunetiva palp. Die Nervenendieg. i. Lidrande u.i. d. Conjunctiva palpebr. d. Menschen. 23 meistentheils viel tiefer ein, als die kleinen Körperchen, welche mehr oberflächlich, fast unmittelbar unter dem Epithel belegen sind. Die Anzahl der Aestehen, in welche die Axeneylinder der Nervenfasern zerfallen, wie auch die Anzahl der von ihnen be- schriebenen Windungen im Inneren der grossen Körperchen, ist im Allgemeinen eine viel beträchtlichere, als in den kleinen Körperehen und in dieser Beziehung muss man sie unbedingt zu den zusammengesetzteren Nervenendapparaten rechnen, wobei es sehr wahrscheinlich ist, dass hiermit zugleich ein Unterschied in der physiologischen Function dieser und jener Apparate existirt. Somit lagert sich in der ganzen Conjunetiva palp. und, wie meine früheren Untersuchungen dargethan haben, auch in der Conjunetiva bulbi und in dem Gefässe enthaltenden Hornmhautrande eine beträchtliche Menge von Nervenendapparaten der beschrie- benen Art ein; man findet dieselben sogar in dem eigentlichen Gewebe der Hormhaut einige Millimeter nach Innen von dem Rande derselben. An denselben Flächen-Präparaten der Augenlider kann man leicht beobachten, dass viele markhaltige Nervenfasern, die nach den oberflächliehen Schichten der Conjunetiva palp. verlaufen, nicht in den Endkörperchen endigen, sondern im Epithel. Am häufigsten verliert eine solche Faser in einiger Entfernung vom Epithel ihre Markscheide und zerfällt in einige Aestehen, welche strahlenförmig nach verschiedenen Seiten auseinandergehen (Fig. 5), wobei sich jedes Aestchen in der oberflächlichen Schicht des Binde- gewebstheils der Conjunetiva palp. in der Nähe des Epithels ziemlich weit hin erstreckt. Unterwegs zweigen sich von den genannten Aestechen zahlreiche feine Seitenästehen ab, welche unmittelbar an den Basen der Zellen des Epithels der unteren Reihe in mehr oder minder feine varieöse Fäden zerfallen; diese letzteren verbinden sich mit einander und bilden ein feinmaschiges Geflecht, dessen Schlingen zwischen den Basen der Epithelialzellen eingelagert sind (Fig. 5). An denjenigen Stellen des Präparats, wo das Epithel sich unversehrt erhalten hatte, konnte man wahr- nehmen, dass sich von genanntem Geflecht sehr feine varicöse Fädcehen abzweigen, wobei einige von ihnen in das Epithel ein- dringen und, sich zwischen den Epithelialzellen windend und die- selben umschlingend, dem Anscheine nach frei endigen. Höchst 24 AS. Do giiel: wahrscheinlich waren diese scheinbar freien Endigungen das Re- sultat einer unvollständigen Färbung der Interepithelialfäden. Zum Schluss vorliegender Abhandlung kann ich nicht um- hin, auch noch der marklosen Fasern zu erwähnen, welche an gelungenen Präparaten durch Methylenblau sehr intensiv gefärbt erscheinen. Ein Theil der genannten Fasern nimmt seinen Weg zu den Meibom’'schen Drüsen, ein anderer Theil aber zu den Blutgefässen. In den Meibom’schen Drüsen umwinden sie sammt einer sehr geringen Anzahl von markhaltigen Fasern die Gruppen der Drüsenaeini in Art eines Geflechts, von welchem einzelne Aest- chen und varieöse Fäden ausgehen, die auf der Oberfläche”der Acini ein zweites feinmaschiges Geflecht bilden; das Vorhanden- sein von Intraepithelial-Nervenfäden gelang mir nicht zu be- obachten. Was die Blutgefässe, namentlich die kleinen Arterien und Venen, anbetrifft, so bilden die marklosen Nervenfasern um die- selben ein sehr dichtes, engmaschiges Geflecht, welches sich in deren Adventitia befindet (Fig. 6). Von dem genannten Geflecht geht, wie dieses besonders deutlich an den Arterien bei allmäh- lich veränderter Fokaldistanz ersichtlich ist, eine bedeutende Anzahl feiner varicöser Fäden aus, welche sich ausschliesslich in der Muskelhaut der Arterien verzweigen, wobei die einen von ihnen in schräger Richtung, die anderen aber parallel zur Längs- axe des Gefässes verlaufen und unterwegs in sehr feine varicöse Fädchen zerfallen (Fig. 6B). Dank dem Umstande, dass an Präparaten, welche durch ein Gemisch von pikrinsaurer Ammoniaklösung und Osmiumsäure fixirt worden waren, die Muskelzellen der mittleren Arterienhaut sehr deutlich wahrnehmbar sind, gelingt es oft zu beobachten, dass die obengenannten varicösen Fädchen sich theils längs der Grenze zwischen den Muskelzellen, theils an der Oberfläche der Zellen selbst erstrecken und während ihres Verlaufs nach und nach kurze Seitenfädehen entsenden, welche, sich mit benachbarten Fädchen vereinigend, in der Muskelhaut ein dichtes Nervennetz bilden (Fig. 6B). Von den Fädchen, welche das ebengenannte Netz bilden, theilen sich zuweilen kurze Seitenanhänge ab, welche an der Oberfläche der Muskelzellen frei zu endigen scheinen. Derartige Seitenanhänge halte ich für den Varicositäten analoge Die Nervenendig. i. Lidrande u. i. d. Conjunctiva palpebr. d. Menschen. 25 Gebilde, welche ausschliesslich aus interfibrillärer Substanz bestehen; an bestimmten Stellen der Fäden sammelt sich diese Substanz in ziemlich grosser Menge an und vertheilt sich nicht gleichmässig an der ganzen Peripherie der Fäden, wie solches gewöhnlich an der Stelle der varieösen Verdiekungen stattfindet, sondern nur an irgend einer Seite des Fadens; in letzterem Falle erhält die Substanz das Aussehen eines mehr oder weniger lang ausgezo- genen, oft am Ende verdickten Seitenanhanges. An Präparaten, welche durch Methylenblau tingirt sind, färben sich oft die Nerven- fädehen, die aus einer oder mehreren Fibrillen bestehen, sehr intensiv, während die Seitenanhänge, an deren Bildung die inter- fibrilläre Substanz Antheil nimmt, gewöhnlich sich viel schwächer färben, worauf ich bereits in einer meiner früheren Arbeiten hin- gewiesen habe. Erklärung der Abbildungen auf Tafel II. Die Abbildungen sind mittelst der Camera-lueida Oberhäuser's von Präparaten gezeichnet, die mit Methylenblau gefärbt und darauf durch eine Lösung von pikrinsaurem Ammoniak oder Ammonium- Pikrat-Osmiumsäure-Mischung fixirt waren. Fig. 1. Der Randtheil der Conjunctiva palp. a) Papillen mit in ihnen eingelagerten Nervenendkörperchen; b) Epithelzellenschicht, welche den Papillen anliegt. Flächenpräparat. Obj. 4, Reichert. Fig. 2. Nervenendkörperchen aus Papillen des Lidrandes. a) Mark- haltige Nervenfasern. Obj. 8a, Reichert. Fig. 3A, B und C. Nervenendkörperchen verschiedener Form aus der Pars tarsalis conj. a) Hülle; b) markhaltige Nervenfasern. Obj. Sa, Reichert. Fig. 4A, B und C. Endkörperchen verschiedener Form aus der Pars orbitalis conj. a) Die Hülle; b) Kerne platter Zellen der Hülle; c) markhaltige Nervenfasern. Obj. 8a, Reichert. Fig. 5. a) Eine markhaltige Nervenfaser, welche in einzelne Aestchen (b) zerfällt; ce) Nervenästcehen und Fäden, welche unter dem Epithel ein Geflecht bilden. Flächenpräparat. Obj. 6, Reichert. Fig. 6A und B. A) Eine kleine Arterie mit den sie umflechtenden Nerven. Flächenpräparat. Obj. 4, Reichert. B) Ein Nervennetz in der Muskelhaut derselben Arterie. Obj. 6, Reichert. 26 Josef Schaffer: Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im menschlichen Rückenmarke. Von Prof. Josef Schaffer, Assistent am histologischen Institute in Wien. Hierzu Tafel IV. Vor Jahren habe ich mich mit Untersuchungen des Stütz- gewebes im Uentralnervensystem, besonders im Rückenmarke beschäftigt und war vor Allem bemüht eine Methode zu finden, mittelst welcher die Neuroglia an Schnitten scharf gefärbt dar- zustellen wäre. Bis zu einem gewissen Grade war mir dies ge- lungen, als Weigert's „Bemerkungen über das Neurogliagerüst des menschlichen Centralnervensystems“ !) erschienen, in welchen er auch eine Methode andeutete, welche die Fasern der Neuroglia so hervorheben sollte, dass sie weder mit dem Fasergerüste der Achseneylinder, noch mit Ausläufern von Nervenzellen verwech- selt werden können. Ohne das Verfahren mitzutheilen, veröffent- lichte Weigert schon damals einige mittelst desselben für das menschliche Rückenmark gewonnene Resultate, welche ich durch meine Methode bestätigt sah; andererseits erwähnte Weigert auch einige Mängel, welche sein Färbeverfahren zur Zeit noch aufweise, so dass mir gerade in diesen Punkten meine Methode ergänzend einzutreten schien. Während nämlich Weigert die Darstellung der Gliafasern an der Peripherie des Rückenmarkes oft versagte, gelang mir gerade hier die schärfste Differenzirung derselben. Weiter bemerkt Weigert, dass den meisten bis- herigen Methoden der Fehler anhafte, dass sich Fasern und Zel- len gleich färben, dass der von Ranvier angenommene, mikro- chemische Unterschied zwischen denselben nicht hervortrete; auch bei der versprochenen Färbung Weigert’s ist der Kern häufig mitgefärbt. Dies ist nun bei meiner Methode nie der Fall; die Kerne sind stets ungefärbt, so dass man nach diesen Bildern 1) Anat. Anz., V. Jhg. 1890, S. 543—551. Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im menschl. Rückenmarke. 27 allein urtheilend, das Stützgewebe nur als aus selbstständigen Fasern zusammengesetzt halten möchte. Weigert’s ausführ- liche Publieation ist bis heute noch nicht erschienen und wenn auch seither die Neuroglia Gegenstand zahlreicher Untersuchun- gen gewesen ist und wir besonders der Golgi'schen Methode viele werthvolle Aufschlüsse über ihren Bau, ihre Entwicklung und Vertheilung verdanken, so sind bis heute die angedeuteten Vortheile meiner Gliafaserfärbung noch durch keine andere Me- thode übertroffen. Gerade zur Untersuchung der oberflächlichen Gliahülle reicht auch die Chromsilberbehandlung Golgi’s nicht aus und giebt z. B. Kölliker!) die Schilderung des feineren Baues dieser Gliahülle an der Hand von Carminpräparaten. Ich nehme daher hier Veranlassung, meine Methode kurz mitzutheilen. Als Untersuchungsobjeet diente mir das Rücken- mark eines Hingerichteten, T., das ganz frisch n Müller sche Flüssigkeit gebracht worden war. Die in Celloidin eingebetteten Sehnitte werden zunächst nach der von mir?) modifieirten Me- thode Kultschitzky'’s?) in Essigsäure-Hämatoxylin gefärbt, wobei alle markhaltigen Nervenelemente schwarz auf hellbraunem Grunde hervortreten #). Darauf werden die Schnitte lange Zeit, 1) Handbuch der Gewebelehre, II. Bd., 1. Theil, 1895, S. 151. 2) Sitzgsber. d. k. Acad. in Wien, Bd. 99, 1890. — Anat. Anz. V. Jhg. 1890, S. 643. 3) Anat. Anz., IV. Jhg., 1889, S. 223. — Anat. Anz., V. Jhg., 1890, 8.0519. 4) M. Wolters hat im VII. Bd. der Zeitschr. f. w. Mikr., 1890, S. 466 ebenfalls eine „neue* Modifikation des Verfahrens von Kul- tschitzky zur Färbung der markhaltigen Nervenfasern des Central- nervensystems angegeben. Auch er wurde, wie ich, von der ursprüng- lichen Methode Kultschitzky’s nicht befriedigt, nahm jedoch weiter- hin keine Rücksicht auf die von Kultschitzky selbst angegebene Verbesserung, sowie auf meine vor und nach Kultschitzky'’s zweiter Mittheilung veröffentlichten Angaben. Die Methode von Wolters unterscheidet sich von der Kultschitzky’s und meiner im Wesent- lichen dadurch, dass Wolters die Färbung der Schnitte bei einer Temperatur von 45° C. durch 24 Std. vornimmt, wobei sie selbstver- ständlich eine sehr intensive werden muss, die Schnitte aber auch brüchig werden und häufig Risse bekommen, was für die nachfolgen- den Proceduren nicht ohne Nachtheil ist. Dem nachherigen Eintauchen der Schnitte in Müller’sche Flüssigkeit messe ich keine besondere Bedeutung zu, da es sich dabei höchstens um eine oberflächliche Lack- bildung, nicht um eine Durchtränkung des Schnittes handeln kann. 28 Josef Schaffer: 24 Stunden, in destillirtem Wasser ausgewaschen und dann sehr lange, bis zu 3 Wochen in einer schwachen, wässerigen Eosin- lösung gefärbt. Beiläufig zwei Tropfen einer 1°/, Lösung auf 10 eem destillirtem Wasser reichen für 1—2 Schnitte aus; diese Verdünnung muss man beibehalten, auch wenn man viele Schnitte auf einmal färben will, nur ist dann die Quantität der Lösung entsprechend zu vermehren. Ich habe zwar die Menge gelösten Eosins, welehe für einen bestimmten Kubikinhalt der Sehnitte nothwendig ist, nicht berechnet, aber so viel steht fest, dass minimale Mengen genügen und dass die Färbung auch nur dann gelingt, wenn die Eosinlösung nicht zu stark ist. Ueberfärbung mit Eosin und nachträgliche Extraction des überschüssigen Farb- stoffes mit Alkohol, also eine sogenannte regressive Färbung, wie sie Flemming!) genannt hat, giebt nicht dasselbe Resul- tat, wie eine Färbung, bei der gleichsam die minimale Menge an Farbstoff nur von einer Gewebeart, die eben die grösste Affinität zu demselben hat angezogen und gebunden wird. Dass ein ähn- licher Vorgang hier in der That stattfindet, geht daraus hervor, dass die dünne Eosinlösung von einer gewissen Schnittmenge merklich entfärbt wird und dass bei nachfolgender Alkoholbe- handlung nur wenig Eosin aus dem Schnitte extrahirt werden kann, was an der geringen Fluoreszenz leicht erkannt wird. Das Eosin ist gleichsam gebunden und zwar hauptsächlich nur an eine Gewebeart, die Neuroglia?). Hat man die Schnitte auf Nun erfolgt bei Wolters der energischen Färbung entsprechend eine energische Differenzirung und zwar nach der bekannten Pal’schen Methode, die eine zweizeitige Anwendung erfordert: Kultschitzky entfärbt mit einem Gemische von Lithion carbon. und rothem Blut- laugensalz, ich mit der zuerst vorgeschlagenen Weigert’schen Diffe- renzirungsflüssigkeit. Man sieht also, dass das Verfahren von Wolters wohl den Namen einer „abgeänderten“, nicht aber den einer „neuen“ Methode verdient. Gegen die Erklärung von Wolters jedoch, dass die Ent- färbung nach Weigert kein Resultat erzielt, muss ich meine Erfah- rungen geltend machen, denen ich ja auch bereits an den betreffenden Stellen Ausdruck gegeben habe. 1) Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 37, S. 709. 2) Dafür, dass Färbungen in starken oder gesättigten Farbflotten ganz andere Resultate geben, als die Verwendung sehr verdünnter Lösungen, lassen sich viele Beispiele anführen. Im ersten Falle scheint in der That eine mechanische Ueberladung der Gewebe mit Farbstoff Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im menschl. Rückenmarke. 29 diese Weise genügend lange in der dünnen Eosinlösung belassen, dann werden sie entwässert, mit Bergamotte- oder Origanumöl aufgehellt und in Xylol-Damar eingeschlossen. An den so behandelten Schnitten ergiebt sich nun zunächst eine prachtvolle Differenzirung zwischen echtem, leimgebendem Bindegewebe und der Neuroglia: die Piahülle des Rückenmarkes und der Nervenwurzeln, sowie die Gefässe erscheinen braun ge- färbt, während das Faserwerk der Neuroglia einen leuchtend rothen Ton angenommen hat, der durch die schwarzen Mark- scheiden der Nerven noch gehoben wird (vergl. die Figg. der Taf. IV). Besonders schön zeigen sich diese Farbenunterschiede an der Oberfläche des Rückenmarkes, wo die Neuroglia eine mehr minder entwickelte Rindenzone (Gierke’s Gliahülle) bildet, die sich scharf von der braun gefärbten Piahülle und den in die Septa eindringenden Gefässen sondert !). stattzufinden, während im letzteren Falle die grösste Affinität zwischer Farbstoff und einer bestimmten Gewebesorte die elektive Färbung die- ser letzteren bedingt. So färben sich z. B. in dieser dünnen Eosin- lösung glatte und quergestreifte Muskelfasern, hämoglobinhaltige Blut- körperchen und eosinophile Granula in Zellen ganz elektiv, während das leimgebende, lockere Bindegewebe desselben Schnittes ungefärbt bleibt. Dadurch treten die erwähnten Elemente distinkt hervor, was nicht der Fall ist, wenn man mit starker Eosinlösung kurz am Object- träger färbt; da erscheint alles mehr wieder intensiv roth gefärbt und vermag auch eine lange, fortgesetzte Extraction mit Alkohol nicht jene Differenzirung herbeizuführen, welche langdauerndes Verweilen in sehr verdünnter Eosinlösung bewirkt. Noch viel auffallender ist folgendes Beispiel. Die Ueberfärbung von Rückenmarkschnitten aus Müller’scher Flüssigkeit mit Essigsäure-Hämatoxylin und nachfolgende Entfärbung mit Weigert’s Borax-Ferrideyankaliumlösung, welche Färbung wir auch bei unserer Neurogliafärbung anwenden, ermög- licht eine Schwarzfärbung aller markhaltigen Elemente. Lässt man dagegen solche Rückenmarkschnitte lange Zeit (Wochen) in einer sehr verdünnten Lösung von Essigsäure-Hämatoxylin liegen (2—3 Tropfen auf 20 ccm Wasser), so erhält man eine scharfe Achseneylin- derfärbung; Achseneylinder, sowie Ganglienzellen und ihre gröberen Ausläufer erscheinen tief dunkel gefärbt, die Glia tuschgrau, während die Markscheiden farblos bleiben. So kann man durch die Anwendung ein und desselben Farb- stoffes ganz entgegengesetzte Bilder erhalten. 1) Die hier beschriebene Differenzirung, von welcher die mög- lichst naturgetreuen Abbildungen eine Vorstellung geben, gelingt nicht immer gleich gut, ein Umstand oder Uebelstand, den diese Methode 30 Josef Schaffer: Für die tieferen Partien des Markmantels gegen die graue Substanz hin versagt die Methode. Die reichlichen Gliamassen um den Centralkanal erscheinen in einem "mehr gelbrothen Ton und zeigen keine so scharf differenzirten Fäserchen, ein Verhalten, welches seinen Hauptgrund wohl in der immer mangelhaften Härtung der mittleren Partien grösserer Gewebestücke haben dürfte. Möglicherweise könnte diesem Uebelstande durch Behand- lung dünner Scheiben frischen, menschlichen Rückenmarkes mit Müller ’scher Flüssigkeit abgehalten werden, doch steht mir zur Zeit ein solches Material nicht zur Verfügung. Dafür ist jedoch, wie erwähnt, die tinetorielle Scheidung von Bindegewebe und Neuroglia an der Oberfläche des Mark- mantels eine sehr scharfe und gestattet uns dieselbe zunächst einige Angaben über die Anordnung dieser Gewebe und ihre Betheiligung an der Bildung des Stützgerüstes des weissen Rückenmarkmantels zu machen, was bei der Mannigfaltigkeit der herrschenden Ansichten, die vielfach weit auseinander gehen, nicht ohne Interesse sein dürfte. Schon durch die einleitenden Bemerkungen über die Fär- bungsergebnisse an dem Rückenmarke des Hingerichteten habe ich eine bestimmte Stellung in dieser Frage genommen, welche sich zunächst in Uebereinstimmung mit der Anschauung vieler anderen Autoren gegen die neuerdings wieder vertretene Auf- fassung von Obersteiner kehrt und andererseits den feineren mit so vielen anderen, welche auch auf theilweiser Entfärbung be- ruhen, theilt. Um daher nicht zu hoch gespannte Erwartungen hervor- zurufen, die durch Misserfolge enttäuscht werden könnten, sei hier mit einigen Worten auf die Art und Quelle der Misserfolge hinge- wiesen. Bei der beschriebenen Färbemethode kommt Alles auf die möglichst exakte Markscheidenfärbung mit gleichzeitiger, vollkommener Entfärbung der Gliafasern und unvollkommener Entfärbung der Pia- elemente an. War die Entfärbung zu schwach, so bleibt oft auch die Glia schwarz gefärbt, kann daher von den markhaltigen Fasern nicht scharf abgegrenzt werden. Ist die Markscheidenfärbung zu schwach, so hebt sich die Glia ebenfalls zu wenig vom Markmantel ab; endlich kann bei zu energischer Entfärbung der mit Essigsäure-Hämatoxylin überfärbten Schnitte (z. B. nach der Methode von Pal) auch die Pia vollkommen entfärbt werden; dann nimmt dieselbe bei der nachfol- genden Eosinfärbung ebenfalls einen rothen Ton an und wird dann, besonders im Markmantel eine Unterscheidung zwischen Glia und leimgebendem Bindegewebe unmöglich. Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im menschl. Rückenmarke. 31 Bau der Neuroglia betrifft. Was den ersten Punkt anlangt, so ist es nothwendig, auf die Darstellung Obersteiner's!) etwas näher einzugehen. Obersteiner selbst betont in seinem aus- gezeichneten Werke die grosse Unsicherheit in der Auffassung des Stützgewebes im Centralnervensysteme, kann sieh aber von der älteren Auffassung, welehe die bindegewebige Natur des Stützgewebes vertreten hat, nicht losmachen. Die Stützsubstanz tritt nach Obersteiner wenigstens in den meisten Fällen als ein retieuläres Bindegewebe auf, aus feinen Fasern bestehend, die ein diehtes Netzwerk bilden und sich bis zu Bindegewebs- zellen verfolgen lassen (l. e. S. 195). Demnach hält er die Neurogliafasern für Bindegewebsfasern und die Neurogliazellen für Bindegewebszellen. Als Neuroglia bezeichnet er hingegen, ebenfalls einer älteren Ansicht folgend, jene hypothetische, — denn ihr morphologischer Nachweis ist durchaus nicht er- bracht — formlose oder äusserst feinkörnige Masse, welche die Lücken zwischen den übrigen Elementen ausfüllt. Dieser Auf- fassung entsprechend lautet auch die Schilderung, welche Ober- steiner vom Stützgerüste des Markmantels giebt: „Die Peri- pherie des Markmantels wird von den Rückenmarkshäuten durch eine meist nur schmale Schichte grauer Substanz (d—10u, aus- nahmsweise aber bis gegen 100 u breit) getrennt: Rindenschicht des Rückenmarks oder Subpia (Waldeyer).“ Sie besteht aus faserigem Bindegewebe mit viel zwischengelagerter, feinkörniger Neuroglia. Von der Pia mater gehen durch die Rinde hindurch radiär diekere oder dünnere Septa in die weisse Substanz hinein, welche häufig Gefässe mitführen. Diese Septa bestehen ebenfalls aus Bindegewebe, mit mehr oder minder viel aus der Rinden- schichte stammender Neuroglia. Mit Gerlach), Schwalbe°) u. A. fasst Obersteiner die Rindenschichte als innere, gefässlose Schichte der Pia auf, betont auch den eireulären Verlauf der Fasern und lässt ebenfalls in den Suleus long. dorsalis nur diese innere Piaschichte eintreten. Der Erkenntniss, dass seiner Auffassung von der Natur des 1) Anleitung beim Studium des Baues der nervösen Üentral- organe im gesunden und kranken Zustande. I. Aufl. 1892. 2) Von dem Rückenmarke. — Strieker’s Handbuch der Gewebe- lehre, 1871, S. 668. 3) Neurologie, Erlangen, 1881, S. 370. 32 JosefSchaffer: Stützgewebes zweifellose 'Thatsachen widersprechen und dass dieselbe auf Grund der neueren histogenetischen Forschung eine Aenderung erfahren muss verschliesst sich allerdings auch Ober- steiner nicht, indem er bemerkt: „Uebrigens darf auch die Anschauung nicht mehr zurückgewiesen werden, dass wir im Centralnervensystem zwei Arten faserigen Stützgewebes unter- scheiden müssen, von denen nur eine mit dem leimgebenden Bindegewebe völlig identisch ist“). Mit dieser Bemerkung kommt Obersteiner bereits un- serer Anschauung entgegen, welche nun an der Hand der Be- funde am Rückenmarke des Hingerichteten erläutert werden soll. An den nach der angegebenen Weise mit Essigsäure-Häma- toxylin und Eosin doppelt gefärbten Querschnitten zeigen die Bindegewebsbündel der Pia, sowie die Gefässwände eine braune Färbung. Dieselbe ist so charakteristisch, dass man an derselben überall das leimgebende, echte Bindegewebe erkennen kann. Unmittelbar unter der Pia folgt eine in unserem Falle mächtig entwickelte, faserigkörnig erscheinende Zone, welche continuirlich mit zahlreichen Septen der Markmasse zusammenhängt; diese Continuität, sowie die vollständige Uebereinstimmung der Septen in Bezug auf Bau und mikrochemisches Verhalten zeigt deutlich, dass wir es mit ein und derselben Bindemasse zu thun haben, in welche die Längsbündel der markhaltigen Nerven so einge- bettet sind, dass die bekannten Septa entstehen, während über die Nervenmasse hinaus noch eine breitere Zone dieser Binde- masse vorhanden ist: die sog. graue Rindenzone der älteren Au- toren, Subpia Waldeyer’s. Ebenso deutlich sieht man aber, dass dieselbe ein von der Pia gänzlich verschiedenes mikro- ehemisches und histologisches Verhalten zeigt: sie erscheint näm- lieh prächtig roth (manchmal mit einem Stich ins Gelb oder Blau) gefärbt und besteht aus zahlreichen starren, drehrunden Fa- sern, welche ein dichtes filzartiges Geflechte bilden und aus der Rindenzone oft auf lange Strecken hin als unverzweigte Fä- den in die Septen einstrahlen, aus denen sie dann noch oft zwi- schen die einzelnen markhaltigen Nerven eindringen, welche all- seitig so von den rothgefärbten Fasern umsponnen werden, dass sie sich nirgends direkt berühren. Eine andere Zwischensubstanz konnte ich nicht entdecken; so ist es wohl zweifellos, dass wir DANESBILIE: Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im menschl. Rückenmarke. 33 in dem eben geschilderten Gewebe die Neuroglia, und zwar deren Fasern vor uns haben und dass die beschriebene Rindenschicht nichts anderes ist, als die oberflächliche Gliahülle von Gierke!'), die mit der Pia gar nichts zu thun hat. Den erwähnten, mikrochemischen Unterschied zwischen Pia und Glia lässt ausser der erwähnten Methode, auch die Ver- goldung von Rückenmarksschnitten aus Müller ’scher Flüssig- keit nach Gerlach deutlich hervortreten, indem die Glia roth, alles Bindegewebe dunkel blauschwarz gefärbt erscheint. Ja, selbst an einfach mit Hämatoxylin und Eosin doppelt gefärbten Präparaten kann die rosa gefärbte Piahülle von der mehr gelb- roth gefärbten Glia leicht unterschieden werden. Nahezu ganz vermischt erscheint dieser Unterschied an mittelst Carmin gefärb- ten Präparaten ?). Demnach lässt sich die Neuroglia — ich eitire einen Aus- spruch Edinger’s?) — durch ihre Färbungsverhältnisse absolut von anderen Gewebsarten abgrenzen und so können wir als Er- sebniss der bisherigen Betrachtungen im Gegensatz zu der Dar- stellung Obersteiner’s die Behauptung aufstellen, dass die Rindensehichte des Rückenmarkes, sowie die von derselben ab- gehenden Septen aus einem Gewebe bestehen, welches schart von dem Piagewebe, d. i. leimgebendem Bindegewebe zu trennen ist?). Damit ist vorläufig über die eigentliche Natur der Neuro- 1) Die Stützsubstanz des Centralnervensystems. I. Theil. — Arch. f. mikr. Anat., Bd. XXV, 1885, S. 510. 2) Bei der von Weigert angewendeten Tinction nimmt eben- falls das Bindegewebe gar keine oder nur eine verwaschene Farbe an (Zur pathologischen Histologie des Neurogliafasergerüstes. Ziegler's Centralblatt, 1890, S. 730.) Auch nach einfacher Färbung mit Dela- field’s Hämatoxylin tritt ein Färbungsunterschied zwischen Glia und Pia auf; vergl. Bertelli, Atti della Soc. Toscana. Se. N. Pisa, Mem. Vol. XII, 1892. 3) Vorlesungen über den Bau der nervösen Centralorgane des Menschen und der Thiere. — 4. Aufl. Leipzig, 1893, S. 16. 4) Damit fällt auch die eigenthümliche Ansicht, dass Gliagewebe in Piagewebe „übergehen“ könne, wie sie von Paladino (Dei limiti preeisi tra il nevroglio e gli elementi nervosi del midollo spinale ete. — Boll. d. R. Acead. Med. di Roma, Anno XIX, fase. 2, 1395, S. A. S. 12) und besonders von Lavdowsky (s.u.) ausgesprochen worden ist, der von einem „wirklichen Uebergang der Epithelformation in die des Bindegewebes“ spricht (l. ec. S. 277). Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 Bi) 34 Josef Schaffer: glia nichts positives, wohl aber ein wichtiges negatives Merkmal ausgesprochen. Wir haben aber noch einen zweiten Punkt zu erörtern und zwar betrifft derselbe die Frage, ob sich am Aufbau des Septen- systems ausschliesslich die Neuroglia oder daneben auch noch echtes, leimgebendes Bindegewebe betheiligt? Eine übersichtliche Darstellung der darüber vorliegenden ebenso zahlreichen als verschiedenen Ansichten stösst auf grosse Schwierigkeiten; die Frage war eben schon zur Zeit von Henle und Merkel, ja schon früher „hinlänglich verworren“. Bevor Virehow'), die Verschiedenheit der Gerüstsubstanz in den Centralorganen von gewöhnlichem Bindegewebe erkennend erstere mit der Bezeichnung Neuroglia zusammenfasste — wobei er sie aber nur für eine besondere Form des Bindegewebes hielt — begegnen wir zumeist Darstellungen, welehe mehr minder das ganze Septensystem als ein mit der Pia genetisch und morpho- logisch zusammenhängendes, also bindegewebiges bezeichnen. Hierher gehören u. A. die älteste Darstellung von Keuffel?), der sich auch Arnold?) anschloss und besonders Bidder und seine Schüler *); aber auch die späteren Darstellungen von Stil- ling’) und J. Gerlach‘) müssen hieher gerechnet werden. Als Beispiel für die Anschauungen dieser Autoren greife ich die Schilderung von Bidder und Kupffer?”) heraus. Nach einer sehr anschaulichen Beschreibung der Septula, sowie der 1) Ueber eine im Gehirn und Rückenmarke gefundene Substanz mit der chemischen Reaction der Cellulose. — Virchow’s Arch., Bd. 6, 1853. — Gesammelte Abhandlungen. Frankfurt a./M., 1856, S. 890. 2) Ueber das Rückenmark. — Reil’s Archiv, Bd. X, 1811. 3) Bemerkungen über den Bau des Hirns und Rückenmarks ete. Zürich, 1838. 4) Schilling, de textura med. spin. ete., Dorpati, 1852. — Ows- jannikow, de text. med. spin. disquis. inprimis in piseibus fact., Dor- pati, 1854. — Kupffer, de med. spin. textura, ratione inprimis habita indolis subst. ein., Dorpati, 1854. — Metzler, de text. med. spin. avium, Dorpati, 1855. — Bidder und Kupffer, Untersuchungen über die Textur des Rückenmarks und die Entwicklung seiner Formele- mente. — Leipzig, 1857. 5) Neue Untersuchungen über den Bau des Rückenmarkes. — Cassel, 1857—1859. 6) Von dem Rückenmark. — Strieker’s Handbuch der Gewebe- lehre, 1871, S. 668. 7) ERST SS: Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im jmenschl. Rückenmarke. 35 Stützsubstanz zwischen den einzelnen Nervenfasern im weissen Rückenmarksmantel bemerkt Bidder: „Jene netzförmig ver- bundenen Streifen nämlich (i. e. die radiären Septen) stehen auf der einen Seite in ununterbrochenem Zusammenhange mit der grauen Rückenmarkmasse, während sie andererseits ebenso deut- lich bis in die Pia mater und deren für die vordere und hintere Spalte bestimmte Fortsätze sich verfolgen lassen .. — Diese, die einzelnen Ringe oder die Gruppen derselben umgebende Substanz ist also, wie dies schon ihr ununterbrochener Zusammenhang mit der Pia mater darthut, im Wesentlichen Bindesubstanz.“ Als das Schlagwort Neuroglia gefallen war, da entbrannte der Streit um die morphologische Bedeutung derselben: ob es sich um eine homogene oder körnige Grundsubstanz, über ein reticuläres Bindegewebe oder um andere faserige Bildungen handle. Zu dieser Zeit jedoch trennte man bereits mehr minder scharf das fibrilläre Bindegewebe der Pia von der Bindesubstanz der Neuroglia, mochte man über ihren feineren Bau welche Vorstel- lung immer haben; man vergleiche in dieser Hinsicht u. A. die bekannten Darstellungen von Deiters'), Frommann?), Kölliker°), Henle und Merkel‘), Boll?°) u. s. w. Die meisten dieser Autoren schreiben jedoch neben der Neuroglia auch einem von der Pia ausgehenden oder eindringen- den Bindegewebe eine Rolle bei der Septenbildung zu. Als Bei- spiel möge die Schilderung von Henle und Merkel‘) hier Platz finden. „Der Querschnitt eines irgendwie erhärteten Rückenmarkes zeigt bekanntlich neben den stärkeren, in den Medianfissuren gelegenen bindegewebigen Platten eine Anzahl untergeordneter, gleichfalls von der Pia mater ausgehender Scheide- wände, dureh die die Fasern der weissen Substanz jeder Seiten- 1) Untersuchungen über Gehirn und Rückenmark ete. Heraus- gegeben von M. Schultze. — Braunschweig, 1869. 2) Untersuchungen über die normale und pathologische Anatomie des Rückenmarkes. Jena, 1864. 3) Gewebelehre, 5. Auft., 1867, S. 266. 4) Ueber die sogenannte Bindesubstanz der Centralorgane des Nervensystems. — Centralbl. f. d. med. Wiss. 1869, No. 8 und Zeitschr. f. rat. Med. 1869, Bd. 34, S. 49. 5) Die Histiologie und Histiogenese der nervösen Centralorgane, — Arch. f. Psych. u. Nervenkrankh. 1873, Bd. IV. 6) 1.-€. 8. 69, 36 Josef Schaffer: hälfte in gröbere und feinere Bündel abgetheilt werden .. — In- dem die Pia mater die Scheidewände ins Innere sendet, treibt sie gleichsam die peripherische Schichte des Rückenmarkes vor sich her. Am Querschnitt sind, wie bereits Frommann beob- achtete, die Durehschnitte der bindegewebigen Septa jederseits von einem einigermaassen proportionirten Streifen der grauen Rindenschichte eingefasst. Dieser Beleg besteht aus verfilztem Bindegewebe oder aus feinkörniger Substanz oder aus einer Mi- schung von beiden, je nachdem in der äusseren Rindenschichte, — welehe denselben Bau zeigt -— das eine oder andere Gewebe entwickelt ist.“ Die Verfasser erklären demnach einen Theil des Septensystems als Derivat der Pia; davon ist jedoch das eigentliche Stroma des Rückenmarkes wohl zu unterscheiden. „Wir erklären uns demnach gegen die bindegewebige Natur des Gerüstes, in welches die Nervenfasern der weissen Substanz des Rückenmarkes eingelassen sind .... Wir betrachten dieses Ge- rüste als eine Dependenz der molekulären Rinde!).* Abweichend von dieser Darstellung erklären Kölliker und Boll hingegen bereits ausdrücklich, dass sich im Marke — abgesehen von der Pia mater und ihrem Fortsatze in die vordere Spalte und der Adventitia grösserer Gefässe — durchaus kein gewöhnliches fibrilläres Bindegewebe findet. Nach Boll besteht die ganze Neuroglia nur aus den Deiter’- schen Zellen (Pinselzellen), welche an Stelle fibrillären Binde- gewebes sogar die Adventitia der Gefässe bilden. Er erkannte auch bereits, dass sie nieht etwa erst durch von der Pia mater aus eindringende Fortsätze zwischen die ner- vösen Elemente eingeschoben werden, sondern einen integrirenden Bestandtheil der Embryonalanlage bilden. Nach seimer Darstel- lung dringen von der Pia aus nur Gefässe, niemals aber eine nennenswerthe Menge Bindegewebe in die weisse Substanz ein und ist er mit dieser Auffassung, wie Kölliker eigentlich der letzten zu besprechenden Autorengruppe zuzuzählen. Auch seine Schilderung der oberflächlichen Gliahülle und ihres Verhaltens zu den Gefässen, auf die wir noch zurückkommen, ist eine mit den neuesten Beobachtungen fast vollkommen übereinstimmende und enthält viele wichtige Beobachtungen, die heute vielfach wieder in Vergessenheit gerathen zu sein scheinen. 3 Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im menschl. Rückenmarke. 37 Aber auch nachdem man den tiefgreifenden Unterschied zwischen Neuroglia und Bindegewebe in histologischer und histo- genetischer Beziehung oder mit anderen Worten, die gemeinsame Anlage von Stütz- und Nervensubstanz allgemein erkannt hatte, wird heute noch von einer Reihe von Forschern dem Bindege- webe eine mehr minder bedeutende Rolle beim Aufbau des Stützgerüstes, besonders des gröberen Septensystemes zugeschrieben ; so unter Anderem von Unger!), Schwalbe?) Witkowski?), Gierke®, Kahler®), Lavdowsky®), Gegenbaur?). Zur Charakteristik der Auffassung dieser dritten Autoren- gruppe sei zunächst die Darstellung Schwalbe’s®) kurz wieder- gegeben. Nach derselben wird der Markmantel in seiner Peri- pherie vom Bindegewebe der Pia begrenzt. Eine Schicht des Piagewebes erhält sich auf der Oberfläche des Rückenmarkes beim Abziehen der Pia; sie wird gewöhnlich als tiefe oder eir- eulärfaserige dieser Membran bezeichnet und besteht überwiegend aus eireulären Bündeln von Bindegewebsfibrillen. Diese Schicht ist es nun, welche von ihrer inneren Oberfläche aus in unregel- mässigen Abständen breitere und schmälere Bindegewebsblätter im allgemeinen in radiärer Richtung mehr oder weniger weit in die weisse Substanz hineinsendet ..... Ein Septum ist vor den übrigen durch Verlauf und Grösse besonders ausgezeichnet; es ist das Septum long. post., welches, nur aus einer Fortsetzung der tiefen Lage der Pia bestehend, bis zur hinteren geraden Commissur vordringt. Dieses ganze Septensystem besteht nach Schwalbe aus echtem, leimgebenden, fibrillären Bindegewebe. Die Neuroglia, 1) Untersuchungen über die Entwicklung der centralen Nerven- gewebe. — Wiener Sitzgsber. d. kais. Acad. 80. Bd. 3. Abth. 1879. 2) Neurologie. Erlangen, 1881, S. 370. — Vgl. noch den Artikel Sehnerv desselben Autors in Gräfe und Sämisch, Handb. d. ges. Augenheilk. Bd. I, S. 341 und Zeitschr. f. Anat. u. Entw. II, S. 267. 3) Ueber die Neuroglia. — Arch. f. Psychiatrie, Bd. XIV, 1883. 4) ]. ec. und II. Theil, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 26, 1886. 5) Nervensystem in Toldt’s Gewebelehre. Ill. Aufl. — Stuttgart, 1888, S. 179. ' 6) Vom Aufbau des Rückenmarkes. Histologisches über die Neuroglia und die Nervensubstanz. — Arch. f. mikr. Anat. Bd. 38, 1891, S. 264. 7) Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 5. Aufl. — Leipzig, 1892, II. Theil, S. 338. 8) Neurologie, 1. ce. S. 370. 38 JosefSchaffer: welche nach Schwalbe 1. aus einer formlosen Grundsubstanz, 2. darin eingebetteten Fasern, die in ihrer Reaction gegen Essigsäure an elastische Fasern erinnern (von J. Gerlach auch dafür gehalten wurden) und 3. aus platten Zellen, an welche sich die Fasern anlegen, ohne die Bedeutung von Zellausläufern zu besitzen besteht, findet sich zwischen den einzelnen Nerven- fasern; und endlich beschreibt Schwalbe (l. e. S. 372) noch eine dritte, dünne Lage, welche mit der Hornspongiosa von Kühne und Ewald identisch sein soll und als graue Rinden- schiehte zwischen die fibrilläre Bindegewebshülle des Rücken- markes mit den gröberen, von ihr ausstrahlenden Septen und die Neuroglia eingeschoben erscheint. Dieselbe bildet an der Oberfläche des Rückenmarks meist nur eine sehr dünne Lage von 25—50 u, selten 100 u Mächtigkeit; aber auch auf die Binde- gewebssepta setzt sie sich als äusserst dünne Lage eine Strecke weit fort. Der Darstellung Sehwalbe’s schloss sich im Allgemeinen auch Kahler an; auch nach ihm ist das an Rückenmarksquer- schnitten deutliche gröbere Septensystem zweifellos bindegewe- biger Natur und in direktem Zusammenhange mit der inneren Schichte der Pia; das Septum post. ist der einzige, in vertikaler Richtung continuirliche Bindegewebszug. Die graue Rinden- schichte ist eine besondere Entwicklung der Neuroglia als ober- flächliche Gliahülle. Ranvier bildet gleichsam den Uebergang zu der nächsten Autorengruppe. Er findet die Bezeichnung Neuroglia zwar ver- werflich, da jedermann wisse, dass man damit das Bindegewebe des Centralnervensystems bezeichne; er betont aber bereits aus- drücklich den gemeinsamen Ursprung von Ganglien- und Gliazellen und scheint dem gewöhnlichen Bindegewebe keine Bedeutung für das Septensystem des Rückenmarkes zuzuschreiben, obgleich ich darüber in keiner seiner Darstellungen eine bestimmte Aeusserung finden konnte!). Ueber den feineren Bau der Neuroglia vertritt Ranvier eine besondere Anschauung, auf welche wir noch zu sprechen kommen werden. Im übrigen ist die Schilderung, welche 1) Sur les &l&ments conjunctifs de la moelle &piniere. — Compt. rend. T. 77, 1873, p. 1299. — De la Nevroglie — Ebenda, 1882, I, S. 1536. — De la Nevroglie — Arch. de Physiologie, UL ser. T. I, 188°, p. 177. — Technisches Lehrbuch der Histologie. Leipzig, 1888. Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im menschl. Rückenmarke. 39 er von der Anordnung der Glia in Wort und Bild (Fig. 368 des techn. Lehrbuches) giebt, eine sehr zutreffende. Im Gegensatz zu den im Vorstehenden entwickelten An- schauungen wird aber in neuester Zeit mit grosser Entschieden- heit die Lehre vertreten, dass dem Bindegewebe gar keine Be- deutung am Aufbau des Septensystems zukomme, sondern dass dasselbe lediglich von der Neuroglia gebildet werde. Schon Gierke neigte dieser Ansicht zu und wenn ich ihn in der Reihe der obigen Autoren nannte, so geschah es deshalb, weil er an einer Stelle!) bemerkt: „Die Piafortsätze, welche die Longitudinalfissuren ausfüllen, sind zum Theil Bindegewebsbündel, zum Theil aber verhormte Gliafasern“, wozu er noch bemerkt, dass die Menge dieser sehr verschiedenartigen Elemente eine jedenfalls ungemein wechselnde ist. Aber aus seiner weiteren Darstellung muss man unzweifelhaft schliessen, dass er dem Binde- gewebe jede grössere Bedeutung für die Bildung des Septen- systems abspricht. Zum Schlusse der eitirten Stelle schon be- merkt er: „Im Allgemeinen aber scheinen die Piafortsätze und besonders ihre inneren Theile ganz hauptsächlich von den ver- hornten Stützfasern gebildet zu werden“ und an anderem Orte?): „Die aus der Pia in die weisse Substanz eintretenden Gefässe werden von einer lockeren Bindegewebsadventitia umhüllt, welche wieder die Endothelmembran (über diese siehe unten), welche sie einstülpt, als äusserste Hülle besitzt... Das fibrilläre Binde- gewebe ist also im Marke stets und immer durch die Endothel- membran eingeschlossen und auf die Umhüllung des Gefässes be- schränkt. Es nimmt niemals Theil an dem Aufbau des Gerüstes der weissen Substanz“. Die älteren Ansichten Boll’s und Koelliker’s haben wir bereits erwähnt; die Auffassung Koelliker’s hat in seinen neuesten Mittheilungen einen noch bestimmteren Ausdruck erfahren, nachdem er sich für die ektodermale Abstammung der Neuroglia ausgesprochen hat?). Hierher gehören: noch, so weit ich den HN. cc. 1. Theil, S=500: ayalie. TI. Then, 08157: 3) Ueber den feineren Bau des Rückenmarks. Vorl. Mitth. — Sitzgsber. d. Würzburger Phys. med. Ges. 1890. 8. März. — Zur feineren Anatomie des centralen Nervensystems. Zweiter Beitrag: Das Rücken- mark. — Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 51, 1890. — Gewebelehre, 4. Aufl. N Bd. 1. Th. Leipzig, 189. 40 Josef Schaffer: Darstellungen entnehmen kann, Edinger!) und vanGehuchten?). Am entschiedensten hat jedoch von Lenhossck °) in dieser Frage Stellung genommen, indem er jedes Vorhandensein von Binde- gewebe im Rückenmarke, mit Ausnahme der das Mark durch- spinnenden Blutgefässe in Abrede stellt. „Die früher so vielfach vertretenen Angaben über das Eindringen von Bindegewebesbalken von der pia mater her beruhen, wie das schon Boll erkannt hatte, auf einer Verwechslung mit Gliafasern. Alle Fasergebilde in der Stützsubstanz des Markes stellen Fortsätze von Gliazellen dar. Das Rückenmark erscheint uns als durch und durch eetodermales Organ, das auch seine inneren Stützvorrichtungen aus eigenen Mitteln zu bestreiten in der Lage ist und nur das zu seiner Er- nährung dienende Canalsystem, sammt Inhalt natürlich einer fremden Hülfe entlehnt®)“. Ich habe diese ganze Frage, die, wie man aus Vorstehen- dem ersieht, den Forschern nicht unwichtig erschien, so ausführ- lich behandelt, weil dies bisher in diesem Zusammenhange nicht geschehen ist und uns keine der bekannten zusammenfassenden, neueren Darstellungen von Waldeyer°), v. Lenhossek®) und Golgi’) über die Entwicklung dieser Frage Aufschluss giebt. Ich kann mich nun auch mit meinen eigenen Beobachtungen, zu denen ich nun zurückkehre, viel kürzer fassen. Die Entscheidung wird nach unseren Präparaten, in denen Bindegewebe und Glia durch ihre verschiedene Färbung scharf gesondert werden können, leicht. Man sieht ausser dem allgemein anerkannten Piafortsatz, welcher sich als Duplicatur in die ven- trale Fissur einsenkt und den Gefässen, welche in der von Key IMLEG. 2) Le syst&me nerveux de l’homme. Lierre, 1893. 3) Zur Kenntniss der Neuroglia des menschlichen Rückenmarkes. — Verhdlgn. d. anat. Ges. V. Vers. in München, 1891, S. 193. — Der feinere Bau des Nervensystems im Lichte neuester Forschung. Berlin, Kornfeld, 1893. (Als S.-A. aus „Fortschritte der Mediein“.) 4) Fortschr. d. Med. |. e. S.-A. S. 61. 5) Ueber einige neuere Forschungen im Gebiete der Anatomie des Centralnervensystems. — Deutsche med. Woch., 1891, No. 44 u. ff. sowie separat bei Thieme, Leipzig. 6) l.c. 7) Vgl. das Referat „Nervensystem“ in Merkel-Bonnet’s Er- gebnissen d. Anat. u. Entw., I. Bd., 1892. S. 295. Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im menschl. Rückenmarke. 41 und Retzius genau beschriebenen Weise in das Mark eintreten, da und dort an der Peripherie des Rückenmarkes kleinere Binde- gewebszüge die Gliahülle durchbrechen und von Glia begleitet, eine Strecke weit in das Mark eintreten, wo sie im Allgemeinen nach kurzem radiärem Verlaufe und allmählicher Verschmächtigung sich verlieren. Diese kleineren Bindegewebssepten sind, wie man sich an diekeren Schnitten und an Schnittfolgen überzeugen kann ganz unabhängig von Gefässen, bezüglich von der Adventitia der- selben. Damit soll jedoch durchaus nieht gesagt sein, dass sie es auch immer waren, d. h. dass der Weg, auf welchem sie ein- gedrungen sind, nicht die Adventitia der Gefässe gewesen ist. Dies ist sogar sehr wahrscheinlich, wobei man jedoch stets die bekannte Möglichkeit der Rückbildung dieser Gefässe im Auge behalten muss, nach welcher bindegewebige Reste in Form von Septen recht wohl zurückgeblieben sein können. Im Ganzen je- doch ist das Vorkommen solcher oberflächlicher Bindegewebssepta selten und ihre Bedeutung gering. Stärkere Bindegewebsbalken auf grössere Tiefe eimndringend, finden wir stets nur in Begleitung der Gefässe. Sie erlangen aber oft eine so mächtige Entwicklung und sind in so reichlicher Anzahl vorhanden, dass man ihre Bedeutung für das ganze stützende Skelet des Markes nicht unterschätzen kann. An Querschnitten erschemt oft die bindegewebige Adventitia so vom Gefäss abgespalten, dass man ein selbstständiges Piaseptum vor sich zu haben glaubt, eine Fehlerquelle, die man wohl im Auge behalten muss. Eine besondere Erörterung erfordert noch das dorsale mediane Septum, welches, wie wir gehört haben, von vielen Autoren als der mächtigste und einzige in vertikaler Rich- tung continuirliche Bindegewebszug geschildert worden ist, wäh- rend er nach v. Lenhossek, Kölliker, van Gehuchten u. A. ebenso ein reines Gliaseptum sein soll, wie die übrigen. v. Lenhossck!) bemerkt darüber folgendes: Die hintersten, dem Gebiete der Commissura post. grisea angehörenden Epen- dymzellen zeigen eine streng mediane Lage und dicht gedrängte Anordnung, so dass sie sich zu einem compacten Bündel, einer sagittalen Scheidewand zwischen rechter und linker Hälfte des Hinterstranges eoncentriren....... Dieser Streifen galt bis dahin 1) Münchner Verhlgn. 1. c. S. 207 und Fortschr. d. Med. S.-A. e.8. 48. 42 Josef Schaffer: fast allgemein als eine Einsendung der pia mater und man hat daher beharrlich von einer „hinteren Fissur“ gesprochen, der aller- dings von jenem Fortsatze vollkommen ausgefüllt werde. Diese Darstellung ergiebt sich nun als haltlos; das Rückenmark ist hinten unzweifelhaft ungespalten: es weist wohl einen suleus, aber keine fissura post. auf, indem das septum post., das nebenbei ge- sagt, oft gar nicht stärker erscheint, als die übrigen Gliasepta der weissen Substanz eine eigene Bildung des Rückenmarkes darstellt.“ Diese Schilderung ist für das Objekt, das derselben zu Grunde liegt (ein 14 em 1. menschl. Embryo), vollkommen zutref- fend, hat aber, wie wir sehen werden, nur theilweise Geltung für das Rückenmark des Erwachsenen. Innig verbunden mit der Frage nach der Natur des septum dorsale ist die nach dem Vor- handensein einer fissura und eines suleus dorsalis, worüber eben- falls die Angaben bis in die neueste Zeit sehr auseinandergehen. Während die Einen heute noch von Fissuren sprechen (Lav- dowsky, Key und Retzius u. A.) wollen Andere nur einen suleus dorsalis anerkennen (Goll!), Robinson?), v. Lenhosscek, v. Gehuchten u. A.). Nun verhält sich aber die Sache so, dass diese Verhältnisse nicht an der ganzen dorsalen Fläche des kückenmarkes die gleichen sind und kann ich hier auf die alte, aber theilweise vollkommen richtige Beschreibung von Arnold?) verweisen. Er schildert, wie folgt: „Ausser der fiss. long. ant. nimmt man durch die ganze Länge des Rückenmarkes vom Erwachsenen keine andere wahr, weder eine auf der hintern Fläche, noch eine seitliche..... Dagegen erkennt man theils sröbere, theils feinere Furchen. Von diesen liegt eine an der hinteren Fläche in der Mitte, der Spalte vorn gerade entgegen- gesetzt..... Da, wo das Rückenmark in die Med. oblong. über- geht, findet sich hinten eine tiefe Spalte, welche sich nach unten allmählich verliert. Ebenso trifft man öfters an der Lendenan- schwellung bis fast zum Ende des Rückenmarkes in der Länge 1) Beitrag zur feineren Anatomie des menschlichen Rücken- marks. — Denkschr. d. med. chir. Ges. in Zürich. Zürich, 1860. S. 133. 2) On the development of the post. colums ete. — Studies in Anatomy from the Anat. Depart. of the Owens College, Vol. I, Man- chester, 1891, p. 98. 3) nee Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im menschl. Rückenmarke. 43 von 10 Linien eine hintere Spalte, die nach oben sich verliert und in die hintere Furche übergeht. Sie erstreckt sich nicht bis zur grauen Substanz und hat eine Tiefe von 3 Linien.“ Meine eigenen Beobachtungen an einer Reihe von Rückenmarksquer- schnitten ergaben folgendes: Uebereinstimmend mit v. Lenhossck, Koelliker u. A. finde ich das dorsale Septum von Halsmark bis zum Beginn des Lendenmarks als reines Gliaseptum, in welchem von Stelle zu Stelle Gefässe eingebettet erscheinen. Dort, wo dies nicht der Fall ist, erscheint es in der That nicht breiter, als die übrigen Gliasepten (Fig. 1, SLP) und unterscheidet sich von ihnen nur dadurch, dass es continuirlich bis an die hintere graue Commissur reicht!), Während im Halsmark ein suleus dorsalis mehr minder deutlich ausgebildet ist, fehlt ein solcher vielfach vollkommen im Dorsalmark (Fig. 1) und zeigt hier weder Pia noch Gliahülle eine Einsenkung. Anders gestalten sich die Verhältnisse im Lenden- und Sakralmark. Hier findet sich zunächst stets ein gut entwickelter suleus (Fig. 2), dessen Lippen, wie wir hören werden, von einer hohen 1) Angesichts dieser zweifellosen Thatsache scheint es mir mög- lich, dass sich jene Autoren, welche das Septum dorsale als Binde- gewebsseptum beschrieben haben, eine Verwechslung zu Schulden kommen liessen, obwohl sie theilweise richtig beobachtet haben. Die meisten derselben, wie z. B. Gerlach, Schwalbe, Obersteiner beschreiben nämlich an der Pia eine tiefe, eirculärfaserige Lage, welche mit der Oberfläche des Rückenmarkes so innig verbunden ist, dass sie bei Entfernung der Pia immer am Rückenmark haften bleibt. Das Septum posterius sollnun stets immer nur aus dieser inneren, eirculär- faserigen Lage bestehen. Nun zeigt die oberflächliche Gliahülle, wie wir sehen werden, dort, wo sie stärker entwickelt ist, ebenfalls einen deutlich eirculärfaserigen Bau und scheint es mir nach der Fig. 226, S. 370 bei Schwalbe wahrscheinlich, dass die genannten Autoren in ihrer inneren, eirculärfaserigen Lage der Pia nicht die Intima piae (Key und Retzius), sondern die oberflächliche Gliahülle vor sich gehabt und das von derselben abgehende Sept. post. fälschlich für ein Binde- gewebsseptum gehalten haben. Allerdings werde ich in dieser Vermu- thung durch die Schilderung Schwalbe’s (s. o.), der noch eine Lage von Hornspongiosa unter der Pia beschreibt, wieder wankend gemacht. aber so viel ist sicher, dass das Septum post. von der oberflächlichen Gliahülle entspringt und die gleiche Zusammensetzung mit ihr zeigt, wenigstens im unteren Hals- und Brustmark. 44 JosefSchaffer: Glialage bedeekt sind (Fig. 2, GH). Auf und mit dieser Glia- lage senkt sich nun von beiden Seiten eine feine Lamelle der Pia ein (Fig. 2, P, PS), welche in der Tiefe des suleus, wenn sie nicht durch ein eintretendes Gefäss auseinander gehalten werden, zu einem Bindegewebsseptum verschmelzen, welches nun weiter in die Marksubstanz eindringt bis beiläufig auf ein Drittel der ganzen Länge des dorsalen Septum. Dort verliert es sich, wie die kleineren, radiären Bindegewebssepten und wird von einem reinen Gliaseptum fortgesetzt, welches continuirlich übergeht in die zwei Glialagen, welche das Bindegewebsseptum an seinen Oberflächen und die Lippen des suleus dorsalis bedecken (Fig. 2, GH). Im Lenden- und Sakralmark haben wir also in der That ein bindegewebiges septum dorsale und damit auch eine fissura post. oder dorsalis, wie sie Arnold beschrieben hat. Sie reicht aber nie bis zur grauen Substanz und ist das Septum bedeutend schwächer entwickelt, als die Piaduplicatur der fissura ant. Ss. ventralis. Weitere Literaturangaben über diese Frage findet man bei Ber- telli!), welcher speziell die Beziehungen der Pia zu den Furchen des menschlichen Rückenmarkes erörtert hat, weshalb ich hier etwas näher auf die Arbeit Bertelli’s eingehen muss. Dieselbe enthält einige Unklarheiten in der Darstellung, welche das Verständniss wesentlich erschweren. So macht er keinen Unterschied zwischen suleus, Furche und fissura, Spalte; wo eine bis zur grauen Commissur reichende fissura post. (ein suleus nach Bertelli) beobachtet wird, handelt es sich grösstentheils um ein Kunstprodukt. Der sulcus post. wird nun durch den Eintritt der Gefässe und dazwischen gelegenen leichten Einziehun- gen angedeutet, kann aber oft ganz vermisst werden. Nur im Bereiche des Lendenmarks vertieft sich der Suleus und kann hier eine Tiefe von Imm erreichen. Diese Schilderung stimmt vollkommen mit un- seren Beobachtungen an Querschnitten. Dann beschreibt aber Ber- telli trotz des erwähnten Fehlens einer Fissura long. post. ein Septum, welches ebenso, wie das Septum long. ant. aus zwei Blättern der Pia bestehen soll (l.e. S.70). Allerdings hat dasselbe nach Ber- telli’s Schilderung einen ganz eigenthümlichen Bau; es ist netzförmig und besteht aus kleinen und zarten, unregelmässigen Lamellen und fadenförmigen Fortsätzen der Pia, welche untereinander anastomosiren, so dass weite Maschenräume entstehen, deren Ränder noch von einer zarten, gewellten Membran (membranella) umgeben werden. Durch 1) Rapporti della pia madre coni solchi del midello spinale umano. — Atti della Soc. Toscana. Se. Nat. Pisa, Mem. Vol. XII, 1892, p. 57—75. Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im menschl. Rückenmarke. 45 die Löcher dieses Maschenwerkes sollen Stränge von Marksubstanz durchgesteckt sein und diese Anordnung soll die Unmöglichkeit er- klären, das Septum zu entfernen, ohne eine künstliche Fissur zu er- zeugen. Bertelli bildet in seiner Fig. 3 auch ein solches Septum an einem Querschnitte durch die Halsanschwellung des Rückenmarkes ab, wo nach unseren allerdings nicht ausgedehnten Beobachtungen ein solehes nicht vorkommt, wie in der Lendenanschwellung. Auch zeichnet er es als continuirlichen Bindegewebszug ohne Gefässe, was nach seiner vorhergehenden Beschreibung nur so erklärt werden kann, dass es sich um die durch den Schnitt zufällig abgetrennte Adventitia eines grösseren, senkrecht eindringenden Gefässes handelt. Das von Bertelli beschriebene hintere Septum soll bis zur grauen Commissur reichen und hier ebenfalls Fortsätze nach allen Seiten in dieselbe senden. Diese ganze Darstellung scheint mir leicht geeignet, unrichtige Vorstellungen zu erwecken, denn in der That kommt ein echtes, hin- teres Septum nur dem Lendenmarke zu, während im übrigen Rücken- marke nur Gefässe mit ihren reichen Verästelungen, umhüllt von ihrer Adventitia und bedeckt von der oberflächlichen Gliahülle eindringen. Die Grenzmembran dieser letzteren (siehe weiter unten) haftet fest an der Adventitia und kann bei gewaltsamer Entfernung der Gefässe möglicherweise als die von Bertelli beschriebene Membranella zur Beobachtung gelangen. Wir wenden uns nun zur oberflächlichen Gliahülle zurück und lassen zunächst einige Angaben über ihre Entwicklung und ihren feineren Bau folgen. Betreffs ihrer Geschichte verweise ich noch auf Koelliker!), Key und Retzius?), sowie auf die ausführliche Schilderung von Girke?), von dem auch der Ausdruck Gliahülle herrührt, während man sie früher als graue Rindenschichte bezeichnete. Ich konnte diese Gliahülle an einer Reihe ziemlich frischer menschlicher Rückenmarke untersuchen und zwar von drei hin- gerichteten Männern, welche ich mit T, K und H bezeichne, von einem 45djährigen, an Tubereulose verstorbenen, No. 4 und von einem Individuum, dessen Rückenmark 5 Stunden p. m. zur Er- härtung gelangt war, No. 5. Ausserdem wurden die fertigen Sammlungspräparate von menschlichen und thierischen Rücken- marken daraufhin untersucht. Die Gliahülle ist nieht bei allen Individuen und auch beim Rückenmarke ein und desselben Individuums nicht an allen Stellen 1) Gewebelehre, 5. Aufl., S. 271. 2) 1. c. I. Hälfte. Historisches über die Pia mater. 3) 1. e. I. Theil, S. 510. II. Theil, S. 152, 46 JosefSchaffer: gleich stark entwickelt. Auffallend deutlich ausgeprägt fand ich sie bei dem Rückenmarke von T, K, H, No. 4 und beim Schwein. Sehr schwach entwickelt, vielfach fehlend bei No. 5, sowie beim Meerschweinchen und Kaninchen. Am mächtigsten entfaltet er- scheint sie an den Lippen der sulei und an den Austrittsstellen der Wurzeln '). Auch schien sie mir im Lendenmarke stärker ent- wickelt, als am Halsmarke desselben Individuums. "Als Maasse geben unter Anderen Kahler 25—100 u, Ober- steiner 5—40 u, ausnahmsweise bis zu 100 u und Koelliker 22—45 u an. Ich fand ihren Diekendurchmesser bei H 9,75— 43 u, bei No. 4 12—50 u und bei T im Maximum 82—107 u. Die excessive Entwicklung der Gliahülle kam im letzterem Falle noch durch einige, am Schlusse dieser Mittheilung geschilderten Verhältnisse zu besonderem Ausdruck. Hier will ich nur unter Hinweis auf die Fig. 5 erwähnen, dass an einzelnen Stellen der Rückenmarksoberfläche die Glia sogar in Form kleiner Büschel die der Gliahülle aufliegende Pialamelle durcehbrach. Sehr eigenthümlich gestaltet sich nun der feinere Bau dieser Gliahülle, welcher an unseren Präparaten (besonders bei T) sehr deutlich erkannt werden kann. An denselben scheint sie aus- schiesslich aus feinen starren Fäserchen zu bestehen, von Zell- körpern ist, wie erwähnt, nichts wahrzunehmen (Fig. 2—6). Die meisten älteren Beobachter erwähnen neben diesem faserigen auch einen körnigen Bau; auch an unseren Präparaten erhält man bei flüchtiger Betrachtung diesen Eindruck durch zahl- reiche, zwischen den Fasern gelegene, stark glänzende oder in- tensiv rothgefärbte kreisrunde Punkte oder Körner, die sich aber bei aufinerksamer Untersuchung mit dem 2 mm Apochromat von Zeiss sämmtlich als Faserquerschnitte erkennen lassen (Fig. 4 u. 5). Die Fasern zeigen in der Hülle nämlich einen dreifachen Verlauf. Eine Lage, welche dem Markmantel unmittelbar auf- liegt (Fig. 3, 4 und De), besteht aus ziemlich dieht gedrängten, eireulär verlaufenden Fasern. Sie scheint gelegentlich als innerste, eireulärfaserige Lage der Pia beschrieben worden zu sein. Durch diese Lage hindurchgesteckt treten aus dem Markmantel radiäre Fäserchen (Fig. 4,5r), welche theils direkt in die radiären Glia- septen, theils in die Glianetze zwischen den Nervenfasern über- 1) Vgl. auch Paladino |. ce. S. 12. Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im menschl. Rückenmarke. 47 gehen, so dass mit den eireulären Fasern ein diehtes und festes Flechtwerk entsteht. Nach aussen überragen jedoch die radiären Fäserchen die eireuläre Lage um ein weniges, so dass hier die Gliahülle nur aus radiären Faserenden besteht (Fig. 2—6), welche sich direkt an die Pia anlegen; so entsteht unter der Pia ein Raum, Sp, welcher von diesen Faserenden durchzogen und gleich- sam ausgespannt erhalten wird. Vielleicht ist dies der Zwischen- raum zwischen Glia und Pia, den His!) als Epimedullarraum be- zeichnet hat und dessen Vorhandensein von Key und Retzius mit Recht geläugnet worden ist?). In der That gehört der von mir beschriebene Raum ganz und gar der Gliahülle selbst an, während sich diese in der von Key und Retzius beschriebenen Weise so innig an die Pia anlegt, dass zwischen beiden kein freier Zwischenraum vorhanden ist, worüber weiter unten. Zu dieser eireulären und radiären Faserlage kommt nun noch als dritte eine longitudmale; sie findet an Querschnitten ihren Ausdruck in zahlreichen quergetroffenen Fasern, welche zwischen den übrigen längsgetroffenen eingewebt erscheinen (Fig. 3—6) und welche der ganzen Lage auch das körnige An- sehen verleihen. So erscheint also um das ganze Rückenmark, in innigster Verbindung mit seinem Stützskelete eine ausserordent- lich feste Hülle gewebt, welche durch die Elastizität ihrer Elemente und die architektonische Verwendung derselben gewiss eine eminente Schutzvorrichtung darstellt. Ueberall nun, wo Gefässe aus der Pia in das Mark ein- dringen, begleitet diese Gliahülle dieselben (Fig. 3, GS), eine von vielen Autoren u. A. von Gierke?) und Ranvier!) m aus- gezeichneter Weise beschriebene Thatsache. Was mir dabei aber, besonders in tektonischer Hinsicht sehr bemerkenswerth erscheint, ist folgendes: Bei schwach entwickelter Gliahülle erscheinen 1) Ueber ein perivasculäres Canalsystem in den nervösen Cen- tralorganen und über dessen Beziehung zum Lymphsystem. — Zeitschr. f.wiss. Zool. Bd. XV, 1865, S. 127. 2) Ich kann hier auf diese Verhältnisse nicht näher eingehen und erwähne nur, dass bereits Boll eine mit meiner Anschauung vollkommen übereinstimmende Darstellung der Frage, sowie ziemlich eingehende Kritik der Behauptungen von His gegeben hat. De. 4) Technisches Lehrbuch, S. 972. 48 JosefSchaffer: stets die eireuläre und longitudinale Faserlage reducirt, ja sie können ganz fehlen; nie jedoch fehlten die radiären Fäserchen. So sehen wir auch an der Gliahülle der eimdringenden Gefässe, dass sich die Fasern stets senkrecht auf die Längsrichtung des Gefässes rings um dasselbe stellen, so dass sie auch hier wieder mit feinen, spitzen Enden auf die Oberfläche des Gefässes stossen und sich anscheinend mit demselben innig verbinden, ein Ver- hältniss, das bekanntlich zuerst G olgi!) ausführlich geschildert hat. Dies ist eine Anordnung, die man einem Puffersystem vergleichen könnte und der gewiss eine grosse mechanische Bedeutung zu- kommt, wenn es sich darum handelt, die Gefässe vor Druck zu schützen. Dieselbe Erwägung hat für den perimedullären Lymph- raum bereits Gierke?) gemacht. Was nun die Verbindung der oberflächlichen Gliahülle mit der Pia betrifft, so legt sich erstere nach Key und Retzius?), ohne Modificationen ihres Gewebes zu erleiden, so imnig an die gegen sie scharf und gut als Haut begrenzte intima piae an, dass zwischen beiden kein freier Zwischenraum vorhanden ist. Was die feineren Verhältnisse betrifft, so sollen die peripheren Aus- läufer der Glia (Ependym-)Zellen (unsere radiären Gliafasern) nach Retzius*) sich hackenförmig umgebogen, wie der Griff eines Spazierstockes an die Pia anlegen, während sie nach Anderen, so z.B.S. Ramon y Cajal?) dort mit einer kugelförmigen Anschwel- lung endigen. Eine ganz eigenthümliche Anschauung finden wir bei Gierke‘) vertreten. Nach derselben liegt der Pia nach innen hin eine ungemein feine durchsichtige Endothelmembran fest an. Sie ist vollkommen homogen und gelang es Gierke nicht mit Deutlichkeit eine Zusammensetzung aus Endothelzellen an der- selben nachzuweisen oder Kerne durch Färbung sichtbar zu 1) Sulla sostanza connetiva del cervello. — Rend. dell’ Istit. Lomb. 1869. — Contribuzione alla fina anatomia degli organi centrali del sist. nerv. — Rivista elinica di Bologna, 1871. 21-6rTE4 Theil, B: 152. 3) l. c. I. Hälfte, S. 146. 4) Ueber den Bau der Öberflächenschicht der Grosshirnrinde beim Menschen und bei den Säugethieren. -- Verhdlgn. d. biol. Ver- eines in Stockholm, 1891. 5) Sur l’origine et les ramifieations des fibres nerveuses de la moelle embryonnaire. — Anat. Anz. Bd. V, 1890, S. 117. 6) 1.0. D. Theil, 8. 152 us, Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im menschl. Rückenmarke. 49 machen. Aus der Gliahülle erheben sich nun unendlich viele feine und starke borstenartige Fäden, die Fortsätze der Gliazellen, welche sich an die Endothelmembran anlegen; dies geschieht theilweise mittelst einer kleinen Verdiekung, theilweise verschmelzen sie vollkommen mit der Membran.“ Eine solche Membran soll auch die Gliahülle der Gefässe besitzen (Vgl. S. 48). Thatsächlieh kann man Querschnitte durch die Gliahülle, wo diese oft künstlich von der Pia abgehoben (Fig. 4, GM) er- scheint, die erstere von einem vollkommen scharfen, glatten, mem- branartigen Contour begrenzt sehen. Derselbe zeigt bei näherer Betrachtung jedoch keinen Doppelcontour, wie eine Membran, sondern erscheint aus der Verschmelzung der radiären Faserenden gebildet!), welche oft in der von Retzius beschriebenen Weise umgebogen in den Grenzeontour eingehen. Diese Membran setzt sich nun auch überall, wo Gefässe aus der Pia eindringen, auf die Adventitia derselben fort, d.h. auch die Enden der radiär zum Gefässverlauf gestellten Gliafäserchen verschmelzen zu einer limitans, so dass in der That Glia und Nervensubstanz, die ursprüngliche eetodermale Anlage scharf gegen die secundär eingewucherten mesodermalen Elemente ab- gesondert ist. Fig. 3 zeigt diese Verhältnisse in recht instructiver Weise. Bei T erscheint die Grenzmembran GM von der Pia abgehoben und bildet einen Trichter, durch welchen ein Gefäss in ein Glia- septum, GS, eindringt. Der Eintritt des Gefässes ist nicht in den Schnitt gefallen, erst seim weiterer Verlauf im Septum, wo es dureh seine braune Farbe deutlich von der begleitenden Glia ab- sticht. Dagegen ist der Schnittrand des Trichters, die Grenz- 1) Es wäre von grossem Interesse, die Entwicklung dieser Mem- bran zu verfolgen, welche ja bereits am embryonalen Marke scharf ausgeprägt vorhanden ist und die epitheliale Anlage gegen das um- gebende Bindegewebe abgrenzt. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie durch das Verschmelzen der radiären Gliafaserenden allein ent- steht, da dieselben zu dünn sind und in zu weiten Abständen ange- ordnet erscheinen, um eine solche Membranbildung verständlich zu machen. Dass dieselbe aber eine eigenste Bildung der Neuroglia ist, scheint mir aus dem Verhalten der am Rückenmarke des Hingerich- teten T. (Fig. 5) zufällig beobachteten, die Pia durchbrechenden Glia- büschel hervorzugehen welche ebenfalls ganz deutlich eine solche Membran (M) als Begrenzung zeigen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 4 50 JosefSchaffer: membran deutlich und lässt sich dieselbe noch auf die Oberfläche der Gefässadventitia verfolgen (GM) und ebenso lässt sich der ebenfalls radiäre Verlauf der Gliafasern des Septum auf diese Membran zu erkennen. Zuerst wurde diese Grenzmembran von Bergmann!) am Kleinhirn beschrieben und zwar bezeichnete er sie ganz richtig als zarte, strukturlose Lamelle, an welche sich senkrecht aus der grauen Substanz des Kleinhirns aufsteigende Fasern inseriren. Betreffs ihrer weiteren Geschichte verweise ich auf Henle und Merkel?) und die ausgezeichnete Arbeit von Boll, der sich selbst sehr eingehend mit der Membran beschäf- tigt hat und eine im Allgemeinen sehr zutreffende Schilderung derselben giebt. Nur hielt er sie für eine doppelt eontourirte, kern- haltige Membran und fasste sie, soweit sie Gefässe begleitet, als ein Aequivalent der bindegewebigen Adventitia derselben auf, welche hier fehlen sollte. Dies war ein Irrthum; wie an meinen Präparaten ersichtlich ist, besitzen die meisten Gefässe eine oft mächtig entwickelte bindegewebige Adventitia, welche, wenn sie durch den Schnitt vom Gefäss losgetrennt worden ist, oft als stärkerer, radiärer Bindegewebsbalken imponirt. Die Bildung dieser Bergmann’schen Limitans ist schon von Bergmann selbst, sowie von Boll mit der membrana limitans interna retinae verglichen worden ;auch der Bildung desSchmelzober- häutehens liesse sich diese Grenzlamelle der Gliahülle vergleichen. Keinesfalls handelt es sich um eine Endothelmembran, woraus sich ohne Weiteres die Misserfolge Gierke’s erklären, die er bei dem Versuche, Kerne und Zellgrenzen in derselben nachzuweisen erfahren hat. Wir haben bisher stets nur von „Gliafasern“ gesprochen, ohne Rücksicht zu nehmen auf die in neuerer Zeit immer mehr zur Geltung gelangende Auffassung, dass die Neuroglia nur aus verästelten Zellen bestehe und somit das, was wir als Fasern bezeichnen stets nur Zellausläufer wären. Bekanntlich hat schon Koellikert) im Jahre 1867 die 1) Notiz über einige Strukturverhältnisse des Cerebellum und Rückenmarks. — Zeitschr. f. rat. Med. N. F., Bd. 8, 1857, S. 360. 2) l. ec. 8. 60. 3) l.c. S. 86. 4) Gewebelehre, 5. Aufl. Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im menschl. Rückenmarke. 51 Neuroglia für eine einfache Bindesubstanz erklärt, „die ganz und gar aus Netzen sternförmiger Bindesubstanzzellen oder aus einem Gerüste kernloser, aus den Zellennetzen hervorgegangener viel- fach unter einander verbundener Fasern und Bälkchen besteht“ und dieses Netz dem Retieulum im adenoiden Gewebe gleich gestellt. Deiters!) hat die Zellen der Neuroglia zuerst genau beschrieben und Golgi?) war der erste, welcher mit Entschieden- heit betonte, „dass das ganze interstitielle Gewebe der weissen und grauen Substanz der Centren aus Strahlenzellen und ihren Fort- sätzen gebildet werde.“ Durch die weiteren Arbeiten von Boll’), Jastrowitz®), Ranvier°), Gierke‘), sowie die neuesten von S. Ramon y Cajal”), v. Lenhossek®), Lavdowsky?), van Gehuchten!®) und vielen Anderen wurde die Natur dieser Zellen genauer er- forscht und ihre wesentliche Bedeutung für die Bildung der Neu- roglia nachgewiesen. Gegenwärtig besteht nur eine Controverse zwischen den An- hängern der Lehre Golgi’s und allen Jenen, welche hauptsäch- lich nach dessen Methode gearbeitet haben eimerseits und Ran- vier und dessen Anhängern andererseits. Während die ersten stets nur von sternförmigen Zellen mit echten Zellausläufern sprechen, vertrat Ranvier schon frühzeitig die Ansicht, dass die Fasern der Neuroglia eine grosse Unabhängigkeit von den Zellen besitzen. Nach Ranvier besteht die Neuroglia bloss aus Fibrillen verschiedener Länge, die sich vielfach kreuzen und durchflechten. An den Kreuzungsstellen der Fasern erscheinen Zellen in Ge- stalt flacher Plättehen eingelagert, in deren Protoplasma die Fi- brillen bloss eintauchen, ohne mit den Zellen selbst in Verbindung zu treten. Die verästelten Zellen sind demnach Kunstprodukte durch Verklebung der echten Zellen mit den Kreuzungsstellen der feinen Fibrillenbündel entstanden. Diele: 2JEIRLG. S)Elaicz 4) Studien über die Encephalitis und Myelitis des ersten Kindes- alters. Arch. f. Psych. II, 1870; III, 1871. D).Iee. 6).1. c. 7)1 e. und an vielen anderen Orten. S)BlScC. ENiRte: 10) La structure des eentres nerveux. La moelle &piniere et le cervelet. — La cellule, T. VII, 1891, p. 104. e2 592 Josef Schaffer: Während sich Schwalbe, Weigert, Edinger der Ansicht Ranvier’s rückhaltlos anschlossen, vertrat Gierke eine etwas andere Ansicht, indem er die Anlagerung der Gliafasern an die Zellen durchaus nicht wie Ranvier als etwas regelmässiges er- klärte, sondern glaubte, dass sieh dieser Zustand erst bei zu- nehmender Verhornung der Fasern bei älteren Individuen ent- wickle. Selbstständige, verhornte Gliafasern können dadurel entstehen, dass bipolare Zellen ganz in der Bildung ihrer Fort- sätze aufgehen. Durch die Beobachtungen an unseren Präparaten nun, wo man an der Oberfläche eine grosse Masse reinen Gliagewebes vor sich hat, wird man entschieden zu der Ansicht dieser letzteren Autoren gedrängt, dass im erwachsenen Rückenmarke, wenigstens in der oberflächlichen Gliahülle und im Bereich der weissen Sub- stanz die Gliafasern zum grössten Theil unabhängig von den ein- gelagerten Zellen sind. Die Bilder, welche in dieser Beziehung die Golgi’sche Methode giebt, scheinen mir nieht ganz einwurffrei zu sein und sind dieselben auch zumeist an embryonalen oder sehr jugend- lichen Rückenmarken gewonnen. Dass in diesen frühen Ent- wicklungsstadien in der That die Gliafasern den Werth von Zell- ausläufern besitzen, ist sehr wahrscheinlich. Dagegen sprechen die Bilder im erwachsenen Rückenmarke entschieden für die Un- abhängigkeit der Fasern. An Weigerts wie an meinem Präpa- raten tritt dies deutlich hervor, wenn auch bei der Färbung Weigert's häufig der Zellkern mitgefärbt sein soll. Dass man an meinen Präparaten den entschiedenen Eindruck bekommt, als bestände die Gliahülle nur aus Fasern, habe ich schon erwähnt und verweise ich auf die Figg. 2—6. Für die oberflächliehe Glia- lage, die unserer Beschreibung in erster Linie zu Grunde lag, be- tonte schon Golgi!) selbst und ebenso Paladino, dass in ihr die Zellkörper selten sind, die ganze Lage einen festeren Bau besitzt und die Zellausläufer durch grössere Stärke und Starrheit ausgezeichnet sind. Der von Ranvier betonte mikrochemische Unterschied zwi- schen Zellen und Fasern wird abernoch durch einige andere Methoden sehr deutlich; so besonders nach Doppelfärbung mit Boraxcarmin- Indigocarmin. Da erscheinen die Zellkerne roth gefärbt’ und um 1) Sulla fina anatomia degli organi centrali ete., Milano 1886. Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im menschl. Rückenmarke. 53 dieselben kann fman manchmal noch deutlich ein spärliches, zart rosa gefärbtes Protoplasma wahrnehmen, an welches sich dann unmittelbar die intensiv grüngefärbten Fasern anlegen. An Prä- paraten, die einfach mit Hämatoxylin und Eosin doppelt gefärbt wurden, sieht man auch die Kerne lebhaft blau gefärbt und kann die roth’ ‘gefärbten Fasern oft ununterbrochen unmittelbar über dieselben weg streichen sehen, wie dies Ranvier an Isolations- präparaten beschrieben hat. Auch ist es an solchen Präparaten auffallend, dass man in der Gliahülle oft 3—4 Kerne in unmittel- barer Nachbarschaft sieht, während der Verlauf der Fasern an solchen Stellen nicht anders erscheint, als dort, wo auf weite Strecken kein Kern zu sehen ist. Auch sieht man an so be- handelten, wie an Isolationspräparaten nie so mächtige Zellkörper, wie sie an Golgi-Präparaten abgebildet werden. Alle diese Umstände lassen mir die Anschauung Gierke’s als die wahrscheinlichste erscheinen, dass die Fasern sich seceun- där durch eine Art Verhornungs- oder Cuticularisirungsprozess immer mehr von den ursprünglichen Zellen sondern und zuletzt ganz unabhängig von denselben werden können. Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass auch noch im erwachsenen Rückenmarke echte, sternförmige Gliazellen vor- kommen können; darüber müssten besonders Untersuchungen über die Art und Weise, wie Defekte an Nervensubstanz durch Glia- massen ersetzt werden, Aufschluss geben. Schliesslich muss ich noch einer eigenthümlichen Beobach- tung gedenken, welche ich in erster Linie an dem Rückenmarke des Eingangs erwähnten Hingerichteten gemacht habe und später sonderbarer Weise an einigen Rückenmarken anderen Justifieirter bestätigt fand. In diesen (3) Fällen handelte es sich ausnahms- los um eine mächtig entwickelte oberflächliche Gliahülle, während in einem vierten Falle dieselbe nur schwach ausgeprägt war. Die nachfolgende Schilderung bezieht sich hauptsächlich auf das Rückenmark des hingerichteten T, bei dem die Verhältnisse am auffälligsten ausgeprägt waren. An Querschnitten des Rückenmarks (es wurde hauptsächlich Hals-, Lenden- und Sakralmark untersucht) bieten die mit ge- troffenen Nervenwurzeln theils das gewöhnliche Bild, theils zeigen sie ein sehr merkwürdiges Verhalten. Hat man die Schnitte ein- 54 JosefSchaffer: fach nach Kultschitzky’s modifieirter Methode mit Essigsäure- Hämatoxylin gefärbt, so treten zwischen den schwarz gefärbten Markröhren ganz isolirte, scharf abgegrenzte Bündel von wech- selndem, bis zu sehr grossem Durchmesser hervor, welche eine körnige, spongiöse Struktur besitzen und hellbraun, wie das Binde- gewebe gefärbt erscheinen. An entsprechenden Längsschnitten überzeugt man sich, dass es sich um rundliche Bündel handelt, welehe aus dünnen, dieht gedrängten Fäserchen zusammengesetzt erscheinen. An manchen Wurzelquerschnitten wird das Bild fast nur von diesen eigenthümlichen Bündeln beherrscht; so fand ich an einem vorderen Wurzelbündelquerschnitte, dessen grösster Durchmesser 0,432 mm betrug, sieben solche Bündelquerschnitte, von denen der grösste 125 u, die mittleren 50—80 u, die kleinsten 38 u im Durchmesser zeigten. An mit Kernfärbemitteln behan- delten Schnitten liessen sich vereinzelte Kerne in den Bündeln nachweisen, so dass das Bild sehr an Querschnitte markloser Nervenbündel erinnerte. Darauf hin angestellte Controlluntersu- chungen (Vergoldung der Schnitte nach Freud’s Methode, Ver- goldung frischer Nervenwurzeln nach Drasch mit nachfolgendem Zerzupfen) ergaben durchaus negative Resultate. Ein deutliches Lieht auf die Bedeutung dieser Bündel warf erst die nachfolgende Färbung in dünner Eosinlösung. Sie nahmen dieselbe distinete Färbung an, wie die mächtig entwickelte Gliahülle.. An solchen Präparaten liessen sich noch weitere Einzelheiten erkennen. War gerade der Austritt einer Wurzel in den Schnitt gefallen, so sah man, dass dieselbe zunächst von der mächtigen Gliahülle eben- falls eine breitere, oberflächliche Hülle erhielt (Fig. 6). Diese besteht aus mehreren Lagen eirculär verlaufender Fasern, durch welche radiär verlaufende durchgesteckt erscheinen, wie an einem Korbdeckelweidengeflechte; im Inneren des Bündels bilden die Fasern ein Flechtwerk um die einzelnen Nervenfasern, so dass die schwarz gefärbten Markringe der letzteren durch die roth gefärbten Fasern vollkommen isolirt erscheinen (Fig. 3). Der epineurale Piaüberzug sticht wieder scharf gegen diese roth ge- färbten Fasern ab. Durchsucht man die Nervenwurzel von ihrem Austritte in distaler Richtung fortschreitend, so ändert sich das beschriebene Bild zunächst dahin, dass die eireuläre, oberflächliche Faserlage allmählich aufhört und nur das Flechtwerk zwischen den mark- Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im menschl. Rückenmarke. 55 haltigen Fasern vorhanden bleibt ähnlich, wie im weissen Rückenmarksmantel. Dieses Flechtwerk ist aber oft so reichlich entwickelt, dass die Nervenfaserquersehnitte in demselben weit von einander getrennt erschemen. Noch weiter distalwärts sam- meln sich die Fasern des Flechtwerkes endlich zu geschlossenen, diehten Bündeln längsverlaufender Fasern, die gegen die Nerven- fasern durch eine oberflächliche, membranartige Schiehte scharf abgegrenzt erscheinen (Fig. 7). Diese Bündel liegen bald ober- flächlich, bald rings von Nervenfasern umgeben, werden immer schmächtiger, um sich endlich, nach verhältnissmässig kurzem Verlaufe von wenigen mm, noch ehe die Wurzeln den Wirbel- kanal verlassen, kegelförmig zugespitzt zwischen den Nerven- fasern zu verlieren. Wie man aus dieser Schilderung ersieht, kann man nicht zweifeln, dass es sich hier um Neurogliamassen handelt, welche vom Oentralorgan weit in die aus- beziehungsweise eintretenden Wurzeln vorgedrungen sind. Es ist dies eine besonders reich- liche Entwicklung des Stützgewebes, welche mit der ebenfalls ungewöhnlich starken Entwicklung der Gliahülle zusammenzu- hängen scheint. In ähnlicher Form fand ich diese extramedullären Glia- bündel nur noch in einem Rückenmarke, das ebenfalls einem Hingeriehteten entnommen war. Hingegen vermisste ich sie in einigen anderen untersuchten Rückenmarken vollständig. Entwicklungsgeschichtlich wäre das Vorkommen leicht ver- ständlich, sind ja doch vereinzelte Ganglienzellen in den Wurzeln schon lange gefunden worden (eime solche wurde zufällig auch in der in Fig. 6 abgebildeten Wurzel bei Gz gesehen) und ebenso, wie diese ausgewandert sein müssen, können auch die Gliazellen ausgewandert sein. Eine andere Frage ist es jedoch, ob es sich hier um eine individuelle Variation, um eine übermässige Entwicklung sonst normaler Verhältnisse oder um ein pathologisches Vorkommniss handelt. Die Nervenfasern in den Wurzeln boten im Allgemeinen keine abnormen Erscheinungen ; in einer oder der anderen schien mir wohl der Achseneylinder gequollen, dann war aber wieder an ganzen Wurzelquerschnitten nicht die geringste pathologische Veränderung wahrzunehmen. Bekanntlich wandert Glia immer dort, wo im Centralnervensystem Nervensubstanz durch Erkran- 56 JosefSchaffer: kung ausfällt, im die leer werdenden Stellen ein; gegen eine solche Möglichkeit spricht aber in unserem Falle schon die Art der Anordnung der Gliafasern, wie ich sie in Fig. 6 abgebildet habe. Auch konnte ich für die Annahme, dass es sich hier um ein pathologisches Vorkommniss handle, weder in der Literatur der Nervenpathologie ein Analogon finden, noch von Seite der pathologischen Anatomen einen Aufschluss erhalten. Dagegen liegen Beobachtungen vor, welche für die erste, oben ausge- sprochene Ansicht zu verwerthen sind. Dass wir in der eingehenden Untersuchung über die mensch- lichen Rückenmarkswurzeln von Siemerling!) nichts ähn- liches beschrieben finden, könnte man damit erklären, dass Siemerling in dem einzigen Falle, von dem er allerdings alle Wurzeln untersucht hat, die letzteren 3—4 mm von ihrem Aus- tritte aus dem Rückenmark abgetrennt hat. Dagegen finden sich Andeutungen über das Vorkommen von Neurogliafasern in den Wurzeln bei Kölliker?), Lavdowsky°) und Edin- ger). Ersterer erwähnt an der eitirten Stelle, dass von der oberflächlichen Hülle in Begleitung der Blutgefässe und z. Th. auch der Nervenwurzeln eine grosse Anzahl von Balken und Fasern in das Innere hineinziehen, welche alle aus Neuroglia bestehen und Scheiden um die betreffenden Theile bilden, die bei den Nervenwurzeln auch zwischen die einzelnen Fasern sich erstrecken. Lavdowsky lässt in seiner bereits erwähnten Fig. 7, Taf. XVI auch emige Gliafasern als Zellfortsätze in eine dorsale Wurzel eintreten. Edinger erwähnt kurz, dass das Netz der Neuroglia als breite Zone fast reiner Gerüstsubstanz die ganze Oberfläche von Gehirn und Rückenmark überzieht und sich auch zapfenförmig noch ein Stück in die einzelnen Wurzeln hinein erstreckt. Ganz analoge Verhältnisse jedoch, wie die hier am Rücken- mark beschriebenen, wurden von Thomsen und Oppenheim an Hirnnerven zuerst beobachtet, von Ersterem auch theilweise 1) Anatomische Untersuchungen über die menschlichen Rücken- markswurzeln. Berlin, 1887. 2) Gewebelehre, 6. Aufl., 1893, II. Bd., I. Th., S. 151. 3) rc. 4) l.c. S. 16. Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im menschl. Rückenmarke. 57 vollkommen mit unserer Schilderung übereinstimmend beschrieben, jedoch falsch gedeutet. Eine Bestätigung der Befunde dieser Autoren und auch die richtige, mit unserer übereinstimmende Deutung derselben wurde dann von Staderini gegeben, dessen Mittheilung mir durch Zufall erst jetzt bekannt geworden ist. Thomsen beschrieb zuerst !) in einem N. abducens, beziehungsweise oculomotorius von Alkoholisten kleinere, rundliche, multiple Plaques, die, in sonst ganz gesundem Nervengewebe liegend und von letzterem scharf abgesetzt aus einer körnigen Substanz bestanden, welche sich mit Carmin intensiv färbte und in welcher sich noch ver- einzelte gesunde oder atrophische Nervenquerschnitte nachweisen liessen. Er fasste sie damals als Degenerationsherde auf. Bald darauf beschrieb Oppenheim?) die gleichen Herde im Facialis bei einem Fall von Bulbärparalyse ohne anatomischen Befund und sprach, ohne näher darauf einzugehen, die Ansicht aus, dass es sich um ein, noch nicht näher gekanntes, normales Vorkommniss handle, eine Ansicht, der sich in einer weiteren Mittheilung auch Thomsen?°) anschloss. Dieser konnte das Vorkommen der fraglichen „Herde* an Querschnitten des Oculo- motorius, Abducens und Facialis eonstatiren; einmal beobachtete er einen solchen „Herd“ auch in eimer hinteren Lumbalwurzel. Dass Thomsen die wahre Bedeutung dieser „Herde“ als Bündelquerschnitte nicht erkannte, liegt hauptsächlich wohl darin, dass er fast nur Querschnitte untersucht hat; denn wenn er auch bemerkt (S. 463): „An Längsschnitten erscheinen die Herde als kurz spindelförmige Gebilde“, so hat er hier offenbar Schrägschnitte vor sich gehabt. Die genauere Schilderung Thomsen ’'s jedoch, sowie seine Abbildung 1 zeigen aber deut- lich die vollkommene Uebereinstimmung mit unseren Querschnitts- bildern. Zum Beweise dieser Uebereinstimmung hebe ich kurz folgendes aus Thomsen’s Beschreibung hervor. Die Herde 1) Beitrag zur multiplen Alkohol-Neuritis. — Mendel’s (neuro- logisches) Centralblatt, 1837, S. 22. 2) Ueber einen Fall von chronischer progressiver Bulbärparalyse ohne anatomischen Befund. — Mendel’s Centralblatt, 1887. 3) Ueber eigenthümliche aus veränderten Ganglienzellen hervor- gegangene Gebilde in den Stämmen der Hirnnerven des Menschen. — Virchow’s Arch. Bd. 109, 1887. 5) nn JosefSchaffer: bestehen aus einer grobkörnigen, bezw. feingestrichelten Substanz, die dureh vielfältige Lücken und Hohlräume zerklüftet ist und in der man zuweilen stark lichtbrechende Körper von der Grösse eines Zellkernes constatirt. Sie bleiben absolut unverändert bei Einwirkung von Essigsäure, KOH oder Aether; mit Hämatoxylin lassen sich in denselben spärliche Kerne nachweisen. Ihre Grösse schwankt; einige haben einen Durchmesser von 2—3, andere einen solchen von 10—20 Nervenfasern. Das umgebende Gewebe besteht aus absolut gesunden und unveränderten Nervenfasern. Von Interesse ist eine zweite Form dieser eigenthümlichen Sub- stanz, wie sie Th. beschreibt: Sie umgiebt in Form eines Kranzes oder Bandes ein grösseres Nervenbündel und sendet unregel- mässige Fortsätze zwischen die umgebenden normalen Fasern oder aber es schiebt sich der Herd fast in Gestalt eines breiten Bindegewebsseptums zwischen die Nervenbündel hinein. Am häufigsten fand er sie dort, wo die Nerven extracerebral wer- den. Th. lässt diese Herde aus veränderten Ganglienzellen her- vorgehen, obwohl ihm selbst diese Erklärung nieht ausreichte zum Verständniss des Vorkommens von Nervenfasern innerhalb der Herde, sowie ihrer kranz- oder septumartigen Form. Die richtige Erklärung dieses eigenthümlichen Vorkommens, nebst einer Bestätigung und Bereicherung der objeetiven Befunde Thomsen’s gab dann Staderini!) in einer Mittheilung, welche mir, wie erwähnt, erst jetzt durch Zufall bekannt geworden ist, während ich meine ersten einschlägigen Beobach- tungen unter dem Datum Juni 1890 verzeichnet finde. Sta- derini beschreibt dieselben Herde ausser in den drei von Thomsen genannten Nerven auch noch im Trochlearis (in dem sie weder Thomsen noch Oppenheim hatten finden hönnen) und im Vagus. Er versuchte verschiedene Färbungen (Wei- gert’s Hämatoxylin, Fuchsin, Beale’s Carmin) und fand, dass die körnigen Massen stets eine von der Nervenfärbung verschie- dene zeigen. Bei näherer Untersuchung erwiesen sich dieselben zusam- mengesetzt aus zahlreichen, feinen Fibrillen, welche unter einan- der verfloehten sind und ein Netzwerk mit gestreckten, unregel- 1) Contributo allo studio del tessuto interstiziale di aleuni nervi eraniensi dell’ uoıno. — Monitore zool. ital. Anno I, No. 12, 1890. Beiträge zur Kenntniss des Stützgerüstes im menschl. Rückenmarke. 59 mässigen Maschen bilden, in welchem man mit Carmin verschie- dene runde Zellkerne nachweisen konnte. Durch das Studium von Längsschnitten und Querschnittsserien konnte er weiter eon- statiren, dass es sich um Bündel handle, welche wie Scheide- wände zwischen den Nervenfasern, die stets ein normales Aus- sehen zeigten,‘ eingeschaltet erscheinen und centralwärts sich oft in ein Netzwerk auflösen, von welchem gleichmässig vereinzelte Nervenfasern umschlossen werden, während sie peripherwärts nach einem Verlaufe von 2!/,—3 mm kegelförmig zugespitzt enden. Für die richtige Erkenntniss der Natur dieser Faser- bündel aber war am entscheidendsten die Beobachtung, dass die oberflächliche Gliahülle direkt in jene Stränge dureh Vermittlung der Netzwerke übergeht und dass St. mittelst der Golgi’schen Methode typische Neurogliazellen in diesen Strängen nachweisen konnte. ’ Aus vorstehenden Mittheilungen ergiebt sich die vollkom- mene Analogie unserer Beobachtungen am Rückenmarke mit denen an den Gehirnnerven. Die wesentlichen Ergebnisse der vorliegenden Untersuchun- gen wurden bereits m Form einer vorläufigen Mittheilung unter dem Titel „Die oberflächliche Gliahülle und das Stützgerüst des weissen Rückenmarksmantels“ im „Anatomischen Anzeiger, IX. Bd., No. 8 mitgetheilt. Für die künstlerische Ausführung der Abbildungen bin ich Herrn Dr. Amand Schlossarek, Sekundärarzte am St. Anna- Kinderspitale zu besonderem Danke verpflichtet. Während der zweiten Correktur dieser Arbeit kam mir die Dissertation von Cl. Sala y Pons „La Neuroglia de los Verte- brados“, Madrid, Junio 1894, gedruckt zu Barcelona, in die Hände. Dieselbe enthält im Wesentlichen eine Zusammenfassung der Arbeiten über die Neuroglia der Wirbelthiere, jedoch fast aus- schliesslich nur soweit sie Untersuchungen mittelst der Methode von Golgi betreffen, weshalb ich hier von einer eingehenden Besprechung derselben absehen kann. 60 J. Sehatfer: Beitr. z. Kenntn. d. Stützgerüstes i. menschl. Rückenm. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IV. Siämmtliehe Figuren sind Präparaten menschlicher Rückenmarke entnommen, welehe in Müller’scher Flüssigkeit gehärtet und nach der eingangs im Text beschriebenen Methode mit Essigsäure-Hämatoxylin und Eosin gefärbt worden waren. Fig. 1. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 7. Septum long. post. Unteres Dorsalmark eines an Tbe. Ver- storbenen. #8 Hinterstrang, SZP septum long. post., reines Gliaseptum, SPM septum paramedianum, G@H oberflächliche Gliahülle, P Pia. Vergr. 126. Septum und suleus long. post. Lendenmark eines Hingerich- teten (T). 8 Hinterstrang, PS Bindegewebslamelle der Pia als Septum in der fissura long. post., @H Gliahülle desselben, welche direkt auf die Lippen des sulcus long. übergeht (G@H,). Sp epimedullärer Spaltraum mit radiären Gliafaserenden. Bei @B hervorbrechende Gliabüschel. P Pia, A Arterie, V Venen. Vergr. 81. E Randpartie eines Seitenstranges SS vom Sakralmarke eines Hingerichteten. P Pia mit Gefässen, @H Gliahülle mit dem epimedullären Spaltraum Sp, durch welehen die radiären Gliafaserenden laufen. Bei @$ ein stärkeres Gliaseptum mit einem Gefässe, welches aber nicht bis zur Pia verfolgt werden kann, da aussen (bei 7) der Schnitt unter die Abgangsstelle gefallen ist. Dagegen wird hier die Grenzmembran der Glia- hülle ‚FM, sichtbar, welche sich bei 7 trichterförmig einsenkt zur Begleitung des Gefässes und noch weiter die Adventitia des letzteren bedeckt (GM,), auf welche wieder radiäre Glia- faserenden zulaufen. Vergr. 126. Partie der oberflächlichen Gliahülle ‚#4, künstlich von der Pia ‚P, abgehoben, so dass die Grenzmembran der Glia ‚@M, deutlich sichtbar wird. In die Bildung derselben gehen die radiären Gliafasern ,‚r, ein. ce eirculäre Gliafasern, die longi- tudinalen als Punkte zwischen den ersteren sichtbar. Sp epi- medullärer Spaltraum. — Lendenmark eines Hingerichteten. Vergr. 443. Die Stelle @B der Fig. 2 bei 443facher Vergrösserung. Die Pia ‚P, durchbrechende Gliabüschel, welche sich ebenfalls mit einer membrana limitans ‚M, umgeben haben. Die übrigen Bezeichnungen wie oben. Austretende, vordere Rückenmarkswurzel mit Gliaumhüllung ‚#H, Sakralmark eines Hingerichteten. Bei @z eine Ganglien- zelle, bei g ein Gefäss. Die übrigen Bezeichnungen wie oben. Vergr. 126. Ein vorderes Wurzelbündelchen bald nach seinem Freiwerden aus dem Lendenmark mit 8 Gliasträngen ‚Gst, im Querschnitt. Bei g ein Blutgefäss. Vergr. 81. 61 (Aus dem II. anatomischen Institute zu Berlin.) Ein Beitrag zur Kenntniss des menschlichen Primordialcraniums'). Von Martin Jacoby. Hierzu Tafel V. Die Morphologie des Kopfes, zu der die Morphologie des Schädels sich im Laufe der letzten Jahrzehnte entwickelt hat, nimmt eine bevorzugte Stellung in der Forschung ein. Indem ich es unterlasse, die grosse Literatur zu besprechen, die sich mit diesem wichtigen und so interessanten Thema beschäftigt, will ich nur auf die wesentlichsten und die neueren Arbeiten über das Primordialeranium der Säuger und insbesondere des Menschen eingehen, da meine eigenen Untersuchungen nur das Primordialeranium des Menschen behandeln. Nachdem bereits Rathke und Reichert auf viele wich- tige Punkte hingewiesen hatten, erfuhr die Entwicklungsgeschichte ddes Säugerschädels und speciell auch des menschlichen Uraniums wesentliche Bereicherung durch die Untersuchungen Kölliker’s und seiner Schüler. Kölliker betonte die ausserordentliche Reduction des menschlichen Primordialeraniums gegenüber dem der Säuger. Er eonstatirte, dass eine primordiale Decke überhaupt nicht zur Ausbildung gelangt und dass Seitenwände nur theilweise ange- legt werden. 1) Die Veranlassung zur - Bearbeitung des vorliegenden Themas gab eine von der Berliner medieinischen Fakultät ausgeschriebene Preisaufgabe: „Die erste Anlage des Primordialeraniums menschlicher Embryonen ist zu untersuchen und die Form desselben durch Recon- struetion genau festzustellen.“ Der von mir eingereichten Abhand- lung, welcher ein durch Reeonstruction hergestelltes Modell des Primor- dialeraniums beigefügt war, wurde der ausgeschriebene Preis zuer- kannt. Das Modell wird in nächster Zeit von Herrn Ziegler in Freiburg in Wachs ausgeführt und vervielfältigt werden. 62 Martin Jacoby: Unter Kölliker’s Leitung beschrieb Spöndli die Pri- mordialerania mehrerer Säugethiere und des Menschen. Seine Untersuchungen machten es bereits möglich, sich eine im allge- meinen richtige Vorstellung von der Gestalt des Primordialera- niums zu bilden. Den Schwerpunkt legte er in seinen Ausfüh- rungen auf die Bekämpfung der alten Wirbeltheorie des Schädels, die damals erst zu wanken begann und beschäftigte er sich des weiteren mit der Verknöcherung des Primordialeraniums. Geraume Zeit später setzte Deeker Spöndli’s Unter- suchungen fort. Er verbreitete sich über eine ganze Anzahl Säugethiere, untersuchte aber nicht das menschliche Cranium. Mit Hülfe der von ihm fast ausschliesslich angewandten makro- skopischen Untersuchungsmethoden stellt er einige Unterschiede zwischen den verschiedenen Species fest und betonte besonders, dass das knorpelige Primordialeranium zu einer Zeit, in der noch keine primordialen Knochenkerne aufgetreten sind, durchaus noch keine Abgrenzung eimzelner Theile unter sich erkennen lässt, sondern dass vielmehr die aneinanderstossenden Partieen unmittel- bar ineinander übergehen. Endlich kommen für das Primordialeranium speciell des Menschen die Arbeiten von Dursy, Hannoverundv. Noor- den in Betracht. Dursy hat neben vielem Anderen das eigenthümliche Ver- halten der Chorda in der Schädelanlage untersucht und die Un- terschiede, die in dieser Beziehung zwischen den Säugethieren und dem Menschen bestehen, hervorgehoben. Ausserdem verweilt er ausführlich bei der Entwicklung des Nasenskelets und legt mit Recht auf die Thatsache Nachdruck, dass im Primordial- cranium ein eontinuirlicher Uebergang von dem Primordialknorpel des Keilbeins bis zum Nasenknorpel besteht. Hannover hat eine grosse Anzahl menschlieher Embryo- nen untersucht, ohne jedoch in Bezug auf die genaue Gestalt und die Ausbildnng des Craniums wesentlich neues beizubringen. Er hat zur Erkenntniss der Formen sich hauptsächlich der ma- kroskopischen Präparationsmethoden bedient und das Mikroskop und die Schnittmethoden nur für histologische Fragen benutzt. Eingehender hat er die älteren Stadien untersucht und die Ver- knöcherung des Schädels und die daran sich anknüpfenden Theo- rien einer genaueren Erörterung unterzogen. Ein Beitrag zur Kenntniss des menschlichen Primordialeraniums. 63 v. Noorden ist bisher der Einzige, der das Primordial- cranium des Menschen mit den neuesten Methoden untersucht hat. Er hat 3 Embryonen an Serienschnitten studirt und Reconstruc- tionen angefertigt. Für das Studium des Primordialeraniums des Menschen in der Zeit da es am Besten ausgebildet ist, waren seine Embryonen aber ohne Zweifel viel zu wenig entwickelt. Wie ich glaube, ist hier sicher noch eine Lücke in unserer Kenntniss des Primordialeraniums auszufüllen und ich folgte da- her gern einer Anregung des Herrn Professor Hertwig, mich an die Bearbeitung der von der Fakultät gestellten Aufgabe zu machen. Für die gütige Anregung, die freundliche Ueberlassung des Materiales und der Hilfsmittel seines Institutes sowie für die Jeder Zeit bereitwilligst ertheilten werthvollen Rathschläge fühle ich mich ihm zu grösstem Danke verpflichtet. Zunächst soll nun einiges über das Material und die aus- geübten Methoden hier seinen Platz fmden, dann werde ich die genaue Gestalt des Primordialeraniums beschreiben, wie sie sich nach meinen Befunden darstellt und zum Schluss werde ich die Ergebnisse der Autoren disceutiren und die meinigen kurz zu- sammenfassen. Material und Methode. Mein Material bestand aus einem menschlichen Em- bryo von 50 mm Scheitelsteisslänge. Genaues über die Methode seiner Behandlung findet sich in einer Arbeit von Baumgarten, der an ihm die Entwicklung der Gehörknö- chelchen studirt hat. Hier will ich nur das wichtigste anführen. Der gut conservirte Embryo war in Boraxkarmin durchgefärbt und in eine Serie von 0,02 mm dieken Schnitten zerlegt worden, die vom Scheitel bis zur Herzgegend geführt wurden, die Schnitte wurden mit Bleu de Lyon nachgefärbt. Die Methode ermöglicht, wie Baumgarten angiebt, nicht nur eine ausgezeichnet deutliche Färbung und Differenzi- rung des Knorpelgewebes, sondern giebt auch klare Bilder des Faserverlaufes im Centralnervensystem, die Ganglien- zellenkerne erscheinen dunkelroth, die Nervenfasern hellblau. Ich will noch weiterhin hervorheben, dass auch die eben ange- 64 Martin Jacoby: legten Deekknochen dureh eine andere Nuance des blauen Tones sich deutlich differenziren und dass die nicht unwichtigen Zellen- anhäufungen im Bindegewebe durch intensivere Färbung hervor- treten. Der Embryo stellt ein günstiges Objekt zur Feststellung der genauen Gestalt des Primordialeraniums dar, weil das Letz- tere bereits hinreichend entwickelt ist und man da, wo die Ent- wieklung noch nieht abgeschlossen ist, doch ziemlich deutlich den Weg erkennen kann, den die Entwieklung nehmen wird. Der Embryo ist älter und weiter entwickelt als die von v. Noor- den untersuchten Embryonen. Zum Studium der Gestalt des Craniums bediente ich mich nun neben der Schnittbetrachtung einer Reconstructions- methode, die in der Hauptsache der Born schen Plattenmethode entspricht. Die Schnitte wurden mittels eines Projeetionsapparates un- ter Anwendung von eleetrischem Bogenlicht auf eine vertikal gerichtete Zeiehenfläche projieirt und bei 2dfacher Vergrösserung gezeichnet. Der Apparat vereinigt eine gute Lichtquelle mit grossem Gesichtsfeld bei beliebiger Vergrösserung. Mit jeder Zeiehnung wurden zwei sich winklig schneidende Definirlinien mitgezeichnet; die Vergrösserung wurde nach jeder Unterbreehung der Arbeit genau controlirt. Gezeichnet wurden die knorpligen Organe von dem distalen Ende der Meekel’schen Knorpel an bis dahin, wo scheitel- wärts der Knorpel überhaupt aufhört. Auch die Deekknochen wurden berücksichtigt, andere Organe nur zur Orientirung mit in die Zeichnung aufgenommen. Von den 0,02mm dieken Schnitten wurde immer der zweite gezeichnet, im ganzen 168 Schnitte. Ich zeichnete auf Cartonpappe von I mm Dicke, so dass also die Vergrösserung in der Höhe der Flächenvergrösserung entsprach. Die Zeichnungen wurden dann unter dem Mikroskop noch einmal genau auf ihre Richtigkeit geprüft und schliesslich mit einer femen Laubsäge ausgeschnitten. Gestalt des Primordialeraniums im allgemeinen. Bei der Betrachtung des Modells fällt zunächst die rudi- mentäre Ausbildung des Primordialeraniums auf. Eine Decke ist überhaupt nicht vorhanden, Seitenwände sind nur im hinteren Ein Beitrag zur Kenntniss des menschlichen Primordialeraniums. 65 Theile ausgebildet. Nach hinten zu sehen wir in der Gegend der späteren Squama oceipitis eine weite Oefinung. Hier besteht der dorsale Verschluss noch nicht aus Knorpel, sondern aus der nicht in das Modell aufgenommenen „Membrana spinoso-oeeipitalis“. Nur in der Gegend, in der später sich die Grenze zwischen Parietale und Occipitale befindet, erkennen wir eine knorplige dorsale Wandung von geringer Höhe. Alle Knorpelanlagen, die bereits ausgebildet sind, stehen miteinander in Zusammen- hang; wir können keine Lücken zwischen den einzelnen Anlagen des Craniums, wohl aber bei den meisten mit mehr oder weniger Schwierigkeiten Grenzen innerhalb des Knorpels er- kennen. Nomenelatur. Wir werden nun bei der Beschreibung des Craniums im folgenden keine rationelle Nomenclatur anwenden können, weil das so lange eine Unmöglichkeit ist, als wir noch nicht über die erste Anlage des menschlichen Primordialeraniums unterrichtet sind. Hat ja doch Gaupp erst neuerdings darauf hingewiesen, dass eine rationelle Nomenclatur, die O. Hertwig bereits in seiner Batrachierarbeit als erstrebenswerthes Ziel hingestellt hatte, sich zur Zeit noch nicht einmal für die so gut gekannten Am- phibien durchführen lässt. Ich werde also, wie es hisher üblich war, die Namen von den späteren knöchernen Gebilden nehmen, jedoch mit der Kölliker’schen Schule von Regionen spre- chen, um erkennen zu lassen, dass wir nur Theile eines einheit- lichen Ganzen vor uns haben. Topographischer Ueberblick. (Biel und'’2.) Als Kern des Craniums erkennen wir in der Mitte der Basis die Regio sphenoidalis mit den Alae temporales (A.t.) und orbitales (A.o.). Nach vorne geht die Regio sphenoidalis in die Regio ethmoidalis über und diese wieder in dass Septum narium, welches mit den seitlichen Nasenknorpeln (Fig. 2, Rn.) in Verbindung steht. Nach hinten setzt sich die Regio sphenoidalis mit schwer feststellbarer Grenze in die Regio oceipitalis fort. Zu beiden Seiten des Hinterhaupts und des Keilbeinknorpels erbliekt man die knorpligen Gehörkapseln (Fig. 1, Cchl.), die mit beiden auch Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 5 66 Martin Jacoby: in knorpliger Verbindung stehen. Nach oben gehen die Gehör- kapseln in vertikal gestellte, gewölbte Platten über, die, wie schon früher angedeutet, in ihren oberen Theilen in der Medianebene dorsalwärts zusammentreffen. Das Hinterhauptsbein geht ohne eigentliche Grenze in den obersten Halswirbel über; eine Abgrenzung lässt sich höchstens durch das Verhalten der Chorda vornehmen. Vom Visceralskelet und von den Deekknochen, soweit sie schon vorhanden sind, wird einiges der Vollständigkeit halber angefügt werden. Regio sphenoidalis. Die Regio sphenoidalis steht mit den Gehörkapseln, dem Oeceipitalknorpel und der Regio ethmoidalis in knorpliger Ver- bindung. Wir unterscheiden an ihr einen Körper und zwei Flügelpaare. Körper. Der Körper zeigt in der Mitte eine Grube mit einem gegenüber dem umgebenden Knorpel sehr dünnen Boden. In dieser Grube, wohl ohne Zweifel der Sella tureica (Fig. 1, St.), lagert ein Organ, das mit dem Zwischenhirn in Verbindung steht, die Hypophyse. Der dünne Knorpelboden deutet wohl noch auf ein früher vorhandenes Hypophysenloch hin. Die Hinterwand der Grube ist hoch und wird nach der freien oberen Kante hin allmählich dünner. Es handelt sich um das Dorsum ephippii (D.e.), an dem wir noch nichts vom Pro- cessus celinoidei postiei bemerken. Auf dem Medianschnitte des Modells sehen wir etwa 12mm unterhalb des freien Randes des Dorsum ephippii innerhalb des Knorpels die Chorda dorsalis enden. Nach hinten geht der Körper des Keilbeinknorpels als Clivus Blumenbachii (CI. B.) ziemlich steil in die Occipi- talregion über. Vor der Sella tureieca erhebt sich das Tuber- culum ephippii (7. e.), vor dem das Chiasma nervorum opti- corum (Och. n. opt.) ruht. Processus elinoidei medii sind nicht vorhanden. Am hinteren Winkel des Körpers fällt der Canalis earotieus (7 u. II) auf. Wie zu erwarten, bildet der Keilbeinknorpel eine solide Masse; die Höhlen des erwachsenen Knochens beruhen ja erst auf später auftretenden Resorptionsprocessen. Ein Beitrag zur Kenntniss des menschlichen Primordialeraniums. 67 Alae sphenoidales. Im Gegensatz zu den defmitiven knöchernen Verhältnissen sind die Alae orbitales (Fig. 1 und 2, A.o.) des Primordialeraniums bedeutend grösser als die Alae temporales (A.t.). Die Ala temporalis ist an einer Knorpelbrücke be- festigt, welche Keilbein mit Felsenbeinknorpel im Primordial- eranium verbindet; der Schläfenflügel ragt frei in das umgebende Bindegewebe hinein, ohne jede sonstige knorplige Verbindung, er hat ungefähr die Gestalt einer sehr spitzen Pyramide, deren Basis nach oben gerichtet ist. Hier oben findet sich eine ziem- lich tiefe Rinne, welche durch den zweiten Ast des Trigeminus ausgefüllt ist, wir haben wohl vermuthlich das noch nicht ge- schlossene Foramen rotundum vor uns. Ein Foramen ovale und spinosum ist nicht zu konstatiren, auch nicht zu erwarten, da wir den 3. Ast des Trigeminus ausserhalb des Knorpels seinen Weg einschlagen sehen, während wir eine Arteria meningea media überhaupt nicht sicher feststellen konnten. Alae orbitales. Die Alae orbitales entspringen von dem vorderen Theile des Sphenoidalknorpels mit zwei Wurzeln, dureh die ein Loch (//T) für den Durchtritt des Sehnerven ge- bildet wird. Die Flügel sind nach vorn und lateral gerichtet. Die Gestalt ist etwa sichelförmig, wenn man von den zwei Fort- sätzen, die jeder Flügel trägt, absieht. ®yer eine Fortsatz ist nach hinten gerichtet und endet als freier Vorsprung über dem vorderen Theile der Sella tureiea. Wir erkennen die Processus elinoidei anteriores (IV). Die anderen Fortsätze sind nach oben gerichtet und finden sich an der Stelle, an welcher die Sichel ihre stärkste Krümmung zeigt. Für sie können wir ontogenetisch keine Erklärung finden, später werden wir schen, dass die Phylogenie das Räthsel zu lösen fähig ist. Vorn und unten finden wir eme Knorpelbrücke zwischen der Ala orbitalis (Fig. 1 und 2, A.o.) und der Nasoethmoidal- region. Schon Dursy hat eine solche beobachtet und sie Orbital- platte (Op.) benannt. An die Flügel schliessen sich nach vorne hin an 2 flache Schalen, deren Concavität medianwärts gerichtet ist und die aus zarten Deekknochen bestehen: Die Frontalia (Fr.). Selbst- verständlich haben sie ihren Platz in dem Bindegewebe, in dem 68 Martin Jacoby: sie sich entwiekelt haben und sind dem Knorpel nur benachbart, nieht mit ihm in Verbindung. Regio ethmoidalis et nasalis (Iin.). Der Sphenoidalknorpel geht ohne Grenze allmählich in den Ethmoidalknorpel über. Das Niveau der Ethmoidalregion erreicht nicht das der Ala orbitalis; sie setzt sich an etwas tiefer gelegene Schichten des vorderen Keilbeinendes an, wendet sich dann in leichtem, nach oben offenem Bogen nach vorne, um an dem Vorderende des Craniums eine wulstförmige Erhebung zu zeigen. Dieses ganze Gebilde ist als schmaler Kamm nur auf die Medianebene beschränkt. Wohl ohne Zweifel haben wir in ihm die Crista galli (Cr. g.) zu suchen; knorplige Siebplatten fehlen noch gänzlich. Wie das Modell zeigt, setzt sich die Ethmoidalregion nach unten in vertikaler Riehtung in die Nasenscheidewand fort. Be- trachten wir das Cranium von vorne, so sehen wir auf dem Vorderende der Nasenscheidewand eine ziemlich tiefe Furche, welche dadurch entsteht, dass hier die Seitentheile des Nasen- knorpels sich mit vorspringendem Bogen an die Scheidewand ansetzen. Die knorplige Nasenscheidewand zeigt ebenso wie das sie umgebende Bindegewebe eine dem frühen embryonalen Stadium entsprechende erhebliche Breite; an ihrem hinteren, freien®Ende ist sie kolbig verdickt. Von knorpligen Nasenmuscheln ist noch nicht viel zu beriehten. Sie sind alle bereits angelegt, aber zeigen ausser der oberen erst eine sehr geringe Entwicklung. Die Stellen der seit- lichen Nasenknorpelwände, an denen wir später die Muscheln finden werden, sehen wir verbreitert und etwas nach innen ge- bogen. Regio occipitalis. Wir sind jetzt genöthigt, den Blick über das Cranium wan- dern zu lassen und uns der hinten gelegenen Regio oceipitalis zuzuwenden. Die Oceipitalregion steht mit der Regio sphenoidalis, R. petrosa und mit dem Halswirbelknorpel in Verbindung. Gegen die Sphenoidalregion hin lässt sich überhaupt keine Grenze kon- struiren, gegen die Halswirbelsäule durch das Verhalten der Chorda dorsalis, gegen die Regio petrosa nur unter Würdigung Ein Beitrag zur Kenntniss des menschlichen Primordialeraniums. 69 der verschiedensten Verhältnisse. Auf diese Punkte kommen . wir später zurück. An der Regio oceipitalis unterscheiden wir eine Pars basi- laris und zwei Partes laterales, die sich alle um ein Foramen magnum gruppiren. Die Trennung der einzelnen Theile ist we- niger durch scharfe Scheidung der Formen als dureh histologische Verschiedenheit bedingt. Gestalt der Oceipitalregion. Auch hier werden wir am schnellsten durch das Studium des Modells Klarheit gewinnen. Die Pars basilaris der Oceipital- region bildet bereits mit dem anstossenden Theil der Sphenoidal- region einen Olivus, welcher nicht die gleiche Art der Steigung wie der knöcherne Clivus zeigt. In den unteren Partieen, welche dem Foramen magnum nahe liegen, finden wir nämlich eine sehr sanfte Steigung, während dann plötzlich etwa in der Mitte des Verlaufes eine sehr starke, fast senkrechte Steigung ihren An- fang nimmt. Die Pars basilaris entspricht nach ihrer Lage und Gestalt ziemlich den definitiven Verhältnissen; die Partes lateralis, die nach v. Noorden’s passendem Vergleich den Hälften einer Klappmuschel ähnlich sind, liefern die Partes condyloideae. Die Seitentheile werden in dorso-ventraler Richtung vom Canalis pro nervo hypoglosso (Fig. 1, IX) durchsetzt. Von ihnen aus ent- wickeln sich die primordialen Schuppenanlagen, die noch sehr unbedeutend sind, nach oben von den später zu besprechenden „Parietalplatten“ überlagert sind und hinten sich nicht zum Ringe schliessen, sondern durch straffe Bindegewebszüge verbunden er- scheinen. Wir haben die Kölliker’sche „Membranaspinoso- oceipitalis“ vor uns. Nach vorne und lateralwärts entsendet schliesslich noch jede Pars lateralis einen deutlichen „Processus Jugularis“. Einiges über den histologischen Bau der Regio oceipitalis. Es wird jetzt nieht ohne Interesse sein, im Anschluss an die Beschreibung der Gestalt der Regio oceipitalis auch einen Blick auf ihre histologischen Verhältnisse zu werfen, da nämlich die Scheidung zwischen Pars basilaris und Partes laterales im wesentlichen durch die Struktur bedingt ist. 0 Martin Jacoby: Sehon bei schwacher Vergrösserung, ja schon wenn man die Schnitte gegen das Licht hält, fällt auf, dass das Licht- breehungsvermögen der Partes laterales ein viel grösseres ist als das der Pars basilaris. Bei genauerer Beobachtung erkennt man dann, dass die Partes laterales aus reiferem Knorpel bestehen und dass die optischen Erscheinungen auf der starken Ausbildung der Grundsubstanz beruhen. Der Knorpel der Pars basilaris ist viel jünger und die Grundsubstanz ist hier weniger entwickelt. Am jüngsten ist der Knorpel der Processus Jugulares. Bemerkens- werth ist, dass eine scharfe Trennung zwischen der Pars basilaris mit ihrem jüngeren Knorpel und der Partes laterales mit dem reiferen Knorpel durch diese histologischen Verhältnisse be- steht. Dieser Umstand dürfte vielleicht für die Erkenntniss der ersten Anlage des Craniums zu verwerthen sein. Anlage der Halswirbelsäule. Wenn wir jetzt einiges über die Anlage der Halswirbel- säule anfügen, so geschieht das nur insoweit, als es zur Abgren- zung des Primordialeraniums gegen die Wirbelsäule nöthig ist. Schon in der primordialen Halswirbelsäule nehmen Atlas und Epistropheus eine gesonderte Stellung ein, welche durch den Zahnfortsatz des Epistropheus bedingt ist. An den unteren Wirbeln erkennen wir auf das Deutlichste das regelmässige Abwechseln von Wirbeln und Zwischenwirbel- scheiben. An den Wirbeln können wir einen Körper, gut aus- gebildete aber nicht dorsal geschlossene Seitentheile und schliess- lich Verbindungsbrücken zwischen Körper und Seitentheilen unterscheiden. In der Nähe ihres lateralen Randes werden diese Brücken durch die Foramina transversaria unterbrochen. Die Zwischenwirbelscheiben bestehen nur aus einer kreis- förmigen Knorpelanlage, welche sich rings um die Chorda ent- wickelt hat. An ihren beiden Seiten verlassen die Nerven die Wirbelanlage. Beim Atlas und Epistropheus finden wir nun die bekannten, eigenthümlichen Verhältnisse; aus dem Körper des Atlas ist bereits der Zahn des Epistropheus geworden. Ventral vom Zahn- fortsatze schen wir eine schmale Knorpelspange, welche die Seitentheile des Atlas verbindet. Es ist die von Froriep beim Menschen gesehene, aber erst bei Rindsembryonen genau erkannte Ein Beitrag zur Kenntniss des menschlichen Primordialeraniums. 71 hypochordale Knorpelspange, welche, wie er gezeigt hat, sich bei den Vögeln an allen Wirbeln findet. Chorda dorsalis. An die Betrachtung der Regio oceipitalis und der Hals- wirbelsäule schliesst sich mit Nothwendigkeit das Studium der Chorda dorsalis. Es treten einem hier zweierlei Arten von Schwierigkeiten entgegen. Einmal sind die Verhältnisse am Kopf- ende der Chorda sehr verwickelte, andrerseits aber finden wir die Chorda in einem für die Untersuchung nicht günstigen Zu- stande. Auf vielen Schnitten erscheint die Chorda geschrumpft; sie füllt das Lumen, das der Knorpel frei lässt, nicht aus. Die Scheide ist oft zerrissen und hängt in Fetzen um die Chorda. Auf manchen Schnitten ist nur die Lücke im Knorpel erhalten, während die Chorda selbst überhaupt nicht sichtbar ist. Man könnte versucht sein, dieses Verhalten mit Dursy als ein durch die Entwicklung bedingtes anzusehen, wenn nicht zweierlei uns eines besseren belehren würde. Zunächst finden wir auf einigen Schnitten die Chorda in gutem Zustande, schön umgeben von der Scheide, die Knorpel- lücke gänzlich ausfüllend. Dieser Grund ist allein allerdings noch nicht stichhaltig; ja Froriep hat daraus sogar gerade den Schluss gezogen, dass es sich um keine postmortalen, durch die Methode der Bearbeitung verursachten Erscheinungen handeln kann. Es zeigt jedoch weiterhin eine einfache Ueber- legung und lehrt die Erfahrung, dass ein so zartes Gewebe wie die Chorda bei der Härtung stärker schrumpfen muss als der umgebende Knorpel und dass so das Entstehen von künstlichen Lücken und veränderten Bildern ein erklärlicher Vorgang ist. So ist denn auch die Chorda da wo wir sie im retropharyngealen Raum oder im Ligamentum suspensorium dentis nur von Binde- gewebe umgeben antreffen, wohl erhalten. Ich bin allerdings der Ansicht, dass die Bedingungen der Zerrung und sonstige ungünstige Einflüsse auf die in Knorpel eingeschlossene Chorda auch physiologisch bereits einwirken kön- nen und dass es sich in solchen Stadien nicht nur um post- mortale Schrumpfung zu handeln braucht, welche His mit vollem Recht bei sehr jugendlichen Embryonen immer für die Veränderungen verantwortlich macht. Die Ansicht von His ist 72 Martin Jacoby: mir um so einleuchtender, als ich bei einer Reihe von jugend- liehen Säugerembryonen, die mit rasch wirkenden Flüssigkeiten fixirt und vortrefflich eonservirt waren, die Chorda ohne jede Schrumpfung gut erhalten sah. Einiges über die Histologie der Chorda. Die Chorda stellt ein zellenreiches Organ dar; wir erkennen Zellgrenzen und intensiv gefärbte Zellkerne. Umgeben ist dieser Zellstrang von einer glashellen," strukturlosen Membran, der „in- neren Chordascheide*. Um diese wiederum legt sich der Knorpel, der die skeleto- gene Chordascheide vorstellt und zwar finden wir centralwärts, also der Chorda zugewandt, reichliche Knorpelgrundsubstanz, um die sich dann concentrisch ein Zellenring herumlegt. Froriep hat zwischen dem Knorpel und der inneren Chordascheide eine mit Carmin sieh intensiv färbende Masse ge- sehen und ist geneigt, diese Masse als ein natürliches Einschiebsel zwischen Chordascheide und Knorpel anzusehen, etwa als ein Ausscheidungsprodukt der Scheide. Dagegen will ich hervor- heben, dass bei meinem gut gefärbten Embryo sich diese Masse nicht findet und dass wir diese Schieht morphologisch an dieser Stelle nicht verstehen können. Da schliesslich Froriep keine anderen Bedenken gegen die Auffassung dieser Masse als Gerinsel äussert als ihre Anziehungskraft für Farbstoff, so steht nichts im Wege, hier em Kunstprodukt anzunehmen, von denen es ja bekannt ist, dass sie von vielen Farbstoffen auf das prächtigste gefärbt werden. Verlauf der Chorda. Die Chorda findet sich in der Wirbelsäule in der Mitte der Wirbelkörper und der Zwischenwirbelscheiben; Anschwellungen in diesen können wir nicht erkennen, die Dieke des Stranges bleibt ziemlich unverändert. Wie zu erwarten, sehen wir die Chorda im Zahn des Epistropheus, in den sie sich continuirlich aus dem Körper des Epistropheus fortsetzt. Der Zahn des Epistropheus verhält sieh zur Chorda genau wie ein Wirbelkörper und erzählt so noch deutlich die Geschichte seiner Herkunft. Nachdem die Chorda den Zahnfortsatz ver- lassen, finden wir sie in einem kurzen Strang diehten Bindege- Ein Beitrag zur Kenntniss des menschlichen Primordialeraniums. 73 webes, dem späteren Ligamentum suspensorium dentis, von wo aus wir die Regio oceipitalis des Primordialeraniums erreichen. Hier ändert sich das Bild. Während die Chorda der Halswirbelsäule ziemlich senkrecht verläuft und auf jedem Quer- schnitte des Objeetes ebenfalls quergeschnitten getroffen wird, passirtt sie die Oceipitalregion in dorsoventraler Richtung; wir finden sie also hier auf den Objeetquerschnitten im Längsschnitt getroffen. Ihr Durchmesser ist hier sowohl seitlich als auch von oben nach unten verbreitert. Nachdem die Chorda die ventrale Seite der Oceipitalregion erreicht hat, verlässt sie dieselbe und damit zugleich vorläufig überhaupt das Primordialeranium. Sie befindet sich jetzt im retropharyngealen Raum und bildet hier eine starke Anschwel- lung. Beim näheren Zuschauen erkennen wir, dass die Anschwel- lung in einem stark geschlängelten Verlauf besteht, wie daraus hervorgeht, dass wir inmitten der Anschwellung mehrfach die Chordascheide vorfinden. Ventral erreicht die Anschwellung die Rachenwand, die hier eingestülpt ist und die Bursa pharyn- gea bildet. Auch ich habe, wie Froriep, nur eime sehr nahe Aneinanderlagerung der Chorda und des Rachenepithels gesehen, kann dagegen auch für mein Objeet eine Berührung nur für äusserst wahrscheinlich erklären. An dieser Stelle mögen auch noch starke Züge von Bindegewebe Erwähnung finden, welche zu beiden Seiten der Chorda vom Oceipitalknorpel zur Rachen- wand ziehen. (Frorieps Ligamenta pharyngo-oceipitalia.) Weiterhin strebt die Chorda wieder in vertiealer Richtung scheitelwärts, erreicht das Primordialeranium wieder im Dorsum ephippii, in dem sie eine kurze Strecke vor dem freien Rande ihr Ende erreicht. Ausserdem finden wir aber vor der Sella tureica einen Rest der Chorda, indem wir sie hier von der Höhe des hinteren Endes eine kurze Strecke im Knorpel abwärts steigen sehen. Zwischen beiden Chordasträngen trifft man auf dem Knorpelboden der Sella tureciea Bindegewebe, auf welchem erst in einem etwas höheren Niveau die Hypophyse gelagert ist. Regiones petrosae. Die Regiones petrosae dominiren im Primordialeranium durch ihre Grösse; sie thürmen sich im hinteren Bezirke des Craniums zu beiden Seiten der Spheno-oceipitalregion auf. Mit 74 Martin Jacoby: ,) Leichtigkeit lassen sich 3 Theile jeder Regio petrosa unterschei- den; ein kleiner, medial und vorn gelegener, die knorplige Schnecke (Fig. 1, Cchl.), lateral von ihr eine viel grössere Kapsel, welche die knorpligen Bogengänge birgt. Hinter und über diesen Kapseln finden wir schalenförmig gebogene Platten, die, wie wir später zeigen werden, von den Autoren bei den Säugern in bei weitem besserer Ausbildung beschrieben werden. Die Schneckenkapsel hat etwa die Gestalt eines Ellipsoids mit vertikaler Hauptaxe; sie ist bis auf einige an der lateralen Seite gelegenen Oeffnungen völlig geschlossen. Durch die obere, die Hauptöffnung eommunieirtt die häutige Schnecke mit den anderen Theilen des Labyrinthes und hier treten auch die Nerven- fasern in die Kapsel ein. Der Schneekenknorpel hat vielfache Verbindungen mit den Nachbarknorpelanlagen. Etwas über seinem unteren Pole ent- sendet er zum Hinterhauptsknorpel eine knorplige Brücke, in höheren Partieen legt er sich ihm ganz an, ohne jedoch mit ihm zu verschmelzen; das mikroskopische Bild lässt deutlich die Grenzen erkennen. Ebenfalls ohne Verschmelzung schliesst sich der Schneckenknorpel an die laterale Kante des Clivus an. Von der Vorderfläche der Kapsel zieht eine kleine Knorpelbrücke hinüber zu der Seitenwand des Keilbeinkörpers. Wir können an ihr zwei Portionen trennen, die vom Keilbeinknorpel und vom Schneekenknorpel aus entspringen und durch das Alter und die Histologie des Knorpels zu unterscheiden sind. Wie früher er- wähnt wurde, entspringt von dieser Brücke die Ala temporalis (A.t.) und zwar von der Portio sphenoidalis. Durch diese Brücke, den Keilbeinknorpel und die Schnecken- kapsel wird ein Dreieck, der Vorläufer des Foramen lacerum anterius (/ und //) abgegrenzt, durch das jederseits die Carotis interna das obere Niveau der Schädelbasis erreicht, um sich dann längs des Keilbeins nach vorne zu wenden und schliesslich zu beiden Seiten der Hypophyse und des Zwischenhirns nach oben zu steigen. Lateral und hinten endlich geht die Schnecken- kapsel ohne histologische Grenze in die benachbarte Abtheilung der Regio petrosa über. Die zweite Abtheilung der Regio petrosa hat ungefähr auch die Gestalt eines Ellipsoids, jedoch ohne sehr verschiedene Axen. Ein Beitrag zur Kenntniss des menschlichen Primordialeraniums. 75 Vorn und medial wird diese Abtheilung von der Schnecke be- grenzt, unten vom Oceipitalknorpel gestützt. Oben und hinten schliessen sich die schon erwähnten grossen Knorpelplatten an, vorn und lateral sind Hammer und Ambos (Fig. 1u.2, H. u. A.) benachbart, nur durch das Periechondrium getrennt. Die Steig- bügelanlage wird später besonders besprochen werden. Bevor wir jetzt an die genauere Schilderung des Labyrinth- knorpels herantreten können, müssen wir erst die anderen hier in Betracht kommenden Organe besprechen, soweit wie sie für das Verständniss des Knorpels von Wichtigkeit sind. Facialis, acustieus eet. Der VII. und VIII. Hirnnerv treten durch eine gemeinsame Oeffnung (Fig 1, P. a. i.) in lateral- ventraler Richtung in den Knorpel ein. Der N. facialis wendet sich dann, indem er in seinem Verlaufe die Grenze zwischen der Schnecke und der lateralen Labyrinthkapsel darstellt, direkt nach vorn, verlässt hier durch eine schmale Knorpellücke bereits wie- der die Kapsel (V/77), bildet unmittelbar nach seinem Austritt das Ganglion geniculi und wendet sich dann lateral am Rande des Knorpels entlang. Wir finden ihn auf diesem Wege in der Nähe der Stapesanlage, sehen die Chorda tympani zu den Gehör- knöchelehen herüberziehen und sehen ihn dann in die Tiefe steigen. Der N. acustieus, der lateral vom Facialis in den Knorpel gelangt, bildet gleich nach seinem Eintritt zwei neben einander gelagerte Ganglien, das mediale Ganglion cochleare und das laterale Ganglion vestibulare. Von diesen Ganglien ziehen dann die Nervi vestibulares und eochleares hin zu ihren Endorganen im häutigen Labyrinth. Das häutige Labyrinth zerfällt noch nieht in ausge- prägter Weise in eine Pars superior und inferior, da die Sonde- rung in Sacculus und Utrieulus noch in den ersten Anfängen ist; wir erkennen nur die Andeutung einer Falte an der medialen Labyrinthwand. Vor dieser Falte mündet mit 2 Armen der Re- cessus labyrinthii, der mit deutlichem Lumen in die Höhe steigt, durch eine Spalte den Knorpel verlässt, in der freien Schädelhöhle eine blasenförmige Erweiterung bildet und blind endet. In der Nähe dieses völlig geschlossenen Endes sehen wir den Sinus transversus, der in einer Knorpelrinne emporsteigt. Die halbzirkelförmigen Kanäle und die häutige Schnecke 76 Martin Jacoby: habe ich nieht genau studirt, weil sie für mein Thema nicht in Betracht kommen. Die häutigen Labyrinththeile sind von embryonalem Binde- gewebe umschlossen. In diesem Gewebe ist noch keine Differen- zirung zu bemerken, höchstens finden wir im Verlaufe der Nerven eine dichtere Gewebsanordnung. Nach aussen geht das Binde- gewebe in den Knorpel über; beim Saceulus und Utrieulus ist es an der lateralen Seite etwa doppelt so breit als auf der medialen. Genaue Formverhältnisse des Labyrinthknorpels. Nachdem wir uns so vorgearbeitet haben, wird es möglich sein, die genaueren Formverhältnisse des Labyrinthknorpels zu erläutern. An der dorsalen Wand bemerken wir unten an der Grenze der Oceipitalregion und der Regio petrosa einen läng- lichen breiten Spalt (Fig. 1, V7); durch ihn zieht lateral die Vena jugularis, medial die Nerven der Vagusgruppe. Die Ab- theilungen des Spaltes sind durch einen vom Felsenbein vorsprin- genden Wulst getrennt, welcher auf der rechten Seite unseres Modells deutlicher ausgeprägt ist als links. Viel höher, etwa in der Hypophysenhöhe, treffen wir eine Oeffnung in der Hinterwand der Labyrinthkapsel, durch die Faecialis und Acustieus eintreten: den Porus acustieus in- terug (PR): Etwas über dem Porus acusticus verlässt, wie bereits er- wähnt, der Recessus labyrinthii durch eine Spalte, den Aquae- duetus vestibuli, das Labyrinth (R.1.). Ebenfalls haben wir schon auf die Knorpellücke (VIIT) hingewiesen, durch die der Facialis das Labyrinth verlässt. Auf die Anlage des Zitzenfortsatzes und die Umwandlung des obersten Endes des Reichert’schen Knorpels in den Pro- cessus styloideus brauche ich nicht einzugehen, da ich hier nichts unbekanntes zu berichten habe. Von der Gegend des späteren Proc. mastoideus aus zieht aber nach vorne ein breiter Streifen diehteren Bindegewebes, welcher bis zur Anlage des Frontale reicht. v. Noorden hält diesen Streifen für eine knorplige Anlage der Squama temporis und stützt sich dabei auf v. Kölliker, der von einer rudimen- tären knorpligen Anlage der Squama temporis spricht. Bei mei- nem Öbjeet erinnert das Gewebe nicht an Knorpelanlagen, son- Ein Beitrag zur Kenntniss des menschlichen Primordialeraniums. 77 dern es ist im Gegentheil dem Bindegewebe gleichzustellen, aus dem sich der Deekknochen, z. B. das Frontale bildet. Stapesanlage. Um die Beschreibung des Labyrinthknorpels nicht unvoll- ständig zu lassen, fügen wir noch emiges über die Stapesanlage hinzu. Am leichtesten orientirt man sich hier wohl durch Ab- bildungen. Fig. 3. Die innere Randschicht der Labyrinthwand (Z.), die sich von der übrigen Wand unterscheidet, besteht aus dich- tem Bindegewebe, ausserdem aber bemerken wir in der Wand eine kleine, sich deutlich von der Umgebung abhebende Platte, das obere Ende der Steigbügelanlage (St.), die noch aus Vor- knorpel besteht. Von dem allgemeinen Knorpel der Labyrinth- wand wird die Platte durch eine schmale Schicht Bindegewebe geschieden. Auf einer Reihe weiterer Schnitte (Fig. 4—7) er- halten wir noch deutliche Bilder der Steigbügelanlage (St.), die allmählich frei im Bindegewebe liegt und weiter entwickelten Knorpel zeigt. In Fig. 5 ist die Knorpelplatte des Steigbügels von einem grösseren Loche durchbohrt, durch welches wir eine kleine Arterie, die Art. stapedia (A.st.) verlaufen sehen. Für die folgenden Schnitte verweise ich auf Baumgar- ten’s Beschreibung oder auf meine Abbildungen, mit deren Hülfe, wie ich hoffe, die Verhältnisse verständlich werden. Zu- sammenfassend ist zu sagen, dass wir durch Combination der Schnitte als Anlage des Steigbügels einen Ring erhalten, dessen Achse 45° zur Vertikalebene geneigt ist. Ferner ist der Binde- gewebsstreifen (Fig. 6 und 7, Zg.) nicht zu verkennen, der vom unteren Theile des Ringes zum Reichert ’schen Knorpel zieht. Soweit wir die Stapesanlage nach unten verfolgen können, wird auch die Labyrinthwand nur durch eine dünne bindegewebige Schieht (Fig. 4—6, x.) gebildet. Was aus diesem Befund zu schliessen ist, werde ich später diseutiren. In Bezug auf Hammer und Ambos verweise ich auf Baumgarten’s Schrift. Meckel’sche Knorpel (Mk.). An die Betrachtung der Gehörknöchelehen knüpfe ich das Studium der Meekel’schen Knorpel. Sie verlaufen, wie Schnitte I (eo) Martin Jacoby: und Modell lehren (Fig. 2 M%.), nach unten und ventral und ver- breitern sich am distalen Ende zu je einer knorpligen Scheibe. Mit den so verbreiterten Enden legen sich die beiden Knorpel dicht zusammen und werden nur durch eine dünne Schicht von Bindegewebe von einander getrennt. Reichert’sche Knorpel. Die Reichert’schen Knorpel, die wir schon bei der Stapes- anlage erwähnt haben, lagern sich mit ihren proximalen Enden der Regio petrosa an, ohne jedoch mit ihr zu verschmelzen, verlaufen von hier nach abwärts und sind auf dem Niveau des Atlas unter- brochen, um erst wieder in mittlerer Zungenhöhe zu erscheinen und dann bis zu den Kehlkopfknorpeln herabzusteigen. Deckknochen. Die Betrachtung des Primordialeraniums wird eine vollstän- digere, wenn man zugleich feststellt, was an Decekknochen sich in der Gegend des Uraniums bereits angelegt hat. Mandibula (Fig. 2 Mdb.). Wir finden die ventrale Ver- bindungsstelle der beiden Meckel’schen Knorpel mit Knochen- lamellen umgeben, die sich nach oben hin dem Knorpel folgend fortsetzen. Sie bilden zur Seite der Knorpel zwei Lamellen, welche dorsal zusammenstossen; zwischen den Lamellen verläuft der N. alveolaris. Nach oben hin setzt sich dann der Knochen- stab in einer Lamelle fort, die immer dünner wird, um in der Gegend der Gehörknöchelcehen wieder dieker zu werden. Mit Recht vermutet Baumgarten hier wohl die Anlage des Proe. folianus (P. f.). Die Frontalia (Fr.) haben wir bei Gelegen- heit der Schilderung der Alae orbitales des Keilbeinknorpels schon beschrieben. Die Maxillen (Mx.) sind bereits angelegt und zeigen, wie auch die Mandibula, topographische Beziehungen zu den Zahn- anlagen, ohne (dass man jedoch natürlich etwa schon von Alveolen reden könnte. Der Vomer endlich findet sich als paarige, unbedeutende Knochenanlage am unteren Ende der knorpligen Nasenscheide- wand. Ein Beitrag zur Kenntniss des menschlichen Primordialeraniums. 79 Allgemeiner Theil. Es wird jetzt meine Aufgabe sein zu berichten, welche Schlüsse sich aus meinen allerdings nur spärlichen Beobachtungen ziehen lassen und zugleich etwas auf die Literatur einzugehen. Ich werde das in folgenden Abschnitten thun. I. Art und Weise des Verlaufes der Entwicklung. II. Einige Beziehungen des menschlichen Primordialeraniums zu dem der Säuger. III. Die Beurtheilung der Stapesanlage mit einigen Bemer- kungen über die Meckel’schen Knorpel. I. Wenn wir uns zunächst mit der Art und Weise des Verlaufes der Entwicklung des Craniums beschäftigen, so ist hervorzuheben, dass die Ansichten in dieser Frage durch einen von Kölliker aufgestellten Satz beherrscht werden. Kölliker hatte auf Grund von Untersuchungen über die Entwicklung des Primordialeraniums des Kaninchens den Satz aufgestellt, dass das Cranium wie aus einem Gusse entstehe, nachher nur noch wachse, sich aber nicht weiter entwickele. Diese Thatsache wurde von den Autoren als allgemein gültig angesehen und auf die verschie- densten Säuger und auch auf den Menschen übertragen. Man hätte nicht so verfahren können, wenn man berücksichtigt hätte, dass das Kaninchen in der Zeit der Entwicklung seines Primor- dialeraniums d. i. in der Mitte seines intrauterinen Lebens, im allgemeinen eine sehr rasche und gedrängte Entwicklung er- kennen lässt. Wir können uns daher denn auch nicht wundern, dass die Entwicklung des Primordialeraniums sich bei ihm auf eine sehr kurze Spanne Zeit zusammen drängt. Von einer Verallgemeinerung des Befundes beim Kaninchen kann denn auch nicht die Rede sein. So lehren Parker's Untersuchungen über die Entwicklung des Primordialeraniums des Schweines eme Schritt für Schritt vor sich gehende Ent- wicklung. Dasselbe kann ich für den Menschen bestätigen. Denn nicht nur v. Noorden’s Stadien zeigten unter sich sehr erhebliche Entwicklungsdifferenzen, sondern auch mein Stadium war in seiner Entwicklung ein gut Theil weiter vorgeschritten als das älteste der v. Noorden’schen und an verschiedenen Stellen 80 Martin Jacoby: fand ich noch vorknorplige Anlagen als Zeichen einer noch weiter gehenden Entwicklung. Weiterhin ist ein von anderer Seite zu gleicher Zeit, im II. anatomischen Institute zu Berlin angefertigtes Modell eines menschlichen Primordialeraniums ein gutes Beispiel für eine noch weiter vorgeschrittene Entwicklung, für die auch noch Spöndli und Hannover als Zeugen anzuführen sind. Auch der an sich richtige Satz, dass das Primordialeranium ein eontinuirliches Ganzes darstellt, ist zu weit ausgebeutet worden. So stimmt denn nicht, was diejenigen, die sich auf die Zergliederung beschränkt haben, behaupten, dass das knorplige Primordialera- nium zu einer Zeit, in der noch keine Knochenkerne aufgetreten sind, durchaus keine Abgrenzung unter sich erkennen lässt, son- dern vielmehr aneinander stossende Theile unvermittelt in ein- ander übergehen. Ich schliesse mich am ehesten der Ansicht Hannover’ an, dass der Primordialknorpel des Menschen eine zusammenhängende Masse ist, an der man zwar verschiedene Partieen, nicht aber getrennte Knorpelstücke unterscheiden kann. Ich finde einen Beweis für diese Behauptung in dem histolo- gischen Verhalten, das an vielen Punkten deutliche Grenzen erkennen lässt. Il. Bis vor einem Jahrzehnt finden wir bei den Autoren die Lehre, dass die Ausbildung des Primordialeraniums allmählich in der Reihe der Säuger abnehme und beim Menschen seinen nie- drigsten Punkt erreiche. Decker hat auf Grund seiner Untersuchungen an Säuge- thieren diesen Lehrsatz dahin abgeändert, dass sich für die Säuger keine eontinuirlich abnehmende, sondern eine schwankende Curve ergiebt. Meine Beobachtungen zeigen, dass das menschliche Primordialeranium eine bessere Ausbildung erkennen lässt als wie die Autoren sie fast durchweg an ihren Stadien gefunden haben. Ich habe hier besonders die Platten im Auge, die ich in mächtiger Ausbildung über dem Labyrinth gefunden habe. Von diesen Platten, welche von Kölliker und seinen Schülern Spöndli und Decker Parietalplatten benannt werden, bemerkt Deeker im allgemeinen, dass sie der Mittellinie entgegenwachsen, ohne sie jedoch, soweit bekannt, zu erreichen. Diese Parietalplatten, die bei einigen Säugern längere Zeit riesige Entwickelung zeigen, müssen beim Menschen meistens nur Ein Beitrag zur Kenntniss des menschlichen Primordialeraniums. 81 sehr vorübergehend eine gute Ausbildung erkennen lassen. Denn v. Noorden fand sie nur in ihren ersten Anfängen, während die Beobachter älterer Stadien, wie Spöndli, bereits wieder von der rudimentären Anlage der Platten reden. Bei meinem Objekt waren die Platten nicht nur seitlich stark entwickelt, sondern zeigten auch in den oberen Partieen einen dorsalen Verschluss. Die einzige Beobachtung, die in der ganzen Literatur, soweit ich es übersehen kann, vielleicht mit meinem Befund übereinstimmt, ist von Bessel-Hagen in einer vorläufigen Mittheilung zur Kenntniss gebracht worden. Auch der Schlussfolgerung Hagens, dass wir in diesen gut ausgebildeten, aber vergänglichen Gebilden eine Vermittlung zwischen dem menschlichen Primordialschädel und dem ausgedehnten Chondrocranium anderer Säuger zu suchen haben, glaube ich mich anschliessen zu können. Ja ich meine, es ist sogar im menschlichen Knorpeleranium die Erinnerung daran gewahrt geblieben, dass in der Phylogenie eine knorpelige Verbindung zwischen den Alae orbitales Fig. 1 u. 2 Ao. und den Parietalplatten bestanden hat. Ich habe nämlich an den Alae orbitales ausser den Processus elinoidei anteriores (IV) noch je einen Fortsatz (V’) beschrieben, der von der Stelle der stärksten Krümmung aus nach hinten und oben strebt. Dieser Processus entspricht keinem defimitiven Gebilde des mensch- lichen Schädels; dagegen finden wir ihn in dem Primordialera- nium der verschiedenen Säuger verschieden stark ausgebildet, ja bei manchen erreicht er sogar nach hinten die Parietalplatte. Es ist daher wohl sein rudimentäres Auftreten beim Menschen im Sinne eines phylogenetischen Restes aufzufassen. Weiterhin war es von Interesse, dass wir die Alae tempo- rales (A. t.) des Keilbeinknorpels in geringerer Ausbildung als die Alae orbitales fanden, eine Thatsache, die bereits Spöndli erwähnt. Gegenbaur bezeichnet das Verhalten beim erwach- senen Menschen als eine Eigenthümlichkeit des Menschen. Er hebt hervor, dass bei vielen Säugern die Alae temporales nicht grösser, sondern sogar kleiner als die Alae orbitales wären. Es ist also gewiss bemerkenswerth, dass im Primordialeranium des Mensehen Verhältnisse bewahrt sind, die in der Thierwelt wäh- rend des ganzen Lebens persistiren. 1 Wir waren an einer früheren Stelle bei der Schilderung der Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 6 82 Martin Jacoby: Befunde, welche die Schnitte durch die Stapesanlage ergaben, nicht auf die Sehlüsse eingegangen, welche sich aus ihnen etwa ziehen lassen. Das soll im folgenden im Zusammenhang geschehen. Es ist heutzutage wohl noch nicht möglich, von einem all- gemeineren, vergleichenden Standpunkte die Frage nach der Her- kunft des Stapes zu beantworten. Dazu sind die Grundlagen, die das Studium der Amphibien liefern muss, noch nicht genügend befestigt. Andrerseits ist für die Amnioten selbst vielfach betont worden, dass der Reichert’sche Knorpel bei der Stapesbildung betheiligt ist, sogar schon sehr frühzeitig, da Ja auch bereits für Hatteria dieser Zusammenhang nachgewiesen worden ist. Bei den Säugern haben Parker und besonders Gruber sich für die Entwiekelung aus der Labyrinthwand ausgesprochen, während eine Reihe anderer Forscher den zweiten Kiemenbogen heranziehen. Die Betheiligung des ersten Kiemenbogens ist nach meiner Mei- nung überhaupt nicht mehr discutabel. In neuerer Zeit hat nun Gradenigo die Ansicht vertreten, dass beim Menschen der Stapes sich ausdemzweitenBogen und der Labyrinthwand entwickelt. Zunächst glaube ich, kann die Beziehung des Stapes zum Reiehert’schen Knorpel als einigermaassen gesichert gelten, da die Beobachtungen, namentlich von Gradenigo in dieser 3eziehung überzeugend sind und namentlich durch Rabl’s wich- tigen Fund bezüglich der Nervenversorgung gestützt sind. Ferner hat sich auch Baumgarten, dessen Material und Modelle mir vorlagen, dahin ausgesprochen und ich kann mich ihm hierin anschliessen!). Andererseits glaube ich, muss noch betont werden, dass keiner von den Autoren, welche einen anderweitigen Ursprung des Stapes beobachtet haben, den Beweis erbracht hat, dass der Hyoidbogen nieht betheiligt ist. 1) Inzwischen hat noch Zondek neue und wie mir scheint, be- achtenswerthe Belege für die Beziehung des Steigbügels und des Reichert’schen Knorpels beigebracht. (Beiträge zur Entwicklungs- &eschichte der Gehörknöchelchen. Inaugural-Dissertation. Berlin, 1893.) — Sehr bemerkenswerth ist auch der neuerdings von Dreyfuss (Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Mittelohres u. d. Trommel- fells des Menschen u. d. Säugethiere. Morph. Arbeit. II. Bd. 1895) ein- genommene, vorsichtige Standpunkt, da dieser Autor auf Grund rei- chen Materiales dazu gelangt, keine der bisher vertretenen Abstam- mungsweisen für vorläufig erwiesen anzusehen. Ein Beitrag zur Kenntniss des menschlichen Primordialeraniums. 88 Während also die Betheiligung desReichert’schen Knorpels vielleicht gesichert sein dürfte, so ist bei der Labyrinthwand die Sachlage verwickelter. Denn Gradenigo’s Befunde lassen noch den Einwand zu, dass die Stapesplatte erst secundär in die Laby- rinthwand eingelassen worden ist und auch der Baumgarten’ sche Embryo, den ich nachgeprüft habe, zeigt, wie ich glaube, dieses Verhältniss. Die Entscheidung über die Abstammung des Stapes von der Labyrinthwand muss nach dem Studium jüngerer Stadien getroffen werden. Und hier steht v. Noorden’s posi- tiver Befund, der sicherlich von grossem Interesse ist, bisher wenigstens zu vereinzelt da und sind die betreffenden Angaben nicht bestimmt genug, um überzeugen zu können. Es bleibt also die Frage noch offen, da sowohl die vergleichende Anatomie als auch die Entwicklungsgeschichte noch nicht das letzte Wort gesprochen haben. Fügen wir noch einiges hier über die distalen Enden der Meekel’schen Knorpel an, über die in der Literatur Un- sicherheit herrscht. Im allgemeinen wird überwiegend die Ansicht vertreten, dass bei verschiedenen Säugern eine Verbindung der distalen Enden statt hat, beim Menschen aber nicht. Wäh- rend Meckel selbst von einem menschlichen Embryo berichtet hatte, dass sich der Knorpelstreifen mit dem der anderen Seite bisweilen, vielleicht immer unter einem spitzen Winkel vereinige, ist Dursy’s abweichende Beobachtung später all- gemein angenommen worden und auch in die Lehrbücher über- gegangen. Nach Dursy sind die distalen Enden der Meckel’- schen Knorpel beim Menschen durch eime breite Faser- schicht von einander geschieden. Ich fand nur eine ganz schmale Perichondriumschicht zwischen den Knorpeln, wie es ähnlich auch Gradenigo geschen hat. Dursy’s abweichende Angaben erklären sich dadurch, dass er nur Frontalschnitte, die für diese Frage ungünstig sind, studirt hat und er noch nicht den Vortheil der Serienbetrachtung sich zu Nutzen machen konnte. Ich habe auch die Untersuchung der ersten Anlage des menschlichen Primordialeraniums in Angriff genommen, werde darüber aber erst später berichten, da mein Material noch nicht für diese Frage vollständig genug ist. 84 13. 14. 15. Martin Jacoby: Literatur. Baumgarten, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Gehör- knöchelchen. Arch. f. mikrosk. Anatomie. Bd. 40. Bessel-Hagen, Vorläufige Mittheilung über die Entwicklungs- &eschichte des menschlichen Oceiput und der abnormen Bildungen. des Os. oceipitis. Monatsbericht d. kgl. preuss. Akad. d. Wissensch. zu Berlin, 1879, p. 267. Decker, Ueber den Primordialschädel einiger Säugethiere. Zeit- schrift f. wissensch. Zoologie. Bd. 38, 1883. Duges, Recherches sur l’osteologie et la myologie d. Batraciens A leurs differents äges. 1854. Dursy, Zur Entwieklungsgeschichte des Kopfes des Menschen und der höheren Wirbelthiere. Tübingen, 1569. Froriep, Zur Entwicklungsgeschichte der Chorda dorsalis bei menschlichen Embryonen. Beiträge aus d. Gebiete d. Anatomie u. Embryologie; als Festgabe Jakob Henle dargebracht von seinen Schülern. Bonn, 1882, Derselbe, Zur Entwicklungsgeschichte der Wirbelsäule, insbes. des Atlas und Epistropheus und der Oceipitalregion. II. Beob- achtung an Säugetbierembryonen. Arch. f. Anatomie u. Physio- logie. Anatomische Abtheilung, 1886. Gaupp, Primordialeranium und Hyoidbogen von Rana fusca. Habilitationsschrift d. Breslauer medic. Facult. 1893. Abdruck aus Morphol. Arb. 1893. Herausg. v. Schwalbe. Gegenbaur, Das Kopfskelet der Selachier. Ein Btrg. z. Erkennt- niss d. Genese d. Kopfskelets d. Wirbelthiere. Leipzig, 1872. Derselbe, Ueber primäre und sekundäre Knochenbildung. Jenai- sche Zeitschrift. Bd. III. Derselbe, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 4. Aufl. 1890. Gradenigo, Die embryonale Anlage des Mittelohres: Die mor- phologische Bedeutung der Gehörknöchelehen. Mitthl. a. d. em- bryolog. Inst. d. Univers. Wien, 1887. Gruber, Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Steigbügels und ovalen Fensters. Monatsschr. f. Ohrenheilk. No. 12 (s. auch Mitthl. aus d. embryolog. Inst. d. Univers. Wien, 1877 u. Bericht d. 50. Naturforscherversammlung. München, 1877). Derselbe, Zur Entwicklungsgeschichte des Hörorgans der Säuge- thiere und des Menschen. Monatsschr. f. Ohrenheilk. 1878. Hannover, Primordialbrusken og dens Forbening i det menes- kelige Cranium for Fodselen. (Table des matieres et explication des planches en frangais.) Vidensk. Selsk. Skr. Bäkkes 5 natur- viddenskabelig og mathematisk. Af. V 6. Kjobenhavn 1880. Ein Beitrag zur Kenntniss des menschlichen Primordialeraniums. 85 16. IT. 18. 31. 35. Derselbe, Primordialbrusken og dens Forbening in Truncus og Extremiteter hos Mennesket for Fodselen. Vidensk. Selsk. Skr. Bäkke 6 nat. of. d. IV. 3. Derselbe, Le cartilage primordial et son ossification dans le cräne humain avant la naissance. Copenhague, 1831. Hertwig, OÖ. Ueber das Zahnsystem der Amphibien und seine Bedeutung für die Genese des Skelets der Mundhöhle. Arch. f. mikrosk. Anatomie. Bd. XI, Suppl. 1874. Derselbe, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbelthiere. IV. Aufl. 1893. _ His, Anatomie menschlicher Embryonen. Leipzig, 1880—85. Huxley, On the Representatives of the Malleus and the Incus of the Mammalia in the other Vertebrata. Proceedings of the Royal Society, 1869. v. Kölliker, Allgemeine Betrachtungen über die Entstehung des knöchernen Schädels der Wirbelthiere. Bericht v. d. kgl. zootom. Anst. zu Würzburg, 1849. Derselbe, Lehrbuch der Entwieklungsgeschichte. 1861 und 1879. Meckel, Handbuch der menschlichen Anatomie. 4. Bd.: Besondere Anatomie, Eingeweidelehre und Geschichte des Fötus. Halle und Berlin, 1820. v. Noorden, Beitrag zur Anatomie der knorpligen Schädelbasis menschlicher Embryonen. Arch. f. Anatomie u. Physiol. Anatom. Abtheil. 1887. Parker, W. R., On the Structure and Development of the Skull in the Pig. Philos. Transact. 1874. Derselbe und Bettany, Die Morphologie des Schädels. Uebers. von Vetter. Deutsche Ausgabe, 1879. Rabl, Ueber das Gebiet des Nervus facialis. Anatom. Anz. 1887. Rathke, Entwicklungsgeschichte der Natter. Königsberg, 1839. Derselbe, IV. Bericht über das naturwissenschaftliche Seminar zu Königsberg nebst einer Abhandlung über die Entwicklung des Schädels der Wirbelthiere. Königsberg, 1839. Reichert, Ueber die Visceralbogen der Wirbelthiere im Allge- meinen und deren Metamorphose bei den Säugethieren und Vögeln. Berlin, 1837. . Derselbe, Der Bau des menschlichen Gehirns. 1859 u. 1861. Spöndli, Ueber den Primordialschädel der Säugethiere und des Menschen. Inaug.-Dissert. Zürich, 1846. Stöhr, Zur Entwicklungsgeschichte des Urodelenschädels. Zeit- schrift f. wissensch. Zoologie. Bd. 33. Derselbe, Zur Entwicklungsgesch. d. Anurenschädels etc. Bd. 36. Virchow, Zur Entwicklungsgeschichte des menschlichen Schädel- grundes. Berlin, 1857. . Wiedersheim, Kopfskelet d. Urodelen. Morph. Jahrb. Bd. III, 1877. Derselbe, Grundriss der vergleichenden Anatomie. Jena, 1888. 856 M.Jacoby:EinBeitragz. Kenntniss d. menschl. Primordialeraniums. Erklärung der Abbildungen auf Tafel V. Abkürzungen. I —=Foramen laceum an- GCl.B. terius. Cr.g. II — Carotis interna. D.e. III — Foramen opticum. Fr. IV — Processus elinoideus anterior. IbE V —2. Fortsatz der Ala Lg. orbitalis. VI — Canal für die Vagus- Mab. gruppe und die Vena Jugularis. Mx. VII —= Rinne für den Sinus Op. venosus. VIII — Austrittsstelle des N. P.s. facialis. R.1. IX — Canalis pro nervo hy- poglosso. Rn. A.o. — Alae orbitalis. R.p: A.st. —= Arteria stapedialis. St. AST. — Ala temporales. St. Cehl — Cochlea. IP. Ch.n. opt. = Ort des Chiasma nerv. opt. — Clivus Blumenbachii. — Crista galli. — Dorsum ephippi. — Frontale. H.u.A4. = Hammer und Ambos. — Labyrinthwand. = Ligament vom Reichert'- schenKnorpelzum Stapes. — Mandibula. M. K. — Meckel’scher Knorpel. — Maxillare. = Orbitalplatte(machDursy). P..a.i. = Porus acustieus internus. — Processus folianus. — Austrittsstelle für den Re- cessus labyrinthii. — Regio nasalis. — Regio petrosa. — Stapesanlage. — Sella tureica. —= Tuberculum ephippii. Menschlicher Embryo (30 mm S. S.-länge). Fig. 1. Reconstructionsmodell des Primordialeraniums. 25- fache Vergrösserung. Die Zeichnung wurde in ?/;s Grösse an- gefertigt und nachher vom Lithographen um !/, verkleinert. Von oben gesehen. Die Deckknochen gelb. ig. 2. Die eine Hälfte desselben Modells, von der Seite gesehen. ig. 3—8. Schnitte durch die Stapesanlage. Schematisirt Zeiss A. 1. Abbe’scher Zeichenapparat. Knorpelanlage mit Tusche ange- legt. Bindegewebsanlage punktirt. 87 Ueber Phosphoritisirung der Cutis, der Testikel und des Rückenmarks bei fossilen Fischen. Von Dr. Otto M. Reis, königl. Oberbergamt, München. Hierzu Tafel VI. Vorerinnerung. In meiner Abhandlung über Petrifieirung der Muskulatur bei fossilen Anelliden, Cephalopoden, Fischen und Reptilien (Arch. f. mikrosk. Anatomie, Bd. XLI, S. 492) nimmt die Frage nach der Möglichkeit der Petrifieirung auch anderer weicher Organe oder organischer Flüssigkeiten einen breiten Raum ein; so wurde durch Präparate eine sehr seltene, aussergewöhnliche Phosphori- tisirung des flüssigen Inhaltes der Havers’schen Canäle bei Knochen von Saurichthys, eine häufigere des Tintenbeutels der chondrophoren Cephalopoden des lithographischen Schiefers !) dargestellt; eine Phosphoritisirung des Rückenmarks bei Agas- 1) Von der Ansicht, dass auch der Inhalt der Knorpelzellen in den Kalkprismen des hyalinen Knorpels der Elasmobranchier posthum phosphoritisiren könne (vgl. Arch. 1. c. S. 569) und dadurch die Zellen- räume bei fossilen Prismen vollständig verschwänden, bin ich unter- dessen ganz abgekommen. Ich konnte diese letztere Erscheinung bei den Kalkprismen fossiler Plagiostomen (Xenacanthus, Notidanus, Spathobatis, Squatina) und fossiler Holocephalen (Ischyodus und Chimaeropsis) constatiren. Auch Williamson stellt in Philosoph. Transactions of the Roy. Soc. of London, 1849, Taf. XLIII, Fig. 33 Knorpelprismen von dem fossilen Hybodus reticulatus ohne alle Zellräume dar. Durch eine sehr ausgedehnte Untersuchung der Knor- pel der lebenden Chimaera bin ich indessen auf die bisher nicht beobachtete Thatsache gekommen, dass auch in der Prismenverkalkung schon im vitalen Process die Knorpelzellräume stellenweise im ganzen Skelet verschwinden können. Es ist daher auch nicht nöthig, für die übrigen fossilen Fälle einen besonderen posthumen Process zur Er- klärung der Abwesenheit der Knorpelzellräume anzunehmen. [0 .} (es) OttoM. Reis: sizia, einem ausgestorbenen riesenhaften Amiaden, wurde we- nigstens wahrscheinlich gemacht. Es kam hierbei darauf an, denjenigen Zustand der organi- schen Materie festzustellen, in welchem posthum, d. h. bei den vom Meereswasser umspülten Cadavern der Niederschlag phos- phoritischen Materials erfolgen könnte, sobald die dazu nöthigen anorganischen Componenten in deren Nähe verfügbar waren. Die Grundlage der Erklärung des Niederschlags und einer hier- bei stattfindenden (mineralogisch gesprochen) pseudomorphosen- artigen Nachbildung der feinsten Strukturverhältnisse, bildete nun die Beobachtung, dass wenigstens in der Muskulatur alle faserig-fibrillären Bestandtheile, alles häutig-sehnige Bindegewebe verschwunden und in charakteristischen Poren, Lücken und Spal- ten ihre Anwesenheit noch nach der Verkalkung (Phosphoritisi- rung) und Erhärtung dieses anorganischen Materials nachzuweisen ist. Der Niederschlag erfolgte also in den weniger histologisch differenzirten Gewebetheilen, welche bei der nach dem Tode ein- tretenden Zersetzung am raschesten in den dem anorganischen Niederschlag günstigen flüssigen Zustand übergehen konnten. Es stimmen nun diese von fossilem Material abstrahirten Beobachtungen mit den Resultaten der künstlichen Versuche Hartings (Ver- hal. d. k. Akad. d. Wiss., Amsterdam 1873), in organischen Ma- terien verschiedener histologischer Aggregatzustände anorganische Niederschläge zu erzeugen. Der schliessliche Uebergang organischer Materie in weich- flüssigen Zustand gilt nun eigentlich für alle faulenden Gewebe; es ist aber von vorneherein wahrscheinlich, dass nicht alle sich hierin gleich verhalten, dass sie sich in der Art und dem Tempo der Zersetzung unterscheiden, je nach ihrer histologischen Diffe- renzirung andere, der Qualität oder der Quantität nach verschie- dene, flüssige Zersetzungsresiduen bilden müssen. Es kann also schon den Geweben nach eine Auslese in der Möglichkeit des Auftretens der Petrifieirungserscheinung stattfinden. Eine weitere Isolirung derselben wird aber auch von den äusseren Umständen, vor allem dem günstigen Vorhandensein der anorganischen Com- ponenten der Versteinerungsmaterie ausgeübt; sie ist schon da- durch ausgedrückt, dass, wie es scheint (soweit die Beobachtun- gen bis jetzt reichen) nur vertebratenfressende oder von Verte- bratenresten sich nährende Raubtbiere die Phosphoritisirung zeigen. Ueber Phosphoritisirung der Cutis, d. Testikel u. d. Rückenmarks ete. 89 Ich glaubte dies dahin deuten zu können, dass nur diese in ihren Därmen eine bei der Knochenauflösung im Magen freige- wordene bedeutendere Menge von Chlorealeium, Fluorealeium und löslichen phosphorsauren Kalks schnell zur Verfügung stellen könnte, wozu ‘dann noch wechselnd grosse Mengen, besonders des letzteren Salzes aus dem Meereswasser selbst hinzutreten konnten; denn auch am Meeresgrund mussten diese Salze in Folge der nothwendigen Coprolithenanhäufungen und der Darm- entleerungen ins Wasser in löslichem Zustande vorhanden sein. Durch derartige Bedingungen wird bei der Combination der im- neren und äusseren Umstände die Wahrscheinlichkeit des Ein- tritts eines phosphoritischen Niederschlags ausserordentlich be- grenzt und beschränkt. Ganz zufällig scheint so die Muskulatur die günstigsten Umstände zu einer Petrifieirung zu bieten; es ist aber auch hier bemerkenswerth, dass zwar die Verkalkung bis zu fast vollstän- digem Verlust der Struktur erfolgt, von einem gewissen weiteren Zersetzungsgrad des Muskelmagmas an aber kein Niederschlag mehr stattfinden kann; es müssen dann Flüssigkeiten oder Gase entstehen, welche einer weiteren unlöslichen Ausscheidung ent- gegentreten. Hierdurch wird ein gewisses Maximum der Muskel- versteinerungsmasse festgesetzt, zu dessen auffälliger Constanz auch wohl die durchschnittlich sich gleichbleibende Bereitschaft und Verfügbarkeit der anorganischen Componenten im Darm und Meereswasser beitragen mag. Die Wahrschemlichkeit der Petrificirung hält sich nun für die Muskulatur in engen Grenzen, was auch durch das sporadische Auftreten der Erscheinung bestätigt wird; immerhin kennt man dieselbe jetzt aus den verschiedensten Ablagerungen von der unteren Kohlenformation an bis zur Kreide. Merkwürdig ist der Umstand, dass in den jüngeren Ablagerungen der Kreide und des Tertiärs die Erscheinung so selten wird. Ob dies im eimer Aenderung des Salzgehaltes der Meere liegt oder vielleicht darin, dass mit der Kreideformation die Ganoinschupper in ihrer Verbreitung ausserordentlich beschränkt sind, so dass auch in dem Magen der sie fressenden Räuber bei der Auflösung des dem Schmelz ähnlichen Ganoins auch das Fluorcaleium im Rückstande ist, welche Verbindung ich für das Zustandekommen der Phosphori- 90 OttoM. Reis: tisirung für wichtig halte, alles dies ist jetzt noch nicht zu ent- scheiden. Für andere Gewebe ist es daher nicht von vorneherein selbstverständlich, dass zugleich mit der Muskulatur auch in ihnen eine Phosphoritisirung eintritt. Nur durch das Ungleichzeitige in correspondirenden Zersetzungsstadien der Zwischensubstanz der Muskelfasern einerseits und der Fibrillen, Schläuche, Sehnen ete. andererseits beruht eben die Erhaltung der Linienstruktur der Fasern, die Trennung der letzteren und der Theilmuskelbündel bis zu den Sehnenspalten der Myocommata. Mit diesen ver- wandte, häutige, ganz und gar aus Fibrillen gebildete Gewebe sollten sich daher nicht verkalkt erhalten können, wenn unsere Theorie von der Nothwendigkeit vorheriger, bis fast zum Verlust der Struktur stattfindender Zersetzung zu einem flüssigen Magma richtig ist. Die Muskulatur giebt hierbei als Norm das Tempo einer möglichen Concentration der anorganischen Salze an; nach den mikroskopischen Befunden blieben nun bis zum Abschluss der Concentration die fibrillären Einschlüsse unverändert oder in geringerer Zersetzung eingeschlossen und gingen auch später bei weiterer Zersetzung keine Verkalkung mehr ein). Von diesem Standpunkt aus nahm auch die Frage einer Fossilisation der Cutis, welche Eb. Fraas für Icehthyosaurus behauptete, mich ganz in Anspruch. Die histologischen Merkmale, welche Fraas dafür anführte, erwiesen sich mindestens als nicht ausschlaggebend, da thatsächlich identische mikroskopische Bil- der die Querschliffe durch ungleichmässig, stärker und schwächer zersetzte Muskelbündel liefern; es bleibt daher für die Diagnose auf Cutis bei Ichthyosaurus kein einziges wesentliches Kriterium übrig und ich bestritt die Möglichkeit ihres Eintritts in einen phosphoritisirten Zustand, soweit sie ein hochdifferen- zirtes häutiges Gebilde darstellt und sich in so wenig zersetztem Stadium befindet, in welchem noch nach Fraas „an die Schwarte von Seesäugethieren erinnernde Bildungen“ erkennbar sein sollten. In der Anmerkung zu S. 576 a. a. ©. habe ich aber betont, dass sich wohl Ausnahmefälle und besondere Zustände des Inte- 1) Vergleiche unten unsere Darstellungen über Schrumpfungen der Muskelbündel und -Fasern im Capitel über die Polarisations- erscheinungen. Ueber Phosphoritisirung der Cutis, d. Testikel u. d. Rückenmarks ete. 91 guments denken liessen, welche eine Phosphoritisirung auch der Cutis nicht ausschliessen würden (vgl. unten). Wie nun die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Phos- phoritisirung in den Muskeln durch eine grosse Anzahl äusserer und innerer Beschränkungen gemindert war, so schien das Gleiche für die Cutis in ganz ungleich erhöhterem Maasse zu gelten. Aus den sprechenden Beispielen von Callopterus und Is- chyodus, deren Cutis ohne vitale Skeleteinlagerungen bleibt (vgl. Arch. S. 573), geht deutlich hervor, dass zugleich mit voll- lendeter Phosphoritisirung der Muskulatur nicht auch nothwendig eine solche der Cutis verbunden ist. Vielmehr stimmt das Fehlen einer jeglichen der Cutis vergleichbaren Versteinerungsmasse in beiden erwähnten Fällen mit der Abwesenheit aller Verkalkungs- anzeichen in dem mit der Muskulatur unmittelbar verbundenen sehnigen Stütz- und Hüllgewebe. Ein Ausnahmefall schien mir indess bei Euryeormus vorzuliegen (a. a. 0. S. 521). Der damalige Zustand des Präpa- rates gestattete aber keine allzu sichere Diagnose in dieser wich- tigen Frage; ein erneutes Anschleifen der alten und Herstellung neuer Präparate von Eurycormus, Hypsocormus und Undina ermöglichen mir aber eine ganz bestimmte Darlegung der eingetretenen Phosphoritisirung der Cutis. Des- gleichen kann ich die bei Agassizia nur ungewiss sich dar- bietende Erscheinung der Phosphoritisirungdeskücken- marks durch neue Schliffe von Iscehyodus über allen Zweifel erheben. Bei der Erklärung der Phosphoritisirung der Cutis kommt auch, wie ıch hier gleich bemerken will, die merkwürdige phosphoritische Erhaltung der Hoden von Eurycormus zur Sprache. Beobachtungen über petrifieirte Cutis im einfachen Licht. Bezüglich Euryeormus bemerkte ich schon (Archiv f. mikrosk. Anat. XLI, S. 521): „Dass zwischen den beträcht- lich von einander entfernten Schuppen eine der Versteinerungs- masse der Muskulatur ganz gleiche Füllmasse gelagert ist. Es zeigt diese Masse scheinbare Strukturstreifen, die an einigen Stellen deutlich dem Unterrand der Schuppenquerschnitte nahezu parallel laufen. Man könnte hierbei vielleicht an Verkalkungen der untersten vital nicht verkalkten Lagen der Cutis denken“. 92 Otto M.Reis: Nach den neu hergestellten und verbesserten Präparaten habe ich nun das Folgende hinzuzufügen. Die Schuppen er- scheinen glashell und dicht lamellös, während die Füllmasse zwischen den Schuppen den porösen Charakter der phosphoriti- sirten Muskulatur zeigt und wie diese, im Gegensatz zu den Knochen und Schuppen in gedämpfter Helligkeit, ja sogar trübe erscheint. Wenn sich nun die Schuppen ebenso scharf von der fraglichen Füllmasse abheben, wie z. B. die Knochenquerschnitte von der Muskulatur, so geht hingegen diese Füllmasse an allen Stellen eontinuirlich in die Muskulatur über und ist nur da eine schwache Scheidung zu bemerken, wo sich die Muskulatur struk- turell besonders scharf abhebt; desgleichen gehen die einzelnen Füllungen zwischen den übereinander und nebeneinander liegen- den Schuppen continuirlich in einander über. Innerhalb der einzelnen Füllmassen ist nun aber eine deut- liche, stets wiederkehrende eharakteristische Struktur zu bemerken. Taf. VI, Fig. 2a und 2b (Theile eines Schliffes, welche mit ihren gradlinigen hinteren und vorderen Grenzlinien bei IV und V zusammenpassen) stellen den äusseren von der Muskulatur strukturell wohlgetrennten Versteinerungsmantel dar, in welchem mehrere der sich stark überschiebenden Schuppen quergetroffen sind. Sie sind natürlich im verschiedener Dieke, entweder mehr in der Mitte oder mehr randlich getroffen; I, U, II zeigen die obere Lage mit Osteoblasträumen, bei III zeigen sich auch noch basale Lamellen, welche durch zarte senkrechte Fasern mit ein- ander verbunden sind. In dem Zwischenraum I—II zeigt sich nun ein groberes Gefüge, doch ist deutlich eine dem Unterrand der Schuppe parallele Reihung unregelmässig längs verlängerter Poren und Körner von der Art der Poren und Körner der ver- steinerten Muskulatur zu bemerken. Zunächst der unteren Grenze bemerkt man zwei, im Verlauf eine gleichmässige Entfernung beibehaltende, spaltenartige dunkle Linien. Das Gleiche gilt im Ganzen von der Füllmasse II—III, nur zeigen sich hier in deren Mitte, nach der einen Seite zu deutlicher aus der Versteinerungs- masse hervortretend, mehrere dieht aneinander liegende hellere Streifen, welche durch gleichmässige Körnerstreifen von einander getrennt sind; der zweite dieser dunkleren Streifen zeigt deutlich eine zu der Längsrichtung (der Richtung des Schuppenunter- randes) senkrechte, kurze Faserung, welehe durch die angren- Ueber Phosphoritisirung der Cutis, d. Testikel u. d. Rückenmarks ete. 93 zenden hellen Streifen abgeschnitten ist. Diese Faserlage der Füllmasse gleicht vollständig der erwähnten der darunter folgen- den Schuppe III, zeigt dieselbe Höhe der Lage selbst und die- selbe Dichte der Faserung. Man erkennt also in dieser Lage die Struktur einer der Basallamellen der Cutis; da sie nun seitlich eontimuirlich in Ver- steinerungsportionen übergeht, welche nicht mehr senkrecht ge- fasert, zum Theil nur grob und fein längsgekörnelt sind, so muss ihre seitliche Fortsetzung auch ohne die feineren Strukturinerk- male dem gleichen histologischen Boden angehören. Dasselbe gilt für die an erwähnter Stelle zwischen II und III unter der senkrecht gefaserten Lage folgenden, gleich breiten und nur gekörnelten Lagen und in weiterer Folge wird man für -den grössten Absehnitt der unter den Schuppen liegenden Füllmasse sagen müssen, sie gehörten dem Bereich der Basallamellen, der geschichteten Cutis an. Da diese Lamellen nun bei der vitalen Schuppenverknöcherung unter dem ehernen Einfluss der hierbei stattfindenden Faserkrystallisationen nur in streng horizontalen Lagen in den Schuppenkörper einbezogen werden, so beweist die zwischen II und III in den Zwischenstreifen ganz local auftre- tende wellige Biegung, welche gar keine Beziehung zu den ganz geraden Rändern der oben und unten angrenzenden Schuppen zulässt, dass die Zwischenfüllmasse vor ihrer Verkalkung noch m weichem Zustand einem schwachen seitlichen Druck ausgesetzt war, welcher offenbar mit einem schwachen Zusammensinken der äusseren Haut zusammenhängt. Da diese Erscheinung nur auf die Verringerung der Körperoberfläche eines in sich zusammen- sinkenden Cadavers bezogen werden kann, so ist auch hierin ein Beweis gegeben, dass der Verkalkungsvorgang dieser Ge- webeabsehnitte ein posthumer gewesen sein muss; zwischen III und IV werden wir eine ähnliche Stelle zu erwähnen haben. Wir kommen jetzt zum Querschnitt der Schuppe IV, welche in Fig. 2b ihre Fortsetzung hat; es ist dies eine durchaus rand- lich und vorne getroffene Schuppe, die linke Partie zeigt eine Reihe noch nicht miteinander verschmolzener Knochenpartikel (der äussersten peripheren Zuwachsregion angehörig), welche sich nach rechts (hinten) zu einer contimuirlichen Lage vereinigen ; in Fig. 2b bemerkt man noch eine äusserste,. separate Partie derselben Schuppe, an deren unterster Grenze ein Osteoblastzell- 94 OttoM. Reis: raum deutlich ist. An die seitliche Endigung dieser Schuppe stösst nun der dieke Theil einer neuen Schuppe, deren Annähe- rung jedenfalls keine ganz normale ist; dies ist in der darüber liegenden Versteinerungsmasse durch eine bezeichnende Biegung der ursprünglich weichen Cutislage (vgl. oben Füllmasse II—II) ausgedrückt. Die Masse III—IV zeigt nun wesentlich dasselbe, wie die der vorhergehenden Zwischenräume der Schuppen, nämlich eine deutlich horizontale Reihung längsverlängerter Körnehen; im der Mitte macht sich eime ziemlich gleichbreit bleibende, hellere und diehtere, von zwei etwas stärker entwickelten Körnerreihen be- grenzte Lage bemerkbar. Ganz Aehnliches gilt für den Zwischen- raum IV—V und die Unterlage der Schuppe V, wenn auch die einzelnen Merkmale etwas schwächer auftreten. Die Grenze der Unterlage von V ist ziemlich scharf gegen die darunter liegenden quer und längsgetroffenen Muskelbündel abgesetzt (vgl. Arch. XLI, Taf. XXX). Es zeigt also dies mikroskopische Bild eine Reihe sich überdeckender Schuppen in den verschiedensten Phasen des Wachsthums. Dabei ist für jede derselben eine anorganische Unterlage zu bemerken, die wechselnd deutlich strukturführend ist, aber wesentlich den gleichen Charakter behält, nämlich den der Basallamellen der Cutis. Diese Unterlage entspricht dem Theil der Cutis, welcher vital als weicher Rest der Hautverknö- eherungen übrig bleibt. Die posthume Verkalkung dieses Restes ist es, welche nicht nur die Schuppen in so beträchtlicher Ent- fernung von einander gehalten hat, sondern auch den Träger für die isolirt auftretenden Partikel des vorderen peripheren Zuwachses der Schuppenverknöcherung bildet. Zu bemerken ist noch, dass zwischen der constanten untersten Lage und dem Oberrand jedes- mal der nächsten Schuppe ein klemer Zwischenraum mit meist etwas unregelmässiger Körnelung liegt; diese halte ich für die ungeschichtete Cutisbedeckung der darunter liegenden Schuppe, die Grenze zwischen beiden Lagen daher als Grenze der Schup- pentasche. Das zweite Beispiel phosphoritisirter Lederhaut zeigt uns num Hypsocormus. Das Lageverhältniss der im Dünnschliff (Fig. la und 1b) getroffenen Schuppen ist ungefähr dasselbe wie bei Eurycormus. Ueber Phosphoritisirung der Outis, d. Testikel u. d. Rückenmarks ete. 95 Die Massen zwischen den Schuppen zeigen durchaus grosse Ver- schiedenheit gegenüber den Schuppen selbst und verhalten sich viel mehr wie die Muskelversteinerungsmasse. Auch hier lässt sich im Allgemeinen eine dem Unterrand parallele Reihung in dem sonst unregelmässig körneligen Gefüge der Versteinerungsmasse erkennen; sodann aber auch stellenweise sich lang hinziehende, in regelmässigen Intervallen übereinander auftretende, als dunkle Bänderung erschbemende, lagenartige An- häufungen dunkler Körnehen. Eine dritte Erscheinung zeigt con- tinuirliche, kürzere oder längere linienartige Streifen, welehe in unregelmässig schmalen, auskeilenden und sich wieder einschal- tenden Limienbündeln eng über einander gruppirt sind. Beim Auf- und Abdrehen des Tubus erweisen sie sich als zusammengehäufte, sehr feine Spaltflächen, welche sich in unregelmässigen fetzigen Aus- läufern zerschleissen. Diese Ausläufer enden blind und unterscheiden sich stark von den durch Druck in der Versteinerungsmasse ent- standenen Sprungflächen. Es beweist dies, dass diese Spalten vereinzelten, sich zerfetzenden, häutigen Einschlüssen entsprechen, welche am längsten der Zersetzung widerstanden haben. Den hauptsächlichsten Stellen ihres Auftretens nach glaube ich, dass sie den basalen Lagen der einzelnen Schuppentaschen (vgl. Euryeormus) entsprechen. Alle diese Strukturmerkmale verlaufen m der Richtung des Unterrandes der Schuppen; eine hierzu senkrechte Anordnung dunkler Körnchen oder kurzer Streifehen lässt sich ausserdem ziemlich gleichmässig verbreitet über die ganze Fläche hin wahr- nehmen. Die unterste Grenzlinie der Fig. 1 stellt die Grenze gegen die Muskulatur dar, welche nicht mehr gezeichnet ist. Als Trennung beider ist ein ganz schmales unregelmässiges Band körneliger Massen vorhanden. Auf besondere optische Erschei- nungen dieses Bandes und der darauf folgenden Muskulatur kommen wir im nächsten Kapitel zurück. Wir haben also auch hier bei Hypsocormus entschiedene Kennzeichen der Cutisverkalkung: horizontale häutige Lagen, Bän- der und Körnerreihen mit einer dazu senkrechten Faserung oder Körnelung. Da die vitalen Verkalkungen der Cutis sehr deutlich in normalen, in sich abgeschlossenen, wohl ausgebildeten Schuppen vorhanden sind, so können die erwähnten Unterlagen und Zwischen- 96 OttoM. Reis: lagen zwischen denselben nur einer posthum accessorischen Ver- steinerung zuzuschreiben sein. Der dritte Fall beobachteter fossilisirten Cutis ist in Taf. VI Fig. 3 dargestellt und zwar von der Gattung Undina. Man bemerkt Durchschnitte durch Schuppen, vier Rippen und im Innersten einen Querschnitt der verknöcherten Schwimmblasen- wand. Dieselbe besteht aus einzelnen schuppigen Blättern, deren Trennung auch in dem Präparat ersichtlich ist. Die Trennungs- linie m der beiden Wände liegt einseitig nach unten, der Sehliff geht also etwas schief quer durch den Körper. Die Aussenfläche der einzelnen Blasenblätter ist durch ovale bis rechteckige Hohlräume gekennzeichnet, die Innenseite besteht aus reiner, ge- fässloser Knochensubstanz. Von diesen ganz hellen vitalen Verknöcherungen hebt sich nun die zwischen den Schuppen und der Schwimmblase befind- liche Füllmasse in ihrer ungleichen und undichten Consistenz und ihrer schmutzig braunen Farbe ab; sie gleicht hierin der Erfüllung der Knochenhöhlehen und zeigt sich so als eine mit der Aus- wesung der organischen Materie verbundene posthume Ablagerung. Wir haben bier die Alternative, ob sie den Muskeln oder der Cutis entspricht. Die Ueberschiebung der Schuppen ist hier so gering, dass die Frage, wie bei den vorhergehenden Fällen, nicht schon dadurch gelöst ist, dass die fraglichen Massen sich zwischen den einzelnen Schuppen befinden. Die Schuppen selbst sind so sehr dünn, dass ein sehr grosser Rest der weichen Lederhaut der posthumen Verkalkung noch offen stand. Wie nun fossilisirte Muskulatur bei Undina in Längs- und Querschnitt aussieht, das haben wir im Mikr. Arch. Bd. XXXXI Taf. XXIX u. XXX deutlich abgebildet und es kann kein Zweifel sein, dass bei Erhaltung so grosser Einzelheiten die hier in Rede stehende Struktur auch nicht entfernte Beziehungen mit Muskel- verkalkung hat. Die Beziehung zu der Cutis-Phosphoritisirung besonders bei Hypsocormus sind indess sehr innige, wenn die Struktur hier auch im Ganzen viel feiner ist, als bei Undina. Die Gleichheit ist besser zu ersehen, als zu beschreiben und wird die Deutung der Masse als versteinerte Cutis auch noch durch die unten besprochenen Polarisationserscheinungen befestigt. Schliesslich haben wir noch die fossilisirte Cutis von Rha- Ueber Phosphoritisirung der Cutis, d. Testikel u. d. Rückenmarks ete. 97 eolepis zu erwähnen; schon Wood ward erwähnt (Proe. Zool. Soe. No. XXXV]), dass die grossen Seitenmuskeln des Rumpfes an einzelnen Exemplaren erhalten seien. An einem Exemplar des pal. Instituts in München zeigte sich eine Erfüllung des Körper- innern sowohl, als des Raumes zwischen den Schuppen in ganz der gleichen Weise, wie wir es bei Hypsocormus und Eury- cormus gesehen haben. Feinere Strukturverhältnisse waren nicht zu erkennen; die Massen erschienen sekundär zersetzt und mineralisch metamorphosirt. So bildeten sich zwischen den regel- mässig von einander entfernten Schuppen radialfaserige Conere- tionen von (Kalk und) Phosphorit; dergleichen Concretionen finden sich massenhaft im Körperinnern zwischen den Schuppen und erinnert dies an das Phosphoritauftreten von Querey. Ob diese eoneretionären Bildungen bei Rhacolepis primär oder sekun- där sind, das war nicht zu entscheiden, dass sie sich aber an die Phosphoritisirung der Cutis in irgend einer Weise anschliessen, unterliegt keinem Zweifel. Petrifieirte Cutis und Muskulatur in polarisirtem Licht. Betrachten wir auch hier zuerst die Verhältnisse bei Eury- cormus (Taf. VI Fig. 14). Zwischen gekreuzten Nikols leuchten die Schuppen und Knochen in gewisser!) Stellung in Lamellen hell auf, die Schuppen besonders in der Umgrenzung, wie wir sie auch bei einfachem Licht erkennen konnten. Was wir Zwischen- masse der Schuppen nannten und als posthume Verkalkung der vital weich bleibenden Lederhaut deuteten, verhält sich dagegen ganz anders. Der grösste Theil derselben bleibt, wie die Mus- kelversteinerung meist, dunkel, doch zeigen sich auch entsprechend der schon bei einfachem Licht deutlichen Lagerung der Füllmasse schwächere Erhellungsstreifen; dieselben erreichen aber nicht die Liehtstärke der Schuppen und Knochen, sondern erhellen sich nur, wie auch die Muskulatur sich erhellt, wenn sie doppelbrechend erscheint (vgl. unten). Die Erhellungsstreifen schliessen sich zum Theil zusammengeschaart an den Sechuppenunterrand an, zum Theil treten sie auch vereinzelt erst in grösserer Entfernung von dem- selben auf. Ihre Erhellung ete. erfolgt nun merkwürdiger Weise 1) Dieselbe ist im Laufe des Capitels näher besprochen; verg)l. auch Tafelerklärung. i. Archiv f. mikrosk. Anat, Bd. 44 7 98 Otto M. Reis: gleichzeitig mit dem Maximum der Erhellung in den Schuppen und Knochen selbst. Diese Erscheinung könnte auf den ersten Augenblick den Eindruck hervorbringen, als ob hier eine organische, vitale Ver- kalkung vorläge. Abgesehen von allem schon Angeführten sprechen noch folgende Gründe ausschliessend dagegen. 1) Ist die Erhellung nicht scharf umgrenzt, sondern unregel- mässig sporadisch; einzelne bei einfachem Licht deutliche Lagerun- gen erhellen sich nieht, andere Erhellungsstreifen bei polarisirtem Licht lassen sich bei einfachen kaum oder gar nicht von der übrigen Masse scheiden. 2) Treten einzelne Erhellungsstreifen erst in einiger Entfernung vom Unterrand der Schuppen durch dunkel bleibende Masse davon getrennt auf. Die Annahme einer organischen Verkalkung derart entfernt vom Unterrand der Schuppen ist überhaupt ein Undimg. Wir haben ja in unserem Präparat selbst ausserdem die verschiedenen Stadien des Schuppenwachs- thums vertreten, welche im Wesentlichen mit den ontogenetischen Daten über die Entwickelung der Schuppen übereinstimmt. Da- nach ist eine isolirte Verkalkung von Basallamellen (Lagen der geschiehteten Cutis) ohne die übrigen Verknöcherungen der papil- lösen Anlage unmöglich. Einer der Erhellungsstreifen ist beson- ders constant und bleibt sich in jeder Beziehung gleich, ob die darüber liegenden Schuppendurchschnitte im Anfangsstadium des peripheren Zuwachses sich befinden oder einen vollendet ver- knöcherten Schuppenkörper darstellen. Dies beweist eben, dass dieser Streifen und auch die ihn begleitenden anderen Erhellungs- streifen gar keine Beziehung zu dem vitalen Verkalkungszuwachs der Schuppen haben. Da dieser constante Streifen nach unten stets durch dunkel bleibende Versteinerungsmasse begrenzt ist, so gewinnt auch hierdurch unsere Deutung, dass er die basale Lage einer Schuppentasche bildet, an Wahrschemlichkeit. 3) Ist die Erhellung der in Rede stehenden Streifen eine ganz an- dere, als die der organischen Verkalkungen, sie ist schwächer, nicht so dieht geschlossen und glasighell, nicht scharf begrenzt, sondern geht eontinuirlich sich abschwächend in die dunkle Masse über; bei stärkerer Vergrösserung löst sie sich, wie ein Nebelfleck des Himmels, in einzelne Lichtpunkte auf. Aehnlich sind die Erscheinungen bei Hypsocormus (vgl. . Taf. VI, Fig. 15). Es erhellt sich hier die ganze zwischen den Ueber Phosphoritisirung der Cutis, d. Testikel u. d. Rückenmarks ete. 99 Schuppen liegende Masse zugleich mit der höchsten Helligkeit der Schuppen, jedoch mit bedeutend geringerer Lichtstärke und in der Art, wie wir es bei Eurycormus gesehen haben. An vielen Stellen, besonders wo auch schon bei einfachem Licht eine Lagerung erkennbar ist, zeigt sich eine solche in bedeutenden Lichtunterschieden, streifenweise sich auf grossen Raum erstreckend; es tritt hierdurch eine deutliche „Schichtung“ in dem sich schon bei einfachem Licht als der geschichteten Cutis angehörig dar- stellenden Abschnitt der Versteinerungsmasse zu Tage. Wie wir schon oben erwähnten, ist die Cutis von der Muskulatur durch ein schmales, an Breite wesentlich gleichblei- bendes, aber doch unregelmässig begrenztes und verbogenes Band, welches bei einfachem Licht grob dunkelkörnig erscheint, getrennt. Bei polarisirtem Licht erhellt sich dieses Band und zeigt sich als ein wie locker zusammengehäuftes, wirres Gefüge von kleinsten unregelmässig krystallischen Schülferchen mit einzelnen Sphaerolith- kreuzchen. Es ist dies genau dieselbe Erscheinung, wie wir sie beiIschyodus und Chimaeropsis Arch. 1. e. 543-——547 be- schrieben haben. Bei letzterem wurde erwähnt, dass diese krystal- linische Masse sich hauptsächlich zwischen der Muskulatur und den Chagrin-Zähnehen oder in der Umgebung der letzteren be- fände; die Sphaerolithkreuzchen folgen dann unmittelbar sich hier anschliessend in der eigentlichen Muskelversteinerungsmasse. Quer- schliffe durch Ischyodus haben mir weiter gezeigt, dass auch bier die ganze Muskel-Oberfläche mit dieser Lage von kıystal- linischen Schülferchen bedeckt ist, dass sich die Sphaerolithkreuz- chen sowohl direkt hier anschliessen, als auch tiefer im Myo- phosphorit selbst in schmitzenartigen Anhäufungen vorkommen (vgl. Taf. VI, Fig. 5). Bei Hypsocormus ist das erwähnte Band zwischen Cutis und Muskulatur auch nicht die einzige Stelle, wo diese krystallinische Ausbildung vorkommt, sie tritt auch noch hie und da zwischen Muskelbündeln auf, ja wie auch gelegentlich bei Eurycormus auf der äussersten Schuppenoberfläche als dünne Lage!). 1) Aehnliche Beschaffenheit zeigt ein ‚ganz feiner Fossilations- niederschlag einer Caudalflosse von Ichthyosaurus, welche sich in der Samml. des pal. Inst. in München befindet; im Bereich derselben finden auch grössere Auskrystallisationen von kohlensaurem Kalk statt. Eine bestimmte Gewebeform vertritt dieser Niederschlag Jedenfalls 100 Otto M. Reis: Wenn wir nun die Polarisationserscheinungen der Cutis ge- nügend würdigen wollen, so müssen wir vor allem noch die der Muskulatur bei Hypsocormus betrachten; bei gewöhnlichem Liehte erscheint im Querschnitt die Muskulatur in deutlichen Bündeln abgetheilt, welche theils längs, theils quer getroffen sind. Das Innere der Bündel ist meist stark gekörnelt und dunkel, das äussere weniger stark, erscheint viel heller und bildet eine helle Zone um dieselben (Taf. VI, Fig. 4). In dieser tritt die Längsstrei- fung sehr stark hervor, ohne dass die Dichte der Fasern darunter leidet. Es ist dies in mehreren Fällen (Undina, Callopterus etc.) von mir erwähnt worden, dass diese äusseren Ränder der Bündel heller, weniger strukturführend erscheinen und einen stärkeren Zersetzungsgrad des organischen Magmas voraussetzen. Diese Zone erscheint nun auch zwischen gekreuzten Nicols in gewisser Stellung hell. In Fig. 4 sehen wir unten mehrere Muskelbündel mit der randlichen Zone quer und oben die letztere flach angeschliffen; in Fig. 16 sehen wir die Polarisationserscheinungen in dem linken Theil des flachen Anschliffs dieser Randzone. Vor allem ist hier darauf aufmerksam zu machen, dass ein Maximum und Minimum der Helligkeit zu beobachten ist; das Maximum tritt ein, wenn die Richtung der diehtgedrängten Längs- fibrillen des getroffenen Muskelbündels einen Winkel von 45° mit dien Polarisationsebenen der beiden Nicols macht. Ganz die gleiche Erscheinung tritt bei der Erhellung der posthum phosphoritisirten Cutislagen ein und der ganz regelmässige Wechsel der hellen und dunkelen Lagen (Taf. IV, Fig. 1) weist auf die Thatsache hin, dass stets bei Cutisquerschnitten ein Wechsel von längs- und quer- getroffenen Faserlagen zu beobachten ist. Die Erhellung ist sonach in beiden Fällen nur auf die ausserordentlich starke Längsfaserung zurückzuführen, in deren Längsrichtung die Kryställchen des einaxigen Versteinerungsmaterials mit ihrer optischen Axe orien- tirt sind, so dass in den dunkeln Lagen dieselben quer durch- schnitten wurden. Hierdurch ist auch zugleich erklärt, warum das Maximum der Helligkeit gleichzeitig mit dem in den Schuppen stattfindet, da in die vitale Verknöcherung der Schuppen die Cutis- nicht und ist offenbar bewirkt durch eiweissartige Bestandtheile eines vagen, alle Gewebezwischenräume durchdringenden Zersetzungs- serums. Ueber Phosphoritisirung der Cutis, d. Testikel u. d. Rückenmarksete. 101 lagen mit gleich wechselnder Faserrichtung und dementsprechender Lagerung der Verkalkungspartikelehen eingeschlossen sind. Auch der posthume Charakter der Verkalkung der Cutis ist da- durch über allen Zweifel erhaben, dass dieselbe Erscheinung der Erhellung in Grad und Art auch in phosphoritisirtem, typischem Muskelgewebe zu erkennen ist. Die Gleichzeitigkeit der Erhellung dieser beiden posthum verkalkten Gewebe findet nicht nur mit den Schuppen statt, sondern auch mit den Knochen des Innenskelets. Die einfachen Röhrenknochen der Fische verhalten sich zwischen gekreuzten Nicols selbst in fossilem Zustand, wie die einfachen Röhrenknochen vom Frosch und der Fledermaus (vgl. Ebner, Sitzber. der Wiener Akad. Bd. 70 und 72); die Art und der Zeitpunkt der Erhellung erfolgt nach meinen Präparaten genau wie die der Schuppen, der Cutis und der Muskulatur. Bei einfachen Knochen haben wir noch wegen des normal eon- centrisch-lamellösen Baus die Erscheinung des schwarzen Kreuzes; bei complieirten Knochen mit Lamellen verschiedener Biegung inmitten des Havers’schen Canalsystems ist das Auftreten des schwarzen Kreuzes nicht mehr normal; statt dessen treten oft isolirte dunkle Hyberbelarme auf, die sich je nach dem Durch- schnitt der Lamellen beim Drehen des Objekttisches in unregel- mässiger Weise verändern. Ganz ähnliche Erscheinungen beobachtet man auch in der verkalkten Muskulatur von Hypsocormus: an einzelnen Stellen treten bei gekreuzten Nicols Bilder auf, wie sie in Fig. 16 getreu dargestellt sind; in Fig. 17, 18, 19 ist die Aufeinanderfolge der Bilder, wie sie noch an andren Stellen mehrerer Präparate be- obachtet sind, schematisch gezeichnet; Fig. 17 zeigt die Erschei- nung bei der Parallelstellung der Faserrichtung, die Stellung grösster Dunkelheit; man erkennt zwei dunkle Hyberbeln, deren Arme beim Drehen des Objekttisches auseinandergehen, die beiden Lichtkerne innerhalb vergrössern und jenen ausser- halb verkleinern (Fig. 18), bis endlich bei 45° das dritte Bild erscheint, die Stellung der höchsten Lichtstärke Fig. 19. Diese Lichterscheinungen stehen stets senkrecht zum Allgemein-Verlauf der Fibrillenstreifung und wenn man ihre Stellen beim einfachen Licht genau untersucht, so entsprechen ihnen deutlich zarte, wellige Auf- und Abbiegungen (vgl. Taf. VI, Fig. 4 102 Otto M. Reis: links oben), der Fibrillenstreifung, welche nicht nur auf der Ober- fläche des Präparates verlaufen, sondern sich auch räumlich in die Tiefe desselben erstrecken. Diese Wellung entspricht einer regelmässigen Schrump fung der hellen und doppelbrechenden Aussenschicht der Muskelbündel und hängt mit der bei vollkom- menerer Verkalkung auch im Querschnitt der Muskelfasern be- merkbaren Raumverminderung derselben zusammen. Diese Wel- lung hat eine einfache Folge, nämlich dass die Richtung der doppelbrechenden Elemente in regelmässiger Weise geändert wird. Steht die Hauptrichtung der Längsfaserung in der Parallelstellung, d. h. sind die längsgefaserten Flächen bei X Nicols dunkel, so sind die gewellten Theile m der Umbiegung, mehr in der 45°-Stellung gerichtet, d. h. hell und heller. Ist dagegen die Längsfaserung in der 45°-Stellung und herrscht die grösste Helligkeit, so sind die Umbiegungsstellen in ihrer Fasserung abwechselnd mehr nach der Parallelstellung und senkrecht dazu gerichtet, erscheinen also dunkler bis ganz dunkel (vgl. Taf. VI, Fig. 19). Es ist dies dasselbe einfache Prinzip, welches das schwarze Kreuz bei allen sphärolithischen Bildungen, sowie bei den einfachen Röhrenknochen und normalen Havers’schen Canälen, desgleichen die unregel- mässigeren complieirteren Erhellungen bei unregelmässig gebogenen Knochenlamellen erklärt. Eine Combination dieser Bilder zeigt auch die Muskulatur von Ischyodus und Chimaeropsis, von welcher letzteren ich schon früher erwähnte, dass auch die Muskulatur starke Doppel- brechung zeige. Bei beiden nahe verwandten Gattungen finden entweder ganz einfache streifenweis-flächenhafte, oder auch complieirtere Er- hellungen statt, wie bei Hypsocormus. Eırstere treten auch wie bei Hypsocormus ganz besonders da auf, wo die Muskel- bündel am entschiedensten längs getroffen sind und auch wo sie (siehe 1. ec. Taf. XXX, Fig. 6, untere Hälfte der Zeiehnung) stärker comprimirt erscheinen. Diese Comprimirung findet in der Richtung senkrecht zur Körperoberfläche statt und zwar sehr häufig im Inneren normal durchsehnittener Muskelbündel, was ebenso (vgl. l. e. S. 542) wie eine stärkere Erhellung der Fasern und das Fehlen der Querstreifen auf einen mehr vorgeschrittenen Zer- setzungszustand der verkalkenden Fasern schliessen lässt; durch letzteren findet ja eine Raummaassverminderung statt, welche bei Ueber Phosphoritisirung der Cutis, d. Testikel u. d. Rückenmarks ete. 103 rascherem Erhärtungsprocess zu Lücken zwischen Fasern Anlass giebt oder bei noch weicherem Magma Compressionen senkrecht zar Körperoberfläche zulässt. . Diese einfachen, streifenweis-fächenhaften Erhellungen zeigen, wie bei Hypsocormus, in der 45°-Stellung die grösste Licht- stärke. Eine complieirte Erhellung zeigt die Fig. 20 in der 45°-Stellung eines Muskelbündels, dessen Faserschnitte im Umfang des Polari- sationsbildes dargestellt sind (vgl. 1. ce. Taf. XXX, Fig. 6, 400 diam). Man bemerkt vor allem die stärkste Erhellung in den an Volumen reduzirten und senkrecht comprimirten Faserquerschnitten; sodann fällt eine eigenthümliche Felderung rhombischer Auslöschungen auf, welche in schiefen Reihen angeordnet ist. Bei der Drehung des Objekttisches zu den Parallelstellungen der Längsriehtung der Muskelfasern mit Polarisationsebenen der beiden Nicols treten nun in diesen rhombischen Feldern Lichtkerne auf, welche sich der kurzen Diagonale nach erweitern und endlich bei der Parallel- stellung eine kreuzförmige Anordnung dreieckiger Lichtbündel erzeugen, welche von dem Zusammenstossen der stumpferen Winkel der rhombischen Felder ausgehen. Die queren Lichtsäulen haben sich hierbei aufgelöst und es herrscht das Maximum der Dunkelheit. Es erscheint demgemäss in der Muskulatur von Chi- maeropsis (gleiches gilt für Ischyodus) dieselbe Reihe der complieirten Polarisationserscheinungen, wie sie bei Hypso- cormus in Fig. 16—19, z. Th. schematisch dargestellt sind. Chi- maeropsis zeigt aber auch eine Bestätigung der Erklärung der Erscheinung, wie wir sie bei Hypsocormus schon ge- geben haben. Die Punkte nämlich, von denen bei der Parallel- stellung die Lichtbündel kreuzartig ausstrahlen (die stumpfen Ecken der Rhomben bei der 45°-Stellung), sind nämlich mehr oder weniger starke Lücken an der Stelle des Zusammentreffens einzelner oder mehrerer Muskelfaserquerschnitte. Von hier aus (den grösseren, längs dieser Fasern verlaufenden Spalten) findet also eine Unterbrechung der einfachen Längsfaser-Orientirung der kleinsten doppelbrechenden Elemente statt und zwar in einer Weise, welche zwar unregelmässiger ist, aber doch so erfolgt, als ob diese Spalten Havers’schen Canälen entsprächen. Diese Unterbrechung kann nun auf die bei Hypsocormus beobachtete Wellung zurückgeführt werden. Wir haben oben S. 102 aus- 104 OttoM. Reis: geführt, dass diese in den parallel zur Körperoberfläche laufenden Bündeln meist senkrecht in die Tiefe gehenden Wellungen durch Schrumpfungen der oberflächlicheren bis tiefer liegenden Theile der Muskelbündel erklärt werden müssen. Nun verlaufen bei Chimaeropsis diese streifenweisen Lichterscheinungen auch ziemlich senkrecht zur Körperoberfläche, zu der Hauptrichtung der Faserung und der Compression der Bündel; weiterhin gehen sie, wie erwähnt, durch sämmtliche grössere zelligen Lücken zwischen den Fasern, welche Lücken geradezu als Schrumpfungslücken anzusehen sind (vg. oben S. 90 und Archiv I. e. S. 542). Die Unterschiede zwischen den complieirteren Polarisationsbildern von Hypsocormus und Chimaeropsis (bezw. Ischyodus) beruhen nur darauf, dass bei ersterem im Gegensatz zu letzteren die Bündel rein längsgetroffen und die Trennung der einzelnen Fasern ganz wenig bemerkbar, d.h. fast vollständig aufgehoben ist. Dafür zeigt Chimaeropsis den ursächlichen Zusammenhang der grösseren Schrumpfungswellen der Bündel mit den Schrumpfungs- lücken der einzelnen Muskelfasern und es erscheint darnach ganz natürlich, dass die Vereinigung der partiellen Contraktionser- scheinungen der Fasern zu den Wellungen der Bündel bei dem vorherrschenden Druck und vorherrschender Faserrichtung in Richtungen senkrecht zur Körperoberfläche erfolgt. Etwas Aehnliches findet an den Berührungsstellen des Chagrin mit der Muskulatur bei Chimaeropsis statt, desgleichen der Seitenlinienknorpel und der Prismen des Innenskelets mit der Mus- kulatur bei Chimaeropsis und Ischyodus Es treten hier Erscheinungen zwischen beiden auf, welche den Lichtveränderungen um ein stumpfes Eck der in Fig. 20 gezeichneten dunkeln Rhomben theilweise und ganz gleichen. Es ist ganz natürlich, dass an derartigen Stellen die allgemeine periphere Zusammenschrumpfung widerstandsfähigere Gegenlager findet und daher stärkere Stauungs- erscheinungen und stärkere Faserablenkungen hervortreten, welche letzteren zwischen gekreuzten Nicols im Dünnschliff betrachtet, eigenartige Lichterscheinungen hervorbringen müssen. Durch diese Polarisationserscheinungen in der Muskulatur wird auch unsere Deutung posthumer Verkalkung der Cutis über allen Verdacht erhoben und erhält das Gewicht einer wissen- schaftlich begründeten und zu weiteren Folgerungen verwerth- baren Thatsache. Ueber Phosphoritisirung der Cutis, d. Testikel u. d. Rückenmarks ete. 105 Zuerst ist uns eine specielle Folgerung von grosser Wich- tigkeit nämlich, das auch die Polarisationserscheinungen bei Un- dina beweisen, dass wir es hier mit fossilisirter Cutis zu thun haben. Erstens stimmen sie mit denen von Hypsocormus (und Eurycormus) überein, zweitens sind auch bei Undina gar keine Erhellungen der Muskulatur zwischen gekreuzten Nicols zu beobachten). Dies ist wichtig für die später zu verwerthende Thatsache, dass nämlich an dem untersuchten Exemplar an der Stelle, wo sonst die stärkste Verkalkung der Muskulatur bei Un- dina zu beobachten ist (hintere Leibeshöhle), von dieser gar nichts zu bemerken, sondern nur die Cutis verkalkt ist. Eine weitere wichtige Folgerung ist allgemeineren Charakters; wir konnten im Obigen eine ganz merkwürdige Uebereinstimmung der posthumen Cutis- und Muskelphosphoritisirung mit der vitalen Verkalkung von Knochen und Schuppen constatiren: Diese Ueber- einstimmung kann nur darin liegen, dass die kleinsten doppel- brechenden Elemente der Phosphoritisirung den noch bei der Zer- setzung sich erhaltenden Fasern nach krystallographisch orientirt sind. Für diese Orientirung habe ich einen Beweis; es wurden bei Ischyodus und Chimaeropsis, bei denen also die Musku- latur doppelbrechend ist, ein stellenweise reichlicheres Auftreten sphaerolithischer Bildungen schon erwähnt. In dem Prä- parat Fig. 5 bestehen die dunkel gekörnelten Stellen aus längs- schmitzenartigen Anhäufungen dieser Sphärolithe; bei gekreüzten Nicols erweisen sie sich deutlich in Längsreihen ange- ordnet und gehen scheinbar allmählich in die ganz gleichmässig punktirten hellen Streifenfelder der Faser-Längsschnitte über. Die helle Punktirung ist gerade noch bei Anwendung stärkster Vergrösserung zu erkennen, so dass bei der Dichte der Ueber- lagerung der sehr kleinen Elemente ihre Reihung nicht mehr con- statirt werden kann. Sie steht aber nach Allem wohl ausser Zweifel Wenn nun schon für die Längsfibrillen der Muskulatur gilt, dass die doppelbrechenden Elemente nach denselben geordnet und krystallographisch orientirt sind, um wie viel mehr muss dies für die sich zersetzende Cutis mit ihrer für die vitale Verkalkung 1) Eine schwache Erhellung zeigt sich hier in dem Präparat Arch. XLI, Taf. XXX, Fig.5 und zwar in der glashellen Randzone der kleineren Muskelbündel. 106 OttoM. Reis: präformirten Faserung gelten; so kommt es, dass die posthume Verkalkung derseiben von der vitalen sich fast nur durch das Maass der Lichtstärke (bei eontinuirlicherem Anschluss der ein- zelnen Verkalkungselemente zu glasigen Lagen) unterscheidet). Das wichtigste Resultat dieser Thatsachen folgt aus der Möglichkeit der Umkehrung der aus der posthumen Verkalkung gewonnenen Erfahrungen. Es ist eine feststehende Grundlage, dass die posthume Verkalkung, sei es nun der Muskulatur oder der Cutis, erst in einem vorgeschrittenen Zersetzungszustand der organischen Materie stattfinden kann; für die Muskulatur haben wir nun weiter gesehen, dass die Polarisationserscheinungen, welche denen der Cutis ähneln, in einem von den übrigen, nicht doppel- brechenden Muskeln, etwas verschiedenen Zustande sich befinden, der dem einer etwas mehr (wenn auch nur wenig mehr) vorge- schrittenen Zersetzung entspricht?).. Wenn wir das nun auf die vitalen Verkalkungen anwenden, so können wir folgern, dass es ein der gewöhnlichen Zersetzung nach dem Tode ausserordentlich nahe verwandter Process im lebenden Protoplasma sein muss, in welchem die skeletbildenden Salze aus einem gelösten in einen unlöslichen, als Skelet verharrenden Zustand übergeführt werden 1) E. Fraas erwähnt (Württemb. Jahresh. für vaterländ. Natur- kunde, 1889), dass die Muskelsubstanz von Geoteuthis lebhafte Po- larisationserscheinungen zeige. Nach dem, was wir nun bei Hypso- cormus, Isehyodus und Chimaeropsis gesehen haben, erscheint diese Thatsache, die für die Solnhofer chondrophoren Cephalopoden nicht gilt, nicht mehr so isolirt. Sie erscheint auch verständlich, da bei diesen Thierformen die Längsstreifung die herrschende ist. Dieser vorhandene Unterschied beweist aber, wie bis jetzt undefinirbare, jedenfalls geringfügige Differenzen der äusseren Umstände (hier offen- bar constante Beschaffenheit des Meerwassers und seiner Niederschläge) die Art des phosphoritischen Niederschlages beeinflussen. 2) Ich muss hier einem Einwand begegnen, der folgendermaassen begründet werden könnte. Wie nach unseren Auseinandersetzungen nur die längsgefaserten Cutislagen Polarisationserscheinungen zeigen und demnach alleLagen, welche dazu senkrechte Faserung besitzen, in allen Stellungen dunkel bleiben, so könnte auch das durchschnittliche Dunkelbleiben des Myophosphorits in gleicher Weise erklärt werden. Dem ist aber zu begegnen, dass die in überwiegender Mehrheit vor- liegenden Thatsachen bei Fischen und Cephalopoden (vgl. Anm. S. 105) beweisen, dass reine Längsschnitte mit wohlerhaltener Längsstreifung in allen Stellungen dunkel bleiben können, dass also hier thatsächlich amorphe Masse vorliegt. Ueber Phosphoritisirung der Cutis, d. Testikel u. d. Rückenmarks ete. 107 (vgl. Arch. 1. ce. S. 561). Man hat Achnliches schon aus dem Vorkommen pathologischer Verkalkungen, solcher in alternden oder degenerirenden Geweben gefolgert, sogar das Auftreten von normalen Verknöcherungen in Stützgeweben von Thiergruppen als ein allgememes phylogenetisches Anzeichen der Senilität an- gesehen; es kann dies von unserem Standpunkte aus nur gestützt werden. | Ursachen der Cutis-Phosphoritisirung. — Die Testieuli von Eurycormus. Im Vorausgehenden haben wir stets kurzweg angenom- men, dass die Cutis gerade so posthum verkalken könne, wie die Muskulatur und die histologische Verschiedenheit der beiden ganz ausser Betracht gelassen, trotzdem wir früher erklärt hatten, dass die Lederhaut nach ihrer durchsehnittlichen normalen Be- schaffenheit die schlechtesten Bedingungen zu einer Phosphori- tisirung biete. Wir sprachen aber von einem möglichen Aus- nahmezustand der Cutis; derselbe gilt ganz besonders gegen- über den verwandten Gewebebildungen, den bindegewebigen Häuten und Sehnen. Weder beim Fehlen der verkalkten Cutis noch beim Vorhandensein derselben zeigt sich jemals in Verbindung mit den wohlerhaltenen Muskeln eine Spur von Häute-Verkalkungen, denn gerade die Struktur im Klemen und Grossen beruht auf der Un- möglichkeit der Verkalkung differenzirter Protoplasmasubstanzen; die oft erwähnte und wichtige Contraktion oder Querschnitts- schrumpfung der stärker zersetzten, glasig hellen Muskelfasern beweist eben, dass das Verschwinden der fibrillären Einschlüsse zu der Verkalkung nichts mehr beitragen konnte; daher ist eine Raumverminderung der Fasern mit zwischen denselben entstehenden zelligen Spalten eingetreten. Es kann daher auch stärker zer- setzte fibrilläre Substanz nicht zur Erklärung der Phosphoriti- sirung herbeigezogen werden. Diese Beschränkung lässt sich nun deduetiv schärfer aussprechen. Wenn wir sehen, dass in der Muskulatur und Nervensystem (vgl. unten) Niederschläge ent- stehen, welche denen in organischem Processe ausserordentlich ähneln, so ist man genöthigt anzunehmen, dass das Protoplasma nicht zu sehr differenzirt sein darf, wenn es solche Niederschläge noch erzeugen kann. Bei einer organischen Verkalkung diffe- renzirt sich aber das Protoplasma in eine von der anorganischen 108 OttoM. Reis: Masse eingeschlossene Gerüstsubstanz und einen weichen Rest; die eingeschlossene Gerüstsubstanz gleicht aber zoochemisch und strukturell den weichen Bindegewebsfasern und es ist natürlich, dass diese passiv gewordene Bildung bei weiterer Zersetzung aus sich heraus die chemischen Voraussetzungen zu einem skeletogenen Niederschlag in viel geringerem Maasse bieten kann, als aktives, auf einem allgemeineren Bestand seiner chemischen Zusammen- setzung verbliebenes Protoplasma!) (wie das der Nerven und Muskelsubstanz). Wenn nun trotzdem die Cutis im posthumen Processe ver- kalkt und zwar in einer Weise, die einen weichflüssigen Zustand voraussetzt, welcher dem der verkalkenden Muskulatur ausser- ordentlich ähnlich ist und doch wohl gleichzeitig mit letzterem eingetreten ist, so muss dies von vornherein als ein besonderer Ausnahmezustand der Cutis erklärt werden; ich brauche mich zur weiteren Begründung desselben nicht darauf zu berufen, dass die petrifieirte Cutis nur dreimal unter 20 Fällen zugleich mit Myo- phosphorit beobachtet werden konnte, ein einziges Mal (bei Un- dina) auch ohne dass gleichzeitig die sonst fossil vorhandene Muskulatur petrifieirt war; auch letzterer Umstand spricht für einen besonderen Zustand der Cutis. Dass nun allgemeine Ausnahmezustände in der Cutis existiren, welehe gerade die Möglichkeiten einer Verkalkung in dem Sinne unserer Erklärung bieten, das ist durch Beobachtungen von Leidig festgestellt (vgl. Biol. Centralblatt, 12. Bd. S. 206). Zur Zeit der Fortpflanzung erleidet, z. B. das Corium gewisser Amphibien eine starke Metamorphose; die mittlere Lage desselben, welche sonst aus horizontalen Schiehten besteht, setzt sich in gallertiges Binde- gewebe um, während das obere und untere Stratum sich ziemlich 1) Von hier aus kann auch die Frage kurz erörtert werden, ob Hornsubstanz (vgl. E. Fraas, Württemb. Jahrb. für vaterländ. Natur- kunde, 18388 und Neues Jahrb. f. Miner., 1893) phosphoritisiren könne. Keratin entsteht nun aus dem Zellprotoplasma durch hochgradigen Wasserverlust, selbst an stets vom Wasser befeuchteten und im Innern des Körpers befindlichen Stellen. Diese Abspaltung erklärt, wie mir scheint, die ausserordentliche Fäulnissbeständigkeit der Hornsubstanz unter Wasser, sowie sie gegen die Annahme der Möglichkeit einer Phosphoritisirung spricht, welche ein primitiv wasserhaltiges Protoplasma unbedingt voraussetzt. Ueber Phosphoritisirung der Cutis, d. Testikel u. d. Rückenmarks ete. 109 gleich bleibt. Die subeutanen Lymphräume vergrössern sich, enthalten mehr Lymphe und der flüssige Inhalt der Lymphräume überhaupt setzt sich m gallertiges embryonales Bindegewebe um. Auch locale Auswüchse entstehen hierbei und es sind hierauf nach Leidig die Kammbildungen bei männlichen Salamandern, der Haut- wulst längs des Rückens bei brünstigen Männchen der Scelam- prete, die Anschwellung der Haut des Salm in der Laichperiode ete. zurückzuführen. Für eine derartige, wie bei Amphibien statt- findende histologische Umwandlung im Corium könnte zuerst die Thatsache sprechen, dass bei Eurycormus eime oder mehrere ganz eonstante Lagen, die nach unseren Ausführungen zu den basalen gehören müssen, eine Erhellung zeigte, welche auf eine normalere histologische Beschaffenheit schliessen lässt, während die nach den Schuppen zu liegende (also mehr „mittleren*) Lage der Cutis, einen viel höheren Zersetzungsgrad, also in Anbetracht voraus- zusetzender Gleichzeitigkeit der Phosphoritisirung, eine Prädis- position erkennen lassen. Aehnliches gilt für Hypsocormus, nur haben im Grunde dieselben Erscheinungen eine etwas andre Form des Auftretens; die basalen Lagen sind noch in den sich „zerfetzenden“ Einlagerungsspalten (letztere als Vertreter normal häutiger Bestandtheile) angedeutet, indess im „mittleren“ Theile der Cutis die Lagerung zwar normal ist, aber doch einen andren Zustand als im untersten voraussetzt. Vielleicht war hier die Regeneration des normaleren Cutiszustandes nach der Geschlechts- periode im Gange, was auch dadurch nahe gelegt wird, dass hier ein bemerkenswerthes Anzeichen der Periode fehlt, welches wir bei Euryeormus entdecken konnten. Dass eine derartige mit der Geschlechtsperiode zusammen- hängende gewebige Veränderung der Cutis wirklich die Grund- lage einer posthumen Verkalkung abgegeben habe, das wird durch die aussergewöhnlich günstige Erhaltung eines anderen Organ- systems ausser der Muskulatur und der Cutis bei Eurycormus wahrscheinlich. Ich bemerkte schon bei meiner ersten Beschreibung der Fossilisationserscheinungen der Muskulatur dieses Fisches (l. e. S. 521), dass sich zwischen den Rippen eine von der Muskulatur unterscheidbare, bald dunkelbutzige, bald strukturlose Masse er- kennen lasse. Nach einzelnen Stellen glaubte ich schliessen zu können, dass sie der Muskulatur angehöre. Die Verbesserung und Vermehrung der Präparate zeigt aber nun, dass diese zwischen 110 OttoM. Reis: den Rippen befindliche Masse von der Muskulatur stets getrennt ist und einen eignen Kreis von Strukturmerkmalen besitzt. Fig. 6, T und 13 stellen drei Querschnitte durch die hinterste Leibes- höhle in bezw. 25-, 25-, 12-facher Vergrösserung dar; im Fig. 6 ist ein hinterstes Rippenpaar und zwei Hämapophysen durch- sehnitten, man erkennt vor den Rippen und zwischen diesen endend die mediane Masse ?, welche aus zwei ungleichen Hälften besteht; Fig. 7 stellt einen schiefen Schnitt oberhalb und etwas vor dieser Stelle dar, auch hier erscheint die Masse f ungleich paarig; Fig. 13 giebt einen Durchschnitt am distalen Ende der Rippen, so dass nur eine Rippenendigung getroffen ist. Der Ungleichheit in dem paarigen Auftreten entspricht auch eine Ungleichheit in der Ver- kalkung der Muskulatur 2 und der Cutis c, welche an der Seite, auf welcher die grössere Hälfte der im Rede stehenden Masse liegt, in grösserer normalerer Ausdehnung erfolgt ist (bei Fig. 6 oben, bei Fig. 7 und 15 unten). Zur Ergänzung der Schliffe ist zu bemerken, dass auch nur die eine Seite dieses Fischkörpers im Gestein einen stärkeren Abdruck hinterlassen hat, welcher von der hintersten Endigung der Leibeshöhle unmittelbar unter der Wirbelsäule [zwischen ihr und dem mit phosphoritischer Ver- dauungsmasse erfüllten, spiralgedrehten Enddarm] sich langsam verflachend nach vorne zieht. In dieser Gegend giebt es nun kein anderes paariges Organ zwischen den Rippen von dieser Ausdehnung als die Hoden oder Eierstöcke. Für die Deu- tung als Hoden spricht die eigenthümliche Struktur, welche in Fig. 8--12 in 125facher Vergrösserung gezeichnet und auf !/, verkleinert dargestellt ist, sie zeigt zum grössten Theil (im Quer- schnitt?) ein Gewirre unregelmässiger wurmartiger Windungen hellerer Substanz und Felder dunkler (wenig dichter, unregelmässig poröser, blasiger) Substanz, welche nur hie und da (im Längsschnitt?) eine Längsanordnung erkennen lässt; man kann dies sehr wohl als das Netzgewebe der Samencanälchen mit dem dazwischen- liegenden trabeceulären Geflecht für den Verlauf der Blut- und Lymphgefässe wieder erkennen. Wenn nun dies Alles schon für unsere Deutung spricht, so können wir noch hinzufügen, dass nach der Theorie neben Muskel- und Nervensystem, den Harting’- schen Experimenten entsprechend, wohl kein Organsystem für die posthume Phosporitisirung sich geeigneter darstellt, als Ueber Phosphoritisirung der Cutis, d. Testikel u. d. Rückenmarks ete. 111 der strotzend mit Protoplasma und Lymphe gefüllte Inhalt der zeugungsreifen Hoden. Hiermit haben wir aber auch zugleich den Beweis dafür, dass das Individuum von Euryeormus mit der ausgezeichneten Verkalkung der Cutis sich in der Fortpflanzungsperiode befunden hat und in Folge davon auch die Bedingungen zu der posthumen Phosphoritisirung der Cutis gegeben sein konnten. Nur dadurch ist es möglich, dass auch in der Cutis eine von der Versteinerungsart der Muskulatur nur wenig verschiedene Phos- phoritisirung stattfinden konnte). Die Folgerungen über die Art der Bildung des Cutisphos- phorits sind zum Theil schon berührt, zum Theil gelten die schon für die Bildung des Myophosphorits wichtigen Momente. Her- vorheben möchte ich nur noch einen Punkt (vgl. 1. e. S. 568), der mir allgemein wichtig erscheint. Da der Niederschlag offen- bar in ganz der Raumdichte, wie er uns fossil vorliegt, innerhalb concentrirtem, weichflüssigem, organischem Magma stattfand, da- bei aber nicht die geringsten Spuren kleinster Störungen der ein- geschlossenen Strukturtheilchen zu beobachten sind, so kann der Verkalkungsprocess nicht alle organische Materie verdrängt haben; es müssten die Spuren eines bei einer so umfassenden Verdrängung stattfindenden Transportes sowohl in der Struktur der Cutis, als auch in der Lagerung der Schuppen zu bemerken sein, welche aber vollständig fehlen. Der Niederschlag hat also einen grossen Theil der organischen Materie aus dem faulenden Magma eliminirt und als Gerüstsubstanz wenigstens bis zum Ende der Erhärtungs- 1) Ich vermuthe, dass die von E. Fraas kürzlich bekannt ge- sebenen zwischen der Schwanz- und Rückenflosse befindlichen Erhe- bungen der Rückenkante einer in der Brunstzeit verdickten oder überhaupt nur in dieser Zeit entstehenden Kammbildung der Cutis zu- zuschreiben sind; Fraas hielt dieselbe für Stacheln von Hornsubstanz, welche er früher an dem Vorderrand der Ichthyosaurus-Finne mikros- kopisch zu erkennen meinte. Es sind aber die damals angeführten Kennzeichen von „Epidermis, Hornschuppen und Cutis“ für diese Ge- bilde nicht ausschlaggebend. Sollte sich bei der mikroskopischen Unter- suchung meine Vermuthung als richtig erweisen, so dürfte sie nicht unmaassgebend sein für die Deutung der von Fraas bei demselben Ichthyosaurus-Exemplar als Stützen der weiblichen Geschlechtsorgane gedeuteten Gebilde als Penisverknöcherungen, da die Kammbildung wohl nur bei männlichen Individuen anzunehmen ist. 112 OttoM. Reis: periode latent festgehalten). Dies ist hier um so mehr begreif- lich, als bei der Cutis von Euryecormus und Hypsocormus die Untersuchung bei polarisirtem Licht das Vorhandensein mikri- tischer Krystallisationsvorgänge beweist, was bei der Muskulatur nur noch bei Hypsocormus, Ischyodus und Chimaer- opsis der Fall ist. Dass die zwischen gekreuzten Nicols bei den letzterwähnten Gattungen auftretenden Erhellungen in der That nur der Struktur der Masse zu verdanken sind, geht daraus hervor, dass die Versteinerungssubstanz chemisch dieselbe ist, wie bei den Gattungen, deren Phosphoritbildungen vollständig amorph erscheinen. Auf meine Anregung hin war Herr A. Schwager (kgl. Oberbergamt, München) so freundlich, die Versteinerungs- substanz der für diese Frage wichtigsten Gattungen auf ihre chemische Zusammensetzung zu untersuchen. Es wurden zur Orientirung die Hauptbestandtheile bestimmt und es ergab sich für Ischyodus 53,439), Ca0, 37,952), 8,0; Hypsocormus 51,240), CaO, 31,11%, Ps0,. Da die übrigen Bestandtheile des Myophosphorits noch nach- gewiesen, aber nur nicht zahlenmässig bestimmt wurden, so bleibt die Zusammensetzung der Versteinerungsmasse wesentlich die- selbe. Die geringen Differenzen reichen aber nicht im Entfern- testen aus, das ausserordentlich verschiedene optische Verhalten auf rein stoffliche Unterschiede zurückzuführen (vgl. 1. e. S. 546). Phosphoritisirung des Rückenmarks bei Ischyodus. Querschliffe durch die Muskulatur von Ischyodus unter- scheiden sich im Allgemeinen nicht von dem im Arch. XLI, 1) Ich darf auch nochmals betonen, dass nur durch eine bei dem anorganischen Niederschlag entstehende Gerüstsubstanz, welche in festerem Aggregatzustand sich befindet als der vorherige der sich zer- setzenden Masse war, eine frühe Consolidirung des Zusammenhaltes der gröberen wie feinsten Strukturtheilchen des Gewebes möglich wurde. Ein einfach schwebender, in dem Magma bloss suspendirter Niederschlag böte bei seiner überwiegend amorphen Gestalt keine Ga- rantieen zu einer Erhaltung der Tektonik des Gewebes, er würde zusammensinken und wie das umgebende Gestein eine einheitliche, nur metamorphisch-krystalline Strukturen zeigende Masse bilden. Die Processe, welche aber in dem umgebenden Gestein die metamorphi- schen Bildungen erzeugten, waren es aber auch, welche schliesslich in dem Myophosphorit ete. die organische Gerüstsubstanz bis auf ge- ringe Reste verschwinden liessen. Ueber Phosphoritisirung der Cutis, d. Testikel u. d.Rückenmarks ete. 113 Taf. XXX, Fig. 4 und 6 dargestellten Querschliff von Notidanus und Chimaeropsis; die Trennungslinie der beiderseitigen Myo- tome ist meist deutlich, wenn auch die Masse der beiderseitigen Ver- kalkungen sich nicht gleich verhält. Quere Schliffe in der Gegend der durch kleine Kalkhalbringe bezeichneten Seitenlinie zeigen aber in die Medianlinie der beiderseitigen Myotomhälften einge- schaltete Züge von Prismen verkalkter Skeletknorpel, welche zwischen sich eine phosphoritische Masse umfassen; dieses „Um- fassen“ findet hauptsächlich dorsal statt und es folgt darauf öfters ein einziger Knorpel, welcher dann in der Medianlinie zwischen beiderseitigen Myotomhälften liegt. Fig. 5 giebt ein Bild davon (30 Diam.); Fig. 5 a, b, e und d desgleichen, wobei die mediane, zwischen Knorpeln und Myotomhälften liegende Masse dunkler ge- halten ist; die fraglichen Skeletknorpel sind durch einen Doppel- contur angedeutet, die Muskulatur ist weiss und auf deren Aussen- seite findet sich die Reihe der Seitenlinienknorpelchen. Die Richtung der Schliffe ist im Durchschnitt in den beiden Pfeilrichtungen der Fig. 5b gelegt. In Fig. 5a geht der Schliff ganz flach, man sieht zwei offenbar bilateral verschobene Knorpeldurchschnitte, welche etwa das halbe Maass der Verschiebung zeigen, wie die beiderseitigen Seitenlinien, dann geht der Schliff dorsal durch ein unpaares Stück; Fig. 5d geht etwas weniger flach, mit geringerer Verschiebung, wie Fig. 5; Fig. 5e geht nicht ganz senkrecht zur Körperoberfläche, es ist nur ein lateraler Knorpel getroffen, offenbar auch in Folge von Verschiebung durch die Fossilisations- compression. Da die Knorpelstücke ganz und gar von dem festem Myo- phosphorit umschlossen sind, ist es schwer, über ihre Bedeutung klar zu werden; ich habe aber ein Plattenstück gelöst und durch verschiedene Querbrüche ungefähr ihre Horizontalausdehnung fest- gestellt; es sind flächenhafte Knorpelgebilde (was auch in flachen Anschliffen deutlich wird), deren Ausdehnung in natürlicher Grösse in Fig. 5b, so weit beobachtet, eingezeichnet ist; derartige Knorpel kommen im Axenskelet der lebenden Chimaera nur als Inter- calaria vor und es müsste darnach die von ihnen umschlossene Masse der Ausfüllung des Nervenrohres, d. h. der Phosphoriti- sirung des Rückenmarkes entsprechen. Dass wir hier wirklich eine posthume, an in Zersetzung begriffene organische Substanz sich anschliessende Phosphoritisirung vor uns haben, dafür sprechen besonders die Strukturerscheinungen der Masse. Vom Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 44 8 114 OttoM. Reis: Rande nach der Mitte zu abnehmend zeigt sich nämlich eine stark radial gereihte Körnelung, welche an einzelnen Stellen (offenbar bei reinem Längsschliff) auch durch eine mehr längs periphere ersetzt werden kann. In den pheripheren Zone der stärksten Körnelung finden sich auch die (Arch. 1. e. S. 544) für Ischyodus avita angegebenen isolirten Krystalle vor; sie sind bei einem Flachsehliff beobachtet, wo zwischen dem Myophosphorit und der Rückenmarkausfüllung nur an einer Seite die Interealarknorpel vorhanden waren und mir die morphologische Bedeutung der letzteren noch nicht durch ausreiehende Querschliffe klar war. Bemerkenswerth für diese Kryställchen ist, dass beim Flachschliff selbst bei weit auseinander liegenden sporadischen Individuen ihre Längsaxen senkrecht zu einander orientirt sind; dasselbe ist bei dem (Arch. l: e. S. 545) erwähnten Auftreten gleicher Kryställ- chen bei Leptotheutis und in geringerer Deutlichkeit bei Caturus der Fall. Hier befinden sich aber dieselben zweifellos innerhalb des Myophosphorits, wenn auch an Stellen, an welchen sich in ihrer Struktur und Faserrichtung ein Wechsel oder bezw. eine Kreuzung zeigt. Die Zone der mehr radialen Faserung hat nun in der Struktur des Rückenmarks und zwar in der Zone der äusseren weissen Masse ihre Erklärung; von der inneren grauen Masse habe ich nur bei zwei Präparaten Andeutungen gefunden. Es findet sich nämlich, wie es Taf. VI, Fig. 5a darstellt, ein eigenthümliches Band, welches von der übrigen Masse wohl abgesetzt ist, weniger stark radiale Faserung hat und im schiefen Quersehnitt einen ganz eigenthümlichen Verlauf zeigt; zuerst verläuft es nahe der unteren Grenze, verdünnt sich allmählich, biegt hierbei plötzlich senkrecht nach der Mitte um und verläuft dann, wie zuerst unten, nun oben in mehreren leichten Schwankungen zunächst der Peri- pherie der Röhre. Sodann verdünnt es sich wieder, wiederholt die senkrechte Umbiegung nach der Mitte, wo der Strang wieder am dünnsten ist und verläuft dann wieder unten, ganz wie zuerst. Bei dem 2. Präparat ist dasselbe Band erkenntlich, nur in nicht so regelmässigem Verlauf. Ieh kann mir dieses Bild nur dadurch erklären, dass der Schliff schief längs durch das Rückenmark, etwa zuerst durch das hintere Horn der unteren Hälfte der grauen Substanz geht, sodann die vordere Commissur durchschneidet und jenseits der Fissura anterior das obere Vorderhorn trifft, durch welches der Ueber Phosphoritisirung der Cutis, d. Testikel u. d. Rückenmarks ete. 115 Schliff weiter geht. Hier bleibt er so lange, bis bei einer Bie- gung des Nervenrohrs die Schliffebene ganz wie zuerst verläuft und wieder nach einem Durchschnitte der Commissur das untere Hinterhorn im Bilde erscheint!). Es kann sonach gar keinem Zweifel unterliegen, dass wir hier bei Isehyodus im der That eine Pbosphoritisirung der Nervensubstanz zu verzeichnen haben; nach der nahen allgemeinen Verwandtschaft des Nervengewebes mit der Muskulatur kann dieser Nachweis nicht mit Erstaunen erfüllen. Unsere Annahme bei Agassizia (vgl. Arch. XXXXI, S. 519) erhält hierdurch eine weitere Stütze, trotzdem die Struktur daselbst keine bestimmten Merkmale erkennen liess. Resultate. 1. Ebenso wie die Muskulatur in posthum phosphoritisirtem Zustand im Gestein erhalten bleiben kann, ebenso ist die Mög- lichkeit bei der Cutis der Fische vorhanden. 2. Diese Mögliehkeit wird aber nur ganz exceptionell thatsächlich und scheint an während der Geschlechtszeit alterirte Cutis gebunden zu sein. 3. Die phosphoritisirte Cutis zeigt auch einen optischen Unterschied gegenüber fossilen der Muskulatur, sie ist im den beobachteten Fällen ausnahmslos ziemlich stark doppelbrechend, was von einer sphärolithischen Krystallisation des schwach doppel- brechenden phosphoritischen Materials herrührt. 4. Die Anordnung der sphärolithischen, in einer Längs- richtung etwas verlängerten Bildungen geschah mit dieser Längs- richtung parallel den m der Zersetzung begriffenen Längsfasern der vital unverkalkten Cutisschichten; also etwa so wie sich die Mandl’schen Coneretionen bei der vitalen Verkalkung der Te- leostierschuppen verhalten. 5. Eine dieser Verkalkungsart vergleichbare Bildung zeigt 1) Ein nach Abschluss des Manuscriptes hergestelltes Präparat zeigt ganz gleiche Verhältnisse, nur treten hier an zwei Stellen die Bänder oben und unten einander gegenüberstehend auf (vgl. Fig.5d); hier bleibt also die Schliffebene im unteren hinteren Horn. Es ist selbst- verständlich, dass auch bezw. das obere Hinterhorn und untere Vorder- horn in diesen Durchschnitten repräsentirt sein können. Die Beziehung der medianen Einbiegung des Bandes, welche auch in dem neuen Prä- parate auftritt, zu der vorderen Commissur scheint indessen un- zweifelhaft. 116 OttoM. Reis: die Muskulatur nur sehr selten; auffällige eomplieirte Polarisa- tionserscheinungen beweisen, dass auch hier eine Orientirung des kıystallisirten einaxigen Versteinerungsmaterials an die Längs- fibrillen der Muskelfasern erfolgen kann. 6. Diese Bildungen erklären, warum Muskelbündel, posthume Cutisverkalkung, Schuppen- und Knochenguerschnitte sich in ge- wissen Lagen optisch ganz gleich verhalten. 7. Darnach ist zu betonen, dass das einaxige Versteine- rungsmaterial amorph und krystallisirt ausgeschieden wird; in beiden Fällen ist es deutlich, dass der Niederschlag in dem sich zersetzenden weniger differenzirten Protoplasma stattfindet, die differenzirtere, fibrilläre Substanz umschliesst und im Falle der Krystallisation von dieser optisch orientirt wird. Hierin stimmen vitale und posthume „Petrifieirungen“ überein; die letzteren zei- gen auch den Zustand des Protoplasmas an, welcher den vitalen Verkalkungen vorausgeht. 8. In jedem Falle muss von der den Niederschlag erzeu- genden sich zersetzenden organischen Materie ein grosser Theil als Gerüstsubstanz eingeschlossen werden, welche in einem wi- derstandsfähigeren Zustande erst im Laufe der geologischen Pe- rioden mehr weniger eliminirt wird; diese Gerüstsubstanz ist auch als Träger der die Muskelbündel durchsetzenden conti- nuirlichen Schrumpfungen anzusehen. 9. Der Phosphoritisirung der in ihrer protoplasmatischen Differenzirung von fibrillarem Stütz- und Bindegewebe weit ent- fernten Muskulatur und der während der Geschlechtsperiode theil- weise in embryonales Gewebe umgewandelten Cutis schliesst sich die posthume Verkalkung der in der protoplasmatischen Differen- zirung ähnlichen Nervensubstanz und des Inhaltes der mit Samen gefüllten Hoden an. Dass der Inhalt des Tintenbeutels der fos- silen Cephalopoden, seltener der Inhalt der Havers’schen Canäle des Dermalskelets fossiler Fische in phosphoritisirtem Zustande erhalten sein können, haben wir Mikrosk. Arch. XLI ausgeführt. Ob andere, abweichende Protoplasmaprodukte, wie Keratin phos- phoritisiren können, ist mehr als zweifelhaft; die von Eb. Fraas angegebenen mikroskopischen Kriterien könnten höchstens auf keratinös erhaltene Hornsubstanz bezogen werden und dies ist sehr unwahrscheinlich (vgl. oben S. 108). 10. Das Petrifieirungsmaterial ist das der Knochensubstanz, etwas verunreinigt oder durch Substitutionen metamorphosirt ; Ueber Phosphoritisirung der Cutis, d. Testikel u. d.Rückenmarks etc. 117 es stammt jedenfalls zu eimem Theil aus dem Darminhalt der die Phosphoritisirung zeigenden, vertebratenfressenden Raubthiere; zu einem anderen Theil aus dem die Cadaver derselben umge- benden, sich in dem Meereswasser lösenden Ansammlungen von Exerementen solcher. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI. Fig. Ja und b. Durchschnitt durch die phosphoritisirte Cutis von Hypsocormus (vgl. Arch. XLI, S. 516). Die Schuppenquer- sehnitte III und IV bilden die einander entsprechenden Stellen von Fig. 1a und 1b; die untere Grenze des Präparates ist die Grenze gegen die phosphoritisirte Muskulatur (vg1.S.94—96). Fig. 2a und b. Durchschnitt durch die phosphoritisirte Cutis von Fig. 4. Fig. 5. Eurycormus (vgl. Arch.]. e. S. 520); bei den Schuppenquer- schnitten IV und V stossen Fig. 2a und 2b zusammen; Ver- grösserung 125 Diam. in der Höhe; in der Länge ist die Zeich- nung auf 2/;, verkürzt und !/, verkleinert (vgl. S. 31—94). . Querschnitt durch den Körper von Undina (vgl. Arch. XL], S. 513), hintere Leibeshöhle; es sind zwei Paar Rippen getrof- fen, dazwischen die zusammengedrückten, aus verknöcherten Schuppenblättern bestehenden Schwimmblasenwände (die Me- dianlinie mist am Rand rechts mit einem Pfeil angedeutet, die Blätter r, r/, Z, / sind an ihren Trennungslinien gestrichelt). Die ganze Masse zwischen Rippen und Schwimmblase einer- seits und den sehr dünnen Schuppen andererseits gehört der phosphoritisirten Cutis an; in 100facher Vergrösserung ge- zeichnet, um !/, verkleinert (vgl. S. 96—99). Querschliff durch Muskelbündel vonHypsocormus; das dun- kelkörnige Innere der Bündel ist von einer hellen, kurz längs- gestreiften Hülle umgeben, welche oben in der Figur mehr flach getroffen ist; die linke Ecke des flachgetroffenen Ab- schnitts zeigt die in Taf. VI, Fig.16 dargestellten Polarisations- erscheinungen (gezeichnet in 125 Diam., um 1/, verkleinert); die untere Hälfte des Präparates deutet im dunklen Ton die anderen Muskelbündel schematisch an (vgl. S. 101). Querschnitt durch den Körper von Isehyodus (vgl. Arch.]. e. S. 509) in der in Fig. 5b angedeuteten liegenderen Pfeilrich- tung; an der Oberfläche schiefer Durchschnitt der (einen nach aussen offenen Halbcanal bildenden) Knorpelstützen der Seitenlinie, darunter die Muskulatur quer- und längsgetroffen, ohne Detaileinzeichnung. Die körneligen Schmitzen im Innern derselben sind die Stellen sphärolithischer Anhäufungen. Da- runter die Intercalarknorpel mit dem eingeschlossenen Neuro- Otto M. Reis: phosphorit;linksim letzteren eineKrystallansammilung, rechts das an unpaare sich anschliessende Schlussstücke des Neuralrohres (Vergrösserung 30 Diam., gezeichnet bei 125 Diam.) (vgl. S. 112). Fig.5a) ein ähnlicher Durchschnitt (45 Diam.) mit bilateral verschobenem Intercalarknorpel (6 Diam.); b) ein Körperstück (durchsichtig gedacht) mit den bilateral verschobenen Seitenlinien; esist am hinteren Ende durch Querbrüche die Ausdehnung der kreuz- weise schraffirten Intercalarknorpel ungefähr bestimmt; die Pfeil- richtung giebt die Extreme der gezeichneten Durchschnitte an. c)u.d) Durchschnitte wie a) u.Fig.5, weniger flach als Fig.5a (45 Diam.). Die Myophosphoritmasse ist weiss gelassen, die Neu- rophosphoritmasse dunkel gehalten. In Fig. 5a ist noch der Verlauf des Bandes, welches wir als Durchschnitt bezw. der oberen und unteren Vorder- und Hinterhörner der grauen Substanz deuteten, mit noch dunklerem Ton angedeutet; in Fig. 5d sieht man diese Durchschnitte einander paarig gegen- überstehen. Die Intercalarknorpel sind durch einen Doppel- contour gekennzeichnet (vgl. S. 112—115). Hintere Endigung der Leibeshöhle von Eurycormus mit ange- schlossenen Hämapophysen (30 Diam.) (vgl. S. 107—112). Durebschnitt durch den Körper von Eurycormus in der hintersten Leibeshöhle oberhalb des Spiralklappendarms, in der Mitte zwischen den Rippen die Hoden ?; der obere (desgl. die Muskulatur m und Cutis ce dieser Seite) schwach verkalkt und gegen den unteren verschoben; unten normalere Verkal- kung der Muskulatur und Cutis (30 Diam.) (vgl. S. 107—112). Fig. 8—12. Verschiedene Bilder aus der Struktur der Hoden bei Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 13. 14. 15. 16. 17 20. 125 Diam. gezeichnet und um !/, verkleinert (vgl. S. 110). Das Gleiche wie Fig. 6 u. 7 aus der distalen Region der Rip- pen (15 Diam.), schematisch gehalten; zeigt die Lagerung der verschobenen Hoden { (vgl. S. 107—112). Die linke Hälfte von Fig. 2a (Eurycormus) zwischen ge- kreuzten Nicols in der 45°-Stellung (vgl. S. 97—98). Die linke Hälfte von Fig. 1a (Hypsocormus) zwischen ge- kreuzten Nicols in der 45-Stellung (vgl. S. 98-99). Oberer heller Abschnitt der Fig. 4 (Muskulatur von Hypso- cormus) bei gekreuzten Nicols in Parallelstellung. Die senk- rechten Lichtsäulen entsprechen den Wellungslinien der Längs- faserung in Fig. 4; die dunkle Horizontalunterbrechung zeigt sich auch in Fig. 4; die linke Hälfte von Fig. 16 ist in Fig. 4 nicht mehr enthalten (vgl. S. 99—100). 18, 19. Aufeinanderfolge der complicirten Polarisationserschei- nungen: 17).in Parallelstellung, 19) in der 45°-Stellung, 18) in der Mittelstellung zwischen beiden bei Hypsocormus; sche- matisch nach 5 Beobachtungen (vgl. S. 101—102). Bild eines Muskelquerschnitts von Chimaeropsis in der 459- Stellung; der Verlauf der Faserquerschnitte ist um das Polari- sationsbild zur Orientirung herum gezeichnet. Wie in Fig. 16 Ueber Phosphoritisirung der Cutis, d. Testikel u. d. Rückenmarks ete. 119 rechts zwei wellige Schrumpfungssysteme zweier durch eine deutliche Spalte getrennter, längsgeschnittener Faserbündel über einander folgen, die Fasern selbst aber keine Trennun- gen zeigen, so liegt hier das Polarisationsbild durch ein Schrumpfungssystem vor, in welchem die einzelnen Fasern des Bündels wohl getrennt und nicht längs, sondern schief quergetroffen sind (vgl. S. 103—106). Die Untersuchungs-Materialien stammen, bis auf das im königl. Oberbergamt in München befindliche Körper- fragment von Ischyodus, aus der Sammlung des pal. Instituts und verdanke ich die Möglichkeit ihrer Benützung der Güte des Herrn Geheimraths Prof. v. Zittel. (Aus dem anatomischen Institut in Kiel.) % Ueber eine Metamorphose der Attractions- sphäre in den Spermatogonien von Salamandra maculosa. Von Dr. F. Meves. Hierzu Tafel VII—-XI. In den Spermatogonien von Salamandra maculosa erfährt die Attraetionssphäre ausserhalb des Verlaufs der Mitose zu Zeiten weitgehende morphologische und chemische Aenderungen, welche, einen Kreislauf bildend, zum Ausgangspunkt zurückführen. Die- selben sind mehr oder weniger eng von Veränderungen in der Form und Structur des Kerns und im Bau der Zellsubstanz be- gleitet. So weit sie die Sphäre betreffen, bestehen sie, kurz gesagt, darin, dass diese, im allgemeinen gegen Ende des Som- mers und im Herbstanfang (August, September, in einigen Hoden schon Ende Juli) in Körnerhaufen übergeht, aus welchen sie im Frühjahr wieder aufgebaut wird. Ueber diese Vorgänge, die ich in ihren Grundzügen bereits 120 F. Meves: an anderer Stelle (38, 39) charakterisirt habe, wünsche ich hier genauere Mittheilungen zu machen. Ich bemerke, dass Bilder, welche den hier in den Sperma- togonien zu schildernden vielfach entsprechen, auch bei den Ur- eiern des Salamanders, welehe von den Samenmutterzellen wohl kaum zu unterscheiden sind, zur Beobachtung kommen; die hier zu beschreibenden Hergänge werden also, wenigstens zu einem Theil, unter die Reifungserscheinungen des Salamandereies ein- zuschalten sein. Die Spermatogonien, welche uns hier ausschliesslich!) be- schäftigen sollen, sind vorwiegend in einem graulichen, band- artigen Zipfel enthalten, welcher die nach dem Kopf zu gehende Fortsetzung kleiner, ebenfalls graulicher, Lappenportionen bildet, welche am obern Pol des Hodens gelegen sind. Wenn man Hoden aus dem Sommer untersucht, so findet man in den meisten dieser Zellen einen als Attractionssphäre zu deutenden Körper, welcher zuerst von Hermann (27, 1889) in den Spermatocyten des Sala- manders beschrieben und in seinem Wesen erkannt ist. Ich beginne meine Darlegungen sogleich mit der Schilderung der Attractionssphäre. Bemerkungen über Form und Structur- verhältnisse des Kerns und der Zellsubstanz, welche erhebliche Verschiedenheiten aufweisen, je nachdem die Sphäre in konsoli- dirtem Zustand oder in Form von Körnern vorhanden ist, schliesse ich erst hinterher an, jedesmal, nachdem ich die Sphäre in ihren verschiedenen Modifikationen beschrieben habe. Die äussere Form der konsolidirten Sphären ist sehr wech- selnd. Häufig sind sie im optischen Querschnitt kreisrund oder oval, oder sie sind mit ihrer Form der Oberfläche des Kerns angepasst und erscheinen dann, diesem angelagert, in der Gestalt einer Halbkugel oder flachen Scheibe oder sind bandförmig in die Länge gestreckt. Mit Bezug auf die sehr mannigfaltigen Sphärenformen, welche man bei ringförmigen Kernen findet, und mit Bezug auf ihre Entstehung kann ich auf eine frühere Mit- theilung (39) verweisen. Lappige Formen der Sphären stehen mit den zu beschreibenden Vorgängen des Zerfalls und Wieder- aufbaus in Beziehung. 1) Von meinen Abbildungen betrifft nur Fig. 35 eine Oogonie, ebenfalls des Salamanders. Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre etc. 121 Die Grösse der Attractionssphären (Fig. 1—6) variirt, wie schon Moore (40) für die Geschlechtszellen der Salamanderlarve beschreibt, in gleich grossen Zellen ziemlich stark. Nach M. Heidenhain (25) sind Verschiedenheiten der Grösse auf wech- selnde Contraktionszustände zurückzuführen. Gegen die umgebende Zellsubstanz sind die Sphären durch eine membranartige Umhüllung scharf abgegrenzt. In den meisten Fällen erscheint dieselbe im optischen Querschnitt als eine Linie. Zuweilen ist sie so dick, dass die Sphäre deutlich doppelt kon- turirt erscheint (Fig. 5); es besteht also in diesen Fällen eine schalenförmige Umhüllungsschicht der Attractionssphäre. In an- dern Fällen wird die Sphäre statt durch einen kontinuirlichen doppelten Kontur durch einen Kranz von ziemlich voluminösen Körnern (Fig. 6) begrenzt, welcher möglicherweise dem. Körner- kranz entspricht, welchen van Beneden bei Ascaris megalo- cephala an der Grenze zwischen Attraetionssphäre und umgeben- dem Dotter beschrieben hat!); jedoch kommen die letzteren Bilder bei meinem Object selten zur Beobachtung. Der innere Bau der Attractionssphären bietet der Unter- suchung grosse Schwierigkeiten. In zahlreichen Fällen und bei vielen Methoden ist von irgend welchen Differenzirungen inner- halb der Sphäre überhaupt nichts zu erkennen; die Sphären scheinen dann völlig homogen zu sein. In andern Fällen (Fig. 1—6) gelingt es der technischen Behandlung, eine centrale und eine periphere Partie der Sphäre zur Anschauung zu bringen. Erstere entspricht der Markzone, letztere der Rindenzone van Beneden’s (7). Die Rindenzone ist von wechselnder Breite; bei ruhendem Zustand des Kerns hat sie stets ein gleichmässig homogenes Aussehen. Dasjenige der Markzone zeigt dagegen sehr erhebliche Verschiedenheiten. Vielfach besteht keine deutliche Abgrenzung gegen die Korticalsubstanz; noch sind innere Differenzirungen in der Mark- zone nachweisbar. Eine cenfrale Partie der Sphäre tritt über- haupt nur in Folge einer geringen Färbungsdifferenz so weit hervor, dass man gerade ihre Existenz behaupten kann. Da- 1) Vergl. auch M. Heidenhain’s Beschreibung von der Sphäre der Leukocyten (25, pag. 140). 122 F. Meves: bei sehe ich von solehen, nieht selten zu beobachtenden eben rekonstituirten Sphären des Frühjahrs ab (Fig. 4, 51), deren Mitte durch einen ziemlich stark dunkel tingirten, - wahrschein- lich der Markzone entsprechenden Körper eingenommen wird, dessen Durchmesser ungefähr dem halben Sphärendurchmesser gleichkommt. Mit diesem dunklen Binnenkörper scheinen aber sehr bald Veränderungen vor sich zu gehen. Denn in der ganzen übrigen Jahreszeit ist der Unterschied, den ich durch Färbung erhalte, durchgehends nur sehr gering. Und zwar erscheint die eentrale Partie der Sphäre entweder ganz wenig dunkler oder auch etwas heller als die Rindensubstanz. Als eine lichte Zone, welche den Centralkörper umgiebt, ist die Markzone an Sphären der Geschlechtszellen von Salamanderlarven von Moore (40) beschrieben worden; dieses Aussehen zeigt sie an meinen Prä- paraten auch, aber verhältnissmässig selten. In anderen Fällen ist, neben der Färbungsdifferenz oder ohne dass eine solche besteht, zwischen Medullarzone und Kor- ticalsubstanz eine Grenzmarke vorhanden, welche entweder durch eine meistens unscharfe, häufig ausgezackte Linie oder durch einen Kranz von undeutlich hervortretenden Körnern gebildet wird (Fig. 1, 2, 6, 7, 618.), welche letzteren wohl ein Analogon des innern Körmerkranzes van Beneden’s darstellen. Ver- schieden beschaffene Körner, die mehr oder weniger deutlich hervortreten (Fig. 5), sind häufig auch in verschieden grosser Zahl innerhalb der Markzone anzutreffen. Zuweilen setzt sich die ganze centrale Partie der Sphäre aus dicht neben einander liegenden Körnern zusammen. Der Nachweis des Centralkörpers bereitet nicht unerheb- liche Schwierigkeiten; an Sphären, deren Markzone von Körnern erfüllt ist, dürfte er überhaupt nicht möglich sein. Er gelang mir bisher nach Fixirung in Flemming’schem oder Hermann’- schem Gemisch bei Anwendung der Flemming’schen Dreifach- behandlung und nach Fixirung mit Per&nyi’scher Flüssigkeit mit Hilfe der M. Heidenhain’schen Hämatoxylin-Eisenlack- färbung. Die Centralkörper (Fig. 1, 2) sind im Verhältniss zum Sphärenkörper sehr klein und wohl kaum grösser als die Central- körper der Bindegewebszellen. Während der Mitose sind sie meistens deutlich vergrössert (Fig. 55 u. f.) und schon im Beginn Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre etc. 123 derselben innerhalb der noch kompakten Sphäre viel leichter nachweisbar als bei ruhendem Kern. Die im vorhergehenden geschilderten Structurverhältnisse lassen Zweifel an der Sphärennatur der in Rede stehenden Kör- per, wie sie noch vor kurzem von Julin (31) geäussert sind, nicht mehr zu, ganz abgesehen von dem Verhalten dieser Gebilde während der Mitose, welches ich in den Endstadien mittlerweile a.a. 0. (39) beschrieben habe. Die Kerne sind in den Zellen mit konsolidirter Sphäre rund oder rundlich; niemals weisen sie zerklüftete Formen auf. Da- gegen zeigen sie, besonders im Herbst, nieht selten Ringform ; die letztere findet, wie ich a. a. ©. (39) gezeigt habe, in der Ent- stehungsgeschichte des Kerns ihre Erklärung und ist hier als eine an und für sich wohl bedeutungslose Modifikation der run- den Form anzusehen. Bei der Beschreibung der Kernstructur beschränke ich mich auf Objeete, die in Osmiumgemischen fixirt und meistens regres- siven Färbungen unterworfen sind. Ich möchte aber noch bis auf weiteres dahin gestellt sein lassen, ob die bei dieser Behand- lung siehtbar gemachten Structuren den natürlichen Verhältnissen völlig entsprechen. Bei Anwendung der Osmiumgemische in der von mir gebrauchten Koncentration (4 Thle. 2 %/,iger Osmium- säure auf 15 Thle. Chromsäure bezw. Platinchlorid) erleidet näm- lich der dünne Gewebszipfel, welcher die Spermatogonien beher- bergt, eine verhältnissmässig starke Osmirung, welche einer scharfen Darstellung des Chromatins sehr hinderlich ist (Flem- ming, Zelle, pag. 380 u.a. a. O.). Es könnte möglicherweise darin seinen Grund haben, dass in den ruhenden Kernen der Spermatogonien ein zusammenhängendes Chromatinstrangwerk, in zahlreichen Fällen wenigstens, nicht nachweisbar ist. Häufig nimmt man nur mehrfache Chromatinbrocken wahr, die in keinem Zusammenhang mit einander stehen; zuweilen ist die Zahl der- selben ganz auffallend gering. Jedoch muss man einstweilen daran festhalten, dass im diesen Fällen möglicherweise nur die Darstellung des thatsächlich in grösserer Menge vorhandenen Chromatins durch die verhältnissmässig starke Osmirung erschwert, bezw. unmöglich gemacht ist. Neben dem Chromatin finden sich ein oder mehrere Nu- 124 F. Merves: eleolen von wechselnder Grösse, die sich bei der Flemming’- schen Dreifachbehandlung mit Orange färben. Häufig sind sie von einem hellen Hof umgeben, in anderen Fällen dagegen ist von einem derartigen Hof nichts wahrzunehmen, so dass es sich möglicherweise um ein Kunstprodukt handelt. Die übrige Masse des Kerns, abgesehen vom Chromatin und den Nucleolen, wird in den meisten Fällen von einer diffus färb- baren Substanz von gleichmässigem oder mehr oder weniger fein granulirtem Aussehen eingenommen; mit Hermann (27) und Benda (9) bin ich der Meinung, dass es sich hier um Linin handelt, welches die Hauptmasse des Kerns auszumachen scheint und in der Regel ein sehr feines und dichtes Gerüstwerk bildet. Zuweilen beobachtet man im Kerninnern ein oder mehrere Vakuolen, deren Mitte häufig von einem blass aussehenden Kör- perehen eingenommen wird. Die Zellsubstanz weist in Zellen mit konsolidirter Sphäre eine meistens ziemlich dichte Filarsubstanz auf. Nicht selten ist eine radiäre Anordnung um die Sphäre deutlich zu konstatiren. Vielfach ist das Fadenwerk so dicht, dass die Zellsubstanz ein granulirtes Aussehen hat. Ich gehe sodann über zu der Schilderung der bei der Metamorphose der Attractionssphäre auftretenden Erscheinungen und beginne wiederum mit der Sphäre selbst (Fig. 7—22). In Hoden aus dem Spätsommer (August, September) nimmt man häufig wahr, dass die vorher glatte Oberfläche der Sphäre un- regelmässig wird (Fig. 7); es treten Furchen auf, welche gegen das Centrum hin einschneiden. Dadurch bekommt die Sphäre ein zerklüftetes, höckeriges Aussehen. Anzahl und Grösse der Höcker sind in verschiedenen Fällen verschieden. Bald entstehen anfangs nur wenige (5--6) grössere (Fig. 8), bald zahlreichere (bis zu 20 und mehr) entsprechend kleinere Höcker. Die ein- zelnen Höcker einer Sphäre sind niemals unter einander gleich gross. Die Höckerbildung endet damit, dass schliesslich an Stelle der einen Muttersphäre eine Anzahl selbstständiger Körper ent- stehen (Fig. 10, 11, 13, 14). Dieselben sind, wie die ursprüng- lichen Höcker, unter einander von verschiedener Grösse. Von Gestalt sind sie entweder rundlich oder oval (Fig. 10, 11). Oder Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre ete. 125 sie haben, wie häufig, eine eonvex-concave Form, sind bohnen- oder auch schalenförmig (Fig. 13, 15); in letzterem Fall haben sie im optischen Querschnitt das Aussehen kürzerer oder längerer gekrümmter Stäbehen (Fig. 13). In noch anderen Fällen sind sie ganz unregelmässig gestaltet. Die beschriebenen Vorgänge des Zerfalls spielen sich nicht nur an kugeligen Sphären, sondern auch an allen Formen der- selben, welche ausserdem noch vorkommen, ab. In Fig. 14 hat sich die Höckerbildung offenbar an eine Sphäre angeschlossen, welche in Stäbehenform durch das Loch eines Ringkerns hin- durch gesteckt war. Wenn die Höckerbildung im Anschluss an eine kugelige Sphäre vor sich ging, so liegen die dadurch entstandenen Sphä- rentheilchen zunächst meistens in Form einer Hohlkugel ange- ordnet. Diejenigen unter ihnen, welche eine convex-concave Form haben, wenden ihre Concavität dem Mittelpunkt der ur- sprünglichen Sphäre zu (Fig. 13, 15). Alle Sphärentheilchen sind von homogenem Aussehen und, wie die Muttersphäre, scharf kon- turirt; letzteres jedoch häufig nur theilweise auf der einen Hälfte ihres Umkreises. Und zwar, wenn sie eine convex-concave Ge- stalt haben, zeigen sie eine scharfe Begrenzung meistens nur auf der convexen, der Follikelwand zugekehrten Seite, welche direkt aus der Wand der Muttersphäre hervorgegangen ist (Fig. 15, 15). Die andere, dem Mittelpunkt der ursprünglichen Muttersphäre zugekehrte Hälfte ihres Konturs ist meist viel weniger deutlich, oft so wenig, dass man sie erst bei genauem Zusehen überhaupt wahrnimmt. Weiterhin rücken die Sphärentheilchen, die zunächst noch auf einem Haufen zusammen lagen, auseinander; gewöhnlich finden sie sich bald auf der einen Seite des Kerns in der Zell- substanz verstreut (Fig. 15—18). Während des Ausemanderrückens zerfallen sie mehr und mehr in kleinere Theilstücke. In einem Stadium, dass sich an ein solches der Figg. 17, 18 anschliesst (Fig. 19, 20), findet sich die ganze Zellsubstanz von zahlreichen, kleinen, homogen aus- sehenden Kügelchen durchsetzt. Diese Kügelehen machen nun fernere Lageveränderungen durch, welehe von einer chemischen Umwandlung ihrer Substanz begleitet sind. Sie beginnen nämlich mehr und mehr um den 126 F. Meves: Kern herum zu rücken und sich in Form einer diesen umschlies- senden Hohlkugel anzuordnen. Zu gleicher Zeit verlieren sie das bis dahin bewahrte homogene Aussehen; zuletzt gehen aus ihnen körnige Massen hervor, welche in stärkerem Maasse als die kompakte Sphäre Neigung zeigen, Farbstoffe aufzunehmen. “In weniger häufigen Fällen rücken die durch den Zerfall entstandenen Sphärentheilchen gleich anfangs um den Kern herum, ohne vorher die weiteren Veränderungen erfahren zu haben und wohl ohne dass ein Stadium vorherging, in welchem sie auf der einen Seite des Kerns in der Zellsubstanz vertheilt waren; sie machen dann die weitere Metamorphose an Ort und Stelle durch. Auf jeden Fall ist folgendes das Endresultat: Die aus dem Zerfall der Sphäre hervorgegangenen, im Vergleich mit dieser leichter färbbaren Körnermassen finden sich schliesslich in der Zelle so angeordnet, dass sie innerhalb der Follikelwand um den Kern eine zweite Hohlkugel bilden (Fig. 22, 23). Bei einer Ein- „ stellung auf die Wand dieser Hohlkugel oberhalb oder unterhalb des Kerns nimmt man eine ununterbrochene Körnerlage oder häufiger ein von Körmnersträngen gebildetes Netz wahr, dessen Maschen verschieden gross und unregelmässig gestaltet sind. Bei Einstellung auf den Kern selbst sieht man Körnerzüge, die mei- stens an verschiedenen Stellen unterbrochen sind, diesen kranz- förmig umgeben. Und zwar findet sich dieser Körnerkranz bald in gleichem Abstand von der Membran des Kerns und der Fol- likelwand (Fig. 22); bald ist er der Follikelwand, bald dem Kern näher gelegen; häufig liegt er der Membran des letzteren dieht auf. Zuweilen (Fig. 21) ist eine Anzahl der Sphärentheilchen bereits in Körnermassen übergegangen, während ein anderer Theil noch unverwandelt in der Zellsubstanz liegt. Was die Farbenreactionen der Körnermassen anlangt, so nehmen sie an Objeeten, die in Flemming’scher oder Her- mann'scher Flüssigkeit fixirt sind, bei Anwendung der Flem- ming'schen Dreifachbehandlung Orangeton an. Bei Holzessigbe- handlung erscheinen sie in verschiedener Intensität geschwärzt; schr stark, wenn man auf die Holzessigbehandlung eine Färbung mit Pal’schem Hämatoxylin (Hermann) nachfolgen lässt. Uebrigens sind sie schon bei der Untersuchung des frischen Ob- jeets (ohne jeden Zusatz) wahrzunehmen. Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre ete. 127 Mit der Metamorphose der Sphäre gehen Veränderungen in der Form und Structur des Kerns und im Bau der Zellsub- stanz einher. Nachdem die Metamorphose der Sphärensubstanz vollendet ist, liegt der Kerm, welcher im Anfang des Zerfalls vielfach eine mehr oder weniger excentrische Lage in der Zelle inne hat, gewöhnlich in ihrer Mitte. Während des Sphärenzerfalles ist er in sehr vielen Fällen durch Einbuchtungen und Spalten zerklüf- tet, mehr und mehr „polymorph“ geworden. In einigen Winter- hoden kommen fast nur Spermatogonien mit zum Theil ausser- ordentlich merkwürdigen zerklüfteten Kernformen vor; die Sphäre ist bei ihnen stets in metamorphosirtem Zustand vorhanden. Je- doch findet man in anderen Hoden aus dem Spätherbst oder Winter, zuweilen sogar recht zahlreich, Zellen, in denen zwar die Sphäre eine Umwandlung in Körnermassen erfahren hat, in "denen aber die Kerne ihre runde Form bewahrt haben oder nur unbedeutende Spalten zeigen. Der Parallelismus der beiden Vor- gänge, der Metamorphose der Sphärensubstanz und der Kernzer- klüftung ist also insofern nur eine unvollkommene, als der Zer- fall der Sphäre nicht nothwendig von einem Polymorphwerden des Kerns begleitet zu sein braucht. Dagegen tritt die Kernzer- klüftung nur gleichzeitig mit oder nach vorausgegangenem Zerfall der Sphäre ein; denn in den Zellen mit polymorphen Kernen habe ich einen scharf konturirten hellen Körper, welcher un- zweifelhaft eine intacte Sphäre war, beim Salamander niemals beobachtet. Ausser den Veränderungen der Form zeigen die Kerne der- Jenigen Zellen, in welchen die Sphäre eine körnige Metamorphose erfahren hat, im Salamanderhoden häufig eine veränderte Anordnung des Chromatins gegenüber den Kernen der Zellen mit konsolidirter Sphäre. Denselben Bau, wie ich ihn oben für die letzteren be- schrieben habe, können auch die Kerne im den Zellen mit modi- fieirter Sphäre aufweisen. In vielen Fällen aber zeigen sie, nach- dem der metamorphosirte Zustand der Sphäre eine Zeit lang an- gedauert hat, zahlreiche kleinste Chromatinkügelehen, die ohne nachweisbaren Zusammenhang mit einander sind. Die Kerne bekommen dadurch ein getüpfeltes Aussehen (Fig. 22, 23, 23—28 u. bes. 41—47). Diese Veränderungen in der Anordnung des 128 F. Meves: Chromatins sind bei körniger Sphäre vielfach auch dann zu konstatiren, wenn die Kernform nicht zerklüftet ist. Ebenfalls in der Structur der Zellsubstanz treten während des Zerfalls der Sphäre eigenthümliche Aenderungen auf. In den Zellen mit kompakter Sphäre ist das Fadenwerk, wie ich bereits oben erwähnt habe, vielfach so dicht, dass die Zellsubstanz häufig ein granulirtes Aussehen hat. Diese dichte Filarmasse erfährt. nun im Anschluss an die Sphärenmetamorphose eine bedeutende Lockerung, wobei die einzelnen Zellfäden an Dicke zunehmen ; zugleich unterliegen die letzteren, die vorher wenigstens in vielen Fällen auf die Sphäre centrirt waren, einer Umordnung ihres Verlaufs. Jedoch scheint der Zeitpunkt, in dem diese Aenderungen auftreten, ziemlich inkonstant zu sein. In den Fig. 17—19 sind die Strueturen der Zellsubstanz ganz erheblich umgestaltet, wäh- rend in den Figg. 16, 20, die denselben Präparaten wie Fig. tr f 18 entstammen, in dem gleichen oder (Fig. 20) spätern Stadium der Sphärenmetamorphose nichts oder nur wenig (Fig. 16) davon wahrzunehmen ist. Gewöhnlich aber sind in dem durch die Fig. 16—20 reprä- sentirten Zeitpunkt, zu welchem Sphärentheilchen überall ver- streut sind, die Aenderungen sehr ausgesprochen. In der Regel zeigt dann die ganze Zellsubstanz ein in der oben angegebenen Weise umgestaltetes Fadenwerk von ganz überraschender Deut- lichkeit. Was die Anordnung der Fadenzüge in diesem Stadium an- betrifft, so ist eine bestimmte Regel im Verlauf aller nicht zu erkennen. Zahlreiche Fäden gehen in ungefähr radiärer Rich- tung von den Sphärentheilchen aus. Letztere liegen dann also in den Knotenpunkten, in denen die Fäden der Zellsubstanz zu- sammenstossen. Für alle Fäden aber lässt sich eine Centrirung auf die Sphärentheilchen weder behaupten noch mit Sicherheit ausschliessen, weil eine Zelle selbst bei einer Schnittdieke von 10 u meistens auf 2—3—4 Schnitte vertheilt wird, und bei stär- kerer Zerstreuung der Sphärentheilchen in der Zellsubstanz diese bei weitem nicht alle in einem Schnitt zur Anschauung kommen. Häufig scheinen zwischen den einzelnen Sphärentheilchen Fadenzüge zahlreicher ausgebildet zu sein (Fig. 17). Schon im Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre etc. 129 Beginn des Processes, wenn die Sphärentheilchen eben anfangen auseinander zu rücken und die Structuren der Zellsubstanz noch nicht umgewandelt sind, sieht man häufig zwischen den einander benachbarten Sphärentheilchen (Fig. 15) Fadenbrücken ausge- spannt. Beachtenswerth erscheint in dieser Beziehung Fig. 12, wo links neben der Hauptmasse der Sphäre ein abgerücktes Sphärentheilchen liegt, welches mit dieser durch eine deutliche Fadenbrücke in Verbindung steht (vgl. übrigens auch Fig. 14 u. 15). In denjenigen Zellen, in welchen die Sphäre eine voll- ständige Umwandlung in Körnermassen erfahren hat, vermag ich an einem Theil meiner Präparate deutlich eine geringere Dich- tigkeit der Filarsubstanz zu konstatiren als sie in den Zellen mit kompakter Sphäre die Regel ist. Jedoch tritt das Fadenwerk der Zelle nach vollendeter Metamorphose der Sphäre niemals so deutlich hervor, wie in dem vorhergehenden Stadium des Pro- cesses, in welchem Sphärentheilchen überall in der Zellsubstanz " vertheilt waren. Von einer bestimmten Anordnung ist im Stadium der Kör- nermassen meistens nichts wahrzunehmen; nur in verhältniss- mässig seltenen Fällen fand ich, in Hoden aus dem Winter und Frühjahr, eine deutlich koncentrische Anordnung des Fadenwerks um den Kern (Fig. 24); die Körnermassen lagen dann gewöhn- lich, wie .auch in dem Fig. 24 abgebildeten Fall, in einer von Fäden frei gelassenen Zone dem Kern dicht an. Von dieser nicht sehr häufig zu beobachtenden Anordnung abgesehen ist jedoch die grössere Lockerheit des Fadenwerks in Zellen mit metamorphosirter Sphäre, wenn man sie mit dem Zu- stand der Zellsubstanz in irgend einer Zelle mit kompakter Sphäre vergleicht, an manchen gut fixirten Präparaten allein so charakteristisch, dass oft ein Anschnitt einer Zelle genügt, um aus der Beschaffenheit der Filarsubstanz den Zustand der Sphäre vorherzusagen. An einem grossen Theil meiner Präparate aber wie auch an allen abgebildeten Zellen mit vollständig umgewandelter Sphäre (mit Ausnahme von Fig. 24), in welehen Zellstrueturen überhaupt nicht deutlich hervortreten, ist von einem Unterschied in der Dich- tigkeit der Filarsubstanz gegenüber den Zellen mit konsolidirter Sphäre nichts wahrnehmbar. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 $) 130 F. Meves: Aehnliche Vorgänge, wie ich sie jetzt schildere, Entstehung der Sphäre aus Körnermassen, sind, wie ich später zeigen werde, ebenfalls bei männlichen Geschlechtszellen bereits von v. la Va- lette St. George (58,59) und Prenant (44, 45) beschrieben worden. In Salamanderhoden, besonders aus dem Frühjahr, beob- achtet man, dass die Körnermassen, welche den Kern vorher in ihrer Gesammtheit wie eine Hohlkugel umgaben, sich mehr und mehr auf eine Stelle zusammenziehen, so dass sie ihn bald nur noch zu einem Theil schalenförmig umfassen (Fig. 27). Zu- letzt drängen sie sich meistens an einem Punkt der Kernperi- pherie zu einem einzigen Haufen zusammen. Dieser sitzt häufig in Kappenform (Fig. 28) dem Kern auf; zuweilen liegt eine kugel- förmige Anhäufung von Körmern (Fig. 29) frei neben dem Kern in der Zellsubstanz. Diese Ansammlung verdichtet sich mehr und mehr zu einem dunklen Körper, an dem man einzelne Körner nicht mehr unterscheidet, und erfährt schliesslich eine UmwandInng in homogene Substanz. Oder aber es entsteht die Attraetionssphäre im Centrum der Ansammlung als ein homogen aussehender Körper, in dessen Umgebung zunächst noch Körner liegen bleiben, welche wohl erst nachträglich in die Sphäre einbezogen werden (Fig. 38, 54). In anderen Fällen geht die Rekonstitution der Sphäre in einer von der eben geschilderten abweichenden Weise vor sich, welche den Vorgängen, wie sie sich beim Zerfall abspielen, mehr analog ist. Die Körnermassen ziehen sich nicht erst an einer Stelle der Kernperipherie zu einem einzigen grossen Haufen zusammen, sondern während sie den Kern noch in Form einer Hohlkugel umfassen, erfahren sie bereits an Ort und Stelle eine Umwand- lung ihrer Substanz. Der Kern ist dann im optischen Querschnitt an seiner ganzen Peripherie von zahlreichen winzigen Körperchen umgeben, welche im Vergleich mit den Körnermassen geringe Neigung zeigen, Farbstoffe aufzunehmen (Fig. 30). In andern Fällen findet man in derselben Lage weniger zahlreiche, aber grössere Körper von dem gleichen Aussehen (Fig. 31). Diese grösseren Körper, welche von den von mir sog. Sphärentheilehen der Figg. 19, 20 nicht zu unterscheiden sind, können entweder aus den kleineren Kügelehen der Fig. 30 ent- Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre ete. 151 standen sein, indem mehrere derselben sich vereinigten; oder sie können ihre Entstehung genommen haben, indem gleich von vorn- herein die Körnermassen sich zu kleineren Häufchen zusammen- zogen und diese dann eine Umwandlung in homogene Substanz erfuhren. In noch anderen Zellen nimmt man wahr, dass Sphären- theilehen mehr an einer Seite der Kernperipherie gelegen sind (Fig. 32); zuweilen beobachtet man Bänder von homogener Sphä- rensubstanz (Fig. 33); letztere können durch Zusammenfluss von Körpern wie denjenigen der Fig. 31 entstanden sein, oder da- durch, dass eine strangförmige Körnermasse umgewandelt wurde. In Bildern späterer Stadien sieht man Sphärentheilchen an einem Punkt des Kernumfangs zu einem Haufen versammelt (Fig. 34, 35). Wie bei den vorhin beschriebenen Vorgängen des Zerfalls steht auch jetzt ihre Zahl in umgekehrtem Verhältniss zu ihrer Grösse. Dieselben vereinigen sich zu einem einzigen Sphärenkörper, dessen Formen im Anfang oft stark lappig und höckerig sind. Gleichzeitig mit der Rekonstitution der Sphäre sind die Kerne, welche in den Zellen mit modifizirter Sphäre häufig stark zerklüftete Formen aufweisen, mehr und mehr zu einem abge- rundeten Zustand zurückgekehrt. Jedoch ist auch hier wieder der Parallelismus der beiden Vorgänge nur unvollkommen. In sehr vielen Fällen ist die Kernform bereits rund, wenn die Re: konstitution der Sphäre noch nieht einmal begonnen hat (Fig. 26, 45 u.a.). Möglich ist, dass in diesen Fällen überhaupt niemals eine stärker zerklüftete Kernform vorgelegen hat. Andrerseits sind zuweilen schon die Körner auf einem Haufen versammelt, der Kern hat aber noch ziemlich stark zerklüftete Formen. Liegt jedoch bereits eine konsolidirte Sphäre vor, so ist auch die Kernform rundlich. Was die Kernstructur anlangt, so zeigen die Kerne mit völlig konsolidirter Sphäre, so weit ich bis jetzt finde, niemals mehr jenes oben beschriebene getüpfelte, durch zahlreiche kleinste Chromatinkügelchen hervorgebrachte Aussehen, welches die Kerne mit körniger Sphäre so häufig zeigen. Auch die Zellsubstanz weist jetzt regelmässig jenen Zustand grösserer Dichtigkeit auf, weleher für die Zellen mit 132 F. Meves: konsolidierter Sphäre characteristisch ist. Wenn die Rekonsti- tution der Sphäre mit der Bildung von Sphärentheilchen (Fig. 30—55) einherging, so habe ich doch bisher niemals derartige Umordnungen des Fadenwerks beobachtet, wie sie in dem ent- sprechenden Stadium der regressiven Metamorphose (pag. 128, Fig. 17, 18) so häufig und in solcher Deutlichkeit wahrgenom- men werden. Ausser der konsolidirten Sphäre einerseits und den Sphären- theilchen und Körnermassen andrerseits sind bei der bisherigen Schilderung sonstige z. Th. bedeutungsvolle Eimschlüsse der Zell- substanz unberücksichtigt geblieben; die Beschreibung derselben hole ich an dieser Stelle nach. Nebenbei mag das Vorkommen von Fettkügelchen Erwäh- nung finden, welche man in einzelnen Hoden (Frühsommer) in der Mehrzahl der Zellen wahrnimmt, und zwar sowohl bei kon- solidirtem als auch bei körnigem Zustand der Sphäre. Häufig liegen sie zu Gruppen zusammen. Grössere Bedeutung bin ich geneigt, den folgenden Ein- schlüssen beizumessen. In der Zellsubstanz derjenigen Zellen, in welchen die Sphäre eine Metamorphose in Körner erfahren hat, beobachtet man, in einigen Hoden häufig, ausser den Körnermassen einen, selten zwei oder mehr, grössere Ballen von rundlicher, ovaler, länglich wurst- förmiger oder auch mehr unregelmässiger Gestalt (Fig. 23, 25, 45, 46). Sie sind in der Regel kleiner als die intacte Sphäre. Gewöhnlich sind sie in den Kranz der Körnermassen eingelagert, oder aber sie liegen innerhalb desselben zwischen ihm und dem Kern, seltener ausserhalb des Körnerkranzes mehr in der Nähe der Follikelwand. Sie sind niemals scharf konturirt, wie die konsolidirte Sphäre oder die Sphärentheilchen im Beginn des Zer- falls. Auch erscheinen sie nicht, wie die letzteren, hell, sondern von opakem Aussehen; bei der Flemming’schen Dreifachbe- handlung nehmen sie etwas Orangeton an, färben sich aber nicht so stark wie die Körnermassen. Besondere Differenzirungen in ihrem Innern konnte ich bis jetzt nicht erkennen, sondern ich fand sie von meistens durchweg gleichmässiger, seltener leicht granulirter Beschaffenheit. Niemals sah ich sie von einer Strahlung umgeben. Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre etc. 133 Es können nur diese Körper (Fig. 23, 25) sein, welche neuerdings vom Rath (46) im Salamanderhoden in Zellen mit Körnerhaufen gefunden und für Sphären angesehen hat. Der sehr erhebliche Unterschied dieser Körper gegenüber den Sphären in den Zellen mit runden Kernen schent vom Rath nicht auf- gefallen zu sein. Dieselben waren mir schon zur Zeit meiner ersten Mittheilung bekannt; jedoch habe ich dort ihrer ausdrücklich keine Erwähnung gethan. Dass es sich nicht um dieselben Körper handelt, welche ich als Sphären beschrieben habe, kann durch- aus keinem Zweifel unterliegen. Welches aber ihre Bedeutung ist, vermag ich einstweilen nicht anzugeben. Ich habe daran gedacht, dass es sich um Sphären- substanz handele, die im Uebergang vom körnigen zum homo- genen Zustand oder umgekehrt begriffen sei; ich halte es aber nicht für möglich, diese Ansicht aufrecht zu erhalten, weil dann derartige Substanzportionen in bestimmten Stadien der Sphären- metamorphose reichlich zu finden sein müssten. Wenn die Körnermassen sich zu einem Haufen zusammen- geschoben haben, um sich zur Sphäre zu konsolidiren, so liegen nicht selten ein oder mehrere solche Ballen in dem Haufen (Fig. 45 rechts oben und links unten) und scheinen also dann mit zum Aufbau der Sphäre verwandt zu werden; zuweilen finde ich ähnliche Gebilde abseits von der Körneransammlung. Nachdem sich eine homogen aussehende Sphäre gebildet hat, liegt häufig abseits von dieser oder ganz in ihrer Nähe, ein Körper (Fig. 34—38, x), der gegenüber manchen Formen des eben beschriebenen, z. B. den in Fig. 23 abgebildeten, kaum irgendwelche Unterschiede bietet; im Durchschnitt aber ist er kleiner, von mehr regelmässig rundlicher oder ovaler Gestalt, und um einige Nuancen dunkler tingirt, als der eben beschriebene. Ob er überhaupt zu dem letzteren Beziehungen hat, muss ich einstweilen dahin gestellt sein lassen. Vielfach, wie in Fig. 54, findet sich ein solcher Körper bereits neben oder unter den Sphärentheilchen, die im Begriff sind, sich zur Sphäre zusammen- zulagern. Von einem dunklen Binnenkörper wird, wie ich bereits oben erwähnt habe, in Frühjahrshoden nicht selten die Mitte der wahrscheinlich eben rekonstituirten Sphären eingenommen (Fig. 4, 51). Man könnte deshalb auf den Gedanken kommen, dass das zuletzt beschriebene Gebilde dem Centralkörper mit der Markzone ent- 134 F. Meves: spricht, welcher mit der übrigen Masse der Sphäre eine secun- däre Verbindung eingeht; zumal, wenn man auch Bilder findet, wie dasjenige der Fig. 37, welche als Uebergänge gedeutet werden können. Jedoch sieht man nicht selten bereits eine dunkle oder andere auf die Markzone zu beziehende Differenzirung im Innern der Sphäre (Fig. 38), wenn ein dunkler Körper, wie derjenige der Figg. 34—37 noch abseits von ihr liegt. Der zuletzt be- schriebene Körper x muss deshalb einstweilen noch ebenfalls seiner Bedeutung nach als räthselhaft bezeichnet werden. Weiterhin sind nach Beobachtungen, die bisher ausschliesslich an einer Anzahl von Frühjahrshoden gemacht sind, in der Zell- substanz der Spermatogonien zu Zeiten Einschlüsse nachweisbar (Fig. 39—54), die, so dunkel die Bedeutung ihrer Anwesenheit in der Zellsubstanz auch ist, ihrer Herkunft nach wenigstens nicht zweifelhaft sein können. Es handelt sich um Kermbestandtheile. Die Elimmation der- selben findet sowohl bei polymorphen wie bei runden Kernen, je nach der Kernform an verschiedenen Stellen statt. Bei den polymorphen Kernen kommt sie fast niemals an der freien Kernoberfläche zur Beobachtung, sondern beschränkt sich auf die nach innen gekehrten Einfaltungen derselben. Man findet diejenigen Theile der Kernmembran, welche die Spalten der polymorphen Kerne auskleiden, mit stark gefärbten knötchen- förmigen Auflagerungen besetzt; in andern Fällen beobachtet man gefärbte Kügelchen von etwas verschiedener, meistens nicht ganz unbeträchtlicher Grösse frei imnerhalb der Kernspalten (Fig. 39, 40, 42). An Präparaten, an welchen Nucleolen und Chromatin different tingirt sind, zeigen Auflagerungen und Kügelchen dieselbe Färbung wie das Chromatin. | Die Spalten der polymorphen Kerne werden durch die knöt- chenförmigen Auflagerungen der sie auskleidenden Membran und die frei in ihnen liegenden Kügelchen (Fig. 39, 40) vielfach ge- radezu markirt. Bei der Betrachtung eines polymorphen Kernes kommt es nicht selten vor, dass zunächst eine Reihe stark ge- färbter Kügelchen eben durch ihre Anordnung den Blick auf sich zieht; häufig erst bei genauerem Zusehen erkennt man, dass die- selben innerhalb einer Kernspalte liegen. Chromatinkügelchen von derselben Grösse, wie man sie Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre etc. 135 innerhalb der Spalten der polymorphen Kerne antrifft, fmdet man sodann völlig getrennt von dem mehr ausgerundeten Kern im Innern der Zellsubstanz. Und zwar haben sie gewöhnlich ihre Lage im Bereich der aus dem Zerfall der Sphäre hervorgegangenen Körnermassen; in diesen sind sie ziemlich regellos vertheilt (Fig. 41). Wie die Kügelchen aus den Spalten des Kerns heraus ge- langt sind, muss ich dahin gestellt sein lassen. Einige Bilder legen den Gedanken nahe, dass sie wenigstens theilweise rein passiv heraus befördert werden; es hat mir zuweilen den Anschein (Fig. 42), als ob die Kernmembran sie vor sich her schiebt, in- dem ihre Einbuchtungen ausgeglichen werden und der Kern wieder eine abgerundete Form annimmt. Jedoch kann in allen Fällen wohl kaum der ganze Weg bis zu den Körnermassen nur auf ‚diese Weise zurückgelegt worden sein. In anderen Zellen mit metamorphosirter Sphäre, deren Kerne meistens ebenfalls abgerundete Formen aufweisen, zeigt die chro- matische Substanz eine viel feinere Vertheilung (Fig. 43—45). Man findet an Stelle der eben beschriebenen verhältnissmässig grossen Uhromatmkügelehen (Fig. 41) ebenfalls im Bereich der modifieirten Sphäre zahlreiche, winzige, gefärbte Körnehen. Diese aber sind den die Sphäre repräsentirenden Körnermassen nicht mehr regellos beigemengt, sondern in eine geordnete Beziehung zu der Sphärensubstanz getreten. Besonders, wo die Körnermassen locker liegen (Fig. 44), erkennt man folgendes auffallende Ver- halten: die Mitte eines jeden Sphärenkorms wird von einem stark (an meinen Präparaten blau oder roth) gefärbten Kügelchen ein- genommen; letzteres ist also von einem, bei gelungener Dreifach- behandlung gelblich gefärbten, Hof von Sphärensubstanz umgeben. Ueber die Art, wie die Dekonstitution der grossen Chroma- tinkügelchen der Fig. 41 und weiterhin die Verbindung des Chro- matins mit den Sphärenkörnern zu Stande kommt, weiss ich keine Angaben zu machen; wahrscheinlich spielen, wie auch sonst hier bei dem Eliminationsvorgang, chemische Processe, Lösung an einer Stelle und Wiederabscheidung an einer andern, eine Rolle. Während mir der Nachweis des eliminirten Chromatins in allen übrigen Stadien des beschriebenen Processes bei einfacher Safraninfärbung oder Doppelfärbung mit Gentiana (ev. unter An- wendung der Gram'’schen Methode) verhältnissmässig leicht gelingt, ist er im Stadium der Figg. 43—45 schwierig und mir 136 F. Meves: bisher nur an nicht zahlreichen Präparaten, hier allerdings in durchaus überzeugender Weise, geglückt. Dies dürfte seinen Grund in dem schon oben besprochenen Umstand haben, dass die Spermatogonien bei der von mir angewandten Fixirung einer starken Osmirung unterliegen, welche einer scharfen Tinetion des Chromatins schon an und für sieh sehr hinderlieh ist. Die Kleinheit der tingiblen Centren kommt als ein erschwerender Umstand hin- zu. Die Darstellung derselben ist mir bisher nur gelungen mit Hilfe der Flemming’schen Dreifachbehandlung bei nur seeunden- langer Einwirkung des Orange und durch Safraninfärbung nach vorausgegangener Beizung mit hypermangansaurem Kali. Dass die so erhaltenen Bilder nur auf ungenügender Extraction der Sphärenkörner beruhen sollten, ist nach meiner Meinung voll- ständig ausgeschlossen. Allerdings muss man daran denken, dass durch die beiden genannten Methoden auch nicht chromatische Theile, z. B. auch die Centralkörper gefärbt werden. Es wäre deshalb wünschens- werth, die färbbaren Centren auch nach einer anderen Fixirung als mit Osmiumgemischen, welche scharfe Tinktionen gestattet, nachzuweisen; ich habe dazu bisher keine Gelegenheit gefunden. Da aber die Bilder der Figg. 43—45 sich gut an solche, wie das der Fig. 41 anschliessen, welche letzteren ich auch mit anderen Behandlungen erhalten habe, so glaube ich nicht, dass Zweifel in Bezug auf die Natur der gefärbten Centren zu Recht bestehen. Nach meiner Ansicht handelt es sich in der That um Chromatin, welches in eine innige Beziehung zu der Sphären- substanz getreten ist. Weiterhin scheint dasselbe, bald früher, bald später, seine Affinität für Farbstoffe zu verlieren und in den Aufbau der Sphäre miteinzugehen. | In Fig. 45 haben sich die Körnermassen zu einem Haufen vereinigt, in dem man die Anwesenheit kleinster Chromatinkügel- chen konstatirt, wenn sie auch in diesem Fall nicht überall deutlich als die Centren von Sphärenkörnern erkennbar sind. In den meisten Fällen dagegen ist an denselben Präparaten in dem zusammengeschobenen Körnerhaufen, zumal wenn dieser sich stärker verdichtet hat, nichts von gefärbter Substanz wahr- zunehmen; sofern man deshalb dem Process nicht überhaupt Konstanz absprechen will, wird man annehmen müssen, dass das Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre etc. 137 hier ebenfalls nachweisbar vorhanden gewesene Chromatin bereits seine Affinität für Farbstoffe verloren hat. Bei meiner bisherigen Schilderung handelt es sich aus- schliesslich um Chromatin. Es nimmt aber auch die Nucleolen- substanz an der Elimination Antheil. Nieht selten findet man ausser den Chromatinkörnern im Bereich der körnigen Sphäre ziemlich grosse in der Regel nur vereinzelte Kügelchen, welche sich ebenso tingirt haben wie die Nucleolen. In Fig. 45 liegt ein soleher, Körper links oben am Rande der zu einem Haufen zusammengezogenen Körnermassen. Ueber die Art, wie die Elimination der Nueleolensubstanz vor sieh geht, habe ich keine Beobachtungen gemacht. Sodann hat an dieser Stelle ein weiterer Einschluss der Zell- substanz Beschreibung zu finden, weleher nur in Zellen mit meta- morphosirter Sphäre, fast ausschliesslich in Frühjahrshoden, ge- funden wird und welcher sich an vielen Präparaten als ein rund- liches Bläschen mit hellem Inhalt präsentirt. Zuweilen zu beob- achtende Einbuchtungen der Wandung desselben (Fig. 48) dürften auf Rechnung der Fixirung zu setzen sein. Der Durchmesser des Bläschens kommt im Mittel demjenigen der Sphäre gleich, beträgt zuweilen jedoch beinahe das doppelte des Sphärendurchmessers. Man kann in vielen Fällen zunächst denken, es mit einer Kunstvakuole zu thun zu haben; jedoch fällt sehr bald auf, dass das Bläschen immer nur in Zellen mit modifizirter Sphäre und fast regelmässig in der Einzahl gefunden wird; nur ganz vereinzelt habe ich zwei derartige Gebilde beobachtet. Gänzlich hinfällig wird der Gedanke an ein Artefact da- durch, dass das in Rede stehende Bläschen vielfach eine beson- dere Wandbeschaffenheit (Fig. 47, 48) und nicht selten auch in seinem hellen Inhalt fädige Strukturen (Fig. 46) deutlich er- kennen lässt. In vielen Fällen erscheint zunächst die Innenseite der Wandung mit Rauhigkeiten oder Körnern besetzt. Die Körner erweisen sich an scharf tingirten Präparaten (Fig. 47, 48) als kleinste chromatische Kügelchen; meistens sitzen sie dicht, eimes unmittel- bar neben dem andern, der Innenwand des Bläschens auf. Die Wand selbst zeigt sich am deutlichsten dann, wenn ihr keine 138 F. Meves: oder nur wenig Uhromatinkörner aufgelagert sind, als von einer achromatischen Membran gebildet (Fig. 46). Häufig sind ausserdem in dem hellen Inhalt zu Strängen an einander gereihte feinste Körnchen und Krümel von gefärbter Substanz wahrzunehmen (Fig. 46); diese können, wie in Fig. 46 auch allein beobachtet werden, ohne dass ein Wandbelag von Chromatinkörnern vorhanden ist. Auf Grund ihres vielfach allerdings nur minimalen und an nicht scharfen Tinetionspräparaten überhaupt nicht erkennbaren Gehalts an Chromatin bezeichne ich die beschriebenen Gebilde als „echte Nebenkerne*. Ueber die Entstehung derselben habe ich keine Beobach- tungen gemacht; ich wüsste aber nicht, woher ihre färbbare Substanz anders stammen sollte als von Chromatin, das aus dem Haupt- kern eliminirt ist. Jedoch schliesst das Vorhandensein eines Nebenkerns das Vorkommen von Chromatin in der Zellsubstanz keineswegs aus. Diejenigen Formen des Nebenkerns, welche besonders reich an Chromatin sind, fand ich allerdings bisher meistens in Zellen, in deren Zellsubstanz gefärbte Kügelehen im übrigen nieht nach- gewiesen werden konnten. Dagegen beobachtet man Neben- kerne, die an tingirbaren Substanzen ärmer sind, vielfach neben Uhromatinkörnern in der Zellsubstanz. Ebenso wenig wie über die Entstehung des Nebenkerns weiss ich über sein Schieksal bestimmte Angaben zu machen. Wenn die Körnermassen sich zu einem Haufen zusammengeschoben haben, nimmt man ilın zuweilen innerhalb dieses Haufens wahr. In Zellen mit konsolidirter Sphäre istder Nebenkern regelmässig verschwunden. Was ich bisher über die Elimination und das Vorkommen von Chromatin in der Zellsubstanz beschrieben habe, betraf Zellen, in welchen die Sphäre in körnigem Zustand vorlag. Auf Chromatinelimination zu beziehende Bilder finde ich nun auch in Zellen, in welchen die Körnermassen bereits eine Umwandlung in homogene Substanz erfahren haben, sei es, dass diese zunächst noch in Form von Sphärentheilchen in der Zelle vertheilt ist oder sieh bereits zu einem einzigen Körper konso- lidirt hat (Fig. 49—54). Unter «diesen Verhältnissen ist die Kernform gewöhnlich Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre ete. 139 rundlieh; die Elimination vollzieht sich dann an der freien Kern- oberfläche. Die Kernmembran erscheint mit kleinern und grössern knötehenförmigen Auflagerungen häufig dicht besetzt (Fig. 49—51). Ist aber noch irgendwo ein Spalt vorhanden, so geht der Process hier vorzugsweise von Statten. Der Kern der Fig. 51 zeigt Chromatin auf dem Wege der Elimination an seiner ganzen Peripherie; besonders grosse Brocken, aber nimmt man an seiner linken Seite!) in der Tiefe einer noch vorhandenen Einbuchtung wahr, deren Längsaxe der Ebene des Objekttisches parallel läuft und auf deren Grund eingestellt ist. Dagegen findet bei dem Kern der Fig. 52, welcher von einem engen Kanal durehbohrt ist, keine Elimination an der Oberfläche statt, sondern nur die Wandung des Kanals ist mit knötchenförmigen Chromatinauflage- rungen besetzt. Ausserdem findet man in Zellen mit konsolidirter Sphäre Chromatin frei m der Zellsubstanz, häufig besonders in der Um- gebung der Attractionssphäre, zuweilen ihrer Peripherie aufge- lagert (Fig. 55, 54). Uebrigens brauchen diese Chromatinkörner nicht erst nothwendig nach erfolgter Rekonstitution der Sphäre eliminirt zu sein, sondern es ist möglich, in Fällen, wie denjenigen der Fig. 54 sogar höchst wahrscheinlich, dass sie sich schon vor diesem Zeitpunkt vom Kerm getrennt hatten und beim Aufbau der Sphäre nicht mit verwandt wurden. Jedoch wird man wohl im allgemeinen mit Bezug auf Bilder, wie das der Fig. 53, wenn man sie zusammen mit denjenigen der Figg. 49—51 in Frühjahrs- hoden findet, vermuthen müssen, dass es sich um einen zweiten Schub von eliminirtem Chromatin handelt. Später sind die frei in der Zellsubstanz vorkommenden Körnehen verschwunden; über ihren Verbleib weiss ich nichts anzugeben. Literatur. Alle neueren Untersucher sind darin einig, dem in den Samenzellen vieler höherer und niederer Thiere beobachteten Nebenkern die Bedeutung einer Attractionssphäre zuzusprechen. Dieselbe Deutung ist nach einer Vermuthung, die zuerst Flem- ming (21, pag. 69; 1892) ausgesprochen hat, und nach den 1) Die hier beschriebenen Verhältnisse der Figg. 51,52 sind durch den Lichdruck nicht in der gewünschten Deutlichkeit reprodueirt. 140 F. Meves: Untersuchungen von Balbiani (4, 1893) auf den Dotterkern des Eies anzuwenden, welcher also als ein „Homologon des Nebenkerns“* (Balbiani) aufzufassen ist. Was das vorliegende Objeet anbetrifft, so ist derjenige Körper der Sexualzellen des Salamanders, welcher den Gegen- stand dieser Untersuchung bildet, lange vordem er von Her- mann in den Spermatocyten dieses Thieres als Attractionssphäre erkannt wurde, von v. la Valette St.George in den Hoden- zellen vieler Amphibien als Nebenkern beschrieben worden. Eben- falls derjenige Körper, welchen Valaoritis (56) im Ei speciell des Feuersalamanders als „ringförmige Protoplasmaverdickung“ mit „radiärer Anordnung feinster Protoplasmafäden* rund herum beschreibt und in seiner Fig. 30 (Taf. III) abbildet, ist unzweifel- haft eine Attractionssphäre. Ob aber auch das von ihm bei diesem Thier und sämmt- liche von andern Forschern bei den übrigen Amphibien unter dem Namen „Dotterkern“ beschriebenen Gebilde einer Sphäre oder irgend welchen Zuständen derselben entsprechen, muss. ich einstweilen dahin gestellt sein lassen. Schliesst man sich aber im allgemeinen der Ansicht an, dass zunächst dem Nebenkern die Bedeutung einer Attractions- sphäre zukommt, so ist für diesen eine Entstehung aus Körnern wiederholt von v. la Valette St. George (58, 59) und Prenant (44, 45) beschrieben worden. In den Spermatocyten von Blatta fand v. la Valette (58, 1856) in der Zellsubstanz Mierosomen, welche zum kleinern Theil aus stark lichtbreehenden, intensiv färbbaren Körnchen bestehen, zum andern Theil zu mehr oder minder langen Fädchen an ein- ander gereiht sind. In einigen Spermatocyten umschliessen sie den Kern wie eine Kugelschale; dann häufen sie sich an der einen Seite der Kernperipherie stärker an. Dieser neben dem Kern liegende Microsomenhaufen verdichtet sich darauf in der Mitte und formt sich weiterhin in eine sich stark färbende Kugel um, den „Neben- kerın“* (Bütschli), „Nebenkörper* (v. la Valette). Neben dem Kern und Nebenkern sah v. la Valette stets noch eine Anzahl isolirter Körner liegen, welche alle Stadien der Vermehrung der Spermatocyten, während welcher der Nebenkern selbst verschwindet, mit durchmachen. Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre etc. 141 Mit Bezug auf die Herkunft der Cytomierosomen, durch deren Verdichtung der Nebenkern zu Stande kommt, beobachtete v. la Valette, dass diese nichts anderes sind, als Reste der Spindelfasern, welche mit den erwähnten Einzelkörnern in den neugebildeten Zellen neben dem Kern zurückbleiben. Ganz entsprechend sind die Angaben v. la Valette's über die Spermatocyten von Forfieula (59, 1887). Sodann beobachtete Prenant (44, 1888) bei den Sperma- togonien des Scolopenders in der Zellsubstanz derselben, die von einem sehr deutlichen Plastinnetz gebildet wird, vielfach in ver- schiedener Weise gekrümmte Fäden, welche dadurch entstanden zu sein scheinen, dass die Balken der Zellsubstanz sich entlang einer gewundenen Linie verstärkt haben. Diese Fäden setzen sich in die nicht modifieirten Balken der Zellsubstanz fort. Zuweilen sind die beiden Enden eines gekrümmten Fadens mit einander verknüpft. Anzahl und Lage dieser Fadenbildungen sind sehr weeh- selnd. In den ältesten Spermatogonien fehlen sie oder sind nur angedeutet, dann aber sehr zahlreich und im der ganzen Ausdeh- nung der Zellsubstanz verstreut. Am häufigsten sind sie beschränkt auf eine Zone um den Kern und dann sind sie entweder auf die ganze Peripherie desselben vertheilt oder bilden auf einer Seite eine Art von Halbmond. In einigen Zellen findet man, dass diese Fadenbildungen sich mehr verdeutlicht und individualisirt haben, indem sie eine Modifikation zu erleiden scheinen, welehe ihre Substanz homogen macht. In diesem Fall, wenn sie nieht mehr als einfache An- ordnungen des eytoplasmatischen Netzes erscheinen, erinnern sie an die Nebenkerne der Autoren. Prenant sieht deshalb in den beschriebenen Bildern eine Bestätigung der Beobachtungen v. la Valette’s bei Blatta und Forfieula. Aehnliche Beobachtungen machte Prenant (45, 1888) an den Spermatogonien von Lungenschneeken. Die Zellsubstanz ist hier stark körnig oder vielmehr von kurzen welligen Fäden durchsäet. Häufig findet sich um den Kern eine stärker gefärbte Zone, in der man die Existenz eines Körpers von wechselnder Gestalt, des Nebenkerns, Konstatirt. In gewissen Spermatogonien kommen, im Innern der Zellsubstanz verstreut, rudimentäre Neben- kerne vor. Dieselben erscheinen unter der Form einfacher Ver- 142 F. Meves: diekungen jener gewundenen Fäden, aus denen die Zellsubstanz gebildet ist. Prenant deutet diese Körper als Nebenkerne, weil zwi- schen ihnen und den vollständig ausgebildeten intermediäre For- men existiren; ausserdem ist ihnen allen beiden eine bestimmte Reaction gemeinsam, indem sie bei Behandlung mit Osmiumsäure eine schwärzliche oder sogar schwarze Färbung annehmen. „lei done, comme chez la scolopendre, le Nebenkern par- fait et unique resulte de la soudure de Nebenkern rudimentaires et multiples, qui & leur tour proviennent de la differentiation d’un certain nombre de trav&es protoplasmatiques, dont les rapports sont devenus autres (45, p. 144). Dotterkern und Attractionssphäre hat Balbiani (4, 1893) auf Grund neu angestellter Untersuchungen einem ausführlichen Vergleich unterzogen und dabei das centrale Bläschen, welches das Innere des Dotterkerns einnimmt, in Parallele gesetzt mit dem Centrosom. Dieses Bläschen, dessen nuclearen Ursprung Balbiani feststellte, übt nach ihm auf den umgebenden Dotter eine Wirkung aus analog derjenigen, welehe von dem Centrosom auf das Protoplasma der Gewebszellen ausgeübt wird; die modi- fizivte Masse bildet die sog. Attraetionssphäre. Weiter heisst es pag. 162: „On peut comparer la sphere attractive des Araignedes a Ja portion de la sphere attractive des oeufs en voie de segmen- tation de l’Ascaris megalocephala ä laquelle van Benedena donne le nom de zone medullaire et qui est formee par une sub- stanee claire et homogene entourant immediatement le centrosome; en d’autres terms, e’est une sphere attractive d’Ascaris ä laquelle manque la conche cortieale, formee de filaments rayonnants“. Diesem von Balbiani gegebenen Vergleich vermag ich im einzelnen nicht zuzustimmen. Nach meiner Meinung dürfte das eentrale Bläschen des Dotterkerns nicht einem Centralkörper sondern vielmehr der Markzone van Beneden’s entsprechen, innerhalb deren der Centralkörper noch erst zu suchen wäre, Uebrigens hat Balbiani bereits bei seiner ersten Schilderung des Dotterkerns (pag. 586, 1864), später wiederholt und auch in seiner letzten diesen Gegenstand betreffenden Arbeit in dem cen- tralen Bläschen des Dotterkerns ein Körperehen beschrieben, welches nach meiner Meinung sehr wohl einem Centralkörper ent- Ueber eine Metamorphose der Attraetionssphäre ete. 143 sprechen könnte. In den „Lecons sur la generation des verte- bres“ (2) heisst es pag. 257: „Cette vesieule (centrale du noyau vitellin) renferme &lle-m&me une substance päle et granuleuse, dans laquelle on apercoit un corpuscule rond, faiblement refringent, situ& A son centre ou pres de sa surface“. Dagegen ist die mehr oder weniger dieke, das centrale Bläschen umhüllende Schicht des Dotterkerns, welehe nach Bal- biani durch Verdichtung der umgebenden Zellsubstanz entsteht, nach meiner Auffassung der Kortiecalzone vanBeneden’s analog, unter welcher Bezeichnung dieser wenigstens bei Ascaris nicht den Strahlenkranz, sondern eine die Markzone umgebende peri- phere Schicht der Attractionssphäre verstanden hat. Bei der von mir im vorstehenden versuchten Deutung der einzelnen Bestandtheile des Dotterkerns, welche in Bezug auf den Gentralkörper noch Untersuchungen wünschenswerth macht, scheint mir die Uebereinstimmung zwischen dem Dotterkern einerseits und der Attractionssphäre van Beneden’s andrerseits eine voll- kommenere als bei der von Balbiani gegebenen Vergleichung. Gegen die Auffassung Balbiani's sprieht schon die enorme Grössendifferenz zwischen dem centralen Bläschen des ersteren und den bisher beschriebenen Centralkörpern. Dagegen kann die von Balbiani beobachtete nucleare Entstehung des eentralen Bläschens für die Deutung desselben als Markzone verwerthet werden, da Brauer (14) bei Ascaris den Centralkörper von seiner Medullarzone umgeben aus dem Kern hervorkommen sah. Von dem Dotterkern ist nun wiederholt beschrieben worden, dass er sich bei einer grossen Anzahl von Thieren bei seinem ersten Auftreten oder auch noch in späteren Stadien seiner Ent- wicklung als eine körnige Masse repräsentirt, in deren Innern Balbiani bei den meisten von ihm untersuchten T'hieren ein centrales Bläschen nachweisen konnte. Auch ist wiederholt so- wohl eine Entstehung desselben aus Körnern als ein Uebergang in Körner angegeben worden; einige Male ist das Vorkommen multipler Dotterkerne beobachtet. Theilt man nun auch im allgemeinen die Auffassung, dass der Dotterkern einer Sphäre entspricht, so ist doch im Auge zu behalten, dass unter dem Namen Dotterkern vielfach morpholo- sisch ungleichwerthige Gebilde beschrieben sind. Dasselbe dürfte 144 F. Meves: von den Körnermassen gelten, welche dem Dotterkern Entstehung geben sollen; diese letzteren dürften häufig nichts anderes sein als in der Eizelle abgelagerte Nährsubstanz (Korschelt) oder als die ersten Spuren der Dotterelemente oder irgend welche andere Einschlüsse der Zellsubstanz, die zu dem Dotterkern in gar keiner Beziehung stehen. Trotz der in Bezug auf diese Punkte herrschenden Unsicher- heit kann ich es mir dennoch nicht versagen, diejenigen Angaben, welche sich auf eime Entstehung des Dotterkerns aus Körnern oder einen Uebergang desselben in kleinere Theile oder Kügel- chen beziehen, und diejenigen, welche das Vorkommen mehr- facher Dotterkerne betreffen, hier wiederzugeben, selbst auf die Gefahr hin, dass einige von ihnen, wie sehr wahrscheinlich, später einer andern Deutung unterliegen. Eine vollständige Auflösung des Dotterkerns scheint (nach O.Sehultze) 50) zuerst Cramer (17, 1848) im Froschei beo- bachtet zu haben. Er beschreibt den Vorgang mit folgenden Worten: „Wird das Ei etwas grösser, dann erweicht die kleine Kugel und immer flüssiger werdend verbreiten sich die Massen in einem eleganten Halbmond in der Höhle des Dotterraums und um das Keimbläschen“. Im selben Jahre beschreibt v. Siebold (553) und später Carus (15, 1850) und Balbiani (zuerst, 1, 1864, später wieder- holt) das Auftreten von Körnermassen in der Umgebung des Dotter- kerns, welehe (Carus, Balbiani) den Bildungsdotter des Bies repräsentiren. Ich erwähne diese Angaben, obgleich sie nicht hierher gehören, da bei dem Process, den die genannten Autoren im Auge haben, der Dotterkern nicht nur nicht verschwindet, sondern sogar während des Wachsthums des Eies kontinuirlich an Grösse zunimmt. Abgesehen von der sehr alten Angabe Cramer ’s sind es meines Wissens zuerst im Jahre 1882 gleichzeitig zwei Beobachter, Schütz und Jatta, welche, der erstere eine Entstehung des Dotterkerns aus Körnern, der letztere einen Uebergang in diese beschreiben. Nach Schütz (52, 1882) bestanden bei fast allen von ihm beobachteten Thieren die ersten Anfänge des Dotterkerms aus einer oder mehreren Körneransammlungen. So fand er in jungen Eiern von Tegenaria einen einzigen oder mehrere Körnchen- haufen, die sieh später in einen concentrisch gesehiehteten Dotter- Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre etc. 145 kern umwandelten. Bei kleinen Thieren von Tegenaria domestica wurden einigemale Eierstöcke beobachtet, an welchen ganz gleich grosse Follikel sich neben einander befanden, welehe den Dotter- kern in den verschiedensten Stadien der Umwandlung vom Körn- chenhaufen bis zu einem eoncentrisch geschichteten Körper zeigten. „Bei Tegenaria eivilis wurden sehr häufig an ein und demselben Tag (im März und April) bei gleich grossen, frisch eingefangenen Thieren, bei der einen Anzahl von Thieren Eierstöcke angetroffen, die in allen Eiern, sofern sie den Dotterkern bereits hatten, einen einzigen eoncentrischen Körper zeigten, bei der übrigen Zahl da- gegen fanden sich Eierstöcke, die in allen Eiern, welehen einen Dotterkern besassen, denselben als einen oder mehrere Körner- haufen enthielten“. Körnehenhaufen, die Aehnlichkeit besassen mit denjenigen, welehe im Spinnenei den Anfang des Dotterkerns ausmachen, konstatirte Sehütz ferner bei Myriopoden (Lithobius forficatus, Glomeris margmata, Polydesmus complanatus, Julus terrestris) ; bei Inseeten (Aphis rosarum); bei Krebsen (Argulus foliaceus). Unter den Wirbelthieren machte er entsprechende Beobachtungen bei Amphibien (Triton eristatus) bei Reptilien (Lacerta viridis) und auch bei Säugethieren (Ratte, Kaninchen, Katze). Bezüglich der von Schütz bei Triton ceristatus beschrie- benen Körnehenhaufen fand ©. Schultze später (50, 1887), dass diese die ersten Spuren der Dotterelemente und von dem Dotterkern wohl zu unterscheiden sind. Im selben Jahr fand Jatta (30, 1882) in den Eiern von Asteracanthion glaciale eine Masse von homogener Substanz, welehe sich stark in ammoniakalischem Karmin färbt. Diese Masse, welche von Jatta als Dotterkern bezeichnet wird, zeigt srosse Manigfaltigkeit in Form und Grösse. In einigen Eiern beob- achtet man nur einen einzigen Dotterkern von runder Form, kleiner als das Keimbläschen oder ungefähr von derselben Grösse wie dieses; andere Male ebenfalls nur einen einzigen Dotterkern, aber grösser als das Keimbläschen und von sehr unregelmässigen, zu- weilen stark verzweigten Formen. In andern Eiern sieht man schr zahlreiche kleine Dotterkerne von der verschiedensten Grösse und Gestalt. Diese sind entweder ganz unregelmässig im Dotter verstreut oder sie bilden um das Keimbläschen herum einen Kranz von mehr oder weniger regelmässiger Form. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 10 146 F. Meves: Sabatier (48, 1883) konnte bei Phalangium Opilio, wenn er noch ziemlich junge Eier und in der passenden Jahreszeit untersuchte, immer die Existenz mehrerer Dotterkerne konstatiren. Dieselben bestanden aus hyaliner Substanz; sie schienen sich ihm weiterhin in kleinere Massen zu theilen und gegen die Peripherie des Dotters zu wandern, um sich dem oberflächlichen Protoplasma des Eies beizumischen. Die Auflösung der Dotterkerne ging der Bildung der Dotterkugeln vorher. — Bei den übrigen Spinnen- arten, deren Eier einen nicht eoncentrisch geschichteten Dotter- kern enthalten, beobachtete Sabatier, dass der Dotterkern im Laufe der Entwicklung des Eies in die Nähe der Eiperipherie gelangt und sich dort in Körmer auflöst, die theils vom Dotter resorbirt werden, theils sich dem oberflächlichen körnigen Proto- plasma beimischen. Aehnlich verhalten sich wahrscheinlich auch die geschichteten Dotterkerne. Ueber den Dotterkern speziell der Hymenopteren macht Stuhlmann (54, 1886) folgende Angaben. Es bilden sich ganz kleine Konkretionen dieht an der Peripherie des Keimbläschens oder doch wenigstens in seiner unmittelbaren Nähe. Dieselben sind nicht identisch mit den an demselben Ort zu beobachtenden Reifungsballen, welche direet aus dem Kern hervorgehen (ef. pag. 150). Diese Konkretionen wandern nun vom Keimbläschen weg und legen sich in einer vollständigen Schieht an die ganze Ei- peripherie (Bombus) oder sie bleiben mehr am obern Eipol an- gesammelt (Vespa, Trogus, Pimpla) oder endlich sie können sich zu einer Anzahl etwas grösserer, im ganzen Ei vertheilter Klumpen vereinigen. Stuhlmann schlägt hierfür den Namen „diffuser Dotterkern* vor. „Es können nun auch die einzelnen Dotterkonkretionen sich zu einer einzelnen grossen gefärbten Masse vereinigen, die stets am hinteren Eipol liegt“. Dies Gebilde nennt Stuhlmann den „eigentlichen Dotterkern“ (Anomalon, Ophion, Lampronota, Ephi- altes, Amblyteles). Man kann also wohl nach Stuhlmann, wenigstens bei den Hymenopteren, den diffusen Dotterkern als eine ontogenetische und phylogenetische Vorstufe des eigentlichen Dotterkerns betrachten. O0.Schultze (50, 1887) beobachtete in Eiern einer jungen Rana fusca eine Auflösung des Dotterkerns in Körnchen, welche Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre ete. 147 sich in einer eoneentrischen dunklen Zone um das Keimbläschen verbreiteten. Stuhlmann (55, 1887) nahm in Eiern embryonaler Ovarien von Zoarces viviparus neben dem Keimbläschen, jedoch ein klein wenig von der Membran desselben entfernt, eigenthümliche Ver- diehtungen des Protoplasmas wahr, welche er für Nährmaterial hält, das sich die Eizelle aus ihr zugeführten Substanzen bildet. Bei dem allmählichen Heranwachsen der Eier tritt eine bedeutende Vermehrung und Vergrösserung dieser Konkretionen ein; gleich- zeitig entfernen sie sich mehr von dem Keimbläschen und bilden um dieses eine vollständige, konzentrische Schicht von einzelnen grössern oder kleinern Brocken. Stuhlmann bezeichnet die genannten Konkretionen als Dotterkerne und spricht demgemäss von einer Dotterkernschicht oder Dotterkernzone. Gleichzeitig mit dem Auftreten des Dotters im reifenden Ei des erwachsenen Thieres beginnt die Dotterkernzone zu schwinden. Legge (35, 1887) beschreibt (nach dem Referat von Hen- neguy (26b), Original mir nicht zugänglich) in jungen Ovarial- eiern des Huhns eine periphere körnige Zone, welehe nach ihm einen diffusen Dotterkern darstellt. Winkler (63, 1888) fand in den Eiern eines Gamasiden, Uropoda, einen im Querschnitt halbmondförmigen Dotterkern; „dureh wiederholte Theilung zerfällt er in kleine Kügelehen, die sich allmählich im ganzen Protoplasma vertheilen (Nahrungs- dotter)“. Korschelt (33, 1859) beobachtete in den Eiern verschie- dener Insecten, besonders bei Dytiscus marginalis, eine Ansanım- lung von Körnermassen um das Keimbläschen, welche er auf eine Ausscheidung von Substanz durch die Nährzellen zurückführt und als Nährsubstanz bezeichnet. Die von dem Verfasser beobachtete Anordnung dieser Körnermassen, ihre Lagebeziehungen zu den Nährzellen, scheint die von ihm gegebene Deutung durchaus zu rechtfertigen. Noch andere Gründe bitte ich bei ihm selbst nach- zusehen; wenig ausschlaggebend scheint mir übrigens der Nach- weis, dass (dieselben Körner auch in den sog. Nährzellen vor- kommen, da Korschelt selbst, wie Will, diesen die Bedeu- tung abortiver Eier zuspricht. Korschelt beobachtete nun vielfach, dass in einer dich- teren oder weniger diehten Körnehenansammlung am obern Pol 148 F. Meves: des Keimbläschens grössere Körnchen oder Ballen auftreten, deren körmnige Struktur und undeutliche Begrenzung auf eine Entstehung durch Zusammenfliessen kleinerer Körnchen hinweist. „Erst später- hin schienen die Konturen dieser Ballen regelmässiger und ihr Aussehen homogener zu werden“. Die Ballen dringen oft ziemlich tief im eine Einbuchtung des Kernes ein; zugleich wird dann ihre Abgrenzung gegen den Inhalt des letzteren eine undeutliche. Korschelt ist deshalb zu der Ansicht geneigt, dass die Substanz derselben in den Kern einwandert. Wenn die von Korschelt gegebene Deutung der Körmer und Ballen als Nährsubstanz richtig ist, so unterliegen sie viel- leicht auch in einigen der oben referirten Fälle mit Recht einer ähnlichen Auffassung. Mit Bezug auf die Spermatogonien aber muss ich eine derartige Deutung entschieden zurück weisen. In allen bisher referirten Fällen würde es sich, wenn sich die von mir gemuthmasste Deutung bestätigt, ebenso wie bei meinem eigenen Objeet um reifende Geschlechtszellen handeln. Den von mir geschilderten ähnliche Vorgänge sind nun auch bei befrucehteten Eiern von Boveri beschrieben worden, die um so bemerkenswerther sind, als sie sich auf die Attractionssphäre van Beneden’s (das Archoplasma Boveri’s) selbst beziehen. Beim Ei von Ascaris megalocephala beobachtete Boveri (12, pag. 67; 1888) zur Zeit der Ausbildung von Ei und Sper- makern eine Ausbreitung des Archoplasmas durch den ganzen Zellleib und darauf folgende allmähliche Kontraction desselben. Während die Substanz des Archoplasmas bis zu dem genannten Zeitpunkt ein gleichmässig dichtes Gefüge besitzt und einen relativ kompakten Körper darstellt, breitet sie sich nach der Ausstossung des zweiten Richtungskörpers in der grossen Mehrzahl der Fälle in dem ganzen Eikörper aus. Es machte Boveri den Eindruck, als bewege sich die körnige Substanz bei dieser Wanderung gegen die Peripherie an dem Gerüstwerk der Zellsubstanz entlang; wenigstens erscheint dieses Gerüst, welche vorher aus feinen homogenen Fädchen be- stand, jetzt viel diekbalkiger und granulirt, und in jenen Eiern, in denen das Reticulum zerstört ist, zeigen die körnigen Züge, Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre etc. 149 welche das Archoplasma repräsentiren, einen entsprechend netz- artigen Verlauf. Von langer Dauer ist dieser Zustand nicht; bald kontrahirt sich die körnige Substanz wieder gegen die Eimitte hin und zu einer kompakten Kugel. Eine zweite Reihe der mitgetheilien Beobachtungen betrifft die Elimination von Kernbestandtheilen. Entsprechende Vorgänge sind meines Wissens bei Samenmutterzellen in der beschriebenen oder einer ähnlichen Weise noch nicht, bei Ovarialeiern aber wiederholt beobachtet worden. Fol (22, 1877; 25, 1883; 24, 1884) und Roule (47, 1883 haben zuerst bei Ascidieneiern den Austritt von Kernbestand- theilen aus dem Keimbläschen beobachtet. Ersterer beschreibt eine Auswanderung von Nucleolen, letzterer einen Knospungsvor- gang an der Membran desselben. Sodann sah Balbiani (3, 1885) bei jungen Eiern von Geophilus longieornis am Ende einer Art Sprosse, die durch eine trichterförmige Verlängerung des Kerns gebildet wird, rundliche kernartige Körperchen sich abschnüren, welche nach ihm zu den Kernen der Follikelzellen und zum Dotterkern werden. Bei Geophilus earpophagus entstehen diese selben Kerne durch eine Art von Knospung der Kermnmembran in ähnlicher Weise, wie es Fol bei den Ascidien beobachtet hat. — Bei einer Nachunter- suchung der Balbiani’schen Befunde bei Geophilus longicornis vermochte Leydig (36) „dieselben nicht in allen Stücken zu bestätigen, wohl aber die Richtigkeit einiger Hauptpunkte anzu- erkennen“. Will (62, 1884) beschreibt am Ei der Batrachier eine Aus- wanderung von grossen Kernkörperchen und eine Ablösung von Kernknospen, in welchen kleine Nucleolen liegen. Seine Angaben haben, ausser durch Leydig (s. u.) keine Bestätigung gefunden. Blocehmann (10, 1884) beschreibt bei den Eiern von Camponotus ligniperda „an der Kernmembran zarte knötchen- förmige Verdiehtungen, welche allmählich grösser werdend sich ablösen, und selbst Bläschengestalt annehmen“. In einer zweiten Mittheilung (11, 1886) neigt Blochmann zu der Ansicht, dass die „knötchenförmigen Verdiehtungen“ „von vornherein kleine Vakuolen sind“, in denen später bald ein klei- 150 F. Meves: nes mit Pierocarmin sich färbendes Körnchen auftritt. Diese Vakuolen oder, wie Bloehmann sie nach dem Auftreten des Chromatinkörnehens nennt, Nebenkerne, nehmen allmählich an Grösse zu, wobei sie dann eine sehr deutliche Membran an ihrer Oberfläche erkennen lassen, zugleich nimmt der Inhalt an festen färbbaren Substanzen zu. Diese treten theils als kleine, rund- liche Nueleolen, oder als feine wenig sich färbende Fädchen auf“. Die Nebenkerne sind in reifen Eiern nicht mehr aufzufin- den; sie gehen allmählich zu Grunde, ohne irgend einem später in dem reifen Ei sich findenden Gebilde den Ursprung zu geben. Diese Beobachtungen Bloehmann'’s fanden dureh die- jenigen von Stuhlmann (54, 1856), Korschelt (32, 1886), Lameere (34, 1890) eine Bestätigung. Stuhlmann (54, 1886) nimmt nach Untersuchungen an zahlreichen Inseeten, unter denen Vertreter aller Ordnungen waren, ebenfalls den Austritt von Kernsubstanz aus dem Keimbläschen an. Er beobachtete vielfach, dass das Keimbläschen reifender Eier an der Seite, welche der Eiperipherie anlag, eingebuchtet war, und dass in dieser Bucht grössere oder kleinere, „höchst wahrscheinlich“ aus dem Keimbläschen abstammende Ballen lagen, welche er als „Reifungsballen* bezeichnet. Bei Lina po- puli waren die Ballen, von denen hier nur einer oder zwei vor- handen zu sein pflegen, geradezu im Keimbläschen vergraben. Meistens lösen sie sich sofort nach ihrer Entstehung im Dotter auf und verschwanden. Die Reifungsgeschichte der Eier von Banchus (54, pag. 67) ergab, dass der Austritt der Reifungsballen von dem Auftreten der Dotterkerne unabhängig ist, da ersterer Vorgang hier dem letzteren vorangeht. Reifungsballen und Dot- terkerne sind „entschieden von einander ganz unabhängige Bil- dungen“ Bei Ureiern der Katze fand Loewenthal (37, 1888) im Zellleib einen an Grösse und Tinetion einem Keimfleck ähn- lichen Körper. In einigen Ureiern waren „sowohl im Keim- bläschen als im Zellleib selbst sehr feine, durch Safranin intensiv tingirte, zerstreute Körner zu erkennen“. Scharff (49, 1888) beobachtete bei den Ovarialeiern zahl- reicher Knochenfische am Keimbläschen eine Bildung von Knos- pen, welche Nucleolen einschliessen. Dieselben werden nach ihm frei und wandeln sich im Protoplasma zu Dotterkügelchen um. Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre etc. 151 Leydig (36, 1889) nimmt bei den Eiern vieler höherer und niederer Thiere den Austritt von Substanz aus dem Keim- bläschen an. Bei Triton taeniatus fand er Bilder, welehe ihn schliessen lassen, dass die Keimflecke als kleine Amoeben über das Keimbläschen hinaus in den Dotter dringen und „zu intra- vitellinen kernartigen Körpern werden, welche zuletzt über die Peripherie des Dotters sich ausbreiten“. Entsprechende Körper fand er als „Klümpehen oder Ballen blasser Art“ neben zahl- reichen dunklern Körnern in den Ureiern der Larven von Sala- mandra maculata und Rana esculenta; nach seiner Abbildung dieser Körper in den Ureiern des ersteren Thieres (Taf. XVI, Fig. 100, grösseres Ei) vermag ich jedoch seine Beobachtungen nicht mit den meinigen, auf das Vorkommen von Chromatin in der Zellsubstanz bezüglichen zu identifieiren. Ausser bei Amphibien nimmt Leydig unter den Wirbel- thieren bei Fischen (Gasterosteus aculeatus) und Säugethieren (Myoxus nitela), ferner bei vielen wirbellosen Thieren (Würmern, Krebsen, Arachniden, Myriopoden, Inseeten) ähnliche Vorgänge an. Bei einer Spinne (Theridium) glaubt er am lebenden Ei verfolgt zu haben, wie Körnerstränge aus dem Keimbläschen heraus in den Dotter vordrangen. Bei vielen Thieren beschreibt Leydig sodann unter dem Namen einer „Mantelschieht* das Vorhandensein einer besonderen Substanzlage an der Aussenfläche des Keimbläschens, welche, „nach allem, was zu erkennen war“ durch Austreten von Kern- theilen und zwar von Keimflecken entsteht. An den Eiern nie- derer und höherer Thiere (Würmer, Arthropoden, Wirbelthiere), an welchen Leydig die genannte Bildung beobachtete, war dieselbe, nur zeitweilig vorhanden und in Dicke, Ausdehnung und Structur mancherlei Verschiedenheiten unterworfen. Bald umfasst die Mantelschicht das Keimbläschen vollständig, ein an- dermal theilweise; bald ist sie von ziemlich gleichmässigem Durchmesser, bald stellenweise verdickt und dadurch höckerig geworden. Weismann und Ischikawa (61, 1889) beobachteten bei Daphniden, vorwiegend bei Moina paradoxa, an den jugend- lichen Eizellen den wiederholten Austritt von Chromatinkörnern aus dem Keimbläschen. Die Membran des letzteren ist an der Stelle des Austritts unsichtbar oder doch undeutlich. „Das Aus- 152 F. Meves: treten selbst muss wohl auf activer Bewegung der blassen hya- linen Substanz (achromatischer) des Kerns beruhen, von welcher jedes Chromatinkörnchen umgeben ist.“ Eine solche helle Sub- stanz. ist überall wahrzunehmen; Hämatoxylin färbt sie ganz schwach, während das von ihr umschlossene Chromatinkörnchen tief blau wird. Die ausgetretene Kernsubstanz erfährt eine Um- wandlung in einen echten Kern, den Nebenkern oder Paranu- eleus. Dabei nehmen die gefärbten Kügelehen an Grösse ab; es entsteht ein centraler heller Raum, in welehem feinere färb- bare Körnehen (Chromatinkörnehen) und ein blasses Fadennetz nachweisbar werden. Bei den meisten Daphniden bildet sich um den Nebenkern ein besonderer Zellkörper aus; auf diese Weise entsteht die sogenannte Kopulationszelle, welche später mit einer der Furchungszellen verschmilzt. Es giebt aber auch Daphniden- eier (Leptodora, Bytotrephes), in welchen der Nebenkern, der bei diesen beiden Arten von nucleolärem Ursprung ist, nicht zu einer Kopulationszelle wird, sondern innerhalb des Eies zu Grunde geht, noch ehe dasselbe seine völlige Reifung erlangt hat. Chun (16, 1890) beobachtete an Eiern von Siphonophoren in einem bestimmten Stadium der Entwicklung ohne Ausnahme zwei Kerne von verschiedener Grösse, welche er als „Grosskern“ und „Kleinkern“ unterscheidet, von denen der erstere blass und chromatinarm, der zweite bedeutend kleinere ovale und ihm dicht angeschmiegte Kern homogen und cehromatinreich ist. An grös- sern Eiern und speciell an den reifen ist der Kleinkern nicht mehr zu erkennen. Eine eingehende Besprechung erheischen die Resultate, zu welchen Henneguy (26b, 1895) bei einer Untersuchung des Dotterkerns der Wirbelthiere gelangt ist. Derselbe beobachtete, am deutlichsten bei einem Knochenfisch, Syngnathus, eine Elimi- nation von Substanz aus dem Keimbläschen, welche dem Dotter- kern Entstehung giebt. In den Eiern von Syngnathus sah er ein abgeplattetes Körperchen in unmittelbarer Berührung mit dem Keimbläschen, der Aussenfläche desselben angelagert, von dem- selben Aussehen, wie die Chromatinkörner, welche die Innenwand des Keimbläschens bedecken und welche später zu Keimflecken werden. Dieses Körperchen entfernt sich später vom Keimbläs- chen, wird grösser, rundet sich ab und lagert sich beinahe in gleicher Entfernung vom Keimbläschen und der Peripherie des Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre etc. 153 Eies. Man sieht dann diejenige Parthie desselben, welche nach der Oberfläche des Eies hingewendet ist, hypertrophisch und von unregelmässigen Vakuolen ausgehöhlt werden. In einem folgen- den Stadium ist dem Körperehen an dieser Stelle eine kleine homogene, von Granulationen erfüllte, excentrische Masse ange- lagert. Allmählich ergreift die Auflösung alle Theile des Körper- chens; schliesslich fmdet es sich in einen fein granulirten Dotter- kern umgeformt. Hauptsächlich auf Grund dieser Beobachtungen bei Syngna- thus stellt Henneguy die Entstehung des Dotterkerns der Wirbelthiere folgendermaassen dar: Cet element provient done, chez les Vertebres, de la ve- sieule germinative, comme M. Balbiani l’a constate pour les Invertebres, chez les Ge£ophiles. Ü’est tres probablement une partie de la tache germimative, ou une tache germinative entiere, qui sort de la vesieule pour penetrer dans le vitellus. La petite masse nucleaire, qui au moment de son expulsion conserve tous les caracteres des nucl&oles, m&me refringence, meme coloration, se modifie petit a petit; elle commence par augmenter de volume et sientoure d’une zone de protoplasma modifie, qui devient plus refringent et presente plus d’affinite pour les matieres colorantes (Mammiferes), ou qui offre une structure speeiale (Grenouille), ou enfin qui se remplit de granulations provenant de la desagregation de la masse nuel&olaire (Syngnathe). Puis l’element, constitue par la masse nucl6olaire et la zone protoplasmatique qui l’entoure, perd peu a peu son affınitö pour les matieres colorantes et pre- sente les reactions qui lui sont speciales. Die erwähnte besondere Structur, welche der Dotterkern von Rana temporaria zeigt, hat auch mit Rücksicht auf die oben von mir gegebene Beschreibung Interesse. Bei diesem Thier stellt sich der Dotterkern nach Henneguy als eine undeutlich begrenzte, fein granulirte Masse dar, in welcher in einigen Fällen zahlreiche helle, rundliche oder längliche Vakuolen eingeschlossen waren, deren Inneres durch schnurförmig aufgereihte safranino- phile Granulationen eingenommen wurde. Gewöhnlich aber ist die granulirte Masse einfach fein körnig; im ihrem Innern sah Henneguy mehrere Male einen stärker gefärbten, scharf um- grenzten Körper; derselbe ist häufig ersetzt durch grosse, unregel- 154 F. Meves: mässige, stark färbbare Kügelchen, welche vorzugsweise die Peri- pherie einnehmen. Häufig sah Henneguy in den Eiern verschiedener Wirbel- thiere im, Dotter derselben ausserhalb des Keimbläschens und neben dem Dotterkern chromatische Körperchen. Diese haben denselben Ursprung, wie der Dotterkern, aber ihre Entwicklung ist verschieden; sie erleiden nicht die Umwandlung des Dotter- kerns, welcher allmählich seine Affinität für die Farbstoffe ver- liert; denn sie färben sich immer in einer sehr intensiven Weise vor allem mit Safranin. Diese Körperchen finden sich selten im reifen Ei; sie werden allmählich resorbirt und persistiren im Ei weniger lange als der Dotterkern. Die Beobachtungen von Balbiani (4, 1895), welcher für das centrale Bläschen des Dotterkerns der Spinnen einen nuclearen Ursprung feststellte, sind bereits oben besprochen worden. Zuletzt ist ein Austritt von Kernbestandtheilen von van Bambeke (5, 1895) in den Ovarialeiern von Scorpaena scrofa beschrieben worden. Derselbe beobachtete an mehreren Punkten der Kernoberfläche entweder gleichzeitig oder nach einander, eine Elimination ausschliesslich von Chromatin; die Nucleolen nehmen daran keinen Antheil. Von den zahlreichen Formen, unter welchen diese Elimination sich darstellen kann, ist folgen- des die Fundamentalform. Eine kleine stark gefärbte Masse von konischer Form findet sich mit dem Keimbläschen oder genauer mit einem intranuclearen Filament verbunden durch ein gerades, gekniektes oder krummes Stielehen von derselben Natur wie das Chromosom, mit dem es in Verbindung steht. In anderen Eiern in einem vorgerücktern Stadium der Ent- wieklung schliesst der Dotter ehromatische Elemente ein, welche in keiner Verbindung mehr mit dem Keimbläschen stehen; sehr gewöhnlich liegen sie im gleichen Abstand vom Keimbläschen und der Oberfläche des Dotters, oft, in den am weitesten ent- wickelten Eiern, in einer stärker gefärbten und dichteren Zone des Dotters; letztere korrespondirt nach van Bambeke dem „internal protoplasmie ring“ von R. Scharff; ferner dem von Henneguy in dem jungen Ovarialei der Forelle beobachteten Ring und gewissen Entwicklungsphasen der „Dotterkernzone“, welche von Stuhlmann beim Ei von Zoarces viviparus be- schrieben ist (5, pag. 335, Anm.). Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre etc. 155 Vergleiehspunkte mit den bekannten Thatsachen; Bemer- kungen zur Beurtheilung der neu mitgetheilten. Die Vergleichspunkte, welche die Metamorphose der Attractionssphäre in den Spermatogonien des Salamanders mit zahlreichen ähnlichen Vorgängen, die sich am Nebenkern oder Dotterkern abspielen, bietet, scheinen mir so in die Augen fallend, dass eine besondere Hervorhebung überflüssig erscheint. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass das Fehlen eines Dotterkerns in den Eiern vieler Thiere oder das von Henneguy (26h) beobachtete Verschwinden desselben mit der Reifung sich viel- leicht dadurch erklärt, dass der Dotterkern in diesen Fällen eine ähnliche Metamorphose erfahren hat oder ertährt. Versucht man dem morphologischen Verständniss der be- schriebenen Vorgänge in den Spermatogonien des Salamanders, so weit sie zunächst die Umwandlung der Sphäre in Körnermassen und die Rückverwandlung aus diesem Zustand betreffen, näher zu kommen, so entsteht sofort eine Frage, auf welche meine bis- herigen Beobachtungen leider nur eine ungenügende Antwort geben: nämlich, wie sich die verschiedenen Bestandtheile der Sphäre, Centralkörper, Mark- und Rindenzone bei diesem Process ver- halten. Wenn ich aber den Verlauf desselben genau ins Auge fasse und einige neuern Angaben über das Verhältniss zwischen dem Centralkörper mit der Markzone einerseits und der Kortical- zone andrerseits berücksichtige, so komme ich zu einer Auffassung der Sphärenmetamorphose, die, wie ich glaube, viele Wahrschein- lichkeit für sich hat. Nach neueren Arbeiten kommt dem Centralkörper mit der Markzone eine gewisse Selbstständigkeit gegenüber der Kortical- zone zu. Verschiedene Autoren, so z.B. Henneguy (26a) nach Beobachtungen an den Furchungskugeln des Forelleneies, betrachten die letztere überhaupt nicht als einen nothwendigen Bestandtheil der Attractionssphäre. Vialleton (60) hat die Ansicht ausge- sprochen, dass die Korticalzone van Beneden’s nichts ist als eine Portion von Protoplasma, welche durch die Wirkung des Centrosoms modifizirt ist. Brauer (14), welcher das Centrosom nur von der Markzone umgeben aus dem Kern austreten sah, fasst die Rindenzone van Beneden’s auf „nicht als Bestand- theil des Centrosoms, sondern nur als eine Begleiterscheinung, 156 F. Meves: welche immer auftritt, wenn jener Kerntheil in das Protoplasma übertritt, und eine Folge der Einwirkung des ersteren auf das letztere ist“. In theilweiser Anlehnung an die Ansichten der genannten Autoren möchte ich es für möglich halten, dass die beschriebenen Vorgänge, welche sich an der Attraetionssphäre der Spermato- gonien abspielen, in der Hauptsache die Korticalzone betreffen. Nach meiner Meinung handelt es sich um eine Ablösung der Kor- ticalsubstanz von der Markzone und daran sich anschliessenden Zerfall derselben, wobei möglicherweise die Markzone intact bleibt. Fasst man die oben beschriebenen Vorgänge genauer ins Auge, so spricht für eine derartige Auffassung das zuweilen zu beobachtende Intactsein der Medullarzone im Beginn und auch noch in spätern Stadien der Höckerbildung (Fig 7, 8); ferner können vielleicht in diesem Sinne verwerthet werden die Schalenform, welche die Sphärentheilchen häufig aufweisen (Fig. 8, 13), und auch die weniger deutliche Begrenzung convex-concaver Sphären- theilehen auf ihrer Concavität (Fig. 13, 15). Gegenüber einer solehen Deutung kann kaum geltend gemacht werden, dass es mir in den spätern Stadien der selbstständig gewordenen Sphären- theilchen bisher nicht gelungen ist, zwischen diesen Oentralkörper mit Markzone nachzuweisen. Wenn man bedenkt, wie schwierig diese selbst in der intacten Sphäre zu differenziren sind, so kann dieser Umstand nicht besonders auffallen. Jedoch muss die Möglichkeit zugegeben werden, dass die Markzone ebenfalls zerfällt, wenn auch ihre enge Zugehörigkeit zum Centralkörper, welche besonders durch Brauer (14) erwiesen ist, ein solches Verhalten unwahrscheinlich macht. Auf keimen Fall dürfte aber den Körpern, wie sie in den Figg. 109—20 neben dem Kerm in der Zellsubstanz enthalten sind, die Bedeutung selbstständiger Sphären zukommen. Dagegen spricht, dass in Präparaten, wo an den übrigen Sphären Mark- und Rindenzone dargestellt war, an den Sphärentheilchen von be- sonderer Structur nichts zu erkennen war. Uebrigens wird. man an eine solehe Deutung überhaupt nur bei Bildern, wie denen der Figg. 10, 15—18 denken können; aber kaum z. B. bei denjenigen der Fie"r1yn13, 19,20, Wenn die angenommene Deutung richtig ist, so würden die Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre ete. 157 Körnermassen nicht denselben morphologischen Werth haben wie die Sphäre, sondern der Corticalsubstanz derselben gleichkommen. Mit Bezug auf die Substanz des von ihm sog. Archoplasmas hat Boveri (18) die Ansicht ausgesprochen, dass dieses von der übrigen Zellsubstanz speeifisch verschieden sei. Meine Beob- achtungen bestätigen diese Aufstellung Boveri’s insoweit, als die Sphärensubstanz wenigstens in allen Stadien der Sphären- metamorphose gegenüber der übrigen Zellsubstanz nachweisbar bleibt. Das Schicksal des Centralkörpers mit der Markzone bei der Metamorphose der Sphäre kann verschieden sein. Er könnte, wahrscheinlich von der Marksubstanz (Brauer) umgeben, an irgend einer Stelle m der Zellsubstanz verharren, oder aber er könnte in den Kern einwandern; die neuern Ansichten, welche in Bezug auf diesen letzteren Punkt geäussert sind, würden hier noch ev. theilweise Bestätigung finden können. Betrachtet man die an der Attractionssphäre sich abspie- lenden Vorgänge in Beziehung zum Kern und zur Kerntheilung, so kann man für die Spermatogonien des Salamanders sich da- hin aussprechen, dass die Metamorphose der Sphäre auf keinen Fall eine Kerntheilung einleitet; dies gilt für die Mitose und nach meiner Meinung auch für die Amitose. Mit Bezug auf die Mitose wäre es aber nach einigen, noch nicht ganz klar gestellten Beob- achtungen möglich, dass, wenn sie stattfinden soll, eine An- sammlung der Sphärenkörner zu einem Haufen genügt und nicht erst die Umwandlung in homogene Substanz erfolgen muss, dass vielmehr in diesem Haufen die Spindel entstehen kann. Bezüglich meiner Schilderung der Chromatinelimination in den Spermatogonien des Salamanders will ich zunächst emige Punkte hervorheben, in welchen die von mir gegebene Beschrei- bung mit den schon bekannten Thatsachen übereimstimmt oder in welchen sie Verschiedenheiten zeigt. Was zunächst die Art der Elimination anbetrifft, so möchte ich meine Beobachtungen in dieser Hinsicht mit keiner der ge- nannten ohne weiteres zusammenstellen. Von Poren der Kern- membran (Leydig, van Bambeke), durch welche der Aus- tritt der Kernsubstanz stattfindet, konnte ich nichts konstatiren; ebenso wenig davon, dass im Augenblick des Austritts eine Unter- 158 F. Meves: breehung der Kernmembran (Weismann und Ischikawa) eintritt. Nach meiner Meinung handelt es sich wahrscheinlich um einen Transport des Chromatins in gelöstem Zustand durch die Kernwand hindurch. Ich habe deshalb den schon oft für der- artige Vorgänge gebrauchten Ausdruck „Elimination“ ausschliess- lich angewandt, durch welchen unentschieden gelassen wird, auf welehe Art und Weise der Process von sich geht. Was sodann das Schicksal des eliminirten Chromatins an- betrifft, sosah zunächst Bloehmann die Umwandlung desselben zu vielen Nebenkernen; Weismann und Ischikawa beob- achteten nur die Entstehung eines einzigen. Ich selbst konnte die Umwandlung der eliminirten Kernsubstanz zu einem, ebenfalls in der Regel einzigen „Nebenkern“ zwar nicht direet verfolgen; ich sche aber nicht, woher die färbbare Substanz desselben an- ders stammen sollte. Nach Blocehmann zeigen die Nebenkerne eine allmähliche Zunahme, nach Weismann und Ischikawa von vornherein eine Abnahme des Chromatingehalts. Bezüglich des Nebenkerns der Spermatogonien weiss ich nicht, in welcher Reihenfolge ich meine Bilder zu ordnen habe. Jedoch stimmen die obigen Beob- achtungen mit den meinigen darin überein, dass der Reichthum des Nebenkerns an färbbarer Substanz sehr verschieden sein kann. Auch hinsichtlich des Schicksals des Nebenkerns komme ich zu demselben Resultat wie die genannten Autoren, nämlich, dass er dem Untergang verfällt; in den Zellen mit konsolidirter Sphäre ist keine Spur mehr davon aufzufinden. Üinen andern Theil des eliminirten Chromatins, der nicht zur Bildung eines Nebenkerns verwandt wird, findet man in den Spermatogonien des Salamanders nach meiner Beschreibung in dem die Sphäre repräsentirenden Körnerkranz ; in einem bestimmten Stadium des Processes sind kleinste Chromatinkügelchen von einem Hof von Sphärensubstanz umgeben. Ob die oben erwähnte Mantelschieht Leydig's, welche nach Leydig und ebenso nach van Bambeke ausschliesslich aus Kernbestandtheilen sich aufbaut, dem Kömerkranz, sofern er wenigstens zeitweise Kernbestandtheile enthält, an die Seite ge- setzt werden kann, muss ich dahin gestellt sein lassen. Dass die ausgetretenen Chromatinkügelehen von einem Hof blasser homogener Substanz umgeben waren, beobachteten auch Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre ete. 159 Leydig, vanBambeke und Weismann und Ischikawa. Nach den beiden ersteren Forschern wird diese Zone von dem Protoplasma des sog. perivitellinen Raums („Höhlung um das Keimbläschen“) gebildet. Nach Weismann und Ischikawa handelt es sich dagegen um achromatische Substanz des Kerns, auf deren activer Bewegung der Austritt zu beruhen scheint. Mit Bezug auf diese letztere Angabe brauche ich wohl nicht noch einmal darauf hinzuweisen, dass diejenige Substanz, welche in den Figg. 43, 44 einen Hof um die Chromatinkörner bildet, bereits von der Elimmation dieser in der Zellsubstanz vor- handen ist und die Chromatinkömer eine sekundäre Verbindung mit ihr eingehen. Später scheint das Chromatin seine Reaction zu ändern und in den Aufbau der Sphäre mit einzugehen. Auf eine weitere Bemerkung hinsichtlich dieses Punktes würde ich am liebsten verzichten; wenn ich aber die Konsequenz meiner Auffassung ziehe, welche dahin geht, dass die Körnermassen der Cortical- substanz der Sphäre gleichwerthig sind, so glaube ich weiterhin aus der Verbindung des Chromatins mit den Körnermassen folgern zu müssen, dass ehromatische Substanz am Aufbau der Cortieal- substanz der Sphäre sich betheiligt. Dass eliminirte Kernsub- stanzen dem Dotterkern Entstehung geben, ist von verschiedenen Forschern, besonders von Balbiani und Henneguy, beob- achtet worden. Ich verweise auf das oben pag. 149 und pag. 152 gegebene Referat. Ebenfalls van Bambeke ist zu der Ansicht geneigt, dass das aus dem Keimbläschen von Scorpaena serofa auswandernde Chromatin einem Dotterkern Entstehung giebt. Ein dritter Theil des Chromatins, der z. Th. erst nach der Rekonstitution der Sphäre eliminirt wird, erfährt keine Um- wandlung zur Sphäre, sondern bleibt neben dieser in der Zell- substanz liegen, um wahrscheinlich hier unterzugehen. Auch hier- für findet man Analogien in oben pag. 154 eitirten Beobachtungen von Henneguy. Zum Schluss möchte ich mir über eine dem Eliminations- process möglicherweise unter anderen zukommende Bedeutung einige Bemerkungen erlauben. Zahlreiche Forscher sehen in den Theilungen der III. oder Reifungsperiode O. Hertwig’s (29) (Bildung der Richtungs- 160 F. Meves: körper, Theilungen der Spermatocyten) Vorgänge,‘ durch welche eine auf Grund theoretischer Erwägungen postulirte Chromatin- reduction bewirkt wird. Nach Boveri (13 u. a. a. O.) müssen Vorgänge, die zu einer Reduction der Zahl der Chromosomen führen, dieser Periode vorausgehen, da beim Beginn der Theilungen die Geschlechtszellen bereits die auf die Hälfte verminderte Chro- mosomenzahl zeigen. Wie diese Verminderung zu Stande kommt, ist nach Boveri noch erst zu ermitteln. Für die Ovogenese sieht Lameere (34, 1890) als „reduc- tion karyogamique* zu deutende Vorgänge bei Ascaris megalo- cephala in der Bildung der corps residuels, deren Entstehung in der Ovogenese er in derselben Weise wie früher van Beneden und Julin (7, 1884) für die Spermatogenese beschreibt; ein Process, der durch die Untersuchungen anderer nicht bestätigt wurde. Dieselbe Bedeutung wie den corps residuels kommt nach Lameere den von Bloehmann beobachteten Nebenkernen, den Reifungsballen Stuhlmann’s und dem Paranucleus von Weismann und Ischikawa zu; andere bis 1890 bekannt gegebene Beobachtungen über Chromatinelimination sind nach ihm einstweilen nicht zu verwerthen, da die Autoren nicht gesucht haben, sich durch Anwendung von Färbemitteln über die wahre Natur der elimimirten Theile Rechenschaft zu geben. Ebenso wie Lameere betrachtet auch van Bambeke (5, 1895) seine Beobachtungen über Chromatinelimination am Ei von Scorpaena scrofa als ein Argument für die Existenz einer „reduetion karyogamique“, welche der Vermehrungsphase der Geschlechtszellen vorhergeht. Mit Bezug auf die Samenmutterzellen besassen wir abge- schen von der von van Beneden und Julin beschriebenen Ausstossung der eorps r&siduels, welche, wie schon erwähnt, durch spätere Forscher nieht bestätigt wurde, keine andern positiven 3eobachtungen über die Elimination von Chromatin aus dem Kern. In Hinsicht auf den Salamanderhoden kann man daran denken, die oben beschriebenen Eliminationsvorgänge am Kern der Sper- matogonien im Sinne einer „reduction karyogamique“ zu verwerthen. Jedoch wünsche ich erst Untersuchungen, zu denen ich bisher keine Gelegenheit gefunden habe, über die Konstanz des beschrie- benen Eliminationsprocesses, über seine Verbreitung im Salamander- hoden, und über andere Punkte mehr anzustellen, ehe ich es Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre ete. 161 wagen möchte, in dieser Beziehung eine bestimmte Ansicht zu äussern }). Ueber das Auftreten von Körnermassen während der Mitose. An die Schilderung der Sphärenmetamorphose möchte ich die Mittheilung anschliessen von Beobachtungen über das Auf- treten von Körnern während der Mitose, weil zwischen diesen Körnern und den die polymorphen Kerne umgebenden wahrschein- lich Beziehungen vorhanden sind. Die hier zu beobachtenden Körner sind wenigstens ihrer Lage nach nicht identisch mit den färbbaren Körpern (Flemming), Centralspindelkörperchen (v. Kostaneck ii), welche während der Knäuelform der Tochterkerne zwischen den Centralspindelfasern sichtbar werden. In den Spermatogonien des Salamanders beob- achtet man vielmehr ausserhalb des Bereichs der Centralspindel (im Stadium des Dyasters an ihrer Peripherie) Körnermassen, die sich den Farbstoffen gegenüber ebenso verhalten, wie diejenigen, welche bei der Metamorphose der Sphäre aus dieser hervorgehen. Dieselben treten auch nicht erst im Knäuelstadium der Tochter- kerne, sondern gewöhnlich schon in den letzten Stadien des Spirems (Uebergang zum Mutterstern) mit der Ausbildung der Central- spindel auf. In Fig. 55 sieht man zwei aus einander rückende Centralkörper im Innern der noch scharf begrenzten Sphäre. Die Zellsubstanz zeigt ein granulirtes Aussehen, enthält aber, wie gewöhnlich, in diesem und frühern Stadien der Mitose, keine zusammengeballten Körner- massen. In einem folgenden Stadium (Fig. 56, 57) ist die Central- spindel gewachsen ; an ihrer Peripherie ist sie von einer dunkel gefärb- ten dichten körnigen Masse umgeben. In Fig. 57 finden sich aus- serdem Körnermassen zwischen Centralspindel und Zellwand und haben sich besonders in der Nähe der letzteren angesammelt. 1) In den Spermatogonien habe ich (in Septemberhoden) im Aster vor der Längsspaltung 24 Schleifen gezählt; in den Spermatocyten beträgt ihre Zahl nach Flemming 12, welche jedoch nach Häcker und vom Rath als doppelwerthig aufzufassen sind. Die Reduetion wird nach vom Rath durch die von Flemming gefundenen und als abnorm angesehenen Vierergruppen bewirkt, welche (vom Rath) als normale Vorgänge der Reifungsperiode angehören. — Vom Rath (46) hat bei den Ursamenzellen von Larven bereits die redueirte Zahl von Chromosomen (12) angetroffen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 st 162 F. Meves: Im Stadium des Muttersterns liegen sie gewöhnlich mehr zusam- mengeballt in der Ansicht vom Pol im Kranz um die cehroma- tischen Fäden herum; in der Seitenansicht (Fig. 58) sieht man, dass sie die Gegend der Spindelpole vermeiden; niemals ordnen sie sich radiär zu diesen, wie z. B. die Pigmentkörnehen in den Epi- thelzellen der Salamanderlarve. Beim Dyaster umgeben sie (Fig. 59) den zwischen den Chromosomen freibleibenden Theil der Cen- tralspindel. Wenn schliesslich (Fig. 60) die Zelltheilung eintritt, werden sie durch die ringförmige Einschnürung des Zellleibes zu annähernd gleichen Theilen auf die beiden Tochterzellen ver- theilt. In den neugebildeten Zellen liegen sie zunächst stets auf den äquatorialen Kernseiten, zuweilen der neugebildeten Zellmembran direet an. In den Tochterzellen sind sie häufig noch längere Zeit nachweisbar; wenn aber eine neue Zelltheilung auftritt, ist in den meisten Fällen nichts mehr von ihnen wahrzunehmen. Aehnliche Beobachtungen scheint auch v. la Valette St. George (58) gemacht zu haben. Er konstatirte in den Sper- matocyten von Blatta neben dem Kern und Nebenkern stets noch eine Anzahl isolirter Körnchen, welche, wenn die Hauptmasse der Körner sich zum Nebenkern umformt, übrig bleiben und welche alle Stadien der Vermehrung der Spermatocyten, während welcher der Nebenkern selbst verschwindet, mit durchmachen. Ueber die Lage dieser Körnchen bei der Mitose finden sich bei v. la Valette keine Angaben. Ich habe ebenfalls hier wie schon in meiner vorläufigen Mittheilung darauf hingewiesen, dass neben der Sphäre sich nicht selten noch Körnermassen in der Zelle finden, welche bei der Rekonstitution der Sphäre neben dieser zurückbleiben (Fig. 38, 54). Jedoch dürfte es für die Spermatogonien des Salamanders meiner Meinung nach nicht zutreffend sein, wenn man die während der Mitose zu beobachtenden Körnermassen in allen Fällen und ausschliesslich auf solche neben der Sphäre in der Zelle zurück- gebliebenen Einzelkörnchen zurückführen wollte. Denn, so viel ich wenigstens finde, sind in den frühsten Stadien des Spirems, so lange sich noch keine Centralspindel gebildet hat, nur in ganz seltenen Fällen, [so z. B. in Fig. 54 (aus einem Märzhoden; Sphäre von Körnermassen umgeben), in welchem Fall die Rekonstitution der Sphäre übrigens wohl kaum schon als vollendet gelten kann], nachweisbare Körnermassen vorhanden; in den spätern Stadien Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre ete. 163 der Mitose aber ist ihr Vorhandensein bei Anwendung geeigneter Färbungsmethoden sehr häufig zu konstatiren. Ich neige aus diesem Grunde und namentlich in Hinblick auf Bilder, wie diejenigen der Figg. 56, 57, in welchen die junge Centralspindel mit einer kömigen Masse belegt ist, der Ansicht zu, dass die genannten Körnermassen in vielen Fällen wenigstens theilweise oder auch ganz erst bei der Mitose aus der Sphäre hervorgehen, deren Substanz also in diesen Fällen nicht voll- ständig zum Aufbau der Spindel aufgebraucht werden würde. Mit Bezug auf diesen Punkt möchte ich darauf hinweisen, dass nach der Beschreibung von Hermann (28) bei den Sper- matoeyten des Salamanders die junge Centralspindel in einer körnigen Masse, einem „körnigen Archoplasma“ liegt, welches nach seiner Fig.3 gegen die umgebende Zellsubstanz nicht scharf abgegrenzt ist. Da aber die Sphäre in Zellen mit ruhenden Kernen als ein scharf kon- turirter „heller farbloser Körper“ vorhanden ist, wie Hermann in seiner letzten Arbeit nieht erwähnt, in einer frühern Mitthei- lung (27) aber selbst beschrieben hat, so muss auch hier eine Umwandlung derselben in Körnermassen im Beginn der Mitose stattgefunden haben !). Ueber die Beziehungen der polymorphen Kerne zur Degeneration und Amitose. Meine im vorigen wiederholte Behauptung, dass sich die polymorphen Kerne im Frühjahr wieder ausrunden, dass sie also weder zur Degeneration noch zur Amitose in Beziehung stehen, hat bereits durch Benda (9) eine Bestätigung erfahren. Nach einer neuerdings erschienenen Arbeit vom Rath ’s (46) trifft sie Jedoch für den grössten Theil derselben nicht zu. Letzterer be- trachtet die polymorphen Kerne als Degenerationsformen, womit er sich einer früher hauptsächlich von Bellonei (6) vertretenen Ansicht anschliesst, gegenüber welcher bereits Hermann (27) schwerwiegende Bedenken geäussert hat. Ein anderer Theil der polymorphen Kerne ist dagegen nach vom Rath als Amitosen aufzufassen. 1) In den späteren Stadien der Mitose hat Hermann keine Körnermassen an der Peripherie der Centralspindel beschrieben; auch ich habe bei gelegentlicher Untersuchung der Spermatoeyten hier nichts davon konstatiren können. 164 F. Meves: Ich wende mich zunächst der Ansicht zu, nach welcher die polymorphen Kerne Untergangsformen darstellen. Nach vom Rath sind „die Degenerationserscheinungen der polymorphen Kerne im Spätherbst und Winter so typische und der Kernhabitus dieser Zellen ist ein so verkommener, dass von einem Ausglätten der Einbuchtungen gar keine Rede sein kann. Dass im Frühjahr viel weniger polymorphe Kerne vorkommen, steht auch nach ihm fest, deshalb sei man aber keineswegs zu der Annahme gezwungen, welche ich glaube machen zu müssen, dass eine Abrundung der zerklüfteten Kerne im Frühjahr statt- findet. Die Kerndegenerationen vollziehen sich nach vom Rath keineswegs gleichzeitig im Beginn des Frühjahrs, sondern finden sich reichlich während des Herbstes und im Winter. Im Frühjahr ist „das gesammte Regenerationsfeld in Folge dessen auch wesent- lich kleiner geworden als es im Herbst und Winter war. Im Octoberhoden bildet das Regenerationsfeld einen gewaltigen Kom- plex von normalen und degenerirenden Sexualzellen, im März und April, also kurz vor der Samenentleerung und Neubildung von Samenzellen, ist aber das Regenerationsfeld auf einen ganz kleinen Streifen am obern Abschnitt jedes Lappens redueirt“. Gegenüber dieser Auffassung vom Rath’s habe ich folgen- des einzuwenden. Zunächst sind bei den polymorphen Kernen keine Verände- rungen des Kernbaus zu konstatiren, welche als degenerativ ge- deutet werden könnten. Die Veränderung der Form aber ist an und für sich kein Degenerationszeichen ; sie findet genügende Erklärung (Hermann) durch die von O. Scehultze (51) auf- gestellte Hypothese, der sich übrigens auch vom Rath anschliesst, dass der Kern durch Oberflächenvergrösserung seinem Nahrungs- bedürfniss nachkommt. Achnliche Bilder von Kernzerklüftung sind an andern Orten vielfach beobachtet, ohne dass deswegen den Kernen ein degenerativer Charakter zugesprochen ist. Um beim Salamander zu bleiben, so findet man derartige „Einfaltun- gen der Kernoberfläche* bei den Kernen des Epithels und der Leydig'schen Drüsenzellen in der Haut von Larven (Flem- ming, 19, pag. 95). Ebenfalls an den Kernen der sogenannten Follikelzellen im Hoden und Ovarium des erwachsenen Thieres habe ich Zerklüftungen wahrgenommen, die häufig mindestens ebenso hochgradig sind wie diejenigen der Spermatogonien bezw. Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre ete. 165 Oogonien. Die erwähnten polymorphen Kernformen im Haut- epithel und den Leydig’schen Schleimzellen der Salamander- larve hat aber weder Flemming, noch, meines Wissens, irgend ein anderer Beobachter bis jetzt auf Grund ihrer Spalten und Einbuchtungen mit Degeneration in Verbindung gebracht. Vielmehr gelten für die letztere überall innere Umformungen der Kernstructur als charakteristisch. Die polymorphen Kerne der Spermatogonien unterscheiden sich nun zwar von den runden, wie bereits oben erwähnt ist, häufig durch eine andere Anordnung des Chromatins, welches bei ihnen in Form winziger Körner vertheilt ist. Aber diese Veränderungen sind doch nicht derart, dass sie dazu berechtigen, den polymorphen Kernen einen degenerativen Charakter zuzusprechen und von einem „verkommenen Habitus“ derselben zu reden. Die degenerativen Processe verlaufen vielmehr unter be- stimmten andern Umformungen der Kernstruetur, der Hauptsache nach, wie bereits Hermann (27) betont hat, unter dem Bilde der Chromatolyse (Flemming), im einzelnen unter Erscheinun- gen, die ich unten genauer beschreibe. Und zwar geht der Degenerationsprocess in derselben Weise sowohl an runden wie an polymorphen Kernen vor sich. Da die zerklüftete Kernform in der kalten Jahreszeit die vorherrschende ist, so muss man erwarten, dass die Degenerationen, welche im Spätherbst oder Winter sich abspielen, vorwiegend auch zerklüf- tete Kerne betreffen. Auffallender Weise zeigen aber diejenigen Kerne, an welchen degenerative Umformungen der Kernstruetur am häufigsten zu konstatiren sind, auch in dieser Zeit ganz im Gegentheil grösstentheils runde oder wenigstens rundliche Formen. Es erklärt sich jedoch diese Thatsache, wie ich glaube, nicht daraus, dass weniger polymorphe Kerne degeneriren, sondern daraus, dass bei dem Untergang der letzteren vielfach eine Aus- rundung der Kernoberfläche stattfindet; ich verweise mit Bezug auf diesen Punkt auf die unten zu gebende Beschreibung des De- generationsprocesses. Würden aber wirklich alle stärker zerklüfteten Kerne nach- träglich, vielleicht unter Ausrundung der Form, in chromatoly- tische Degeneration übergehen, so müsste man, da dieselben im Herbst massenhaft auftreten und im Frühjahr bedeutend an Zahl abnehmen, finden, dass Chromatolysen zu irgend einem Zeitpunkt 166 F. Meves: in der kalten Jahreszeit oder überhaupt während dieser besonders reichlich sind. Vom Rath behauptet nun in der That im Spätherbst und Winter „typische“ Degenerationsformen der polymorphen Kerne in grosser Zahl gefunden zu haben. Da er aber den polymorphen Kernen überhaupt einen dege- nerativen Charakter zuspricht und allgemein von einem „verkom- menen Habitus* derselben redet, so möchte ich glauben, dass er solche bloss zerklüfteten Formen, an welchen ich als degenerativ zu deutende Veränderungen der Kernstructur nicht auffinden kann, als Untergangsformen gezählt hat. Auf jeden Fall kann ich mit Bezug auf die unten von mir zu beschreibenden Bilder von Kern- degenerationen seine Angabe nicht bestätigen. Gerade um diese Zeit (Spätherbst und Winter) finde ich sie nicht viel zahlreicher als im Sommer, und auch sonst sind sie nach meinen Beobach- tungen zu keiner Zeit so erheblich vermehrt, dass dadurch die Annahme eines degenerativen Charakters der polymorphen Kerne gerechtfertigt würde. Dagegen konstatire ich allerdings, nach genauerer Prüfung und Feststellung derjenigen Bilder, welche auf Degeneration zu beziehen sind, dass, entgegen meiner frühern Behauptung, im Frühjahr (Februar, März) mehr Chromatolysen vorkommen als in andern Jahreszeiten. Ich glaube aber, dass eine genügende Erklärung für diese in der Regel doch nur ge- ringe Vermehrung in dem Umstand zu suchen ist, dass die Thiere im Frühjahr am Ende einer längern Hungerperiode stehen und | ihre Ernährungsverhältnisse um diese Zeit vielfach schlechte sind. Einer andern Angabe vom Rath’s, dass das von ihm sogenannte Degenerationsfeldl, d. h. der die Spermatogonien, „Regenerationszellen* (vom Rath) einschliessende Zipfel des Hodens, im März und April auf einen’ganz kleinen Streifen redu- eirt sei, kann ich ebensowenig beistimmen. Nach meinen Beob- achtungen scheint es mir nicht möglich, über diesen Punkt eine Regel aufzustellen. Ich finde, dass das Regenerationsfeld bei gleich grossen Salamandern aus denselben Monaten oft recht ver- schieden gross ist; und bei Frühlingsthieren (März, April) ist es bald zwar kleiner, bald aber auch grösser als bei gleich grossen Thieren aus dem August, September oder October. Wenn ich behaupte, dass die polymorphen Kerne zu einem abgerundeten Zustand zurückkehren, so bedenke ich sehr wohl, Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre ete. 167 dass es sich um Formen handelt, welche durch die Reagentien fixirt sind, deren Reihenfolge man sich also nur konstruiren kann. Ich halte mich aber zu dieser Behauptung schon deshalb berech- tigt, weil ich in unzweifelhafter Weise eine Umwandlung der Körnermassen in eine Sphäre konstatirt habe und Bilder von Sphärenrekonstitution in Hoden aus den Monaten Februar bis Mai doch noch viel zahlreicher finde als Bilder von Degenerationen. Diese aber verlaufen, wie gesagt, unter wesentlich andern Erscheinungen als einer Kernzerklüftung in einer Weise, die ich Jetzt genauer beschreibe. Die degenerirenden Kerne der Spermatogonien (Fig. 66— 74) erscheinen im Anfang des Processes häufig vergrössert (Fig. 67), zuweilen so stark, dass die Zellsubstanz auf einen schmalen Saum zusammengedrängt wird und die Kermmmembran der Follikelwand beinahe anliegt. Es scheinen also beim Beginn der Degeneration im Kerninnern Quellungsvorgänge Platz zu greifen; diese müssen, wenn die Kernoberfläche eingebuchtet ist, die Degeneration also einen polymorphen Kern betrifft (Fig. 66, 68), nothwendig zu einer Ausrundung der Einfaltungen führen. Dadurch dürfte es sich erklären, warum diejenigen Kerne, welche degenerative Ver- änderungen zeigen, verhältnissmässig so selten stärker zerklüftete Formen aufweisen. Mit Bezug auf den letztern Punkt möchte ich übrigens an einen Befund von Flemming erinnern, welcher unter dem Mikroskop direct beobachtete, dass die gerunzelten Kerne des Hautepithels der Salamanderlarve beim Absterben mehr gleich- mässig runde Formen annehmen (19, pag. 95). In den spätern Stadien des Processes schrumpfen die de- generirenden Kerne mehr und mehr zusammen. Die innern Kernveränderungen können für die meisten Fälle dahin zusammengefasst werden, dass bei der Kerndegene- ration eine Sonderung der chromatischen und achromatischen Bestandtheile stattfindet (Hermann, M. Heidenhain). Das Chromatin wird wandständig und bildet an der Innenseite der Kernmembran einen Belag, der je nach der Grösse des Kerns aus dünnern Strängen und Körnern oder aus diekern Balken und Klumpen besteht. Das Kerninnere dagegen wird von dem veränderten Linin- gerüst eingenommen; Aenderungen in der Structur desselben 168 F. Meves: machen sich häufig bereits zu einer Zeit bemerkbar, wo das Chromatin noch normale Verhältnisse zeigt (Fig. 66, 67). Das Linin bildet, wie ich oben beschrieben habe, in den Spermato- gonien die Hauptmasse des Kerns und bedingt das gleichmässig diffuse, bezw. leicht granulirte Aussehen, welches die normalen Kerne bei Fixirung mit Osmiumgemischen meistens zeigen. Bei den degenerirenden Kernen ballt es sich nun, wie aus den Figg. 66—72 zu ersehen ist, zu einem diekern Strangwerk zusammen, dessen einzelne Züge bald wellig, bald mehr gestreckt verlaufen. Dureh diese Zusammenballung des Linins kommt es schon im Beginn des Processes zu einer bedeutenden Aufhellung des unter- gehenden Kernes gegenüber den normalen Nachbarkernen. In seltneren Fällen (Fig. 73, 74) treten die degenerirenden Kerne vielmehr durch eine stärkere diffuse Färbbarkeit vor den Nachbarkernen hervor. Sie erscheinen dann niemals vergrössert, zunächst aber wenigstens auch nicht stark verkleinert. Das Chromatin ist nieht wandständig geworden; die stärkere diffuse Färbbarkeit des Kerns scheint darauf hinzudeuten, dass ein Theil des Chromatins diffus im Kernsaft vertheilt ist. In Stadien, die sich an diejenigen der Figg. 73, 74 angeschlossen haben dürften, bietet der nunmehr stark zusammengeschrumpfte Kern das Bild eines ein- zigen grossen Chromatinklumpens, der von Vakuolen durchsetzt ist. Den weitern Verlauf der Kerndegeneration habe ich bis jetzt in keinem der beiden Fälle verfolgt, da ein genaueres Stu- dium auch der Endstadien des Degenerationsprocesses nicht in meiner Absicht lag. Die Zellsubstanz lässt in degenerirenden Zellen häufig zwei Zonen (Fig. 69, 72, 74) erkennen, eine innere und eine äussere, welche deutlich von einander verschieden sind. Die innere, in welcher die Körnermassen liegen, wenn die Degeneration eine Zelle mit metamorphosirter Sphäre betroffen hat, zeigt deutlich degenerative Veränderungen; die äussere enthält häufig eine wenigstens scheinbar noch unversehrte Zellsubstanz. Im Beginn der Kerndegeneration (Fig. 69) ist die innere Zone meist schmal, später nimmt sie zu auf Kosten der äussern, und zwar macht es vielfach den Eindruck, als ob die Vergrösserung der innern Zone schubweise erfolgt, indem an einer oder mehreren Stellen ihrer‘ Peripherie ein ungefähr halbmondförmiger Bezirk (Fig. 72, 74) hinzugewonnen wird. Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre etc. 169 Die beschriebenen Bilder finden vielleicht dadurch Erklärung, dass die Ernährung der peripheren Zellsubstanz zunächst noch von den normalen Kernen der Follikelzellen unterhalten wird. Zuweilen (Fig. 73) wird in den degenerirenden Zellen Fett beobachtet. Wo es im Beginn des Degenerationsprocesses in den Zellen gefunden wird, zeigt der Kern meistens die oben beschrie- bene, stärkere diffuse Färbbarkeit. Das Fett weist um diese Zeit eine eigenthümliche Form und Anordnung auf; es ist nicht in der Form von Kügelchen, in welcher es gewöhnlich auftritt, sondern vielfach in derjenigen kurzer Stäbehen vorhanden, welche mit ihrer Längsaxe senkrecht zur Kernoberfläche gestellt sind (Fig. 73). In dieser Weise stellen sich jedoch meist nur diejenigen Fett- körper dar, welche der Kernoberfläche zunächst liegen, nicht aber diejenigen, welche weiter von ihr entfernt in der Zellsub- stanz gelegen sind. In spätern Stadien der Degeneration, wenn der Kern hochgradige Veränderungen zeigt, ist von einer der- artigen Form und Anordnung überhaupt nichts mehr zu erkennen. Ich fasse dieselbe auf als eine Bestätigung der Beobachtungen von Haberlandt und Korschelt, nach welchen der Kern zu den Vorgängen der Ernährung und des Stoffwechsels in Be- ziehung steht. In der degenerirenden Zelle wird unter Betheili- gung des zunächst noch funetionstüchtigen Kernes Fett gebildet; es ist ein Ausdruck der Antheilnahme des Kerns bei diesem Process, wenn das Fett die beschriebene Form von Stäbchen an- nimmt, welche mit ihrer Längsaxe senkrecht zur Kernoberfläche gestellt sind. Drüner (18, 1594) konstatirte bei der Kerndegeneration im Salamanderhoden, besonders derjenigen der Spermatocyten, die Anwesenheit eines Parasiten (Mieroceoceidium karyolyticum), wel- chen er als die Ursache des Kernuntergangs betrachtet; es ist dies nach Drüner derselbe Körper, welcher vorher von Her- mann als eine im Innern des Kerns gelegene, durch Zusammen- ballung der achromatischen Substanz desselben entstandene Kugel beschrieben ist. Ich habe von der Anwesenheit eines derartigen Parasiten bei der Degeneration der Spermatogonienkerne bisher nichts wahrnehmen können; allerdings habe ich auch nieht mit den Methoden Drüner’s (Fixirung mit Sublimat-Essigsäure, Doppel- färbung mit Boraxkarmin und Bleu de Lyon) untersucht und 170 F. Meves: ausserdem meine Aufmerksamkeit bisher vorwiegend den Anfangs- stadien des Degenerationsprocesses zugewandt, so dass ich mir einstweilen über die Befunde Drüner’s kein Urtheil erlauben möchte. Nach einer zweiten Auffassung haben die polymorphen Kerne Beziehungen zur Amitose. Bereits die ersten Beobachter, v. la Valette St.George(57T) und Nussbaum (41) betrachteten sie als Bilder einer amitotischen Theilung, welehe unter dem Namen einer „trauben- oder maulbeerförmigen Kerntheilung“ Be- schreibung fand. Diese Ansicht erfuhr von Seiten Flemming’s (19), Bellonei’s (6), Hermann’s (27) u. a. Widerspruch. Vom Rath nimmt zu ihr in folgender Weise Stellung: „Ob man alle polymorphen Kerne unbedingt zur Amitose rechnen darf, bleibt einstweilen eine Streitfrage. Auf jeden Fall können bei vielen polymorphen Kernen in Sexualzellen die Ein- buchtungen persistiren, ohne dass eine Kerndurehschnürung statt- findet und der Kern degenerirt; in andern Fällen zerfällt der polymorphe Kern in eine ganze Zahl mehr oder weniger runder Kernfragmente*. Besonders interessante Bilder fand vom Rath im Hoden der Kröte (Bufo vulgaris), „indem dort die Zahl der Kernstücke, die aus einem polymorphen Kern entstanden sind, oft eine er- staunlich grosse Zahl beträgt“. Nach vom Rath „dürfte es sich einstweilen empfehlen, die polymorphen Kerne insgesammt der Amitose zuzurechnen, da eine ganze Kette von Uebergangsformen zwischen polymorphen Kernen bis zur Hantelform der Amitose gefunden werden“. Demgegenüber geht meine Ansicht, wie auch diejenige von Bellonei und Hermann dahin, dass, wenigstens beim Sala- mander, die polymorphen Kerne nicht als Amitosen aufgefasst werden dürfen; die hier thatsächlich neben den polymorphen Kernen vorkommenden Amitosen sind schon wegen des Verhaltens der Attractionssphäre (38) scharf von diesen zu trennen. An und für sich lässt sich gewiss kaum etwas gegen die Möglichkeit einwenden, dass die Spaltenbildungen in einem oder dem andern Falle einmal zur Ablösung eines Kernstücks führen sollten. Es hat aber bereits Bellonei mit Bezug auf die An- gaben von v. la Valette St. George und Nussbaum da- Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre etc. 171 rauf hingewiesen, dass Bilder eimer Theilung in mehrere Frag- mente oft vorgetäuscht werden. Beim ersten Anblick, sagt er (6, pag. 5), scheimen die Kerne nieht selten in mehrere Bläschen von verschiedener Grösse getrennt zu sein. Aber, wenn man die Präparate sorgfältig studirt (zuweilen ist derselbe Kern auf 3 auf einander folgende Schnitte vertheilt), so sieht man, dass die Bläschen alle mehr oder weniger breit mit einander zusammen- hängen. } Auch nach meiner Meinung dürfte das Vorkommniss, dass die Kernzerklüftung zur völligen Abtrennung eines Kernstücks führt, ausserordentlich selten sein. Ich würde selbst in dem Falle, dass 2 oder auch 3 polymorphe Kernstücke in einer Zelle mit metamorphosirter Sphäre gefunden werden, lieber zu der An- nahme greifen, dass die Zelle vor dem Eintritt der Kernpoly- morphie bereits zwei- oder dreikernig gewesen ist. Mehrkernige Zellen aber mit konsolidirter Sphäre und runden Kernen sind ein häufiges Vorkommniss. Sind sie zweikernig, so können sie ihre Entstehung durch Mitose oder auf dem Wege der von mir beschriebenen Amitose durch Zerschnürung eines hantel- förmigen Kernes genommen haben. Ebenfalls durch Amitose (38) können dreikernige Zellen entstehen. Ausserdem beobachtet man, beim Salamander allerdings nur ganz vereinzelt, stark vielkernige Zellen mit konsolidirter Sphäre und runden oder wenigstens stets rundlichen Kernen (Fig. 61), deren Anzahl oft 20 und mehr be- trägt. Vom Rath hat sie besonders bei der Kröte gefunden ; sie sind es, auf deren Vorkommen er sich hauptsächlich stützt, indem er eine Beziehung der polymorphen Kerne zur Amitose behauptet. Für die vielkernigen Spermatogonien des Salamanders konnte ich nun aber in einigen Fällen feststellen, dass sie ihre Entstehung nicht aus polymorphen Kernen, sondern auf eime andere, sehr eigenthümliche Art nehmen. Unter den Spermatocyten entstehen, wie Flemming (20) gezeigt hat, vielkernige Zellen mit 12 oder mehr Kernen auf dem Wege der Mitose durch wiederholte Kerntheilung, bei welcher die Zelltheilung ausbleibt. Diesen selben Modus der Entstehung auch für die vielkernigen Zellen unter den Spermatogonien anzu- nehmen, ist nicht angängig, weil die an diesem Ort beobachteten 172 F. Meves: vielkernigen Zellen bei einer Kernzahl bis zu 20 und mehr immer nur eine Sphäre enthielten. Die sehr interessante Entstehung derselben durch den anor- malen Verlauf einer bipolaren Mitose zeigen die Fig. 62, a,b, e, welche drei auf einander folgende Schnitte dureh zwei neben einander liegende Tochterzellen darstellen. Nach dem Zustand des Chromatins befinden sie sich im Stadium des Dispirems einer normalen Mitose. In beiden Zellen haben sich aber die einzelnen Chromosomen nicht zu je einem einzigen Tochterkern vereinigt, sondern sind zu selbständigen, mit einer deutlichen Membran umgebenen Kernehen geworden. Verschiedene von den Kern- bläschen enthalten jedoch zwei, einzelne anscheinend drei Chro- mosomen; dementsprechend beläuft sich die Zahl der Kerne in jeder Tochterzelle nicht auf 24, sondern ist um eimiges geringer (in jeder Tochterzelle e. 17). Dass die Kernehen wirklich in der beschriebenen Weise entstanden sind, geht daraus hervor, dass noch, besonders deutlich in der untern Zelle der Fig. 62b, die Pole der achromatischen Figur und die Fasern der Centralspindel- hälften zu erkennen sind. In andern Fällen müssen die Chromosomen zu grösseren Gruppen vereinigt gewesen sein; so können weniger stark viel- kernige Zellen (Fig. 63, a, b) entstanden sein, in denen die An- zahl der Kerne derjenigen der Chromosomengruppen entspricht. Absprengung nur eines Chromosoms oder einer Gruppe von sol- chen von der Hauptgruppe bei der Mitose scheint nicht selten an diesem Ort zur Bildung einer zweikernigen Zelle zu führen. Später kehren in allen diesen Kernen die Chromatinstruc- turen zum Ruhezustand zurück (Fig. 653). In den stärker viel- kernigen Zellen unterscheiden sich die Kerne deutlich durch ihre Grösse von denen der einkernigen Zellen. In den meisten Fällen deutet noch die Zusammenlagerung von je zwei vielkernigen Zellen (Fig. 63) auf eine Entstehung durch Mitose hin. Nicht selten findet man jedoch auch nur eine dann häufig besonders stark vielkernige Zelle allein liegen (Fig. 61). In derartigen Fällen könnte man zu der Annahme greifen, dass nur in der einen Tochterzelle die Chromosomen einzeln oder zu mehreren vereinigt zu selbständigen Kernbläschen geworden sind, während sie sich in der andern regelrecht zur Bildung eines einzigen Kernes zusanımengethan haben. Jedoch habe ich Beob- Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre etc. 173 achtungen, die geeignet wären, diese Annahme zu bestätigen, nicht gemacht. Eine andere Möglichkeit, wie einzeln vorkommende viel- kemige Zellen entstanden sein könnten, würde darin bestehen, dass im Anschluss an eine in der oben beschriebenen Weise (Fig. 62) abnorm verlaufenen Mitose die Zelltheilung ausgeblieben ist; letzteres kommt nämlich in den Spermatogonien durchaus nicht selten vor, auch wenn eine Mitose im übrigen normal zu Ende gegangen Ist. Selbst wenn eine solche, allein liegende, vielkernige Zelle nur eine Sphäre besitzt, so würde es dennoch möglich sein, ihr vereinzeltes Vorkommen durch ein Ausbleiben der Zelltheilung zu erklären. In meiner vorläufigen Mittheilung (38) habe ich aller- dings die Ansicht ausgesprochen, dass die Mitose nothwendig zur Bildung zweier Sphären führe. Nach Beobachtungen, die ich seitdem zu machen Gelegenheit gehabt habe, ist letzteres jedoch nicht ausnahmslos der Fall. Wie ich a. a. O. (39) gezeigt habe, entstehen in den Spermatogonien häufig Ringkerne durch eine Abweichung vom gewöhnlichen Verlauf der Mitose, indem es nicht nur an der äussern Peripherie des Tochterkerns, sondern auch im Umkreis des von den Centralspindelfasern passirten Kernbinnen- raums zur Membranbildung kommt. Im Anschluss an eine so verlaufene Mitose kann nun nicht nur die Zelltheilung, sondern auch die äquatoriale Einschnürung und Durchtrennung der Cen- tralspindelfasern ausbleiben. Die Centralspindel zieht sich dann später in sich selbst zusammen und konsolidirt sich zu einer einzigen Sphäre, welche zwischen den beiden Tochterkermnen liegt!). 1) Auf eine ausführlichere Darstellung dieser Verhältnisse ge- denke ich a. a. OÖ. einzugehen. An dieser Stelle möge noch eine Be- richtigung Platz finden. Ich habe bei einer früheren Gelegenheit (39) mich dahin ausgesprochen, dass. es zur Bildung eines Zwischenkörper- chens in den Spermatogonien in der Regel nicht zu kommen scheine. Ich habe jedoch seitdem in diesen Zellen Zwischenkörperchen beob- achtet, aber vielfach in einer solchen Kleinheit, dass dasselbe selbst dann, wenn ich es nicht wahrnehmen kann, vorhanden sein mag. Meistens laufen nur wenige Fasern der Centralspindel in ihm zusam- men. In einigen Fällen habe ich aber auch in letzter Zeit bei den Spermatogonien, wie Moore es für die Geschlechtszellen der Larve als konstant beschreibt, alle Fäden im Zwischenkörperchen vereinigt gesehen. 174 F. Meves: In derselben Weise könnte auch in denjenigen Fällen (Fig. 61), wo man eine stark vielkernige Zelle, und mit nur einer Sphäre, allein liegend findet, im Anschluss an eine Mitose, die im übrigen so v@laufen ist, wie die der Fig. 62, die Zelltheilung und auch diejenige der achromatischen Figur ausgeblieben sein und bei der Rückkehr der Kernstructuren zum Ruhezustand nur eine Sphäre sich gebildet haben. Was das weitere Schicksal der stark vielkernigen Zellen anlangt, so bemerke ich, dass man nicht selten solehe findet, in denen viele oder alle Kerne sieh in den verschiedensten Stadien der ‚Degeneration befinden. Ueber Sphärenbrücken nach Beobachtungen an den Spermatocyten. In den Spermatocyten des Salamanderhodens, die ich ge- legentlich in den Bereich meiner Untersuchung gezogen habe, beobachtete ich ein eigenthümliches Verhalten der Sphären, welches bei den Spermatogonien kein Analogon hat. in Hoden aus dem Juli, die mit Hermann 'schem Gemisch fixirt und darauf mit Holzessig behandelt waren, konstatirte ich, dass in einigen Öysten die Attractionssphären der benachbarten Zellen durch deutliche Brücken mit einander in Zusammenhang stehen (Fig. 64). Und zwar beobachtet man nicht nur Verbindungen zwischen den Sphären zweier neben einander liegender Zellen, sondern vielfach nimmt man wahr, dass die Attractionssphäre einer Zelle mit den Sphären von zwei oder drei der angrenzenden durch häufig breite Stränge verknüpft ist (Fig. 64). Oft sieht man förmliche Bänder von Sphärensubstanz sich durch eine Reihe von Zellen (5—6 u. m.) hindurchziehen. In andern Cysten desselben Hodens ist von derartigen Brücken nichts zu konstatiren; es handelt sich also um einen Zusammen- hang zwischen den Sphären, der entweder nicht überall zur Aus- bildung kommt oder der nur eine Zeitlang besteht. Eine Erklärung, wie die beschriebenen Verbindungen zu Stande kommen, weiss ich einstweilen nicht zu geben. So weit ich sehe, giebt es zwei Möglichkeiten: entweder könnte es sich um einen primären oder um einen secundären Zusammenhang handeln. Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre ete. 175 Letztere Möglichkeit scheint mir wenig Wahrscheinliehkeit für sich zu haben; ein primärer Zusammenhang dagegen wäre, wenn es sich um einen solehen zwischen nur zwei Sphären handeln würde, in der folgenden Weise denkbar. In diesem Fall könnten die Sphären sich auf den äquato- rialen Kernseiten rekonstituirt haben, in den Spermatoeyten so), dass die hier regelmässig im Zwischenkörperchen vereinigten Cen- tralspindelfasern zu beiden Seiten der Kernmembran mit einander verschmelzen. Der Centralkörper könnte durch den von der Cen- tralspindel passirten Kernbinnenraum (mag es nun, wie in den Spermatogonien und zuweilen auch noch in den grössten Sperma- toeyten (Fig. 65) zur Entstehung ringförmiger Kerne kommen oder nicht) zu der auf der äquatorialen Kernseite angesammelten Sphärenmasse hingelangen?). Der durch das Zwischenkörperchen vermittelte Zusammenhang aber der beiden ursprünglichen Cen- tralspindelhälften (Fig. 65) könnte auch noch nach eingetretener Konsolidation der Sphärensubstanz und Rückkehr der Zellen zum Ruhezustand fortbestehen. Auf diese Weise könnte man aber höchstens das Vorhanden- sein einer Substanzbrücke zwischen den Sphären von je zwei be- nachbarten Zellen verstehen. Zur Erklärung von Verbindungen unter mehreren Sphären dürfte sich die Annahme als nothwendig herausstellen, dass während einer nächstfolgenden Mitose Zusam- menhänge zwischen den achromatischen Figuren bestehen bleiben; 1) Diese Art der Sphärenrekonstitution auf der äquatorialen Seite ist von Platner (42) bei Pulmonaten, von Moore (40) bei den Geschlechtszellen der Salamanderlarve beschrieben worden; bei den Spermatogonien des erwachsenen Salamanders konstatirte ich eben- falls zuweilen eine Rekonstitution auf der äquatorialen Kernseite, je- doch damals ausschliesslich in einer von der von Moore geschilderten abweichenden Weise, welche ich (39) nachzusehen bitte. Hinterher habe ich gefunden, dass die Beschreibung Moore's in ganz seltenen Fällen auch für die Spermatogonien des erwachsenen Thieres zutrifft. 2) Diesen Weg hat der Centralkörper offenbar in denjenigen Fällen zurückgelegt, wo die rekonstituirte Sphäre auf der äquatorialen Kernseite liegt (39). Die von Moore (40) angenommene Herumwan- derung des Centralkörpers ist sicher unzutreffend. Bei den Spermato- eyten erfolgt nach den spätern Untersuchungen von Benda (9) kon- stant ein „Durchschlüpfen des Spindelpols durch die Chromatinmasse, so dass sich der Pol zwischen Chromatin und Zwischenkörperchen lagert“. 176 F. Meves: vielleicht hat man aber auch zu ihrer Erklärung an die hier vorkommenden, von Flemming beschriebenen pluripolaren Thei- lungen zu denken. Aehnliche Beobachtungen, wie ich sie eben geschildert habe, sind bereits früher mit Bezug auf den „Nebenkern‘“ gemacht worden. In den Spermatocyten von Helix und Arion sah Prenant (45) den Nebenkern in Form eines Stieles sich oft von einer Zelle zur andern erstrecken oder sogar mehrere Zellen unter ein- ander vereinigen. Prenant bildet (Taf. I, Fig. 8) einen kon- tinuirlichen Strang, der sich durch vier Zellen hindurch erstreckt, ab. Ausserdem finde ich in der Literatur eine Angabe von Platner (43), welche sich allerdings auf ein Gebilde bezieht, das er selbst nicht als „Nebenkern“ zu deuten geneigt ist. In den Spermatoeyten von Lepidopteren (Pygaera bucephala) sah er einen Körper häufig mit dem gleichen Element der Nachbar- zelle in direetem Zusammenhang stehen, sodass beide eine Ver- bindungsbrücke von Zelle zu Zelle reichend bildeten. Häufig fanden sich solehe auch in der Mehrzahl; zuweilen sah Platner Zellen, welehe mit drei benachbarten in dieser Weise zusammenhingen. Untersuchungsmethode. Meistens wurden die Hoden mit Hermann’'schem oder Flemming’schem Gemisch fixirt und darin häufig ein oder zwei Monate belassen; darauf in Paraffin eingebettet, geschnitten (in der Regel 10 u diek), meistens mit Eiweiss aufgeklebt und dann der Flemming'schen Dreifachbehandlung unterworfen. Oder sie wurden in toto mit Holzessig weiter behandelt und da- rauf häufig noch in verschiedener Weise gefärbt, theils ebenfalls in toto mit meistens Pal’schem (Hermann) Hämatoxylin, theils, nachdem sie geschnitten und aufgeklebt waren, mit Hämatoxylin oder Anilinfarbstoffen; man kann auch noch (Moore) auf die veduction mit Holzessig die Dreifachbehandlung nach Flemming nachfolgen lassen. Für einige Zwecke (Text pag. 136) erwies sich 3eizung mit Kalium hypermanganicum und nachfolgende Safranin- färbung als geeignet. Ausser mit Osmiumgemischen habe ich bisher nur noch mit Per&nyi scher Flüssigkeit, aber keineswegs konstant, brauch- bare Resultate erzielt und nach dieser Fixirung mit Erfolg die Ueber eine Metamorphose der Attraetionssphäre etc. 177 M. Heidenhain’sche Hämatoxylin-Eisenlackfärbung für die Darstellung der Centralkörper angewandt. Kiel, Ende Mai 1894. Nach Abschluss des Manuscripts erschienen die Arbeiten von M. Heidenhain: Neue Untersuchungen über die Centralkörper ete. (Arch. f. mikr. Anat., Bd. 43), von Moore: Some points in sper- matogenesis of Mammalia (Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol., Bd. 11), von Häcker: Ueber den heutigen Stand der Centroso- menfrage (Verh. d. deutsch. zool. Ges. 1894), welehe im Vor- stehenden keine Berücksichtigung mehr finden konnten. ID 10. Dr. Literaturverzeichniss. Balbiani, E. G.: Sur la constitution du germe dans l’oeuf animal avant la fecondation. Compt. rend. de l’Acad. de sc., t. 58, 1864. Derseibe: Lecons sur la generation des Vertehbres. Paris 1879. Derselbe: Sur l’origine des cellules du follieule et du noyau vi- tellin de l’oeuf chez les Geophiles. Zool. Anz. no. 155, 156; 1883. Derselbe: Centrosome et „Dotterkern“. Journ. de l’anatom. et de la physiol., ann. 29, 189. van Bambeke, Ch.: Contributions A l’histoire de la constitution de l’oeuf. II. Elimination d’el&ments nucl£aires dans l’oeuf ovarien de Scorpaena scrofa. Bull. del’Acad. de Belgique, ser. 3, t.25, 1893. 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Stat. i. Triest, Bd. 7, Heft 3, 1888. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VII—XI. Die Abbildungen sind mit Zeiss’ homogener Immersion 3,0 (Apert. 1,3) und Ocular 8 unter Benutzung des Abbe’schen Zeichen- apparates (Projection auf den Tisch) entworfen. Sämmtliche Figuren mit Ausnahme von Fig. 35 (Oogonie) betreffen die Spermatogonien des erwachsenen Salamanders. Fig. 1—6. Structurhilder der Attractionssphäre. Text pag. 121, 122. Fig. 1. Centralkörper, Mark- und Rindenzone; im obern Theil der Zelle nahe der Peripherie drei durch Osmiumsäure geschwärzte Kügelchen. Hermann’sches Gemisch, Dreifachbehandlung nach Flemming; aus dem Juli. Fig. 2. Centralkörper und Markzone nach Fixirung mit Per@nyi’scher Flüssigkeit durch die M. Heidenhain’sche Hämatoxylin- Eisenlackfärbung dargestellt. September. Fig. 3—6. Verschiedene Bilder der Markzone; Centrosomen nicht zu erkennen. Fig. 3. Breite Mark- und schmale Rindenzone. Hermann'’'sches Ge- misch, Holzessig, Pal’sches Hämatoxylin. September. Fig. 4 Markzone als ein ziemlich stark gefärbter Körper sich dar- stellend. Text pag. 122. Behandlung wie bei Fig. 1. März. Doppelt konturirte Sphäre; Markzone mit verschiedenartigen, 3 03 © Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. ke) Fig. Ti H. > Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre etc. 181 z. Th. nur undeutlich hervortretenden Körnern. Hermann'’- sches Gemisch, Holzessig, Dreifachbehandlung. Juli. Körner an der Grenze zwischen Sphäre und Zellsubstanz; Markzone. Behandlung wie bei Fig. 5. Juli. 15. Verschiedene Stadien der Sphärenmetamorphose. Text pag. 124—126. Sämmtlich nach Präparaten, diemitHermann'- schem Gemisch fixirt und (mit Ausnahme von Fig. 13: Drei- fachbehandlung nach Flemming) mit Holzessig weiter behan- delt und nachträglich noch verschieden gefärbt waren. Ende des Sommers. Sphärenoberfläche höckerig; Marksubstanz gegen die Kortikal- zone deutlich abgegrenzt. 8, 9. Sphärentheilchen im Begriff selbstständig zu werden. In Fig. 8 liegt zwischen den Sphärentheilchen eine undeutlich begrenzte Masse, welche wahrscheinlich die Marksubstanz der Sphäre darstellt. 11. Selbstständig gewordene Sphärentheilchen. In Fig. 10 zeigt der Kern (Lochkern) beginnende Zerklüftung. Nerel. Text’pag, 123. Gruppe von Sphärentheilchen, von denen das obere im opti- schen Querschnitt ungefähr die Form eines Halbrings hat. Kern nicht im Schnitt. Unterer Halbring eines ringförmigen Kerns. Mit Bezug auf die Sphäre vergl. Text pag. 125. Die zu beiden Seiten des Kernlochs liegenden Sphärentheilchen steben durch dieses hin- durch durch Fadenbrücken in Verbindung. Sphärentheilchen im Auseinanderrücken begriffen; zwischen den einander benachbarten an einigen Stellen schwache Faden- brücken erkennbar. 16—20. Sphärentheilchen auseinander rückend und mehr und mehr in kleinere Theilstücke zerfallend. Mit Bezug auf die Verhältnisse der Zellsubstanz vergl. Text pag. 128. Die Kerne zeigen z. Th. beginnende Zerklüftung. Behandlung wie bei Fig. 7—15. Ende des Sommers. Ein Theil der Sphärentheilchen bereits in Körnermassen über- gegangen, ein Theil noch unverwandelt. Behandlung wie oben. Juli. 23. Zellen mit polymorphem Kern und Körnerkranz. In Fig. 23 sind in den Körnerkranz auf der linken Seite des Kerns zwei Körper eingeschaltet, welche pag. 132 beschrieben sind. Be- handlung wie oben. September. Zelle mit Körnerhaufen; Zellsubstanz concentrisch um den Kern angeordnet. Behandlung wie oben. _ Februar. Zelle mit wenig zerklüftetem Kern und Körnerkranz, in wel- chen links vom Kern der pag. 132 beschriebene Körper ein- gelagert ist. Hermann ’sches Gemisch, Dreifachbehandlung. März. Fig. 26. Fig. 27. Fig. 28, Fig. 30, Fig. 32. Fig. 33. Fig. 34. Fig. 35. Fig. 36, Fig. Fig. F. Meves: Kernform rundlich, Körnerkranz. Körnermassen den Kern auf einer Seite schalenförmig umfas- send. Behandlung wie bei Fig. 25. März. 29. Körnermassen zu einem Haufen vereinigt. Text pag. 130. Behandlung bei Fig. 28 (aus dem März) wie bei Fig. 25; bei Fig. 29 Hermann’'sches Gemisch, Holzessig, Pal’sches Häma- toxylin. 31. Körnermassen in zahlreiche kleine (Fig. 30) oder (Fig. 31) weniger zahlreiche grössere, homogen aussehende Körperchen zurückverwandelt, welche den Kern rund herum umgeben. 3eide Figuren, ebenso wie Fig. 26, 32—34, 36, 37 entstammen einem mit Hermann'schem Gemisch fixirten Hoden, in dem durch irgend einen Umstand eine starke Reduction der Osmium- säure erfolgt war. Doppelfärbung mit Safranin und Gentiana, kombinirt mit Gram’scher Behandlung. April. Sphärentheilchen mehr an einer Seite der Kernperipherie ge- legen. Behandlung hier und bei Fig. 33, 34 wie bei den bei- den vorigen. April. MitAnschwellungen versehenesBand von Sphärensubstanz. April. Sphärentheilchen zu einem Haufen versammelt; x der pag. 133 beschriebene Körper. Oogonie des erwachsenen Salamanders. Hermann’sches Gem., Holzessig, Pal’sches Hämatoxylin. Februar. 37. Sphärensubstanz zu einer einzigen Masse vereinigt, welche in Fig. 37 ausnahmsweise Ringform hat (in der Abbildung nicht deutlich zu erkennen); & der pag. 133 beschriebene Körper, welcher in Fig. 37 vor der Oeffnung des Ringes liegt. Aus demselben Hoden wie Fig. 32—34 und in gleicher Weise gefärbt. 39—49 (und 50—54 der folgenden Tafel). Chromatinelimination. 39, io, 41. 42, .. 48, 45. Text pag. 134—139. 40. Chromatinkügelchen in den Spalten polymorpher Kerne; in Fig. 39 liegt ausserdem ein gefärbtes Kügelchen auf der linken Seite des Kerns im Körnerkranz. Hermann'sches Gemisch; Doppelfärbung mit Safranin und Gentiana, kombinirt mit Gram’scher Behandlung. April. g. 41—49. Hermann’sches Gemisch, Dreifachbehandlung nach Flemming. März. Zahlreiche grössere Chromatinkügelchen im Bereich der Kör- nermassen. Chromatinkügelchen in der Bucht eines polymorphen Kernes. 44. Kleinste gefärbte Kügelchen als Centren von Sphären- körnern; als solche besonders deutlich in Fig. 44 zu erkennen. Körnermassen, in denen noch die Anwesenheit kleinster Chro- matinkügelchen zu konstatiren ist, auf einem Haufen zusam- mengeschoben. Links oben am Rande desselben liegt ein wie ein Nucleolus gefärbter Körper; rechts oben und links unten Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre etc. 183 an der Körneransammlung blasse Gebilde, mit Bezug auf welche Text pag. 133 zu vergleichen ist. Fig. 46—48. Verschiedene Bilder des Nebenkerns, mit Bezug anf wel- chen Text pag. 137 nachzusehen ist. In Fig. 46 enthält die Zellsubstanz ausser dem Nebenkern und der modifieirten Sphäre (Sphärenkörner mit gefärbten Centren!)!) noch einen Körper, welcher mit denjenigen der Figg. 23, 25 (Text pag. 132) iden- tisch sein dürfte; in Fig. 47 ausser dem Nebenkern und den Körnermassen einen Körper (oben links), der sich wie ein Nu- cleolus ausnimmt, und ausserdem noch 3—4 andere Gebilde unbekannter Natur. In Fig. 48 liegen 2 Chromatinkörper an der linken Seite des Kerns der Membran desselben an; ausser- dem schliesst die Zellsubstanz Körnermassen ein. Fig. 49. Zelle mit rundem Kern und rekonstituirter Sphäre. Kern zeigt Chromatin auf dem Wege der Elimination an seiner ganzen Oberfläche. Fig. 50—54. Behandlung wie bei den Figuren 41—49; sämmtlich eben- falls aus dem März. Fig. 50: wie Fig. 49. Sphäre nicht im Schnitt. Fig. 51, 52. Vergl. Text pag. 139. Fig. 53. Chromatinkörnchen frei neben der rekonstituirten Sphäre in der Zellsubstanz. Fig. 54. Im Centrum des Körnerhaufens ein homogen aussehender Körper, die Sphäre, deren Rekonstitution kaum schon als voll- endet gelten kann, auf der rechten Seite ihres Umkreises mit vereinzelten gefärbten Kügelchen besetzt. Chromatinfaden- werk in der Ausbildung; beginnende Mitose. Fig. 55—60. Mitosen der Spermatogonien. Mit Bezug auf die in Be- tracht kommenden Punkte vergl. Text pag. 161, 162. e.— Central- körper. Chromosomen nur zu einem mehr oder minder ge- ringen Theil im Schnitt, bezw. abgebildet. Behandlung bei Fig. 55, 56, 58-60: Hermann’'sches Gem. Holzessig und nachfolgende Färbung; bei Fig. 57: Hermann’sches Gem. und Dreifachbehandlung nach Flemming. Fig. 61. Stark vielkernige Zelle; Kerne im Kranz die Attractionssphäre (5) umgebend; letztere lässt deutlich die Markzone erkennen. Hermann'sches Gem., Dreifachbehandlung. August. Fig. 62a,b,c. Abnorm verlaufene Mitose. Vergl. Text pag. 172. Auch hier sind, wie in den Figg.57—60 während der Mitose Körner- massen aufgetreten; dieselben sind besonders an der rechten Seite der Figg. wahrzunehmen. Behandlung wie bei Fig.55. Juli. Fig. 65a,b. Zwei Schnitte durch zwei neben einander liegende viel- kernige Zellen. Zahl der Kerne im Vergleich mit Fig. 62 nur gering, in jeder Zelle 4—5. Der in der linken Hälfte der untern Zelle liegende Kern ist durch das Messer auf beide 1) Diese sind dureh den Lichtdruek nicht in der gewünschten Deutlichkeit reprodueirt. 184 Fig. Pie. Fig. Fie. - F. Meves: Ueber eine Metamorphose der Attraetionssphäre ete. 64. Schnitte vertheilt. S Sphäre. Hermann’sches Gem. Holz- essig. Dreifachbehandlung. Sphären von vier neben einander liegenden Zellen durch Sub- stanzbrücken miteinander in Zusammenhang stehend. Text pag. 174. Sphäre der am weitesten nach links liegenden Zelle nur angeschnitten. Ebenso sind die Kerne derjenigen Zellen, welche zu den beiden am weitesten nach rechts liegenden Sphären gehören, nur ganz theilweise im Schnitt. Ein paar Nachbarzellen, deren Zellsubstanz gegen diese nicht scharf abgegrenzt ist, und ihre Kerne sind auf der rechten Seite mitgezeichnet; ebenso eine links oben liegende Zelle, deren Sphäre mit denen der übrigen, gezeichneten Zellen nachweis- bar in keiner Verbindung steht. Hermann'sches Gem., Holz- essig. Juli. Zelle, die zwischen Spermatogonien und Spermatocyten in der Mitte steht, im Stadium des Dispirems; es ist zur Bildung von Ringkernen gekommen. Bei dem obern Ringkern ist auf die Mitte des Kernlochs eingestellt; Centralkörper vor der Oeff- nung des letzteren. Von dem untern Kernring sieht man die obere Hälfte. Centralspindelfasern im Zwischenkörperchen zu- sammenlaufend. Text pag. 175. Hermann'’sches Gem., Holz- essig, Safranin. Juli. 66—74. Degenerirende Zellen. Text pag. 167—169. lie. 66, 67. Chromatin noch nicht wandständig, Linin bereits zu einem Strangwerk zusammengeballt. In Fig. 66 an der untern und linken Seite des Kerns vor den Spalten einige Sphärenkörner mit gefärbten Centren. Zellsubstanz in Fig. 67 auf einen schmalen Saum zusammengedrängt. Text pag. 167,168. Her- mann'sches Gem., Dreifachbehandlung. März. 68—72. Chromatin ganz ®der grösstentheils wandständig gewor- den. Kerninneres von dem Lininstrangwerk eingenommen. In Fig. 68 (aus dem November) hat die Degeneration ebenso wie in Fig. 66 einen polymorphen Kern betroffen. Fig. 69 u. 72 zeigen deutlich zwei von einander verschiedene Zonen in der Zellsubstanz. Behandlung bei Fig. 68 Fixirung mit Her- mann’schem Gem. Doppelfärbung mit Safranin und Gentiana, kombinirt mit Gram’scher Behandlung; bei Fig. 69, 70, 72 wie bei Fig. 66; bei Fig. 71 Fixirung mit Perenyi’scher Flüssig- keit und Hämatoxylin-Eisenlackfärbung nach M. Heidenhain. 73, 74. Degenerirende Kerne mit erhöhter diffuser Färbbarkeit, in welchen das Chromatin nicht wandständig geworden ist. In Fig. 73 (Hermann’sches Gem., Doppelfärbung mit Safranin, Gentiana) schliesst die Zellsubstanz radiär zum Kern gestellte Fettstäbchen ein. Fig. 74 (Hermann 'sches Gem., Holzessig, Safranin) lässt ebenso wie Fig. 69, 72 deutlich zwei Zonen in der Zellsubstanz erkennen. 185 Die Nervenendigungen im Gaumen und in der Zunge des F'rosches. Von Albrecht Bethe. Hierzu Tafel XII und XII. Seit Ehrlich im Jahre 1886 gezeigt hat, dass wir im Methylenblau ein vortreffliches Mittel haben, um den lebenden Nerven bis in seine feinsten Ausläufer zu färben, ist man von vielen Seiten bemüht gewesen, mit Hülfe dieser Methode die Frage der epithelialen Endigungen zu entscheiden. Bei allen diesen Arbeiten hat sich aber der Mangel an einer geeigneten Fixation der Färbung und des Gewebes geltend gemacht, welcher die Entscheidung über das Verhalten der Nervenendigungen zu den Zellen erschwert oder sogar unmöglich macht. Nur durch diesen Uebelstand der Methode ist es zu erklären, dass die An- sichten in dieser Frage so sehr weit auseinander gehen. Beson- ders auffallend ist die Verschiedenheit der Resultate, zu denen die verschiedenen Autoren bei der Untersuchung des beliebtesten Objectes, der Endplatten der Froschzunge, gelangt sind. Der Erfinder der Methode, Ehrlich (1), sah, dass die Nerven „mit scharfen kleinen Knöpfehen* an der Oberfläche der Sinneszellen endigen. Der nächste Untersucher Arnstein (2) beschreibt ausser diesen knopfförmigen Endigungen, Continuität der Stäbehenzellen Merkel’s (4) mit Nerven. Im Nachtrag zu einer späteren Arbeit (3) bemerkt er, dass er sich möglicherweise geirrt haben könnte und dass eine Oontinuität thatsächlich vielleicht nieht vorhanden wäre. Im Gegensatz zu diesen beiden Forschern leugnet Retzius(6) Jeden Zusammenhang von Nerv und Zelle, indem er annimmt, dass die Nerven alle frei zwischen den Epithelzellen endigen. Er sagt wörtlich: „Sowohl durch die oben beschriebenen Ver- hältnisse beim Salamander wie noch mehr durch die vermittelst der Methylenblaufärbung beim Frosch gewonnenen Erfahrungen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 13 186 Albrecht Bethe: lässt sich wohl als sicher annehmen, dass die Endigungen der Nervenfäserchen eine interzelluläre und freie ist. Da ich ferner hier keine Art von Zellen gefunden habe, welche als „Sinnes- zellen“ aufgefasst werden können, und jedenfalls keinen Zusam- menhang von Nervenfasern und derartigen Zellen sehen konnte, so darf ich mithin als das einzig Sichere annehmen, dass die Nervenfasern im Epithel frei endigen.“ Bei dieser Auffassung bleibt es allerdings unklar, weswegen in den Endscheiben Zellen vorkommen, welche von denen des übrigen Epithels ganz ver- schieden sind. Dass diese Sätze nur in der Weise aufgefasst werden können, dass er jeden Zusammenhang von Nerv und Epithelzelle (mit Ausnahme der Zellen der Nasenschleimhaut) leugnet, geht noch deutlicher aus seiner Zusammenfassung (5) unserer derzeitigen Kenntniss des sensiblen Nervensystems hervor, wo er folgendermaassen schreibt: „Obwohl diese Untersuchungen gewiss noch in weiterem Umfang durchgeführt zu werden verdienen, so geht schon aus unserer jetzigen Kenntniss hervor, dass bei den Wirbelthieren von den Öyelostomen aufwärts, in der Körperhaut und in den Schleimhäuten die bei weitem grösste Menge der sensiblen Ner- venfasern, ohne Terminalzellen oder sonstige directe Ver- bindung mit Zellen, unter mehr oder weniger reichlichen Verästelungen mit freien, in der Regel varieös-knotigen Endfasern zwischen den epithelialen Zellen endigen, wobei sie je nach den Umständen mehr oder weniger weit hinaus nach der Oberfläche hin laufen.“ In der Arbeit Fajerstajn’s (10) (Feuerstein) aus dem Jahre 1889 wird eine neue Ansicht aufgestellt, dass nämlich die Sinneszellen nicht nur durch Endknöpfe, sondern auch mittelst ihrer wurzelartigen Ausläufer mit den Nerven in Berührung stän- den. Die neuste Untersuchung über die Innervirung der End- scheiben von Niemack (8) combinirt die Ansicht Ehrlich’s von der Contiguität der Nerven und Sinneszellen mittelst End- knöpfen, mit der Anschauung von Retzius, dass die Nerven frei zwischen den Zellen endigen, indem er beide Arten der Endigung beschreibt. Eine Contiguität der Zellwurzeln mit dem Nervenplexus leugnet er dagegen vollständig. Um zwischen diesen verschiedenen Ansichten die richtige auszuwählen und überhaupt die wichtige Frage der epithelialen Die Nervenendigungen im Gaumen und in der Zunge des Frosches. 187 Endigungen der Entscheidung näher zu bringen, schien es mir nothwendig, entweder die Methylenblaumethode in ihrer jetzigen Form gänzlich umzugestalten oder eme ganz neue Methode der Nervenfärbung ausfindig zu machen. Wir besitzen nun zwar noch in der Golgi’schen Methode ein Mittel, um ebenfalls die Nerven bis in die feinsten Ausläufer sichtbar zu machen, aber sie verbindet mit dem Uebelstand der bisherigen Methylenblaufärbung, dass man die Zellen nur in sehr mangelhafter Weise sichtbar machen kann, eine grosse Menge anderer Nachtheile, und ich halte die Ansicht Arnstein’s (3), dass sie bei der Beurtheilung epithelialer Verhältnisse auszu- schliessen ist, für durchaus berechtigt. Besonders die Resultate von Fusari und Panasei (7) sprechen in unzweideutiger Weise gegen ihre Anwendbarkeit. Die bisher angewandte Fixation der Methylenblau-Nerven- färbung mit Amoniumpikrat lässt zwar ein genaueres Studium der Objeete in soweit zu, als man Zupfpräparate anfertigen und auch Schnitte mit dem Gefriermikrotom machen kann. Sie zeigt aber dadurch grosse Uebelstände, dass ein Aufhellen der Präpa- rate nur mittelst Glycerin möglich ist und eine geeignete Nach- färbung nicht geschehen kann. Es ist mir nun gelungen, eine Me- thode ausfindig zu machen, bei der alle Nachtheile der bisheri- gen Methoden vermieden und mit Sicherheit Präparate von her- vorragender Güte erzielt werden. 1. Es ist nicht mehr nöthig, die zu untersuchenden Gewebs- stücke der Luft auszusetzen, was besonders bei eentralen Theilen (Gehirn und Rückenmark, welche sich unter gewissen Bedingungen in brauchbarer Weise färben) sehr unangenehm ist. 2. Die Methode gestattet ein Nachfärben der Objeete mit dem grössten Theil der bewährten Tinetionsmittel, ebenso Nach- behandlung mit Argentum nitrieum. 3. Die Gewebsstücke können in Paraffin oder Celloidin eingebettet und im Mikrotom geschnitten werden. Die Schnitte können sowohl in Nelkenöl, wie in Xylol aufgehellt und in Canadabalsam aufbewahrt werden, wo sie sich, so weit die Er- fahrungen reichen, nicht im geringsten verändern. 4. Die Fixation bringt gar keine Schwierigkeiten mit sich uny erfordert nicht eine besondere Uebung wie die mit Ammonium- pikrat. Die Färbung bleibt bis in die feinsten Details erhalten 188 Albrecht Bethe: und zeichnet sich durch ein tiefes Dunkelblau aus, welches an Intensität das des gewöhnlichen Methylenblaus bei weitem übertrifft. Mittelst dieser Methode, deren Veröffentlichung für eine spätere Gelegenheit in Aussicht genommen ist, da die Erfahrun- gen über ihre Anwendbarkeit noch erweitert werden sollen, habe ich von neuem die schon so oft untersuchten Endigungen in der Zunge und dem Gaumen des Frosches studirt, weil sie zur Entscheidung der oben erwähnten Fragen am günstigsten zu sein scheinen. Zur Untersuchung verwandte ich etwa 30 Exemplare von Rana esculenta (Winter- und Sommerexemplare). Die Nerven wurden durch Methylenblauinjeetion gefärbt und mittels mei- ner Methode das Gewebe und die Färbung fixirt. Die meisten Präparate wurden nachgefärbt und die Schnitte mit Paraffinein- bettung hergestellt. Die Untersuchung geschah in Canadabalsam. Die Nervenendigungen im Epithel der Endplatten und Sinneshügel. Auf der Zunge und am Gaumen des Frosches findet sich eine grosse Anzahl speeifischer Sinnesorgane, welche sich im Bau wesentlich vom übrigen Epithel, das ich der Kürze wegen als Deckepithel bezeiehnen will, unterscheiden. Sie sind unter sich nur dadurch verschieden, dass die der Zunge flach sind, während die des Gaumens sich deutlich hervorwölben. Aus diesem Grunde behalte ich für die Sinnesorgane der Zunge die alte Bezeichnung „Endplatte* bei und nenne die des Gaumens „Sinneshügel“. Diese Organe wurden im Jahre 1857 zuerst von Leydig und Fixen genauer beschrieben und sind nachher noch oft Gegen- stand der Untersuchung gewesen. Ich übergehe es, die Resultate mitzutheilen, weil sie Retzius (6) mit ziemlicher Genauigkeit referirt hat, und will nur mit einigen Worten die neuesten Unter- suchungen berühren. Merkel (4) unterscheidet in den Endscheiben drei Arten von Zellen, das sind die Cylinderzellen (Becherzellen Engel- mann’s (9)), welche die Begrenzung nach der Mundhöhle zu bilden, die Flügelzellen, welche die Cylinderzellen mit ihren lappigen Fortsätzen umfassen, im übrigen aber unter denselben liegen, und die Stäbchenzellen (Cylinderzellen Engelmann'’s), welche Merkel als die eigentlichen Sinneselemente auffasst. Das Vorkommen einer vierten Zellenart, der Gabelzellen Engel- Die Nervenendigungen im Gaumen undin der Zunge des Frosches. 189 mann’s bestreitet er. Sie sind aber neuerdings von Fajer- stajn (10) wieder beschrieben und abgebildet worden, und ich selber habe sie sowohl in Zupfpräparaten, wie in Methylenblau- präparaten mit grosser Deutlichkeit gesehen (siehe Fig. 1, Taf. XIII). Was die Flügelzellen Merkel’s anbetrifft, so habe ich mich von ihrer Existenz nieht mit Sicherheit überzeugen können, weil ich sie durch Maceration nie deutlich dargestellt fand. Auch Leydig (11) scheint sie nicht gesehen zu haben, denn er thut ihrer gar keine Erwähnung; dagegen werden sie von Fajer- stajn beschrieben und abgebildet. In Methylenblaupräparaten habe ich allerdings auch hin und wieder ebenso wie Arnstein (2) und Retzius (6) Zell- gebilde gesehen, welche den Flügelzellen ähnlich sahen. Mögen sie nun existiren oder nicht; auf jeden Fall kann ich die von Merkel gegebene Abbildung des Zellmosaiks an der Oberfläche einer Endscheibe nach meinen Erfahrungen nicht als richtig be- zeichnen. Er giebt hier die Flügel der Flügelzellen als unter- brochene Linien zwischen den Enden der Cylinderzelien an und zeichnet in den Lücken die Enden der Stäbehenzellen als kleine Kreise. Man kann sich nun an frischen Endscheiben und beson- ders an Silberpräparaten davon überzeugen, dass die Spalten zwischen den Cylinderzellen von einem ununterbrochenen Kittnetz ausgefüllt sind (siehe Fig. 5, Taf. XII), in welchem hellere Kreise von zwei verschiedenen Durchmessern liegen. Diese Ver- hältnisse wurden von Engelmann durchaus richtig erkannt und gezeichnet. Er nimmt die grösseren Kreise ‚für die Enden seiner Cylinderzellen (Merkel’s Stäbehenzellen) und die kleinen für die Enden der Gabelzellen, was sie wohl auch zum Theil sind. In diesen Sinnesorganen der Zunge und des Gaumens, welche aus den geschilderten Zellelementen aufgebaut sind, findet sich nach meinen Präparaten eine grosse Menge verschiedenartiger Nervenendigungen, welche ich nach folgenden Gesichtspunkten unterscheide: 1. Freie Endigungen zwischen den Cylinderzellen, welche die Oberfläche erreichen. 2. Endigungen mit Endplatten an Epithelzellen. In dieser Gruppe mache ich wieder folgende Unterschiede: a) Endigungen mit dreilappigen Endplatten an den Cylinderzellen. 190 Albrecht Bethe: b) Endigungen mit runden Endplatten an Stäbchenzel- len, Gabelzellen und tiefen Cylinderzellen (?). Diese verschiedenen Endigungen kommen von denselben Nerven und es stehen nicht, wie man vielleicht erwarten könnte, die Endigungen je einer Art mit je einem bestimmten markhal- tigen Nerven in Verbindung (siehe Fig. 3, Taf. XII und Fig. 4 Taf. XII). Die freien Endigungen an der Oberfläche der Endscheiben wurden vor mir schon von Retzius (6) und Niemack (8) ge- sehen. Die Nervenfaser spaltet sich ziemlich entfernt von der Peripherie vom Hauptnerven ab und tritt meist in senkrechtem Lauf nach oben, um zwischen zwei Cylinderzellen mit einem langgestreekten Endkolben zu endigen. Diese Endanschwellung kann, wie schon Retzius angegeben, die Cylinderzellen etwas überragen (siehe Fig. 2 u. 4, Taf. XIII). Sie finden sich beson- ders häufig am Rande der Endplatten und Sinneshügel selten in der Mitte. Dadurch, dass es bei meiner Methode gelingt, die Methylenblaupräparate mit Argentum nitrieum nachzubehandeln, bin ich im Stande, genau den Ort anzugeben, wo diese Nerven- endigungen an die Oberfläche treten (siehe Fig. 3, Taf. XII). Man sieht die blauen Endknöpfe auf einem solchen Präparat innerhalb der kleinen schon vorher beschriebenen Kreise des Zellmosaiks. Zu diesen Lücken der Kittsubstanz treten also nicht nur, wie Engelmann (9) annahm, die Ausläufer der Gabelzellen, welche bedeutend dünner sind als die der Stäbchenzellen, sondern der grössere Theil derselben ist, so weit sich die Verhältnisse beurtheilen lassen, für die freien Nervenendigungen in Anspruch zu nehmen. Nach Niemack soll nun in „guten Präparaten“ zwischen je zwei Cylinderzellen eine freie Endigung sein; da nun aber gar nicht zwischen je zwei Cylinderzellen ein heller Kreis in der Kittsubstanz sichtbar ist, so glaube ich, die Richtigkeit dieser Beobachtung bezweifeln zu dürfen. Die zweite Art der Nervenendigung ist die an Zellen mit- telst Endplatten. Zwar sind sowohl von Ehrlich (1), wie von Arnstein (2) und Niemack (8) Endigungen an Zellen mittelst „Knöpfen“ gesehen worden. Jedoch wird diese Beobachtung erst mit Sicherheit als richtig erkannt, wenn sie durch eine Reihe von Zupfpräparaten bestätigt werden kann. Bei meiner Methode der Methylenfixirung gelingt es häufig ) Die Nervenendigungen im Gaumen undin der Zunge des Frosches. 191 sehr gut, die Zellen zu isoliren, besonders bei Nachbehandlung mit Holzessig. Man sieht dann an den losgezupften Zellen meist den zugehörigen blaugefärbten Nervenfaden mit sammt der End- platte hängen (siehe Fig. 3 u. 4, Taf. XII). Die Endplatten scheinen sehr fest zu haften und schmiegen sich, so weit man mit den stärksten Vergrösserungen sehen kann, ganz dicht an die Zelloberfläche an. Ein Eindringen irgend welcher Theile des Nerven von der Endplatte aus in die Zelle hinein habe ich niemals beobachten können. Auffallend ist es, dass bei den Zellen, welche mit Nervenfasern per contignitatem in Zusammen- hang stehen, der Kern sich mit Alaun-Cochenille dunkler und gleichmässiger färbt als bei anderen Zellen (siehe Fig. 5, Taf. XI). Hiervon machen nur die Cylinderzellen eine Ausnahme, bei denen der Kern sich in der Regel nicht von dem der gewöhnlichen Zellen unterscheidet, sondern wie dieser ein helles, körniges Aussehen zeigt. Die dreilappigen Endplatten an den Cylinderzellen sind als solche bis jetzt von Niemand erkannt worden. Retzius bildet an der Stelle, wo sie liegen müssen, hin und wieder Anschwel- lungen des Nerven ab, scheint sie aber immer für gewöhnliche Varicositäten des Nerven gehalten zu haben. Nicht bei allen Präparaten findet man diese Endigungen gut gefärbt und in Hügeln, die sonst eine recht vollkommene Nervenfärbung zeigen, sind sie oft gar nicht zu finden. Wo sie aber auftreten, sieht man oft eine ganze Anzahl nebeneinander. Diese Endplatten zeigen von der Fläche gesehen eine deutlich kleeblattartige, dreilappige Form (Fig. 2 u. 3, Taf XID. Von der Seite sieht man sie als flache Scheiben, in welche der Nerv mit kurzer kegelförmiger Verbreiterung übergeht. Wenn mehrere an einem Nervenfaden sitzen, so imponiren sie bei schwächerer Vergrös- serung nur als Varicositäten und man muss starke Immersionen anwenden, um zu sehen, dass der Nerv nicht direkt in die Platte übergeht und sich auf der andern Seite wieder verjüngt, son- dern vielmehr über der Platte fortläuft und nur durch einen kurzen dieken Stiel mit ihr verbunden ist. Der Ansatz der Plat- ten an die Zellen erfolgt in verschiedener Höhe oft oberhalb des Kernes, aber auch häufig dem Kern gegenüber. Niemals aber legen sich diese Platten von unten an die Cylinderzellen an (Taf. XII, Fig. 2,3 u. 5). 192 Albrecht Bethe: An den Stäbchenzellen, welche Merkel als die einzigen Sinneszellen bezeichnet, setzen sich die Nerven mit runden End- platten an. In Fig. 1, Taf. XII und Fig. 4, Taf. XIII sind eine ganze Anzahl solcher Endplatten von der Fläche zu sehen, wo man deutlich ihre runde Form wahrnimmt. Von der Seite sieht man sie als Kreisabschnitte, so dass man sie sich also körper- lich als Kugelsegmente vorzustellen hat. Sie setzen sich fast immer unterhalb des Kernes an die Stäbchenzellen an, da wo der Zellkörper anfängt sich nach unten hin zu verjüngen (Taf. XI, Fig. 3, 4 u. 5). Nicht selten zeigen die runden Endplatten von der Peripherie zum Pol, an dem der Nerv ansetzt, verlaufende Streifen (Fig. 3, Taf. XID). In derselben Weise wie an die Stäbchenzellen setzen sich Nerven an die Gabelzellen mit runden Endplatten an (Fig. 1, Tai ROHR; Die dritte Zellenart, an der Endigungen mit runden End- platten beobachtet wurden, wird von Fajerstajn abgebildet und von mir in jedem Sinneshügel gefunden. Bei diesen Zellen, welche gleich unter den Cylinderzellen liegen, ist der Kern wie bei diesen meist quer gestellt; im übrigen zeigen sie keine be- sondern Merkmale; der Körper nimmt die Form an, wie sie von den umliegenden Zellen bedingt wird. Es ist möglich, dass es Cylinderzellen sind, welche durch Wachsthumsverhältnisse in die Tiefe gedrängt sind. Eine Endigung an einer derartigen, isolir- ten Zelle sieht man in Figur 3 (Taf. XID. Eine Continuität der Nerven mit den Stäbchenzellen habe ich nicht gesehen. Ich halte es aber für leicht möglich, sie mit schwachen Vergrösserungen an gebläuten Zellen irrthümlicher Weise zu beobachten, wie es Arnstein gethan. Die gefärbten Zellen sind nach meiner Meinung zur Beur- theilung der Nervenendigung überhaupt nicht oder nur in seltenen Fällen heranzuziehen; Niemack hat grade das Gegentheil gethan und seine Resultate hauptsächlich aus solchen Präparaten abge- leitet, wo zugleich Nerven und Zellen blau gefärbt waren. Da er nun hauptsächlich die Stäbchenzellen blau gefärbt fand und der Meinung ist, dass nur an diesen die Nerven endigen, so hat er die Behauptung aufgestellt, dass um diese Zellen ein Mantel ge- breitet sei, der die Vermittlerrolle zwischen Nerv und Zelle über- nimmt. Er sieht einen Beweis für diese Ansicht darin, dass sich ® Die Nervenendigungen im Gaumen und in der Zunge des Frosches. 193 das Blau bei den gefärbten Zellen ganz an der Oberfläche be- findet. Nach meinen Präparaten und nach Arnstein s und Retzius’ Angaben haben nun nicht nur die Stäbchenzellen, sondern auch sämmtliehe andern Epithelzellen die Eigenschaft, sich hin und wieder in ganz derselben Weise zu färben. Es liegt also gar kein Grund vor, in dem blauen Mantel der Stäb- chenzellen, welcher nach meiner Ansicht gar kein Mantel, sondern die gefärbte Zellmembran ist, etwas functionell besonderes zu sehen. Die Nervenendigungen im Deckepithel. (Nur beim Gaumen untersucht.) Das Deckepithel wird nach der Mundhöhle zu von einer Lage grosser Wimperzellen gebildet, welche nur hin und wieder durch die Ausführungsgänge der darunterliegenden Drüsenzellen unterbrochen wird. Zwischen den Wimperzellen und dem Binde- gewebe liegen ausser den Drüsenzellen eine Menge in mehreren Schichten angeordneter Epithelzellen, unter denen sich einzelne durch dunkel tingirbaren Kern und spindelförmigen Zellkörper auszeichnen. Ich erzielte im Deckepithel weit seltener gute Färbung der Nervenendigung als bei den Endplatten, und der Grund dafür liegt wohl darin, dass die Versorgung durch das Blut, welches den Farbstoff mit sich führt, in den Sinneshügeln und Endplatten weit besser ist als am Deckepithel, was leicht an jedem Flächen- präparat zu erkennen ist. Freie Endigungen, wie sie in den Endplatten zwischen den Cylinderzellen vorkommen, habe ich im Decekepithel nicht gefunden, dagegen drei Arten von Endigungen an Zellen. 1. Endigungen an Drüsenzellen, 2. Endigungen an Wimperzellen, 3. Endigungen an tieferen Epithelzellen mit dunklen Kernen. An den Drüsenzellen, wie sie in grosser Anzahl im Epithel des Gaumens vorhanden sind (Fig. 4, Taf. XIII, Dz.) sieht man nicht grade häufig unterhalb des Kernes einen kleinen blauen Knopf sich anlegen, welcher mit einer Faser in Zusammenhang steht. Diese Fasern konnten aber nie weiter verfolgt werden. Die Endigungen an Wimperzellen sind höchst interessant. 194 Albreeht Bethe: An den Stellen, wo sie überhaupt gefärbt sind, findet man sie fast an jeder derartigen Zelle. Die Fasern treten ziemlich senkrecht nach oben, verlaufen sich selten in zwei Aeste spaltend über die Flimmerzellen hin und setzen sich weit über dem Kern mit einer dreilappig, klee- blattförmigen Platte an den Zellkörper an. Von dieser Platte (Fig. 6, Taf. XII u. Fig. 4, Taf. XIII) verläuft ein feinerer Faden noch in peripherer Richtung weiter, um in der Nähe des Ansatzes der Wimperhaare ohne Endanschwellung zu enden. Die dunkelkernigen Zellen, an denen ebenfalls Nerven und zwar mit runden Endplatten endigen, liegen ziemlich sparsam im Epithel zerstreut. Zwei solche Zellen sind auf Taf. XIII, Fig. 4 (sz.) zu sehen. Ihre Form ist, wie erwähnt, meist spindelförmig und sie liegen bald näher, bald weiter von der Oberfläche ent- fernt. Die Nerven, welche zu diesen Zellen herantreten, stehen mit denen, welche an den Wimperzellen endigen, augenscheimlich in gar keinem Zusammenhang. Ehe ich aber diese Innervations- verhältnisse auseinander setze, ist es nöthig, einen Blick auf die Vertheilung der Nerven des Gaumens im allgemeinen zu werfen. Die Vertheilung der Nerven im Gaumen. Bevor ich zu den Thatsachen übergehe sei bemerkt, dass ich die Varicositäten der marklosen Nervenfasern für Kunstprodukte zu halten geneigt hin. Dafür spricht, dass sie nicht in jedem Fall auftreten, und, wenn sie vorhanden sind, in der Zahl ausser- ordentlich schwanken. Dann kann ich aber mit Bestimmtheit angeben, dass ich sie im Bauchmark von Astacus unter dem Mikroskop habe entstehen sehen. Das Thier war mit Methylen- blau injieirt, das Bauchmark auf den Objektträger gebracht und ich sah, wie eine ganze Anzahl anfangs ganz glatter Fasern an einzelnen Stellen aufquollen und nun die charakteristischen Vari- cositäten zeigten. Indessen habe ich da, wo Varicositäten in meinen Präparaten vorhanden waren, sie auf den Zeichnungen mit angegeben. Betrachtet man mit Methylenblau behandelte und vortheil- hafter Weise mit Alaun-Cochenille nachgefärbte Flächenpräparate des Gaumenüberzugs, so fallen einem schon bei flüchtiger Besich- tigung zwei verschiedene Nervennetze auf. Das eine entsteht aus den beiden Hauptnerven, welche im vordern Drittel des Prä- Die Nervenendigungen im Gaumen und in der Zunge des Frosches. 195 parates von oben herab treten und sich schnell in eine grosse Anzahl von Zweigen theilen, die wieder unter einander in Ver- bindung stehen. Diese ziemlich gradlinig verlaufenden Nerven- bündel werden leicht als aus markhaltigen Nerven bestehend erkannt. Aus den stärkeren Stämmen lösen sich einige wenige mark- lose Nervenfasern ab, welche ein zweites Netz bilden, das in mehreren Schichten angeordnet ist. Die Fasern dieses Netzes bilden wirkliche Anastomosen mit vielfachen, eingestreuten Kernen und verlaufen in stark geschlängelten Linien (Fig. 8, Taf. XI). Die markhaltigen Nervenfasern versorgen vorzugsweise die Sinneshügel und die Untersuchung dieser Verhältnisse ergiebt recht interessante Resultate. Es treten in jeden Hügel zwei Nervenfasern ein, welche sich in demselben bäumchenartig, aber in sehr variirender Weise verzweigen und dort die bereits be- schriebenen Endigungen eingehen (Fig. 5, Taf. XII). Nun wird von Fajerstajn (1O)und Niemack (8) im Gegen- satz zu Arnstein (2) und Retzius (6) angegeben, dass die durch Theilung der markhaltigen Fasern entstandenen Aeste unter ein- ander Anastomosen eingehen und besonders nach dem Eintritt in's Epithel wirkliche Netze bilden. Diese Beobachtung klingt schon, vom physiologischen Standpunkt aus betrachtet, ausser- ordentlich ‚unwahrschemlich, weil dadurch der Vortheil der iso- lirten Nervenleitung gänzlich annullirt würde. Die Beurtheilung der Verhältnisse ist nun allerdings besonders in den Endplatten der Zunge, welche sich vor den Sinneshügeln des Gaumens durch bedeutenden Nervenreichthum (es treten 6—8 markhaltige Fasern ein) auszeichnen, überaus schwierig und es gelingt nur bei Anwendung der stärksten Vergrösserungen, die feinen Nervennetze aufzulösen. Ich habe die Frage sowohl an Sagittalschnitten, wie an Flächenschnitten der Zunge und des Gaumens eingehend mit Hülfe der Oelimmersion von Leitz Ya und der apochromaten Immersion von Zeiss (Abstand 1,50 mm) untersucht und glaube mit Bestimmtheit versichern zu können, dass Anastomosen nicht vorkommen, weder zwischen den Aesten eines und desselben Nerven, noch zwischen denen verschiedener Nerven. Wenigstens habe ich in einer grossen Anzahl vorzüg- licher Präparate nichts dergleichen entdecken können. Wenn- einmal in einen Hügel mehr als zwei Nerven ein- 196 Albreeht Bethe: treten, was nicht selten geschieht, so gelingt es fast immer beim Verfolgen in proximaler Richtung zu finden, dass diese Mehrzahl durch Theilung aus dem einen Nervenfaden oder aus beiden ent- standen ist, dass also thatsächlich doch nur Elemente aus zwei gesonderten Nervenfasern den Hügel versorgen. Verfolgt man nun (und das darf, wenn Irrthümer vermieden werden sollen, nur mittelst Immersion geschehen) eine in einen Hügel eintretende Faser genau in ihrem Verlauf, so findet man, dass sie nicht nur diesen einen Hügel versorgt, sondern ausserdem noch zu drei weiteren Hügeln verläuft und sich in denselben verzweigt. (Man verfolge die blau gezeichnete Faser b in Fig. 6, Taf. XIII, welche sich in den Hügeln //Z, IV, V und VI verzweigt.) Wenn man nun die zweite in einen dieser vier Hügel ein- tretende Faser, z. B. die schwarz gezeichnete Faser c, welche in den Hügel V7/ eintritt, in ihrem Verlauf verfolgt, so sieht man, dass sie sich in keinem der drei andern Hügel verzweigt, aber weiterhin zum Hügel /Z und XV7 tritt. Ebenso erhalten die Hügel V, JV und III, welche mit dem Hügel VI eine gemein- same Faser hatten, ihre zweite Versorgung aus je einem andern Nerven, welcher seinerseits wieder mit je drei andern Hügeln in Verbindung tritt. Es existirt also immer nur ein Hügel, welcher von denselben beiden Nervenfasern innervirt wird. (Die Erklärung dieser sonderbaren Innervationsverhältnisse findet sich im nächsten Kapitel.) Uebrigens ist diese Einrichtung nicht immer ganz durchge- führt. So kamen einige wenige Fälle zur Beobachtung, wo meh- rere Hügel von denselben beiden Fasern innervirt wurden (Hügel X, Alund XII, -Fig6). Bald nach dem Eintritt der markhaltigen Fasern in die Hügel geben sie einen oder auch mehrere, meist stark varieös erscheinende Fasern ab, welche den Hügel wieder verlassen und dieht unter dem Epithel dahinlaufend sich vielfach verzweigen. Diese Zweige füllen den Raum zwischen den Hügeln aus und schieben sich mit denen, welche von den benachbarten Hügeln ausgehen, durcheinander, ohne mit ihnen jemals Anastomosen ein- zugehen. (Ein Theil dieser Verzweigungen ist auf der rechten Seite der Fig. 5 angegeben.) Es kommt nun nicht selten vor, dass der zweite Nerv eines Hügels nicht vom Hauptplexus herab- steigt, sondern von einem benachbarten Hügel aus diesen varicösen Die Nervenendigungen im Gaumen und in der Zunge des Frosches. 197 Zweigen her kommt. (Diese Nerven sind auf Fig. 6 punktirt angegeben.) Die Hauptmasse derselben tritt aber zwischen die Zellen des Deckepithels und begiebt sich hier zu den vorher er- wähnten dunkelkernigen Zellen, um an ihnen mit Knöpfen zu enden (Taf. XIII, Fig. 4, $2.). Was nun das zweite aus marklosen Nervenfasern bestehende Netz des Gaumenüberzuges anbetrifft, so ist es schon früher an Chlorgoldpräparaten gesehen und auch von Arnstein (2) an Methylenblaupräparaten beobachtet worden. Neuerdings hat Dogiel (12) in der Haut der Genitalorgane des Menschen ein ähnliches Netz genauer beschrieben. Er hat den Zusammenhang mit dem Blutgefässsystem richtig erkannt, wenn er aber glaubt, dass die zum Epitbel heraufsteigenden Aeste mit den Fasern, welche aus markhaltigen Nerven stammen, anastomosiren, So con- statire ich, dass ich beim Frosch dieser Annahme entsprechende Verhältnisse nieht habe finden können. Die aus den Hauptnerven sich ablösenden marklosen Fasern (Taf. XII, Fig. 8, F.) gehen bald in Zellen über, deren Kerne sich mit Alaun-Cochenille deutlich roth färben. Von diesen Zellen aus gehen mehrere Fasern zu ähnlichen Zellen, in die sie ohne merk- liche Unterbrechung übergehen. Auf diese Weise entsteht ein in mehreren Schichten angeordnetes weitmaschiges Netz. Die tiefst- liegenden Zellen desselben berühren schon zum Theil das Epithel und senden in dasselbe Aeste. Ein anderer Theil dieser nervösen Zellen tritt mittelst seiner Fortsätze in direete Verbindung mit einem ähnlichen Netz, welches die Arterien und Venen umspinnt (Bar. ll, Big: 9. In Uebereinstimmung mit Dogiel kann ich angeben, dass sich von diesem der Tunica externa aufliegenden Netz Aeste in die Tiefe senken, um zwischen der Ringmuskelschicht und der Tuniea externa ein zweites Netz zu bilden. Zwar sieht man hin und wieder blaue Knöpfehen zwischen den Ringmuskeln liegen, ob sie aber mit den Muskelzellen in einem direeten Zusammen- hang stehen, konnte ich nicht entscheiden. Von den Aesten dieses kernführenden Nervennetzes, die sich ins Epithel begeben (Taf. XIII, Fig. 4, Gz.), kann ich mit Be- stimmtheit sagen, dass sie bis zur Oberfläche des Deckepithels heraufsteigen und hier mit den oben beschriebenen dreilappigen, geschwänzten Platten an den Wimperzellen enden. Vielleicht 198 Albrecht Bethe: geben sie auch noch die Innervirung für die Drüsenzellen (Fig. 4, Dz.) ab; doch will ich das nieht mit Bestimmtheit aussagen. Auf keinen Fall aber treten sie im irgend welche Verbindung mit den varieösen Fäden, welche aus den markhaltigen Fasern stammen. Theoretische Betrachtungen. Schon oftmals, zuletzt von Fajerstajn (10), ist die Ansicht geäussert worden, dass die Endscheiben der Froschzunge und des Gaumens keine Geschmacksorgane, sondern wesentlich Tastorgane seien. Ich finde, dass diese Ansicht viel für sich hat, Erstens nimmt der Frosch fast nur stark cutieularisirte Thiere als Nah- rung, welche er ganz herunterschluckt, ohne sie zu zerkleinern. Dabei kann er schwerlich einen Geschmack von den Speisen haben. Kleinere Insekten werden sehr schnell verschluckt, so dass sie kaum mehr als eine Sekunde im Maul verbleiben. Ich habe auch nie bei Fröschen oder Kröten, welche ich früher Jahre lang selbst gefüttert habe, beobachten können, dass sie eine an- dere Auswahl in ihrer Nahrung treffen, als in Bezug auf die Grösse der Bissen. Sie ziehen kleine Thiere grösseren vor, aber nehmen ebenso gern Fliegen, wie Mehlwürmer oder bewegte Fleischstücke. Allerdings verabscheuen sie stinkende Käfer, aber diese werden gar nicht erst ins Maul genommen. Packt man einen Frosch so, dass man den Zeigefinger in das geöffnete Maul steckt und mit dem Daumen von aussen ge- sendrückt, so beruhigt er sich nach einiger Zeit und hängt schlaff herunter. Wenn man nun ganz verdünnte Essigsäure oder Pikrinsäure nimmt, welche vom Menschen grade noch die eine sauer, die andre bitter geschmeckt werden, und betupft damit die Zunge, so findet gar keine Reaction statt. Man muss schon 1/,0/, Lösungen anwenden, um eine Reaction hervorzubringen. Etwa 2—3 Sekunden nach Applikation macht das Thier heftige Abwehrbewegungen mit den Vorderbeinen. Diese treten nun aber nieht nur auf, wenn man die Pikrinsäure oder die Essigsäure auf Stellen bringt, an denen Endplatten vorhanden sind, sondern auch dann, wenn sie an andern Orten der Mundsehleimhaut, z. B. am Anfang des Oesophagus applieirt werden. Man kann also nicht sagen, dass diese Aeusserungen des Unbehagens, von denen es schwer zu entscheiden ist, ob sie durch wirkliches Schmeecken Die Nervenendigungen im Gaumen und in der Zunge des Frosches. 199 der Substanzen, oder durch chemischen Reiz beliebiger epithelialer Nervenendigungen hervorgerufen werden, in erkennbarer Bezie- hung zu den Endplatten stehen. Da nun diese Reactionen erst nach etwa 2—3 Sekunden eintreten, so ist wohl kaum anzuneh- men, dass wir es hier mit Schmecken zu thun haben. Die Ein- richtung würde für das Thier von gar keiner Bedeutung sein, da, wie schon erwähnt, kleine Bissen oft sehr schnell herunterge- schluckt werden, so schnell, dass das Thier sie erst schmecken würde, nachdem der Bissen schon im Oesophagus eingetreten ist. Auch die Vertheilung der Endscheiben der Zunge und der Sinneshügel des Gaumens spricht nicht grade zu Gunsten ihrer Schmeckfunction. Auf der Zunge stehen sie nur auf der Ober- seite und zwar am dichtesten an den Rändern. Ebenso sind an den Rändern des Gaumens die Lücken zwischen den Hügeln am kleinsten. In der Mitte stehen sie vorne sehr dicht, werden aber bald hinter den Choanen sehr sparsam und hören schon weit vor dem Anfang des längsgefalteten Oesophagus ganz auf, während sie sich am Rande bis zu den Mundwinkeln hinziehen. Diese Art der Vertheilung würde mit einer tastenden Function weit besser zusammen passen. Mit der herausgeschnellten Zunge wird die Nahrung ergriffen, wozu eine sehr feine und gut localisirte Empfindung nöthig ist, da die Beute gewissermaassen in die Zunge eingewickelt wird. Wenn dann die Zunge zurückgezogen ist, so kann ein grösseres Thier, das häufig auch durch Sehnappen mit dem Maul ohne Hülfe der Zunge erhascht wird, nicht gleich ver- schluckt werden, weil es sich noch nicht ganz in der Mundhöhle befindet und, um dies zu beurtheilen und die geeigneten Bewe- gungen einzuleiten, würden die am Oberkieferrande befindlichen Endscheiben sehr nützlich sein. Wie fein die Tastempfindungen der Zunge sind, erkennt man leicht, wenn man sie an irgend einer Stelle berührt; sofort legen sich wie refleetorisch die um- liegenden Theile, wie um ihn festzuhalten, an den berührenden Gegenstand an. Am allerwenigsten spricht aber für die Geschmacksfunetion der Sinneshügel die Art ihrer Innervirung. — Wie ich oben gezeigt habe, sind in der Regel nicht zwei Sinneshügel vorhanden, welehe von denselben beiden vier getheilten Nerven versorgt werden. Daraus resultirt, dass bei Erregung eines Hügels zu gleicher Zeit zwei ganz bestimmte centrale Ganglienzellen erregt werden, 200 Albrecht Bethe: welche bei Reizung keines andern Hügels zu gleicher Zeit fune- tioniren. Es sind also die anatomischen Bedingungen zur genauen Loealisation der Empfindung vorhanden. Derselbe Effekt würde auch erreicht werden, wenn jeder Hügel nur von einem ihm allein zugehörigen Nerven versorgt würde, da sich, wie vorher erwähnt, jedem Hügel gegenüber beide Nerven gleich verhalten. Es ist aber klar, dass durch die Doppelinnervirung und Viertheilung der Nervenfasern eine grosse Ersparniss an Nervenfasern und Centralenganglienzellen erreicht wird, ohne dadurch die Feinheit der Localisation zu beeinträch- tigen, indem wir es hier mit einer einfachen Anwendung der mathematischen Combinationslehre in der Natur zu thun haben. 5.4 ß = —]0 nach der Formel der Anzahl der Combina- Er tionen der rten Klasse aus n-Elementen ohne Wiederholungen: C’(n)— nn—1)Rn—2).......- lee) A ch Da nach dieser Rechnung zwischen fünf Grössen zehn Com- binationen zweiter Klasse ohne Wiederholungen möglich sind, so werden in unserm Fall für die 210 von mir im Gaumenüberzug eines Frosches von 15cm grösster Länge gezählten Sinneshügel nicht 210 Nerven und 210 centrale Ganglienzellen, welche bei einfacher Innervirung nöthig wären, gebraucht, sondern nur die Hälfte, nämlich 105 Nerven und 105 Ganglienzellen, was schon eine ganz bedeutende Ersparniss im Haushalt des Froschindivi- duums ausmacht. Es wäre nun die Ersparniss an Nervenfasern und Ganglien- zellen noch viel grösser, wenn ihre Zahl nur so gross wäre, als nöthig ist, um 210 Combinationen zweiter Klasse ohne Wieder- holungen zu geben. Bezeichnet man die gesuchte Anzahl der Nerven mit @, so erhalten wir die Gleichung: (?(5) = 2.(2—1) 5 =) 22——=420 22 — e-—-420 =0 a=1+) 44420 Die Nervenendigungen im Gaumen und in der Zunge des Frosches. 201 BG Es wären also zur Innervirung der 210 Sinneshügel nur 21 Nerven und 21 ceentrale Ganglienzellen nöthig, und es würde trotzdem die Reizung eines Hügels localisirt wahrgenommen wer- den können. In diesem Falle wäre es aber nothwendig, dass sich jede Nervenfaser in 20 Aeste theilte und dass diese zum Theil die ganze Länge und Breite des Oberkiefers durchliefen. Die sichere Erreichung der Hügel durch die Nervenäste würde durch die Complication überaus erschwert, und was an der Masse der Hauptnerven und der Ganglienzellen erspart bliebe, würde zum grossen Theil bei den Aesten wieder zugesetzt werden. Dagegen beschränkt sich die Ausbreitung eines Nerven bei der thatsächlich in den meisten Fällen nachweisbaren Viertheilung nur auf ein kleines Gebiet und es wird dadurch in Wirklichkeit mehr erspart werden, als es bei der Zwanzigtheilung geschehen würde. Bei dem allerdings etwas problematischen Versuche, die Fasern der beiden eintretenden Hauptnerven eines Gaumenüber- zuges, dessen Sinneshügelzahl etwa 230 betrug, auseinander zu zupfen und zu zählen, ergab sich eine Zahl, welche die zu er- wartenden 115 noch lange nicht erreichte. Ich fand nur etwa 70 Fasern. Vielleicht sprieht dies dafür, dass sich der einzelne Nerv doch öfter als viermal theilt, was allerdings auch in einzelnen Fällen beobachtet wurde. (Die grüne Faser ö in Fig. 6, Taf. XIII, welche 7 Hügel innervirt.) Dass bei der Zunge ähnliche Innervationsverhältnisse be- stehen, ist nicht ausgeschlossen; ich konnte mit Bestimmtheit an Schnitten sehen, dass die hohe Anzahl von Nerven, welche in die Endscheiben eintreten, wesentlich aus sehr tiefer Theilung einer geringeren Anzahl hervorgegangen sind und dass ausserdem ein und dieselbe Nervenfaser sich zu mehreren Endscheiben begiebt. Wenn nun meine Erklärung richtig ist, und wir es thatsäch- lich mit einer Einrichtung zu thun haben, welche zur Localisirung der Empfindung dient, dann ist es nicht gut möglich, in den Sinneshügeln ein Geschmacksorgan zu erblicken, da es nur für Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 14 202 Albrecht Bethe: ein Thier von Wichtigkeit sein kann, überhaupt zu schmecken, aber nieht localisirt zu schmecken. Ich glaube also mit Recht die Sinneshügel und, da sie ganz analog gebaut sind, auch die Endplatten als Tastorgane deuten zu dürfen. Durch die Versuche Goldscheider’s (13) ist nun die . Weber’sche Theorie der Empfindungskreise, welche den Physio- logen so sehr viel Schwierigkeiten bereitet hat, widerlegt und erwiesen worden, dass der Sitz der Tastempfindungen in punkt- förmiger Lage auf der Haut angeordnet ist. Diese Empfindungs- punkte, welche beim Menschen nachweislich durch Reichthum an Tastkörperchen ausgezeichnet sind, unterscheiden sich wieder nach drei verschiedenen Functionen: Druckpunkte, Wärmepunkte und Kältepunkte. Werden zu gleicher Zeit zwei Druckpunkte erregt, so werden zwei gesonderte und localisirte Empfindungen wahr- genommen; an den Stellen zwischeu Druckpunkten ist dagegen nur ein pelziges undeutliches Gefühl vorhanden. Die Nähe zweier Druckpunkte, welche noch gesondert wahrgenommen werden, ist an manchen Stellen erstaunlich gross. Die kleinsten gesonderten Druckempfindungen werden in einer Entfernung von 0,1 mm wahr- genommen. Um diese feine Localisation zu erklären, ist es natür- lich nöthig, anzunehmen, dass eine wohl isolirte Nervenleitung vom Druckpunkt zum Centralorgan geht, und ich glaube eine solche Leitung für den Gaumen des Frosches erwiesen zu haben. Wir hätten uns also vorzustellen; dass die Sinneshügel allein im Stande sind, genau localisirt zu empfinden, während die Endigun- gen an den dunkelkernigen Zellen des Deckepithels, da sie nur mit einer centralen Zelle in Verbindung stehen und die zusammen- gehörigen über ein grosses Gebiet zerstreut sind, nur ein diffuses, mangelhaft localisirtes Gefühl vermitteln. Die Endigungen an den Flimmerzellen mittelst der drei- lappigen, geschwänzten Platten können wir nicht gut für Träger sensibler Empfindungen halten, und es wird eher denkbar sein, dass sie bei dem engen Connex, in dem sie mit den Nerven der Blutgefässe stehen, einer nutritiven oder ‚die Wimperbewegung regulirenden Function vorstehen. i Das wir thatsächlich dem Frosch eine derartige Feinheit der Localisation zutrauen dürfen, wie sie aus dem Vorhergehen- den hervorgeht, mögen einige Zahlen der Entfernungen der Sinnes- hügel beweisen: Die Nervenendigungen im Gaumen ünd in der Zunge des Frosches. 203 Die Entfernungen sind am Gaumen eines 15cm langen Frosehes gemessen und in Mikra ausgedrückt: Seitlicher Rand: Mitte: 25657192 272 a | al 368 | 320 224 522 448 320 | 176 208 560 368 240 | 240 | 320 368 | 560 208 | 240 | 272 374 352 416 | 336 | 288 560 432 | 352 | 240 218 Summa: Leon — 494 176 | 256 |_8336 352 13 192 | 352 > Te 320 368 'Summa: nn — 981 ‚ee 27 Der Frosch wird also am Rande noch Reize in einer Ent- fernung von 0,28 mm, in der Mitte von 0,49 mm als getrennt empfinden können. Uebertragen wir diese Verhältnisse auf einen Menschen von 150 em Länge, so würde das bei ihm gesonderte Empfindung in einer Entfernung von 2,5—4,9 mm ergeben, während er in Wirklichkeit noch bei Reizen, welche weit weniger als Imm Entfernung haben, an fein fühlenden Stellen gesonderte Empfin- dungen wahrnimmt. Es steht also auch von dieser Seite her der Auffassung nichts im Wege, dass die Sinneshügel genau localisirte Empfindungen besitzen. Ob wir es in ihnen nur mit Druckpunkten zu thun haben, oder ob einige von ihnen Wärme- und Kältepunkte sind, lässt sich zur Zeit nicht entscheiden. Im Bau bieten sie keinerlei Verschiedenheiten dar und, wenn nicht immer in jedem Hügel alle Arten von Endigungen gefunden werden, so ist dies wohl nur als auf mangelhafter Färbung beruhend zu erklären. Sonderbar ist es, dass wir in den Hügeln verschiedene Arten von Endigun- sen finden; diese aber für verschiedene Arten von Empfindungen in Anspruch zu nehmen ist nicht zugängig, da sie alle mit den- selben Nerven in Zusammenhang stehen und sich diese Anschau- . ung nicht im Einklang mit den Resultaten Goldscheider’s (15) und Herzen’s befinden würde, nach denen nicht nur Druck, Wärme und Kälte immer an ganz verschiedenen Punkten empfun- den, sondern auch die Empfindungen dieser Gefühle durch ganz verschiedene Nerven, vielleicht sogar durch verschiedene Bahnen vermittelt werden. 204 Albrecht Bethe: Literaturverzeiehniss. 1. Ehrlich: Ueber die Methylenblaureaction der lebenden Nerven- substanz. Deutsche medieinische Wochenschrift. Bd. 12. 1886. 2. Arnstein: Die Methylenblaufärbung als histologische Methode. Anat. Anz. 2. 1887. 3. Derselbe: Die Nervenendigungen in den Schmeckbechern der Säuger. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 41. 1893. 4. Merkel: Ueber die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbelthiere. Rostock 1880. Retzius: Ueber die neuen Prinzipien in der Lehre von der Ein- richtung des sensiblen Nervensystems. Biologische Untersuchun- gen. Bd. 4. Stockholm 1892. 6. Derselbe: Die Nervenendigungen in dem Geschmacksorgan der Säugethiere und Amphibien. Biol. Unters. Bd. 4. Fusari und Panasci: Sulle terminazioni nervose nella mucosa e nelle ghiandole sierose della lingua dei mammiferi. Atti della R. Accademia delle seienze di Torino. V.25, Disp. 15a. 1889—1890. 8. Niemack: Der nervöse Apparat in den Endscheiben der Frosch- zunge. Anatomische Hefte. 1892. 9. Engelmann: Ueber die Endigungen der Geschmacksnerven in der Zunge des Frosches. Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. 18. 1868. 10. Fajerstajn: Recherches sur les terminaisons des nerfs dans les disques terminaux chez la grenouille. Archives de Zool. exp. et gener. II, Serie. T. 7. 1889. 11. Leydig, Fr.: Zelle und Gewebe. Bonn. 1885. 12. Dogiel: Die Nervenendigungen in der Haut der äusseren Genital- organe des Menschen. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 41. 1893. 13. Goldscheider: Ueber Wärme-, Kälte- und Druckpunkte. Archiv für Anatomie und Physiologie. 1885. So -ı Erklärung der Abbildungen auf Tafel XII und XII. Alle Präparate stammen von Rana esculenta und sind mit einem Zeichenapparat nach Abb& gezeichnet. Tafel XII. Fig. 1. Sinneshügel aus dem Gaumen (Sagittalschnitt, Canadabalsam). Die Nerven sind mit Methylenblau gefärbt, die Kerne mit Alaun-Cochenille. Die beiden nach allen Seiten sich bäumchen- Die Nervenendigungen im Gaumen und in der Zunge des Frosches. 205 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. DD förmig verzweigenden Nerven, von denen der eine schwarz gezeichnet ist, endigen mit runden Endplatten, ohne Anasto- mosen mit einander einzugehen. In der Tiefe liegen einige Blutkörperchen. Vergr. Leitz: Homogene Oelimmersion Yo Ocular I. Auf %, verkleinert. Drei Cylinderzellen aus einem Sinneshügel des Gaumens. Methylenblau, Alaun-Cochenille. Zwei Endigungen mit dreilap- piger Endplatte, von denen die eine von der Seite gesehen wird. Vergr. Leitz: Oelimmersion !/;, Ocular IV. (Nachge- prüft mit Zeiss Apochromat 1,50 mm, Compensationsocular 8 und 12. Ebenso sind die folgenden Zeichnungen Fig. 3, 4, 5 und 6 nachgeprüft.) Oberer Rand eines Sinneshügels aus einem Sagittalschnitt her- ausgezupft. Methylenblau, Alaun-Cochenille. Endigungen mit dreilappiger Platte an vier Cylinderzellen (die eine von der Seite gesehen). Ausserdem Endigung mit runder Platte an einer Stäbchenzelle und einer tiefen Cylinderzelle (?). Vergr. Leitz: Oelimmersion 1/j, Ocular IV. Zwei isolirte Stäbchenzellen mit Endplatte und Nerv aus einem Zupfpräparat. Methylenblau, Alaun-Cochenille. Vergr. Leitz: Oelimmersion !/s, Oeular I. Sagittalschnitt eines Sinneshügels. Methylenblau, Alaun-Coche- nille. Endigung mit runder Endplatte an zwei Stäbchenzellen und mit dreilappiger Endplatte an einer Cylinderzelle. Vergr. Leitz: Oelimmersion !/s, Ocular III. Endigung mit dreilappiger, geschwänzter Endplatte an Wimper- zellen des Gaumens. Sagittalschnitt. Methylenblau, Alaun- Cochenille. Vergr. Leitz: Oelimmersion !/j, Ocular IV. Aeusseres Nervennetz einer kleinen Arterie des Gaumens in Verbindung mit einer Zelle des marklosen Nervennetzes. Flä- chenpräparat. Methylenblau, Argentum nitricum, Alaun-Coche- nille.. Vergr. Leitz: Objectiv 7, Ocular I. Markloses Nervennetz aus dem Gaumen. Flächenpräparat. Methylenblau, Alaun-Cochenille. Zeiss, Apochromat 8 mm, Oeular von Leitz No. III. F. aus dem Hauptnerven kom- mende marklose Faser. Tafel XII. Sagittalschnitt aus einem Sinneshügel mit Nerv und Gabel- zelle. Methylenblau, Alaun-Cochenille. Vergr. Leitz: Oelim- mersion Ye, Ocular I. Aus einem Sagittalschnitt der Zunge. Freie Endigung zwi- schen zwei Cylinderzellen einer Endscheibe. Methylenblau, Alaun-Cochenille. Vergr. Leitz: Oelimmersion !/,,, Ocular I. . Zellmosaik eines Sinneshügels aus dem Gaumen. Methylen- blau, Argentum nitrieum. Man sieht in dem Kittnetz, welches 206 A. Bethe: Die Nervenendig. im Gaumen u. in d. Zunge des Frosches. Fig. 4. Fig. 6. die Enden der Cylinderzellen umschliesst grössere Kreise (die Enden der Stäbchenzellen) und kleine Kreise, in denen die Enden der Gabelzellen und die freien Nervenendigungen, welche zum Theil blau gefärbt sind, liegen. Vergr. Oelimmer- sion Y/ıg, Ocular 1. Schnitt durch einen Sinneshügel und das benachbarte Epithel des Gaumens. Methylenblau, Alaun-Cochenille. Im Hügel sieht man 2 freie Endigungen zwischen Cylinderzellen und ver- schiedene Endigungen an Stäbchenzellen. Aus dem Hügel heraus läuft der Nervenast A. und setzt sich unter Abgabe von Seitenzweigen mit runder Endplatte an eine dunkelker- nige Zelle Sz. an. Von der Ganglienzelle Gz. verläuft ein Nerv zu den zwei Endigungen an Wimperzellen. Bl. = Blut- körperchen, Dz. — Drüsenzelle. Vergr. Zeiss, Apochromat 1,50 mm. Ocular von Leitz No. I. Auf ?/, verkleinert. Theil eines Flächenpräparats des Gaumens. Die Nerven sind, um ihre Verfolgung zu ermöglichen, in verschiedenen Farben eingetragen. Die Lage der Hügel und Hauptnerven wurde mit schwacher Vergrösserung gezeichnet; die Verfolgung der Nerven geschah mittelst Oelimmersion 1/j, Ocular I von Leitz. Imrechten Theil sind die varicösen Nervenäste, welche aus den Hügeln austreten und zum Deckepithel verlaufen, eingetragen. Ein grösseres Stück des Gaumens mit schematisirtem Verlauf der Nerven, welche in verschiedenen Farben angegeben sind, aber nur so weit zusammen gehören, als sie in Continuität gezeichnet sind. Die Hügel sind nur durch Zahlen angegeben, die Buchstaben beziehen sich auf die Nerven und entsprechen denen der vorigen Figur. Die punktirten Nervenfasern ver- laufen dicht unter dem Epithel und sind im Präparat varicös. Die Verfolgung geschah mit Oelimmersion !/;; und Ocular I von Leitz. 207 Zur Kenntniss der Haarwurzelscheiden. Von Dr. A. v. Brunn, Prof. in Rostock. Hierzu Tafel XIV. Zweck der vorliegenden Mittheilung ist es, einzelne Punkte in der Lehre vom Baue der Haarwurzelscheiden zu besprechen, in denen die Resultate meiner Untersuchungen nicht völlig mit den Angaben der Handbücher übereinstimmen und zur Vervoll- ständigung unserer Kenntnisse über die genannten Bildungen einen weiteren Beitrag zu liefern !). 1) Anmerkung. Im Voraus bemerke ich bezüglich der Nomen- klatur, dass ich die alten Henle’schen Bezeichnungen: „äussere und innere Wurzelscheide“ beibehalten und auch die v. Kölliker’schen Abtheilungen der letzteren: Henle’sche und Huxley’sche Sehicht und Cutieula anwenden werde, — nicht die Unna’schen (1): Stachelschicht und Wurzelscheide; nicht etwa, weil ich nicht auch die Ueberzeugung habe, dass die innere Scheide von der äusseren unabhängig sei be- treffs ihrer Entstehung und ihres Wachsthums, sondern weil ich es für praktischer halte, bei den alten Benennungen zu bleiben, welche nicht nur in die deutschen Hand- und Lehrbücher, sondern auch in die Li- teratur aller andern Nationen übergegangen sind, und von denen Jeder weiss, was man mit ihnen meint. Ich halte es für falsch, allgemein in Gebrauch genommene und verstandene Namen naturwissenschaftlicher Dinge ohne dringende Noth über Bord zu werfen, vorausgesetzt, dass sie wie hier keinerlei Missverständnisse hervorrufen können. Sie sind entschieden besser als solche, die eine Deutung mikroskopischer Bilder enthalten und die also mit dem Aufkommen einer anderen Deutung auch gewechselt werden müssten. Die „Stachelschieht“ müsste man ja entsprechend der heutigen Tages allgemein gewordenen Deutung und Bezeichnung der betreffenden Structuren in „Intercellularbrücken- schicht“ umtaufen — und wer kann sagen, wie man sie nach 20 Jahren nennen müsste! Aeussere und innere Scheide der Haarwurzel werden die beiden Schichten stets bleiben, da diese Namen Nichts als die topo- graphische Lage beider besagen. 208 NesvauBasunme Aeussere Wurzelscheide. Hinsichtlich dieser Schieht möchte ich die Aufmerksamkeit auf zwei Punkte lenken, nämlich auf die Form ihrer Zellen und auf deren Structur. Die Handbücher geben sich im Allgemeinen wenig damit ab, die Form der Zellen dieser Schicht zu beschreiben, sie verweisen auf die Beschreibung des Rete Malpighi und geben an, dass die äusserste Lage eylinderzellenähnliche Elemente enthalte; so Henle (2), Toldt (3), v. Kölliker (4). In Wirklichkeit verhält es sich mit diesen Zellen nun aber anders. Untersucht man Längsschnitte aus dem dicht über dem Bulbus gelegenen Theile der äusseren Wurzelscheide, welche nur die äusserste Zellenlage getroffen haben, so sehen die Zellen ähnlich aus, wie eireuläre glatte Muskelfasern von geringer Länge, sie sind ganz ausserordentlich in die Breite gezogen und laufen nach beiden Seiten in scharfe Schneiden aus (Fig. 1). Da nun diese Elemente an Radiärschnitten der Haarwurzel das Bild eines Trapezes mit nach dem Haare zu wenig convergenten Seiten ergeben — also das Bild, welches zur Bezeichnung der Elemente als eylindrischer geführt hat, so wird man eine solche Zelle am passendsten mit einer halbirten, sehr flachen, bieonvexen Linse vergleichen, von der man parallel der Schnittfläche ein Stück des Randes abgetrennt hat. Die Längs- axen dieser Zellen stehen nicht immer genau quer, sondern häufig schräg, — auch nicht alle einander parallel, sondern ihre Rich- tung wechselt, wie es scheint ohne Regel, streckenweise, — in seltenen Fällen stehen sie auch der Haaraxe parallel. Dieser Umstand ist es, welcher bewirkt, dass man bei der Anfertigung von Querschnitten des Haarbalges diese Zellen nur selten in ihrer ganzen Länge trifft, die meisten schräg durchschneidet; er ist jedenfalls auch schuld daran, dass diese Form der Aufmerk- samkeit der zahlreichen Untersucher hat entgehen können. In einzelnen wirklich naturgetreuen Abbildungen ist diese Form aber auch zu erkennen, so z. B. in v. Kölliker’s (4) Fig. 176 oben und links unten. — Nach Unten hin erhält sich diese Form bis an das untere Ende der äusseren Wurzelscheide, nach Oben hin geht sie allmählich in die gewöhnliche prismatische Form über, deren Flächenansicht sich durch grosse Regelmässigkeit der polygonalen Figuren (Fig. 2) auszeichnet. Eine weitere auffallende Eigen- Zur Kenntniss der Haarwurzelscheiden. 209 thümliehkeit der äussersten Lage der äusseren Wurzelscheide ist auch die, dass die Zellen durch auffallend grosse Lücken ge- trennt und durch dementsprechend lange Intercellularbrücken unter einander verbunden sind. Mögen diese in den Figuren so klar hervortretenden Verhältnisse auch durch die Conservirungsmetho- den (Alkohol oder Müller’sche Flüssigkeit) etwas verstärkt wor- den sein, — der Umstand, dass in der entsprechenden Lage des Rete Malpighi an denselben Präparaten die Intercellularbrücken nur die gewöhnliche Länge besitzen, spricht doch entschieden für eine besondere Länge derselben an dieser Stelle. Die besprochenen Verhältnisse finde ich bei menschlichen Kopf- und Barthaaren regelmässig. Während nun die folgenden Elemente der äusseren Wurzel- scheide bei polygonaler Gestalt keine Besonderheiten der Form zeigen, ist die innerste Zellenlage, und auch besonders im tiefsten Theil des Haarbalges, characterisirt durch stark abgeflachte Form ihrer Elemente, die sich auch bis zum Haarknopf herunter erhält, eine Form, welche auch schon in manchen Abbildungen, wie in v. Kölliker’s Fig. 176 zum klaren Ausdruck gebracht worden ist. Auffallend ist an dieser Lage auch noch der Um- stand, dass ihre Elemente offenbar in viel festerem Zusammen- hange unter einander als mit denen der mittleren Schichten stehen: man sieht häufig, dass, wenn Spalten und Zerreissungen in der äusseren Wurzelscheide entstehen, diese zwischen der in Rede stehenden und der nächsten Schicht eintreten und dass so auf der inneren Wurzelscheide eine einfache Lage platter Zellen liegen bleibt (Fig. 3). Die Flächenansicht dieser Schicht lässt ihre Elemente als in der Querrichtung verlängerte polygo- nale Zellen erkennen. Da die äussere Wurzelscheide eine direete Fortsetzung des Rete Malpighi ist, so liegt es nahe zu untersuchen, ob ihre Zellen auch die fibrilläre Structur besitzen, wie sie von jener Schicht zuletzt durch Kromayer (5) beschrieben und abgebildet worden ist. In der That hält es nicht schwer, mittelst der von dem ge- nannten Autor angegebenen Methode Fibrillen sichtbar zu machen, welche im Allgemeinen in den peripherischen Schichten senkrecht zur Glashaut, in den mittleren Lagen strahlenförmig vom Kern aus verlaufen und in der innersten Abtheilung eireulär und ein- ander ungefähr parallel gehen (Fig. 4). Die Fibrillen benach- 210 A.v. Brunn: barter Zellen scheinen durch die Intercellularbrücken mit einander in Verbindung zu stehen. Indessen muss ich doch betonen, dass diese Verbindung nicht so weit geht, dass man die Selbstständig- keit der Zellenindividuen anzweifeln darf. In der Mitte eines jeden Brückenfädchens befindet sich eine kleine Verdiekung, wie sie schon von mehreren Autoren beschrieben und in jüngster Zeit von Reinke (6) als Knopf bezeichnet worden ist, die Zellen- srenze deutlich markirend. Freilich ist vor der Hand nicht an- zugeben, ob dieser Knopf eine Verdieckung in einem ununter- brochenen Fädcehen ist, oder eine Kittsubstanz, welche die den beiden Zellen angehörigen, hier endigenden Fädchen verbindet. Unter den Fibrillen, deren allgemeine Anordnung oben be- schrieben wurde, zeichnen sich nun einzelne Züge durch grössere Stärke und stärkere Färbbarkeit vor den übrigen aus, sowie auch durch besondere Regelmässigkeit, indem sie in spiraliger Richtung von Aussen nach Innen gehen. Die Richtung der Spiralen ist keine regelmässige, mitunter sieht man sie von Rechts nach Links, mitunter umgekehrt gewunden. Haben wir es bei den in diesen Zügen gelegenen Zellen mit solchen zu thun, die genetisch zusammenhangen? Ich enthalte mich einer Antwort auf diese Frage, weil es mir an Beweisen für ihre Bejahung gebricht. Innere Wurzelscheide. Nach der Angabe der bei Weitem meisten Autoren haben die Elemente der Henle schen Schicht und der Cutieula dieser Scheide nur im tiefsten Theile, soweit sie protoplasmatisch sind, und bis zum Aufhören des Keratohyalins Kerne, sind oberhalb dagegen kermlos, — so geben z.B. v. Kölliker (4) S. 232 u. 233, Toldt (3) S. 563, Krause (7) 8.109, Unna (l) S. 64, an. Dagegen ist Ranvier’s (8) Ansicht die, dass die Zellen aller drei Schichten in ihrer ganzen Ausdehnung Kerne besitzen, die im oberen Theile atrophisch sind. Diese letztere Ansicht wird durch meine Befunde an menschlichen Kopf- und Barthaaren vollauf bestätigt. Nach suecessiver Färbung in Pikrokarmin (Weigert) und Hämatoxylin sehe ich sämmtlieche Zellen der inneren Wurzelscheide deutlich kernhaltig. Die Kerne sind in den verhornten Zellen freilich viel kleiner und dünner als in den übrigen, fehlen aber nirgends (Fig. 5), selbst nicht in den bereits abgestossenen Elementen, die man oberhalb des freien Randes Zur Kenntniss der Haarwurzelscheiden. 211 der inneren Wurzelscheide zwischen der Epidermis des Haar- balges und dem Haare selbst findet. — Es möchte wohl Zeit sein, dass diese zuerst von Ranvier gegebene richtige Beschrei- bung die unzutreffenden Angaben der Handbücher ersetzte. Auch in einer andern Hinsicht möchte ich die Angaben der genannten und anderer Bücher gern corrigirt sehen, nämlich be- züglich der Löcher in der Henle schen Schicht. Sie werden fast übereinstimmend für Kunstprodukte erklärt und Vermuthun- gen über ihre Entstehung aufgestellt. Schon 1876 hat v. Ebner (9) S. 342 seinem Erstaunen darüber Ausdruck gegeben auch hat Ranvier (8) S. 823 eine genaue Beschreibung der Lücken auf dem Querschnitt geliefert und sie durch eine Abbildung illustrirt; eine ganz ähnliche Beschreibung lieferte auch Unna (1) S. 65. — Auch hierin muss ich den zuletzt genannten Forschern vollständig Recht geben. Die Lücken zwischen den Zellen der Henle’- schen Schicht sind unter allen Umständen vorhanden und müssen als etwas durchaus Normales betrachtet werden. Von den Zellen der Huxley schen Schicht gehen Fortsätze ab, welche durch diese Lücken hindureh ziehen und bis an die äussere Wurzel- scheide heran reichen, manchmal nur als feine zugespitzte Fäden, in anderen Fällen als dicke am Ende kolbenartig angeschwollene Zapfen. Das ist besonders schön zu sehen in der Gegend, wo die Zellen der Huxley schen Schicht mit Keratohyalinmassen dieht erfüllt sind, während die der Henle schen Schicht schon homogen geworden sind; hier sind auch die genannten Fortsätze keratohyalinhaltig und also stark färbbar (Fig. 6). Längsschnitte und Tangentialschnitte bestätigen dieses Resultat durchaus. Was nun die Beschaffenheit der Zellsubstanz der inneren Wurzelscheide betrifft, so werden allgemein drei Abtheilungen in der Huxley schen und Henle’schen Schicht angenommen: unten an der Papille die Keimzellen, dann die keratohyalinhalti- gen und oben bis zum freien Rande die zu verhornten Plättchen umgewandelten Zellen. An in Alkohol oder in Müller ’scher Flüssigkeit fixirten und mit Orange-Gentiana gefärbten Präpara- ten kann man nun aber die letztere Abtheilung noch in zwei weitere geschieden sehen, eine untere, die keine Färbung ange- nommen hat und eine obere dunkelblau tingirte, die bis zu dem abbröckelnden Rande reicht (Fig. 7). Diese Färbung ist eine sehr regelmässig eintretende und äusserst beständige. Wenn man 212 A, vw. Brunn: die Extraetion in absolutem Alkohol auch bis 48 Stunden dauern lässt, schwindet sie in der obersten Abtheilung nicht, die Diffe- renz tritt auch bei Anwendung anderer Anilinfarben hervor. In Saftranin und Methyleosin färben sich die der Oberfläche der Haut näher gelegenen Elemente dunkelroth, die in der Tiefe befind- liehen blassrosa. In Pikrokarmin-Hämatoxylinpräparaten sind die tiefen Zellen ungefärbt, die oberflächlichen himmelblau. Alles das spricht zu Gunsten der Meinung, dass zwischen den Kerato- hyalinzellen und den obersten am Ende ihrer Umwandlungen an- gelangten Elementen noch eine durch die ungefärbten Zellen vertretene Uebergangsform existirt. Und diese Ansicht wird auch noch durch die Thatsache gestützt, dass genau in demselben Grade, in dem das Aufhören des Keratohyalins und damit das Hellwerden der Zellen in der Henle’schen Schicht weiter unten anfängt als das der Huxley schen, so auch die Tinktionsfähig- keit der Elemente beider Schichten verschieden hoch beginnt (Fig. 7). Eine Differenzirung ähnlicher Art hat auch Ranvier (8) schon bekannt gemacht. Er sah bei Haaren, welehe mit Ammon- bichromat fixirt waren, nach langdauernder Pikrokarmineinwirkung den entgegengesetzten Farbeneffeet: die Eleidinzellen farblos, dann eine Anzahl oberhalb gelegener Zellen tingirt und darüber die wieder farblos gebliebenen bis zum freien Rande reichenden verhornten Schüppehen. Das spricht entschieden gegen die An- sicht derer, welche das Keratohyalin schon als Hornsubstanz gelten lassen und das homogene Aussehen der verhornten Zellen aus dem Aneinanderrücken und Verschmelzen der Keratohyalin- kugeln zurückführen wollen. Das Vorkommen des Keratohyalins wird seit v. Ebners Arbeit (9) für die beiden äusseren Schichten der inneren Wurzel- scheide von allen Autoren angegeben, ebenso stimmen alle darin überein, dass in der Henle’schen Schicht die Verhornung auf kürzerer Strecke erfolge, als in der Huxley schen, so dass also in ersterer eine geringere Anzahl von Keratohyalinzellen existiren als in der letzteren. Bei menschlichen Haaren ist letz- teres mit grösster Sicherheit zu sehen, und zwar ist nach meinen Messungen an Kopfhaaren der Unterschied der, dass keratohyalin- haltige Zellen in der Henle’schen Schicht 0,18, in der Hux- ley schen Schicht 0,28 mm über dem Grunde des Haarbalges beginnen, und dass die Ausdehnung des Keratohyalins in der Zur Kenntniss der Haarwurzelscheiden. 213 = äusseren Lage nur 0,41, in der inneren dagegen 0,85 mm be- trägt; — in ersterer Lage erfüllt es 15—20, in letzterer 42—50 übereinandergelegene Zellen (Fig. 7). In der Cutieula der Wurzelscheide scheint nur Ranvier Eleidintropfen gesehen zu haben, aber seine Beobachtung ist nicht mit Erfolg wiederholt worden. In der That existirt es nun auch hier (Fig. 7 und 9), aber erst in der Entfernung von ca. Imm vom Grunde des Haarbalges und nur auf der kurzen Strecke von O,lmm in einer geringen Anzahl von Zellen, deren Zahl wegen ihrer abgeplatteten Form und dachziegelartigen Deckung zu bestimmen mir nicht gelungen ist. Es beginnt also nicht weit unterhalb des oberen Randes seiner Ausbreitung in der Huxley schen Schicht, um ungefähr in derselben Höhe wie in jener wieder aufzuhören. Demnach erfolgt also bei sämmtlichen Schichten der inneren Wurzelscheide die Verhornung unter ähnlichen Erscheinungen wie im Oberhautepithel, — aber ein grosser wohl zu bemerkender Unterschied darf nicht übersehen werden: das ist die ganz un- geheure Anzahl der übereinander liegenden keratohyalinhaltigen Zellen. Während es ja im der Epidermis selten ist, dass 3 bis 4 Schichten übereinander vorkommen, haben wir hier bis 50 Lagen übereinander! Worin die Bedeutung dieser Eigenthümlichkeit liegt, ist ein Räthsel. Die Formen, in denen die genannte Substanz in den drei Schichten auftritt, ist recht verschieden. In der Henle’- schen Schicht erscheint es in den 3—4 untersten Zellen in Ge- stalt feinster Kügelchen, die häufig eine Art Kappe über dem der freien Hautfläche zugekehrten Pole des Kernes bilden; in den nächsten Zellen sind diese Kügelehen zu kurzen Stäbehen aus- gewachsen, um in den darauf folgenden die Gestalt regelmässiger gleich dieker und die ganze Länge der Zellen durchlaufender Keratohyalinfibrillen anzunehmen (Fig. 8), die einander und der Haaraxe parallel verlaufen. Sie sind als solehe sowohl an mit Kerntinetionsmitteln behandelten Präparaten im ungefärbten Zu- stande erkennbar, als auch besonders an mit Orange-Gentiana gefärbten Schnitten mit grösster Leichtigkeit zu sehen. An Quersehnitten erscheinen sie als äusserst kleine sehr stark glän- zende Kreise, die unten zuerst dieht am Kerne auftreten, weiter oben aber die ganze Zelle erfüllen. Nach oben hin hören diese 214 A.v. Brunn: Keratohyalinfädchen dann plötzlich auf, — nicht gerade so, dass sie alle auf einmal verschwinden (man sieht in der ersten der hellgewordenen Zellen manchmal noch eine oder zwei liegen), sondern so, dass keine Uebergangsformen zum ungefärbten Zu- stande, etwa in geringerer Tinktionsfähigkeit oder Aehnlichem, sich erkennen lassen. — Nach dieser Beobachtung lag mir die Frage nahe, ob diese Anordnung des Keratohyalins nieht durch eine fibrilläre Structur im den Zellen der Henle sehen Sehicht bedingt sei und ob nicht auch in den verhornten oberen Elemen- ten dieser Schicht sich Fibrillen auffinden liessen, ähnlich etwa wie in den spindelförmigen Elementen der Haarrinde. Indessen sind alle meine Bemühungen zum Nachweise derartiger Strueturen erfolglos geblieben. Weder in den Matrixzellen noch in den ver- hornten Zellen liessen sich nach allen möglichen Färbungen, auch der Kromayer’schen, irgend welche Structuren erkennen, sie erwiesen sich vielmehr als durchaus homogen. Uebrigens muss ich bemerken, dass eine solche parallelfaserige Anordnung des Keratohyalins nur an Kopfhaaren, nicht an solchen des Schnurr- und Backenbartes zur Wahrmehmung kam, dass hier vielmehr nur, wie auch v. Kölliker bereits angegeben hat, die Keratohyalinmassen mehr stäbchenförmig sind als rund. Die Elemente der Huxley schen Schieht enthalten das Keratohyalin in sehr wenig regelmässiger Form: zwischen grossen unregelmässigen Schollen und regelmässigen grösseren Kugeln finden sich kleinere und kleinste Körnchen eingestreut, häufig in so grossen Massen, dass der Kern völlig von ihnen verdeckt wird; in der Cutieula endlich findet es sich nur in kleinsten Körnchen, die bei der geringen Dicke der betreffenden Zellen nur in einer einzigen Lage liegen, also auf Quer- oder Längs- schnitten als eine Reihe feinster Pünktchen erschemen (Fig. 6 und 9). Zum Schluss möchte ich nun noch einmal die schon so oft gestellte Frage aufwerfen, ob die Verhornung der Haarrinde wirklich ganz ohne das Auftreten des Keratohyalins erfolge. Ich kann diese Frage nicht mit Ja beantworten, mich aber auch nicht zu einem Nein entschliessen, und zwar aus folgendem Grunde. An Orange-Gentianapräparaten, und auch an mit andern Anilinfarben tingirten Schnitten trifft man regelmässig in der Gegend, wo die Huxley ’sche Schicht homogen wird, eine ge- Zur Kenntniss der Haarwurzelscheiden. 215 färbte Partie der Haarrinde an (Fig. 7); hier aber sind, auch mit stärksten Objectiven, keine gefärbten Körner zu sehen, sondern die Färbung ist eine durchaus diffuse, sowohl in den Fibrillen wie in deren Zwischensubstanz befindliche (Fig. 9); nur die Kerne der Spindelzellen sind von Färbung frei. Ich halte es nicht für unmöglich, dass sich hier das Keratohyalin in ge- löster Form befindet. Ueber diesen Punkt aber sind weitere Untersuchungen nöthig. Literatur. art Unna, Entwicklungsgeschichte und Anatomie der Haut. v. Ziems- sens Handbuch der Hautkrankheiten. Bd. I. Leipzig 1883. Henle, Handbuch der Anatomie. 2. Aufl. Bd. II. Braunschw. 1873 Toldt, Lehrbuch der Gewebelehre. 2. Aufl. Stuttgart 1884. v. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. 6. Aufl. Leipzig 1889. Kromayer, Die Protoplasmafaserung der Epithelzellen. Dieses Arch. XXXIX. 189. 6. Reinke, Zellstudien. Dieses Arch. XLIII. 1894. 7. W. Krause, Allgemeine und mikroskopische Anatomie. Hannover 1876. 8. Ranvier, Technisches Lehrbuch der Histologie. Leipzig 1877. 9. v. Ebner, Mikroskopische Studien über Wachsthum und Wechsel der Haare. Sitzungsberichte der kais. Akad. d. Wiss. zu Wien, LXXIV. 3. 1877. Sm nv Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV. Fig. 1. Flächenansicht der äussersten Schicht der äusseren Wurzel- scheide dicht über dem Bulbus; menschl. Kopfhaar. Winkel ®bj.-8, De: Fig. 2. Flächenansicht der äussersten Schicht der äusseren Wurzel- scheide, 1 mım höher; menschl. Kopfhaar. Winkel Obj.8, Oe. 1. Fig. 3. Querschnitt eines Kopfhaares 0,7mm über dem Grunde des Haarbalges, Hu.=Huxley’sche, He. = Henle’sche Schicht der inneren Wurzelscheide. AW*. =innerste Zellenlage der äusseren Wurzelscheide von den übrigen Lagen abgelöst. Winkel Obj. 8 Oc 1. Fig. 4. Theil eines Querschnittes der Wurzelscheiden eines mensch- lichen Barthaares über der Verhornungsgrenze der Huxley’ 216 »' Fig. Fig. Fig. J. Lebedinsky: schen Schicht. Fibrillen der äusseren Scheide. (.= Cutieula der inn. Wurzelscheide. AW. = äussere Wurzelscheide. Au. und He. wie oben. Winkel Obj. Bä imm. Oe. 1. . Theil des Querschnittes der inneren Wurzelscheide eines mensch- lichen Barthaares unmittelbar unter dem freien Rande der inn. Wurzelscheide. Bezeichnungen wie oben. Winkel Obj. Bä imm. Oe. 1. Theil eines Querschnittes der inneren Wurzelscheide und ihrer Umgebung von einem menschl. Kopfhaare 0,7mm über dem Grunde des Balges. Orange-Gentiana. R.—= Rindensubstanz, CH. = Cuticula des Haares. Uebrige Bezeichnungen wie oben. Fortsätze der Huxley ’schen Zellen zwischen den Henle’schen hindurch bis an die äussere Wurzelscheidee Winkel Obj. B a ımm. Oc. 1. . Längsschnitt der Wurzel eines menschl. Kopfhaares mit dem Prisma aufgenommen; die Zahl der Zellen der inneren Wurzel- scheide entspricht genau dem Präparat. Bezeichnungen wie oben. Winkel Obj. 6, Oe. 1. . Flächenansicht der Henle’schen Schicht von einem Kopfhaare 0,4 mm über dem Grunde des Balges. c* = Kerne der Wurzel- scheideneutieula. Winkel Obj. B a imm. Oe. 1. . Theil eines Querschnittes der Wurzel eines Kopfhaares 1 mm über dem Grunde des Balges. Bezeichnungen wie oben. Keratohyalin in der Cuticula der Wurzelscheide. Winkel Obj. 8, De: Ueber die Embryonalniere von Calamoichthys calabaricus (Smith). (Aus dem anatomischen Institut zu Freiburg i. Br.) Von J. Lebedinsky, Privatdocent an der Universität in Odessa. Hierzu Tafel XV. Ueber das larvale Exkretionssystem bei Ganoiden wissen wir nur wenig. Von den Arbeiten, die über dasselbe handeln, sind die einen ziemlich alt (1 u.2), die andern bewegen sich nur Ueber die Embryonalniere von Calamoichthys calabarieus (Smith). 217 in dem Rahmen von vorläufigen Mittheilungen (3 u. 41). Nach den neuesten Untersuchungen über die Embryonalniere bei Stö- ren (6) und Amia (7) ist dieselbe bei beiden Thieren nach dem- selben Typus gebaut, der jedoch, wie wir sehen werden, in vielen wesentlichen Beziehungen von dem Jlarvalen Exkretionssystem von Calamoichthys abweicht. Ueber das Exkretionssystem von Calamoichthys wissen wir so viel wie nichts. Ich bin keineswegs in der Lage, diese Lücke vollständig auszufüllen, denn ich habe wegen mangelhaften Materials nur diesen und jenen Punkt einer Berücksichtigung unterwerfen können. Zur Verfügung standen mir nur zwei Larven von Cala- moichthys. Beide hatten noch die Aussenkiemen; die eine, welehe 15 em lang war und eine schon geschlechtlich differenzirte Keimdrüse besass, wurde in Querschnitte zerlegt, die andere, 12 em lang und mit wenig entwickelter Keimdrüse, wurde frontal, d. h. parallel der Rücken- bezw. Bauchfläche geschnitten. Auf dem Querschnitte durch die Mitte des Thieres (Fig. 1) stellt das Exkretionssystem zwei birmförmige Stränge dar, die beiderseits der Aorta symmetrisch anliegen und von denen jeder mit seiner breiten medialen Seite die Vena cardinalis begrenzt; alle beide sind von einem faserigen maschenförmigen Gewebe umsponnen. Untersuchen wir nun den birnförmigen Strang etwas näher, so ergiebt sich, dass derselbe aus Iymphadenoidem Gewebe be- steht, in welches das Exkretionssystem selbst eingebettet ist. In letzterem unterscheiden wir: den Vornierengang, die Vorniere, die Urniere und die Nebenniere. I. Der Vornierengang (TVg.) liegt an dem spitzen lateralen Ende des birnförmigen Stranges, und zwar behält er immer diese Lage. Auf den Querschnitten ist er rund oder oval; seine Wandung besteht aus einem cylindrischen Epithel von deut- lich begrenzten Zellen; das Plasma derselben färbt sich nur wenig, der grosse eiförmige Kern dagegen intensiv. Der Vornierengang ist von einer aus faserigem Bindegewebe bestehenden Scheide (Sch.) umgeben. Zwischen letzterer und dem Gang besteht ein ring- 1) Einige machen überhaupt nur Angaben über die ersten em- bryonalen Anlagen der Niere (5) Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 15 218 J. Lebedinsky: förmiger Hohlraum, der zweifellos ein künstliches Produkt ist. Der‘ Vornierengang giebt Querzweige, sog. Querkanälchen ab, und nicht selten geschieht es, dass diese sich in zwei weitere Kanälchen gabeln. Die Totalansicht des Vornierenganges ist folgende: Derselbe beginnt (auf der rechten Seite etwas höher, als auf der linken) mit blindgeschlossenem spitzem Vorderende. Sein Lumen ist im Anfange sehr klein, nur !/, so breit, als in der Mitte. In seinem Verlaufe nach hinten ist derselbe ganz gerade und macht durch- aus keine Krümmungen, noch weniger Windungen oder Schlingen. Der Vornierengang giebt, wie schon erwähnt, Querkanälchen ab, welche aus zwei verschiedenen Arten bestehen: Die einen sind sehr fein, liegen sehr nahe bei einander und stehen regeimässig den Myocommata gegenüber. Es sind die Querkanälchen der Urniere und diese können sich in zwei gabeln, von denen eines (das untere in Fig. 1 u. 2) mit dem Malpighi’schen Körper in Verbindung steht, während das andere (das obere) direet in den Drüsenschlauch der Urniere übergeht. Der Vornierengang ist an verschiedenen Stellen mit Wimpern bekleidet, besonders da, wo ein Querkanälchen in denselben einmündet (Fig. 2 u. 16). In ihrem Verlaufe begleiten die Vornierengänge die Iymphoiden Stränge, welch letztere im hinteren Leibesende aufhören; die beiden Vor- nierengänge dagegen erstrecken sich noch weiter rückwärts, in- dem sie mehr und mehr sich einander nähern. Bald berühren sie sich und sind nur noch durch ihre bindegewebigen Scheiden von einander getrennt. Hierauf biegen sich beide Vornierengänge schräg ventralwärts (Fig. 3); die Biegung ist der Länge nach getroffen und an jeden legt sich lateral der Geschlechtsgang (G'g.). Die genäherten Vornierengänge setzen sich in einen unpaaren Hohlraum fort (Fig. 4), der augenscheinlich aus den Vornieren- gängen, unter Resorption der sich berührenden Wände, gebildet ist. Jeder Geschlechtsgang stösst an die laterale Wand und zwar der Art, dass er dieselbe vor sich ausstülpt und selbst ge- krümmt wird. Hier enden die Geschlechtsgänge blind, und man kann mit Sicherheit sagen, dass sie im späteren Stadium hier genau in die Cloake (C7.) durchbrechen. Diese wird nach hinten immer weiter (Fig. 5) und bildet zwei laterale Ausstülpungen (Fig. 6, Al.), welche nach hinten immer umfangreicher werden, während der mediale Abschnitt an Grösse abnimmt (Fig. 7), bis Ueber die Embryonalniere von Calamoichthys ealabarieus (Smith). 219 er zuletzt nur noch als eine geringe faltenförmige Ausstülpung erscheint (Fig. 5). Im hinteren Ende erreicht die Cloake ihre definitive Ausbildung. Der faltenförmige mediale Abschnitt erzeugt eine Falte (Fig. 9, #7.) in den Hohlraum der Cloake, und dadurch bilden sich zwei neue Ausstülpungen (am.), die medianwärts von den lateralen (Al.) zu liegen kommen. Die medialen sowie die lateralen Ausstülpungen verlängern sich als röhrenförmige Fort- sätze (Fig. 10, am., Al.), indem die ersteren eine Schlinge machen und blind enden, während die letzteren sich nahe und hinter dem Anus nach aussen öffnen. Der Rest der Falte macht wiederum zwei Ausstülpungen (am’.), die den vorhergehenden ähnlich sind. II. Die Vorniere bei den Calamoichthyslarven besteht aus einer grossen Anzahl von Aussentrichtern. Bei einer Larve, welche älter und in Querschnitte zerlegt war, konnte ich 11 Aussentrichter auf der rechten und 13 auf der linken Seite zählen. Bei der jüngeren Larve, welche auf Frontalschnit- ten untersucht war, habe ich 33 Trichter rechts und 37 links gezählt. Die Aussentrichter bieten eine grosse Mannigfaltigkeit dar: Einige von ihnen stehen noch in Verbindung mit dem Cölom, andere sind schon von demselben ganz abgesehnürt, und die mei- sten befinden sich im Rückbildung. Auf Fig. 11 sehen wir einen Aussentrichter; derselbe ist ziemlich gross; seine Wand besteht aus einem einschichtigen Epithel. Die Zellen desselben sind hoch und keilförmig und be- sitzen einen grossen Kern, jede Zelle trägt ein diekes, borsten- artiges Haar. Die Zellkörper und besonders die Kerne sind durch sehr starke Färbbarkeit ausgezeichnet. Der Triehter eom- munieirt noch mit dem Cölom, obwohl seine spätere Absehnürung von demselben ziemlich deutlich ausgeprägt ist, indem er nämlich etwas Cölom mit sich nachzieht. Auf Fig. 12 ist ein Aussen- trichter abgebildet, der schon vom Cölom ganz abgeschnürt ist; derselbe ist von der Somatopleura (Sm.) getrennt und der weite Raum zwischen beiden wird von faserigem Bindegewebe ausge- füllt. Der Trichter ist gross und seine Mündung ist von einer Membran überzogen, die nichts anderes ist als der Rest des Cöloms, das bei der Abschnürung des Triehters mitgezogen worden ist. Die abgeschnürten Aussentrichter sind meistens ziemlich rückgebildet. Diese Rückbildung ist mehr oder weniger 220 J. Lebedinsky: überall durchgeführt, und von der Vorniere sind nur die Reste vorhanden, welche jedoch ohne Mühe den Bau derselben genau er- kennen lassen. Diese Vornierenreste bestehen aus den zerfallenen Vornierenkanälchen, Triehtern und Malpighi’schen Körpern. Auf Fig. 13 sehen wir eine Vorniere im Anfange der Rückbildung: Die Zellen des Trichters haben keine Wimperung und verlieren den Zusammenhang unter einander; einige sind im Begriff sich abzutrennen, die anderen sind schon abgeschnürt. Das Kanälchen erleidet die gleiche Art der Rückbildung: die Zellen verschieben sich und die Wand verliert ihren früheren epithelialen Charakter. Der Vorgang der Rückbildung schreitet weiter fort: von dem Trichter (Fig. 14) bleibt nur ein Rudiment (vt.). Das Kanälchen ist auch modifieirt; sein Lumen ist verengert und die Zellen geben die epitheliale Verbindung auf. Minder verändert ist der Malpighi'sche Körper: das Parietalblatt (7°b.), sowie das Quer- kanälchen (Q%k.), das von ihm ausgeht, sind noch gut erhalten. Die Rückbildung ist zuletzt so weit vorgeschritten, dass von dem Triehter keine Spuren mehr existiren (Fig. 15), und so bleiben nur die Reste des Malpighi'schen Körpers, der Vornieren- und Querkanälchen. Jedem Aussentrichter entspricht ein Innentrichter. Diese Triehter haben (Fig. 17) ein kubisches Epithel, das mit langen und dünnen Wimperhaaren bekleidet ist. Das Epithel des Innen- trichters setzt sich fort in den bewimperten Trichterkanal, der den Innentrichter mit dem Aussentrichter verbindet. Während die Aussentrichter ziemlich redueirt sind, bleiben die Innentrichter noch unverändert und besitzen immer noch sein gutes bewim- pertes Epithel, obschon die ihnen entsprechenden Glomeruli etwas rückgebildet sind. Was die Metamerie der Vorniere betrifft, so zeigen die (uerkanälchen sowie Aussentrichter nicht immer eine streng . segmentale Regelmässigkeit. Die Querkanälchen, die aus dem Vornierengang abgehen, entsprechen entweder einem Myocomma, oder dem Zwischenraum zwischen zwei Myocommata. Selten kommt es auch vor, dass zwei Querkanälchen auf 1 Myocomma kommen. Die Aussentrichter zeigen noch grössere Unregelmässig- keit; die Triehter entsprechen entweder den Myocommata, oder den Zwischenräumen zwischen ihnen. Es geschieht auch, dass zwei Aussentrichter in einem Segmente liegen. Die Verschie- l Ueber die Embryonalniere von Calamoichthys calabaricus (Smith). 221 bung der Aussentrichter kann bewirken, dass auf ein Myocomma drei Triehter kommen. Dieses Verhalten habe ich nur in einem Segmente gesehen, indem die angrenzenden Segmente keine Trichter enthielten. Die Dysmetamerie der Vorniere nimmt noch dadurch zu, dass in demselben Segmente die Querkanälchen sowie die Aussentrichter links und rechts Abweichungen zeigen und so niemals ein identisches Bild geben. Die allgemeine Vertheilung der Triehter ist so beschaffen, dass dieselben von vorne nach hinten sporadisch in verschiedenen Segmenten existiren, indem von vorn nach hinten die Trichter an Zahl sich immer mehr vermindern, d. h. indem in der vorderen Hälfte der Vorniere mehr Aussentrichter sind, als in der hinteren. III. In der Urmiere von Calamoichthys unterscheiden wir (abgesehen vom Vornierengange): Aussen- und Innentrichter, Malpighi’sche Körper, Trichter- und Querkanälchen. Der Aussen- trichter (Fig. 1, Ut.) behält immer eine bestimmte Lage, im spitzen Ende des birnförmigen Stranges, auf dessen Ventralseite. Der Aussentrichter öffnet sich in einen besonderen Hohlraum, welcher, ebenso wie bei den Aussentrichtern der Vorniere, einen letzten Rest des Cöloms darstellt. Die Wand des Trichters be- steht aus dem cylindrischen Epithel, dessen Zellen bewimpert sind. Die Aussentrichter der Urniere färben sich sehr schwach. Medial von dem Aussentrichter und in seiner nächsten Nähe be- findet sich der Malpighi’sche Körper der Urniere, der mit dem Triehter durch ein Wimper- (resp. Trichter-)kanälchen in Ver- bindung steht. Das Wimperkanälchen ist ganz kurz (Fig. 18) und macht in seinem Verlaufe keine Windungen. Sein Epithel ist kubisch und bewimpert. Bei der Einmündung in den Raum der Bowman’schen Kapsel erweitert sich das Trichterkanälehen und damit bildet sich hier der Innentriehter, dessen eylindrisches Epithel mit Wimpern bekleidet ist. Von der Kapsel aus geht ein feines Kanälchen ab (es beginnt mit einer bewimperten Er- weiterung), welches in den Drüsenschlauch übergeht. Der Drüsen- schlauch der Urniere ist ein weites diekwandiges Rohr (Fig. 1, 12, 17, Ms., ms.), das in seinem Verlaufe zum Vornierengang mehrere starke Windungen und Scehlingen macht. Im Drüsen- schlauche kann man zwei histologisch verschiedene Abschnitte 222 J. Lebedinsky: unterscheiden. Der eine, welcher dem Malpighi’schen Körper zugewendet ist, ist sehr breit (Js.), seine Wand ist diek und besteht aus grossen Zellen. Diese färben sich sehr schwach und schieken ins Lumen mehrere pseudopodienartige Fortsätze aus, welche in demselben ein Netz bilden können. Das Protoplasma der Zellen ist schaumig und alles spricht dafür, dass diese Zellen secermiren. Der andere, dem Vornierengang zugewendete Abschnitt des Drüsenschlauches ist sehr gewunden und geschlängelt; sein Epithel (ms.) besteht aus kubischen Zellen mit grossen runden Kernen, alle beide färben sich sehr stark. Niemals habe ich gesehen, dass der Drüsenschlauch in den Vomierengang direkt übergeht, sondern immer communieirte er durch ein Querkanäl- chen mit demselben. Nicht alle Malpighi’schen Körper der Urmiere sind mit Aussen- und Innentrichtern versehen; mehrere derselben haben weder Triehter noch Drüsenschläuche. Solche Malpighi’schen Körper communieiren nur mit dem Vornierengange durch ein Querkanälchen oder durch einen Zweig desselben. Im Allgemeinen besteht die Urniere bei der Larve von Calamoichthys aus zahlreichen Aussentrichtern, die alle vom Cölom abgeschnürt sind. Die Aussentrichter sowie die Quer- kanälchen sind regelmässig segmental angeordnet und die Zwi- schenräume zwischen den Querkanälchen erscheinen ziemlich gleich. Die Querkanälchen liegen gewöhnlich zu dreien zusam- men und bilden Gruppen, von „welchen jede einem Myocomma entspricht. Die Aussentrichter der Urniere sind so vertheilt, dass die Strecke zwischen zwei Trichtern gleich gross ist. Die eben beschriebenen Befunde kann ich kurz folgender- maassen zusammenfassen: Jede Hälfte des larvalen Exkretionssystems von Cala- moichthys stellt einen Strang dar, der auf der rechten Seite etwas weiter vorne beginnt, als auf der linken. Die beiden Stränge setzen sich nach hinten beinahe bis zur Cloake fort, in- dem ihre medialen, den Cardinalvenen anliegenden Ränder in gerader Linie verlaufen, während die lateralen, welche sich den Myocommata anpassen, wellenförmig sind, wodurch der Iym- phoide Strang ein segmentales Aussehen bekommt. Dies verhält sich aber nur scheinbar so, und von einer wirklichen morpholo- Ueber die Embryonalniere von Calamoichthys calabaricus (Smith). 223 gischen Metamerie ist nicht die Rede, denn es handelt sich nur um das Relief der Myocommata. Jeder Strang besteht aus jenem Iymphoiden Gewebe, in welches das Exkretionssystem selbst ein- gebettet ist. Dieses besteht aus Vorniere und Urniere. Alle beide bestehen aus denselben Theilen. Der Unterschied ist nur folgender: 1. Das Trichterkanälchen der Vorniere ist lang und macht 2—5 spiralartige Windungen; dasjenige der Urniere ist kurz und macht keine Windungen. 2. Die Urmiere hat einen Drüsenschlauch, die Vorniere hat keinen. Die Urniere besteht aus zahlreichen Aussentrichtern, die metamer angeordnet sind; die Vorniere ist dagegen nur sporadisch in verschiedenen Segmenten von vorne bis hinten zerstreut und zeigt eine Dysmetamerie. In den Segmenten, wo die Vorniere existirt, ist auch die Urniere vorhanden: beide Bildungen kommen zusammen vor. Die Aussentrichter beider Bildungen haben dieselbe Lage, indem der Aussentrichter der Vorniere vor demjenigen der Ur- niere liegt. Die rechte Hälfte der Vorniere enthält etwas weni- ger Trichter, als die linke: ihre Rückbildung ist, im Vergleich mit der rechten Hälfte, vorgeschritten und steht in Beziehung zu der Thatsache, dass die rechte Seite der Larve im Allgemeinen in der Entwicklung immer ziemlich vorgeschritten ist!). Die Vorniere ist im Allgemeinen schon ziemlich rückgebildet. In der sich anbahnenden Rückbildung der Vorniere bemerken wir nicht jene Regelmässigkeit von vorn nach hinten, wie sie gewöhn- lich bei anderen Thieren vorkommt: denn hier, bei Calamoichthys findet die Rückbildung in den vorderen wie in den hinteren Seg- menten gleichzeitig statt. Das beschriebene larvale Exkretionssystem von Cala- moichthys weicht ziemlich von demjenigen der Larven anderer Ganoiden ab. Bei den Stören (6) besteht es aus Vorniere und Urmiere, erstere aus dem stark geschlängelten vordersten Ende des Vornierenganges gebildet, letztere aus der mehr geraden Fortsetzung desselben und Urnierenkanälchen. In dem stark ge- 1) Die Keimdrüse (Fig. 1 0o».) ist z. B. auf der rechten Seite be- deutend stärker entwickelt, als diejenige der linken (Parallele mit ge- wissen Sauropsiden). 224 J. Lebedinsky: wundenen Vorderende des Vornierenganges erkennt man einen medialen und einen lateralen Schenkel. Der erstere ist jederseits mit sechs Aussentrichtern versehen, von denen fünf mit einer kräftig entwickelten Bo wman’schen Kapsel communieiren, wäh- rend das vorderste Paar der Aussentrichter in die Bauchhöhle mündet. Die Kapsel ist vom Cölom völlig abgeschlossen und enthält einen langen Glomerulus, der in viele Lappen getheilt ist; durch diese Lappen wird der Kapselraum in Kammern ge- theilt, eine Kammer für jeden Aussentrichter. Die Vorniere ist von der Urniere durch drei bis vier Segmente abgetrennt. Letz- tere ist streng segmental, indem jedes Myocomma einen Querkanal enthält. Die Vornierengänge vereinigen sich „ohne Harn- blasenbildung zu einem kurzen unpaaren Stück, das am hin- teren Rande des Afters (nicht in eine Cloake) ausmündet“. Die Embryonalniere von Amia Calva (7) ist nach dem- selben Typus gebaut: Der mediale Schenkel des stark gewundenen Vornierenganges gabelt sich in zwei kurze Aeste, von denen einer mit der unpaaren Vornierenkammer, der andere mit dem Cölom communieirt. Die Vorniere ist von der Urmmiere durch 16—17 Segmente abgetrennt. Die beiden Vornierengänge münden in eine kleine hamblasenartige Erweiterung, von der das engere Endstück ausgeht. Das larvale Exkretionssystem von Calamoichthys unter- scheidet sich von demjenigen bei Stören und Amia in folgenden wesentlichen Beziehungen: 1. Nach der Zahl der Aussentrichter. 2. Bei Stören und Amia ist der Vornierengang stark ge- schlängelt, während derselbe bei Calamoichthys ganz gerade ist. 3. Bei Stören bilden die vereinigten Vornierengänge keine Cloake und öffnen sich nach aussen mit einem unpaaren End- stücke; bei Calamoichthys vereinigen sie sich unter Bildung einer weiten Cloake und öffnen sich nach aussen mit paarigen Fort- sätzen. 4. Bei Stören und Amia öffnen sich die Aussentrichter der Vorniere sowie der Urniere in zwei getrennte hinter einander liegende Divertikel des Cöloms, von denen jeder unpaar ist. Bei Calamoichthys öffnen sich beiderlei Aussentrichter in den paarigen Iymphoiden Strang, welcher einen histologisch modifi- eirten Cölomdivertikel darstellt. Ueber die Embryonalniere von Calamoichthys cealabarieus (Smith). 225 5. Während bei Stören etwa 3—4 und bei Amia etwa 16—17 Segmente zwischen Vor- und Urniere existiren, welche keine Exkretionsorgane enthalten, existirtt bei Calamoichthys zwischen beiden Bildungen kein Uebergangsgebiet. In dieser letzten Beziehung bietet übrigens Calamoichthys, wie ich gleich zeigen werde, nicht die einzige Ausnahme. Bei den Selachiern besteht nach van Wijhe (8) die Vorniere aus drei Vornierenkanälehen. Das hinterste (dritte) existirt in demselben Segmente zusammen mit dem ersten Ur- nierenkanälchen. Es ist also auch hier zwischen Vorniere und Urmiere kein Uebergangsgebiet vorhanden. Bei Reptilien soll nach Wiedersheim (9) eine scharfe Grenzbestimmung zwischen Vorniere und Urniere unmöglich sein. Auch bei Ichthyophis (10) endlich giebt es keine Grenze zwischen Vorniere und Urniere, und in den Uebergangssegmenten existiren beide Bildungen einträchtig zusammen. Zwischen dem Exkretionssystem von lIehthyophis und Calamoichthys besteht noch in anderer Beziehung eine ge- wisse Aehnlichkeit: Die Aussentrichter der Vorniere und Urniere öffnen sich nämlich in einen paarigen Divertikel des Cöloms. Die Zahl der Aussentrichter der Vorniere ist asymmetrisch, rechts befinden sich 13, links 12. Die Vorniere ist ebenfalls asymme- trisch angeordnet. Der Unterschied zwischen Vorniere beider Thiere besteht darin, dass die Zahl der Aussentrichter bei Cala- moichthys sehr gross ist und dass diese Aussentrichter spora- disch in den Segmenten vorkommen. Der Unterschied nach der Zahl hat keine principielle Be- deutung. Bei den verschiedenen Thieren und sogar bei demselben Thiere kann die Zahl der Aussentrichter zwischen rechts und links variiren. Was die Vertheilung der Aussentrichter der Vorniere von Calamoichthys betrifft, so hat diese meiner Meinung nach eine wichtige morphologische Bedeutung: Sie zeigt, dass die nor- male noch nicht rückgebildete Vorniere in allen Seg- menten existirt, welche auch eine Urniere besitzen. Ein derartiger Bau der Vorniere verspricht neue Anhaltspunkte zur Entscheidung der strittigen Frage über den morphologischen Unterschied zwischen Vorniere und Urniere. Dazu ist aber eine entwicklungsgeschichtliche Untersuchung von Calamoichthys nothwendig. 226 J. Lebedinsky: Literatur. . Fürbringer, Zur vergleichenden Anatomie und Entwicklungs- geschichte der Exkretionsorgane der Vertebraten. Morph. Jahrb. Bd. 4. 1878. 2. Balfour und Parker, On the Structure and development of Lepidosteus. Phil. transaet. Royal. Soc. 1882. 3. Balfour, A treatise on Comp. Embryologie. 4. Beard, On the early development of Lepidosteus osseus. Prelimi- nary notice. Proced. Roy. Soc. London. Vol. XLVI. 5. Salensky, Recherches sur la d&eveloppment du sterlet (Acipen- ser ruthenus). Arch. Biol. Vol. I. 1881. 6. H. Jungersen, Die Embryonalniere des Störes (Acipenser sturio). Zool. Anz. 1893. No. 435 u. 436. — Dasselbe dänisch: Om Embryonalnyren hos Storen. 7. Derselbe: Die Embryonalniere von Amia calva. Zool. Anz. 1894. No. 451. 8. Van Wijhe, Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes und die Entwickelung des Exkretionssystems bei Selachiern. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 33. 9. Wiedersheim, Ueber die Entwicklung des Urogenitalapparates bei Krokodilen und Schildkröten. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 36. 1890. 10. R. Semon, Studien über den Bauplan des Urogenitalsystems der Wirbelthiere. Jenaische Zeitschr. Bd. XXVI. 1891. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV. Allgemein giltige Bezeichnungen. Al. —Die lateralen Ausstül- D. =Darm. pungen der Cloake. Ds. = Drüsenschlauch der Ur- am. am!.— Die medialen Ausstül- niere. pungen der Cloake. = Bl. Amg. — Fine paarige Verdiekung EI. = Epithel des Iymphadenoi- der Somatopleura. Wahr- den Gewebes. scheinlich handelt es sich Gg. = Genitalgang. um die Anlage des Müller- Me. = Myocomma. schen Ganges. Mk. = Malpighi’scher Körper. 4Ao. = Aorta. Nn. = Nebenniere. Bg. = Bindegewebe. Ov. = Keimdrüse (Ovarium). Bl. = Blutgefässe. Pb. = Parietalblattdes Malpighi’- Cl. =Cloake. schen Körpers. (OR, 010842: aQk. = Querkanälchen. Ueber die Embryonalniere von Calamoichthys ealabarieus (Smith). 227 Sch. = Scheide des Vornieren- Ve. = Vena cardinalis. ganges. Vg. = Vornierengang. Sm. = Somatopleura. V.. = Aussentrichter der Vor- Tk. = Trichterkanälchen. niere. Vb. = VisceralblattdesMalpighi- Uf. = Aussentrichter der Ur- schen Körpers. niere. Fig. 1. Querschnitt durch die Mitte des Thieres. Allgemeines Bild >) or 02 09 au Sal des Exkretionssystems: dasselbe zeigt zwei birnförmige Stränge, die beiderseits der Aorta symmetrisch anliegen. Die Keim- drüse ist auf beiden Seiten sehr asymmetrisch entwickelt. (Oe. 1, Obj. A, Zeiss.) Querschnitt durch den Vornierengang. Das Querkanälchen gabelt sich in zwei, von welchen das obere mit dem Drüsen- schlauch, das untere mit dem Malpighi’schen Körper in Ver- bindung steht. Der Vornierengang ist bewimpert. (Oc. 2, Obj. C, Zeiss.) Querschnitt durch die Umbiegung beider Vornierengänge nach unten. Querschnitt durch das Vorderende der Cloake. An die laterale Wand der Cloake stösst jederseits der Geschlechtsgang. Querschnitt durch die Cloake vor den lateralen Fortsätzen. Querschnitt: die Cloake und die lateralen Ausstülpungen der- selben sind getroffen. Die lateralen Ausstülpungen der Cloake sind im Querschnitte gross, der mediale ist dagegen klein. . Die lateralen Ausstülpungen der Cloake sind sehr gross und der mediale Abschnitt ist sehr klein. Querschnitt durch den hinteren Theil der Cloake. Der mediale Abschnitt der Cloake macht eine Falte, die zur Bildung zweier medialer Ausstülpungen führt. Querschnitt durch den hintersten Theil der Cloake. Die late- ralen Ausstülpungen öffnen sich nach aussen. Die medialen sind gekrümmt und enden blind. Die Falte bildet wiederum zwei Ausstülpungen zweiter Ordnung. Alle Figuren von 3—10 sind bei ein und derselben Vergrösserung gezeichnet. (Oe. 1, Obj. A.) Aussentrichter der Vorniere. Derselbe communieirt noch mit dem Cölom, aber seine spätere Abschnürung von demselben ist schon angedeutet. Der Trichter zieht mit sich etwas Cölom nach. (Oc. 4, Obj. C.) Der Aussentrichter der Vorniere ist vom Cölom ganz abge- schnürt. Zwischen beiden befindet sich ein breiter Raum, der von faserigem Bindegewebe ausgefüllt ist. (Oc. 4, Obj. C.) Der Aussentrichter der Vorniere, sowie das Vornierenkanäl- chen sind in der Rückbildung begriffen. (Oc. 4, Obj. C.) 228 Fig. © 14. 15. 16. I. el: BRTSTRÜIENE Vom Aussentrichter der Vorniere sind nur die Reste vorhan- den. Das Trichterkanälchen ist ziemlich zerfallen. Das Quer- kanälchen und der Malpighi’sche Körper sind nur wenig von der Rückbildung betroffen. Parietal- und Visceralblatt des Malpighi’schen Körpers ist noch gut erhalten. (Oe. 4, Obj. C.) Vom Aussentrichter der Vorniere sind keine Spuren geblieben. Von Trichterkanälchen sind nur noch Rudimente erhalten. Das Querkanälchen befindet sich in regressiver Metamorphose. Von dem Vornierengange geht ein Querkanälchen aus, das sich in zwei Schenkel gabelt. Die Windungen des Drüsen- schlauches sind quer geschnitten. (Oe. 4, Obj. A.) Innentrichter der Vorniere. Das Epithel desselben ist gut be- wimpert. Das Trichterkanälchen macht eine Schlinge und ist zweimal getroffen. Im Hohlraume zwischen beiden Blättern des Malpighi’schen Körpers befindet sich ein Parasit (?), der mit aufgenommenen Zellen beladen ist. Der Glomerulus wird von demselben gedrückt und erscheint etwas rückgebildet (Oe. 4, Obj. C.) Innentrichter der Urniere. Das Trichterkanälchen ist kurz und gerad. (Oc. 4, Obj. C.) (Aus dem pathologischen Institut zu Berlin.) Ueber eine eigenartige Contractionserschei- nung bei Pelomyxa palustris, Greeff. Von Prof. Dr. ©. Israel. Hierzu Tafel XV]. Zu vergleichend-pathologischen Untersuchungen, deren zu- sammenhängende Bearbeitung nach ihrer vorläufigen Mittheilung und der Demonstration darauf bezüglicher Präparate auf dem XI. internationalen medieinischen Congress in Rom (April 1894) an anderer Stelle veröffentlicht werden soll, benutzte ich, ausser anderen Protozoen, auch das grosse einheimische Süsswasserrhizopod Pelomyxa palustris, Greeff. An diesem machte ich, allerdings nach gewaltsamen Eingriffen in seinem Zusammenhang, eine Be- Eine eigenartige Contractionserscheinung bei Pelomyxa palustris. 229 obachtung, die durch ihre Beziehung zu physiologischen Vorgän- gen so weit aus dem Rahmen der ursprünglichen Aufgabe heraus- fällt, dass sie hier ihre Beschreibung und kurze Erörterung finden möge. Zuerst im Frühjar 1895, nachher im Winter 1893/94 zer- schnitt ich grössere Exemplare von Pelomyxa mit einem scharfen Messerchen auf dem Deckglase, das dann, nachdem das Wasser- tröpfehen, in welchem die Theilstücke lagen, ein wenig ver- grössert war, auf den Selenka’schen Objeetträger gebracht wurde. Ebenso verkleinerte ich die Amoeben durch Zerstörung einer grösseren oder kleineren Hälfte mittels partieller Antrock- nung am Deckglase. Ich verfuhr dabei so, dass ich durch Fliess- papierstreifehen den mit der Pipette erhaltenen, die Pelomyxa umgebenden Wassertropfen soweit entfernte, als dies ohne Be- schädigung der Amoebe möglich war, und dann von einer Seite her einen durch eine Gasflamme glühend erhaltenen Platindraht auf 2—3 Secunden in die Nähe des Protozoon brachte. Nach gehöriger Ergänzung des Wassertropfens löst sich dann der durch die Hitze nicht beschädigte Theil der Pelomyxa von dem getödteten, meistens am Glase anhaftenden ziemlich schnell ab. An dem Lösungsrande zeigen sich etwa 1—2 Minuten lang hervortretende Protoplasmaballen von verschiedener Grösse, die sich langsam vorwölben und theils hyalin, theils im Centrum körnig mit einem oder einigen wenigen Glanzkörpern und mit Va- cuolen versehen sind. Bisweilen sind diese Vorsprünge von sehr gleichmässiger Grösse in fast regelmässigen Abständen angeordnet und durchaus hyalin. In diesem Falle haben sie oft geradezu oblonge Gestalt und sehen aus wie Theile hyalinen Plasmas, die sich zwischen den von zurückbleibendem Körnerplasma umge- benen Vacuolen vorstülpen. Nicht selten lösen sich zahlreiche kleine Ballen der hervorgetretenen Substanz von dem Körper ab, und es findet manchmal auf diese Weise eine förmliche Mause- rung des neuen Randes statt. Gelegentlich stösst sich der ganze Rand, an dem die Trennung von dem angetrockneten Theil er- folgte, im Zusammenhang ab, und hyaline wie körnige Protoplasma- klumpen, Glanzkörper wie Einschlüsse verschiedener Art liegen zerstreut in der Umgebung des kugelig sich zusammerziehenden Restes der Amoebe herum. Etwas ganz Aehnliches zeigt sich auch bei den durchschnittenen Amoeben, nur in geringerem Maasse. Die 930 O. Israel: Schnittränder reinigen sich dureh Abstossung spärlicher Ballen, während die Mehrzahl der hervortretenden hyalinen Zungen wieder eingezogen wird. Bei dieser Versuchsanordnung kamn man die Erscheinung oft an den beiden einander entgegengestell- ten Schnitträndern beobachten. Nach Verlauf von 4—5 Minuten ist die Continuität des zarten Hyaloplasmasaumes gewöhnlich vollständig wieder herge- stellt, und es beginnen bei entsprechender Temperatur der umge- benden Medien lebhafte Contraetionen, als deren Folgen sich später Einschnürungen und plumpe Pseudopodien ergeben. Durch Zufall war an einem mässig kalten Wintertage das Arbeitszimmer stark überheizt worden, und da stellte sich an dem Reste einer durch Antrocknung um ihre volle Hälfte verklei- nerten Pelomyxa ein auffälliges Phänomen ein, welches ich später nach vorgängigem Zerschneiden regelmässig an den einzelnen Theilstücken dadurch hervorrufen konnte, dass die Wärme auf wenigstens 20° ©. gebracht wurde, 22—24° scheinen das Tem- peraturoptimum zu sein. An den intacten Pelomyxen habe ich bisher die Erscheinung nicht deutlich beobachten können, wohl weil die Masse zu gross war, um einen Einblick in die feineren Vorgänge bei den Contractionen zu gewinnen. Die bis zum Beginn des Versuchs in einem kühlen Raum aufbewahrten Amoeben zeigen unter dem Einfluss der Wärme bald eine sehr lebendige Bewegung. Während aber bezüglich der Locomotion das Ergebniss nur sehr gering ist, bemerkt man dagegen lebhaft ihre Form ändernde Pseudopodien, die bisweilen verhältnissmässig zahlreich sind und recht ungewöhnliche Formen aufweisen. Fig. la—f, Taf. XVI giebt die Umrisse eines durch ungefähr 45 Minuten controllirten Theilstückes einer zerschnit- tenen Pelomyxa wieder, die sich durch eine für ihre Art gradezu abenteuerliche Bewegungsleistung auszeichnete. Bei besonders lebhafter Formveränderung zeigen sich zuweilen Fäden des hya- linen Plasmas von dem Körper ausgehend und an der Unterlage anhaftend, die durch Zurückweichen der Amoebe ausgezogen wurden und sich entweder bald von der Unterlage lösen und ein- gezogen werden, oder irgendwo in ihrer Continuität durchreissen und somit verloren gehen; solche Fäden sind in a und d notirt. Ausserdem sind aber, soweit ich dies bei dem ungewöhnlich flotten Formenwechsel in der angegebenen Zeit beobachten und Eine eigenartige Contractionserscheinung bei Pelomyxa palustris. 231 abbilden konnte, an gewissen Stellen eigenthümliche, regelmässig gestellte Streifen in die Skizzen eingezeichnet, die sich auf characteristisch angeordnete, theils langsam fliessende, theils un- beweglich erscheinende Theile beziehen. An den angegebenen Stellen konnte eine scharf gezeichnete, schon mit etwa 80maliger Vergrösserung deutlich erkennbare Streifung der marginalen körnigen Protoplasmamassen beobachtet werden, welehe vorübergehend ist, aber bisweilen zwischen 5 und 10 Minuten an derselben Stelle in unveränderter Anordnung Stand hält. Sie tritt in der Weise auf, dass in dem strömenden Plasma ein langsam sich vorschiebender peripherischer Theil von der schneller fliessenden centralen Masse sich derart sondert, dass alle Einschlüsse, Glanzkörper, die Kerne und die grösseren Va- cuolen aus der feinkörnigen Randmasse in den flüssigeren inneren Theil übertreten. Dieser zeigt die reguläre Zusammensetzung des schaumigen Endoplasmas der Pelomyxa mit allen characteri- stischen Eigenthümlichkeiten meistens in lebhafter Strömung, während in dem zäheren äusseren Theil jene feinen Streifen auf- treten, die an den, immerhin nur langsam, sich verschiebenden Stellen der Bewegungsrichtung entsprechend angeordnet sind, an den vorübergehend ruhenden aber radiär zum Rande der Amoebe stehen. Gegenüber der langsam vordringenden Streifung des in Fig. 9 abgebildeten, vorher mit Osmiumsäure fixirten, Pseudopo- dium machte die starre, oft längere Zeit in voller Ruhe befind- liehe Streifung der in den übrigen Abbildungen mit R bezeich- neten Stellen oft einen geradezu tetanischen Eindruck, bis die Starre sich manchmal ziemlich schnell löste und die langsam fort- fliessenden streifigen Theile wieder in die nichtstreifigen, in ge- wöhnlicher Weise zusammengesetzten Massen übergingen. So tritt die Erscheinung nicht selten an verschiedenen Stellen derselben Amoebe gleichzeitig ein, um im Ganzen langsam zu verlaufen, gelegentlich nur Bruchtheile einer Minute, meistens aber viel länger anhaltend. Die bevorzugten Stellen, an denen die Streifung zu beob- achten ist, sind die fingerförmigen Pseudopodien und die Brücken, welche bei den verhältnissmässig selten vor sich gehenden Ab- schnürungen einzelner Theile entstehen. An den dünnen Stellen und in ihrer nächsten Nähe sichtbar, zeigen sich die Streifen derart angeordnet, dass die geringste Bewegung an der Basis 232 0. Israel: der Pseudopodien und um die Ansätze der Brücken herum statt- findet. In Fig. 2—6 sind die Erscheinungen dargestellt, welche an einer solehen Brücke, — besser vielleicht an dem Halse — einer Abschnürung nach einander beobachtet werden konnten. An den mit R bezeichneten Stellen und in Fig. 5 auch bei AR! herrschte Minuten lang fast völlige Ruhe, nur eine sehr allmäh- liche Verschmälerung des Halses fand hier statt, während die Streifen sich nicht merklich änderten. In Fig. 7 ist das Ver- halten der dünnsten Partie von Fig. 6 im Einzelnen wiederge- geben; die Dieke des lebenden Objectes verbot die Anwendung noch stärkerer Vergrösserungen. Die entgegengesetzt angeord- neten Systeme marginaler Streifen sind nach der Stromrieh- tung zu concav, indess die einander zugewandten Convexitäten zwischen sich eine kleine Partie feinkörnigen Protoplasmas ab- schliessen, in der noch zwei kleine symmetrische Streifensysteme sich radiär zu den Oberflächen anordnen. Nur ein ganz schma- ler Saum hyalinen Protoplasmas ist hier zu bemerken, während im Ablauf der Abschnürung an verschiedenen Stellen wechselnde, oft dureh ihre mannigfaltigen Formen auffallende, bald wieder verschwindende Vorsprünge von hyaliner Beschaffenheit sich aus- bilden, wie dies in den einzelnen Abbildungen dargestellt ist. Die Beobachtung der Streifen mit stärkeren Objectiven er- giebt, dass sie durch feine, vielfach körnige Fäden hervorge- bracht werden, die sich in der Stromrichtung verschieben. Oft sieht man die kleinen Körnchen an den glänzenden Fäden entlang rutschen. Die Erscheinung hat Aehnlichkeit mit dem Gleiten der Körnchen in den Protoplasmafäden von Pflanzenzellen und in den zarten Pseudopodien der Foraminiferen. Vielfach macht es den Eindruck, als ob Körnchen sich zu Fäden auszögen, doch muss dies nach dem Ergebniss der Untersuchung fixirter Objeete als eine Täuschung angesehen werden. Osmiumsäure bewirkt eine vollkommene Fixation der Be- wegungsvorgänge und ruft keine wesentliche Beeinträchtigung der in Frage stehenden Gebilde hervor. An solchen Objeeten zeigt sich zunächst, dass irgend eine scharfe Abgrenzung zwi- schen hyalinem Eetoplasma und körnigem Endoplasma nicht vorhanden ist, dass vielmehr ein eontinuirlicher Zusammenhang des Protoplasmas besteht. Die feinen Fasern gehen, wo man sie in der Seitenansicht beobachten kann, bis nahe an die Oberfläche Eine eigenartige Contractionserscheinung bei Pelomyxa palustris. 233 der hyalinen Grundmasse, die sie jedoch nirgends ganz erreichen. Sie bleiben immer soweit davon entfernt, dass überall ein ganz schmaler heller Saum gerade noch zu erkennen ist, der jedoch nach der Faserlage zu keine scharfe Grenze aufweist. In dieser Zone selbst sind ausser den Fäserchen und den ihnen anliegen- den, verhältnissmässig spärlichen feinsten Körnchen nur ganz kleine, meistens abgeplattete Vacuolen erkennbar. Mit den Immersions- systemen zeigt sich nun, dass die Fäden zusammengesetzt sind aus den meistentheils einzelnen, vielfach aber auch zu mehreren zu- sammenhängenden Bacterien, welche schon von früheren Beob- achtern erwähnt und in neuester Zeit durch Lillian J. Gould!) einer eingehenden Würdigung unterzogen, von ihrem Partner Hill aber nicht einwandfrei eultivirt wurden, so dass für die Beurtheilung ihrer etwaigen symbiotischen Bedeutung noch keine weiteren Grundlagen gewonnen sind. Es sind dieselben Stäbchen, welche sich in der schaumigen Centralmasse in zahlloser Menge finden und sich vielfach in concentrischen Zügen um Vacuolen und Glanzkörper in dem dürftigen Protoplasma anordnen. Ihre unter dem Druck des die Richtung gebenden Plasmas sehr regel- mässige Aneinanderreihung ist es, welche in den streifigen Thei- len die scheinbare Faserung hervorruft, ohne dass ein constanter Factor für ihre Anordnung in Betracht käme. Vielmehr ergiebt sich, dass unter dem Einflusse der molecularen Attractionsvor- gänge ein Zusammenschliessen der hyalinen Theile und dadurch ein Zurückbleiben der fein- und grobkörnigen Massen erfolgt. Hierdurch sondern sich hyaline, streifige und feinkörnige von den grobkörnigen, allein Kerne, Glanzkörper und grössere Vacuolen enthaltenden Theilen, indem die gröberen Bestandtheile gewisser- maassen herausgepresst werden und die innere, leichter fliessende, mehr passiv bewegliche Masse bilden, im Gegensatz zu den gewöhnlich peripherisch in grösseren Gebieten angesammelten aktiveren, unter Umständen streifigen Theilen. Die abweichenden mechanischen Eigenschaften der von allen Beobachtern unter- schiedenen centralen und der peripherischen Substanz dürften ganz vorzugsweise auf der quantitativen Differenz in der Vertheilung des Protoplasmas in ihnen beruhen. Dort, wo seine Theile äus- 1) Notes on the Minute Structure of Pelomyxa palustris (Greeff). Q. Journ. of Micr. Sc. Vol. 36, June 1894, S. 295 f. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 16 234 O. Israel: seren Einwirkungen folgend in grösserer Menge hinstreben und sich in der Peripherie des Lebewesens anhäufen, treten die fune- tionellen Umordnungen, sich summirend, in deutlicher Weise als aktive Contraetionen hervor. Im Centrum des Körpers dagegen, wo das derselben Umordnung fähige Protoplasma gegenüber den voluminösen Vacuolen, Kernen, Glanzkörpern und schwer beweg- lichen fremden Einschlüssen nur einen unerheblichen Bruchtheil der Gesammtmasse bildet, vermag es nur verhältnissmässig wenig an der Gruppirung zu ändern und es macht sich an der wegen der geringen Menge contractilen Materials desto leichter verschieblichen Masse desshalb nur eine vorwiegend passive Bewegung unter dem Einfluss der motorisch wirksameren Peripherie bemerkbar. Da- durch wird es aber wahrscheinlich, dass alle protoplasmatischen Theile der grossen Amoebe, soweit sie eine Contractionsleistung ausüben, unter gleichen Bedingungen gleichwerthig sind, sei es, dass sie sich gerade in der Peripherie sei es im Centrum befinden, und dass die sichtbare Arbeitsleistung nur von der räumlichen Vertheilung — dem Grade der Concentrirung gegenüber der zu bewegenden inerten Masse — abhängig ist. Es sei hier auf die Untersuchungen von F. E. Schulze!) hingewiesen, der bezüg- lich der Ortsbewegung der Pelomyxa das mechanische Verhältniss der sich passiv verhaltenden Binnenmasse zu den Contraetionen der einzelnen Rindenpartieen eingehend erläutert hat. Ein ruhender Gürtel (vergl. 1. e. Fig. Se und d) übt dort die Contraetions- leistung aus. In der Literatur findet sich bisher keine Beschreibung des geschilderten auffälligen Phänomens bei der Pelomyxa, wohlaber sind zwei Angaben über faserähnliche Bildungen bei anderen Amoeben vorhanden, die, wenn sie auch durchaus nicht mit der beschriebenen Streifung übereinstimmen, sich dennoch leicht mit ihr in Beziehung setzen lassen. Da ist zuerst die Faserung in Betracht zu ziehen, welche Bütschli?) bei der Amoeba Blattae beschrieben und ab- gebildet hat. Leider war es mir nicht möglich, in den Besitz 1) Rhizopodenstudien. IV. Pelomyxa palustr. Greeff. Arch. £. mikr. Anat. Bd. XI. S. 342. 2) Beiträge zur Kenntniss der Flagellaten und einiger verwandter Organismen. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 30, S. 205 und in Bronn’s Klassen u. Ordn. des Thierreiches, Bd. I Protozoa von O. Bütschli, S. 98 und Taf. II, Fig. 4. Eine eigenartige Contractionserscheinung bei Pelomyxa palustris. 235 dieser Amoebe zu kommen, da ich in der mir zur Verfügung stehenden beschränkten Zeit nicht dazu gelangte, sie in den darauf untersuchten Exemplaren von B. orientalis aufzufinden. Bütschli giebt an, dass die Fäden mehr oder weniger regel- mässig in Beziehung zu den Bewegungsrichtungen des Körpers verlaufen oder sich auch ziemlich verworren durchkreuzen können. Wenn auch dieser Autor geneigt ist, die Fäden als Schleimfäden, die Zwischenmasse als eine Flüssigkeit aufzufassen, was bei den Fasern der Pelomyxa nicht angeht, so ist doch die Beziehung der Fäden zu den Contractionsvorgängen eine sehr deutliche. Noch schärfer tritt diese Beziehung hervor in der von Greeff!) bei Erdamoeben, insbesondere der von ihm sogenannten A. fibrillosa beschriebenen Faserung des hyalinen Eetoplasmas. In dieser, den Sitz der Contractionen bildenden Aussenzone konnte Greeff an fixirten Exemplaren Fibrillen beobachten, welche die- selbe radiär durchsetzen und die er als musculäre Elemente an- spricht. Es ist durch seine Untersuchungen nicht festgestellt, wie weit diese Fibrillen präformirt oder durch die Emwirkungen des Fixationsmittels hervorgerufen sind. Immerhin ist aus ihrem Vorhandensein an den gehärteten Objeeten eine ungleichmäs- sige Beschaffenheit des hyalinen Plasmas, die unter gewissen Bedingungen wesentlich in radiärer Anordnung hervortritt, zu folgern und die Parallele zu den streifigen Theilen von Pelo- myxa unverkennbar, nur dass bei den letzteren infolge des Vor- handenseins der Bacillen und Körner das radiäre Wesen deut- licher hervortritt. Nach der Beschreibung der bei Pelomyxa vorliegenden Verhältnisse wäre es gewiss verfehlt, bei ihr auf die Anwesen- heit fixer, etwa den Muskelzellen höher entwickelter Organismen analoger Einrichtungen zu schliessen; solche werden schon durch die mannigfaltigen Formgestaltungen ausgeschlossen, denen wir, besonders unter den angegebenen Bedingungen, begegnen; diese müssten schliesslich zur Annahme von Muskelzellen ohne Ansatz- punkte führen. Sehr deutlich äussert sich aber in der geschil- derten Streifung auch an dem plumpen Körper der Riesen unter den Amoeben die Gesetzmässigkeit der Verschiebungen der con- 1) Verhandl. d. Ges. zur Beförd. d. ges. Naturw. zu Marburg, Sitz. vom 19. Dec. 1890. Biolog. Centralbl. Bd. XI, S. 599f. u. 633 f. 236 O.Israel: Eine eigenartige Contractionserschein. bei Pelomyxa etc. tractilen Substanz. Für diese, vorzugsweise durch die Arbeiten von M. Schultze und Kühne an Pflanzenzellen und Foramini- feren begründet, ist in Jüngster Zeit durch Verworn!) eine an- sprechende Theorie gegeben. Vielleicht vermag zu ihrem Aus- bau auch das Studium an den Scheinfasern der Pelomyxa etwas beizutragen; diese von meinem eigentlichen Arbeitsfelde zu weit abliegende Aufgabe muss ich berufeneren Forschern überlassen. Fig. Fig. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVI. . 1a—f. Umrisse eines lebhaft sich bewegenden Theilstückes einer durchschnittenen Pelomyxa. a und dmit ausgezogenen hyalinen Fäden. In b, ec, d und f Streifung. In e verschmelzen zwei gröbere Lappen I und IIa. 2. Zungenförmiges Pseudopodium mit marginaler Streifung; an den Rändern mehrfach hyaline Vorsprünge, bei A lange starre Streifen. Die vorwiegende Bewegungsrichtung ist, wie in den folgenden Figuren, durch einen Pfeil angedeutet. Vergr. 80. '. 3-6. Spätere Zustände des sich immer mehr verlängernden Halses des in Fig. 2 dargestellten Pseudopodium. Bei R und k' Ruhe. Vergr. 80. . 7. Die dünnste Stelle der Fig. 6. In dem ruhenden Theil bei ? zwei secundäre, radiär angeordnete Streifensysteme. Vergr. 350. '. 8. Aus einer der Fig. 7 ähnlichen Brücke; starre randständige Sreifung; verhältnissmässig schnelle Strömung der centralen Theile vor dem Durchreissen; abgeplattete kleinere Vacuolen, keine Kerne und Glanzkörper in der centralen Masse. Vergr. 350. 9. Fingerförmiges Pseudopodium mit in der Pfeilrichtung stark vordringenden Streifen, durch Osmiumsäure fixirt. Kerne, Glanzkörper und Vacuolen sind zurückgeblieben; bei A# war zur Zeit der Fixation keine Verschiebung bemerkbar. Vergr. 350. 1) Die Bewegung der lebenden Substanz. Jena 182. 237 (Aus dem II. anatomischen Institut der kgl. Universität Berlin.) Die Blutkörperchen im bebrüteten Hühnerei. Von Dr. med. €. S. Engel. Hierzu Tafel XVIL. Die Frage nach dem Orte der Entstehung des Blutes im bebrüteten Hühnerei ist auf Grund zahlreicher Untersuchungen, die über diesen Gegenstand angestellt sind, in der Weise zu beantworten, dass die ersten Blutkörperchen und Blutgefässe gleichzeitig an der Stelle entstehen, wo man sie findet, d. h. innerhalb des Mesoblast. So einig man im Allgemeinen über den Ort der Entstehung des Blutes ist, so gross ist die Uneinig- keit über die Frage, welche von den beiden Blutkörperchenarten zuerst entsteht. Es genüge — da es nicht in unserer Absicht liegt, die schon an anderer Stelle!) des genaueren besprochenen Ansichten noch einmal zu wiederholen, — darauf hinzuweisen, dass über die Beziehungen der rothen zu den weissen Blutkör- perchen die drei möglichen Ansichten herrschen: a) es besteht keinerlei Abhängigkeitsverhältniss zwischen beiden; b) es sind thatsächlich Beziehungen zwischen ihnen vorhanden. Von denen, die der letzteren Ansicht huldigen, behaupten die Einen, — ent- sprechend der älteren Anschauung, — dass die rothen Blutkör- perchen aus den weissen entstehen, während die Anderen die rothen Blutkörperchen als Ursprungszellen der weissen angesehen wissen wollen. Ausser dieser Frage nach den Beziehungen zwischen den weissen und rothen Blutkörperchen harrt noch eine andere, die besonders in den letzten Jahren die Forscher beschäftigt hat, der Erledigung, ich meine die Frage: Welcher Zusammenhang besteht zwischen den grossen Blutkörperchen der ersten embryo- nalen Zeit und den bekannten kernhaltigen rothen Blutkörperchen ? 1) Engel, Zur Entstehung der körperlichen Elemente des Blutes. Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. 42. 238 C.S. Engel: Die Beantwortung dieser beiden Fragen hat Verf. zum Gegen- stande seiner Untersuchungen gemacht, über welche im Folgenden berichtet werden soll. Die Untersuchungen wurden in der Weise angestellt, dass Hühnereier bei einer Temperatur von ca. 40°C. im Brütschrank erwärmt wurden. Nachdem die Eier verschieden lange Zeit be- brütet waren, wurde die Kalkschale an ihrem stumpfen, lufthal- tigen Ende vorsichtig entfernt und unter möglichster Schonung der Schalenhaut der Embryo aufgesucht. Die Blutgewinnung geschah in folgender Weise: Da es darauf ankam, das Blut ohne Verun- reinigungen durch Eigelb oder Eiweiss und ohne Beimengung von Gewebszellen des Hühnchens zu erlangen, wurde durch die Schalen- haut hindurch mit einem spitzen Scalpell in ein Blutgefäss hinein- gestochen. Der hervorquellende Blutstropfen wurde theils in ein Capillarröhrchen, theils in einen Capillarraum hinemgezogen, der dadurch gebildet wurde, dass zwei Deckgläschen durch eine Pincette aufeinander gedrückt wurden. Das im Capillarröhrehen aufgefangene Blut wurde frisch und in 2°/, Osmiumsäure unter- sucht, das im Capillarraum befindliche Blut wurde nach vorsich- tiger Entfernung der beiden Deckgläschen von einander — unter möglichst sorgfältiger Fernhaltung der Finger — lufttrocken wer- den lassen und entweder in Alcohol absolutus oder auf der Ehrlich’schen Kupferplatte durch vorsichtiges Erhitzen fixirt. Die Osmiumsäure-Präparate wurden theils ungefärbt, theils mit Hämatoxylin gefärbt untersucht, die in Alkohol fixirten Präparate wurden in Hämatoxylin-Eosin, die durch Erhitzen fixirten in Ehrlich’s „neutralem Gemisch“ gefärbt. Wir gehen nun zur Schilderung der Blutpräparate über und beginnen mit dem 3 Tage alten Hühnerembryonen (Fig. 1). Die Behandlung des Blutes mit Ehrlich’s neutralem Ge- misch resp. Eosin-Hämatoxylin ergab: I. Kugelförmige Zellen mit braunrothem resp. rothem, hämoglobinhaltigem Protoplasma und einem grossen, kreisrunden, graublauen resp. dunkelblauen Kern. Gehen wir auf die Bestand- theile der Zelle etwas specieller ein, so finden wir, dass die Grösse der Zelle zwischen 9 und 20 u im Durchmesser schwankt. Ausnahmsweise wurde einmal eine Zelle mit 5 Kernen beobachtet, welehe einen Durchmesser von 25u hatte. Der in Ruhe kreis- runde Kern hat einen Durchmesser von 4—10u. Er ist durch Die Blutkörperchen im bebrüteten Hühnerei. 239 einen farblosen Kreis vom Protoplasma der Zelle getrennt. Dieser Kreis, welcher wahrscheinlich dadurch entsteht, dass sich beim Troeknen der Zelle der Kern mit seiner Membran in sich zu- sammenzieht, findet sich niemals bei den zahlreichen Kernen, die Segmentirung zeigen, was als Beweis dafür gelten kann, dass bei der Karyokinese der Kern zu dem umliegenden Protoplasma in viel engerer Beziehung steht als in der Ruhe. Uebrigens zeigen nur die durch Hitze fixirten Präparate diesen farblosen Ring. Auch in anderer Beziehung unterscheidet sich der in Ruhe befindliche Kern von dem segmentirten. Am ruhenden Kern lassen sich durch Färbung mit Ehrlich’s neutralem Gemisch deutlich zwei verschieden gefärbte Substanzen (Fig. la, a!) er- kennen: a) eine grünblaue, zuweilen hellblaue in Klümpcehen an- geordnete Substanz, deren einzelne Theile meist durch Verzwei- gungen mit einander in Verbindung stehen und welche der chro- matischen Substanz angehört und b) eine röthliche, der achro- matischen Substanz entsprechende, welche die Fäden und Klümpchen der chromatischen Substanz umgiebt. Diein Karyokinese befindlichen Kerne zeigen ebenfalls eine Doppelfärbung. Hier ist aber von der röthlichen, achromatischen Substanz nichts zu sehen, während jede Schleife der chromatischen Substanz aus einer blau-grünen Linie besteht, die beiderseits von einer intensiv schwarzen Be- grenzungslinie umgeben ist. Diese schwarze Umrandung der Kernfigur zeigt sich auch noch nach der Theilung in den Ker- nen, die das Stadium der Ruhe noch nicht erreicht haben. Ausser diesen Zellen, welche den in der oben erwähnten Arbeit besprochenen Metrocyten (Mutterzellen) entsprechen und auch beim Hühnchen so benannt werden mögen, finden sich aber noch andere Zellformen, von denen jetzt die Rede sein soll. Il. Es sind dies Zellen mit bläulichem, schwach gefärbtem Kern (Fig. 1f), der zuweilen ähnliche Struetur zeigt, wie der Metroeytenkern. Um den Zellkern, dessen Grösse zwischen 6 und 15 u schwankt, liegt ein röthlicher meist schmaler Proto- plasmasaum herum, sodass die Zelle als weisses Blutkörperchen, und zwar als Lymphoeyt anzusehen ist. Diese Lymphocyten liegen oft in Häufchen von 2 bis 10 und mehr Zellen zusammen. Sie haben dann ein gemeinsames Protoplasma, ihre Kerne zeigen in den meisten Fällen verschiedene Grösse. Einige Exemplare haben Kernformen, welche eine Zweitheilung erkennen lassen. 240 C.S. Engel: Karyokinetische Figuren wurden an ihnen nicht gesehen. Sie zeigen aber noch andere Eigenthümlichkeiten. Abgesehen davon, dass ihre Kerne niemals kleiner als die der Metroeyten sind, besitzen oft einzeln liegende Exemplare an ihrer Oberfläche Fort- sätze und knotige Verdickungen (Fig. le) von braunrother Farbe, derselben Farbe, wie sie die hämoglobinhaltigen, rothen Blut- körperchen besitzen. Berücksichtigt man ferner, dass einzelne dieser grossen, schwach gefärbten Kerne innerhalb sehr abge- blasster, stark vergrösserter (16—18 u) Metrocyten angetroffen werden, so liegt der Schluss nahe, dass diese im Blute des drei- tägigen Hühnerembryonen angetroffenen Leukocyten als Kerne von Metrocyten anzusehen sind. Das Blut des 4. Tages zeigt gegen das des 3. Tages keine Besonderheiten, wir besprechen deshalb das Blut des 5 Tage lang bebrüteten Hühnereies (Fig. 2). Was zuerst die Metrocyten betrifft, so sind sie zwar in Gestalt, Grösse und Farbe von denen der beiden vorangehenden Tage nicht zu unterscheiden, es ist jedoch auffallend, dass die Kerne etwa nur halb so gross sind, wie die des dritten Tages (Fig. 2a). Die Kerne haben in ihrer Mehrzahl nur noch einen Durchmesser von 4—6u. Auch die Zahl der Zellen mit Kern- theilungsfiguren (Fig. 2b) ist eine geringe, doch finden sich häu- figer Zellen mit mehreren — bis 4 -— Kernen in Ruhe. Ausser diesen kleinkernigen Metrocyten, die höchstwahrscheinlich aus den ersteren durch Theilung derselben entstanden sind — weshalb wir für sie den Namen „Metroeyten-Tochterzellen* vorschlagen —, enthält das Blut des 5 Tage alten Hühnerembryonen noch zwei Formen rother Blutkörperchen. Zunächst kernlose, rothe Blutkörperchen. Diese sind wie die Metrocyten kugelförmig, zuweilen birnförmig (Fig. 2c), haben dieselbe Farbe wie diese, sind jedoch kleiner als die Me- troeyten und kommen nur in geringer Anzahl vor. Ferner enthält das Blut kernhaltige, rothe Blutkörperchen mit kleinem, rundem Kern und geringer Menge hämoglobinbalti- gen Protoplasmas, Formen, wie wir sie beim Menschen „Normo- blasten“ nennen. Sie unterscheiden sich von den gewöhnlichen kernhaltigen, rothen Blutkörperchen des erwachsenen Hühnchens nur durch die Kleinheit ihrer Protoplasmamasse und ferner da- durch, dass sie rund und nicht elliptisch wie jene sind (Fig. 2d). Die Blutkörperchen im bebrüteten Hühnerei. 241 Ihr Durchmesser beträgt 6—9u, der Durchmesser ihres Kerns 4—6u. Im Gegensatz zu den Metrocyten haben sie ein schwach gefärbtes Protoplasma mit meist zackiger Begrenzung und sehen wie Scheiben aus. Ihr Kern unterscheidet sich durch nichts von dem Kern der Metrocyten-Tochterzellen. Da wir uns mit den kernlosen rothen Blutkörperchen und den Normoblasten noch später eingehender beschäftigen müssen, so soll hier gleich die Besprechung der übrigen im Blute des 5 Tage alten Hühnerembryonen beobachteten Zellen angeschlossen werden. Die Lymphoeyten (Fig. 2e) erscheinen als Zellen mit sehr wenig Protoplasma, die die Eigenthümlichkeiten der weissen Blutkörperchen des 3. Tages wiederholen. Von besonderem In- teresse ist aber, dass ihre Kerne, entsprechend den kleineren Kernen der Metroeyten-Tochterzellen, kleiner sind als die Kerne der Lymphoeyten der vorigen Tage. Nur zuweilen übertrifft ein Lymphoeyt des 5. Tages (Fig. 2e?) einen solchen des 3. Tages an Grösse. Die Lymphkörperehen sind von den kernhaltigen rothen Blutkörperchen nur dadurch zu unterscheiden, dass sie meist in Häufchen zusammensitzen, einen schwächer gefärbten Protoplasmasaum und einen weniger intensiv gefärbten Kern haben (Fig. 2e). Endlich sind noch die eosinophilen Zellen zu erwähnen (Fig. 2f), die am 5. Tage zuerst beobachtet werden. Sie sind kleiner als die Eosinophilen des erwachsenen Vogels, haben einen oder zwei schwach gefärbte Kerne und — mit dem neutralen Ge- misch !) gefärbt — violette theils runde, theils nadelförmige Gra- nula. Sie kommen in sehr geringer Menge vor. Es muss noch erwähnt werden, dass das Verhältniss der Metrocyten zu den kernhaltigen rothen Blutkörperchen, den Normoblasten, am 5. Tage etwa 20:1 beträgt. Am 6. Tage zeigt das Blut dasselbe Aussehen wie am 5., nur dass die kernhaltigen, rothen Blutkörperchen, die zum Theil schon Ellipsenform besitzen, an Zahl im Vergleich zu den Metro- eyten bedeutend zugenommen haben. Es stellt sich bereits das 1) Auffallend ist, dass die „eosinophilen“ Granulationen des Hühnchens sich nicht mit Eosin färben liessen. Wir sprechen hier trotzdem von „eosinophilen“ Zellen, weil sie von den 5 Ehrlich’schen Granulationen den acido- oder eosinophilen am ähnlichsten sind. 242 C.S. Engel: Verhältniss der Metrocyten zu den Normoblasten in den einzelnen Präparaten wie 5 bis 2:1. Dabei ist zu bemerken, dass sich die Metroeyten im frisch untersuchten Blute ohne Zuhilfenahme irgend einer Fixirung oder Färbung durch ihre Kugelform — zu- weilen Eiform —, ihre Grösse und ihre intensiv gelbe Farbe von den gewöhnlichen, kernhaltigen, rothen Blutkörperchen unterschei- den. Ferner ist es selbstverständlich, dass die Metrocyten in Folge ihrer Kugelform sich nicht geldrollenartig über einander legen können, was nur bei den scheibenförmigen kernhaltigen rothen Blutkörperchen möglich ist. Da das Blut am 7. Tage die Eigenthümlichkeiten des acht- tägigen Blutes, nur in geringerem Maasse, aufweist, so soll jetzt das Blut des 8 Tage bebrüteten Hühnereies etwas genauer besprochen werden. Wir finden hier folgende Formen (Fig. 3): 1. Metroeyten. Sie haben meist Kugelform (Fig. 3a, at), selten sind sie ellipsenförmig. Ihr Durchmesser beträgt ca. 12 u, ihr Kern 4—6 u. Sie haben einen, selten mehrere Kerne. Dieser liegt meist in der Mitte. Sehr auffällige Bilder geben Formen der Metrocyten, bei welchen von der Hauptmasse des intensiv gefärbten Protoplasmas eine protoplasmatische Verlängerung ab- geht, in der meistentheils der Kern liegt (Fig. 3b, b!). Da diese noch nicht gänzlich vollzogene Trennung der Hauptmasse des Protoplasmas von dem eine Protoplasmakrause behaltenden Kern sowohl im frischen Präparat als auch in dem durch Osmiumsäure fixirten in vielen Dutzenden von Exemplaren nachzuweisen ist, so kann von einem Kunstprodukt nicht die Rede sein. In jedem frischen Blutpräparate aus dem 7. bis etwa 16. Tage finden sich solche Trennungsformen. In demselben Präparate finden sich ferner 2. kernlose rothe Blutkörperchen, welche meistens birnförmig sind und die Stelle erkennen lassen, an der der Kern mit dem an ihm haften bleibenden Protoplasma gesessen hat. Manche kernlose rothe Blutkörperchen haben jedoch die Kugelform an- genommen (Fig. 3d). Ohne Ausnahme zeigen alle diese kern- losen Blutkörperchen die intensive Farbe der Metrocyten. Da jedes kernhaltige rothe Blutkörperchen aus einem Metrocyten hervorgegangen sein muss, so müsste die Zahl der kernlosen die gleiche sein, wie die der kernhaltigen rothen Blutkörperchen. Das ist aber keineswegs der Fall. Während die kernhaltigen Die Blutkörperchen im bebrüteten Hühnerei. 243 rothen Blutkörperchen am 8. Tage bereits etwas zahlreicher sind als die Metroeyten, ist die Zahl der Metrocytenreste, d. h. der kernlosen rothen Blutkörperchen sehr gering. Diese gehen also zu Grunde. Dass dies wirklich der Fall ist, geht daraus hervor, dass Fragmente solcher kernloser Blutkörperchen (Fig. 3 d!) schon vom 3. Tage ab während des ganzen embryonalen Lebens zur Beobachtung gelangen. Es bleiben also von den Metrocyten nur die 3. kernhaltigen rothen Blutkörperchen übrig. Diese haben am 8. Tage zum grossen Theil schon die elliptische Scheiben- form (Fig. 3 g!, g? ete.) und man sieht im frischen Präparate an sich rollenden Blutkörperchen, wie der Kern die Protoplasma- scheibe beiderseits überragt. Das kernhaltige rothe Blutkörper- chen ist also ein flaches Gebilde, welches nicht einmal die Dieke des Kerns erreicht. Entsprechend der Entstehung der kernhalti- gen rothen Blutkörperchen lässt ihr Protoplasma sehr häufig noch die Stelle erkennen, an welcher es am Metrocyten gesessen hat. Man sieht häufig an ihnen schrauben- oder schwanzförmige Fort- sätze (Fig. 3g), die nur durch Berücksichtigung ihrer Herkunft erklärt werden können. Was die übrigen Zellen in diesem Stadium der Entwicke- lung des Hühnchens betrifft, so haben auch hier die Lymphocy- ten dieselbe Form und Grösse, wie im Blute des 5. Tages be- schrieben worden ist. Wenn sie einzeln liegen, sind sie nur durch die schwächere Färbung des Kerns und Protoplasmas von den kreisrunden, kernhaltigen rothen Blutkörperchen zu unter- scheiden (Fig. 3e!). In den Fällen, wo ein Metrocyt schon zer- fällt, während er den Kern noch besitzt, — was zuweilen vorkommt —, unterscheidet sich sein schwach blau gefärbter Kern von einem Lymphocyten durch nichts. Es muss erwähnt werden, dass einzelne Lymphoceyten beobachtet wurden, die sich erstens durch ihre Grösse auszeichneten, besonders aber dadurch auffielen, dass sie einen U- oder E-förmigen Kern zeigten. Von neutrophiler Granulation, wie sie für die polynucleären Zellen der Säugethiere characteristisch ist, war jedoch nichts zu sehen. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass auch hier, wie zuweilen bei grossen Lymphocyten des Menschen zu beobachten ist, der grosse runde Kern Ausbuchtungen bilden kann. In den Präparaten desselben Alters fanden sich ausserdem 244 C.S. Engel: noch in Zerfall begriffene Kerne zerfallener Metroeyten und end- lich sehr wenig eosinophile Zellen mit nadel- oder körnchen- förmigen Granulationen. Es erübrigt, um Wiederholungen zu vermeiden, die weitere Entwickelung des Blutes während der folgenden Tage bis zum Auskriechen des Hühnchens — dem 21. Tage — im Zusammen- hange abzuhandeln. Characteristisch für die Entwiekelung des Blutes ist stets das Verhältniss der Metrocyten zu den kernhal- tigen, rothen Blutkörperchen. War das Verhältniss am 8. Tage etwa wie 1:1, so hat es sich schon in den nächsten Tagen be- deutend zu Gunsten der kernhaltigen Rothen geändert. Es kom- men etwa am 10. Tage 1 Metrocyt auf 5 bis 10 Normoblasten, am 16. Tage ist das Verhältniss 1:ca. 50 und von da ab bis zum 21. Tage finden sich nur noch sehr wenige Metrocyten in den Präparaten. Man ist also in der Lage, aus dem Blutbefund auf das Alter des Hühnerembryonen zu schliessen. Was die kernlosen, rothen Blutkörperchen betrifft, so findet man zwar bis kurz vor dem Auskriechen des Hühnchens hin und wieder eins (Fig. 4 und 5 aus dem 14. und 18. Tage), doch mit dem Verschwinden der Metrocyten haben auch sie ihr Ende erreicht. Die kernhaltigen, rothen Blutkörperchen, welche ja bekannt- lieh im Hühnchen bestehen bleiben — während im Säugethier- blute die kernlosen Blutkörperchen bestehen bleiben und die kernhaltigen verschwinden —, nehmen von Tag zu Tag mehr ihre normale Form an. Die kreisrunden oder die mit Fortsätzen versehenen werden immer seltener, sodass sich ein Blutpräparat etwa vom 18. Tage von einem Präparate aus dem erwachsenen Hühnchen nur dadurch unterscheidet, dass man beim Durchmustern mehrerer Gesichtsfelder des ersteren Blutes einem oder dem an- deren Metrocyten oder einem kernlosen rothen Blutkörperchen begegnet. Die Leukocyten haben dasselbe Aussehen, wie es am 8. Tage geschildert worden ist. Etwas grösser als die Kerne der kernhaltigen rothen Blutkörperchen sind sie meist in kleinen Gruppen anzutreffen. Auffallend ist, dass zuweilen freie intensiv gefärbte Kerne zu sehen sind, die einen protoplasmatischen Saum vermissen lassen. Der letzte Bestandtheil des Vogelblutes, die eosinophilen Die Blutkörperchen im bebrüteten Hühnerei. 245 Zellen, sind bekanntlich grosse kugelförmige Zellen — von der Grösse der Polynucleären des Menschen —, die beim Hühnchen nadelförmige Granulationen und einen oder zwei Kerne besitzen. Wir haben oben angegeben, dass die Eosinophilen zuerst am 5. Tage der Bebrütung angetroffen wurden und dass sie an diesem und den nächstfolgenden Tagen meistentheils punktförmige Gra- nulationen hatten. Im weiteren Verlaufe der Entwickelung zeigen sie immer mehr die nadelförmigen Granula, sodass in der dritten Woche der Entwickelung fast nur noch nadelförmige Granula- tionen angetroffen werden. Da wir die eosinophilen Zellen nicht in der Entwicke- lungsreihe von den Metrocyten bis zu den Leukoeyten unter- bringen konnten und es auch nicht möglich war, irgend eine Beziehung zwischen den weissen Blutkörperchen und den Eosinophilen festzustellen, wurden auch die blutbildenden Or- gane, also Knochenmark, Milz, Leber — Lymphdrüsen heraus- zupräpariren war nicht möglich — in den Bereich der Unter- suchungen hineingezogen. Die diesbezüglichen Beobachtungen sollen der Gegenstand einer späteren Veröffentlidhung sein, hier soll nur erwähnt werden, dass Milz und Knochenmark in Bezug auf die Beantwortung unserer oben formulirten Fragen einen höchst interessanten Aufschluss gaben. In beiden Organen traten 3 Zellformen besonders hervor: 1. Metrocyten, 2. sehr zahl- reiche Eosinophile mit runden — sehr selten nadelförmigen — Granulationen und 3. grosse Zellen mit fast die ganze Zelle ausfüllendem Kern, um den zuweilen ein hämoglobinhaltiges Protoplasma lag, sodass dann Zellen beobachtet wurden, wie wir sie beim Menschen Megaloblasten zu nennen pflegen. Uns inter- essiren hier nur die ersten beiden Zellformen. Während das Blut etwa am 18. Tage nur äusserst wenig Metrocyten enthält und fast ganz aus kernhaltigen rothen Blutkörperchen besteht (Fig. 5), finden sich in der Milz an demselben Tage äusserst wenig kern- haltige rothe Blutkörperchen, dagegen eine grosse Anzahl von Metrocyten. Was die eosinophilen Zellen betrifft, so werden die mit runden Granulis, wie es scheint, früher gebildet, als die mit nadelförmiger Granulation, und es sind in der Milz die ersteren immer noch sehr zahlreich vorhanden, wenn im Blute fast nur noch Zellen mit nadelförmigen Granulationen vorkommen. 246 C.S. Engel: Weisse Blutkörperchen, einzeln oder in Haufen, wie sie in Jedem Blutpräparate zu sehen sind, waren weder in der Milz noch im Knochenmark in besonders grosser Menge vorhanden. Fassen wir zum Schlusse unsere Beobachtungen zusammen, so ergiebt sich Folgendes: Die körperlichen Bestandtheile des embryonalen Hühner- blutes sind wesentlich verschieden von denen des erwachsenen Hühnchens. Die ersten Blutkörperchen sind kernhaltige, hämo- globinreiche Zellen, welche mit den kernhaltigen rothen Blut- körperchen des erwachsenen Huhnes nicht identisch sind. Die ersteren sind grösser, kugelförmig, mit einem grossen Kern, der häufig Kernsegmentirung zeigt. Diese Zellen — Metrocyten erster (eneration — gehen im Verlauf des 4. bis 5. Tages in die Me- trocyten-Tochterzellen oder zweiter Generation über. Die Metro- eyten-Tochterzellen theilen sich nicht mehr durch Karyokinese, haben jedoch zuweilen mehrere Kerne. Vom 5. Tage an tritt eine Zweitheilung des Metrocyten zweiter Generation ein. Der Kern nebst dem ihm zunächst liegenden hämoglobinhaltigen Proto- plasma bildet die eine Hälfte, der protoplasmatische, hämoglobin- haltige Rest, die andere. Diese letztere geht zu Grunde, der Kern nebst seiner Protoplasmakrause bildet eine Zelleinheit, welche der „Energide* von Sachs!) entspricht. Das aus dem Metrocyten übrig gebliebene kernhaltige rothe Blutkörperchen nimmt allmählich die Form an, die es im Leben des erwachsenen Thieres hat. In Betreff der weissen Blutkörperchen lassen sich nicht so sichere Angaben machen. Schon im Blute des drei Tage alten Embryonen finden sich Zellen, die zwar das Aussehen von Lymph- körperchen haben, doch durch Form, Grösse, Kernfärbung und Unregelmässigkeit ihrer Oberfläche eher den Eindruck von Metro- cytenkernen machen, deren Protoplasmaleib zu Grunde gegangen ist. Während der späteren Tage ist der Zusammenhang zwischen Leukoeyten und kernhaltigen rothen Blutkörperchen noch auffal- lender: Nachdem sich der Metrocyt in einen kernhaltigen und 1) Sachs, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie, 1882. Mit dem Ausdruck „Energide“ soll der Kern mit dem ihn umgebenden Proto- plasma gemeinsam bezeichnet werden. Die Blutkörperchen im bebrüteten Hühnerei. 247 einen kernlosen Theil getheilt hat, wächst der kernhaltige Theil entweder — durch Aufnahme von Hämoglobin aus dem Blut- plasma, welches ja das Hämoglobin der zu Grunde gegangenen Metrocyten enthalten muss — zu einem definitiven kernhaltigen rothen Blutkörperchen aus, oder er verliert seinerseits sein Hämo- globin, der frei gewordene Kern theilt sich direkt und bildet die als weisse Blutkörperchen anzusprechenden Zellhaufen. Nachdem dieser Zelleomplex sich gelöst hat, wachsen die einzelnen Zellen zu ihrer normalen Grösse aus. Die eosinophilen Zellen endlich haben mit den Metroeyten nichts zu thun, sie kommen nach der Bildung der Blutbildungs- organe — also etwa dem 5. Tage — in die Blutbahn und wandeln auf dem Wege ins Blut ihre punktförmigen Granula in nadel- förmige um. Zusammen mit den unentwickelten eosinophilen Zellen kommen höchstwahrscheinlich neugebildete Metrocyten aus den Blutbildungsorganen in die Blutbahn, wo sie sich dann weiter entwickeln. Vergleichen wir noch für einen Augenblick die Blutentwicke- lung beim Säugethier mit der beim Hühnchen, so ergiebt sich, dass.das Blut beider Thierklassen vom Metrocyten bis zum kern- haltigen rothen Blutkörperchen dieselben Stadien durehläuft, dass dann das Hühnerblut auf diesem Stadium stehen bleibt, während das Blut des Säugethiers nur in pathologischen Fällen mehr oder weniger auf dieser Entwicklungsstufe beharrt, sich aber normalerweise weiter entwickelt. Bevor ich die Arbeit beende, erfülle ich die angenehme Pflicht, Herrn Prof. O. Hertwig für das Interesse, welches der- selbe meinen Untersuchungen entgegen gebracht hat, meinen herzlichsten Dank auszusprechen. 248 C.S. Engel: Die Blutkörperchen im bebrüteten Hühnereı. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVII. Die Vergrösserung beträgt 1:1500. Fig. 1. Blut eines 3 Tage alten Hühnerembryonen. a, al = Metrocyten erster Generation mit einem und zwei Kernen in Ruhe. b = Kerntheilungsfigur. e = Theilung in zwei Metrocyten-Tochterzellen. d, d! — Metrocyten-Tochterzellen gleich nach der Theilung. e =—Metrocyten-Kern mit Protoplasmaresten. f, f! = Leukoeyten. Fig. 2. Blut eines 5 Tage alten Embryonen. a, al ete. = Metrocyten-Tochterzellen in Ruhe. b — Metroeyt in Theilung. € — Metrocyten-Rest, kernloses rothes Blutkörperchen. d — Kernhaltiges rothes Blutkörperchen. e,e!, ee = Lymphoecyten. f: — Eosinophile Zelle. Fig. 3. Blut vom 8. Tage. a, al — Metrocyten. b, b1 — Loslösung des kernhaltigen rothen Blutkörperchens vom Metrocyten, € — frei gewordenes kernhaltiges rothes Blutkörperchen. d, d! — kernlose rothe Blutkörperchen. e — Lymphoeyt, fast identisch mit einem Metrocytenkern. v& — Lymphoeytenhaufen. r g, g! ete. — kernhaltige rothe Blutkörperchen. Fig. 4. Blut vom 14. Tage, Eosin Hämatoxylin. a — Metroeyt. b — Trennung des Metrocyten in einen kernhaltigen und einen kernlosen Theil. € — kernhaltiges, rothes Blutkörperchen, gleich nach der Tren- nung. d,d!,d2,d®—= I,ymphoeyten, einzeln und in Häufchen. e — gewöhnliche rothe Blutkörperchen. Fig. 5. Blut vom 18 Tage. a = Metroeyt. b — kernloses rothes Blutkörperchen. c =freier Kern. d —= Lymphocytenhaufen. e — gewöhnliche rothe Blutkörperchen. f = Eosinophile Zelle. Zur Morphologie der Zelle. Von Gustav Schloter in St. Petersburg. Hierzu Tafel XVIII. In den letzten zehn Jahren ist die Biologie der Zelle in eine vielversprechende Phase ihrer Entwickelung getreten und hat viel geleistet. Schritt vor Schritt dringen wir in die Geheim- nisse des Lebens der Zelle, dieser wichtigsten Structureinheit jedes Lebewesens; und schon fangen wir an, die verschiedensten Functionen mit einzelnen Structurelementen dieser Einheit in Zu- sammenhang zu bringen. — Unverkennbare Fortschritte hat in den letzten Jahren die Morphologie der Zelle gemacht. Dabei haben unsere Anschauungen über die feinere Structur der Zelle eine gänzliche Umwandlung erlitten. Eine ganze Reihe von Arbeiten bekannter Forscher (Ehrlich, Altmann, Luk- janow,DeVries, Wiesner, Reinke, M. Heidenhain) zwingen uns das von den meisten Biologen anerkannte morpho- logische Schema der Zelle zu verändern und ein anderes anzuer- kennen, welches viel geeigneter ist der ganzen Summe faktischer Daten, sowie den theoretischen Anschauungen gerecht zu werden. In vorliegender Arbeit möchte ich über einige Befunde be- richten, die ich im Beginn einer von mir unternommenen experi- mental-physiologischen Arbeit erhalten habe, welche einen kleinen Beitrag zur normalen Structur der Zelle liefern und gleichzeitig im Stande sind, einige in der betreffenden Literatur entstandene Missverständnisse zu klären. Als Untersuchungsobjeet diente mir Salamandra maculata, hauptsächlich deren Hautdrüsen und Leber. Fixirt wurden die Objeete mit Sublimat, zur Färbung wurden Anilinfarben angewandt (Hämatoxylin nach Böhmer-+Indulin+ Eosin+Safranin; Hämatoxylin nach Böhmer-+ Aurantia — von Prof. Lukjanow angewandt, und Färbungen nach Ehrlich). Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 17 250 Gustav Schloter: An den Präparaten!), welehe der Vierfärbung unterworfen wur- den, wobei Safranin ausgeschlossen war, konnte man folgende Kernstrueturen wahrnehmen. Der ganze Kern zeigt bei ober- flächlicher Betrachtung ein grobes, dunkelviolett gefärbtes, aus unregelmässigen Bälkchen und Flecken bestehendes Netzwerk, in dessen Maschen sich ungefärbte Räume befinden. Dieses Bild stellt das grobe Kerngerüst dar mit seinem Chromatin und dem sogenannten Kernsaft. Indem wir aber einen tieferen Einblick thun und bei starker Vergrösserung untersuchen, gewahren wir, dass das Chromatingerüst anfängt sich in eine Masse Einzelele- mente aufzulösen, welche durch Doppelfärbung sichtbar gemacht worden sind. Wir haben dichte Massen von regelmässig sphäri- schen Körnchen vor uns. Ein Theil dieser Körnelung, welche die verschiedenen Schattirungen von hell bis dunkelviolett auf- weist, verleiht dem ganzen Chromatingerüst seine Färbung; der andere Theil dieser Körnelung hat eine dichte rothe Färbung angenommen und ist in unregelmässigen, jedoch dichten Massen zwischen und um die erste herum gelagert. Diese Körnchen varjiren in ihrer Grösse, sind aber im Allgemeinen kleiner als die ersten. Einige dieser Körner sind viel grösser und stellen wahrscheinlich den zweiten Typus der Zellnucleolen (Kossinsky) oder die sogenannten Plasmosomen dar, wobei zu bemerken ist, dass die Plasmosomen eine etwas abweichende Färbung zeigen. Sie sind grell-gelbroth, während die übrige Körnelung rubinroth ist. Fig. 1 veranschaulicht das Gesagte, wobei man sich nur die rothe Körnelung viel dichter vorzustellen hat. Auf den mit Hämatoxylin und Aurantia gefärbten Präparaten erhält diese Körnelung eine Bronzefärbung, wobei die Plasmosomen sich durch ihre Kupferbronze-Schattirung auszeichnen (siehe Fig. 2). Alle übrigen Theile des Kernes, der sogenannte Kernsaft (Paralinin von Schwarz) werden bei Anwendung dieser Methoden nicht gefärbt, nehmen aber stellenweise eine leichte grauviolette Nuance an. Bei genauer Betrachtung weisen sie eine Structur auf, be- stehend aus einer diehten achromatischen Körnelung (Hyalosonıen). Die achromatischen Körnchen füllen alle Räume zwischen 1) Alles folgende bezieht sich auf Zellen der Giftdrüsen von Sa- lamandra maeculata. (Zweiter Typus der Hautdrüsen nach P. Nieoglu. Siehe: P. Niecoglu, „Ueber Hautdrüsen der Amphibien“. Zeitschr. f. wiss. Zoologie. 1893. Bd. 56.) Zur Morphologie der Zelle. 251 dem Chromatingerüste aus und sind sogar im Chromatingerüst selbst in Zusammenhang mit dessen zweierlei Körmelungen zu sehen. Ich konnte im Kerne keine Spur von structurlosen Theilen constatiren. In dieser Zeitschrift ist vor kurzem eine ausführliche Arbeit von M. Heidenhain!) erschienen, in welcher er auch die Frage vom Bau des Kernes berührt und seine früheren Angaben 2) theils bestätigt, theils ergänzt. M. Heidenhain fand auf Sublimatpräparaten, welche mit Anilinfarben behandelt wurden, dass im Chromatin neben der Substanz, welche die sogenannten Kernfarben (basischen Farbstoffe) fixirt, neben dem Chromatin im engeren Sinne, das er „Basichromatin“ benennt, eine sehr feine und dichte Körnelung auftritt, welche die sauren Farbstoffe fixirt und von ihm mit dem Namen „Lanthanin* oder „Oxychromatin“ belegt worden ist, wobei diese Mikrosomen sich viel dunkler färben als das Plasma. Wir sehen also, dass meine Angaben in dieser Hinsicht vollkommen mit denen Heidenhain’s überein- stimmen. In demselben Hefte dieser Zeitschrift steht auch eine Arbeit von F. Reinke?°), welcher eine besondere Behandlung der Ob- Jeete mit Lysol*), welches auf Chromatin lösend einwirkt, anwen- det. Reinke weist so im Kerne eine Körnelung nach, welche sich nicht färbt und anscheinend verschwindet bei folgender Färbung mit Alauncarmin und anstatt dessen ungefärbte Räume liefert, welche dem entsprechen, was man allgemein für Kernsaft ansieht. Indem Reinke einige Literaturangaben über das Vorhandensein einer Structur im Kernsaft giebt, ist er der Meinung, dass die von ihm beschriebene Körnelung, die er „Oedematin“ benennt (wegen des Quellungsvermögens in Lysol), dem sogenannten Kern- safte der Biologen entspricht. In dieser Hinsicht stimme ich mit den factischen Daten Reinke’s vollkommen überein, da ich in 1) M. Heidenhain, Neue Untersuchungen über die Central- körper und ihre Beziehungen zum Kern und Zellprotoplasma. Arch. f. mikrosk. Anat. 1394. Bd. 43. Heft 3. 2) M. Heidenhain, Ueber Kern und Protoplasma. von Köl- liker’s Festschrift. Leipzig. 189. 3) F. Reinke, Zellstudien. Arch. f. mikrosk. Anat. 1894. Bd. 48. Heft. 3. 4) F. Reinke, Anat. Anzeiger. 1893. VIII. No. 16 und 18, 252 Gustav Scehloter: seinem „Oedematin* die dritte Körnelung des Kernes, die achro- matische erkenne. Allein in den Arbeiten beider Forscher ist ein sehr grosses Missverständniss enthalten. Sie scheinen sich Beide nicht so recht zu verstehen, was meiner Meinung nach darin zu liegen scheint, dass sie eine ganze Reihe sehr wichtiger Literaturangaben ganz ausser Acht gelassen haben, obschon diese Angaben dieses Miss- verständniss aufzuklären im Stande sind. M. Heidenhain macht es R. Altmann zum Vorwurf, dass derselbe es verschwiegen habe, dass er, Heidenhain, neben dem Chromatin im Kerne „eine ungeheure Menge* von Mikrosomen nachgewiesen habe. „Diese Mikrosomen (Lanthanin-Mikrosomen), sagt er, sind viel- leicht mit den Altmann schen Kerngranulis identisch.“ Indem Heidenhain weiterhin beschreibt, dass die Struetur des Kernes hauptsächlich aus einer „Netz- und Fadenbildung“ besteht, welche durch Linin und die in dasselbe eingelagerten Chromatinkörnchen und Lanthaninmikrosomen gebildet ist, sagt er: „Dazwischen sind freie Räume, welche, soviel ich sehe, von Altmann nieht anerkannt werden, und welche weder geformte Structuren, noch färbbare Substanz enthalten.“ Es ist mir unbegreiflich, aus wel- chem Grunde Heidenhain sein „Oxychromatin“ für identisch mit der eyanophilen Körnelung Altmann’s hält, die ja einer- seits mit diesen Methoden in getärbtem Zustande nicht zu erhal- ten ist, und andererseits weisen die Beschreibungen und Zeich- nungen Altmann ’s, sowie die ganze Summe der uns zu Gebote stehenden Daten darauf hin, dass die „Granula* Altmann’s gerade diesen „freien Räumen“ entsprechen, welche Heidenhain für structurlos hält. Dieses erscheint mir um so merkwürdiger, als auf meinen Präparaten die körnige Structur dieser "Theile deutlich hervortritt. Andererseits finden wir in der Literatur eine ganze Reihe von Angaben, dass, abgesehen von den anderen Structurtheilen des Kernes, in demselben Körnchen zu finden sind, welche sich nieht färben und bald in Gruppen, bald in Ketten angeordnet, bald um die Plasmosomen herum, bald um die Karyosomen zu sehen sind. Schon Ogata!) erwähnt ihrer in den Pankreaszellen der 1) M. Ogata, Die Veränderungen der Pankreaszellen bei der Secretion. Arch. von Du Bois-Reymond. Physiol. Abth. 1883. Zur Morphologie der Zelle. 253 Frösche, sodann Stolnikow!) in den Leberzellen der Frösche. Kossinsky?) fand in den Kernen menschlicher Gewebe schon recht viel dieser achromatischen Körnchen, wobei er sich fol- gendermaassen ausdrückt: „Anscheinend sind im einfachsten Falle in dem Kern nur achromatische Elemente vorhanden, welche in ein mehr oder weniger regelrechtes System geordnet sind durch Vermittelung einer geringen Quantität des Chromatinstoffes, welcher sich mit Hämatoxylin färbt.“ Oder auch: „Unwillkürlich drängt sich die Vermuthung auf, ob nicht die chromatischen Elemente nur eine Modification der achromatischen darstellen.“ Sodann beschreibt Prof. Lukjanow°) in den Epithelialzellen der Magen- schleimhaut bei Salamandra maeulata achromatische Körnchen, welche er in grosser Zahl auch in den mitotischen Figuren und in den Chromatingebilden vorfand, und weist auch auf den Zusammen- hang der Hyalosomen des Kernes und des Plasma hin. In einer anderen Arbeit?) sagt Lukjanow: „Im allgemeinen hat der Kern ein körniges Aussehen. Das Negativ dieser Körnelung zeigt sich aber in Form des Chromatingerüstes.“ Er erwähnt der Hyalo- somen auch in einer dritten Arbeit’), und in seiner Kritik der Altmann’schen Lehre®) spricht er die Vermuthung aus, diese achromatische Körnelung sei identisch mit der eyanophylen Kör- nelung Altmann’s. Alle diese Angaben, sowie die ganze auf dem Boden der Altmann’schen Lehre entstandene Literatur, zwingen uns zur Annahme, wie dieses schon Lukjanow ausge- sprochen hat, dass die achromatische Körnelung der Körnelung 1) J. Stolnikow, Vorgänge in den Leberzellen, insbesondere bei der Phosphorvergiftung. Arch. f. Anat. u. Physiol. Suppl.-Bd. 1887. 2) A. Kossinsky, Zur Lehre von den verschiedenen Typen der Nucleolen beim Menschen. Klinische Wochenschrift. 1887. No. 24 und 25. (Russisch.) 3) S. M. Lukjanow, Beiträge zur Morphologie der Zelle. Erste Abhandl.: Ueber die epithelialen Gebilde der Magenschleimhaut bei Salamandra maculata. Arch. vonDuBois-Reymond, Suppl.-Bd., 1887. 4) S. M. Lukjanow, Notizen über das Darmepithel bei Ascaris mystax. Arch. f. mikr. Anat. 1888. 5) S. M. Lukjanow, Einige Bemerkungen über die sexuellen Elemente beim Spulwurm des Hundes. Arch. f. mikr. Anat. 1889. Bd. XXXIV. 6) S. M. Lukjanow, Ueber die Hypothese Altmann’s über den Bau des Zellkerns, Protokolle d. biolog. Abth. d. Naturforscher- Ges. in Warschau. 1889. (Russisch.) 254 Gustav Schloter: Altmann ’s entspreche ; diese letztere aber stellt das Negativ des Chromatingerüstes dar und ist gleichbedeutend mit dem soge- nannten Kernsaft. Das „Oxychromatin* von Heidenhain aber repräsentirt einen der Bestandtheile des Chromatingerüstes. Folg- lich sind „Oxyehromatin“ und „eyanophyle Körnelung“ nicht ein und dasselbe, sondern sind im Kern als permanente, selbstständige, unabhängige Structurelemente vorhanden. . Was die Arbeit von F. Reinke!) anbelangt, so stimme ich ihm vollkommen bei, wenn er, die von ihm sichtbar gemachte Körnelung beschreibend, dieselbe mit der Altmann’schen Körne- lung identisch hält: „... auch hat ja Altmann seine Körner, die ich für identisch mit Oedematin halte, ...“*. Grossen Anklang an die oben eitirte Meinung Kossinsky’s, haben folgende Worte Reinke’s: „Demnach scheint aber, wenn wir tiefer in dieser Hinsicht in die Geheimnisse des Zellorganismus eindringen wollen, nicht das bis jetzt besonders studirte Chromatin, sondern die sogenannten achromatischen Theile des Kernes, Linin und Oedematin die Angriffspunkte unseres Studiums sein zu müssen.“ Vollkommen unverständlich ist es dagegen, wenn Reinke in seiner Körnelung das Oxychromatin von Heidenhain erblickt. Unbegreiflich sind seine Worte: „Am genauesten hat wohl M. Heidenhain diese färbbaren Structuren des Kernsafts beschrieben“, oder auch: „Bei diesen durchaus exacten Methoden stimme ich M. Heiden- hain vollkommen bei, dass der Kernsaft eine hochstrueturirte Substanz ist.“ Unverständlich sind diese Worte schon deshalb, weil, wie wir gesehen, Heidenhain selbst entgegengesetzter Ansicht ist. Aus allem Gesagten geht hervor, dass die factischen Angaben Heidenhain’s sowie Reinke’s vollkommen richtig sind und nicht im geringsten Widerspruch mit einander stehen. Die ganze Sache liegt darin, dass Reinke in sein Schema des Zellkerns nicht die von Heidenhain so schön dargestellte oxychromatische Körnelung eingeschlossen hat, und letzterer wieder hat die von Reinke beschriebene Körnelung (Oedematin) ausgeschlossen, im Uebrigen ein richtiges Schema entwerfend, und hat den Kern ohne eines seiner wichtigsten Elemente, der achromatischen Körnelung, gelassen, welch letztere dem sogenannten 1) F. Reinke, Zellstudien, Arch. f. mikr. Anat. 1894. Bd. 43. Heft 3. Zur Morphologie der Zelle. 255 Kernsaft anderer Forscher, der eyanophylen Körnelung Altmann’s und dem „Oedematin“ Reinke’s entspricht. Beide Schemata ergänzen also einander. Deutlich genug ist dieses auch aus meinen Präparaten zu ersehen. Ich halte es für zweckmässig in dieser Arbeit auch einige Worte über den Bau des Plasmas zu sagen. Wie bekannt, haben die treffliehen Arbeiten R. Altmann’s !) gezeigt, dass das wesent- lichste Strueturelement des Plasmas eine von ihm durch Anwendung einer eigenartigen Methode der Behandlung der Objekte erhaltene Körnelung ist, welche dem Zellsafte der Biologen entspricht. Diese Untersuchungen Altmann’s haben eine ganze Reihe von Arbeiten angeregt (R. Metzner, L. Krehl, L. Zoja und R. Zoja, S. Raum, J. Steinhaus, Prof. S. Lukjanow, P. Dannahl, Israel, Prof. N. Mislawsk)j und A. Smirnow u.a.), welche alle die grosse Bedeutung der „Granula“ in den Lebens- processen der Zelle hervorhoben. Ich bin nicht im Stande in dieser kurzen Arbeit eine kritische Beleuchtung dieser höchst wichtigen Frage zu geben, was eine besondere Arbeit erfordert, will aber darauf hinweisen, dass sich die meisten Biologen sehr skeptisch der Altmann’schen Lehre gegenüber verhalten. Ich führe nur die Worte des bekannten Anatomen O. Hertwig?) an; er sagt: „Altmann’s Intergranularsubstanz, welche ihrem physio- logischen Werth nach der Gallerte der Zoogloea gleich geschätzt wird, ist im Wesentlichen das Protoplasma der herrschenden Zellentheorie, also die Substanz, welche als die wichtigste Grund- lage der Lebensprocesse betrachtet wird: Die Granula dagegen gehören zum Theil wohl in die Kategorie der Protoplasmaeinschlüsse, denen man bisher eine minder bedeutungsvolle Rolle zuertheilt hat.“ Jedoch hält Altmann selbst in seinen neusten Arbeiten seine „Intergranularsubstanz“ nicht mehr für ein structurloses Element der Zelle, er hält es nicht für identisch mit der Zooglea- gallerte, sondern erkennt in ihm eine feinkörnige Structur, aus welcher sogar seine „Granula“ hervorgehen sollen. So sagt er): „. .. kam ich mehr und mehr zu der Ansicht, dass diese feinere 1) Eine ganze Reihe von Publicationen. Vergl. seine grosse Arbeit: R. Altmann, „Die Elementarganismen etc.“ 2. Aufl. 1892. 2) O. Hertwig, Zelle und Gewebe. 1893. Seite 22. 3) R. Altmann, Die Granulalehre und ihre Kritik. Arch. von Du Bois-Reymond. 183. 256 Gustav Schloter: Zusammensetzung bis zu einer gewissen Grenze hin eine allge- meine Eigenschaft der Intergranularsubstanz sei.“ Auf eine körnige Struetur des Plasmas weist schon Ogata!) hin: „In sie (Zwischen- substanz der Zomygenkörner) eingelagert ist aber eine feine körnige, mit Nigrosin sich färbende Masse.“ Auf meinen Präparaten ?) kann man Folgendes gewahr werden. Das Plasma bietet eine deutliche Netzstructur, in deren Maschen eine ziemlich grobe Körnelung eingelagert ist. Bei aufmerksamem Studium erweist es sich, dass das plasmatische Netz, das Plasma der Autoren, aus einer diehten Masse deutlich erkennbarer Körner zusammengesetzt ist, zwischen welchen sehr wenig anscheinend structurlose Substanz eingelagert ist. Um einen genaueren Einblick in diese Körnelung zu gewinnen, erweist uns einen grossen Dienst die Behandlung mit Sublimat und das vergleichende Studium mit verschiedenen Anilinfarben behandelter Präparate ?). Auf den Präparaten, welche der oben angeführten Vierfachfärbung unterworfen wurden, tritt das Plasma als grauviolettes Netz hervor, welches mit feinen Körnchen wie besät ist, welche theils mit Nigrosin schwach ge- färbt sind, theils ungefärbt achromatisch sind. In den Maschen dieses Plasmanetzes ist die oben angedeutete grobe, mit Eosin in allen Abstufungen vom blassrosa und rosaviolett bis rubinroth gefärbte Körnelung eingelagert. Im Allgemeinen zeigt sie aber eine schwache Nüance. Neben diesen mit Eosin gefärbten Körnern finden wir in den Maschen auch achromatische Körner von ver- schiedener Grösse. Dieses ist sehr deutlich in Fig. 3 und 4 zu sehen. Auf den mit Hämatoxylin und Aurantia gefärbten Präpa- raten treten dieselben Structurelemente hervor, nur können wir es hier deutlicher wahrnehmen, dass das Plasmanetz, einen leicht gefärbten grauvioletten Ton darbietend, eine zweifache Körnelung aufweist, eine achromatische und eine broncefarbige, welche I1yM. Ogata, Le: 2) Diese Präparate stellen Zellen der giftigen Hautdrüsen von Salamandra maculata vor. 3) Ich halte es für angezeigt zu bemerken, dass ich, in der Lite- ratur keine genauen Angaben über die Dauer der Färbung findend, schliesslich zu dem Resultate gelangt bin, dass die besten und deut- lichsten Differenzialfärbungen erhalten werden, wenn wir jede Farbe nicht mehr als eine halbe Minute einwirken lassen. Nur in den Farbe- mischungen von Ehrlich hielt ich die Präparate bis zu einer Stunde. Zur Morphologie der Zelle. 257 analog der oxychromatischen Körnelung von Heidenhain im Zellkern, in einer grossen Masse und um die grobe Körnelung herum, auftritt. Diese grobe Körnelung hat einen kaum merk- baren gelbvioletten Anflug (siehe Fig. 5). Auf den nach Ehrlich gefärbten Präparaten (Aurantia+Eosin+Indulin) färbt sich das Plasmanetz mit Nigrosin, wobei die körnige Structur mit derselben Deutlichkeit hervortritt; die grobe Körnelung fixirt das Eosin (siehe Fig. 6). Die grobe Körnelung, von der hier die Rede ist, entspricht den sogenannten Zymogenkörnern, d. h. dem von den Drüsenelementen gebildeten Produkt. Dieses aber steht in einer Abhängigkeit und im Zusammenhange mit besonderen Structur- elementen der Zelle, und wie eine ganze Reihe von Untersuchungen genannter Forscher gezeigt hat, gerade mit den Altmann’schen „Granula“. Daraufhin glaube ich, dass diese grobe, sich mit Eosin färbende Körnelung, die sogenannte zymogene Körnelung, mit den in den Plasmamaschen liegenden achromatischen Körnern, den „Granula‘“ Altmann’s entsprechen). Ausser den Altmann’- schen ‚„Granula‘“ ist aber, wie wir gesehen haben, im Plasma eine feine achromatische, sowie eine sehr feine, die plasmatischen Farbstoffe fixirende Körnelung (oxyplasmatische Körnelung im Sinne M. Heidenhein’s) enthalten. Diese Angaben bestätigen vollkommen die oben angeführten Citate von Ogata und Altmann und erweitern unsere Kennt- nisse vom Baue des Zellleibes. Wir sehen also, dass die Struetur des Plasmas im Prineip vollkommen der des Kernes entspricht, dass sie beide aus gleichen Structurelementen aufgebaut sind, von denen z. B. die oxyplasmatische Körnelung der oxychroma- tischen ganz entspricht. Ich übergehe mit Stillsehweigen die 1) Ich weise auf die schöne Arbeit von P. Nicoglu (l. ce.) hin, welcher in den Zellen der von ihm beschriebenen giftigen Hautdrüsen der Tritonen „Granula“ (zymogene Körner) in verschiedenen Entwicke- lungsstadien dargestellt hat. Er unterscheidet drei Modificationen der- selben nach ihrem Färbevermögen. Albuminoide Granula, welche in Biondi’scher Mischung eine blasse Orangefarbe annehmen, und in Eisenalaun-Hämatoxylin intensiv schwarz werden. Sodann „album. Granula“, anscheinend in einer anderen chemisch veränderten Form, welche sich in der Biondi’schen Mischung roth färben, und in Eisen- alaun-Hämatoxylin ganz entfärbt werden und die Reaction mit Thionin geben. Dieses sind jedoch noch nicht fertige Mueinkörner, da das fertige Muein in der Biondi’schen Mischung keine Färbung annimmt. 258 Gustav Schloter: grosse Zahl der schon vorhandenen Literaturangaben, welche das Gesagte bekräftigen und von der gegenseitigen Abhängigkeit der einzelnen Structurelemente des Plasmas und des Kerns in den verschiedensten Phasen des normalen, so auch des pathologischen Lebens der Zelle zeugen. Dieses, würde mich zu weit führen. Meine Aufgabe war, an dieser Stelle nur einige (faetische) An- gaben als Beitrag zur normalen Structur der Zelle zu geben. Alles von mir Gesagte zwingt mich ein Schema der Zellstructur als Veranschaulichung zu geben, welches in Fig. 7 dargestellt ist. Indem ich dieses Schema entwerfe, liegt es mir fern, etwa die Möglichkeit des Vorhandenseins in den verschiedensten Zelltypen von sogenanntem Zell- und Kernsaft, Vacuolen!) und anderen Ge- bilden und Einschlüssen zu negiren, welche im Stande sind ver- schiedenartig dieses Schema morphologisch zu verändern und um- zugestalten; allein in seinen Hauptzügen und Grundformen bleibt dieses Schema immer dasselbe, und alle Modificationen desselben, abhängig von den verschiedensten, normalen und pathologischen Lebensbedingungen der Zelle, sind immer in einem genetischen Zusammenhang mit den verschiedenen Körnelungen der Zelle, diesen Hauptstructurelementen derselben. St. Petersburg, den 1. September 1894. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVII. Fig. 1. Kern aus einer Hautdrüsenzelle von Salamandra maculata. Fixirt mit Sublimat. Färbung mit Hämatoxylin nach Böh- mer, Eosin und Nigrosin. Mikroskop von Seibert, Oc. III, Obj. V. Fig. 2. Idem. Färbung mit Hämatoxylin und Aurantia. 1) In einigen Fällen hat man aber auch schon die Vacuolen in Zusammenhang mit den Zellgranula gebracht. So sagt z.B. J. Raum: „Es ist wahrscheinlich, dass manche Vacuolen nichts anderes, als die durch den Flüssigkeitsstrom veränderten, aufgequollenen und an fuch- sinophilen Substanzen verarmten Granula sind.“ Siehe J. Raum: „Künstliche Vacuolisirung der Leberzellen beim Hunde.“ Arch. f. exp. Path. u. Pharmacologie. 1892. Zur Morphologie der Zelle. 259 Fig. 3. Ein Stückchen Plasma mit zymogener Körnelung. Färbung wie Fig. 1. 4. Zymogene Körner. Fig. 5. Stückchen Plasma. Färbung wie Fig. 2. Fig. 6. Idem. Färbung nach Ehrlich mit Aurantia, Indulin und Eosin in Glycerin. Fig. 7. Schematische Darstellung der Zellstructur. (Aus dem anatomischen Institut zu Rostock.) Zellstudien. IPFTme1l2):. Von Dr. Friedrich Reinke, Privatdocent und Prosektor am anatomischen Institut in Rostock. Hierzu Tafel XIX. Inhalt. A. Ueber die Gerüstsubstanz des Kerns und seine Beziehung zum Gerüst des Zellleibes. B. Ueber Bildung und Rückbildung von Spindel, Zugfäden und Polstrahlung während der Mitose. C. Ueber ein eigenthümliches Strukturverhältniss des Proto- plasmas und seine Beziehung zu den Centralkörperchen (primäre, secundäre und tertiäre mechanische Centren). D. Ein Beitrag zur Mechanik der Mitose. E. Längsspaltung der Chromosomen in den Tochterkernen (ein Beitrag zur Individualitätshypothese). Einleitung. Im I. Theil meiner „Studien“ über die Zelle habe ich mich im Besondern mit den Strukturen in den Theilen des Kernes be- schäftigt, die nach dem Vorgang von Richard Hertwig?) allgemein als „Kernsaft* bezeichnet werden und kam dabei zu 1) Fortsetzung der Zellstudien in d. Arch. Bd. XXXXIII. 1894. S. 377. 2) Im I. Theil pag. 399 ist R statt O zu lesen. 260 Friedrich Reinke: einem im Wesentlichen einfachen Schema, bei dessen Aufstellung ich aber betonte, dass es ausserdem noch eine feine fadige Struk- tur gäbe, über deren genaueres morphologisches Verhalten ich ebensowenig wie M. Heidenhain ein sicheres Bild gewinnen konnte. Um Missverständnisse zu vermeiden hebe ich hier noch einmal hervor, dass selbstverständlich die alte ganz gesicherte Flemming’sche Lehre von den Chromatinfäden des Kerns durch meine Untersuchungen ganz unberührt bleibt, wie ein Blick auf mein Schema zeigt. Hier handelt es sich nur um den feineren Aufbau dieser, wie ja allgemein bekannt ist, aus feinsten Körnern bestehenden, gröbern chromatischen Fadenwerke. Jetzt in diesem 11. Theil meiner Zellstudien liegen jene feinsten fadigen Strukturenals Gegenstand der Untersuchung vor. Das Nächstliegendste wäre freilich, den ruhenden Kern direkt als Untersuchungsobjeet zu wählen. Allein das ist deshalb so ausserordentlich schwierig, weil die Strukturverhältnisse so ungemein fein und dieht sind, dass eine exakte morphologische Analyse, selbst an den günstigsten Objekten und mit den diffe- rentesten Färbemethoden kaum durchführbar erscheint. Ich habe nun im I. Theil versucht, mit besondern Methoden einzelne morphologische Theile zu eliminiren, und glaube auch auf diesem Wege zu leidlichen Resultaten gekommen zu sein, konnte mir aber durchaus nicht verhehlen, dass derartige fureht- bare Eingriffe zu der angestrebten absoluten Sicherheit der Er- kenntniss niemals führen können. Ausser der von mir benutzten Methode der „künstlichen Chro- matolyse“* stehen uns zwei natürliche Wege zu Gebot zur Be- obachtung einfacherer Verhältnisse der Kernstruktur. Einmal die physiologische Chromatolyse, wie wir sie an degenerirenden Kernen finden und sodann die Mitose, wobei bekanntlich das Chromatin, das im ruhenden Kerm über das ganze Kernterritorium vertheilt sich findet, zu einzelnen Chromosomen zusammen gezogen ist, die bei ihren lebhaften Bewegungen immerhin beträchtliche Partieen zwischenliegender Theile beobachten lassen. Die physiologische Chromatolyse bietet sicher manches Inter- essante, wenn sie auch bedenklich ins Anormale überführt: auf sie werde ich später zurückzukommen haben. Für diesmal habe ich mir speciell die Mitose als Vorwurf meiner Studien gewählt, Zellstudien. 261 deren Resultate ich kurz in Folgendem darzustellen mich bemühen werde. Die erste Vorbedingung für das Studium des Kerngerüstwerks ist eine möglichst vollkommene Methode der Fixirung und Färbung. In dieser Hinsicht schienen mir für den vorliegenden Zweck ‚namentlich 3 Methoden besonders aussichtsvoll zu sein. Dies sind in erster Linie die Flemmin g’sche Dreifarbmethode nach Behandlung mit Hermann scher Flüssigkeit, sodann die beiden Heidenhain’schen Methoden, von denen die erste eine Modifika- tion der Biondi’schen Färbung, die andere eine Hämatoxylin- eisenlack-Färbung ist, die beide nach Fixirung in Sublimat zur An- wendung kommen. Alle drei Methoden sind in umfassender Weise von mir benutzt worden. Ich beschränke mich hier auf nur kurze Bemerkungen über den verschiedenen Werth derselben, aber nur in Bezug auf das vorliegende Objekt. Die Biondi ’'sche Färbung hat mir den geringsten Erfolg gebracht. Die Resultate sind im Allgemeinen zwar befriedigend. Aber einmal färbt das Rubin eine ganze Reihe von nicht zueinander gehörigen Dingen gleichmässig, sodann erscheinen selbst bei gutem Gelingen der Methode die Strukturen etwas matt, sodass das Mikroskopiren in der That eine „Trainirung der Retina“, wie Heidenhain es nennt, nöthig macht, das heisst also: man muss recht lange und recht scharf das Präparat ansehen, ehe man die feinsten Strukturver- hältnisse erkennt und dieser Umstand scheint mir etwas unbe- quem, sodass man lieber zu einer andern Methode greift, die schärfere Bilder liefert. Die Hämatoxylineisenmethode ist in dieser Beziehung un- gleich besser und habe ich Centrosomen, Zwischenkörperchen und Spindelfasern, sowie quergestreifte Muskeln leicht und sicher da- mit gefärbt bekommen. Dagegen leistet sie nicht so Gutes für sonstige protoplasmatische Strukturen, wie z. B. Polstrahlung und auch die Gerüstwerke während der Mitose. Das Flemming sche „Orangeverfahren“ ist beiden erstern Methoden vorzuziehen. Die damit nach Fixirung in Hermann’- scher Flüssigkeit erhaltenen Präparate sind ausserordentlich di- stinkt und prächtig. Zudem ist sie eben so zuverlässig wie die Hämatoxylineisenmethode. Was aber für mich die Hauptsache, man bekommt mit ihr in einer so guten Weise das Gerüst zwi- schen den Chromosomen gefärbt und zugleich Spindel und Cen- 262 Friedrich Reinke: trosomen, wie ich es in dieser Totalität und Schärfe der Diffe- renzirung, mit beiden andern Methoden nicht bekommen habe. Ich wende das Verfahren etwas modifieirt an. Die Schnitte oder, wie ich sie in dieser Arbeit stets verwandte, sehr dünne »ewebsplatten kommen auf 24 Stunden in eine eoncentrirte Lö- sung von Kalium sulfurosum. Dann werden sie in Wasser kurz ausgewaschen und in Saffranin 1—2 Stunden gefärbt, nicht länger. Dann kommen sie wieder in Wasser und werden gründlich aus- gewaschen. Sodann folgt die differenzirende Färbung in einem Gentiana-Orangegemisch nach folgender Art. Man fertigt eine eonceentrirte wässerige Lösung von Gentiana nnd ebensolche von Orange-G an. Zu einem Theil der Gentianalösung thut man einige Tropfen Orangelösung. Jetzt erfolgt eine Verfärbung des Gentiana, es bildet sich ein neutraler Farbstoff. Das Mischungs- verhältniss muss derartig sein, dass ein Tropfen, auf Löschpapier gebracht, einen intensiv blauen oder blaubraunen Fleck mit schmalem, schwach orangefarbenen Rand bildet. Diese Lösung sieht nicht klar aus, sie wird offenbar durch den neu entstehen- den, neutralen Farbstoff getrübt. Verdünnt man sie nun mit Wasser, so wird sie so gut wie klar und sieht blauviolett aus. Ohne zu filtriren legt man die Schnitte auf 24 Stunden in diese Farblösung. Sodann spült man in Wasser ab. Damit ist der Färbungsprocess sammt Differenzirung beendet. Es handelt sich nun darum, die Schnitte aufzuhellen, ohne dass sehr viel Farbstoff noch nachträglich ausgezogen wird. Dies ist nieht ganz ohne Schwierigkeit zu machen. Am besten ist es mir bei meinen sehr zarten und dünnen Objekten gelungen, dureh kurzes Eintauchen in käuflichen absoluten Alkohol und kurze Uebertragung in Nelkenöl. (Xylol ist für meme Objekte ganz unbrauchbar, da die dünnen Bindegewebsplatten zusammen- schnurren!) Zu ängstlich braucht man aber doch nicht zu sein. Für jedes Objekt wird man die Zeit abzupassen haben. Das Resultat ist nun im Farbenton etwas variirend. Entweder sind die Chromosomen blau, die Centralkörper- chen, die Spindel und sonstige „achromatische Fäden“ roth, oder die Chromosomen roth und das Uebrige blau, oder aber es treten Mischfarben auf. In allen Fällen sind aber die Dinge scharf differenzirt und damit ist der Zweck einer günstigen Färbung erreicht. Besonders schön werden auch die Centralkörperchen Zellstudien. 263 der ruhenden Zellen gefärbt. Der Vortheil dieser Modifikation des Flemming’schen Orangeverfahrens scheint mir in der grösser Sicherheit zu liegen. Wünscht man reine Chromatinfärbung, so lässt man nur das Saffranin fort. Das Orange wirkt nicht als Farbstoff, sondern als Differenzirungsmittel, ähnlich wie salzsaurer Alkohoi. Diese reine Chromatinfärbung ist wohl einer der schönsten und sichersten die es giebt. Die Beize mit Kal. sulfuros. ist dabei vorher nicht nöthig. (Weiteres siehe Nachtrag Seite 283 h. 1.) Nachdem ich auf diese Weise eine, meinen Zweeken genü- gende Methode mir ausprobirt hatte, so lag mir vor Allem daran, ein günstiges Objekt zu finden. Die Kerne der Zellen der Mund- bodenplatte und Kiemenblätter von Salamanderlarven sind für die vorliegenden feinen Dinge noch zu klein, ganz zu schweigen von Säugethiergeweben. Auch das Lungenepithel, wegen seiner Plattheit schon besser, liess mich aber auch noch nicht zum ge- wünschten Ziel kommen. Nur die ganz grossen, verästelten und platten Bindegewebszellen im Bauchfell der Salamanderlarve, die ich im I. Theil als Bildungszellen der elastischen Fasern ange- sprochen habe und die namentlich m ältern Larven sich reich- licher finden, waren gross genug, um das sicher und deutlich zu sehen, was ich abgebildet habe. Diese Mitosen waren im Knäuel- stadium bis zu 60 Mikren und darüber, sind also etwa doppelt so gross wie die von Rabl benutzten Objekte der Mundhöhlen- platte. Diese Zeichnungen sind bei bestem Tageslicht (blauem Himmel und weissen Wolken) angefertigt und Kennern, denen ich Präparate und Zeichnungen vorlegte, z. B. Herr Prof. v. Brunn und Prof. Lubarsch stimmten mir bei, dass sie auf Genauigkeit Anspruch machen könnten. Nur sind die feinen Fäden und Körnchen vielleicht nicht zahlreich genug, die Fäden hier und da wohl etwas zu dick ausgefallen, es liegt das im Wesent- lichen daran, dass die Präparate bei ihrer Körperlichkeit nicht so ganz leicht in einer Fläche wiederzugeben sind. Für das, was ich an jenen Zeichnungen demonstriren möchte, genügen sie auf alle Fälle vollkommen. Da diese „Zellstudien“ durchaus keine Monographien sein sollen, sondern nur kleine und bescheidene Beiträge zur Kenntniss der Zelle, so werde ich mich bemühen, meine Befunde kurz und sachlich darzulegen. Wer nur umfangreiche Abhandlungen mit 264 Friedrich Reinke: viel Raisonnement liebt, mag meine kleine Arbeit ohne Schaden schnell bei Seite legen. Was den Inhalt dieser Zeilen betrifft, so kam es mir, wie bemerkt, im Wesentlichen auf die sogenannten achromatischen Strukturen des Zellkerns an, die specifischen Granula, das Chro- matin und das Oedematin lagen nicht im Plan der Untersuchung. A. Ueber die Gerüstsubstanz des Kerns und seine Beziehungen zum Gerüst des Zellleibes. Im I. Theil meiner Studien bin ich zu dem Resultate ge- kommen, dass der Kern von einer Grundsubstanz gebildet werde, die sehr ähnlich oder identisch mit dem Protoplasma des Zell- leibes sei, und ein von einer Membran ähnlichen Bildung abge- grenztes Territorium bildete, in dem einmal die Chromatinkörner, sodann die Oedematinkörner eingelagert seien. Durch diese Ein- lagerung wird diese Grundmasse schaumig oder wabig. Eine Ansicht welche, allerdings von einem ganz andern Standpunkt ausgehend, wenn auch nicht zu gleichem, so doch zu ähnlichem Resultat wie die Bütschli’s gelangt. Wie aber schon ein- gangs erwähnt, leugnete ich damit durchaus nicht noch andere, fädige Differenzirungen. Mit meiner jetzigen Methode sehe ich nun viel besser wie damals den Raum zwischen und um den Chromosomen herum, der theils zum frühern Kern, theils zum Zellleib gehört und den man als „hellen Hof“ zu bezeichnen pflegt, durchsetzt von einem zarten Gerüstwerk, welches einmal in continuirlichem Zusammenhang mit dem diehteren Gerüstwerk des übrigen, peripheren Zellleibes und andererseits den Chromo- somen steht. Ganz wie damals am ruhenden Kern finde ich hier während den Prophasen und Anaphasen, wo die Kernmembran sich noch nicht aufgelöst hat oder schon wieder hergestellt ist, dieselbe in sicherem eontinuirlichem Zusammenhang stehen mit dem Gerüst- werk des Zellleibes. Ich bitte damit Fig. 11 und 12, Tafel II zu vergleichen. Ich glaubte damals, dass diese feinen Verbin- dungsfäden durch die von mir demonstrirten Poren der Kern- membran hindurch gingen. Dies kann ich heute nicht mehr an- nehmen, vielmehr muss ich mich jetzt dahin aussprechen, das Gerüstwerk des Kerns, der Kernmembran und des Zellleibes sind Zellstudien. 265 eins und die Kernmembran stellt nur eine verdichtete, näher an- einandergerückte Partie derselben dar. Dieses einheitliche feine Gerüstwerk, das, wie ein Blick auf meine Abbildung lehrt, den ganzen hellen Hof und die Räume zwischen den Chromosomen durchsetzt, morphologisch genau zu analysiren, bleibt bei unseren jetzigen optischen Mitteln schwierig. Immerhin kann man sich an so gut gefärbten Präparaten, nach dem Studium eines sehr grossen Materials ein Urtheil erlauben, welches vielleicht der Wirklichkeit nieht so ganz fern bleiben wird. Nach allem was ich sehe, handelt es sich um feinste La- mellen, die Waben bilden, die ich identisch halte mit meiner Kerngrundsubstanz. In ihren Wänden liegen aber Bildungen, die man sicher als Fäden, von zum Theil bedeutender Länge erkennt, sie scheinen oft zwischen vielen feinsten Waben hinzu- laufen. Diese Fäden bilden Netze und färben sich stärker als die übrige Substanz. Sie sind oft ganz glatt, häufig sehen sie rauh wie gekörnt aus. Sie könnten demnach aus feinsten Kör- nern bestehen, das ist aber an diesen Präparaten nicht zu ent- scheiden. Sicher dagegen ist, dass sie überall sich an die Chro- mosomen und Kernmembran ansetzen und, dass sie alle ausgehen von kleinen aber sehr deutlichen Mikrosomen, die stärker färbbar sind und an Grösse und Aussehen etwa den Centralkörperchen der ruhenden Zelle entsprechen. Sicher ist auszumachen, dass es keine optischen Durchschnitte von Fäden oder Netzknoten sind. Sie sind in allen Abbildungen, ausser Fig. 3, mehr oder minder deutlich zu sehen. M. Heidenhain hat auf Grund von Beobachtungen an verhältnissmässig kleinen Objekten die Meinung ausgesprochen, dass, weil man oft den Kern glatt vom Protoplasma des Zell- leibes abgehoben findet, dieser in keiner Verbindung mit den Strukturen des Zellleibes stehe. Dem muss ich durchaus wider- sprechen. Erstens zeigt sich beim Verschwinden der Kernmem- bran, sowohl bei ihrer Neubildung an meinen Präparaten, dass es sich sehr deutlich verfolgen lässt, dass sich die Membran ganz allmählich in ein loseres Gerüstwerk umwandelt, resp. aus ihm sich bildet und dabei in engster Verbindung mit den Strukturen des Zellleibes und des Kerninnern bleibt. Das Ende dieses Pro- cesses kann man schon an einigen meiner Abbildungen in Fig. 1, 2 und 4 sehen, wo die Form des ruhenden Kernes noch zu er- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 18 266 Friedrich Reinke: kennen ist, die Membran bereits aber vollständig netzig geworden ist. Dies Verhalten widerspricht schon entschieden der Heiden- hain’schen Ansicht. Der sichere Beweis des Zusammenhanges bringt aber Fig. 12, die zeigt die sichern Verbindungen dieser Theile. Durch die Fixirung zerreissen eben diese Verbindungen offenbar leicht und erscheint der Kern dann glatt abgehoben. Auch Fig. 12 zeigt dies Verhalten an einigen Stellen. Auch hier schon sieht man eine ganz sichere Verbindung der Kernmembran mit dem Zwischenkörperchen. Diese Verbindung tritt fast noch deutlicher hervor in Fig. 11, wo die beiden Tochterkerne durch diese Verbindungen in scharfe Spitzen ausgezogen sind. Es ist durch derartige Präparate, die aus einer grossen Anzahl ähnlicher oder gleicher genommen wurden, mit Sicherheit der Beweis geliefert, dass die Struktur des Zellleibes in innigster Verbindung mit der Kernmembran steht. Andererseits ist es, wie auch Fig. 11 und 12 mit Sicherheit zeigen, eine Thatsache und wie die obige jeden Augenblick demonstrirbar, dass das Kerngerüst durch Fäden mit derselben Membran in Verbindung steht. Die Continuität des Kerngerüstes und des Gerüstes des Zellleibes ist demnach wnanfechtbar bewiesen. Beide Gerüste bilden eine Einheit. Nur ist das Kerngerüst sowie das Gerüst des hellen Hofes während der Mitose lockerer wie das des Zell- leibes und auf diesem Umstand beruht zum Theil der morpho- logische Unterschied zwischen Innen- und Aussentheil des Zell- leibes während der Mitose. Dieser Unterschied verschwindet aber nicht ganz während der Ruhe. Auch hier kann man z. B. an den Epithelzellen der Mundplatte der Salamanderlarve sowie an den Binde- gewebszellen und Endothelien des Bauchfells einen Unterschied zwischen den Partien in der Nähe des Kerns und der Peri- pherie machen, resp. sehr deutlich dureh die angewandte Me- thode demonstriren. Ich unterscheide daher an der Zelle einen innern Theil, in dem der Kern und die Centralkörperchen liegen, als „Marktheil“ von einem peripheren „Rindentheil“, und füge hinzu, dass es Zellen giebt, die nur aus dem ersten Theil bestehen, z. B. die Leukoeyten. Die nähern Belege hierfür werde ich später bringen, diese kurze Bemerkung möchte ich als eine vor- läufige Mittheilung aufgefasst wissen. Es ist demnach meine im I. Theil durch andere Methoden Zellstudien. 267 gewonnene Anschauung, dass das Linin des Kerns dem Gerüst- werk des Zellleibes entspricht, das beides ein einheitliches Proto- plasma ist, durch ganz sichere Beobachtung bestätigt und es ist noch einmal hervorzuheben, dass das was den Kern als besonderes Gebilde dem Zellleib mit seinem Mark- und Rindentheil gegen- über charakterisirt, die beiden eigenthümlichen Materien, das Chromatin und das Oedematin, also Granula sind, die in einem eircumstrikten Bezirk der Protoplasmagrundsubstanz eingebettet durch eine zu einer Membran verdichteten Partie derselben Grund- substanz eingegattert werden. (Die Nukleolen, die sicherlich eine noch unbekannte grosse Bedeutung haben, lasse ich hier absicht- lich fort.) Die eigenthümliehen Kernstoffe müssen wir uns durch zwei verschiedene Communikationswege auf den Zellleib wirksam den- ken. Einmal dureh Poren in der Membran, die den Austausch in Flüssigkeit gelösten Gasen und Stoffen ermöglichen und so- dann durch jene feinen Fäden und Gerüststränge, die einmal Leitungsbahnen für Reize, sodann aber mechanisch im gröbern Sinn, z. B. contraktil wirkende Fasern darstellen. B. Ueber Bildung und Rückbildung von Spindel, Zugfäden und Polstrahlung während der Mitose. Auf keinem Gebiet der Zellenlehre, das der exakten For- schung zugänglich ist, hat es eine so grosse und auffallende Verwirrung der Meinungen in den letzten Jahren gegeben, wie auf dem der achromatischen Theile während der Mitose. Und gerade dieser Kampf der Ansichten, die diesem Arbeitsgebiet das nöthige Interesse verlieh, hat bedeutende Fortschritte der Erkennt- niss gezeitigt. Die grundlegenden Arbeiten Flemming’s und Strassburger’s über die achromatische Spindel wurden von van Beneden, Boveriund Rabl scheinbar über den Haufen geworfen. Während die ersteren an Wirbelthieren und Pflanzen eine von Pol zu Pol durchgehende Spindel beschrieben hatten, erklärten diese nach ihren Befunden an Ascaris, diese Spindel aus zwei Hälften bestehend (allerdings beschrieb van Beneden daneben auch durchgehende Fasern) und kamen dabei auf eine Erklärung der Mechanik der Mitose, die sich auf die Contrak- tilität dieser Fasern stützte, und allgemeinen Beifall gefunden zu haben scheint. 268 Friedrich Reinke: In diese Verhältnisse, die ich als allgemein bekannt in ihren Details voraussetzen darf, brachte die Hermann’sche Arbeit Licht, indem er den Irrthum der Ascarisforscher auf- deckte und nachwies, dass die Halbspindeln dieser etwas ganz anderes seien als die Spindel der frühern Autoren, dass man zwi- schen „Spindelmantel*“ und „Centralspindel“ streng zu unter- scheiden habe. Ich halte den Namen „Centralspindel“ deshalb für opportun, weil ich fürchte, dass die von van Beneden, Boveri und Rabl nun einmal eingeführten Bezeichnungen kaum noch auszurotten sein werden, wenn ich mich auch thatsächlich den Ausführungen O0. Hertwig's vollkommen anschliesse, dass es überhaupt nur eine Spindel giebt und von einer „Halbspindel‘“ weder historisch noch thatsächlich die Rede sein kann, und es sich empfiehlt, für die Fasern des „Spindelmantels‘‘ eine beson- dere Bezeichnung einzuführen. Ich schlage deshalb für diese Fasern die von den Centralkörpern zu den Chromosomen und wie ich nachweisen werde, auch noch zu anderen bisher unbekann- ten Dingen gehen, die Hermann als Spindelmantelfasern, jene andern Forscher als Halbspindelfasern bezeichnen, den Namen „Zug- oder Leitfasern“ vor, weil sie wie meine Untersuchungen im Einklang mit denen aller andern Autoren zeigen, eine ziehende, haltende und leitende Rolle bei der Lokomotion der Chromosomen zu spielen scheinen. Ich füge schliesslich hinzu, dass jene be- kannte Rabl’sche Hypothese, dass diese Fasern sich an die Pfitzner’schen Körnchen ansetzend die Längsspaltung der Chro- mosomen durch Zug bewirkten, nach der einschlagenden Arbeit von Flemming in dieser Form wohl als vollständig unhaltbar angesehen werden darf. Das Nähere ist bei Flemming nach- zulesen. Durch die Hermann’schen und Flemming’schen Ar- beiten über die erste Anlage der Spindel bei Wirbelthieren, die auch kürzlich Heidenhain bestätigen komnte, ist es Thatsache geworden, dass die erste Anlage der Spindel nebst Centralkör- perchen ausserhalb des Kerns im Zellleib gebildet wird. Gegen diese Thatsache beweist der eine Befund Brauer’s an Ascaris nichts. Weniger sicher gestellt erscheint bis jetzt die weitere Ent- wickelung der Spindel. Allerdings sind OÖ. Hertwig und Flemming auf Grund Zellstudien. 269 ihrer Beobachtungen zu der Ansicht gekommen, dass feine Linin- fäden zwischen den Chromosomen des lockern Knäuels sieh mit der ausserhalb des Kerns entstandenen kleinen Spindelanlage in Verbindung setzen, und die Spindel nebst Centralkörperchen in den Bezirk der Chromosomen hineinziehen. Für diese Ansicht glaube ich im Stande zu sein, an meinen Präparaten den vollen Beweis zu liefern. Zugleich werde ich darthun, dass auch die „Zugfäden‘“ — Spindelmantelfasern sich ebenfalls aus dem Gerüst des Kerns bilden und zwar so, dass sie gleich von Anfang mit den Chromosomen in Verbindung stehen und nicht erst, wie Boveri meint, an diese anwachsen. Auch diese Ansicht ist bereits von Flemming energisch vertreten worden und auch Rab hat bereits etwas dem Aehnliches angenom- men, indem er glaubte, dass diese Fäden von Anfang an Öentral- körperchen und Chromosomen verbänden und nur sehr geknickt verliefen. Das ist nun insofern richtig, als sie sich aus einem feinen Maschenwerk, wie der grösste Theil der Spindel bilden, das stets continuirlichen Zusammenhang hatte in seinem Verlauf zwischen Kerngerüstsubstanz, Membran und Zellleibgerüst. Indem ich die erste Anlage der Spindel aus den Arbeiten von Hermann und Flemming als bekannt voraussetze, so mag für diesmal es genügen mit einem Stadium, wie Fig. 1 und 2 zeigen, anzufangen. Es sind beides Stadien des segmentirten Knäuels. Die Form des ruhenden Kerns ist noch merkbar er- halten, die Membran fast vollständig in ein lockeres Netzwerk aufgelöst, Polfeld und Gegenpolfeld deutlich erkennbar. Das Protoplasmagerüst des Kerns zwischen den Centrosomen und sein Zusammenhang mit dem Gerüst des hellen Hofes sehr deutlich. Beide Centrosomen sind bereits zwischen die Chromosomen ge- zogen und das ursprüngliche an der Einbuchtung gelegene Pol- feld ist dadurch etwas verschoben zugleich vergrössert, in beiden Fällen erscheinen die Centrosomen von ungleicher Grösse. Von ihnen gehen nach allen Richtungen Strahlen aus, die sich fast überall in dem feinen Gerüstwerk verlieren, mit ihm aber in Continuität stehen. Theilweise sind die „Zugfasern‘‘ bereits der- artig ausgebildet, dass sie sich eontinuirlich von einem Oentral- körperehen zu den Chromosomen verfolgen lassen, theilweise stehen sie noch durch Netzwerke in secundärer Verbindung. Auch das Linin der Chromosomen steht hier und da noch unter- 270 Friedrich Reinke: einander in direkter Verbindung. An einigen Stellen sieht man bereits von den Winkeln der Schleifen stärkere Fasern oder Faser- bündel abgehen. Ausserdem sieht man in Fig. 1!) bündelförmig die Polstrahlung des Zellleibes mit dem Gerüstwerk in Verbin- dung in Fig. 2 bereits einen sichern Anfang der Polstrahlung, der sich nach dem Zellleib hin aber noch in Netze auflöst. Der Verlauf der Spindel ist nun besonders interessant, der Anfangstheil von beiden Centralkörperchen ausgehend ist deutlich faserig, die Verlängerung in beiden Fällen bildet einen Winkel. Ein Verhalten, das dem Schema Flemming ''s absolut entspricht. Der mittlere Theil besteht aber noch aus einem Maschenwerk und ich glaube daher, dass auch in den ersten Spindelanlagen, wie Flemming sie beschrieben hat, es sich noch nicht um durchgehende ‚Fasern sondern um Netze handelt, ein Verhalten, das bei der Kleinheit der ersten Anlage kaum zu eruiren sein dürfte, hier aber deutlich hervortritt. In Fig. 3—5 sehen wir nun den weitern Verlauf dieser Bildungen. Die Zugfasern sind überall gut ausgebildet und stehen zum grössten Theil direkt mit den Chromosomen in Verbindung und besonders deutlich mit den Winkeln der Schleifen, in Fig. 5 sieht man rechts ein Chromosomen durch mehrere Fasern mit beiden Centralkörperehen in Verbindung stehen. In Fig. 4 ist die Polstrahlung mit ihren sich hier noch kreuzenden Fasern und ihrer Verbindung mit beiden Centralkörperchen äusserst deutlich. (Die starke Faser unten ist ein Bündel von Zellfibrillen, keine Kernmembran.) Die Centralkörperchen sind einander näher ge- rückt, die Centralspindel verkleinert aber sehr dicht, sodass ausser den sichtbaren Fasern noch sicher andere, netzförmige Substanzen darin sind. In allen drei Fällen bilden sie noch Win- kel, die man hier in der Zeichnung nicht sehen kann, weil man von oben darauf sieht, die aber durch die Hebung und Senkung des Tubus zur Erscheinung kommen. Vergleicht man Fig. 1 und 2 mit Fig. 3—5, so wird man sich kaum der Ansicht erwehren können, dass hier in Fig. 3—5 einmal eine Contraktion der Centralspindelfasern und sodann be- 1) Die freigelassenen Stellen in der Zeichnung waren verdeckt und deshalb das Gerüstwerk nicht zu erkennen, während die Chromo- somen deutlich durchschienen. Zellstudien. 271 sonders in Fig. 5 eine centripetale Bewegung der Chromosomen, die dureh die Zugfäden gehemmt wird, stattgefunden hat Betrachten wir dann die weitern Stadien Fig. 6, 7,8 und 10, Stadien, die die Bewegung der Chromosomen von der Peripherie nach dem Aequator hin zeigen, also zum Mutterstern überführen, so bemerken wir eine enorme Vergrösserung der Spindel. Wir sehen in Fig. 6 absolut sicher durchgehende Fasern von einem Pol zum andern. Sodann auffallend lange Zugfasern, die theil- weise ganz sicher von dem entfernteren Pol ausgehen, sich viel- fach theilen, wie van Beneden und Rabl sowie neuerdings Flemming das beschrieben haben. Auch hier glaube ich Ver- bindungen zu beiden Polen gesehen zu haben, wie ich sie in Fig 5 ganz sicher sah. In Fig. 7 sieht man nun die Theilungen der Zugfasern massenhaft. Hier hat nun die von Flemming beschriebene Umklappung der Zugfasern theilweise schon statt- gefunden, theilweise ist sie im Werden. Hier decken die zu dem im Aequator bereits angelangten Chromosomen gehörigen Zug- fasern als „Spindelmantel‘“ die Centralspindel zum Theil, sodass beide Arten von Fasern nicht zu unterscheiden sind und es wird begreiflich, wie Boveri dazu kam, (zumal da die Centralspindel bei Ascaris offenbar schwerer zu sehen ist wie die dort sehr starken Zugfasern) diese so verschiedenen Theile zu identifieiren. Hier sieht man oben rechts und links, sowie ebenso unten jene von Flemming genau beschriebene Stellung der Chromosomen, die sicher keine direkte Verbindung zu beiden Polen haben, viel- leicht deshalb auch nicht so schnell wie die andern zum Aequator gelangt sind. Dass sie trotzdem dort hinkommen, unterliegt keinem Zweifel. Fig. 7 zeigt ausserdem noch zwei interessante Dinge, ähnlich wie Fig. 3. Erstens die different gefärbte Lame intermediaire van Beneden's, d. h. eine besondere Substanz, in der die Chromatinkörner gebettet liegen und die am Ansatz der Zug- fasern besonders deutlich ist. Ich halte diese Substanz für eine Verdichtung des übrigen Kernplasmas, möchte aber nach O. Hert- wig’s und meinen im I. Theil beschriebenen Befunden über die Resorption der Nukleolen glauben, dass diese einen Theil dieser Substanz bilden, sodann liefern diese Präparate den Beweis, dass die Zugfasern sich an diese Substanz, nicht an das Chromatin ansetzen, wie bekanntlich Rabl annimmt. 272 Friedrich Reinke: Fig.8zeigt vom obern Centralkörperchen nach unten links einen Zugfaden, der sich nicht direkt mit einem Chromosomen, sondern mit einem kleinen andern Körperehen in Verbindung setzt. Im Präparat ist dasnoch viel deutlicher wie in der Zeichnung. Derartige Verbin- dungen, auf die ich weiter unten zurückkomme, finden sich in Fig. 1, 2 und 5 zahlreich. Es giebt also Zugfasern die erst mittelbar mit den Chromosomen in Verbindung stehen. Und so denke ich mir ähnlich die Verhältnisse bei Fig. 7 in Betreff der Chromosomen, die nur eine direkte Verbindung mit einem Üentralkörperehen haben. Fig. 10 ist deshalb sehr lehrreieh, weil hier der mittlere Theil der Spindel, theilweise durchaus eine netzigwabige Struetur beibehalten hat, aus der, wie wir sahen, überhaupt die Spindel entsteht. Schliesslich erübrigt noch einige Bemerkungen über das Vergehen der Spindel an Hand meiner Präparate zu sagen. Leider habe ich nicht genügende Beobachtungen über die Spindel während der Metakinese und der Bildung der Tochtersterne an- stellen können. Einmal, weil dies Stadium an dem vorliegenden Objekt sehr schnell verläuft und ich deshalb bis jetzt kein sehr grosses Material dieser Stadien zur Verfügung habe. Sodann aber liegen die Chromosomen so dieht in den Fällen die zur Beobachtung kamen, dass ich die feinere Structur nieht deutlich genug sehen konnte. Nur soviel kann ich bestimmt sagen, dass in diesen Stadien die Struktur des Netzwerks ebenfalls vorhanden und die „Verbindungsfasern“ sehr deutlich zu sehen sind, wie an den sonst studirten kleinern Zellen. Das Endstadium der Spindel ist in 12 sehr gut und auch in Fig. 11 zu verfolgen. Der obere Kegel löst sich wieder in ein Netzwerk . auf, dessen Rest man in Fig. 12 sieht. Diese Partie wird nun aber gebildet sowohl von den Zugfäden wie von der Spindel selbst. Es muss, wie aus einer einfachen Ueberlegung folgt, ein Theil der Zugfasern sowie der Spindel wieder in das Gerüst des Tochterkerns eingegangen sein, der Rest liegt dann im Plasma der Delle des Kerns, gehört also zum Zellleib, wie die Pol- strahlung. Die Verbindungsfäden lösen sich wie Fig. 12 lehrt, schon jetzt zum Theil in ein Netzwerk auf, zum Theil bilden sie das Centrum der Fäden, die vom Zwischenkörperchen zusammen- gerafft werden. Es ist nun ja wohl sicher, dass das Gerüstwerk des Kerns aus dem die beiden Tochter-Kerne sich gebildet haben, Zellstudien. 273 eine Vermehrung erfährt. Diese Vermehrung führe ich besonders auf das enorme Wachsen der Spindel von Fig. 5 auf Fig. 6 zu- rück. Da später em grosser Theil hiervon sich im das Gerüstwerk der Tochterkerne umwandelt, so erhält damit dieses eine absolute Vermehrung der Gerüstmasse. So haben wir hier die ganze Geschichte der achromatischen Strukturen, ihr Entstehen und Vergehen vor Augen, so klar und unzweideutig, wie es sich nur wünschen lässt, immer vorausgesetzt, dass man sich die allerersten Stadien nach Hermann und Flemming dazu denkt. ‘. Ueber ein eigenthümliches Strukturverhältniss des Proto- plasmas und seine Beziehung zu den Centralkörperchen. (Primäre, secundäre und tertiäre mechanische Centren.) Einen besonders interessanten Befund, den ich an meinen Präparaten machte, habe ich bisher nur ganz nebenbei erwähnt, wie ich ihn an dieser Stelle ausführlicher besprechen möchte. Die Struktur des Protoplasmas ist bekamntlich eine sehr heikle und umstrittene Sache. Zwar nicht ein Strukturverhältniss an sich, denn solches wird jetzt wohl von allen, die sich etwas intensiver mit diesen Dingen beschäftigten, zugegeben, sondern die conerete Form desselben. Man erwarte hier nicht eine eingehende Behandlung der bekannten Theorien, vielmehr möchte ich ohne Versenkung in diese Unergründlichkeiten die Dinge nur streifen. Wir haben bis jetzt 3 Haupttheorien, die sich aufs Aeusserste be- fehden. 1) Die Gerüsttheorie vonFrommann und Leydig mit ihrer Modifikation der Schaumtheorie von Bütschli; 2) die Filartheorie Flemming’s; 3) die Granulatheorie Altmann’s. Mir scheint als ob der Hauptwerth aller dieser Bemühungen in dem Auffinden des thatsächlich Demonstrirbaren liegt. Ich sehe nun in meinen Präparaten alle drei Dinge: Körner, Fäden, die zum Theil Netze bilden und schliesslich Waben oder Schäume. Und ich für mein Theil nehme an, dass in Wirklichkeit die proto- plasmatische Grundsubstanz durch Einlagerung von Granulis, die theils fester, theils mehr flüssiger Natur sind, in der That eine wabige, lamellöse Struktur erhält, die aber natürlich theoretisch betrachtet sehr etwas anderes ist wie die von Bütschli ange- nommene, thatsächlich aber auf Aehnliches hinauskommt. Diese Körnchen sind sicher vorhanden aber von so ausserordentlich 274 Friedrich Reinke: verschiedener Beschaffenheit, dass auch sie mit den Theorien Altmann’s sich nicht vereinigen lassen, obschon ich für ein- zelne Arten, wie Chromatin-Körner und Trophoplasten eine weitgehende Begriffsgemeinschaft mit der Granula- Theorie Altmann’s nicht ohne weiteres von der Hand weisen möchte. Schliesslich kommen im Protoplasma sicher Fäden vor, die sich aus der Grundgerüstsubstanz des Protoplasmas bilden, ich erinnere hier nur an die Spindelfasern, die Zugfasern, die Verbindungsfasern, die doch sicher aus lebender Substanz bestehen. Ich sehe demnach gar nicht ein, weshalb man alle drei Struktur- verhältnisse nicht vollkommen ohne theoretische Voreingenommen- heit nebeneinander als Thatsachen gelten lassen will, wie das ja übrigens auch bereits vielfach geschieht. Wenn man die enorme Zahl der Leistungen des Protoplasmas in Betracht zieht, die wir kennen und dazu noch addirt diejenigen, die wir nicht kennen, so kann man sich doch unmöglich darüber wundern, dass wir für verschiedene Zwecke auch verschiedene Strukturverhältnisse finden. Wunderbar erscheint nur, dass wir nicht noch viel mehr und mannigfaltigere Strukturen finden und überrascht müssen wir sein, mit wie wenigen Mitteln die Natur auszukommen scheint. Ein ganz vorzügliches Objekt für Protoplasmastudien bildet die Mitose mit ihrem hellen Hof, deshalb weil hier die Strukturen weniger verdichtet sind wie sonst. Wir bemerken hier nun ein feines Netzwerk, das ich mir thatsächlich noch viel diehter und vollständiger denken muss, da ich annehmen muss, dass meine Färbungen noch nicht alles zeigen was vorhanden. Denn an einigen Präparaten, so in 5, 8 und 10, sehe ich es theilweise viel dichter wie z. B. in 7 und 12. Ob diese Struktur wabig oder netzig ist, ist bei unseren optischen Mitteln nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Ich muss aber nach meinen in Theil I beschriebenen Befunden annehmen, dass es eine schaumige Struktur ist, in deren Lamellenwand ein durch Verdichtung derselben entstandenes fadiges Netzwerk, das stärker färbbar ist, verläuft und als Inhalt dieser Waben nehme ich die Oedematinkörner an, die sicherlich halbflüssig und lange, nicht so fest zu denken sind wie die Chromatinkörner. Diese Oedematinkörner vermischen sich offenbar mit Sub- stanzen des Zellleibes während der Mitose. Die fadig, netzförmigen Strukturen haben ein verschiedenes Zellstudien. 275 Gepräge, bald sind sie ganz glatt, wie massive Fäden, bald erscheinen sie wie rauh und körnig, sind also jedenfalls veränderlich, und dieser Zustand scheint mit verschiedenen Spannungsgraden zu- sammenzuhängen. Es ist also sehr möglich, dass sie sich noch wieder aus feinsten Körnern zusammensetzen. Dagegen ist eins Sanz sicher, nämlich, dass diese Fäden aus- gehen von distinkten, stärker färbbaren Körnern (Mikrosomen), die an den Verbindungsstellen der Netze liegen, sicher aber nicht in dem Sinne Netzknoten sind, dass sie nun die optische Erscheinung dieses Zusammenfliessens der Fäden machen. Im Gegentheil, sie sind distinkte, besonders färbbare Körner, geradeso wie die kleinsten Centralkörperchen in den ruhenden Zellen. Van Bene- den, dem wir bekanntlich die Entdeckung der Centralkörperchen danken, sind diese Bildungen nieht entgangen, er hat sie oft als Mikrosomen beschrieben. Ich erinnere nur an das Körnerstratum seiner Sphäre, ferner fand er sie in den Polstrahlen und in den Zugfasern. Er giebt bestimmt an, dass sie durch feine Fäden untereinander in Verbindung ständen. Auch Boveri, Schultze und Heidenhain haben sie genauer beschrieben. Letzterem sind aber, wohl in Folge der angewandten Methoden, die Verbindungs- fasern, z. B. an der Strahlung der Leukocyten entgangen, wo sie aber, wie ich im I. Theil zeigte, ebenfalls vorhanden sind. Diese Dinge sind also theilweise nichts Neues. Neu ist, dass sie überall in grosser Menge hier im hellen Hof und zwischen den Chromosomen vorkommen und wo überhaupt distinkte Beobach- tungen möglich, sehe ich sie überall in den Theilen des Zellleibes, den ich als „Marktheil‘“ oben bezeichnet habe. Sie scheinen also ein integrirender Theil der Protoplasmastruktur zu sein. Sie sind nun, wie Fig. 1—2, 5, 6, 7, 8, 10 und 12 lehren, verschieden deutlich, von schwankender Grösse und Anordnung. Oft stehen sie wie in Fig. 5, 6, T und 8 in regelmässigen Reihen und Ab- ständen angeordnet und sind dann untereinander, wie es scheint, von gleicher Grösse, oft liegen sie unregelmässig und dann ist das eine oder andere bedeutend deutlicher wie die übrigen. Immer gehen aber von ihnen mehrere Fäden ab, die entweder sich an die Chromosomen heften, oder die Körperehen unterein- ander verbinden, oder aber wie sicher zu sehen in Fig. 1, 2, 7, 8 und 12 stehen sie durch lange Fäden theils mit den Central- körperchen, theils mit den Zwischenkörperchen in Verbindung. 276 Friedrich Reinke: Der Grösse, Färbung und den eben beschriebenen Verbindungen nach können sie sehr wohl Centralkörperchen III. Ordnung sein, während grössere derartige Gebilde, die die Uebergänge zu den eigentlichen Oentralkörperchen bilden und die mit weit zahl- reicheren Fäden in Verbindung stehen, z, B. in Fig. 7, 8 und 10 als secundäre Centralkörperchen anzusehen sind. Vergegenwärtigen wir uns die erste Entwickelung der Central- körperchen, sosehen wir, dass diese häufig nicht einheitliche Bildungen sind. Ich sehe an meinen ruhenden Zellen, neben doppelten Oentral- körpern verschiedener Gestalt und Grösse, oft multiple, kleinere, die den Eindruck machen, als ob aus ihnen durch Verschmelzung die grösseren entständen. In eimigen Zellen zählte ich 6—8 kleinster Oentralkörperchen zu einer Gruppe vereinigt. Die Thei- lungen der Centralkörper, die van Beneden und Andere an Asearis beobachtete, widersprechen dem hier dargestellten Sach- verhalt nicht, denn es ist sehr wohl möglich, dass eine derartige Gruppe von Mikrosomen, wie sie das sogenannte Centralkörper- chen darstellt, in 2 Gruppen theilen kann. Die von M. Heiden- hain behauptete Sprossung ist mir nicht sehr wahrscheinlich, sicherlich bis jetzt nur Hypothese. Wenn wir uns nun nach der Funktion der Centralkörper- chen fragen, so scheint es nach allem, was wir an Leukoeyten und Mitosen wissen, mechanische Centren zu sein, an die sich Fäden ansetzen. Ich stimme darin mit van Beneden, Boveri und M. Heidenhain im Wesentlichen überein. Ich halte diese hier beschriebenen Mikrosomen ebenfalls für mechanische Centren, und theile diese Dinge in 3 Klassen, primäre, seeundäre und tertiäre mechanische Öentren und muss nach meinem Befunden annehmen, dass die ersteren, die als Centralkörper bekannt sind, aus Gruppen der tertiären entstehen, ebenso wie die secundären. Ich halte demnach die Centralkörper nicht für Gebilde sui generis, wie etwa den Kern, und möchte sie auch nicht für ein Organ der Zelle, das an einer bestimm- ten Stelle liegen müsste, erklären, sondern ich halte sie für organoide Gebilde, die sich nach Bedürfniss aus kleineren ähn- lichen, im Protoplasma überall vorhandenen Gebilden (tertiären Centren) entwickeln können, also potentiell m der Marksubstanz der Zelle überall vorhanden sind, gerade wie eine Zugfaser oder Spindelfaser sich aus der Gerüstsubstanz des Protoplasma je nach Zellstudien. 277 dem Bedürfniss der Zelle sich bilden kann und bildet und ebenso auch wieder verschwindet, ohne dass damit das Zellindividuum in Mitleidenschaft gezogen wird, was z. B. bei der Auflösung des Kernes der Fall ist!). Darnach ist der Kern ein Organ, Centralkörper, Spindeln ete. aber sind nur Organoide der Zelle. Zum Schluss möchte ich noch vorläufig bemerken, dass ich die Struktur des quergestreiften Muskels ebenfalls auf derartige kleine mechanische Centren während seiner Entwickelung zurück- führen zu können glaube, behalte mir aber darüber Weiteres für später vor. D. Ein Beitrag zur Mechanik der Mitose. Die Mechanik der Mitose, d. h.. die eomplieirte aber absolut regelmässige Lokomotion der Chromosomen schien durch die Befunde und Erklärungen von van Beneden, Boveri und der sich daran schliessenden bekannten Hypothese Rabl’s im Wesent- lichen aufgeklärt. Es schien der ganze Vorgang auf die Contrak- tilität der bisher bekannten achromatischen Fasern zurückgeführt zu sein. Dann aber erschien die Hermann sche Arbeit mit dem Nachweis, dass jene Halbspindeln bei Ascaris etwas anderes seien wie die Spindel der Autoren und ferner die Flemming’sche Arbeit, die die Rabl’sche Hypothese als unhaltbar zeigte. Wenn wir auch das Resultat als gesichert betrachten können, dass die Bewegung der Tochterchromosomen vom Aequator zu den Polen, also während einer sehr wichtigen Phase der Mitose, durch die Zugfäden (Spindelmantelfasern) bewirkt wird. Dabei bemerke ich Boveri gegenüber, dass in meinen Präparaten sieh diese Zugfasern hierbei sicher verkürzen, wie direkte Messungen be- weisen und es daher sicher nicht die Polstrahlungen allein sein 1) An meinen Präparaten sehe ich die Centralkörperchen in fast Jeder ruhenden Zelle. Ihre Lage zum Kern ist eine ganz wechselnde, auch liegen sie zwar öfters in der Delle des Kerns, aber ebenso oft auch daneben. Dagegen finde ich, dass sie, wie Heidenhain das für die Leukocyten annimmt und worin ich ihm nur beistimmen kann, stets im Mittelpunkt der Protoplasmamasse des von mir als Marktheil bezeichneten, Innentheils des Zellleibes liegen; da ich die Leukocyten als nacktes Mark auffasse, so würden diese Befunde auffallend zusam- men stimmen. 278 Friedrich Reinke: können, die die Trennung der Fäden bewirken, obgleich ich zu- gebe, dass diese auch dabei eine Rolle spielen können. Den vorhergehenden Bewegungen gegenüber, besonders der Bewegung der Chromosomen des segmentirten Knäuels zum Ae- quator stehen wir bis jetzt vollständig rathlos gegenüber. In vielen Fällen stehen die beiden Pole durch Zugfasern in Verbin- dung, wie Fig. 5 und 6 zeigen, in vielen Fällen ist es aber, wie Flemming zeigt, ganz unmöglich, dass diese Zugfasern diese Bewegung ausführen könnten. Man könnte nun ja eine Eigen- bewegung der Chromosomen annehmen. Diese könnte entweder eine amöboide sein, davon sieht man aber an den Chromosomen keine Spur, oder es könnte eine Bewegung sein ähnlich der eines Wurmes. Derartige Bewegungen wären an und für sich denkbar. Allein betrachtet man Fig. 7, so müsste an den oben und unten gelegenen Chromosomen die Bewegung unter der Leitung der Zugbänder immer zu den Polen, nicht zum Aequator hinführen und sodann ist zu bedenken, dass die Chromosomen überall in einem fein organisirten protoplasmatischen Netzwerk liegen und bei solcher Bewegung würde dies doch, wie ein Häringsnetz durch einen Seehund zerstört werden. Aber gerade in dieser Protoplasmastruktur mit ihren mecha- nischen Centren und den von ihnen aus an die Chromosomen sich anheftenden Fädehen scheint ein contraktiler Apparat ge- geben zu sein, auf den sich die Mechanik der Lokomotion auf- bauen lässt. Im I. Theil habe ich die amöboide Bewegung der Leukocyten auf eine ähnliche Struktur zurückzuführen gesucht und es war mir natürlich sofort sehr auffallend, dass ich im hellen Hof und zwischen den Chromosomen während der Mitose, also zu einer Zeit, wo starke Bewegungen im Mark der Zelle stattfinden, eine so ähnliche Struktur des Protoplasma fand, wie in jenen exquisit beweglichen Zellen !). 1) Da Engelmann (Ueber den Ursprung der Muskelkraft, Leipzig 1895) nachgewiesen hat, dass die doppelbrechenden Ele- mente Sitz der verkürzenden Kräfte zu betrachten sind, so ist es vom grössten Interesse zu wissen, ob die hier beschriebenen Strukturen des Plasmas, speeciell die tertiären Centren doppelbrechend sind und als Sitz der inogenen Theile anzusprechen wären, zumal nach Ansichten Engelmann’s das Vorhandensein derartiger Dinge im contraktilen Protoplasma geradezu ein Postulat ist. Ein solcher Nach- Zellstudien. 219 Ich übergehe auch hier die ersten Knäuelstadien, die ich einer besonderen Bearbeitung zu unterziehen gedenke und beginne auch hier wieder mit dem segmentirten Knäuel, wie Fig. 1 und 2 es darstellen. Hier vollzieht sich zunächst Folgendes. Die Chro- mosomen liegen alle in einem lockeren Netzwerk, in dessen Ver- bindungsstellen jene oben beschriebenen tertiären mechanischen Centren liegen. Durch Entwickelung der Zugfäden aus diesem Netz werden die Centralkörperchen mit den Chromosomen in direkte Verbindung gesetzt, sodann bildet sich aus demselben Netz der mittlere Theil der Spindel aus und die Polstrahlung des Zellleibes tritt mehr und mehr direkt an die Centralkörper- chen. Dabei können, wie Figur 5 zeigt, die Chromosomen noch unter sich direkte protoplasmatische Verbindungen haben, die, wie Fig. 7 und 8 beweisen, noch auffallend lange, vielleicht immer bestehen bleiben. In Fig. 3 aber auch 4 und 5 findet offenbar jetzt eine eentri- fugale Bewegung der Chromosomen statt, die aber durch die Zugbänder, wie Fig. 3 zeigt, bis zu einer gewissen Grenze ge- hemmt wird. Dabei nehme ich stets an, dass die meisten Ver- bindungen der Chromosomen mit den Centrosomen zu einer mehr oder minder mittleren Partie der Chromosomen geht, diese sind die festeste. Die Verbindungen an weiteren seitlichen Punkten, wie Fig. 5 theilweise so deutlich zeigt, lösen sich entweder gänzlich oder werden doch von der centrifugalwirkenden Kraft überwunden. Es herrscht hier offenbar Wirkung und Gegenwirkung. Die Zugbänder ziehen zur Spindel hin, aber sie werden über- wunden durch den Gegenzug. Ich möchte nicht glauben, dass dieser Gegenzug durch die Eigenbewegung der Chromosomen geleitet wird, sondern hier greifen meine Fäden an. Man sehe doch Fig. 5, wie die mechanischen Centren sich in Reihen auf- gepflanzt haben und die Fäden zu den Chromosomen gespannt sind. Ich stelle mir es so vor, dass sie die Chromosomen, d.h. das Linin mit den Chromatinkügelchen darin an sich ziehen. Da weis würde meine Theorie der Mechanik der Mitose und Bewegung der Leukocyten, aufs kräftigste unterstützen. Merkwürdigerweise ver- ändert das Hermann'sche Gemisch die Gewebe, auch quergestreifte Muskeln, derartig, dass die Doppelbrechung im polarisirten Licht fast ganz verschwindet. 280 DredmchBeinke: sie aber vorübergehende Strukturen sind, so bilden sich, sobald die Chromosomen eine Zone weiter gerückt sind, wieder in einiger Entfernung neue tertiäre Centren aus, bis die Zugfäden jede weitere centrifugale Bewegung hindern. Während dessen hat sich die Spindel ausgebildet. Diese betrachte ich als eine Art elastischen Skelets mit den fixen Punkten der Centrosomen, die Festigkeit wird noch gestärkt durch die Polstrahlung, die den Centrosomen einen festen Rück- halt an den Zellleib giebt. Nun findet eine centripetale Bewegung zum Aequator statt. Auch hier setzt der von mir entdeckte mechanische Apparat wieder ein, wie Fig. 6 und 8 zeigen und bewirkt die soge- nannte Umklappung der Zugfasern bei den ungünstiger und ent- fernter liegenden Chromosomen (Fig. 8). Ueber den Aequator hinauszugehen wird verhindert durch den Umstand, dass Zugfasern von beiden Polen an die Chromosomen gehen. Bei Fig. 6 sehen wir vom obern Pol nach untern Chromosomen und vom untern Pol nach den obern Chromosomen Zugfasern gehen. Sie verkürzen sich bis zum Aequator, dabei wird die Hauptbewegung immer von meinen kleinen Fasern gemacht. Hier am Aequator tritt nun allgemeine Ruhe ein. Dies Sternstadium dauert bekanntlich sehr lange. Dann beginnt die Trennung der Paare und unter der sich verkürzenden Leitung der Zugfasern wandern dann von denselben Kräften wie früher gefördert, aber unterstützt von den Zugfasern, die Schleifen zum Pol. Der mittlere Theil der Spindel bildet sich dann theilweise zum Gerüst des neuen Kernes, theilweise zu Verbindungsfasern aus. Es tritt dann alsbald die Membran aus meinem Netzwerk zu- sammen, die Chromosomen bilden sich zu den ruhenden Tochter- kernen um. Wenn ich so in grossen Zügen die Mechanik der Mitose, wie ich sie auffasse, gezeichnet habe, so gestehe ich gern ein, dass die Details des Vorgangs noch in vielen Stücken räthselhaft bleiben. Allein wie man sich an den Abbildungen überzeugen kann, ist offenbar die Struktur eine so sehr complicirte, dass wir zunächst uns wohl mit dieser geringen Frucht der Erkennt- niss begnügen müssen. Ich betone dabei, dass, wenn die Natur auch nach bestimmten Prineipien geht, sie doch nie pedantisch ist und gewiss kommen auch hier im Detail noch viele Ausnah- Zellstudien. 281 men vor und Unregelmässigkeiten, die aber doch die ganze Idee nicht zu stören vermögen. Schliesslich mache ich noch im Besondern auf eine höchst wichtige Beobachtung von Flemming an lebenden Zellen wäh- rend der Mitose aufmerksam, nämlich die Zusammenziehung und Dehnung der chromatischen Figur als Ganzes. Er bezeichnete diesen Vorgang als Systole und Diastole. Diese höchst wichtige und merkwürdige Entdeckung scheint bisher wenig Beachtung gefunden zu haben. Sie lässt sich aber doch nur durch einen im hellen Hof vorhandenen allgemeinen contrak- tilen Apparat erklären, der sämmtliche Chromosomen umfasst. Die Auffindung eines solchen, wie ich ihn hier beschrieben habe, ist dazu angethan, diese an lebenden Zellen gemachte Beobach- tung zu erklären. Fig.3 würde das Stadium der Systole, Fig. 5 das der Diastole darstellen. E. Längsspaltung der Chromosomen in den Tochterkernen. (Ein Beitrag zur Individualitätshypothese.) In den vorausgehenden Darstellungen blieben jene Kräfte bisher vollständig unerörtert, die die Spaltung der Chromosomen der Länge nach bewirken. Die Rabl’sche Hypothese über die Wirkung der Zugfasern hat sich durch die Flemming’schen Befunde als irrig erwiesen. Flemming wies nach, dass die Längsspaltung bereits im engen Knäuel vorhanden ist, während sie mit unsern jetzigen Methoden, die leicht künstliche Verkle- bungen machen, meistens nicht beobachtet werden kann. Ich kann es an meinen Präparaten, sofern es überhaupt noch nöthig scheinen sollte, vollständig bestätigen. Auch ich sehe des öftern bereits im engen Knäuel die Spaltung sehr deutlich. Nun ist der enge Knäuel aber das Stadium der Mitose, wo wir überhaupt zuerst wirklich sicher etwas von der Struktur des Kerns erkennen können. Denn im ruhenden Kern sind die Strukturverhältnisse so dicht, dass es bis jetzt nicht gut möglich ist, irgend eine sichere Analyse der feinen Vertheilung des Chromatins zu geben, Es wäre also sehr gut möglich, dass schon im ruhenden Kern die Chromosomen, d. h. die diesen entsprechenden Chromatinkörnergrup- pen ihre Selbstständigkeit bewahrten, indem sie sich auf bestimmte Territorien des Kerngerüstes vertheilen. Es ist das die bekannte Boveri’sche Hypothese. Sie ist möglich sage ich, denn wir Archiv f. mikrosk. Anat Bd. 44 18* 282 Friedrich Reinke: können eben diese Verhältnisse am ruhenden Kern bisher nicht übersehen und wo wir es in den ersten Stadien der Mitose, im engen Knäuel können, da ist diese territoriale Begrenzung in der That oft nachzuweisen. Ich kann nun an meinen vorzüg- lichen Objekten an Tochterkernen, wie Fig. 11 zeigt, demonstriren, wie die Tochterkernehromosomen sich in der That der Länge nach spalten und ihre Chromatinkörner so auf bestimmte Terri- torien vertheilen. Fig. 11 zeigt oben links und an einigen andern Stellen diese Längsspaltung deutlich im Werden. Dieser Befund, den ich hier nur kurz erwähne, ist vielleicht für die Individuali- tätshypothese, die von Boveri so eifrig verfochten wird, als exakte Beobachtung von einiger Bedeutung. Schliesslich füge ich hinzu, dass ich häufig neben den Tochterkernen, in Zellen wo das Zwischenkörperchen noch vorhanden, kleine Nebenkerne sehe, die etwa einem Chromosomen als Territorium entsprechen. Diese, auch schon von Rabl beobachteten Nebenkerne müssen bei der nächfolgenden Mitose wieder in die Figur mit einbezogen werden, denn man findet sie niemals während der Mitose. Es spricht dies Verhalten ebenfalls für die Selbstständigkeit der Chromatinkörpergruppen im Sinne Boveri's, wenn auch eine Längsspaltung hier nicht wahrzunehmen ist. Fig. 11 zeigt an den Spitzen der Tochterkerne bereits den Anfang einer solchen Nebenkernbildung, die aber in vielen Fällen ganz von der Haupt- masse des Kerns getrennt ist. Ich glaube, dass sie mechanisch dadurch entstehen, dass das betreffende Chromosomen länger als die übrigen durch Verbindungsfäden am Zwischenkörperchen festgehalten wird und den Einschluss in das grosse Kernterrito- rium versäumt, nun für sich eine Kernmembran bekommt. Einen sehr markanten Fall derartiger Bildung multipler kleiner Kerne aus 1—3 Chromosomen, hat kürzlich Meves in diesem Archiv Bd. XXXXIV, pag. 119, Taf. X, Fig. 62 abgebildet (Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre in den Spermatogonien von Salamandra maculosa). Durch anormalen Verlauf einer bipolaren Mitose entstehen hier aus den Chromosomen selbstständige Kern- territorien. Es erscheint demnach für die Zelle nieht absolut nothwendig, dass die Chromosomen während der Ruhe ihre Selbst- ständigkeit aufgeben, und es bedarf dann keiner besondern Kräfte für die Längsspaltung der Chromosomen im Anfang der Mitose. Rostock, den 15. September 189. Zellstudien. 283 Nachtrag. Um das neutrale Gentiana, entstanden aus basischem Gentiana und Orange, filtriren und conserviren zu können, setze ich zu der beschriebenen Stammlösung !/, Alkohol hinzu, das neutrale Gentiana ist in Wasser schwer, in Alkohol leicht löslich. Diese alkoholische Lösung hat mir ebenfalls sehr gute Resultate gegeben. Beim Gebrauch scheint es aber zweckmässig, sie noch mit Wasser zu verdünnen. Mit ihr bekommt man auch in kurzer Zeit, wenigen Minuten, die Centrosomen gefärbt, doch ist für sehr gute Präparate eine längere Zeit nothwendig. Eine Ueberfärbung findet nach meinen Erfahrungen nicht statt. Die Vorbehandlung ist dieselbe wie bei der wässrigen Lösung. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIX. Fig. 1. Segmentirtes Knäuel einer Bindegewebszelle des Bauchfells der Salamanderlarve. Die Chromosomen schwarz. Centro- somen, Spindelanlage, Netzwerk und tertiäre Centren roth, ebenso links die Polstrahlung. Fig. 2. dito. Fig. 3. „Diastole* der Chromosomen. Chromatingranula theilweise sehr deutlich, sowie die Grundsubstanz der Chromosomen. Kleine Spindel, zahlreiche „Zugfasern“. Fig. 4. dito, links sehr deutliche Polstrahlung. Fig. 5. „Systole“ der Chromosomen. Tertiäre Centren zu regelmäs- sigen Reihen angeordnet. Verbindung einzelner Chromosomen mit beiden Centrosomen. Fig. 6. Centralspindel aus ungemein zahlreichen und feinen Fäden bestehend. „Zugfasern* mit vielen Theilungen, gehen theil- weise zu Chromosomen, die jenseits des entgegensetzten Poles liegen. Tertiäre Centren theilweise in Reihen geordnet, wie Figur 5. Fig. 7. Die grösste Zahl der Chromosomen sind nach dem Aequator gerückt. Lame intermediaire, an deren Substanz sich die „Zugfasern“ anheften. Umklappung und Theilung der „Zug- fasern“. Rechts unten ein secundäres Centrum. 284 Friedrich Reinke: Zellstudien. Fig. 8, 9 und 10, ähnlich wie Figur 7, zeigen secundäre Centren. Ric. 13: Fig. 12. Zwei Tochterzellen mit Zwischenkörperchen. Neu gebildete Kernmembran. Rechts Umwandlung der Spindel in ein feines Netz. Links oben und in der Mitte beginnende Längsspaltung der Chromosomen. Die Spitze der Kerne stehen mit dem Zwischenkörperchen in Verbindung. Rechts Anfang der Bil- dung eines Nebenkerns aus zurückgehaltener chromatischer Substanz. Vom Zwischenkörperchen gehen zahlreiche Fasern in das Plasma des Zellleibes. Eine Tochterzelle. Zwischenkörperchen doppelt, Kernmembran sehr deutlich, steht mit den Chromosomen, dem Zellleib und den Verbindungsfäden in Verbindung. - Rückbildung des obern Theils der Spindel und „Zugfasern“ in das Netzwerk des Zellleibes. 285 (Aus dem II. anatomischen Institut der Berliner Universität.) Beiträge zur experimentellen Morphologie und Entwicklungsgeschichte. Von Oscar Hertwig. I. Die Entwicklung des Froscheies unter dem Einfluss schwächerer und stärkerer Kochsalzlösungen. Hierzu Tafel XX, XXI, XXI. Inhalt. Seite ELSE LEN. 0 Te ul a en 2 A. Specieller Theil. aNzensurche mutsRanaresculenta PIE FERIEN, 2. Versuche mit Rana fusca . . IBAN FIHRTUNAENIDIGE B. Allgemeiner Theil. Beurtheilung und Verwerthung der Befunde. 1. Die durch Kochsalzwirkung hervorgerufenen Abän- deruneen der embryonalen Processe”... 310 1. Erwähnung ähnlicher Experimente von Knop, merb I Wegner, Gies, Kassowitz, Schmarkewitseh, GrassisibEmery.y. N SET TIETETER TE [0] 2. Abänderung des Fürdhimsangeesses REEL. 313 3. Abänderung des Gastrulationsprocesses und der Karbeyo, 0- bildung . . Bu ne en 107 46, ll) Kain 4. Anlage von Schwähte ind Atter Aa Arad 322 5. Künstliche Erzeugung von Anencephalie na Hömidranie 324 2. Die äusseren und die inneren Ursachen des Ent- I a in ihrem BERARaN 9500 Ver- hialktmiisise 2: 326 Il, a en S Adsieht, une äussere Einflüsse Ns Ent. wicklungsreize. . . Du 326 2. Betrachtungen über u Werdn a Ertwieklung ehrdekrkbs 329 3. Controverse mit Weismann . . . 331 4. Verwerthung der in Kochsalzlösung von 0,6% ee ten Froscheier, der Anencephalen, der Experimente von Knop, Herbst, Wegner, Schmankewitsch etc. für die Theorie der Epigenese und der direeten Bewirkung durch äussere Ursachen . . . 335 5. Verwerthung der künstlichen Bene von "Doppelbik dungeen..in leicher; Richtune „3 6 ucGallme (DB Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 19 286 Oscar Hertwig: In der 1887 von Richard Hertwig und mir veröffent- lichten Schrift (5): „Ueber den Befruchtungs- und Theilungsvorgang des thierischen Eies unter dem Einfluss äusserer Agentien“ wurde an einer grösseren Reihe verschiedenartiger Experimente gezeigt, dass sich die ersten Entwicklungsprocesse des Eies durch Ver- änderung der natürlichen Bedingungen in erheblicher Weise ab- ändern lassen. Die Eingriffe wurden in verschiedener Weise aus- geführt. Theils wurde die chemische Natur des umgebenden Mediums geändert, indem die Eier vor und nach der Befruchtung in zweekmässig hergestellte Lösungen von Chloralhydrat, Morphium, Nieotin, Stryehnin ete. gebracht wurden, theils wurde die Ein- wirkung von Temperaturveränderungen und von mechanischen Eingriffen verfolgt. Es konnte auf diese Weise bald ein nie- derer, bald ein höherer Grad von Ueberfruchtung, Störung des Furchungsprocesses ete. willkürlich erzielt werden. Der hier betretene Weg ist seitdem noch mehrfach einge- schlagen worden. Herbst (4) hat in Lösungen von kohlensaurem Lithion Seeigeleier gezüchtet und ganz sonderbar von der Norm abgeänderte Lithionlarven erhalten, Loeb (11) hat Seeigeleier in concentrirte Salzlösungen gebracht und dadurch bewirkt, dass der Protoplasmakörper sich nicht theilte, während der in seinem In- nern gelegene Kern sich in 2, 4, 8 und mehr Tochterkerne in gewöhnlicher Weise segmentirte. Endlich hat Morgan vor einem Jahr Froscheier dadurch, dass er sie auf dem Stadium der Keim- blase in Kochsalzlösungen von 0,5—1,0°/, einlegte, in ihrer Ent- wicklung zu beeinflussen gesucht; er beabsichtigte auf diesem Wege künstlich solehe Missbildungen zu züchten, wie sie von Roux und mir beobachtet und von mir als Embryonen mit Spina bi- fida beschrieben worden sind. Demselben Forschungsgebiet gehören nun auch die Experi- mente an, über welche ieh in dieser und einigen folgenden Ab- handlungen zu berichten habe. A. Specieller Theil. Den Ausgangspunkt für meine Experimente bildete die oben erwähnte kurze Mittheilung, welche der amerikanische Naturforscher Morgan (12) in dem Aufsatz „The orientation of the frog's egg“ Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 287 im „Quarterly Journal of mieroscopieal science“ veröffent- licht hat. Morgan hat gefunden, dass Froscheier, wenn sie auf dem Keimblasenstadium in Kochsalzlösungen gebracht wurden, Störun- gen in der Bildung des Blastoporus erkennen liessen, der anstatt sich normaler Weise zu schliessen, auch auf späteren Entwick- lungsstadien noch weit geöffnet blieb. Die geeignete Lösung stellte er sich her, indem er zu 500 cem gewöhnlichen Wassers 3.gr Kochsalz hinzusetzte. Ich benutzte zu meinen Versuchen, welche sowohl an Rana esceulenta wie an Rana fusca vorgenommen wurden, eine Reihe von Kochsalzlösungen von 0,5, 0,6, 0,7, 0,8, 0,9 bis 1,0°%/,. In sie wurden die Eier in kleinen Ballen eine halbe Stunde nach der Befruchtung eingelegt, da ich die Einwirkung des Kochsalzes gleich vom Anfang der Entwicklung an systematisch verfolgen wollte. Täglich wurden aus jeder Lösung kleine Portionen in eine 1/,°/,ige Chromsäure zum Zweck weiterer, genauerer Untersu- chung eingelegt. Es zeigte sich, dass Rana esculenta und Rana fusca in etwas verschiedener Weise auf den Eingriff reagiren, daher für beide Arten getrennte Darstellung erforderlich ist. 1. Versuche mit Rana esculenta. Vollkommen gesunde Eier, die ich einem Tags zuvor ein- gefangenen Pärchen entnahm, wurden am 1. Juni 11 Uhr 30 Min. befruchtet und nach ein und einer halben Stunde in kleinen Por- tionen in 6 verschiedene Lösungen von Kochsalz gebracht, von denen die schwächste 0,50%, und jede folgende 0,1°/, mehr Salz als die vorhergehende enthielt. In der stärksten 1°/,igen Lösung lassen die Eier um 5 Uhr Nachmittags auf dem animalen pigmentirten Pol eine Kreuz- furche erkennen, während die vegetative Hälfte vollkommen glatt ist (Taf. XX, Fig. 20). Auch Durchschnitte zeigen, dass die Theilebenen nur bis zur Hälfte oder wenig über sie hinaus den Eidotter zerlegt haben. Auch an Eiern, die des Abends 10 Uhr eingelegt worden waren, hat sich der Befund nur wenig geändert. Die beiden Theilebenen sind noch etwas tiefer einge- schnitten, ohne aber eine vollständige Trennung in 4 Stücke herbeigeführt zu haben. In der Mitte des animalen Pols ist ein 288 Öscar Hertwig: heller, rautenförmiger Fleck entstanden, indem das Pigment von der Stelle, wo sich die beiden Theilebenen schneiden, ein wenig zurückgewichen ist und den weissen Dotter zu Tage treten lässt. Schon am Nachmittag war dieser Fleck, aber weniger ausgeprägt, zu sehen (Fig. 20). Wie Durchschnitte lehren, haben sich die 4 Kerne noch einmal getheilt, was sich schon bei schwacher Vergrösserung an der Vertheilung des Pigments, von welchem die Kerne eingehüllt sind, erkennen lässt. Auf den protoplasma- tischen Eiinhalt aber vermögen die am Kern sich vollziehenden Theilungen keinen Einfluss mehr auszuüben. Auch am nächsten Tage zeigen die Eier sowohl bei Betrachtung ihrer Oberfläche als auch bei Durchmusterung von Schnittserien keine weiteren Veränderungen. Ihre Entwieklung ist gleich nach dem ersten Ansatz zu einer solchen vollständig zum Stillstand gekommen. Von der 1°/,igen Lösung ausgehend werden wir sehen, wie jede Verminderung des Kochsalzgehaltes, und wenn es sich auch nur um 0,1°/, handelt, sofort die Entwicklungsfähigkeit des Eies um einen bestimmten Grad in deutlichster Weise heraufsetzt. So ist bei den Eiern, welche in eine 0,9°/,ige Lösung gebracht worden sind, am späten Nachmittag die animale Hälfte in eine kleine Anzahl von Feldern, die vegetative Hälfte in 4 Felder durch Furchen zerlegt. Bis zum nächsten Morgen aber hat der Furchungsprocess höchstens noch einen ganz geringen Fortschritt bei einem Theil der Eier gemacht, welche auf Durchschnitten untersucht, zwei verschiedene Befunde lieferten. Nur bei einem Theil ist der Dotter durch die auf der Oberfläche sichtbaren Furehen in wirkliche Zellen gesondert; so zeigt ein Schnitt in meridionaler Richtung durch die Mitte eines Eies (Taf. XXI, Fig. 2) 4 kleinere, pigmentirte, animale und zwei sehr grosse, unpigmentirte, vegetative Zellen um einen kleinen Spaltraum, die erste Anlage einer Furchungshöhle, herumgruppirt. In einzelnen Furchungs- zellen weisen ausserdem getrennte Gruppen von Pigmentkörnchen oder eigenthümlich verzweigte Pigmentfiguren wieder darauf hin, dass sich die Kerne noch zu theilen fortgefahren haben, aber dabei auf den Dotter selbst einen sondernden Einfluss auszuüben nicht mehr im Stande waren. Bei einem anderen Theil der Eier (Taf. XXI, Fig. 1) schneiden die auf der Oberfläche sichtbaren Furchen nur eine kleine Strecke weit in die Dotterrinde hinein; die im Ei zur Wirksamkeit kommenden Kräfte sind also nicht Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 289 mehr stark genug gewesen, eine vollständige Zerlegung des Dotters in Zellen herbeizuführen. Dagegen haben auch hier die Kerne noch eine Zeit lang fortgefahren, sich durch Theilung zu vermehren. Denn im Dotter sind wieder zahlreiche kleinere Pigmentanhäufungen wahrzunehmen, wie man sie in der Umge- bung der Kerne vorfindet; sie liegen gewöhnlich, je nach ihrer Abstammung von einem gemeinsamen Mutterkerne, nesterweise beisammen. In einer 0,8°/,igen Lösung von Kochsalz schreitet die Ent- wicklung im Laufe von 3 Tagen schon bis zum Keimblasensta- dium fort, kommt aber bald zum Stillstand, der schliesslich zu einem vollständigen Zerfall führt. Der Furchungsprocess scheint Anfangs in ziemlich normaler und nur wenig verlangsamter Weise zu verlaufen. Am späten Nachmittag ist die animale Hälfte der Kugel etwa in 16 kleinere und die vegetative Hälfte in 8 grosse Zellen abgetheilt. Am folgenden Tag hat sich der Gegensatz zwischen beiden Hälften erheblich verschärft, in einem Maass, welches das normale Verhalten weit übersteigt (Taf. XX, Fig. 23, 24; Taf. XXI, Fig. 4). Denn während am animalen Pol (Fig. 23) die pigmentirten Zellen sich zu theilen fortgefahren haben, wenn auch weniger häufig, als an dem Material, das in die schwächeren Kochsalzlösungen eingelegt wurde, besteht die vegetative Hälfte (Fig. 24) noch aus der gleichen Zahl der Dotterstücke wie Tags zuvor. Nur ihre Form und Grösse hat sich etwas verändert, in- dem sich wie mir scheint, an ihrem oberen Rand noch kleinere Zellen abgetheilt und dadurch zur Vergrösserung der animalen Scheibe beigetragen haben (Taf. XXI, Fig. 4). Auch scheinen in ihnen stets mehrere Kerne vorhanden zu sein. Es ist also wieder Kerntheilung zwar eingetreten, hat aber nicht mehr eine Zerle- legung der protoplasmaarmen und grossen Dotterzellen zur wei- teren Folge gehabt. Noch eine kleine Abweichung von der Norm fällt bei aufmerksamer Beobachtung der Oberflächenbilder und der Durchschnitte auf. Die oberflächlichsten Zellen nämlich springen als kleine Höcker ein wenig über die Oberfläche hervor, während sie sonst viel dichter nach Art von Epithelzellen zu- sammengefügt sind und eine mehr glatte, in Felder getheilte Fläche hervorrufen. An Durchschnitten ist auf dem vorliegenden Stadium auch eine kleine Furchungshöhle nachweisbar (Taf. XXI, Fig. 4). 290 Oscar Hertwig: Am dritten Tag hat die Zahl der animalen Zellen durch Theilung noch etwas zugenonimen, während die vegetativen Zellen ziemlich in derselben Grösse wie Tags zuvor bestehen und viel- kernig sind (Taf. XXI, Fig. 5). In mehrerer Hinsicht machen sich jetzt indessen Auflösungserscheinungen bemerkbar. Die kleinen Zellen liegen namentlich nach Innen zu nur locker zu- sammen, sind abgerundet und füllen die Furchungshöhle aus, von welcher an Schnittserien durch mehrere Eier keine Spur mehr zu bemerken war. In einer 0,7°/,igen Lösung ist nach 24 Stunden eine Keim- blase entstanden, deren Höhle in manchen Fällen gut ausgebildet, in anderen zum Theil durch rundliche, isolirt liegende Zellen eingeengt ist. Die animalen Zellen sind sehr viel kleiner als die vegetativen Zellen. Am dritten Tage befindet sich das Ei gleichfalls noch auf dem Keimblasenstadium, ist aber jetzt schon recht kleinzellig ge- worden. In manchen Fällen liegen am Boden der Keimblasen- höhle wieder isolirte, rundliche, vegetative Zellen. Bei Durchmusterung der Eier, die sich schon 4 Tage lang entwickelt hatten, fielen einige auf, die einen Anfang des Gastrula- tionsprocesses erkennen liessen. Wie an Schnittserien genauer festgestellt werden konnte, war am Rand des Dotterfeldes an einer Stelle eine kleine Rinne entstanden, längs welcher die Deckschicht kleiner pigmentirter Zellen sich nach innen einstülpte. Die Einstülpung ist aber noch so unbedeutend, dass die Keim- blasenhöhle fast in voller Grösse vorhanden ist. Weiter wurde an diesem Material die Entwicklung nicht verfolgt, welche wahrscheinlich auch bald zum Stillstand gekom- men ist, da viele Eier schon jetzt Zerfallserscheinungen zeigten. Die interessantesten Ergebnisse lieferte die 0,6°/,ige Lösung, in welcher die Entwicklung der Eier nicht wie bei den bisher gebrauchten Mischungen zum Stillstand kommt, sondern nur in einer etwas verlangsamten und dabei veränderten Weise verläuft. Die Eier entwickeln alle Organe, wie Darm, Chorda, Nervenrohr, Muskelsegmente, Sinnesorgane, lassen aber in einigen grundlegenden Vorgängen auffallende Abwei- chungen vom normalen Entwicklungsverlauf er- kennen. Der Furchungsprocess spielt sich etwas langsamer als Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 291 normal ab, etwa wie bei Eiern, die sich unter einer niedrigeren Temperatur entwickeln; er führt zur Entstehung einer normal gestalteten Keimblase. Die Gastrulation setzt etwa um 12—24 Stunden ver- spätet ein im Vergleich zu den Eiern, die sich in gewöhnlichem Wasser befinden und führt am 4. Tag nach der Befruchtung zu den Erscheinungen, welche bereits von dem amerikanischen For- scher Morgan beobachtet und kurz beschrieben worden sind. Bei Betrachtung der Oberfläche zeigen die Eier (Taf. XX, Fig. 25) eine tiefe, sichelförmige Rinne am Rande des Dotterfeldes, von dessen Umfang sie etwa den sechsten bis fünften Theil einnimmt. Von dieser Stelle abgesehen gehen vegetative und animale Keim- blasenhälften noch ohne scharfe Abgrenzung ineinander über. Nach dem Aussehen des Urmunds müsste man annehmen, dass der Gastrulationsprocess sich noch auf einem Anfangsstadium be- findet. Dem widerspricht aber sowohl die Untersuchung der Eier auf Durchsehnitten, als auch der Umstand, dass sich in der Mehr- zahl der Fälle (Taf. XX, Fig. 6) schon die erste Anlage des Centralnervensystens nachweisen lässt, indem in einiger Entfer- nung vor dem Urmund die Medullarwülste hervorzutreten beginnen und eine breite Rinne nach vorn und seitlich umfassen. Am schärfsten ist zu dieser Zeit immer der die Hirnplatte nach vorn abgrenzende, quere Hirnwulst ausgeprägt. Wie Sagittalschnitte am besten lehren (Taf. XXI, Fig. 5u.6) hat sich von der Stelle der Eier aus, die bei der Flächen- betrachtung uns als Urmundrinne auffiel, eine ansehnliche, voll- kommen sackförmige Einstülpung gebildet, deren blindgeschlossener Grund bis an den Rand des Dotterfeldes (*) heranreicht, welcher dem Einstülpungsrand (wl) entgegengesetzt liegt und in allen Figuren mit einem Kreuz bezeichnet ist. Die sackförmige Ein- stülpung besteht aus zwei durch einen engen Spalt, den Urdarm, getrennten Blättern, erstens einem Blatt kleiner pigmentirter Zellen, welche der Nervenplatte dicht anliegt und sich am dorsalen Urmundrand in das äussere Keimblatt umschlägt, und zweitens aus einer dünnen Lage etwas grösserer vegetativer Zellen, welche von der vegetativen Masse der Keimblase ihren Ausgang nimmt und sich als eine dünne Scheidewand zwischen Urdarm- und Keimblasenhöhle (kA) dazwischenschiebt. Letztere ist durch die 292 Oscar Hertwig: Bildung des Urdarmsacks in entsprechender Weise verkleinert worden. Bei einem der in Sagittalschnitte zerlegten Eier (Taf. XXII, Fig. 6) ist die Nervenplatte von ihrer Umgebung noch wenig abgesetzt, bei einem anderen (Fig. 5) treten die Medullarwülste schon über die Oberfläche hervor. Auf dem Medianschnitt der Figur 5 ist daher die vordere Grenze der Anlage des Central- nervensystems durch den als Falte über die Oberfläche hervor- stehenden queren Hirnwulst (Aw) auf das deutlichste markirt. Auch beginnt sich schon das mittlere Keimblatt zu differenziren. Der Unterschied in der Entwicklung zwischen normalen und den in 0,6 procentiger Kochsalzlösung befindlichen Eiern liegt klar zu Tage. Bei normaler Entwicklung ist zur Zeit der ersten Anlage der Medullarplatte der Urmund schon ringförmig und bis auf eine kleine Stelle geschlossen, die ganze Dottermasse ist als Bestandtheil in die Urdarmhöhle aufgenommen, deren ventrale Wand sie bildet, sie ragt nur als Rusconi’scher Dotterpfropf nach Aussen hervor. Hier dagegen liegt noch das ganze Dotterfeld (df) (Fig. 5 u. 6) frei; bei der Einstülpung hat die Hauptmasse der Dotterzellen ihren Platz mehr oder minder beibehalten, sie ist nicht selbst nach Innen zur Verdrängung der Furchungshöhle fortbewegt worden, nur an der Uebergangsstelle der Decke in den Boden der Keimblase haben sich ausser den animalen auch vegetative Zellen eingestülpt, um das oben erwähnte dünne Blatt, die Scheidewand zwischen Urdarm und Keimblasenhöhle, zu bilden. Einstülpung und Bildung des embryonalen Körpers haben bisher nur von einem kleinen Randbezirk des Dotterfeldes ihren Ausgang genommen. Und in dieser Richtung geht die Entwick- lung auch noch in den nächsten Tagen weiter fort. Bei 5 Tage alten Embryonen (Taf. XX, Fig. 12) hat sich die Nervenplatte zum Rohr geschlossen. Das ganze Ei hat eine längliche Form angenommen, und schon beginnt auch das Kopf- ende sich durch eine Einschnürung vom übrigen Körper ein wenig abzusetzen. Trotz dieses vorgerückten Stadiums ist am hinteren Ende der meisten Embryonen (Taf. XX, Fig. 12) das Dotterfeld (df) fast in derselben Ausdehnung wie am Tage zuvor zu über- blicken”und bietet überhaupt einen ähnlichen Befund wie bei den um '24 Stunden jüngeren Embryonen dar. (Taf. XX, Fig. 6.) Eine sichelförmige Urmundspalte (wm) von der schon früher an- Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 293 gegebenen Grösse grenzt den in die Axenorgane gesonderten Rückentheil des Eies gegen das Dotterfeld ab und führt in die spaltförmige Urdarmhöhle hinein. Auch die übrige Peripherie des Dotterfeldes setzt sich jetzt etwas schärfer mit einem ge- zackten Rand gegen den in Keimblätter gesonderten Theil des Eies ab. Im äusseren Keimblatt sind die ein wenig pigmentirten Zellen sehr klein geworden und schliessen fest zu einem Epithel zusammen, während die Dotterzellen noch so gross sind, dass sie auch bei der sehr schwachen Vergrösserung (Taf. XX, Fig. 12) als Körner wahrgenommen werden. Am lehrreiehsten sind wieder Sagittaldurchschnitte, beson- ders wenn es sich darum handelt, in die Massenvertheilung der Eisubstanzen und die beim Wachsthum vor sich gehenden Um- lagerungen einen Einblick zu gewinnen. So zeigt der in Figur 12 (Tafel XX) dargestellte Embryo auf dem Mediandurchschnitt das in Figur 7 (Tafel XXT) wiedergegebene Bild. Der in die Rückenorgane differenzirte Theil des Eies stellt eine im der Längsaxe ziemlich gerad gestreckte Platte dar, an der man Epidermis, Nervenrohr, das vorn zur Hirmblase etwas erweitert ist, Chorda (ch) und Darmdrüsenblatt unterscheidet. Nach hinten zu gehen diese verschiedenen Schichten der Platte in eine klein- zellige noch ungesonderte Masse über, welche die sichelförmige Urmundrinne begrenzt und daher als dorsale Urmundlippe be- zeichnet werden muss. Die Ventralfläche des Embryo nimmt die Dottermasse ein, welehe vom mehrschichtigen äusseren Keimblatt überzogen und durch einen Spalt (dem Rest der zum Schwund gebrachten Keimblasenhöhle) von ihm getrennt ist. Am hinteren Ende ist die Dottermasse (df) unbedeckt, sie wird nach der Rückenfläche des Embryo zu von der Urmundlippe (ul) begrenzt, ventralwärts (*) geht sie durch eine kleinzellige Wucherung in das äussere Keimblatt über. Embryonen von 6 Tagen haben sich mehr in die Länge gestreckt (Tafel XX, Fig. 18). An der ventralen Seite ihres Kopfendes treten die Haftnäpfe (h) deutlich hervor. Zu beiden Seiten von Chorda und Nervenrohr haben sieh schon zahlreiche Ursegmente abgegliedert. Wie ein Vergleich der in Sagittal- schnitte zerlegten Embryonen des 5. und 6. Tages ergiebt (Taf. XXI, Fig. 7 u. 8), hat bei letzteren (Fig. 8) die Rückenplatte an Länge beträchtlich zugenommen. Die indifferente Zellenmasse, 294 Oscar Hertwig: in welche nach hinten die Axenorgane übergehen, und "welche als dorsale Urmundlippe («l2) den Eingang in die Darmhöhle bedeckt, beginnt sich als ein Höcker, dem Caudallappen der Selachier vergleichbar, von der Umgebung abzusetzen (Taf. XX, Fig. 18). Unter ihm tritt die Dottermasse (df) immer noch frei aus der Urdarmhöhle hervor und bietet ähnliche Verhältnisse wie auf dem vorausgegangenen Stadium dar. Ueber den sechsten Tag hinaus ist die Entwicklung nicht weiter verfolgt worden, da das zum Versuch angewandte Ei- material behufs Conservirung aufgebraucht war. 3, Versuche mit Rana fusea. Noch interessanter und eigenthümlicher sind die Verände- rungen, welche Kochsalz, wenn es in Concentrationen von 1°/, bis 0,6°/, angewandt wird, bei der Entwicklung der Eier von Rana fusca hervorruft. Der Furehungsprocess wird in der für den grünen Wasserfrosch schon genauer beschriebenen Weise verlangsamt und bei Concentrationen von 1°/, allmählich zum Stillstand ge- bracht. Bei der Verlangsamung der Zelltheilung bildet sich der Gegensatz zwischen animaler und vegetativer Hälfte der Eikugel in einer Weise aus, welche an die Verhältnisse bei meroblastischen Eiern erinnert, wie uns besonders deutlich der Durchschnitt (Taf. XXI, Fig. 22) durch ein 24 Stunden in 0,8°/,iger Koch- salzlösung entwickeltes Ei zeigt. Seine nach abwärts sgekehrte Hälfte ist nur in einige wenige, sehr grosse Dotterzellen abge- theilt, von welehen sich scharf die zahlreichen, kleinen, pigmen- tirten Zellen absetzen, welche sich der Keimscheibe meroblastischer Eier vergleichen lassen. In einer 0,8 °/, Lösung liessen sich die Eier mehrere Tage lang bis zur Vollendung der Gastrulation und bis zur ersten Anlage der Medullarplatte züchten, ehe sie Zeichen des beginnenden Zerfalls darboten. Die Figur 11 auf Tafel XX lehrt uns das Gastrulastadium dieser Versuchsreihe kennen, welches erhebliche Abweichungen vom normalen Geschehen darbietet. Von einer kleinen Stelle beginnend breitet sich allmählich die Gastrulaeinstülpung (ur) dem Rande des Dotterfeldes (df) entlang fortschreitend immer weiter aus, ohne dass dabei die normale Ueberwachsung des Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 295 Dotterfeldes zu Stande käme. Das letztere sieht man daher in Figur 11 noch in voller Ausdehnung freiliegen, obwohl schon dreiviertel seines Umfanges von einer tiefen, hufeisenförmigen Rinne, dem in Entwicklung begriffenen Urmundrand, eingefasst sind. Einen Sagittaldurehschnitt durch dasselbe Ei giebt Figur 18 (Taf. 21): An ihr sieht man neben einem ansehnlichen Rest der Keimblasenhöhle (kh) die schon gut ausgebildete Urdarm- höhle. Bei ihrer Entstehung sind am Umschlagsrand nicht nur animale pigmentirte Zellen nach Innen gewandert, sondern es müssen auch die Dotterzellen erhebliehe Lageveränderungen und Verschie- bungen unter einander erfahren haben. Denn da die Oberfläche des Dotterfeldes (df) sich nicht verkleinert hat, kann sie nieht zu der Bildung der von Dotterzellen begrenzten ventralen Seite des Urdarms direet beigetragen haben, wie es theilweise bei der normalen Entwieklung der Fall ist; eine Wanderung und Verla- gerung von Dotterzellen kann hier allein zur Erklärung heran- gezogen werden. In Folge davon hat sich, wenn ich so sagen darf, die ganze vegetative Oberfläche des in Gastrulation befind- lichen Eies, an Umfang verdoppelt und zerfällt in einen frei an der Eioberfläche gelegenen und in einen die ventrale Urdarmwand begrenzenden, durch Einstülpung in das Eiinnere aufgenommenen Bezirk. An dem Durchschnitt ist noch bemerkenswerth, dass dem dorsalen Urmundrand gegenüber an der ventralen Seite des Dotterfeldes (*) schon eine kleinzellige Wucherung als erste Anlage einer ventralen Urmundlippe entstanden ist, und dass von ihr aus schon Zellen nach Innen gewandert sind und unter der ursprüng- lichen Decke der Keimblasenhöhle eine zusammenhängende Schicht (mk) bilden, die zum mittleren Keimblatt gehört. 24 Stunden später ist an dem in 0,8°/,iger Kochsalzlösung gelegenen Eimaterial der Gastrulationsprocess beendet (Taf. XX, Fig. 3 u. 4). Die Einstülpung hat sich rings um das Dotterfeld ausgebildet; der Urmundrand (wr) hat sich zu einem weiten Ring geschlossen und hebt sich durch seine schwarze Pigmentirung und wulstige Beschaffenheit scharf von dem weissen Dotter ab, welcher als halbkuglige Erhabenheit weit aus der Ruskoni'schen Nahrungshöhle hervorragt. Ein Bezirk des äusseren Keimblattes hat sich zur Medullarplatte verdiekt und durch Erhebung der Medullarwülste von der Umgebung abgegrenzt. Nach vorm bie- gen linker und rechter Medullarwulst hufeisenförmig in einander 296 Oscar Hertwig: über und erzeugen so den queren Hirnwulst (Aw), der sich am weitesten über die Oberfläche des Eies nach aussen erhebt, wie besonders an Sagittaldurchschnitten zu erkennen ist. Nach hinten geht die breite Medullarplatte in den Urmundrand über, unter welchem sich an dieser Stelle eine enge Spalte findet, welche in den Urdarm hineinführt. Wenn das Dottermaterial nicht in Zellen zerlegt wäre, so würde auf diesem Stadium das Froschei unge- mein einem kleinen, meroblastischen Fischei gleichen. Auch Durchschnitte fordern zu derartigen Vergleichen her- aus. Auf dem in Fig. 20, Taf. XXI dargestellten Mediandurch- schnitt fällt die ausserordentliche Kürze der Anlage der Axen- organe trotz ihrer bereits weit vorgeschrittenen Differenzirung auf. Denn abgesehen davon, dass der quere Hirnwulst (hw) sich schon weit über das Nivean des Hornblatts erhoben und sogar nach hinten umgelegt hat, ist unter der Medullarplatte auch das vor- derste Ende der Chorda (ch) von der umgebenden Zellmasse deutlich abgesondert. Um dieselbe herum findet sich sogar eine homogene Grundsubstanz, in welcher einzelne isolirte Zellen ein- gebettet sind, eine erste Anlage von Mesenchym. Nach hinten gehen Medullarplatte und Chordaanlage in eine gemeinsame klein- zellige Masse über, welche die über dem Eingang in den Urdarm gelegene dorsale Urmundlippe («l) darstellt. Um unsern Einblick in das vorliegende Entwicklungsstadium zu vervollständigen, dienen Schnitte, die in querer und frontaler Richtung durch mehrere, gleich weit entwickelte Eier angefertigt wurden (Taf. XXII, Fig. 11—13). Ein Querschnitt durch das vordere Ende der Axenorgane (Fig. 11) zeigt uns die breite, flach ausgebreitete Hirnplatte von niedrigen, seitlichen Wülsten (s) eingefasst, das von Mesen- chym (g) umgebene, vordere Chordaende (ch), welches sich vom inneren Keimblatt noch nicht ganz abgelöst hat, und endlich das mittlere Keimblatt, welches sich schon als eine zusammenhängende Schicht ringsum zwischen äusserem und innerem Keimblatt aus- gebreitet hat. Ein Querschnitt durch das hintere Ende der Axenorgane (Fig. 12), welcher etwa in der Richtung geführt ist, wie sie die Linie ab in Figur 4 (Taf. XX) anzeigt, liefert ähnliche Befunde, wie sie Rabl und Ziegler an Schnitten durch das hintere Ende von Selachierembryonen gewonnen und abgebildet haben. Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 297 In einiger Entfernung von dem in Medullarplatte, Chorda und Mesoderm gesonderten Theil hört beiderseits das äussere Keim- blatt auf entsprechend der Stelle, welche bei der Flächenbetrach- tung der Eier als Urmundring (Taf. XX, Fig. 4ur) bezeichnet wurde; es geht in eine kleinzellige pigmentirte Schicht über, welche sich als mittleres Keimblatt (m%k) zwischen Dotter und äusseres Keimblatt bis zur Chorda hineinschiebt. Die Umschlagsstelle des äusseren in das mittlere Keimblatt springt als Falte (Urmundlippe) auf dem Durchschnitt deutlich über das Niveau der Dottermasse hervor. Mit dieser hängt nach Innen von der Urmundlippe das mittlere Keimblatt ebenfalls an einer kleinen Stelle zusammen, an welcher kleinere Zellen einen Uebergang zu den grösseren Dotterelementen vermitteln. Genau dieselben Verhältnisse bietet auf dem zum Vergleich herangezogenen Stadium der hintere Keimscheibenrand der Selachier dar, von welchem, wie Rabl sich ausdrückt, das peristomale Mesoderm seinen Ausgang nimmt. Ueberhaupt lässt sich in der Figur 12 der in Keimblätter geson- derte Theil des Froscheies einer dreiblätterigen Keimscheibe ver- gleichen, welche wie ein Uhrglas dem Nahrungsdotter aufliegt. Ein dritter Durchschnitt (Fig. 15) ist in frontaler Richtung geführt entsprechend der Linie &y in Figur 4 (Taf. XX). Man sieht auch hier die Urmundlippen (wl), an welchen sich das mitt- lere Keimblatt als zusammenhängende Schicht (peristomales Meso- derm) zwischen Dotter und äusseres Keimblatt hineinschiebt und mit beiden eine kleine Strecke weit verschmolzen ist. An den Durchsehnitten durch die in 0,8procentiger Koch- salzlösung entwickelten Eier ist noch die erhebliche Dicke des äusseren Keimblattes hervorzuheben, sowie seine höckerige und runzelige Beschaffenheit, die sich an vielen Stellen bemerkbar macht. Letztere rührt von krankhaften Wucherungen her, die an den in stärkeren Kochsalzlösungen befindlichen Eiern nach einiger Zeit bald mehr, bald minder an der Oberfläche aufzutreten pflegen. Die werthvollste Serie lieferten Eier, die in eine 0,6 procen- tige Kochsalzlösung eingelegt worden waren. Nach zwei Tagen war die Gastrulation unter vollständiger Verdrängung der Keim- blasenhöhle beendet. Die Eier sahen anscheinend normal ent- wickelt aus bis auf den einen Punkt, dass der Urmund ausser- nd 98 Öscar Hertwig: ordentlich weit geblieben war und einen mächtigen Dotterpfropf umfasste. Am 3. Tage begann sich das Öentralnervensystem an- zulegen und liess eine neue, sehr eigenthümliche Abweichung vom Normalzustand hervortreten und zwar um so deutlicher und auffälliger, je weiter die Entwicklung vorgeschritten war. Schon ein Bliek auf die verschiedenen Embryonen, die aus zahlreichen gleichartigen ausgewählt und auf Tafel XX, Figur 1, 2, 9, 13, 7, 8, 5, 10, 14—17 abgebildet worden sind, lässt uns das Wesent- liche der neuen Abweichung leicht erkennen. Eine Auswahl von 3 Tage alten Eiern bieten die Figuren 1,2, 7, 8,9, 13, 5 u. 10. Die Eier haben sich ein wenig gestreckt; einige zeigen die Nervenplatte eingesäumt von hohen Medullar- wiülsten, die über die Oberfläche deutlich hervortreten und im Process der Verwachsung begriffen sind. Hierbei aber macht sich eine Anomalie bemerkbar. Es prägt sich ein Gegensatz aus zwischen dem Hirn- und Rückenmarkstheil des Centralnervensystems. Am Rückenmarkstheil wachsen die Medullarwülste wie bei normalen Embryonen einander entgegen. Bei dem in Fig. 13 ab- gebildeten Ei begrenzen sie schon eine tiefe und schmale Medullar- rinne. Bei dem wenig weiter entwickelten Embryo der Fig. 1u.2 sind sie in einer Gegend, welche dem späteren Nacken entspricht, bereits eine kleine Strecke (n) weit zum Rohr verschmolzen und stossen auch nach rückwärts davon mit ihren Rändern schon nahe zusammen. In den Figuren 5, 10, 7 endlich ist die Verschmelzung der Rinne zum Rohr in ganzer Länge bis zur Urmundlippe durch- geführt. Dagegen bleibt im Bereich der Hirnanlage das Hervorwachsen und die Verschmelzung der Nervenwülste gehemmt, namentlich im Bereich des späteren Mittel-, Klein- und Naehhirns. Die Hirnplatte (hp) bleibt unverändert flach ausgebreitet. Durch eine Längsfurche wird sie deutlich in eine linke und rechte Hälfte getrennt. Einige Querfurchen gehen beiderseits von ihr aus und theilen die Platte in mehrere Höcker ab. Die Ränder der Hirn- platte sind zu Wülsten erhoben, die je nach dem Grade der Hemmung entweder nur wenig oder entsprechend mehr über die Oberfläche nach Aussen vorspringen. Nur der vordere quere Hirn- wulst und der nächst angrenzende Theil, entsprechend der Gegend Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 299 der beiden vordersten Hirnabschnitte, wächst stärker nach Aussen hervor. Hier legen sich auch die Wülste nach einwärts um und nähern sich mit ihren Rändern (Figur 2 u. 8); ja in vielen Fällen bildet sich hier sogar, wie Figur 5 erkennen lässt, eime voll- ständige Naht aus. Die "auf ihren ersten "Stadien beobachtete Hemmung in der Entwicklung des Hirnrohrs ist eine dauernde. Denn auch Embryonen, die ein Alter von 4, 5 und 6 Tagen erreicht und sich schon beträchtlich in die Länge gestreckt haben, bieten noch denselben Befund mehr oder minder unverändert dar (Taf. XX, Fig.»14—17). Bei ihnen hat sich bereits das Kopfende durch eine Querfurche deutlich vom übrigen Körper abgesetzt. Auf der Rückenfläche des Kopfes fällt dem Beobachter sofort eine eigenthümlich beschaffene Stelle auf, eine Scheibe (hp) von mehr oder minder ovaler Form, eingefasst von tief schwarz pigmentirten, niedrigen Falten und durch eine Längsfurche in eine linke und rechte Hälfte getheilt, von welcher jede wieder durch einige seichte Querfurchen in mehrere Höcker gesondert ist. Das ovale Feld ist der offen gebliebene und als Platte ausgebreitete Theil des Nervenrohrs, der die Anlage für die 3 letzten Abschnitte des Gehirns repräsentirt. Nach vorn schliesst sich ein kleines Stück der Hirnanlage an, welches sich in unvollkommener Weise geschlossen hat, ein Verhältniss, das sich bei der Flächenbetrachtung ganzer Embryonen nur unvollkommen erkennen, dagegen bei Schnittserien sicher feststellen lässt; nach hinten geht die Platte in das enge Rückenmarksrohr über. Die ovale Hirnplatte tritt dem Beobachter noch dadurch mit beson- derer Deutlichkeit als eine auffällige Bildung entgegen, weil sie viel weniger als das Hornblatt pigmentirt ist und sich daher als ein grauer Fleck von der tief schwarzen Umgebung abhebt. Ausser diesem wichtigen Befund bieten die 4, 5 und 6 Tage alten Embryonen noch einige andere bemerkenswerthe Abwei- chungen dar. Fast durchgängig bildet das Kopfende entweder nach der linken oder rechten Seite zu einen bald mehr bald minder stum- pfen Winkel mit der Axe des Rumpfes (Fig. 7, 5, 10, 13, 14, 16, 17). Das Auftreten der zur Seite gerichteten Kopfkrümmung ist schon in Figur 13 zu bemerken. Wenig ist sie ausgeprägt bei den in 300 Oscar Hertwig: den Figuren 1 und 7 abgebildeten Embryonen; sehr stark da- gegen bei den Embryonen der Figuren 5, 10, 14, 16. Trotz ihres Alters und ihrer weit fortgeschrittenen Entwick- lung ist bei fast allen Embryonen dieser Serie der Urmund noch so weit geöffnet, wie amzweiten Tage der Entwicklung. Es liegt daher am hinteren Ende der schon lang gestreekten Embryonen das ganze Dotter- feld (df) frei zu Tage und bildet einen halbkugeligen Vorsprung, der jetzt schärfer wie früher von den weiter vorspringenden, tief schwarz pigmentirten Urmundlippen (ur) eingesäumt wird. Das weite Offenbleiben des Urmunds hat endlich noch eine besondere Anomalie zur Folge, welche am fünften Tage zuerst bemerkbar wird und am sechsten Tage sehr auffällig geworden ist. Es beginnen nämlich die Axenorgane, indem sie immer mehr in ihrer Länge einen neuen Zuwachs erfahren, am fünften Tage über die Oberfläche des Dotterfeldes als Höcker nach Aussen hervorzutreten ; sie rufen so eine Bildung hervor, welche in ihrem Verhältniss zum freiliegenden Dotter sich in jeder Bezie- hung dem sogenannten Caudallappen der Selachier- embryonen vergleichen lässt. Schon in Figur 17 ist der in der Verlängerung der Axenorgane und der Ursegmente gelegene Theil des Urmundrandes weiter nach hinten über das Dotterfeld vorgewachsen als der seitliche und ventrale Theil des Ringes. In Figur 19 setzt er sich schon als ein besonderer Höcker ab. Bei dem Embryo der Figur 16 ist er zu einem stachelartigen Fortsatz (Sch) verlängert, und noch mehr hat er an Länge und Stärke bei dem in Figur 15 abgebildeten Embryo zugenommen. So wächst der Rückentheil der Embryo gewissermaassen allein für sich über das Dotterfeld hinaus, mit welchem die Bauchfläche nach hinten abschliesst, und verleiht unseren Missbildungen in Verbindung mit der freiliegenden Hirmplatte und dem freiliegen- den Dotterfeld ein höchst abenteuerliches (Fig. 15 und 16), von normalen Embryonen dieses Stadiums sehr abweichendes Aus- sehen. Um die Beschreibung der ganzen Embryonen abzuschliessen, sei noch hinzugefügt, dass am fünften Tage an der ventralen Seite des Kopfendes (Fig. 15h) die beiden Haftnäpfe zu erkennen sind und dass auch die äusseren Kiemen (Ki) als kleine Höcker hervorzuknospen beginnen. Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 301 Durch Sehnittserien in sagittaler und transversaler Richtung lässt sich unser Einbliek in die abnormen Entwicklungsprocesse, welche die Kochsalzwirkung veranlasst hat, noch in mehreren Punkten weiter vervollständigen. Die auf Tafel XX abgebildeten Embryonen Fig. 1,7, 15 wurden zur Zerlegung in Sagittalschnitte benutzt, von denen einige in den Figuren 2, 3, 8 auf Tafel XXII wiedergegeben sind. Wegen der oben erwähnten Seitwärtskrümmung des Kopfes ist es fast nie- mals möglich einen genauen Medianschnitt durch die ganze Länge des Embryos zu erhalten. So fällt zum Beispiel der in Figur 2 abgebildete Längsdurchschnitt im Bereich des Kopfes zwar mit der Medianebene genau zusammen, weicht aber nach hinten von derselben etwas ab, wie man daraus sieht, dass die Chorda nicht mehr getroffen ist, dagegen der Umschlagsrand der Medullarfalte. Umgekehrt verhält es sich mit einem der bald seitwärts folgen- den Schnitte (Fig. 1), von dem nur ein klemer Ausschnitt aus dem Bereich des Kopfes zur Darstellung gelangt ist, da hier nach hinten die Chorda ihrer ganzen Länge nach getroffen ist, ihr vorderes Ende dagegen fehlt. In der Figur 2 ist die freiliegende, ziemlich dieke, aus mehreren Lagen spindliger Zellen zusammengesetzte Hirnplatte zu übersehen, die vom Buchstaben hw bis r reicht und bei letzterem sich in die Anlage des Rückenmarks fortsetzt. Bei Buchstaben hw beginnt sie mit dem über die Oberfläche weit vorspringenden queren Hirnwulst. In einiger Entfernung von ihm zeigt sie eine tiefe Einstülpung (tr), welche mit Regelmässigkeit an allen Schnittserien, so auch in den Figuren 3—7, 9 u. 10 auftritt nnd als Anlage des Trichters oder Infundibulums zu deuten ist. In dieser Gegend grenzt die untere Fläche der Hirnplatte (Fig. 2) unmittelbar an das aus einer dünnen Lage von Zellen bestehende Darmdrüsenblatt an und hat es ein wenig in die Kopfdarmhöhle hineingebuchtet. An die hintere Wand der trichterförmigen Ein- senkung stösst direet das vordere Ende der Chorda an, welches etwas ventralwärts umgebogen ist. Nach ihrer Lage zur Chorda können wir an der Hirnplatte einen vor und einen über ihr gelegenen oder einen prächordalen (Fig. 2hp?) und einen suprachordalen Abschnitt (Rp??) unterscheiden. Beide bilden fast einen rechten Winkel miteinander. Wenn wir die Eier so orientiren, dass das Rückenmarksrohr horizontal liegt, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 20 302 Oscar Hertwig: so ist der prächordale Abschnitt der Hirmplatte fast vertical, der suprachordale mehr horizontal gelagert. In Folge dessen bildet die über dem Chordaende gelegene Umbiegungsstelle der beiden Abschnitte einen nach Aussen bald mehr bald minder vorsprin- genden Wulst. Die Stelle, an welcher die Hirnplatte in das Rückenmark übergeht, lässt sich daran erkennen, dass auf dem Längsschnitt, der, wie schon erwähnt, nach hinten etwas von der Medianebene abweicht, die Ränder der Medullarfalten ihrer ganzen Länge nach getroffen sind. Letztere sind ja in der Rückenmarksgegend, wie uns schon die Oberflächenbetrachtung dieses Embryonen (Taf. XX, Fig. 1) gelehrt hatte, einander entgegengewachsen und im Begriff von vorn nach hinten unter einander zu verschmelzen. Die kleine Stelle in der Nackengegend, wo eine vollständige Verschmelzung der beiden Medullarfalten (r) schon stattgefunden hat, ist auf dem Sehnitt getroffen, den Figur 1 (Taf. XXII) wiedergibt. Hier fällt der hintere Theil des Schnittes mit der Medianebene des Embryo zusammen, denn hier ist die Chorda bis nach hinten der ganzen Länge nach zu sehen, nach der Darmhöhle zu bedeckt von einer einfachen Lage niedriger Entodermzellen. Ueber der Chorda er- scheint die Rückenmarksanlage sehr verdünnt, da gerade die Gegend der vorderen Commissur getroffen ist. Im Kopftheil der Figur, wo der Schnitt aus dem oben erwähnten Grunde nicht mehr mit der Medianebene zusammenfällt, fehlt das vorderste Ende der Chorda, das in Figur 2 abgebildet ist. Der Raum hinter der Triehterregion (tr) wird jetzt von einer gallertigen Grundsubstanz (9) eingenommen, in welche vereinzelte Zellen eingebettet sind. Solches Mesenehymgewebe ist, wie die Durchmusterung der ganzen Schnittserie lehrt, zu beiden Seiten des vorderen Chorda- endes reichlich entwickelt, wo es den Zwischenraum zwischen dem Darmdrüsenblatt der Kopfdarmhöhle und dem als Hügel nach aussen hervortretenden Theil der Hirnplatte ausfüllt, welcher den Uebergang zwischen dem prächordalen und suprachordalen Abschnitt bezeichnet. Die Sagittaldurchschnitte durch 2 weitere Embryonen des- selben Entwicklungsstadiums bieten ähnliche Verhältnisse dar. Der der Figur 3 (Taf. XXI) zu Grunde gelegte Sehnitt durch den Embryo, der auf Tafel XX, Fig. 7 u. 8 im Ganzen dargestellt ist, fällt mit der Medianebene annähernd zusammen und gleicht Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 303 ausserordentlich der eben beschriebenen Figur 2. Man sieht den vorderen queren Hirnwulst (Aw), die unmittelbar an’s Darmdrüsen- blatt angrenzende Trichterausstülpung (tr), dahinter das umgebo- gene vordere Chordaende (ch), die verticale Stellung des prächordalen und die horizontale Lage des suprachordalen Theils der Hirnplatte. Das Rückenmarksrohr ist geschlos- sen. Vor dem Eingang in dasselbe liegt ein kleiner Haufen schwarz pigmentirter, in Zerfall begriffener Zellen (az), die sich von der Hirnplatte abgestossen haben und auch bei der Flächen- betrachtung des Embryo (Taf. XX, Fig. Tu. 8) schon wahrge- nommen worden waren. An der ventralen Seite ist eine erste Andeutung eines Haftnapfes (h) zu bemerken. An einem von der Medianebene etwas weiter entfernten Schnitt (Fig. 4) ist in der Gegend seitwärts von der Chorda wieder Gallertgewebe (g) als Füllmasse zwischen dem als Hügel nach aussen hervortretenden Theil der Hirnplatte und dem Darmdrüsenblatt reichlich ent- wickelt. Dahinter hat sich das mittlere Keimblatt zu beiden Seiten der Chorda in die ersten Ursegmente gesondert. Aehnliches lehrt ein von der Medianebene etwas weiter entfernter Sagittalschnitt (Taf. XXII, Fig. 5) durch einen Embryo, welcher im Ganzen nicht dargestellt ist, aber in seinem Aussehen etwa dem Embryo auf Taf. XX, Fig. 1 entspricht. Hervorzuheben ist wieder die reichliche Entwicklung von Gallertgewebe (g) hinter der Triehterregion (tr) und das wulstige Hervortreten der Hirn- platte. In der Nackenregion haben sich die Medullarfalten eine kleine Strecke weit zum Rohr (r) geschlossen; im mittleren Keim- blatt sind in dieser Gegend die vordersten Ursegmente (ws) bereits differenzirt. Einen wichtigen Befund gewährt uns noch eine in frontaler Richtung angefertigte Sehnittserie durch den auf Tafel XX, Figur 5 und 10 abgebildeten Embryo, welcher ebenfalls nur 3 Tage alt, aber ein wenig weiter entwickelt ist, als die im sagittaler Richtung geschnittenen Eier. Schon bei der äusseren Untersu- chung des ganzen Objectes liess sich wahrnehmen, dass nur der hintere Abschnitt der Hirmplatte offen geblieben war, während am vertical gestellten Theil die Medullarwülste stärker gewachsen waren und sich in der Medianebene zum Verschluss zusammen- gelegt hatten. Durch diese Gegend geht nun der in Figur 7 (Taf. XXII) dargestellte Horizontalschnitt hindurch. Er zeigt uns 304 Oscar Hertwig: den vordersten Hirntheil eine Strecke weit zum Rohr geschlossen, indem sich die weit vorstehenden Medullarwülste zusammengelegt haben und in einer Nahtlinie zu verschmelzen beginnen. Am Boden der Hirnblase tritt uns wieder die bis an’s Darmdrüsen- blatt angrenzende Trichterausstülpung (tr) entgegen. Zu beiden Seiten derselben fallen aber noch zwei seitliche Ausstülpungen auf, die nach Lage und Form nichts anderes als die primären Augenblasen (ab) sein können. Verfolgt man die Serie dorsal- wärts weiter, so sieht man bald die Augenblasen schwinden und man erhält den in Figur 6 dargestellten Befund. Die beiden Medullarfalten weichen auseinander, der Boden der Hirnanlage ist noch triehterförmig (tr) ausgestülpt. Unter der Ausstülpung ist das noch dünne Ende der Chorda (ch) getroffen, die bald auf den folgenden Schnitten etwas dicker und schärfer abgegrenzt wird. Zu ihren beiden Seiten ist die schon mehrfach erwähnte reich- liche Entwieklung von Gallertgewebe zu bemerken. Auch bei diesem Embryo sind auf den weiter dorsalwärts folgenden Schnitten zwei Reihen von Ursegmenten in der Nacken- gegend vorhanden. An der Schnittserie tritt die Seitwärtsbiegung des Kopfes, auf welehe schon bei der Beschreibung der ganzen Embryonen aufmerksam gemacht wurde, ebenfalls sehr deutlich zu Tage und veranlasst auf der linken Seite eine tiefe Furche zwischen Kopf und Rumpf. Wir wenden uns jetzt zu den 4 und 5 Tage alten Embryonen, von welehen mehrere, darunter auch die in den Figuren 14—17 (Taf. XX) abgebildeten in Schnittserien entweder in sagittaler oder in horizontaler und transversaler Richtung zerlegt wurden. Sagittal- schnitte von drei Embryonen geben die Figuren 8—10. Figur 10 gehört einem 4 Tage alten Embryo, die Figuren 8 u. 9 gehören 2 Embryonen des fünften Tages an. Man sieht wie mit zuneh- mendem Alter die Embryonen sich mehr in die Länge strecken und wie bei dem am weitesten entwickelten Object, von dem eine Gesammtansicht in Figur 15 auf Tafel XX gegeben ist, ein wei- teres Längenwachsthum schliesslich dadurch herbeigeführt wird, dass der Abschnitt des dorsalen Urmundrandes, dessen Zellen- material das Längenwachsthum der Axenorgane vermittelt, zu einem langen Fortsatz (sch) selbstständig über das Niveau des Dotterfeldes frei hinauswächst. In allen 3 Präparaten ist der prächordale Theil der Hirmplatte in der schon früher be- Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 305 schriebenen Weise zur Blase geschlossen, in Figur 10 in etwas grösserer Ausdehnung als in Figur 9. An dem dritten Objeet liess sich der Sachverhalt nicht genau feststellen, da sich in der fraglichen Gegend die Zellmassen wegen mangelhafter Conservirung nicht scharf genug von einander abgrenzen liessen. Der zum Mittel-, Kleim- und Nachhirn werdende Abschnitt der Hirnplatte (hp) liegt in allen 3 Fällen frei zu Tage, da eme Einkrümmung desselben zum Rohr jetzt ebenso wenig als am vorhergehenden Tag erfolgt ist. Auch sprechen alle Verhältnisse dafür, dass dies überhaupt nicht mehr geschehen wird. Denn die Hirmplatte ist hier bald mehr (Fig. 8 und 9), bald minder weit (Fig. 10) nach Aussen hervorgewulstet; sie wird gegen die umgebende Epidermis nur durch einen niedrigen Saum der letzteren, der durch Pigment- anhäufung dunkel geschwärzt ist, abgegrenzt (Taf. XXII, Fig. 8 u.9s; Taf. XX, Fig. 14—17s). Unter diesem Theil der Hirn- anlage hat «die Entwicklung von Gallertgewebe wohl noch etwas mehr zugenommen. In den Figuren 8 und 10 (Taf. XXII) fallen die Schnitte, wenigstens im Bereich des Kopfes mit der Medianebene desselben annähernd zusammen, sodass das vordere Ende der Chorda ge- troffen ist. Figur 9 dagegen stellt einen Sehnitt in einiger Ent- fernung von der Medianebene dar, so dass sich im Rücken des Rumpfes von der Nackengegend an, wo die freiliegende Hirnplatte aufhört, «ie Ursegmente (us) zählen lassen, die etwa 12 an Zahl jederseits schon sehr scharf gegeneinander abgegrenzt sind. Im Verhältniss zu normalen Embryonen ist ihr sehr geringer Durchmesser in der Längsrichtung des Embryo auffallend. Auch in der Figur 8 ist die ganze Reihe der Ursegmente (ws), die sich hier schon wenigstens auf 14 Paar beläuft, zu übersehen, da der Sehnitt im Rumpftheil des Embryos wegen seiner seitlichen Krümmung nicht mehr wie im Kopf mit der Medianebene zu- sammenfällt. ‚An der ventralen Seite der Embryonen ist noch das Herz- säckchen (Fig. 8) und die Anlage der Leber wahrzunehmen. Aus einer Serie horizontal geführter Schnitte durch einen 5 Tage alten Embryo ist der in Figur 9 (Taf. XXI) wiedergegebene Sehnitt ausgewählt. Er ist nicht ganz genau horizontal geführt, wie man sofort daran erkennt, dass nur rechts ein Hörbläschen (kb) zu sehen ist und dass rechts die Ursegmente schmäler als 306 Oscar Hertwig: links sind. Die rechte Seite des Embryo ist daher etwas höher, die linke etwas tiefer (das heisst, mehr ventralwärts) getroffen. Die Chorda (ch) ist fast in ganzer Länge in den Bereich des Schnittes gefallen mit Ausnahme des caudalen Abschnittes, der etwas nach unten gebogen ist, so dass hier das Ende des Rücken- marks (rm) in die Schnittebene fiel. Das caudale Ende des Rumpfes ist bei diesem Embryo schon als kleiner Höcker nach aussen hervorgetreten, wie die Figur 19 auf Tafel XX lehrt, wo es für sich besonders abgebildet ist. Neben der Chorda sind etwa 15 Paar Ursegmente (us) (Taf. XXI, Fig. 9) zu erkennen, die nach hinten zu sich weniger scharf von einander abgrenzen lassen und nach dem hinteren Rumpfende zu schliesslich in eine kleinzellige Masse übergehen, welche zu beiden Seiten des Nervenrohrs liegt und in welches sich dieses zuletzt ebenfalls verliert. Im Kopf, der sich durch grössere Breite absetzt, ist der vordere Hirnab- schnitt getroffen, der sich zum Rohr geschlossen hat. Auf der linken Seite des Embryo ist auch die Abgangsstelle der Augen- blase zu sehen, während sie rechts erst auf einigen weiter ventral gelegenen Schnitten folgt. Anallen Embryonen des vierten und fünften Tages lassen sich zwei kleine Hörbläschen nach- weisen, die unmittelbar unter der Epidermis liegen und sich stets an der Stelle finden, wo das hintere Ende der freiliegenden Hirnplatte in das Rückenmarksrohr übergeht. In der Figur 9 (Taf. XXT) ist das Hörbläschen der rechten Seite getroffen. Ver- folgt man die Schnittserie etwas weiter dorsalwärts, so siehtman den geschlossenen vorderen Theil des Gehirns sich öffnen und dann in die unbedeekte und flach ausgebreitete Hirnplatte übergehen, von welcher man Flächenschnitte erhält. Auf einem dieser Schnitte kommt auch noch das Hörbläschen der linken Seite zum Vorschein. Zur Vervollständigung des Bildes wurden noch Querschnitts- serien durch Embryonen des vierten und fünften Tages angefertigt. Die aus ihnen ausgewählten Schnitte (Taf. XXI, Fig. 10—13, 15—17) geben uns Aufschluss über die Beschaffenheit der vor- deren und hinteren Kopfregion, des Rumpfes und des Schwanzendes. Figur 11 ist der Serie eines 5 Tage alten Embryo, der in seinem Aeusseren dem Embryo auf Taf. XX, Fig. 17 im wesent- lichen gleicht, entnommen und gehört dem vorderen Kopfende an, Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 307 an welchem hier auch der prächordale Theil der Hirnregion offen geblieben ist. Die Hirnplatte ist nur zu einer tiefen Rinne zu- sammengelegt, aus deren Seitenwandungen sich nach links und rechts die beiden primären Augenblasen (ab) ausgestülpt haben. Einige der nächsten Schnitte zeigen den Boden der Hirnplatte zum Trichter vertieft‘). Dem hintersten Theil der Hirnregion entspricht die zu derselben Serie gehörende Figur 10. Die Hirn- platte ist hier ganz flach über der von Gallertgewebe umgebenen Chorda ausgebreitet und wird nur von niedrigen Epidermisfalten (s) eingefasst. In Folge der auf Seite 299 besprochenen Krümmung des Embryos ist auf dem Querschnitt nur das rechte Hörbläschen (hb) getroffen, das der Epidermis und der unteren Fläche der Hirnplatte dicht anliegt. Aehnliche Bilder von derselben Region (Taf. XXI, Fig. 12 u. 15) lieferten Querschnittsserien durch die in Figur 14 und 16 (Taf. XX) abgebildeten Embryonen, von denen der erstere 5, der zweite 4 Tage alt ist. In beiden Fällen ist die Hirnplatte (hp) sehr deutlich durch eine tiefe Rinne oberhalb der Chorda in eine linke und eine rechte Hälfte getheilt, von denen jede nach Aus- sen etwas hervorgewölbt ist. In Figur 12 treten die das Nach- hirn umfassenden Epidermisfalten (s) etwas mehr als sonst über die Oberfläche hervor. An der ventralen Seite sind die Haft- näpfe (h) vom Schnitt getroffen. Ueber die Organisation des Rumpfes belehren uns Durch- schnitte dureh 2 Embryonen, die vier Tage alt sind. Figur 13 (Taf. XXI) entspricht der Halsregion bald hinter der Stelle, wo sich die Anlage des Nervensystems zum Rohr geschlossen hat. Zu beiden Seiten vom Rückenmark und von der Chorda liegen die abge- gliederten Ursegmente (as). Unter diesen sind die vorderen Enden der Urnierengänge (ug) zu sehen. Figur 19 (Taf. XXI) ist ein Schnitt durch das hintere Ende des Rumpfes. An ihm fällt die kümmerliche Entwicklung des Rückenmarks auf, welches bei diesem wie auch bei vielen anderen in 0,6procentiger Kochsalz- lösung entwickelten Embryonen ein sehr dünnwandiges Rohr dar- stellt. Seine Seitenwandungen sind nicht dieker als die ventrale 1) Ganz ähnliche Befunde, Augenblasen und Trichter, deren Ab- bildung daher unterlassen werden konnte, erhielt ich bei Durchmuste- rung einer Schnittserie von dem auf Taf. XX, Fig. 16 dargestellten Embryo. 308 Oscar Hertwig: und dorsale Commissur, während sie diese doch bei normalen Embryonen an Zellenreichthum bedeutend übertreffen. Von dem 3 Tage alten Embryo (Taf. XX, Fig. 16), bei welchem die Axenorgane zu einem schwanzförmigen Fortsatz (sch) über das Dotterfeld frei hervorgewachsen sind, ist die Quer- schnittsserie auch durch diesen Theil fortgeführt und sind aus ihr zwei Schnitte zur Abbildung ausgewählt worden (Taf. XXI, Fig. 16 u. 17). Der eine (Fig. 16) geht durch die Schwanzwurzel hindurch, durch die Stelle, an welcher die Abtrennung vom übri- gen Theil des Urmundrandes erfolgt. Auf der linken Seite ist die Ablösung beendet, während rechterseits noch eine aus den 3 Keimblättern zusammengesetzte hautartige Verbindung besteht. Der zweite Schnitt (Fig. 17) zeigt uns das Schwanzende ganz frei über dem Dotterfeld liegen. Am Querschnitt selbst erkennt man das dünne Nervenrohr (rm) und die Chorda (ch), welehe beide mit aller nur wünschenswerthen Schärfe von ihrer Umgebung ab- gegrenzt sind. Unter der Chorda liegt eine kleinzellige Masse, die sich links und rechts in 2 Flügel fortsetzt, welehe Chorda und Nervenrohr umfassen. Es ist das Bildungsmaterial für den Schwanzdarm und für die Ursegmente, welches sich hier noch nicht von einander gesondert haben. Zum Schluss der Beschreibung scheint es mir angezeigt, noch etwas genauer auf die Beschaffenheit des Dotterfeldes und des es umgebenden Urmundrandes einzugehen. Wie schon her- vorgehoben, besteht ja eine der Abnormitäten der in 0,6procen- tiger Kochsalzlösung gezüchteten Froscheier darin, dass bei der Gastrulation die Urmundbildung in dem ganzen Umfang des Dotter- feldes stattfindet (Taf. XX, Fig. 11), dass aber dabei die Urmund- lippe nieht über das Dotterfeld herüberwächst, welches auf diese Weise in das Innere des Urdarms selbst nieht mit aufgenommen wird. In Folge dessen bleibt der Urmundrand vom 2. bis zum 5. Tage, das heisst so lange als die Embryonen überhaupt beob- achtet wurden (Taf. XX, Fig. 1, 7, 10, 14—17), ein ausserordent- lich weiter Ring (vl), welcher das ganze Dotterfeld (df), gleichsam einen gewaltigen Rusconischen Dotterpfropf, einschliesst. Abgesehen von der Stelle, wo sich die Rückenorgane des Embryo anlegen, zeigt der Ring eine im ganzen gleiche Beschaffenheit (Taf. XXI, Fig. 14, 16, 17; Taf. XXIE)Eig. 2,3, 5, 7—10, 1% 1). ‚Wedas stark und schwarz pigmentirte äussere Keimblatt an dem unpig- Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwieklungsgeschichte. 309 mentirten Dotterfeld aufhört, findet man eine kleinzellige Wuche- rung, welche sich von hier aus als mittleres Keimblatt zwischen Dotter und äusseres Keimblatt trennend hineinschiebt. Das mitt- lere Keimblatt zeigt einen mittleren Pigmentgehalt und unter- scheidet sich dadurch sowohl vom Entoderm als besonders von den grossen Dotterzellen. Während es sich von beiden allseitig abgrenzen lässt, ist am Urmundrand stets ein continuirlicher Zu- sammenhang (Taf. XXI, Fig. 14; Taf. XXI, Fig. 12 u 13), nach der einen Seite mit dem äusseren Keimblatt, nach der andern Seite mit dem Dotter vorhanden, ein Moment, auf welches ich seit Aufstellung der Cölomtheorie nach wie vor ein grosses Ge- wicht lege. Je älter die Eier werden, um so deutlicher tritt der Urmundrand als Falte oder Lippe über das Niveau des Dotterfeldes hervor (Taf. XXT, Fig. 14 u. 16). Doch ist dies nicht überall in gleichem Maasse der Fall, indem ventralwärts (Taf. XXI, Fig. 8—10) die Lippe in der Regel viel weniger weit vorspringt als dorsal und seitlich. Am Umschlagsrand der Falte geht das äus- sere Keimblatt in die parietale Schieht des mittleren Blattes über. Auf dem Horizontalschnitt durch einen dreitägigen Embryo (Taf. XXII, Fig. 7) ist die Falte besonders diek und an ihrem freien Rand durch einen kleinen Einschnitt gewissermaassen ge- spalten. Es erklärt sich dies in der Weise, dass sich hier noch eine zweite innere Falte (2), bestehend aus Dotterzellen und der visceralen Schicht des mittleren Keimblattes, neben der äus- seren Falte (/) erhoben hat, ein Verhalten, das sich auf Grund- lage der Cölomtheorie ebenfalls leicht verstehen lässt. In den mitgetheilten Versuchen wurden die Froscheier über den sechsten Tag hinaus nicht weiter gezüchtet. Denn schon am fünften Tag machten sich bei manchen Zeichen des Zerfalls hemerkbar, die ein Absterben herbeiführten. Am freiliegenden Dotterfeld trat, wahrscheinlich durch Ansiedelung von Mikroor- ganismen veranlasst, eine Verfärbung ins graue, eine Auflockerung und Ablösung oberflächlicher Zellen ein. Auch die freiliegende Hirnplatte schien ein Locus minoris resistentiae zu sein, indem sich hier nicht selten Zellen aus dem Verbande mit den übrigen ablösten und einen weiteren Zerfall einleiteten. Häufig ist die Epidermis bei den in 0,6°/, Kochsalzlösung, noch mehr aber bei Lösungen von 0,7°/, geschädigt; anstatt wie es normaler Weise der Fall ist, eine glatte Oberfläche darzubieten, ist sie mit Höckern 310 Öscar Hertwig: und Warzen bedeckt, die durch locale Wucherungen kleiner Zell- gruppen hervorgerufen sind (Taf. XXI, Fig. 20). Dieselben sind gewöhnlich besonders stark pigmentirt. Auch in der Beschaf- fenheit der inneren Organe wird noch manches vom Normal- zustand Abweichende vorhanden sein, was sich aber an den ge- härteten und in Schnittserien zerlegten Objeeten nicht so leicht abschätzen lässt. Auf einen mehr in die Augen fallenden Punkt wurde sehon hingewiesen, darauf nämlich, dass das Rückenmark, zumal im hinteren Abschnitt auffallend klein und zellenarm ist. Auch die Ursegmente sind viel kleiner und kümmerlicher ent- wickelt als bei normalen Froschembryonen des entsprechenden Alters. B. Allgemeiner Theil. Beurtheilung und Verwerthung der Befunde. 1. Die durch Kochsalzwirkung hervorgerufenen Abänderun- sen der embryonalen Processe. Unsere Versuche lehren, dass durch geringe Mengen Koch- salz die Froscheier gezwungen werden können, sich in einer von der Norm abweichenden, aussergewöhnlichen, aber für das ange- wandte Mittel speeifischen Weise zu entwickeln und Formen zu liefern, welche in vieler Hinsicht unter den Begriff der Monstrositäten fallen. Wir betreten hier ein Forschungsgebiet, welches bisher noch wenig in Angriff genommen worden ist. Nur vereinzelte Untersuchungen, welche sich auf gleichem oder ähnlichem Gebiete bewegen, sind mir aus der Literatur bekannt geworden. So berichtet Knop (10) in den Schriften der sächsischen Aka- demie über Experimente an Maispflanzen, die in einer Nährflüssig- keit gezüchtet wurden, welche unterschwefelsaure Talkerde ent- hielt. Die Pflanzen brachten es bis zur Entwicklung eines Blüthenstandes. Dieser wich indessen in Folge der veränderten Ernährungsweise der Keimpflanzen vom normalen Habitus so erheblich ab, dass Knop sich zu folgender Bemerkung veranlasst sah: „Fasst man die Eigenthümliehkeiten der neuen Pflanze in den Ausdrücken der üblichen Terminologie zusammen und ver- gleicht die Diagnose mit der der Gattung Zea, so findet man die Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 311 Abweichung so stark, dass man sie dieser Gattung nicht mehr einreihen kann.“ Der Zoologe Herbst (4) hat die Einwirkung geringer Mengen von Lithiumsalz (Liel), welches dem Meerwasser zugesetzt wurde, auf die Entwicklung der eben befruchteten Eier von Sphaerechinus granularis untersucht und auf diesem Wege eigenthümlich ge- staltete Lithiumlarven, wie er sie nennt, erhalten. Die Eigen- thümlichkeit ihrer Entwicklung besteht darin, dass der Bezirk der Keimblase, welcher zum Darm wird, sich m Folge der Ein- wirkung des Lithiumsalzes nicht in die Blastulahöhle einstülpt, sondern geradezu in entgegengesetzter Richtung nach Aussen als Fortsatz hervorwächst. Werden die Larven zu geeigneter Zeit in reines Meerwasser zurückgebracht, so bleibt der Darm nach aussen hervor gestülpt, der übrige Körpertheil aber beginnt die für die Pluteusform charakteristischen Veränderungen zu erleiden, und die Arme, den Wimperring, Mesenchym und Kalknadeln zu entwickeln. Um die Reaction zu erzielen, muss das Salz auf die Eier während der ersten Entwicklungsstadien einwirken; Eier, welche auf späteren Furchungsstadien oder als junge Blastulae noch in der Eihülle in die Lithiummischung gebracht werden, erleiden nicht mehr die oben beschriebene Veränderung. Dass auch auf späteren Entwicklungsstadien morphologische Processe durch kleinste Mengen specifischer ehemischer Substanzen in der auffälligsten Weise beeinflusst werden können, lehren die mit Phosphor und Arsen angestellten, interessanten Experimente von Wegner (19), Gies (3) und Kassowitz (9). Kleinste, täglich verabreichte Gaben von Phosphor (0,0015 gr), oder von Arsen (0,0005—0,001) rufen in der kürzesten Zeit erhebliche Veränderungen im Knochenbildungsprocess hervor, welche sich überall da zeigen, wo Knochensubstanz neu gebildet wird, sowohl an den Epiphysen, als am Periost. Es wird die normale Einschmel- zung des verkalkten Knorpels und der jüngsten Knochentheile eingeschränkt. An den Epiphysen wird anstatt spongiöser Knochen- substanz eine ziemlich compacte, eigenartig modifieirte Knochen- schicht erzeugt, an welcher man auf den ersten Blick einen normal entwickelten von einem unter Phosphor- oder Arsenfütterung ent- standenen Knochen unterscheiden kann. Durch periostale Auf- lagerungen wird die Diaphyse dicker, zumal da auch die von Seiten des Markraumes erfolgende Resorption von Knochensubstanz 312 Oscar Hertwig: abgenommen oder ganz aufgehört hat. Ja, es kann sogar bei längere Zeit fortgesetzter Fütterung bei Hühnern das Mark der Röhrenknochen in Knochengewebe umgewandelt werden. In dasselbe Gebiet der Veränderung thierischer Formbildung durch stoffliehe Einwirkungen rechne ich eine Reihe höchst inte- ressanter Erscheinungen, welche uns auf dem Gebiet der Biologie der Thiere vereinzelt entgegentreten und mit deren Studium sich insbesondere Schmankewitsch, Grassi und Emery beschäf- tigt haben. Schmankewitsch (15) hat Artemia salina mehrere Gene- rationen hindurch gezüchtet, indem er allmählich den Salzgehalt des Wassers erhöhte; er konnte auf diese Weise bei den gegen Salzgehalt ungemein empfindlichen Thieren Veränderungen an den Schwanzborsten und Schwanzlappen hervorrufen, bis schliesslich eine Form entstand, welche der Artemia Mühlhausenii genau ent- sprach. Ebenso konnte er durch Verdünnung des Salzwassers die Artemia salina in einer andern Richtung verändern und all- mählich in die Form Branchipus umwandeln. Durch eine besondere Empfindlichkeit gegen Ernährungsein- flüsse zeichnen sich die Larven der staatenbildenden Insekten, der Bienen, Ameisen und Termiten aus. Wie dem italienischen Zoolo- gen Grassi nachzuweisen geglückt ist, haben die Termiten es in ihrer Macht, die Zahlenverhältnisse der Arbeiter und Soldaten durch die Art der Fütterung zu reguliren und je nach Bedürfniss zu züchten, ebenso wie sie die Geschlechtsreife anderer Indivi- duen durch eine entsprechende Nahrung zur Erzeugung von Ersatzgeschlechtsthieren beschleunigen können. In ähnlicher Weise erklärt Emery (2) „die Arbeiterbildung aus einer besonderen Reactionsfähigkeit des Keimplasmas, welches auf die Einführung oder auf den Mangel gewisser Nährstoffe dureh raschere Ausbil- dung gewisser Körpertheile und Zurückbleiben anderer in ihrer Entwieklung antwortet“. Ganz passend bezeichnet er die Ver- schiedenheit der Individuen bei Termiten, Bienen und Ameisen als Nahrungspolymorphismus!). Bekannt ist auch, dass die Raupen mancher Schmetterlings- arten sich in ihrer Färbung verändern, je nach der Futterpflanze, welehe ihnen geboten wird. 1) Vergleiche auch die Einwürfe, welche Weismann (20) gegen diese Art der Erklärung des Polymorphismus erhebt. Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 313 Nachdem ich so den von mir studirten Specialfall an eine grössere Reihe ähnlicher Erscheinungen angeschlossen habe, will ich jetzt näher darzulegen versuchen, in welcher Weise die Koch- salzwirkung den Entwicklungsprocess des Froscheies umgestaltet. Als eine interessante Thatsache sei zunächst hervorgehoben, wie ausserordentlich fein das Froschei auf geringe Schwankungen im Kochsalzgehalt der Umgebung reagirt, was um so mehr auf- fallen wird, als man gewöhnt ist, im Kochsalz eine für die Zelle mehr indifferente Substanz zu erblicken. Hier sehen wir das Froschei schon durch Unterschiede von 0,1°/, in sehr auffälliger Weise beeinflusst werden. Während es bei Rana esculenta in einer lprocentigen Lösung noch nieht einmal zu den normalen ersten Theilungen kommt, wenn auch noch ein Ansatz zu solchen gemacht wird (Taf. XX, Fig. 20), gestaltet sich mit jeder Ver- dünnung der Lösung um !/,„°/, der Entwiecklungsverlauf günstiger. Schon in einer O0,9procentigen Lösung wird das Ei, wenn auch in verlangsamter Weise vollständig in Zellen zerlegt (Taf. XXI, Fig. 1, 2 und 4), zerfällt aber bald darauf noch vor Ausbildung einer normalen Blastula. Bei 0,5°/, Kochsalzgehalt verläuft der Furchungsprocess schon etwas rascher und normaler (Taf. XX, Fig. 25, 24), doch endet die Entwicklung am dritten Tage mit Eintritt des Keimblasenstadiums (Taf. XXI, Fig. 3); in einer 0,7- procentigen Lösung beginnt schon nach 24 Stunden sich die Keimblase auszubilden, vermag aber über dieses Stadium nicht hinauszukommen, da bei 4 Tage alten Eiern sich nur in verein- zelten Fällen ein schwacher Ansatz zur Entstehung einer Einstül- pungsstelle erkennen liess. Bei 0,6°/, endlich schreitet die Ent- wicklung bis zur vollständigen Ausbildung des embryonalen Kör- pers fort, ist aber verlangsamt und in mehrfacher Hinsicht abge- ändert und gestört. In der Verlangsamung, welche der Entwicklungsprocess des Eies proportional dem zunehmenden Kochsalzgehalt des umgeben- den Mediums erfährt, spricht sich eine gewisse Uebereinstimmung mit den Veränderungen aus, welche im Verlauf des Furchungs- processes durch Erniedrigung der Temperatur des Wassers bis zum Nullpunkt hervorgerufen werden. Ein zweiter Punkt, der unsere volle Beachtung verdient, ist die ganz sicher festzustellende Thatsache, dass das Ei in seinen einzelnen Absehnitten in ungleichem 314 Oscar Hertwig: Maasse durch die Kochsalzwirkung getroffen wird. Denu die vegetative Hälfte der Eikugel zeigt sich in ihrer Entwicklung mehr gehemmt und eventuell auch in höherem Maasse geschädigt als die animale. Der Unterschied erklärt sich leicht aus dem ungleichen Protoplasmagehalt der beiden Hälften. Denn wenn entsprechend der Zunahme des Kochsalzgehaltes, um mich ganz allgemein auszudrücken, die Entwicklungsenergie in den protoplasmatischen Substanzen der Zelle bis zum vollständigen Erlöschen herabgesetzt wird, so muss sich die Herabsetzung da am meisten äussern, wo das Protoplasma am spärlichsten zwischen den mehr passiven Dottermaterialien vertheilt ist und daher eine grössere Arbeit bei der Zelltheilung durch Bewältigung des pas- siven Materials zu verrichten hat. Hierin suche ich den Grund, dass bei den mit Kochsalz behandelten Eiern die Theilungen der vegetativen Hälfte ausserordentlich viel langsamer erfolgen als am animalen Pol. So ist zum Beispiel bei den in einer O,8procen- tigen Lösung gelegenen Eiern (Taf. XX, Fig. 23, 24) der animale Theil der Kugel in eine Scheibe zahlreicher kleiner Zellen zer- legt, während ihr vegetativer Abschnitt immer noch aus 8 Dotter- stücken besteht. Der Gegensatz ist hier demnach fast so weit gesteigert, wie bei den meroblastischen Eiern. Was bei diesen durch ein normales, physiologisches Verhältniss bedingt ist, hat sich bei den Froscheiern als Folge eines willkürlich vorgenom- menen Eingriffs, einer Schädigung des Protoplasmas, ergeben. Aehnliche Erscheinungen, wie durch Kochsalz, lassen sich auch noch durch andere Eingriffe hervorrufen. Bei Steigerung der Temperatur des Wassers, in welches Froscheier nach der Be- fruchtung gebracht werden, kommt man bei einem Punkt an, wo bei vielen Eiern zuerst die vegetative Hälfte geschädigt wird und sich nur unvollkommen oder nicht mehr theilt, während sich noch eine Scheibe animaler Zellen ausbildet. Dasselbe Resultat ist auch durch längere Zeit fortgesetzte Abkühlung der Eier auf O oder —1 Grad und nachherige langsame Erwärmung zu erreichen. Ferner sehen wir bei überreifen Eiern zuweilen den Fall eintreten, dass die vegetative Hälfte in mehr oder minder grosser Ausdeh- nung unentwickelt bleibt, während sich die animale Hälfte in Zellen zerlegt und sich sogar noch zur Gastrula einstülpen kann. Einzelne Fälle solcher partiellen Entwicklung der Eizelle sind in meiner Abhandlung „Urmund und Spina bifida* (6) auf Tafel XX Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 315 zusammengestellt. Partielle Entwicklung des Eies und dadurch bedingte ähnliche Verhältnisse wie bei meroblastischen Eiern kann man endlich auch erhalten, wenn man mit der erwärmten Nadel das Ei ansticht und so einen Theil des Dotters entweder zum Absterben bringt oder mehr und minder tief schädigt, wie ich dies in der Schrift über den Werth der ersten Furchungszellen (7) auseinandergesetzt habe. Dass überhaupt der protoplasmaarme Theil des Eies gegen Angriffe am empfindlichsten ist, lehren die Fischeier. An be- fruchteten Forelleneiern wird man das Absterben der Eier in der Regel in einiger Entfernung von der Keimscheibe beginnen sehen. Es entsteht zuerst ein kleiner weisser Fleck durch Gerinnung des Dotters, derselbe greift von Tag zu Tag weiter um sich, während die Keimscheibe sich noch weiter entwickelt, bis schliesslich der grösste Theil des Dotters geronnen ist, was nun auch ein Absterben und Zerfallen des zelligen Theils zur Folge hat. Als ich vor Jahren reife Eier durch Schütteln in Stücke zu zerlegen versuchte, um diese dann zu befruchten und zur weiteren Entwicklung zu veranlassen, wollte mir das Experiment nur mit den kleinen, dotterarmen Eiern einiger Seeigelarten gelingen, die etwas grösseren Eier der Seesterne, welche mehr Dotter enthalten, starben sofort nach Sprengung der Eihülle ab, indem sie in einen Haufen von Körnchen und Kügelchen zerfielen. Bei Auswahl von Eiern zu derartigen Experimenten wird man auf diesen Punkt stets zu achten haben, wenn der Erfolg nicht ausbleiben soll. BeiderErklärungderKochsalzversuche kann jetztzweierleialsfestgestellt betrachtet werden, erstens dass je nachderConcentrationdesSalzes die Energie des Eiesin entsprechendem Verhält- niss herabgesetzt wird, und zweitens, dass diese Herabsetzung der Energie in den einzelnen Ab- schnitten des Eies eine ungleiche ist und sich wieder nach dem Verhältniss richtet, in welchem die activen, protoplasmatischen Substanzen und die mehr passiven Nährmaterialien im Eiraum vertheilt sind. Dadurch werden Unterschiede ge- schaffen, welehe im normalen Eiin dieser Weise nicht vorhanden sind und die ihrerseits nun wie- der die Ursache werden, dass auch der weitere 316 Oscar Hertwig: Entwieklungsverlaufsich zueinemvon derNorm abweichenden gestaltet. Den letzten Satz lehren die in 0,6 procentiger Kochsalzlösung gelegenen Eier. Dies führt uns zu der dritten Erscheinung, mit welcher uns die Kochsalzversuche bekannt gemacht haben, zu der verän- derten Art des Gastrulationsprocesses und der damit in Zusammenhang stehenden Embryobil- dung. Die sich hier darbietenden Abweichungen sind auf den ersten Blick ausserordentlich auffällige. Vergegenwärtigen wir uns den normalen Verlauf. An einem kleinen Bezirk des Dotterfeldes bildet sich eine Einstülpung aus; sie vergrössert sich dann, Hufeisenform annehmend, nach beiden. Seiten dem Rande des Dotterfeldes entlang, wobei dieses gleich- zeitig von dem am frühesten gebildeten Theil des Einstülpungs- randes oder der Urmundlippe von vorn und seitlich nach hinten und medianwärts überwachsen und mehr und mehr in die Urdarm- höhle aufgenommen wird. Indem schliesslich die Einstülpung sich um den ganzen Umfang des Dotterfeldes ausdehnt, schliessen sich die nach hinten gerichteten Enden des Hufeisens zum Ring, welcher sich am Ende des Gastrulationsprocesses immer mehr verengt und zuletzt zu einem kaum bemerkbaren, kleinen Loch wird. Die letzte Spur des Urmundes liegt dann gerade an dem der ersten Einstülpung entgegengesetzten Rande des Dotterfeldes (vergl. .Nrsd. Taf: XXXIX; Fig.85, 9,100. 18). Nachdem durch den Einstülpungsprocess die ganze spätere Rückengegend des Embryo in Form dreier Keimblätter schon vorgebildet ist, beginnt nach einiger Zeit erst die Anlage der einzelnen Rückenorgane aufzutreten, im äusseren Keimblatt die Nervenplatte, im mittleren Keimblatt die Chorda und die Urseg- mente, und zwar beginnen auch diese sich zuerst vorn auszubilden und von da sich nach hinten allmählich zu vergrössern (vergl. Nr. 7, Taf. XXXIX, Fig. 7) In der Gegend des letzten Ur- mundrestes, entsprechend dem hintern Rande des Dotterfeldes, wachsen endlich die Schwanzknospen hervor und legt sich hinter diesen die Afteröffnung an. Von der hier gegebenen Darstellung weicht das, was uns die mit Kochsalz behandelten Eier gelehrt haben, in vielen Punk- ten sehr wesentlich ab. Zunächst entsteht auch an einem kleinen Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 317 Bezirk des Dotterfeldes eine Einstülpung (Taf. XX, Fig. 25). Diese dehnt sich aber nur sehr langsam seitwärts aus, während sie nach der Keimblasenhöhle zu sich viel rascher vergrössert und sie bald ganz verdrängt hat. Namentlich bei Rana esculenta bleibt die Einstülpung längere Zeit auf die kleine Stelle beschränkt, an der sie zuerst ihren Ausgang genommen hat (Taf. XX, Fig. 6 u. 12). Vor allen Dingen aber kommt es, so lange die Embryonen haben beobachtet werden können, überhaupt nicht zu einer Ueberwachsung des Dotterfeldes (df) durch den Urmundrand (wr), auch wenn dieser sich endlich in dem ganzen Umfang des ersteren entwickelt hat (Taf. XX, Fig. 15—17). Es bildet sich daher auch nicht die Rückengegend des Embryo an der gewöhnlichen Stelle und in normaler Weise, sondern folgendermaassen aus: Bei unserer Auseinandersetzung wollen wir den vorderen Rand des Dotterfeldes, welches auf Taf. XX, Fig. 25, 3 u. 4; Taf. XXI, Fig. 5—8 mit einem Kreuz (f) bezeichnet ist und an welchem die erste Urmundeinstülpung entsteht, als einen festen Punkt betrachten, auf welchen wir die Substanzbewegungen be- ziehen, unter welchen sich die Embryonalentwicklung, die Gastrula- tion und die Bildung der Axenorgane vollzieht. Es geschieht dies lediglich der Verständigung wegen, wie es auch dem Anschein nach zuzutreffen scheint; in Wirklichkeit werden auch hier Ver- schiebungen der Zellen, obschon in geringerem Grade, stattfinden. Da zeigt sich denn, dass jetzt die Bildung der Rückengegend ganz vor diesem Punkt geschieht, während sie sich sonst in nor- maler Weise nach rückwärts von ihm vollzieht. Wir sehen, dass in geringer Entfernung vor dem durch das Kreuz bezeichneten Punkt, wo sich auch immer die dorsale Urmundlippe befindet, das äussere Keimblatt frühzeitig zum queren Hirnwulst erhoben ist, wodurch wieder ein fester Punkt zu unserer Orientirung ge- geben ist. Messen wir die Entfernung zwischen querem Hirnwulst und vorderer Urmundlippe bei den mit Kochsalz behandelten und bei normal entwickelten Eiern, so ergibt sich, dass sie bei ersteren (Taf. XX, Fig. 3 und 4; Taf. XXI, Fig. 5) viel geringer als bei letzteren ausfällt. Der Unterschied erklärt sich leicht daraus, dass zur Zeit, wo sich der quere Hirnwulst anlegt, bei normalen Eiern das Rückenfeld in undifferenzirtem Zustand, d. h. nur aus 3 Keimblättern bestehend, schon in ganzer Ausdehnung, im an- deren Fall dagegen nur in seinem vorderen Theil entwickelt ist. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 21 318 Oscar Hertwig: Die Ursache für die Abweichung ist ohne Frage in dem durch die Kochsalzwirkung verlangsamten und abgeänderten Gastrula- tionsprocess zu suchen. Auf diese Weise entsteht eine gewisse Uebereinstimmung mitderEmbryonalanlage, die uns die meroblastischen Eier der Knochenfische darbieten. Auch hier erscheint die Anlage des vordersten Abschnitts des Centralnervensystems in so geringer Entfernung vom Keimring oder Urmundrand, dass Rauber sie einen Vorstoss desselben genannt hat. Durch die Kochsalzwirkung ist also in den Eiern der Frösche in dem Verhältniss der Anlage der Rückengegend zur Anlage der Hirnplatte eine zeitliche Verschiebung herbeigeführt worden, insofern die Hirnplatte schon zu einer Zeit sich ausbildet, in welcher die Rückengegend im undifferenzirten Zustand noch nicht ihre normale Ausdehnung und Grösse erreicht hat. Zu der eben hervorgehobenen Uebereinstimmung mit der Entwicklung der Embryonalanlage der Fischeier gesellt sich eine zweite, ungleich wichtigere, wenn wir die Art und Weise genauer untersuchen, in welcher die Längenzunahme der embryonalen Rückenorgane nach ihrer ersten Anlage vor sich geht. Auf den Mediandurchschnitten der 3 verschieden alten Embryonen von Rana esculenta (Taf. XXI, Fig. 5, 7 u. 8) hat die Länge des embryonalen Körpers vom Anfang des Nervenrohrs bis zum hin- teren Rande der dorsalen Urmundlippe während der Entwicklung beträchtlich zugenommen; da nun nach wie vor die Stellung der dorsalen Urmundlippe mit dem vorderen Rand des Urmund- feldes (7) zusammenfällt, welehen wir für die Beurtheilung der Substanzbewegungen als festen Punkt angenommen haben, so ist von diesem aus gerechnet das vordere Ende des Nervenrohrs, welches als querer Hirnwulst (Fig. 5) in grösserer Nähe von ihm lag, in Figur 7 und 8 beim Wachsthum des Embryos weiter nach vorn verschoben worden. Woher stammt das zur Vergrösserung der Rückenorgane verwandte Zellenmaterial ? Wie für die Entwicklung der Wirbelthiere genugsam fest- gestellt ist, geschieht bei ihren Embryonen die Längenzunahme durch Zuwachs vom hinteren Ende aus (Taf. XXI, Fig. 5, 7, 8); hier findet sich eine indifferente, die dorsale Urmundlippe einnehmende Zone embryonaler Zellen, auf deren Kosten sich Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 319 Chorda und Nervenrohr vergrössern und Ursegment sich an Ur- segment neu anfügt. In demselben Maasse als dies geschieht, nimmt dadurch, dass das Kopfende des Embryo immer weiter nach vorn geschoben wird, der Abstand zwischen ihm und dem vorderen Rand des Dotterfeldes zu (Fig. 7 u. 8). Durch Theilung der am dorsalen Urmundrand (wl) gelegenen Zellen allein kann natürlich die zur Verlängerung des Embryos dienende, beträcht- liche Masse von Zellmaterial nicht geliefert werden; also muss sie von anderen Orten sich nach der Stelle des lebhaftesten Wachsthums hinbewegen. Als solche Orte können nach meiner Meinung nur die angrenzenden Theile der seitlichen Urmund- ränder in Frage kommen. Wir müssen annehmen, dass die seitlichen Urmundränder beständig zur Ver- grösserung des embryonalen Körpers beitragen, dass sie sich von links und rechtsnach der dor- salen Medianebene vorschieben und den hier auf einen muhern Stadtum. gelezeneneTmerlrdesnur- mundrandes in demselbenMaasse ersetzen, als er zur Bildung des embryonalen Körpers aufge- braucht wird. An dem das Dotterfeld umgebenden Urmund- ring muss eine Bewegung des Zellenmaterials von hinten nach vorn und von der Seite nach der Medianebene beständig vor sich gehen. An frühere Darlegungen anknüpfend kön- menwir’driesen Process auch. bezeichnen als ein Längenwachsthum des embryonalen Körpers auf Kosten der an das jeweilig hintere Ende sich an- schliessenden Abschnitte derseitlichen Urmund- ränder, die nach der Medianebene zusammen- rücken und verschmelzen. Bei den mit Kochsalz behandelten Eiern liegt auch in die- sem Punkt eine weitere Aehnlichkeit und Uebereinstimmung mit dem Wachsthum des Teleostierembryos vor, durch dessen Studium ja bekanntlich His zuerst zur Aufstellung seiner Conerescenz- theorie geführt worden ist. Bei meinen seit mehreren Jahren ausgeführten Studien über die Entwicklung der Froscheier unter normalen und unter will- kürlich abgeänderten Bedingungen bin ich bisher mit 3 Arten der Gastrulation und der Anlage der Axenorgane bekannt ge- worden: 320 Öscar Hertwig: 1. mit dem normalen Verlauf, welcher sich bei Eiern, die zwischen 2 horizontalen Platten etwas comprimirt sind, bequem beobachten lässt, 2, mit den Abänderungen, welche Eier zeigen, aus denen Embryonen mit Spina bifida hervorgehen, und 3. mit den Abänderungen, welche uns jetzt die in Kochsalz- lösung gezüchteten Eier darbieten. Die3 hier aufgeführtenEntwicklungsweisen scheinen auf den ersten Bliek grundverschieden zu sein, sindaber beigenauererAnalyse nur drei verschiedene Ausführungen ein- und desselben Prineips. Gemeinsam ist ihnen die von vorn nach hinten all- mählich fortschreitende Bildung des Urmundrandes in der Umge- bung des Dotterfeldes und die Bildung der Rückengegend mit ihren Axenorganen durch eine von vorn nach hinten sich voll- ziehende Verschmelzung der Urmundränder. Dagegen sind im besonderen diese 3 Processe in der Ausführung örtlich und zeit- lich modifieirt. Im ersten Fall, weleher als der normale zu bezeichnen ist, beginnt gleich mit der Anlage der Urmundlippe aueh schon die Ueberwachsung des Dotterfeldes; erst nach beendigter Ueber- wachsung beginnen sich dann die Axenorgane zu differenziren. Im zweiten Fall (Spina bifida) legt sich der Urmundrand um das ganze Dotterfeld herum gleichmässig an, es unterbleibt aber die Ueberwachsung des Dotters und die Verschmelzung der linken und rechten Hälfte in der Medianebene, dagegen differenziren sich die Urmundränder an Ort und Stelle ihrer Entstehung von vorn nach hinten in je eine halbe Medullarplatte, eime halbe Chorda, und je eine Reihe von Ursegmenten. Erst nachdem die Differenzirung in Organe schon soweit und zuweilen noch weiter vorgeschritten ist, fangen schliesslich die beiden Rückenhälften nachträglich an, über dem Dotterfeld einander entgegen zu wach- sen und von vorn nach hinten zu verschmelzen. (Vergl. die Ab- bildungen zur Arbeit Nr. 6 und die daselbst gegebene Darstel- lung.) Im dritten Fall endlich, weleher uns in dieser Abhandlung entgegengetreten ist, beginnt zwar, bald nachdem der vordere Urmundrand gebildet ist, die Verschmelzung; das so entstandene Rückenfeld aber schiebt sich nieht nach hinten über das Dotter- Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwieklungsgeschichte. 321 feld herüber, wird vielmehr selbst nach vorn gedrängt, indem von der Peripherie des Dotterfeldes her die Zellen des Urmund- randes von hinten und seitlich nach vorn und medianwärts wan- dern und sich an den erst gebildeten, vordersten Theil der Axen- organe von hinten her anlagern und von dem mit einem Kreuz bezeichneten Punkt immer weiter weg nach vorn schieben. Gleich- zeitig differenziren sich die Axenorgane, noch ehe das Rückenfeld eine grössere Ausdehnung erreicht hat. Nach der eben gegebenen Darlegung glaube ich mit der Behauptung im Rechte zu sein, dass die drei beobachteten Arten der Gastrulation und der Embryobildung nicht im Prineip, sondern nur in der besondern Art der Ausführung des Prineipes von ein- ander verschieden sind und somit gewissermaassen nur 3 Varia- tionen des gleichen Themas darstellen. Bei dieser Gelegenheit sei gleich auch eine Frage, welche augenblicklich auf der Tages- ordnung steht, am vorliegenden Fall einer Prüfung unterzogen, die Frage nämlich, ob das auf dem Blastulastadium gegebene Zellenmaterial in allen drei Fällen in gleicher Weise verwandt wird, so dass entsprechende Zellen hier wie dort zum Aufbau der gleichen Organe dienen? Die Verhältnisse, die uns die in O,6procentiger Kochsalzlösung entwickelten Embryonen gelehrt haben, scheinen einer solehen Annahme entschieden zu wider- sprechen. Denn während bei normaler Entwicklung und bei den Embryonen mit Spina bifida der gesammte Urmundrand zum Auf- bau der Rückenorgane dient, mit Ausnahme des kleinen Restes, der zum After wird, bleibt hier die grosse Strecke unbenutzt, welche die ganze Peripherie des Dotterfeldes umgibt. Ferner bildet sich die Schwanzknospe dort am hinteren, hier am vorderen Rande des Dotterfeldes, was gewiss nicht für eine Gleichheit des zu ihrem Aufbau verwandten Materiales spricht und schliesslich ist bei den in Kochsalz entwickelten Embryonen in die Zusammen- setzung der Axenorgane eine viel geringere Quantität von Zell- material eingegangen, als in den beiden anderen Fällen. Die kümmerliche Entwicklung der Ursegmente und des Nervenrohrs wurde schon im beschreibenden Theile betont. So lehren auch diese Experimente, dass erst im Laufe des Entwieklungsprocesses selbst über dieVerwendung desZellenmateriales zum Aufbau des embryonalen Körpers je nach den äusseren 322 Oscar Hertwig: Bedingungenin dieseroderjener Weise entschie- den wird. Sie widerlegen die Mosaiktheorie ebenso wie dieschonfrüher besprochenen, durch Umkehr der Eier gezüchteten Embryonen, bei welehen die beiden Körperseiten ganz asymme- trisch ausgebildet waren, oft derartig, dass auf die Ausbildung der einen Seite der grösste Theil des Zellenmaterials, auf die Gegenseite ein viel kleinerer Rest kam. (Vergl. die Abbildungen zu Nr. 7, Taf. XXXXI, Fig. 23, 24, 1 u. 2.) Zu einigen Bemerkungen gibt auch noch die Anlage von Schwanz und After Veranlassung, wenn man die unter Kochsalz- wirkung entstandenen Embryonen mit den normalen oder den mit Spina bifida versehenen vergleicht. Im gewöhnlichen Verlauf entsteht beim Frosch die Anlage des Schwanzes zu der Zeit, wo der enge, runde Blastoporus sich zu einem feinen Längsspalt umgewandelt hat, und zwar in der Weise, dass seine seitlichen Ränder oder die Urmundlippen sich in ihrer Mitte verdicken und unter einander zu einem unpaaren Höcker, der Schwanzknospe, verschmelzen. Durch die Verschmel- zung wird die Urmundspalte in eine vordere und eine hintere Oeffnung zerlegt. Erstere stellt den Canalis neurenterieus dar, der bald von den Medullarwülsten umwachsen und dadurch in das Nervenrohr eingeschlossen wird. Die hintere Oeffnung da- gegen wird zum After. Bei den Embryonen mit Spina bifida, wo das ganze Urmund- gebiet offen geblieben ist, bilden sich auch an seinem hinteren Ende in geringer Entfernung von einander zwei ziemlich ansehn- liche Verdiekungen des Urmundrandes aus. (Vergleiche Nr. 6, Taf. XVI, Fig. 9—11.) Durch ihre bald vollständig, bald aber auch nur theilweise erfolgende Verschmelzung liefern sie den an seinem Ende häufig gespaltenen Schwanz. (Vergl. 1. e. Fig. 17—20.) Auch hierbei wird von dem weit offen gebliebenen, vom Dotter- feld ausgefüllten Urmund ein kleiner hinterer Bezirk abgetrennt, welcher zum After (af) wird, während vor der Schwanzwurzel sich die Urmundspalte befindet und die Rückenorgane, Rücken- mark und Chorda in eine linke und eine rechte Hälfte trennt. Bei den in Kochsalz gezüchteten Froscheiern endlich bildet sich das hintere Körperende in einer Weise aus, welche an die Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 323 bei Selachiern beobachteten Verhältnisse erinnert. Nachdem schon ein grösserer Theil des embryonalen Körpers entstanden ist, be- ginnt an dem das Dotterfeld einsäumenden Urmundring der Theil, welcher das jüngst gebildete, hinterste Ende der Axenorgane als undifferenzirte Zellmasse abschliesst (die dorsale Urmundlippe) sich als ein Höcker vom übrigen Theil abzusetzen und wie der Caudallappen oder die Schwanzknospe bei Sela- chierembryonen über das Dotterfeld frei hervorzuwachsen (Taf. XX, Fig. 17, 19, 15, 16). Während in den beiden anderen Entwicklungsweisen hinter dem Schwanzhöcker nur ein kaum bemerkbarer Rest der Urmundspalte übrig bleibt und zum After umgewandelt wird, bleibt hier unter der Schwanzwurzel eine ausserordentlich weite, vom grossem Dotterfeld ausgefüllte Oeffnung übrig. Dieselbe muss später zum After werden. Zur Zeit lässt sie sich noch nicht als After bezeichnen, weil sie noch von dem Urmundrand eingefasst wird, an dem alle drei primären Keim- blätter (Taf. XXII, «l) in Zusammenhang stehen, genau in der- selben Weise wie am hinteren Rand der Keimscheibe der Sela- chier. Wenn die Leibeshöhle auf diesem Stadium dureh Ausein- anderweichen der beiden Lamellen des mittleren Keimblattes sichtbar werden würde, so müsste sie auch nach Aussen eine Oeffnung erhalten entsprechend einer Rinne, welche sich auf den Figuren nach Innen von der Urmundlippe vorfindet (Taf. XXII, Fig. 7 zwischen Ziffer 1 u. 2, Fig. 12 u. 13) und welche gleich- falls bei den Selachiern ihr Pendant findet im einer Rinne des verdiekten Keimscheibenrandes, der Cölombucht Rückert’s oder der Mesodermbildungsrinne Ziegler’s (23). Da somit bei unseren Missbildungen die grosse Oeffnung unter der Schwanzwurzel sowohl in den Darm, der zum Haupttheil noch von Dotter ausgefüllt ist, als auch in die beiden Leibes- taschen hineinführen würde, kann sie noch nicht als dem After gleichwerthig angesehen werden. Aus dem Urmundrest entsteht ein After erst von dem Augenblick, wo sich die mittleren Keim- blätter vom Urmund ablösen (die Leibestaschen sich also nach Aussen schliessen) und äusseres und inneres Keimblatt in direete Verbindung treten). SW) Betreffs der genaueren Darstellung dieses Vorgangs sei auf meine Abhandlung (6): Urmund und Spina bifida (Seite 452-455) ver- wiesen. 24 Osear Hertwig: Die Beurtheilung der in Kochsalz gezüchteten Froscheier führt uns endlich noch auf die höchst eigenthümlichen, anormalen Verhältnisse, welche das Kopfende mit der Hirnanlage darbietet. Selbst bei alten Embryonen (Taf. XX, Fig. 14—17) ist die Hirn- platte (Rp) noch nicht zum Rohr geschlossen, entweder in ganzer Ausdehnung oder bei einem weniger hohen Grad der Missbildung nur in der Gegend des späteren Mittel-, Klein- und Nachhirns. Mag der vordere Theil der Hirnplatte nur zur Rinne zusammen- gekrümmt oder ganz geschlossen sein, in beiden Fällen (Taf. XXII, Fig. 2, 3, 5, 10) findet sich an der Basis eine Triehteraus- stülpung (fr), gelegen vor dem Chordaende (ch), und zu beiden Seiten derselben je eine primäre Augenblase (Taf. XXII, Fig. Tab; Taf. XXI, Fig. 9 u. 11ab). Zu beiden Seiten des Nachhirns haben sich noch aus dem Hornblatt die Hörbläschen gebildet (Taf. XXT, Fig. 9, 10, 12, 15Ahb). Ohne Frage haben wir es hier mit einer Hemmung in der normalen Hirmentwicklung zu thun, welche sich darin äussert, dass entweder die ganze Hirnanlage oder ihre hin- tere Hälfte sich auf dem Anfangsstadium der Platte erhält. Die Vermuthung, es möchte im weiteren Verlauf noch ein Verschluss zum Rohr nachträglich überall zu Stande kommen, hat wenig für sich, da die ältesten dieser missgebildeten Embryonen ja schon weit im Inneren differenzirt sind, auch spricht der Umstand da- gegen, dass die Hirnplatte stellenweise anstatt eingekrümmt zu sein, nach aussen hervorgewulstet ist und ringsum durch einen nur vom Hornblatt gebildeten, besonders reich pigmentirten Saum (s) eingefasst wird (Taf. XXI, Fig. 10, 12, 15; Taf. XXL, Fig. 8 hp u. s). Setzen wir den wahrscheinlichen Fall, dass die Hemmung von Dauer sein wird, so können wir uns vom normalen Entwick- lungsverlauf ausgehend ein ungefähres Bild von dem Zustand machen, den bei weiterer Entwicklung schliesslich der Kopf zeigen würde. Aus dem Gallertgewebe (g) nach vom und zur Seite der Chorda würde sich die Schädelbasis im knorpligen Zu- stand entwickeln und später theilweise in Knochen umgewandelt werden. In der Umgebung des Hörbläschens würde sich das Felsenbein, vielleicht auch in der Umgebung des Augenbechers zum Theil eine knöcherne Orbita anlegen. In der Umgebung der Nasen- und Mundöffnung würden Gesichtsknochen entstehen. Dagegen würde, da Mittel, Klein- und Hinterhirn keine Decke Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 325 und auch keine häutige Umhüllung weder vom Homblatt noch vom Mesenchym erhalten haben, der grösste Theil des Schädeldaches fehlen. Stirn und Scheitelbein, Schläfen- und Hinterhauptsbein würden sich, da die ihnen entsprechende Region des Kopfes überhaupt fehlt, nicht anlegen können. Der freiliegende Hirntheil, der schon bei den fünf- und sechstägigen Embryonen Schädigungen seines Zellmaterials zeigt, würde sich vielleicht in pathologischer Weise weiter entwickeln und nur hie und da Ganglienzellen und Nervenfasern bilden. Mit einem Wort, es müsste im weiteren Verlauf eine Missbildung entstehen, welehe man in der menschlichen Te- ratologie als Anencephalie und Hemicranie be- zieiichhn ei. Virchow (18) hat in seinen Untersuchungen über die Ent- wicklung des Schädelgrundes einen Längsdurehscehnitt durch den Schädel eines menschlichen Anencephalen abgebildet und an der Schädelbasis eine Eigenthümlichkeit hervorgehoben, die er auch am Cretinenschädel beobachtet und als Kyphose bezeichnet hat. Die Kyphose besteht darin, dass der vordere Theil der Schädel- basis (Sieb- und Keilbein) einen rechten Winkel mit der Basis des Hinterhauptbeins bildet. „Die Schädelgrundfläche erscheine in der Mitte wie zerbrochen, indem der vordere Theil beinahe horizontal, der hintere perpendieulär sei.“ Auch in diesem Punkt scheinen die von mir künstlich erzeugten Frosch-Anencephalen eine Uebereinstimmung darzubieten. Denn überall zeigt uns der Längsdurehschnitt (Taf. XXI, Fig. 2, 5—10) mit grosser Con- stanz, wie vordere und hintere Hälfteder Hirnplatte einen rechten Winkel mit einander bilden, was im weiteren Verlauf doch auch eine „Kyphose der Schädelbasis* zur Folge haben müsste. Beim Menschen und bei den Säugethieren hat man Miss- bildungen mit Anencephalie nur auf einem schon sehr weit vor- gerückten Stadium beobachtet. In Folge dessen ist man hier bei der Frage nach ihrer Entstehung auf Hypothesen angewiesen, und diese sind, wie uns ein Einblick in die Literatur lehrt, sehr verschieden ausgefallen. Die gewöhnliche Annahme, welche sich auch in Virchow ’s Abhandlung findet, geht dahin, dass sich bei den Embryonen zwar Hirnblasen entwickelt hätten, aber in Folge von Wasseransammlung (Hydrocephalie) in den ersten Monaten 326 Oscar Hertwig: der Entwicklung stark ausgedehnt worden und dann geplatzt seien. Da für die Säugethiere und den Menschen nicht so bald zu hoffen sein wird, dass sich die Entstehung der Anencephalie an sehr jungen Embryonen werde beobachten lassen, ist es wohl zur Zeit gerechtfertigt, wenn wir in dieser Frage unser Urtheil nach solchen Fällen richten, in denen es wirklich wie bei den Frosch- embryonen gelungen ist, die Missbildung künstlich mit Sicherheit bei jedem Ei hervorzurufen und in ihrer Entwicklung von Anfang an genau zu verfolgen. Beim Frosch aber ist die Anen- cephalieunddiemitihrzusammenhängende Hemi- eranie eine ganzausgesprocheneHemmungsmiss- bildung, hervorgerufen durch einen chemischen Reiz, der früh schädigend und störend indienor- maleEntwicklung eingegriffen und den Verschluss der Hirnplatte zum Rohr verhindert hat. Es liegt nahe, ähnliche Vorgänge auch für die Entstehung menschlicher Anencephalen anzunehmen. Was hier freilich das die Hemmung veranlassende Moment ist, entzieht sich unserer Beurtheilung; doch könnte wohl auch daran gedacht werden, dass von der Uterus- wand unter besonderen Verhältnissen schädigende Substanzen aus- geschieden würden und in die Entwieklung des Eies störend eingriffen. 2. Die äusseren und die inneren Ursachen des Entwieklungs- processes in ihrem gegenseitigen Verhältniss. Meine Untersuchungen könnte ich hiermit abschliessen, wenn nicht das Verhältniss, wie äussere Eingriffe den Ent- wieklungsgang eines Organismus beeinflussen, den Gegenstand einer Controverse ausmachte, welche Weismann mit Herbert Spencer und mir führt. Weismann’s Ansichten finden sich niedergelegt in der kleinen Sehrift: die Allmacht der Naturzüchtung (21) und in seinem erst kürzlich erschienenen interessanten Vortrag: „Aeussere Einflüsse als Entwieklungsreize* (20). In diesem will Weismann zeigen, dass manche Forscher „äussere Einflüsse für Umwandlungen verantwortlich machen, an denen sie keinen Antheil haben können“. Er exemplifieirt seine Anschauungen unter anderem an den staatenbildenden Bienen, Ameisen und Termiten, welche Spencer (17) und ich (8) eben- Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 327 falls besprochen und als Beweis dafür aufgeführt haben, dass aus einem Ei verschiedenartige Endformen durch die directe Bewirkung verschiedenartiger, äusserer Einflüsse, insbesondere der verschiedenen Ernährungsweise der Larven, entstehen. Weismann bestreitet dies. Nach ihm beruht von allen Veränderungen, welche das Ei der socialen Inseeten während der Entwicklung durch- macht, um zu einer Königin oder einer besonderen Form der arbeitefden Kaste zu werden, Niehts in seinem eigent- lichen Grund auf direeter Wirkung der minder- werthigen Nahrung, nicht einmal, fügt er hinzu, „die häufig so auffallende Kleinheit der Ameisen-Arbeiterinnen“! „Die minderwerthige Nahrung sei nicht die Causa efficiens, sondern nur der auslösende Reiz, der nicht nur die Bildung rudimentärer Eierstöcke hervorrufe, sondern zugleich alle übrigen unterschei- denden Charactere der Arbeiterinnen. Wer die minderwerthige Nahrung für die wirkliche Ursache halte, der begehe seines Er- achtens einen doppelten Irrthum, indem er einmal den auslösenden Reiz mit der wirklichen Ursache verwechsele und zweitens das Rudimentärwerden eines Organs mit dessen bloss unvollständiger Entfaltung. Die Eierstöcke der Arbeiterinnen bezeichnet aber Weismann als wirklich rudimentäre Organe und er sucht durch Versuche, die er bei Dipteren angestellt hat, zu er- weisen, dass schlechte Ernährung kein Rudimentärwerden eines Organs zur Folge haben könne. Das Rudimentärwerden oder „der Ausfall eines typischen Organes“, heisst es an anderer Stelle, „ist kein ontogenetischer Process, sondern ein phylogenetischer, er beruht nie und in keinem Falle auf den blossen Ernährungsein- flüssen, welche die Entwicklung eines einzelnen Individuums treffen.“ Im Gegensatz zu Spencer und mir sucht Weismann den wirklichen Gründ dafür, dass das Ei der socialen Inseeten bald diese bald jene Endform liefert, im Ei selbst. Fussend auf der von mir schon früher bekämpften Determinantenlehre (8) stellt er sich das Ei nicht als einen einzigen Keim für den Auf- bau eines Individuums vor, sondern denkt sich, dass es eine grössere Zahl secundärer Einheiten enthält (die Ide), deren jede alle die Anlagen in sich birgt, welehe zum Aufbau eines Indivi- duums gehören. Im gegebenen Falle also würde das Bienenei gleichzeitig eine Königin-Ide, eine Drohnen-Ide und eine Arbeiter- 328 Scart HeriwrrT: Ide enthalten und im Ameisenei würde die Arbeiter-Ide wieder in 2 unabhängigen Formen vorkommen, als Arbeiter-Ide im engeren Sinne und als Soldaten-Ide. Ob diese oder jene der verschiedenen, eventuell sehr zahlreichen Iden des Eies zur Entwicklung kommt, hängt von den äusseren Ursachen ab, welche hierbei eben nur die Rolle eines auslösenden Reizes spielen. In welcher Weise ist denn aber das Ei mit seinen Iden ausgestattet worden? Hierfür macht Weismann einzig und allein die allmächtige Naturzüchtung verantwortlich, welcher Amphimixis und Reductionstheilung helfend zur Seite stehen. Zum Schluss fasst Weismann seine Auseinandersetzungen noch so zusammen: „In allen diesen Fällen ist die äussere Einwirkung niemals die wirkliche Ursache der Verschiedenheit, sondern sie spielt nur die Rolle des Reizes, der darüber entscheidet, welche der vor- handenen Anlagen zur Entwicklung gelangen soll. Die wirkliche Ursache aber liegt immer in vorgebildeten Veränderungen der Anlagen des Körpers selbst, und diese — da sie stets zweckmäs- sige sind — können in ihrer Entstehung nur auf Seleetionspro- cesse bezogen werden. Auch wenn der Schein dafür spricht, dass direete Wirkung äusserer Einflüsse eine solche zweekmäs- sige Abänderung hervorrufe — genaue Untersuchung ergibt, dass es ein falscher Schein war, und dass in Wahrheit der äussere Einfluss doch nur als Reiz auf die Anlage einer vorgebildeten Anpassung wirkte. Dies hat sich in besonders schlagender Weise bei der Sterilität der Arbeiterinnen von Bienen und Ameisen gezeigt; sie ist nicht die direete Folge schlechterer Ernährung, sondern die Folge einer durch Seleetion hervorgerufenen Anlage eines rudimentären Ovariums, welches in demselben Ei neben der Anlage eines vollständigen Ovariums vorhanden ist, und welche zur Entwicklung kommt, wenn die junge Larve schlechter ernährt wird: minderwerthige Ernährung wirkt für sie als auslösender Reiz." Von dem hier zkizzirten Standpunkt aus erblickt Weis- mann in den gegentheiligen Argumenten, welche Spencer und ich den staatenbildenden Inseeten entnommen haben, nur „einen wenig überlegten Einwand“, der ihm „mehr auf oberflächliche Leser berechnet zu sein scheint, die sich nicht die Mühe nehmen, eine ihnen unbequeme Theorie durchzudenken“. Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 329 So muss ieh denn wohl auf die strittige Frage noch einmal zurückkommen und versuchen, ob ich zu ihrer Klärung noch Einiges beitragen kann. Dafür scheinen mir die durch Kochsalz- wirkung bei den Froscheiern hervorgerufenen Erscheinungen und (die als ihnen verwandt bezeichneten Fälle, die auf Seite 310—312 zusammengestellt sind, nicht ungeeignet zu sein. Ehe ich aber auf die allgemeinere Bedeutung derselben selbst eingehe, müssen wir uns zuerst über einige Begriffe ver- ständigen. Das Endprodukt eines jeden organischen Entwicklungs- processes kommt zu Stande durch das ununterbrochene, untrenn- bare Zusammenwirken von zwei Kategorien von Ursachen, die man als innere und als äussere unterscheiden kann. Die inneren Ursachen enthält das Ei; es stellt die Anlage des Entwicklungs- processes dar, die sich in der Folge im Endprodukt verwirklichen soll. Diese Verwirklichung aber kann in keiner anderen Weise geschehen, als unter der Mitwirkung von äusseren Ursachen, da das Ei aus seiner Umgebung nicht herausgenommen und als etwas vollständig für sich werdendes gedacht werden kann; Stoff und Kraft gehen vıelmehr in das Ei während seiner Entwicklungbeständigeinundaus. Indem die Aussen- welt in ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit jeder Zeit auf das Ei einwirkt, liefert sie wie die Anlage die inneren, so die äusseren Ursachen, die Bedingungen oder den äusseren Grund des Entwick- lungsprocesses. Innere und äussere Ursachen oder innerer und äusserer Grund machen das Wesen der Entwicklung aus, welche einseitig überhaupt nicht stattfinden kann. Die Entwicklung eines Organismus beruht daher, rein philosophisch betrachtet, niemals auf Selbstdifferenzirung, die überhaupt nicht möglich ist, sondern ist unter allen Umständen abhängige Differenzirung. Im Folgenden wird es somit im Wesentlichen meine Aufgabe sein, den Antheil, welchen innere und äussere Ursachen beim Entwick- lungsprocess haben, oder dieWechselwirkung, in welcher die Anlagen und die Bedingungen zu einander stehen, noch etwas genauer zu analysiren. Beginnen wir mit zwei sehr einfachen Beispielen: Wir lassen 4 befruchtete Eier von Rana fusca sich gleich- zeitig bei 4 verschiedenen Temperaturen entwickeln, das eine bei —1 Grad C., das zweite bei +5 Grad; das dritte bei +15 Grad und das vierte bei +25 Grad. Vergleichen wir am dritten 330 Oscar Hertwig: Tage die 4 Eier, so ist das erste noch ungetheilt, das zweite hat sich wahrscheinlich bis zur Keimblase entwickelt, das dritte zeigt schon die Medullarwülste deutlich hervortretend, das vierte ist schon ein Embryo, an welchem die Axenorgane, Medullarrohr, Chorda, Ursegmente gebildet sind und das Kopfende sich vom Rumpftheil absetzt. Somit sind aus den 4 befruchteten und gleichzeitig während dreier Tage in Entwicklung begriffenen Eiern 4 ganz verschiedene Entwicklungsprodukte hervorgegangen, die allerdings für den Kenner der Froschentwicklung zu einander in einem Ab- hängigkeitsverhältniss stehen als Stufen eines Entwicklungsprocesses, die der Reihe nach durchlaufen werden müssen und nur bei unserem Experiment in Folge der ungleichen Erwärmung mit ungleicher Geschwindigkeit von den einzelnen Eiern durchlaufen worden sind. In welchem Factor ist nun die eigentliche Ursache (Causa efficiens) dafür zu suchen, dass aus den 4 Froscheiern in jedem einzelnen Fall etwas Anderes geworden ist. Wie ich die Sache dargestellt habe, wird Niemand um die Antwort verlegen sein und die Ant- wort wird ohne Zaudern lauten, dass die ungleiche Wärmezu- fuhr die Causa effieiens ist, welche für die uggleiche Entwicklung der vier Froscheier verantwortlich zu machen ist und sie erklärt. Als zweites Beispiel nehmen wir 2 befruchtete Froscheier und 2 frisch abgelegte Hühnereier und setzen von jeder Art eines einer Temperatur von 15 C. und je eines einer Temperatur von 38C. aus. Wenn wir jetzt nach 3 Tagen zusehen, so hat bei der ersten Versuchsbedingung das Froschei sich bis zu dem Hervor- treten der Medullarwülste entwickelt, das Hühnerei ist unverändert geblieben, im zweiten Fall dagegen hat sich das Hühnerei schon zu einem kleinen Embryo mit pulsirendem Herz umgewandelt, während das Froschei zwar in Zellen zerlegt, aber abgestorben ist und Zerfallserscheinungen zeigt. Suchen wir auch bei diesem Experi- ment die Ursache dafür zu ergründen, dass die unter den- selben Bedingungen befindlichen Eier sich so ungleieh ent- wickelt haben, dass das Froschei einen Embryo liefert, wo das Hühnerei unentwickelt bleibt und umgekehrt, so wird auch jetzt Niemand mit der Erklärung zaudern: Die eigentliche Ursache ist in der verschiedenen Organisation oder Anlage der beiden Eier zu suchen. Aus den für die 2 Beispiele gegebenen, verschiedenartigen Erklärungen lässt sich leicht ein Widerspruch, wenigstens dem Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 331 Anschein nach, herausconstruiren. Man könnte uns vorhalten, dass wir dafür, dass das befruchtete, in einer Temperatur von 15 C. befindliche Froschei sich in 3 Tagen zu einem Embryo mit Medullarwülsten entwickelt hat, einmal die Erwärmung auf 15 C., das andere Mal dagegen die Organisation der Eizelle als die „Causa effieiens“ angegeben hätten, das einemal also einen äusseren, das andere Mal einen inneren Grund; man könnte uns weiterhin fragen, welche von den beiden Ursachen nun in Wahrheit die wirkliche Ursache sei? Ein ähnliches Verfahren hat Weismann in seiner Schrift „Aeussere Einflüsse als Entwicklungsreize“ eingeschlagen, indem er das von Spencer, Emery, Grassi, mir und vielen anderen ausgesprochene Urtheil, dass für die ungleiche Ausbildung der Bienen-, Ameisen- und Termiteneier zu Königinnen, Arbeiterinnen, Soldaten ete. die verschiedenartige Ernährung und Brutpflege die Ursache sei, als ein oberflächliches darzustellen sucht. Entspre- chend der Art, wie ich oben das Verhalten des Frosch- und des Hühnereies der Wärme gegenüber verglichen habe, so vergleicht Weismann das Verhalten der Bieneneier mit dem Verhalten der Fliegeneier bei schlechter und bei guter Ernährung und er kommt so zu dem Ergebniss: „Bei der Biene entsteht durch minderwerthige Ernährung eine starke Verkümmerung der Ovarien und verschie- dener Nebenorgane der Fortpflanzung, bei den Fliegen bildet sich der gesammte Fortpflanzungsapparat gerade so vollständig aus bei schwacher Ernährung der Larven als bei vollwerthiger. Nicht einmal eine Verzögerung der Eireife tritt ein, wie daraus hervor- geht, dass die erste Eiablage der Zeit nach genau zusammenfiel mit derjenigen von Fliegen aus normal gefütterten Larven.“ „Man wird nun darauf antworten“, fährt Weismann fort, „Fliegen und Bienen seien eben zwei verschiedenartige Organis- men, welche deshalb auch verschieden auf äussere Einflüsse rea- girten. Dies ist sehr riehtig, ist aber gerade das Zugeständniss, welches ich verlange; meine Versuche mit den Fliegen sollten nichts weiter beweisen als diesen Satz, dass nicht jedes Inseet, auch wenn es sonst mancherlei Aehnlichkeiten mit der Biene hat, auf minderwerthige Ernährung so reagirt, wie die Biene, dass somit diese Reaetionsweise eineEigenthümlich- keit der Biene ist.“ „Deshalb ist die Annahme, dass blosse Erhöhung der Empfindliehkeit für schwache Ermährung die Ursache 332 Öscar Hertwig: sei, dass bei den Arbeiterinnen ein Ovarium mit wenigen oder gar keinen Eiröhren gebildet wird, nicht ausreichend.“ Auf Grund soleher Schlussfolgerungen wirft Weismann Spencer und mir vor, dass wir die wirklichen Ursachen, die im Ei selbst liegen, übersehen und die äusseren Ursachen mit ihnen verwechselt hätten. Der so erhobene Vorwurf trifft nieht zu. Die Sachlage ist genau die gleiche, wie in den oben aufgestellten zwei Beispielen. Zwei Disputanten können sich, je nach der Art und Weise, wie sie den Vergleich einrichten und die Frage formuliren, bald den äusseren, bald den inneren Grund als den eigentlichen Grund des Geschehens entgegen halten, hier die Wärme oder die Ernährungs- einflüsse, dort die Organisation der Eizellen. Der hierin liegende Widerspruch ist eben nur ein scheinbarer und leicht zu lösender. Da jeder Entwicklungsprocess seinem Wesen nach, wie oben schon ausgeführt wurde, auf inneren und äusseren Ursachen beruht, so hat jede Veränderung, die an einer Anlage eintritt, stets in beiden ihren Grund und ist aus beiden zu erklären. Bei einerallgemeinen und erschöpfen- den Untersuchung eines Entwicklungsprocesses ist es daher ebenso falsch, wenn ich denGrundin das Ei,.als wenn ich,ihn ausserhalb desselben verlegen wollte, da der ganze oder volle Grund stetsin beiden ruht. Anders liegt die Sache, wenn ich im conereten, der Beur- theilung vorliegenden Fall den einen oder anderen Grund als eine für die Urtheilsbildung nicht erforderliche Grösse bei Seite setzen kann. Die inneren Ursachen kommen nicht in Betracht, wenn ich den Grund für die Verschiedenheiten der bei ungleichen Tem- peraturen ungleich entwickelten Froscheier wissen will; denn ich mache hier mit Recht die auf anderen Erfahrungen beruhende Voraussetzung, dass die zum Versuch benutzten Froscheier ein gleichartiges Material mit durchaus gleichen Anfangs-Eigenschaften ausmachen und dass sie sich daher bei gleicher Temperatur auch gleich entwickelt haben würden. Folglich können die später zur Erscheinung kommenden Verschiedenheiten nur durch die ungleiche Erwärmung in die Eier hineingetragen sein. Und umgekehrt kann ich in dem Experiment, in welchem Frosch- und Hühnereier bei gleicher Temperatur gezüchtet wurden, Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 333 bei den sich zeigenden Verschiedenheiten den äusseren Grund un- berücksichtigt lassen, weil die Versuchsbedingungen genau die gleichen sind; der Erklärungsgrund ist dann allein im Ei zu suchen. In dieser Weise haben wir auch in dem Fall der socialen Insecten (Bienen, Termiten, Ameisen) unser Urtheil mit Recht ge- bildet, und Weismann ist im Unrechte mit seiner Behauptung, dass wir dabei „den auslösenden Reiz mit den wirklichen Ursachen verwechselt“ und ein „für oberflächliche Leser berechnetes“ Urtheil abgegeben hätten. Die Verschiedenheit unserer Auffassung liegt ganz anderswo. Da weder Weismann die äusseren Ursachen, die er als auslösende Reize bezeichnet, in Abrede stellen kann, noch viel weniger wir jemals die Bedeutung der inneren Ursachen ange- zweifelt, vielmehr nur als selbstverständlich bei den zu erklärenden Erscheinungen vorausgesetzt haben, so kann der Angelpunkt der uns beschäftigenden Streitfrage füglich nur darin gesucht werden, dass wir über die Art, wie äussere und innere Ur- sachen beim Entwicklungsprocesszusammen wir- ken und das Endprodukt bilden, verschieden denken, und da stehe ich denn wieder bei der Zeit- und Streitfrage, welche den Gegenstand meiner erst kürzlich erschienenen Schrift: „Präformation oder Epigenese. Grundzüge einer Entwicklungstheorie der Organismen“ ausgemacht hat. Weismann’s Gedanken bewegen sich im Bannkreise der Evolutionstheorie, während ich auf dem Boden der Epigenesislehre mich befinde. Weismann kann sich die Entstehung eines Geschöpfes aus einem Ei nicht anders vorstellen, als das er in letzterem bereits einen vollständigen Entwicklungsplan, eine Ausführung des Ge- schöpfes en miniature voraussetzt. In Consequenz dieses Gedankens zögert er nicht, in den Fällen, wo aus demselben Ei je nach den äusseren Bedingungen 1, 2 oder mehr Endprodukte verwirk- lieht werden können, entsprechend viele Entwicklungspläne, seine Ide, neben einander im Keim anzunehmen. In diesen Fällen erscheint ihm das Ei nicht mehr als ein einziger Keim für denAufbau eines Individuums, sondern Jenach den Endformen, die im Entwicklungsver- lauf realisirt werden können, als ein doppelter, ein drei- und ein vielfacher Keim. So schlummern im Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 22 334 Öscar Hertwig! Bienenei neben einander der Keim zur Arbeiterin, der Keim zur Königin und der Keim zur Drohne, alle gesondert für sich. So gestaltet sich für Weismann das Ei zu einem Complex von mehreren, von einander unabhängigen Mechanismen oder um mich eines Bildes zu bedienen, es ist gebaut nach Analogie einer für mehrere Melodien eingerichteten Spieldose, bei welcher je nach ihrer Construction für jede Melodie eine besondere mit Stiften ver- sehene Walze oder eine Scheibe mit Einschnitten erforderlich ist. Dem, was Weismann in der Eientwicklung als auslösenden Reiz bezeichnet, würde bei der Spieldose die Einstellung der Walze oder Scheibe, die einem Id vergleichbar wäre, entsprechen. Meine Vorstellung von dem Bau und den Eigenschaften der Eizelle ist eine andere. Zwar erblicke ich in ihr auch einen ausserordentlich zusammengesetzten Mechanismus; aber dieser ist kein vielfacher, sondern ein einheitlicher und vor allen Dingen ein Mechanismus, der allen menschlichen Werken in dem Punkte unendlieh überlegen ist, dass er sich aus kleinsten Theilchen aufbaut, die sich in grösserer Mannigfaltigkeit frei combiniren und in verschiedene Ordnungen überführen lassen, da sie nicht wie die Stiftehen in einer Spieldose durch einen festen Zwang gebunden sind. Ein derartiger Mechanismus würde dem aus Iden zusammen- gesetzten Mechanismus, wenn ich das oben begonnene Bild noch weiter ausführe, überlegen sein in eben dem Maasse, wie eine Spieldose durch den menschlichen Kehlkopf mit dem zugehörigen Nerven- und Muskelapparat übertroffen wird. Auch der Kehlkopf kann die verschiedenen Töne, wie sie die Spieldose hervorbringt, erzeugen, zugleich aber auch stets in einer zweckentsprechenden Weise combiniren, was die Spieldose nieht kann, in welcher die den Ton erzeugenden Stiftchen für jedes Lied von Anfang an in fester Anordnung gegeben sein müssen. Dadurch unterscheidet sich gerade der lebendige oder organische vom todten oder künst- lichen Mechanismus. Da das Ei ferner niehts anderesalseine Zelle ist, sokann es nach meiner Meinung auchnur den MechanismuseinerZellebesitzen, undmitdiesem kann der Mechanismus des aus demEi entwickel- ten Organismus nicht direet verglichen werden, weil er eine neue, höhere Anordnungist, ein zu- Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 335 sammengesetztes System, in welchem der Mecha- nismus der Zelle nur als Baustein enthalten ist. Beide können in der Anordnung ihrer Theile keinen direeten Bezug aufeinander der Art haben, dass im Ei besondere Molecül- gruppen die Anlagen für später entstehende Körpertheile abgeben werden. Sehen wir jetzt, wie zu diesen entgegengesetzten theoreti- schen Anschauungen vom Wesen der Eizelle sich die in dieser Un- tersuchung angestellten und andere, verwandte Experimente stellen. Die in 0,6procentiger Kochsalzlösung gezüchteten Eier haben gezeigt, dass schon von früh an die einzelnen Entwicklungsprocesse in einer Weise verlaufen, die von der Norm ganz erheblich ab- weicht, und dass für die Kochsalzwirkung ganz characteristische Embryonen zu Stande kommen, Anencephalen mit weit offen erhaltenem Urmundete. Dabei ist die Entwicklung eine ganz gesetzmässige, da sie im einem Ei fast genau so wie im anderen abläuft. Gewiss wird hier Niemand die Annahme machen wollen, dass im Ei neben dem normalen Id auch die Anlage für einen Anencephalen vorgesehen sei, welche nun durch das Kochsalz ausgelöst werde. Es bleibt wohl keine an- dere Erklärung übrig, als dass eine normale An- lage dureh direete Bewirkung des Kochsalzes zu abweichenden Gestaltungsprocessen gezwungen worden ist, indem in den Zellen durch das Kochsalz geringe chemisch-physicalische Veränderungen hervorgerufen sind. Ge- ringfügige Abweichungen von der Norm, die Anfangs für uns überhaupt nieht wahrnehmbar sind, haben sich im Laufe der Ent- wicklung zu immer grösseren Störungen summirt. Auch Weismann kommt in einem Zusatz zu seinem Vortrag auf diemenschlichen Missbildungen zu sprechen, denen das Gehirn ganz oder theilweise fehlt ete., und sucht sie, getreu seinem allgemeinen Prineip, dadurch zu erklären, dass sie „ent- weder auf Vererbung abnormer Keimesanlagen oder auf primären pathologischen Keimesvariationen unbekannter Herkunft und Ur- sache beruhen“. Für die Froscheier trifft dies nieht zu, da jedes Ei nach unserer Willkür in die betreffende Missbildung verwandelt werden kann. Und so will mir auch scheinen, dass Jedes menschliche Ei in sich die Möglichkeit trägt, zu einem Anencephalen oder eineranderen 336 Oscar Hertwig: Missbildung zu werden, nieht in Folge abnormer Keimesanlagen, sondern dann, wenn esin die be- sonderen Bedingungen versetzt wird, unter wel- chen ein an und für sich normaler Keim sich in dieser oder jener Riehtung monströs entwickeln muss. Ganz passend hat man in der Teratologie die meisten Missbildungen Hemmungsmissbildungen genannt, durch welchen Namen ja schon angedeutet wird, dass das Abnorme durch irgend ein im Entwicklungsverlauf eintretendes, zufälliges Ereigniss (ein Accidens), zum Beispiel durch frühzeitig oder zeitweilig eintretende Ernährungsstörungen, veranlasst worden ist. In derselben Weise sind die oben angeführten Experimente von Knop, von Herbst, von Wegner ete. zu erklären. Die Blüthenstände der in Nährlösung gezüchteten Maispflanzen, die Lithionlarven von Sphaerechinus, die in ihrem Gewebe veränder- ten Knochen sind morphologische Neubildungen, hervorgerufen durch die Einwirkung besonderer chemischer Körper auf den in Entwicklung begriffenen Organismus oder einen seiner Theile. Unterschwefelsauere Talkerde, das Lithionsalz, Phosphor und Arsen haben direet morphologische Processe, hier beim jungen Mais- pflänzchen, dort beim befruchteten Ei von Sphaerechinus, dort beim wachsenden Knochen abgeändert, nicht indireet wie Weis- mann meint; sie sind etwas mehr als auslösende Reize für eine im Organismus schon durch Naturzüchtung gebildete Anlage. Denn die Lithionwirkung wird die Natur ebenso wenig vorgesehen haben, wie die Verabreichung kleiner Phosphor- und Arsendosen zur Beeinflussung der Knochenentwicklung. So kann ich mich denn auch nicht dem Standpunkt an- schliessen, welchen Weismann den Versuchen von Schmanke- witsch gegenüber einnimmt, indem er den Salzgehalt des Wassers, welcher zur Entstehung der 3 Krusterformen : Artemia salina, Artemia Mühlhauseni und Branchipus Schaeff. Veranlassung gibt, anstatt ihn als die direete Ursache der Abänderung gelten zu lassen, nur als den auslösenden Reiz bezeichnet, der eine durch Selection entstandene Anlage zur Entfaltung anregt. Es liegt doch eine sehr gekünstelte Erklärung in den Worten Weis- mann’s: „Es wäre also hier, ähnlich wie bei den Bienen und Ameisen, eine doppelte oder sogar vielleicht mehrfache Anpassung des Körpers an verschiedenen Salzgehalt in Folge langsamer Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 357 periodischer Schwankungen desselben eingetreten; gewisse Deter- minanten hätten sieh in dem einen Id hohem Salzgehalt ange- passt, in dem zweiten niederem, in einem dritten vielleicht mitt- lerem Salzgehalt, und zugleich mit diesem Polymorphismus hätte sich eine besondere Reizempfindlichkeit dieser Anlagen für ver- schiedenen Salzgehalt des Mediums ausgebildet, so dass immer die richtige Anlage vom Salzgehalt selbst ausgelöst wird.“ Es ist bei dieser Erklärung!) nieht gut einzusehen, warum die vom Salzgehalt gleichmässig betrof- fenen Ide eines Eies sieh ihm auch nicht in glei- cher Weise angepasst haben sollten, gemäss dem Satz: gleiche Ursache, gleiche Wirkung. Ich schliesse meine Erörterungen mit einem besonders lehr- reichen Beispiel: 1) Weismann vermeidet die von mir vorgezogene und gewiss näher liegende Erklärung darum, weil er der Ansicht ist: „Dass zweckmässige Einrichtungen überhaupt nur durch Selection auf Grundlage der individuellen Variation neu geschaffen werden können“. Mir dagegen scheint directe Bewirkung verbunden mit dem Gesetz der correlativen Entwicklung ebenso gut Zwecekmässiges schaffen zu können, vergrösserte Skelettheile, z. B. die auch mit einer entspre- chend stärkeren, zu ihrer Bewegung nothwendigen Muskulatur — also init einer zweckmässig beschaffenen Muskulatur — versehen sind; stärker entwickelte Kiemen bei der in einem Salzwasser von höherer Coneentration lebenden Artemia, stärkere Ausbildung der rechten Niere, wenn die linke operativ entfernt worden ist. Bei einem Knochenbruch nehmen im Callus, wie J. Wolff (22) gezeigt hat, die Spongiosabälkchen auch wieder eine dem Zug und Druck entsprechende Anordnungsweise an, ohne dass für diese Zweckmässigkeit schon vom Keim aus hätte gesorgt werden können. Vielmehr gilt hier, was Pflüger in seiner Schrift: „die teleologische Mechanik der lebendigen Natur“ auseinander- gesetzt hat. Dass von intelligenten Thieren Werkzeuge in einer ihrer Ver- wendbarkeit entsprechenden Weise benutzt werden, wird uns weniger in Erstaunen setzen können, als wenn das Umgekehrte der Fall wäre. Demnach bedarf es auch nicht der Zuhülfenahme der Selection um zu erklären, dass Soldatenameisen die kräftiger entwickelten Kiefer als Waffen oder sogar ihren unförmlich entwickelten Kopf benutzen, um die vielen kleinen Eingangspforten zum Nest zu verschliessen. Auch wir erlernen das Rechnen und so viele andern Künste immer wieder von Neuem durch Uebung befördert durch Tradition von einer Gene- ration zur andern und es braucht zur Erklärung dieser Erscheinungen nicht die natürliche Zuchtwahl zur Hülfe herbeigerufen zu werden. 338 Oscar Hertwig: Zuweilen kommt es in den verschiedensten Thierelassen vor, ‚dass aus einem einfachen Ei eine Doppelmissbildung entsteht, eine Bildung mit zwei getrennten Köpfen und vorderen Rumpf- stücken, die sich nach hinten zu einem gemeinsamen Körper ver- einigen (Duplieitas anterior). Evolutionisten müssen nach ihrem Prineip die Doppelbildung in der Weise erklären, dass sie, wie dies schon oft versucht worden ist, eine abnorme Keimesbeschaffen- heit, eine im befruchteten Ei schon vorhandene doppelte Anlage, einen zwiefachen Kräfteplan annehmen. Nach Weismann müssten im Ei 2 Ide vorhanden sein, die sich gleichzeitig ent- wickeln. In vielen Fällen von Doppelbildung sind wir nun in der Lage den sicheren Nachweis zu führen, dass die Annahme einer Vorbildung der Doppelbildung im Keim eine unhaltbare ist. Durch verschiedenartige Eingriffe können wir aus ganz normalen Eiern willkürlich Doppelbildungen erzeugen. Aus Eiern von Seeigeln und von Amphioxus zum Beispiel entstehen sie, wenn durch Schütteln zweigetheilter Eier der Zusammenhang zwischen den beiden ersten Furchungszellen gelockert und theil- weise aufgehoben ist. Es hat dies zur Folge, dass beide Hälften sich nicht mehr gemeinsam zu einem Organismus entwickeln, sondern jede für sich einen solchen liefert. Jede Hälfte bildet eine Blastula, eine Gastrula ete. Beide Hälften eines Eies können auch noch in verschiedenem Grad zusammenhängen, wenn sie in der Eihülle eingeschlossen geblieben und nicht vollständig durch das Schütteln getrennt waren. Man vergleiche hierzu die in den Arbeiten von Driesch (1) und Wilson (24) enthaltenen, hierauf bezüglichen Abbildungen. Noch in anderer Weise kann man den normalen Zusammen- hang zwischen den beiden ersten Furchungskugeln stören und sie dadurch zu selbstständiger Embryonalentwicklung anregen, wie die schönen Untersuchungen von Oscar Schultze (16) gelehrt haben. Derselbe hat das von mir zuerst ausgeführte Experiment wiederholt, Froscheier zwischen zwei parallele Objeetträger zu comprimiren und nachdem sie so in Zwangslage versetzt sind, umzukehren der Art, dass jetzt der vegetative Pol nach oben gekehrt ist. Ich wollte seiner Zeit auf diese Weise die von Pflüger angeregte Frage weiter prüfen, ob ein Froschei sich in umgekehrter Lage weiter entwickeln kann. Ich fand, dass eben Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 339 befruchtete Eier sich auch bei ziemlich starker Compression doch immer wieder nach einiger Zeit umkehren, dass dagegen die Eier sich in abnormer Lage leichter erhalten lassen, wenn die Umkeh- rung erst nach Ablauf der ersten oder zweiten Theilung vorge- nommen wird. Aus solchen Eiern liessen sich abnorm gestaltete, vor allen Dingen stark asymmetrische Embryonen ziehen, woraus ich den Schluss zog, dass die Schwerkraft auch auf die Formbildung der Embryonen in gewissem Maasse einen Einfluss ausübt. Während ich, um die Umkehr der umgedrehten Eier zu verhüten, die Wendung der Objeetträger möglichst lange hinaus- schob bis zum Beginn oder zur Vollendung der zweiten Theilung, wurde Schultze bei diesen Versuchen auf eine ausserordentlich interessante und wichtige Entdeckung geführt, indem er gerade die Umkehr im Moment der Zweitheilung vornahm. „Es gelingt“, berichtet Schultze, „bei Anwendung der richtigen Methode mit erstaunlicher Regelmässigkeit durch eine einfache Drehung des in Zwangslage versetzten Eies um 180° statt eines Embryo eine Doppelbildung zu züchten. Dies wird nur erreicht, wenn man die Drehung dann ausführt, sobald das Zweizellenstadium einge- treten, die erste Furche also ausgebildet ist.“ Schultze hat durch diese eigenartige Methode das erreicht, was ich (7) durch Umsehnürung der zweigetheilten Eier in der Richtung der Furchungsebene vermittelst eines Fadens vergebens bei Triton herbeizuführen suchte und was Driesch (1) undWilson (24) bei Eiern vom Seeigel und vom Amphioxus durch ihre Schüttel- versuche bewirkt haben, nämlich eine Aufhebung des normalen Zusammenhangs der beiden ersten Furchungszellen. In Folge der Umkehr hat, wie ich mir das Schultze’sche Experiment erkläre, jede der beiden Halbkugeln sich unabhängig von der andern theilweise gedreht, indem die leichteren und schwere- ren Substanzen wieder in eine ihrer Schwere mehr ent- sprechenden Lage zu kommen suchten. Jede Hälfte, aus ihrem normalen Zusammenhang gebracht, hat sich dann mehr selbstständig weiter entwickelt, und so haben beide zusammen, wie die geschüttelten Eier von Sphaerechinus und von Amphioxus, eine Doppelbildung und zwar am häufigsten ein Duplicitas anterior geliefert. Für die von uns erörterte allgemeine Frage, ob 340 Oscar Hertwig: Praeformation, ob Epigenese, sind die in verschiedener Weise willkürlich erzeugten Doppelbildungen deswegen so wichtig, weil sie uns einen vollen Einblick in die inneren und in die äusseren Ursachen des interessan- ten Entwicklungsprocesses gewähren. Die innere Ursache für die Entstehung einer Dop- pelbildung aus einem einfachen und ganz normalen Ei ist die allgemeine Eigenschaft der Zelle sieh dureh Thei- lung zu vermehren, also kein präformirter Doppelkeim; die äussere Ursache ist jede Einwirkung, durch welehe der normale Zusammenhang der beiden ersten Furchungszellen nach dem Zwei- theilungsstadium gestört oder aufgehoben wird, so dass eine cor- relative Weiterentwicklung beider in normaler Weise nicht mehr möglich ist. Jedes Ei trägt also, insofern es Theilungs- vermögen besitzt, die Anlage oder Möglichkeit zu einer Doppelbildung in sich; dass dieselbe für gewöhnlich nicht ver- wirklicht wird, hängt lediglich davon ab, dass die besonderen äusseren Bedingungen, welche der Experimentator mühsam und ge- waltsam schafft, im gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht eintreten. Literatur. 1. Driesch, Entwicklungsmechanische Studien. Zeitschr. f. wissen- schaftl. Zoologie. Bd. LIII. LV. 2. Emery, Die Entstehung und Ausbildung des Arbeiterstandes bei den Ameisen. Biologisches Centralblatt. Bd. XIV. 1894. 3. Gies, Experimentelle Untersuchungen über den Einfluss des Arsens _ auf den Organismus. Arch. f. exper. Path. u. Therapie. Bd. VIII. 1878. 4. Herbst, Experimentelle Untersuchungen über den Einfluss der veränderten chemischen Zusammensetzung des umgebenden Me- diums auf die Entwicklung der Thiere. Mittheil. aus der zoolog. Station zu Neapel. Bd. XI. 5. Oscar u. Richard Hertwig, Ueber den Befruchtungs- und Thei- lungsvorgang des thierischen Eies unter dem Einfluss äuss. Agentien. 6. OscarHertwig, Urmund u. Spina bifida. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 39. 7. Derselbe, Ueber den Werth der ersten Furchungszellen für die Organbildung des Embryo. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLII. 1893. 8. Derselbe: Präformation oder Epigenese? Grundzüge einer Ent- wicklungstheorie der Organismen. 1. Heft der Zeit- und Streit- fragen der Biologie. 1894. 9, Kassowitz, Die Phosphorbehandlung der Rhachitis. Zeitschrift f. klinische Mediein. Bd. VII. 1884. Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 341 10. 16. kh ki l W. Knop, Ueber eine merkwürdige Umgestaltung der Inflorescenz der Maispflanze bei künstlicher Ernährung. Berichte über die Ver- handl. d. königl. sächs. Gesellschaft d. Wissenschaften zu Leipzig. Math.-phys. Klasse. Bd. 30. 1878. . Loeb, Jaeques, Experiments on celeavage. Journ. ofMorph. Vol.VI]. . Morgan, The orientation of the frog’s egg. Quarterly Journal of mieroscop. science. Vol 35. N. S. Derselbe, The formation of the embryo of the frog. Anatomischer Anzeiger. Bd. IX. 18.4. . Rabl, Theorie des Mesoderms. Morphol. Jahrb. Bd. 15. 1889. W. J. Schmankewitsch, Ueber das Verhältniss der Artemia sa- lina (Miln. Edw.) zur Artemia Mühlhausenii u. dem Genus Branchipus Schaaf. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie. Bd. 25. Supplementband. Oscar Schultze, Ueber die Bedeutung der Schwerkraft für die organische Gestaltung, sowie über die mit Hülfe der Schwerkraft mögliche künstliche Erzeugung von Doppelmissbildungen. Verhandl. d. physik.-medic. Gesellsch. in Würzburg. N. F. Bd. 28. 1994. . Spencer (Herbert), A rejoinder to Professor Weismann. Contem- porary review 1893. Virchow, Untersuchungen über die Entwicklung des Schädel- grundes im gesunden und krankhaften Zustande ete. 1857. . Wegner, Der Einfluss des Phosphors auf den Organismus. Vir- chow’s. Bd. 55. 1872. . Weismann, Aecussere Einflüsse als Entwicklungsreize. Jena 1894. . Derselbe, Die Allmacht der Naturzüchtung. 1893. . Julius Wolff, Das Gesetz der Transformation der Knochen. 189. Ziegler, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte von Torpedo. Arch. f. mikrosk. Anatomie. Bd. 39. Wilson, Amphioxus und die Mosaiktheorie. Journ. of Morph. 189. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XX—XXI. = Augenblase. ma —= Medullarwulst. — Abgelöste Zellen. n = Naht. — Chorda. rm = Rückenmark. — Dotterfeld. s Saum des Hornblatts. — Gallertgewebe. sch — Schwanz. —= Haftnapt. 2% — Trichter. — Hörbläschen. um —= Urmund. — Hirnplatte. ud = Urdarm. — Hirn wulst. ug = Urnierengang. —= Keimblasenhöhle. ul = Urmundlippe. —= Kiemen. ur = Urmundrand. —Tseber: us = Ursegment. mk = Mittleres Keimblatt. Fig. Fig. Oscar Hertwig: Tafel XX. 1 u.2. Ei vonRana fusca, das nach der Befruchtung am 10. März in einer Q,6procentigen Kochsalzlösung bis zum 13./IIL ge- züchtet wurde. Fig. 1 vom Rücken, Fig. 2 vom Kopf aus ge- sehen. 3 u.4. Ei von Rana fusca, das nach der Befruchtung am 10./III. .D. 3b: ah 10: ine 7 „13. in einer 0,8procentigen Kochsalzlösung gezüchtet wurde. Fig. 3 vom Rücken, Fig. 4 von der Seite gesehen. Ei von Rana fusca vom Rücken gesehen. Behandlung und Alter wie in Fig. 1. Ei von Rana esculenta, welches am 1./VI. befruchtet, in einer 0,6 procentigen Kochsalzlösung bis zum 5./VI. gezüchtet wurde. .7u.8. Ei von Rana fusca vom Rücken und vom Kopf aus gesehen. Behandlung und Alter wie in Figur 1. Ei von Rana fusca vom Kopf aus gesehen. Behandlung und Alter wie in Figur 1. Dasselbe Ei wie in Figur 5 vom Dotterfeld aus gesehen. Ei von Rana fusca, das nach der Befruchtung am 12./III. in 0,8procentiger Kochsalzlösung bis zum 14./III. gezüchtet wurde. Gastrula. Ei von Rana esculenta, welches am 1./VI. befruchtet, in einer 0,6 procentigen Kochsalzlösung bis zum 6./VI. gezüchtet wurde. Derselbe Embryo wie in Figur 9, vom Rücken aus gesehen. Embryo von Rana fusca, welcher nach der Befruchtung am 10./III. in einer 0,6procentigen Kochsalzlösung bis zum 14./III. gezüchtet wurde, vom Rücken gesehen. Embryo von Rana fusca bei gleicher Behandlung wie in Figur 14 bis zum 15./III. gezüchtet, von der Seite gesehen. Ein zweiter ebenso alter und ebenso behandelter Embryo wie in Figur 15, vom Rücken gesehen. Desgleichen ein dritter Embryo, vom Rücken gesehen. Embryo von Rana esculenta, welcher am 1./VI. befruchtet, in einer 0,6procentigen Kochsalzlösung bis zum 7./VIl. gezüchtet wurde, von der Seite gesehen. Stück vom hinteren Ende eines Embryo von Rana fusca, wel- cher ebenso alt und ebenso behandelt ist wie die Embryonen Figur 15—17, vom Rücken gesehen. Ei von Rana esculenta, welches am 1./V1. früh befruchtet bis zum Abend in einer Iprocentigen Kochsalzlösung gezüchtet wurde. Ei von Rana esculenta, welches am 1./VI. früh befruchtet bis zum Abend in einer 0,8procentigen Kochsalzlösung gezüchtet wurde, bei seitlicher Ansicht. Ein gleiches Ei von oben gesehen. u. 24. Ei von Rana esculenta, behandelt wie in Figur 21, vom 1./VI. bis 2./VI. gezüchtet. Fig. 23 Ansicht vom animalen, Fig. 24 Ansicht vom vegetativen Pol, Beiträge z. experimentellen Morphologie u. Entwicklungsgeschichte. 343 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. . 25. . 4. Ei von Rana esculenta, welches am 1./VI. befruchtet bis zum 5./VI. in einer 0,6procentigen Kochsalzlösung gezüchtet wurde. Gastrula. Tafel XXI. .1 u. 2. Durchscehnitte durch Eier von Rana esculenta, die am 1./VI. befruchtet, in einer 0,9procentigen Kochsalzlösung bis zum 2./VI. gezüchtet wurden. Durchschnitt durch ein Ei von Rana esculenta, das am 1./VI. befruchtet, in einer 0,Sprocentigen Kochsalzlösung bis zum 3./VI. gezüchtet war. Desgleichen durch ein ebenso behandeltes Ei, das schon am 2./VI. abgetödtet wurde. Siehe auch Taf. XX, Fig. 23 u. 24. ie. 5 u. 6. Mediandurchschnitt durch 2 Eier von Rana esculenta, welche am 1./VI. befruchtet bis zum 5./VI. in einer 0,6 procen- tigen Kochsalzlösung gezüchtet wurden. Gastrulastadium. Siehe auch Taf. XX, Fig. 25. Desgleichen durch ein Ei von Rana esculenta, das bis zum 6./VI. in einer 0,6procentigen Kochsalzlösung gezüchtet wurde. Siehe auch Taf. XX, Fig. 12. Desgleichen durch ein Ei von Rana esculenta, das bis zum 7./VI. in der 0,6procentigen Kochsalzlösung gezüchtet wurde. Siehe auch Taf. XX, Fig. 18. Horizontalschnitt durch einen Embryo von Rana fusca, welcher nach der Befruchtung am 10./III. in einer 0,6 procentigen Koch- salzlösung bis zum 15./III. gezüchtet wurde. Auf Taf. XX, Fig. 19 ist das hintere Ende desselben Embryo abgebildet. 10 u. 11. 2 Querschnitte durch einen wie in Fig. 9 behandelten und ebenso alten Embryo von Rana fusca. Fig.10 Schnitt durch die Gegend des Nachhirns und Hörbläschens. Fig. 11. Schnitt durch die vordere Region der Hirnanlage mit Augenblasen. 13, 14. 3 Schnitte durch den auf Taf. XX, Fig. 14 abgebildeten Embryo von Rana fusca. Fig. 12. Querschnitt durch die Gegend des Nachhirns und Labyrinthbläschens. Fig. 13. Querschnitt durch den vorderen Theil des Rumpfes. Fig. 14. Horizontal- sehnitt durch das hintere Rumpfende. Siehe auch Fig. 21. 15—17. 3 Querschnitte durch den auf Taf. XX, Fig. 16 abgebildeten 8, 19: Embryo von Rana fusca. Fig. 15. Schnitt durch die Gegend des Nachhirns und Hörbläschens. Fig. 16. Schnitt durch den Anfang des Schwanzendes. Fig. 17. Schnitt in geringer Ent- fernung von dem vorhergehenden Querschnitt. Sagittalschnitt durch das auf Taf. XX, Fig. 11 abgebildete Ei von Rana fusca. Querschnitt durch einen Embryo von’Rana fusca, welcher nach der Befruchtung vom 10./III. bis 14./III. in einer 0,6 procentigen Kochsalzlösung gezüchtet wurde. . Sagittalschnitt durch das auf Taf. XX, Fig. 3 abgebildete Ei von Bana fusea, Fig. Oscar Hertwig: Beiträge z. experimentellen Morphologie ete. ‚. 21. Horizontalschnitt durch das hintere Ende des Embryo, von welchem die in 12—14 abgebildeten Schnitte herrühren. . 22. Schnitt durch ein Ei von Rana fusca, das gleich nach der Be- fruchtung in einer 0,Sprocentigen Kochsalzlösung vom 12./III. bis 13./IIl. gezüchtet wurde. Tafel XXII. . 1 u. 2. Längsschnitt durch einen Embryo von Rana fusca, welcher aufTat.XX, Fig. 1u.2abgebildet ist. In Fig. 1 ist der Schnitt im Kopftheil etwas seitwärts von der Medianebene geführt, im Rumpf fällt er mit ihr zusammen; umgekehrt in Fig. 2; in Fig. 1 ist vom Präparat nur ein vorderer Ausschnitt abgebildet. 3 u. 4 Längsschnitt durch den auf Taf. XX, Fig. 7 u. 8 abgebil- deten Embryo von Rana fusca. Im Kopftheil fällt der Schnitt mit der Medianebene des Embryo zusammen, während er im Rumpf etwas von ihr abweicht. In Fig. 4 ist einer der seit- wärts folgenden Schnitte und zwar nur die Hirnplatte mit der nächsten Umgebung dargestellt. .5. Längsschnitt etwas seitwärts von der Medianebene durch einen Embryo von Rana fusca, welcher sich auf demselben Entwick- lungsstadium wie die Embryonen der Fig. 1—3 befindet. ig. 6 u. 7. Horizontalschnitt durch den auf Taf. XX, Fig. 5 abgebil- deten Embryo. In Fig. 7 hat der Schnitt den vorderen Hirn- theil mit den beiden primären Augenblasen getroffen. Fig. 6 ist das vorderste Ende von einem in der Serie weiter dorsal gelegenen Schnitt. .8. Längsschnitt durch den auf Taf. XX, Fig. 15 abgebildeten Embryo. Der Schnitt geht seitwärts von der Medianebene durch die Gegend der Ursegmente. Längsschnitt durch einen Embryo von Rana fusca, der vom 10./III. bis 15./III. in einer 0,6procentigen Kochsalzlösung ge- züchtet wurde. Schnittrichtung wie in Fig. 8. Ne) . 10. Längsschnitt durch einen Embryo von Rana fusca, der vom 10./III. bis 14./III. in einer 0,6procentigen Kochsalzlösung ge- züchtet wurde. '. 11—13 Schnitte durch Eier von Rana fusca, die demselben Material wie die auf Taf. XX, Fig. 3 und 4 abgebildeten Eier ange- hören. Fig. 11. Querschnitt durch die Hirnplatte. Fig.12. Der Schnitt ist in einer Richtung geführt, welche auf Taf. XX, Fig. 4 durch die Linie @...b bezeichnet ist. Fig. 13. Der Schnitt ist parallel zur Hirnplatte in der Richtung der Linie &...% geführt. 345 Histiologische Untersuchungen über den fei- neren Bau des Oentralnervensystems von Esox Lucius mit Berücksichtigung vergleichend-ana- tomischer und physiologischer Verhältnisse. Von Ludwig Neumayer, Assistent für Histiologie an der anatomischen Anstalt in München. Hierzu Tafel XXI. Im Verlaufe der andauernden Bestrebungen, auf Grund ver- gleichend-anatomischer und embryologischer Untersuchungen die Homologie des Fischgehirns mit dem der höheren Vertebraten darzulegen, trat die histiologische Untersuchung der einzelnen Gehirnabschnitte mehr und mehr in den Hintergrund. Erst die bewundernswerthen Erfolge der Golgi’schen Methode auf dem Gebiete der Morphologie des centralen Nervensystems der höheren Wirbelthiere gaben den Anstoss, dass in Jüngster Zeit die Arbeiten vonR.Fusari(1), Pedro Ramöny Cajal(2), F. Capobianco(), A. Schaper (4) und van Gehuchten (5) die Ergebnisse früherer Untersuchungen am Teleostiergehirn, ich nenne hier nur die Ab- handlungen von Carus (6), Gottsche (7), Stieda (8), Viault (9), Rohon (10), Vignal (11), Fritsch (12), Mayser (13), Mauth- ner (14), Denissenko (15) zu erweitern strebten und im Sinne der jetzigen Ansichten über den Bau des Nervensystems zu deuten unternahmen. Auf den Vorschlag von Herrn Professor von Kupffer unterzog ich das Centralnervensystem eines bei uns häufig vor- kommenden Knochenfisches, des Hechtes, einer eingehenden Unter- suchung. Ich erlaube mir an dieser Stelle meinem hochgeehrten Chef, Herın Professor von Kupffer, für die mir von seiner Seite zu Theil gewordene Unterstützung und Förderung, sowie Herrn Prosektor A. A. Böhm für die aus seiner Bibliothek zur Verfügung gestellten Werke meinen ergebensten Dank zum Aus- druck zu bringen. 346 Ludwig Neumayet: Bevor ich auf das Thema übergehe, seien kurz einige Be- merkungen über die angewandten Untersuchungsmethoden voraus- geschickt. Untersuchungsmethoden. Zur Anwendung kam neben der Weigert’schen sowie der Hämalaunfärbung ausschliesslich die rasche Golgi’sche Methode, zu deren Controle die beiden angeführten Schnittfärbungen dienten. Die Chromosmiumsilbermethode benutzte ich zunächst in der von S. Ramon y Cajal (16) angegebenen Modifikation: Einlegen der Objekte in eine Mischung von 1 Theil 1°/, Osmiumsäure und 4 Theilen 3,5°/, Kaliumbichromatlösung. An Stelle dieser letzteren trat später mit Vortheil eine 2°/, Lösung des Kaliumbichromats, wodurch eine wesentliche Reduktion der Randniederschläge sowie eine quantitativ bessere Imprägnation der Nervenzellen erzielt wurde. Der von S. Ramön y Cajal zuerst angewandte und auch von v. Lenhossek (17) empfohlene Zusatz von einigen Tropfen Ameisensäure zur Silbernitratlösung wurde nie unterlassen und glaube ich den günstigen Einfluss derselben hinsichtlich der Vermeidung stärkerer Niederschläge bestätigen zu können. Ein weiterer überaus wichtiger Faktor zur Erzielung brauch- barer Präparate ist Frische des Materials. Am besten bezieht man die Fische lebend und tödtet sie, wie es v. Lenhossek für Lumbrieus terr. empfiehlt, durch Zusatz von Chloroform zum Wasser (des Fischbehälters. Ein Zerlegen des Gehirns in mehrere Theile vor der Imprägnation ist nicht nothwendig, vielmehr zu wider- rathen, da hierdurch die spätere Orientirung beim Schneiden überaus erschwert wird und an den Schnittflächen, wohl in Folge der starken Quetschung der Hirmsubstanz beim Durchschneiden, ausgedehnte und tiefgreifende Niederschläge von Chromsilber hervorgerufen werden. In der oben angegebenen Lösung von Osmiumsäure und Kalium- bichromat blieben die Objekte zwei Tage, wurden hierauf für zwei Tage in die 0,75°/, Silbernitratlösung unter Zusatz der Ameisensäure nach vorhergegangenem Abtrocknen mit Fliesspapier übergeführt. Eine zweite, selbst dritte Wiederholung des ganzen Processes, unter Belassung der Objekte in den Flüssigkeiten bis zu einem Tag, erwies sich als ausserordentlich günstig. Die Im- prägnation wurde bei gewöhnlicher Zimmertemperatur, in gut Histiol. Untersuch. üb. d. fein. Bau d. Centralnervensyst. v.Esox L.ete. 347 schliessenden Schalen und im Dunkeln vorgenommen. Nach Be- endigung der Färbung wurden die Gehirne in toto auf eine Stunde in absoluten Alkohol gebracht, dann für I—2 Stunden in eine mitteldicke Celloidinlösung und in 70°/, Alkohol geschnitten. Wird in der angegebenen Weise verfahren, so ‚gelingt es beim Teleostiergehirn ausnahnıslos, gute Präparate zu erhalten. Im Folgenden soll nun zunächst das Tecetum loborum opti- corum hinsichtlich seiner Schichtung und der dasselbe zusammen- setzenden Nervenelemente beschrieben werden, unter Berücksichti- gung des feineren Baues der Homologa der höheren Wirbelthiere, speciell der von van Gehuchten und S. Ramön y Cajal ge- schilderten Lobi optiei des Hühnerembryos und des Hühnchens. I. Sehiehten und Faserverlauf im Teetum loborum opticorum. Ohne hier die zahlreichen, von einander stark abweichenden Eintheilungen des Teetums, wie sie von frühern Untersuchern des Teleostiergehirns aufgestellt wurden, zu berücksichtigen, sollen im Folgenden die Schichten beschrieben werden, wie sie sich nach der Imprägnation nach Golgi präsentiren, wobei ich im wesent- lichen mit den von R. Fusari (1) für das Cyprinoiden- und Sal- moniden-Gehirn erhaltenen Ergebnissen übereinstimmende Resultate erhielt. Fusari unterscheidet am Tectum sieben Schichten und zwar von innen nach aussen gezählt: 1. Das eylindrische Flimmerepithel und seine darunter lie- sende Formation von Neuroglia und Gefässen. 2. Die granulöse Schicht. 3. Eine Nervenzellenschicht, durchzogen von Nervenfaser- bündeln. 4. Eine Schicht, reich an spindelförmigen und ovalen Zellen. 5. Eine dem Optikusdache parallellaufende, längsgerichtete Nervenfaserschicht. 6. Eine Schicht mit rundlichen Nervenzellen und darüber 7. eine dünne Schicht vaskulären Bindegewebes. Meine Untersuchungen ergaben die gleiche Anzahl von Zonen, doch weiche ich von Fusari’s Deutung einzelner derselben ab und zähle seine 7. zur Pia mater, so dass ich von aussen nach innen gehend folgende Lagen finde: 348 Ludwig Neumayer: 1. Eine oberflächliche Nervenfaserschichte: Randplexus- schichte. 2. Eine äussere Längsfaserschichte. 3. Eine plexiforme Schicehte und zwar eine äussere und innere. 4. Eine innere Längsfaserschichte. 5. Eine Cireulärfaserschichte. 6. Eine Nervenzellen- und 7. Eine Ependymzellen-Schichte. Diese sieben Schichten treten vor allem an den median gelegenen Theilen des Tectums scharf gesondert auf, während sie lateral zunächst sich keilförmig zuspitzen, einzelne schliesslich in dem ventralwärts ziehenden Schenkel des Opticusdaches mit ein- ander verschmelzen oder ihren Charakter ändern, worauf ich unten bei der Beschreibung der einzelnen Schichten zurückkom- men werde. Die 1. Schichte, Randplexusschichte, hat beim ausgewach- senen Hechte einen durchschnittlichen Höhendurchmesser von 30 u. Dieselbe wird gebildet von den Telodendrien der bis an die Oberfläche ziehenden Ependymzellen, den letzten peripheren Verzweigungen von in der 2. und 3. Schichte liegenden Zellen und schliesslich durch die Ausläufer der in dieser Schicht selbst liegenden Zellen, die nur in geringer Zahl auftreten und daher dieser Randzone den Charakter einer im wesentlichen aus Nerven- fasern bestehenden Lage verleihen. Die Fasern dieser Region imprägniren sich überaus leicht und ist es daher an gut gelun- genen Präparaten wegen des unentwirrbaren Filzes, den sie bilden, unmöglich, eine Specifieirung der einzelnen Endverzweigungen zu treffen; zu diesem Behufe eignen sich, wie ja bereits von ver- schiedenen Seiten für Golgi’sche Präparate hervorgehoben wurde, nur elektiv gefärbte Stellen, die dann mit Leichtigkeit alle Details erkennen lassen. Die 2. Zone, die äussere Längsfaserschichte, ist durch- schnittlich in ihrem medianen Theile 50 mm dick und besteht hier ausschliesslich aus längs verlaufenden Nervenfasern. Lateral- wärts nimmt sie dann successive eine Reihe von der Cireulär- faserschiehte kommender, schief nach aussen und oben ziehender Nervenstränge auf. Hierdurch wandelt sie sich schliesslich in eine gemischte Bahn um. Diese letzteren, eireulär verlaufenden Fasern nehmen gegen die lateralen Enden des Optieusdaches immer Histiol. Untersuch. üb. d. fein. Bau d. Centralnervensyst. v. Esox L.ete. 349 mehr an Mächtigkeit zu und vereinigen sich mit den die 5., die Cireulärfaserschichte bildenden Nervenfasern: es entsteht hierdurch die centrale Wurzel des Optieus. Einige spindelförmige, offenbar aus der 3. Region stammender und hierher vorgeschobener Zellen sollen in dem speciell den Zellen gewidmeten Theile ihre Berück- sichtigung finden. Die mächtigste Abtheilung des ganzen Teetums ist die 3. Zone, die plexiforme Schichte. Dieselbe bildet L. Stieda’s dritte Schichte und wird von ihm als „in frischem Zustande grau erscheinend“ beschrieben und „granulirte Schicht“ benannt. Nach seinen Untersuchungen ist sie „0,28mm breit und hat auf Längs- und Querschnitten ein gleiches Ansehen; sie besteht aus fein granulirter Grundsubstanz, welche jedoch häufig auch sehr deutlich in radiärer Richtung fein gestreift sich ausnimmt, und im Allgemeinen spärlichen Zellen. Letztere sind regellos zerstreut, zum Theil von grösserem Umfange, indem sie eine Länge von 0,016—0,020 mm und eine Breite von 0,004—0,008 mm, einen 0,004—0,006 mm grossen Kern nebst Kernkörperchen darbieten und oft so liegen, dass ihr grösserer Durchmesser der Breite der Schicht entspricht (Fig. 13, 2); sie lassen dann gewöhnlich zwei in entgegengesetzter Richtung abgehende, lange Fortsätze wahr- nehmen. Ausserdem finden sich auch kleinere, runde Zellen von 0,006—0,010 mm im Durchmesser, welche den in der Rinden- sehicht vorkommenden vollkommen gleichen (Fig. 13, m)“. Nach Fusari bildet diese Zone die 4. Schichte; er erklärt sie als die beträchtlichste und für die wichtigste. ‚Sie enthält zahlreiche Formen von Nervenzellen und ein dichtes Netz von Nervenfasern.‘‘ Nachdem er die Formen der hier vorkommenden Zellen eingehend beschrieben, fährt er fort: „Um das bekannte Netz von Nervenfibrillen dieser Schicht zu bilden, treten ein: 1. Die Nervenfortsätze der Zellen, welche in der Zone exi- stiren und die sich in toto theilen. 2. Die Zweigchen, welche, von den Nervenfortsätzen der Zellen des ersten Typus ausgehend, der Schicht ange- hören. 3. Die Endzweige der Fasern des zweiten Typus, die der dritten Zone angehören. 4. Die sekundären Fibrillen, die von einigen Fasern dersel- ben dritten Zone ausgehen. Archiv f. mikrosk. Anat Bd. 44 td a 350 Ludwig Neumayet: 5. Die Endverzweigungen der Fasern, welche von der fünften Zone herrühren. Aus diesen beiden eben angeführten Citaten ergiebt sich die Vielseitigkeit der Beziehungen dieser Zone zu allen Regionen des Tectums und damit auch die Wichtigkeit derselben für den een- tralen Ursprung des Opticus wie auch ihre Bedeutung in phy- siologischer Hinsicht. Aber auch vergleichend-anatomisch hochinteressante Gesichts- punkte bietet diese Schichte und möchte ich bereits hier den Hinweis darauf nicht unterlassen, der sich in dieser Richtung aus den Untersuchungen von S. Ramön y Cajal (18) und A. van Gehuchten (19) über diesen Punkt ergibt, die unter An- wendung der Golgi’schen Methode in den Jahren 1891 und 1892 die diesbezüglichen Verhältnisse, ersterer speciell am Hühnchen, letzterer am Hühnerembryo, untersuchten. Auf Grund dieser Arbeiten glaube ich die das gleiche Thema berührenden Abhand- lungen von Stieda (20), Schulgin (21) und Bellonei (22), die zudem, wie S. Ramön y Cajal auch anführt „au moyen de methodes imeompletes“ ausgeführt wurden, übergehen zu können. Nicht minder verdienen die Untersuchungen Tartuferis (23) in dieser Hinsicht Berücksichtigung, der die eminentiae bigeminae anteriores unter Anwendung der Golgi’schen Methode unter- suchte und aus dessen Befunden Fusari den Schluss zieht, dass dieselben auch in histiologischer Hinsicht dem Dache des Lobus optieus der Fische homolog seien. Ich werde bei der Beschrei- bung der Nervenzellen auf diesen Punkt zurückkommen und gehe zur Beschreibung der Nervenfaservertheilung dieser Schichte über. Diese Zone übertrifft beim Hechte alle übrigen in ihrem Diekendurchmesser, welcher im Durchschnitt beim ausgewachsenen Thiere 0,56 mm beträgt. Schon auf den ersten Blick lassen sich in derselben zwei besonders dichte Nervenfasergeflechte unter- scheiden: ein äusseres, dicht unter der II. Zone gelegen — die äussere plexiforme Schieht — und ein inneres, das sich oberhalb der IV. Region ausbreitet — die innere plexiforme Schichte —. Diese beiden Nervenfaserzüge werden jedoch nicht durch eine faserlose Zwischenschieht getrennt, sondern dieser mittlere Theil der plexiformen Schicht weist nur weniger Nervenfasern auf, in deren Maschen die Mehrzahl der vielfach geformten Nervenzellen dieses Stratums eingelagert sind. Histiol. Untersuch. üb. d. fein. Bau d. Centralnervensyst. v.Esox L. etc. 351 Die äussere plexiforme Schichte wird gebildet durch die centripetal ziehenden Dendriten von einigen wenigen, in der Zone II liegenden Zellen, in der Hauptsache aber von den Telo- dendrien der Zellen der Nervenzellenschichte sowie den Oollate- ralen von in der III. Schiehte befindlichen nervösen Elementen, welch’ letztere auch das Haupteontingent der Nervenfasern des obenerwähnten mittleren Theiles der plexiformen Schicht liefern. Die innere plexiforme Schicht baut sich im wesentlichen aus den beiden zuletzt genannten Kategorien von Fasern auf. Zone 4, innere Längsfaserschichte, besitzt eine Dicke von 40 u und wird ausschliesslich aus längsverlaufenden Nerven- fasern gebildet. Dieselben sind zu verschieden breiten Bündeln angeordnet, in deren Zwischenräumen die oberflächenwärts ziehen- den Fortsätze der tiefer gelegenen Zellen sowie die von der 5. zur 2. Zone gehenden Nervenfasern hindurchtreten. Die 5. Lage, Cireulärfaserschicht, wird gebildet aus einem etwa 20 u dicken Bündel markhaltiger Nervenfasern, welche von der Medianlinie gegen die Peripherie, sowie auch in umge- kehrter Richtung ziehen. In der Medianlinie, wo die beiden Opticustekta zusammenstossen, findet ein Austausch der Fasern beider Seiten statt, wodurch, da die durchtretenden Fasern nicht im gleichen Sinne verlaufen, bereits central eine Kreuzung der Optieusfasern erfolgt. Wie oben erwähnt, bilden diese Fasern, lateral vereinigt mit Fasern der 2. Zone den centralen Ursprung des Optieus. Von diesem Bündel zweigt sich nach innen und unten ziehend ein ziemlich mächtiger Zug von Nervenfasern ab, welcher in den Thalamus optieus eintritt. Dieses Bündel ist auch von Mayser (13), Fritsch (12) und Fusari (1) beschrie- ben und nach Bellonei (22) soll der Opticus nur aus diesem Stamme allein entspringen. Jene oben erwähnte centrale Kreu- zung der Fasern der 5. Sehiecht wird von Fritsch (12) als Commissur erklärt und zwar im Sinne seiner dem Fischgehirn zu Grunde liegenden Deutung als ein Homologon des Balkens. Mayser (13) erwähnt bei Beschreibung der hier behandelten Zone, welche von ihm Querfaserschicht benannt wurde, ebenfalls der die beiden Teceta verbindenden Fasern und sagt, dass sie, „soweit sie die Mittellinie überbrücken, keine Commissur, sondern wie auch der grössere Theil der hintern Commissur selbst, eine Kreuzung markhaltiger Fasern sind“. 352 Ludwig Neumayer: Erwähnt sei noch, dass von dem ventralen Theile dieses Stratums zahlreiche Faserbündel bis in die Valvula cerebelli hin- ein verfolgt werden können, die dann, soweit es aus dem mir zu Gebote stehenden Präparaten ersichtlich war, im das Nachhirn eintreten: es ist hierdurch eine direkte Verbindung zwischen Teetum resp. Kleinhirn und Nachhirn und, wie mit Sicherheit angenommen werden kann, auch mit dem Rückenmarke geschaffen. Es erübrigt noch die innerste, die Ventrikel begrenzende Schichte der Ependymzellen sowie die, wie ich glaube, von der selben zu trennende 6., oder Nervenzellenschichte, hinsichtlich der Verbreitung der Nervenfasern zu betrachten. Letztere hat eine Dieke von 50 u und beherbergt ausser den von den Eyendymzellen kommenden Ausläufern zahlreiche Fortsätze der hier liegenden Nervenzellen, welche Fortsätze ihrem morphologischen Verhalten nach zum Theil als Neuriten anzu- sprechen sind. Vielfach sieht man nämlich einen dieser seitlich oder vom untern Pole entspringenden schlanken Ausläufer nach oben zur 5. Zone umbiegen, in deren Fasern er eine Strecke weit verfolgt werden kann. Die letzte, innerste Schieht hat im allgemeinen eine Dicke von 100 u und wird ausschliesslich von den Ependymzellen ge- bildet. Sie enthält neben den peripherwärts ziehenden Fort- sätzen derselben ein diekes Flechtwerk kürzerer Ausläufer dieser epithelialen Zellen, wodurch sie zu einem festen Gefüge vereinigt erscheinen. Die eben geschilderten Verhältnisse sind in Fig. la halbschematisch dargestellt. In diesem Frontalschnitt durch das Optieusdach sind die im vorhergehenden beschriebenen Schiehten mit römischen Ziffern bezeichnet. Mit I. ist die obere, an die Pia mater grenzende Fläche des Optieusdaches angegeben, II be- zeichnet die obere, III die untere Grenzlinie der Ependymzellen- schichte, IV einen den Basalsaum bildenden Fortsatz einer Ependym- zelle. V ist eine von der Circulärfaserschichte zur Randplexus- zone ziehende Optieusfaser; mit VI sind Optieusfasern bezeichnet, welche von den lateralen Partieen der 2. Zone strahlenförmig nach innen gehend in der 1. Schiehte frei enden. In VII und VIII sind typische Formen von Optieuszellen der plexiformen Schiehte wiedergegeben, in N, und N, deren Neuriten. Hat schon die gröbere histologische Struktur, der Aufbau Knochenfischteetums aus verschiedenen Schichten, mannigfache Histiol. Untersuch. üb. d. fein. Bau d. Centralnervensyst. v.Esox L. ete. 353 Gelegenheit geboten, auf ähnliche Verhältnisse bei den höheren Vertebraten hinzuweisen, so gilt dies in noch viel höherem Grade für die nervösen Zellelemente, für ihren Bau und ihre Vertheilung auf die einzelnen Zonen. II. Zellen des Opticusdaches. Ich beginne mit der Beschreibung der Nervenzellen der obersten Schichte, der Randplexuszone. Wie ich bereits oben ausgeführt habe, finden sich in diesem Stratum nur vereinzelte Formen und zwar lassen sich unter den- selben zwei, wesentlich durch ihre Morphologie verschiedene Typen, unterscheiden : 1. Kleine Zellen mit fast kugelförmigem Zellleib, «die in der ganzen Tiefenausdehnung dieser Zone zu sehen sind. Diese Form wird auch von Fusari (1) beschrieben und abgebildet. Von den- selben entspringen drei bis vier vielfach verästelte Dendriten sowie ein schlanker, im Bogen verlaufender Neurit. Derselbe gibt während seines längeren oder kürzeren Verlaufes eine grosse Anzahl von Collateralen ab, theilt sich schliesslich in mehrere Endästchen, die ein zumeist in der II. Zone liegendes, bouquet- förmiges Telodendrion bilden. Wie sich aus dem Verhalten des Axeneylinders dieser Zellen ergibt, gehören dieselben dem von Golgi als Typus II bezeichneten Formen an (Fig. 1). Die zweite Zellkategorie weist emen kugelförmigen, meist an der gegen die Ventrikel zu gelegenen Seite abgeplatten Zellkörper auf. Von diesen Zellen entspringen oppositopol zwei, an der Basis diekere, gegen die Peripherie sich verjüngende Fortsätze, die zum Optikusdache quer gestellt verlaufen, parallel zu dessen oberer Grenze. Während ihres ziemlich weitausgedehnten Verlaufes geben dieselben nur wenige Seitenäste ab und enden meist mit gabelförmiger Theilung, spitz auslaufend. An einigen wenigen dieser Zellen konnte ein den Charakter eines Neuriten tragender Fortsatz gefunden werden, der jedoch nach kurzem Verlaufe sich in ein Telodendrion spaltete. Diese Zellen, welehe den von Ramon y Cajal (24) in der Grosshirnrinde der Säugethiere beschriebenen und nach ihm benannten gleichen, wurden von van Gehuchten (19) auch im Optikusdache des Hühnchens gefunden, ebenso vonRamön y Cajal (18) auch beim Hülner- embryo. Nach van Gehuchten charakterisiren sich diese Zellen 394 Ludwig Neumayer: durch die Länge ihrer protoplasmatischen Ausläufer. Auch konnte er bei einer grossen Zahl derselben einen Axencylinderfortsatz nicht erkennen ; wenn er jedoch vorhanden war, so hatte er, wie die Protoplasmafortsätze, eine horizontale Richtung. Den Ort und die Art der Endigung konnte er jedoch nicht eruiren. Wie aus dieser Beschreibung van Gehuchten’s hervorgeht, treten alle die von ihm beim Hühnchen gefundenen morphologischen Eigenschaften dieser Zellen genau in derselben Weise auch im Optikusdache der Teleostier auf. Fig. 2. In der äusseren Längsfaserschichte beobachtete ich nur eine Form von Zellen. Dieselben liegen zwischen den zu Bündeln angeordneten Fasern der zweiten Schichte und zwar in sehr geringer Zahl. Ihr Zellleib hat eine ausgesprochen spindelförmige Gestalt. An den beiden sich stark verjüngenden Enden entspringen Fort- sätze, von denen der eine, nach oben ziehend, in der Randplexus- schiehte, der andere gegen unten gewendet, in der plexiformen Schichte sich verzweigt. Die Verästelungen des peripherwärts ziehenden Fortsatzes in der obersten Schichte sind sehr zahlreich und bilden mit den daselbst endigenden Fasern ein dichtes Filz- werk von feinsten Nervenästchen. Der vom untern Ende der Zelle entspringende Fortsatz theilt sich ebenfalls, meist schon in der äusseren plexiformen Schichte, in ein Endbäumehen, dessen Zweige weniger zahlreich und etwas dieker sind als die des zuerst beschriebenen Fortsatzes. Diese beiden, oppositopol entspringenden Ausläufer sind protoplasmatischer Natur. Doch konnte ich an wenigen Zellen einen feinen, fast gradlinig nach unten verlaufenden Fortsatz entdecken. Derselbe nahm dann seinen Ursprung nicht direkt von der Nervenzelle, sondern etwas entfernt von derselben, von dem centralwärts ziehenden Dendriten. Es handelt sich hier unzweifelhaft um einen Neuriten, der jedoch nur in der geringsten Anzahl der Fälle zur Beobachtung gelangte. Ueber seinen Ver- lauf konnte ich eruiren, dass derselbe unter Abgabe von wenigen, kleinsten Collateralen bis zur Längsfaserschichte zieht, wo ich ihn jedoch nicht weiter verfolgen konnte. Fig. 3. (Der nur in einigen Fällen beobachtete Neurit ist punktirt eingetragen.) Die meisten und interessantesten Zellformen treten in der dritten Zone, der plexiformen Schiehte auf. Ich konnte unter den oft ausserordentlich dicht liegenden Zellen fünf verschiedene Formen erkennen. Histiol. Untersuch. üb. d. fein. Bau d. Centralnervensyst. v. Esox L.ete. 355 Schon Stieda (8) beschreibt eine sehr häufig auftretende Form von Zellen der III. Schiehte im Tectum, die einen spindel- förmigen Zellleib besitzen. Dieselben lassen sich mit der Golgi’- schen Methode sehr leicht imprägniren und sind, wie aus den Abbildungen leicht ersichtlich ist, identisch mit den zuletzt in der Il. Sehiehte geschilderten. Es sind Zellen mit ausgesprochen spindelförmigen Zellkörpern. Die beiden oppositopol entspringenden Fortsätze verzweigen sich in der äusseren und inneren plexiformen Schichte unter Bildung eines reichverzweigten Telodendrions. Der Körper dieser Zellen ist stets innerhalb der beiden erwähnten Zonen gelegen. Ein Neurit hatte sich nur bei einigen der Zellen imprägnirt. Er nimmt seinen Ursprung entweder direkt aus dem Zellkörper oder, wie es bei den Zellen der äusseren Längsfaser- schichte immer der Fall ist, von dem ventrikelwärts verlaufenden Dendriten. In semem nach unten gerichteten Verlauf beschreibt derselbe leichte Wellenlinien, entsendet einige kurze, horizontal verlaufende Collateralen und tritt schliesslich in die Cireulärfaser- schichte ein. Fig. 4. Die charakteristischsten Nervengebilde dieser Zone sind die Optikuszellen. Diese Formen, von van Gehuchten (19) ebenso wie von Ramon y Cajal (18) beim Hühnchen gesehen, finden sich in der ganzen Ausdehnung der plexiformen Schichte. Diese Zellen präsentiren sich als ziemlich grosse Nervenelemente mit einem spindel- oder walzenförmigen Körper. Von den beiden Polen entspringen protoplasmatische Fortsätze, welche, der eine central, der andere peripher ziehend, unter Bildung einer reichen bouquetförmigen Verzweigung enden. Der nach aussen, d.h. nach oben ziehende protoplasmatische Ausläufer endet im der Randplexusschichte, mit den hier sich aufsplitternden Nervenfasern anderer Herkunft ein dichtes Geflecht bildend. Der central gerichtete Fortsatz theilt sich in der Regel bald nach seinem Ursprung in zwei bis drei Stämme, welche, jeder für sich, eine fast ebenso reichliche Endverästelung wie der periphere Ausläufer bilden, in der inneren plexiformen Zone enden und im wesent- lichen zur Bildung dieser beitragen. Von ganz besonderem Inter- esse erscheint das Verhalten des von diesen Zellen stammenden Neuriten, nicht nur in morphologischer sondern auch in phylo- genetischer Hinsicht. Nach den Untersuchungen von Ramon y Cajal und van Gehuchten entspringt der Axencylinder- 356 Ludwig Neumayer: fortsatz nicht direkt vom Zellleib, sondern von den protoplas- matischen Fortsätzen, und zwar den peripheren. Van Gehucehten beschreibt diese Art Ursprung von nervösen Fortsätzen im lobus opticus vom Hühnchen wie folgt: „Le prolongement eylindraxil ne nait pas du corps eellulaire ; on le voit eonstamment partir du prolongement protoplasmatique peripherique, a une distance quelquefois considerable du corps cellulaire. A partir de son origine, il se reeourbe sur Iui meme, redesecend parallölement a l’element nerveux dont il provient, traverse la couche moyenne en @mettant de nombreuses colla- terales et enfin, devient une fibre nerveuse de la eouche blanche interne.“ Im Optikusdache des Hechtgehirnes ist das Verhalten des Neuriten dieser Zellform in fast allen Beziehungen dieser von van Gehuchten für das Huhn gegebenen Schilderung conform. Nachdem der Neurit von dem peripher ziehenden Dendriten seinen Ursprung genommen, zieht dieser Fortsatz in leicht- geschwungenem Bogen an der Zelle vorbei. Während seines Ver- laufes in der 3. Zone sowie beim Durchtritt durch die 4. ent- springen eine grössere Anzahl von Collateralen, die sämmtlich nach meist gabelförmiger Theilung in kürzester Frist enden. Der Neurit konnte in der Mehrzahl der Fälle bis zur inneren Cireulärfaser- schichte verfolgt werden, an deren Bildung er wesentlichen Antheil nimmt. Fig. 5. Von der eben beschriebenen Zellform leitet sich eine nur in Bezug auf das Verhalten des Neuriten verschiedene dritte ab. Der Neurit entspringt bei dieser Art direkt aus dem Zellleib und zieht unter Abgabe einiger weniger Collateralen centripetal zur Cireulärfaserschichte. Fig. 6. Da nunmehr die drei geschilderten Zellformen im Gehirne des Knochenfisches wie des Vogels vorkommen, so erscheint die Annahme berechtigt, dass dieselben, wohl auch functionell eine der wichtigsten Zellen, ebenfalls bei Schlangen, wie Reptilien und Amphibien nachzuweisen sein müssten. In den von Pedro Ramön y Cajal hierüber veröffentlichten Arbeiten finden sich nun die in erster Reihe beschriebenen spindelförmigen Zellen der plexi- formen Schichte abgebildet, während die beiden letzten Formen weder beschrieben noch in den Zeichnungen zu erkennen sind. Um über diese Frage Gewissheit zu verschaffen, werde ich in Histiol. Untersuch. üb. d. fein. Bau d. Centralnervensyst. v.Esox L.ete. 357 meinendas Gehirn dererwähnten Thiere betreffenden Untersuchungen speciell mein Augenmerk hierauf richten und seiner Zeit das Er- gebniss mittheilen. Eine vierte Zellform der plexiformen Zone gehört Golgi’s Typus II an. Es sind dies Zellen mit auffallend grossem Körper, von welchem nach allen Richtungen eine grössere Anzahl Fortsätze, meist sind es fünf bis sechs, ausstrahlen. Von diesen besitzt keiner den Charakter eines echten Neuriten, sondern sämmtliche Ausläufer verlieren meist nach kürzerem Verlaufe unter vielfacher gabel- förmiger Theilung ihre Individualität und senden ihre Endausläufer in die äussere und innere Zone des Stratum plexiforme, in seltenen Fällen auch in die diesem zunächst liegenden Gebiete der 2. und 4. Schichte. Die von diesen Zellen entspringenden Fortsätze zeichnen sich vor allen anderen durch ihre Stärke aus, so dass es leicht ist, diese Nervenelemente im diehtesten Gewirre von Fasern herauszufinden. Der Metallimprägnation sind sie ausserordentlich schwer zugänglich, weshalb ich über die Häufigkeit des Vor- kommens dieser Zellen keine bestimmten Angaben machen kann. Fig. 7. Eine fünfte in der plexiformen Schiehte vorkommende Form von Zellen wurden ebenfalls schon von den Untersuchern des Hühnergehirnes im Optikusdache gefunden und zeigen hier genau dieselben morphologischen Eigenschaften wie beim Hechte. Van Gehuchten (19), welcher dieselben mehrfach abbildet, beschreibt sie folgendermassen: „Enfin, on trouve encore & tous les niveaux de la eouche moyenne des el&ments nerveux triangulaires et fusi- formes, A direction oblique ou horizontale, pourvus de prolon- gements protoplasmatique divergents, qui s’entrelacent par leurs ramifications terminales avec les arborisations retiniennes et d’un prolongement eylindraxil, qui deviendra une fibre constituve de la couche interne. Fig. 1, h, 5, a, 7. Comme les cellules nerveuses de la zone ganglionnaire, elles ont probablement pour fonetion de recueillir ’&branlement nerveux dans des arborisations retiniennes tres eloignees l’une de l'autre.“ Im Optikusdache des Hechtes finden sich diese Zellen ziemlich häufig und gleicht ihr Zellkörper an Form und Grösse genau der im vorhergehenden beschriebenen Art. Der Neurit entspringt vom Zellleibe als mässig dieker Ausläufer und geht dann unter Abgabe 358 Ludwig Neumayer: von einigen kurzen Collateralen centripetal ziehend in die Cir- eulärfaserschichte über. Dieselben Zellen werden von Pedro Ramön y Cajal (25) im Teetum der Eidechse beschrieben. Er nennt sie Cellulas gang- lionares; dieselben liegen nach ihm in der achten Schichte, welehe der inneren plexiformen Schichte nach meiner Bezeichnung ent- spricht. Beim Hechte finden sie sich jedoch in der ganzen Tiefe der 3. Zone zerstreut vor, vor allem in deren eentralen Theilen. Hervorgehoben sei noch, dass die beschriebenen Zellen bei den Säugethieren in den corpora quadrigemina, ferner im Teetum der Frösche sowie von Fusari auch bereits bei den Knochen- fischen gesehen wurden. In den nun folgenden beiden Schichten, in der inneren Längsfaserschichte sowie der Cireulärfaserzone konnte ich keine Nervenzellen imprägnirt erhalten; um so zahlreicher und in um so grösseren Formenreichthum treten sie in der VI., in der Nerven- zellenschichte, auf. Es sind im Wesentlichen drei Grundtypen von Zellen, welche hier zu betrachten sind; neben diesen finden sich eine Reibe von Uebergangsformen, die alle charakteristischen Merkmale einer jener drei Formen zeigen und nur in einzelnen morpho- logischen Eigenschaften Variationen der drei Grundformen dar- stellen. Am häufigsten kommen Zellen zur Beobachtung, von deren birnförmigen oder ovalen Zellkörpern ein schlanker, gerade nach oben steigender Dendrit entspringt, der sich nach kürzerem oder längerem Verlaufe in ein reichverzweigtes Telodendrion auflöst. Diese Endverästelung breitet sich bei den kürzeren Formen in der inneren, bei den Zellen mit längeren Dendriten in der äusseren plexiformen Schichte aus und bildet in der Hauptsache diese beiden aus Nervenfasern bestehenden Zonen. An vielen Zellen dieser Art bemerkt man lateral vom Zellkörper entspringende, schlanke Protoplasmafortsätze, welche nach kurzem Verlauf unter vielfachen Gabelungen enden. Vom unteren, meist stumpfen Pole der Zelle nimmt der Neurit seinen Ursprung und zieht einen kleinen Bogen bildend ohne Abgabe von Collateralen eine kurze Strecke centripetal und dann zur Cireulärfaserschichte. Fig. 9. Eine mit den eben geschilderten Zellen in vielen Beziehungen ähnliche Form haben die nunmehr zu beschreibenden Nerven- Histiol. Untersuch. üb. d. fein. Bau d. Centralnervensyst. v.Esox L.etc. 359 elemente. Bei denselben splittert der centrifugal verlaufende Dendrit nach kürzestem Verlaufe in seine Endverästelung auf, so dass derselbe sein Verbreitungsgebiet theils schon in der Zellen- schichte, theils in der V. und IV. Zone findet. Hier verlaufen die Endästehen zwischen den längs- und eireulär ziehenden Nerven- bündeln, umspinnen dieselben oder geben einzelne parallel mit denselben verlaufende Aeste ab. Fig. 10 und Fig. 11. Nunmehr erübrigt noch, die die Ventrikelwände auskleiden- den, epitelialen Gebilde, die Ependymzellen, einer eingehenden Betrachtung zu unterziehen. Unter denselben sind im Wesentlichen zwei besonders charakteristische Formen hervorzuheben, welche sich bei An- wendung der Golgi’schen Methode leicht in grosser Zahl im- prägniren. Es sind: 1. Ependymzellen mit moosartig besetzten, peripher ziehen- den Fortsätzen und Zellkörpern ohne Ausläufer. 2. Ependymzellen mit glattem, peripheren Fortsatz und einem Zellleib, von dessen Seiten eine Unzahl feinster, nach allen Seiten ausstrahlender Ausläufer entspringt. Die erste Form dieser Zellen zeigt einen vielfach eingekerbten, manchmal gleichsam abgeschnürten Zellkörper, von welchem ich niemals Fortsätze ausgehen sah. Von seinem peripheren Ende entspringt ein mächtiger, gegen die Oberfläche desTecetums ziehender Ausläufer, der in einem leicht geschwungenen Bogen alle Schichten des Optikusdaches durehbricht. Er endet unter T-förmiger Theilung in der Randplexuszone. In seinem ganzen Verlauf ist dieser Fort- satz besetzt von kurzen, manchmal auch etwas längeren Seiten- ästen, die ihm das charakteristische, auch bei höheren Wirbelthieren beobachtete Aussehen emer ‚„‚moosartigen‘‘ Ependymfaser verleihen. Die Basis dieser Zellen ist nach unten hin in einen stiftähnlichen Fortsatz ausgezogen, welcher gegen den Ventrikel hin verfolgt, umbiegt, am unteren Rande der Zellen eine kurze Strecke hin- zieht und eine Art von Basalsaum zu bilden scheint. Fig. 12. Die zweite Art von Ependymzellen zeigt einen glatten, schlanken, peripheren Fortsatz. Derselbe endet entweder unter T-förmiger Theilung oder unter Bildung einer reichen bouquet- förmigen Endverästelung in der Randzone; in anderen Fällen zieht er nur bis zu einer der tiefergelegenen Schichten, namentlich bis zur plexiformen Zone; er endet unter Bildung einer reichen End- 360 Ludwig Neumayer: verästelung. Der Zellleib besitzt eine eiförmige oder — und so trifft man ihn in den meisten Fällen — eine langgezogene, viel- fach eingeschnürte Form. Von dem stumpfen, basalen Ende ent- springt ein feiner, leicht geschlängelter Fortsatz, der gegen den Ventrikel hinziehend ebenfalls, wie ich dies bereits bei der oben erwähnten Form der Ependymzellen hervorgehoben habe, einen Basalsaum des Ependyms bildet. Vom Zellkörper selbst, und das ist das charakteristische dieser Formen, entspringen bündelweise feinste Aestchen, welche dem Ganzen das Aussehen eines diecht- behaarten Wurzelstockes verleihen. Liegen mehrere Zellen dieser Art nahe neben einander, so erscheinen sie durch das unentwirr- bare Schlingwerk ihrer Ausläufer zu einem, als Stützpunkt für das ganze Tectum dienenden, festen Gefüge vereinigt. Fig. 13. An einer Reihe von Ependymzellen beiderlei Art beobachtete ich eine Erscheinung, die ich, obwohl mir deren Deutung noch nicht möglich ist, nicht unerwähnt lassen möchte. An einzelnen der mir zur Verfügung stehenden, nach Golgi behandelten Frontalschnitten des Teetums vom Hechte, sieht man nämlich den oben als stiftförmigen, von der Basis der Ependymzellen ent- springenden Fortsatz als einen feinen, fadenförmigen, weithin ziehenden Ausläufer erscheinen. Beim genaueren Studium der Präparate ergiebt sich nun, dass diese, den Charakter eines Neu- riten tragenden Fortsätze namentlich an einer Stelle auftreten : nämlich da, wo der Torus longitudinalis unmittelbar am Optikus- dache entlang zieht. Man sieht hier diese charakteristischen Fasern zu dreien und auch mehrere beisammen liegen, im Bogen zum Torus einbiegen und hier frei enden. Es war mir nun leider nicht möglich, weitere Anhaltspunkte über ihren Verlauf und ihr ferneres Schicksal zu eruiren. Doch sei im Anschluss hieran auf ein ähn- liches Verhalten der Neurogliazellen im Kleinhirn von Säugethieren und des Menschen hingewiesen. Retzius (26) und in jüngster Zeit van Gehucehten (27) beschreiben, letzterer speciell am Neugebornen in der Molecularzone und der äusseren Hälfte der granulären Schichte des Kleinhirnes, Neurogliazellen, mit inneren und äusseren Fortsätzen. Die inneren Fortsätze sind kurz und diek und enden meist in unmittelbarer Nähe der Ursprungszelle. Manchmal aber finden sich unter diesen diekere und längere Aus- läufer, welche selbst bis zur inneren weissen Substanz des Klein- hirns vordringen und hier verschieden enden. Van Gehuchten Histiol. Untersuch. üb. d. fein. Bau d. Centralnervensyst. v.Esox L.ete. 361 schliesst seine Darstellung dieser Fortsätze: „Ce prolongement interne presente quelquefois des contours A ce point reguliers qu’on pourrait le confondre & premiere vue avec un prolongement eylindraxyl, ainsi que Retzius la fait remarquer le premier.“ Es ist wohl möglich, dass es sich bei den oben beschriebenen Neurogliazellen des Hechtes um ähnliche Verhältnisse handelt, doch ergiebt ein Vergleich der Abbildungen, dass die besprochenen Fortsätze in letzterem Falle noch in weit höherem Grade den Eindruck von Neuriten hervorzurufen im Stande sind. Fig. 14. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen. Aus dieser Untersuchung des Optikusdaches von Esox L. ergeben sich eine Reihe von Schlussfolgerungen morphologischer wie physiologischer Natur. Am Teetum des Hechtes lassen sich sieben scharf von ein- ander getrennte Schichten unterscheiden, die in allen Beziehungen Homologa im Optikusdache höherer Wirbelthiere erkennen lassen. So sind die I. und II. Schichte des Teetums vom Hechte zu ver- gleichen mit der von van Gehuchten (19) beim Hühnchen mit „couche des fibres retiniennes‘ bezeichneten Zone. Hier wie dort enden die Optikusfasern sowohl wie die peripheren Fortsätze der beim Hechte in Zone III, beim Hühnchen in der Nerven- zellenschichte gelegenen Nervenzellen mit freien Endbäumchen. Unter diesen Endverzweigungen kommen niemals direkte Ver- bindungen zu Stande, die Nervenfasern treten zu einander in Beziehung einzig und allein durch Kontakt. Die in der Rand- plexusschichte beschriebenen, horizontal gelegenen Zellen stellen mit ihren sich weithin ziehenden Fortsätzen Verbindungsglieder entfernt liegender Theile des Optikusdaches dar. Ich möchte an dieser Stelle den Hinweis nicht unterlassen, dass ähnliche Zell- formen von P. Ramön y Cajal sowie auch von G. Retzius in der Grosshirnrinde des Menschen und vieler Säugethiere beschrieben wurden und dass diese von P. Ramön y Cajal bei Thieren gefundenen Zellenelemente von ihm mit den Spongioblasten der Retina verglichen werden. Jedenfalls haben wir es hier mit wirklichen nervösen Elementen zu thun und nicht wie Retzius zuerst annahm mit einer „eigenthümlichen Art von Neurogliazellen“, eine Hypothese, von welcher er im Verfolge seiner Untersuchungen wieder abkam. Da bekanntlich der grössere Theil der Optikus- 362 Ludwig Neumayer: fasern aus Zellen in der Retina hervorgeht, so ist bei denselben den Gesetzen der Neurenlehre entsprechend eine freie Endigung zu erwarten, ein Postulat, welches, wie bei Beschreibung der beiden äussersten Tektumzonen hervorgehoben wurde, erfüllt wird. Es hat also der grösste Theil der Optikusfasern im Tektum nicht seinen Ursprung sondern sein Ende, eine Thatsache, die auch van Gehuchten (19) beim Hühnchen hervorhebt, indem er schreibt: „Du faitque les fibres du nerf optique se terminent librement dans la eouche externe du lobe se degage une conelu- sion importante: contrairement A ce quon avait toujours ceru jusqu'iei, le nerf optique n’a pas son origine dansle lobe optique, mais bien sa terminaison.“ , Nun endet aber eine geringe Zahl von Nerven in der Retina frei, d. h. unter Bildung von Telodendrien, und für diese ist also central ein Ursprung aus einer Zelle vorauszusetzen. Ich glaube nun in einem Theile der Zellen der III. Zone des Optikusdaches beim Hechte die correspondirenden Ursprungszellen erkennen zu müssen und zwar aus folgendem Grunde. Wie bei der Beschreibung der Schiehten und späterhin der Zellelemente hervorgehoben wurde, geht ein grosser Theil der Neuriten der plexiformen Schichte sowie der Nervenzellenschichte in das peripherwärts ziehende Stratum der V. Zone über. Dieses vereinigt sich, wie ebenfalls erwähnt, mit Fasern der II. Zone, die in ihrem medianen Theil longitudinale, gegen die Peripherie hin aber mehr eireuläre Verlaufsrichtung der Nervenbündel zeigt. Von diesem vereinigten Nervenstamme gehört der grössere Theil der Nervenfasern den eigentlichen Optikusfasern der Zone II an, der kleinere kommt aus der Zone V, die die Hauptmasse ihrer Bündel eentralwärts schiekt. Nach der Definition muss einer peripher frei endenden Neura, hier den in der Retina frei endenden Fasern des Optikus, eine central gelegene Zelle entsprechen, die ich eben in diesem Falle in einem Theile der in der plexiformen Schichte gelegenen Nervenelemente erkenne. Eine zweite Frage, die noch einer Erklärung bedarf, ist: welche Funktion haben diese eben erwähnten Zellen der III. und VI. Zone, sowohl die, deren Neurit an der Bildung des Traetus opticus theil- nimmt wie diejenigen, deren nervöser Fortsatz nach innen zieht ? Nach der Ansicht van Gehuchten’s und der Mehrzahl der Eingangs erwähnten Forscher sind die Nervenzellen des von Histiol. [ntersuch. üb. d. fein. Bau d. Centralnervensyst. v.EsoxL.ete. 363 mir als III. Zone bezeichneten Abschnittes des Tectums als die speci- fischen Optikuszellen zu betrachten. Ich glaube diesen Satz in so fern modifiziren zu müssen, als ich nur einen Theil der im Optikusdache vorkommenden nervösen Elemente als Optikuszellen anspreche, denjenigen Theil derselben aber, deren Neuriten das Centralorgan nicht verlassen und bis in das cerebellum und in die medulla verfolgt werden können, eine psychosensible oder psycho- motorische Funktion vindieire. Ich stütze mich zum Beweise dieser Behauptung auf die bedeutungsvollen Untersuchungen J. Steiner ’s (28) über die Exstirpation des Grosshirns bei Knochen- fischen, die namentlich von Baudelot und Vulpian in ähnlicher Weise ausgeführt wurden. Steiner, der seine Versuche an Squallius cephalus ausführte, fasst die Ergebnisse in folgendem Satze zusammen: Da die des Grosshirns beraubten Fische noch vollkommene Erhaltung des Willens ete. zeigen, entbehre dieses Organ hier aller jener cardinalen Funktionen, welche man bisher bei allen über den Fischen stehenden Wirbelthieren als dem Gross- hirn eigenthümlich und charakteristisch betrachtet hatte. Hieraus schliesst er: „es wandern in der Wirbelthierreihe Funktionen des Mittelhirns in das morphologisch definirte Grosshirn, oder die phylogenetische Entwicklung des Grosshirns beruht auf einer Anhäufung von Funktionen, welche dorthin aus dem Mittelhirn nach und nach eingewandert sind.“ Im Zusammenhalte mit diesen Schlussfolgerungen Steiner’s, mit welchen auch die mor- phologischen Verhältnisse nicht im Widerspruche stehen, glaube ich mich zu der Annahme berechtigt, dass jene sonst dem Gross- hirn, speciell der Grosshirnrinde zukommenden Funktionen beim Hechte wie bei allen Knochenfischen in das Tectum zu verlegen seien, dieses also an Stelle des mangelnden Grosshirnmantels vicariirend eintritt. Wir haben also, wenn ich die Ergebnisse zusammenfasse, das Tectum loborum opticorum als jenen Theil des Centralnerven- systems der Fische, hier speciell des Hechtes, zu betrachten, welcher seinem histologischen Baue nach mit dem vorderen Vierhügelpaare der höheren Vertebraten homologisirt werden kann. Funktionell ergeben sich für das Tectum eine Reihe von Eigenschaften, die es nicht allein als Analogon des vorderen Vierhügelpaares sondern auch als ein Ersatz der bei den Knochenfischen fehlenden Gross- hirnhemisphären anzusprechen zwingen. 364 14. 15. 16. IM Ludwig Neumäyer: Literaturverzeichniss. R. Fusari, Untersuchungen über die feinere Anatomie des Gehirns der Teleostier. Internationale Monatsschrift für Anatomie und Physiologie. Vol. IV. 1887. Pedro Ramön y Cajal, Investigaciones de histologia comparada en los centros opticos de los vertebrados. Tesis del doctorado. Madrid 1890. Ferner: Investigaciones mierogräphicas en el ence- phalo de los baträceos y reptiles. Zaragoza 189. : F. Capobianco, Sur une particularit& de structure de l’&corce du cervelet. Archives italiennes de biologie. Vol. XXI. 1894. A. Schaper, Zur feineren Anatomie des Kleinhirns der Teleostier. Anatomischer Anzeiger. Vol. 8. 1893. A. van Gehuchten, Contribution APl’etude du systöme nerveux des tel&osteens. Communication pr@liminaire. La cellule. Vol. X. Fasc. 2. 1894. C. G. Carus, Versuch einer Darstellung des Nervensystems und insbesondere des Gehirns nach ihrer Bedeutung, Entwicklung und Vollendung im thierischen Organismus. Leipzig 1814. Gottsche, Vergleichende Anatomie des Gehirns der Grätenfische. Müller’s Archiv 1835. L. Stieda, Ueber das Rückenmark und einzelne Theile des Ge- hirns von Esox Lucius: Dissert. inaug. Dorpat 1861. Viault, Recherches histiologiques sur la structure des centres nerveux des Plagiostomes. Archives de Zoologie experimentale et generale. Vol. V. 1876. V. Rohon, Das Centralnervensystem der Selachier. Wien 1877. Vignal. Note sur l’anatomie des centres nerveux du Mola. Ar- chives de Zoologie experimentale et generale. Vol. IX. 1881. G. Fritsch, Untersuchungen über den feineren Bau des Fisch- gehirns. Berlin 1878. P. Mayser, Vergleichend-anatomische Studien über das Gehirn der Knochenfische mit besonderer Berücksichtigung der Cyprinoi- den. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Vol. XXXVI. 1882. Mauthner, Beiträge zur näheren Kenntniss der morphologischen Elemente des Nervensystems. Sitzungsberichte der kaiserl. Acad. . Vol. XXXIX. 1859. Denissenko, Zur Frage über den Bau der Kleinhirnrinde bei verschiedenen Klassen von Wirbelthieren. Archiv für mikrosko- pische Anatomie. Vol. XIV. 1877. Santiago Ramön y Cajal, Citirt bei M. v. Lenhossek. Fort- schritte der Mediein. Vol. X. 1892. M. v. Lenhossek, Der feinere Bau des Nervensystems im Lichte neuester Forschungen. Separat-Abdruck aus: Fortschritte der Medicin. Vol. X. 1892. Histiol. Untersuch. üb. d. fein. Bau d. Centralnervensyst. v.Esox L.ete. 365 18. Santiago Ramön y Cajal, a) Estructura del lobulo optico de las aves y origen de los nervios opticos. Rivista trimestrial de histologia normal y pathologia No. 3 und 4. 1889. — b) Sur la fine structure du lobe optique des oiseaux et sur l’origine reelle des nerfs optiques. Internationale Monatsschrift für Anatomie und Physiologie. Vol. VIII. 1891. 19. van Gehuchten, La structure des lobes optiques chez l’embryon de poulet. La cellule. Vol. VIII. 1892. 20. L. Stieda, Studien über das centrale Nervensystem der Vögel und Säugethiere. Zeitschr. für wissenschaftl. Zoologie. Vol. XIX. 1868. 21. Schulgin, Lobi optici der Vögel. Zoologischer Anzeiger 1883. 22. Belloneci, Ueber die centrale Endigung des Opticus bei Verte- braten. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Vol. 47. 1888. 23. Tartuferi, Sull’ anatomia delle eminenze bigemine anteriori dell’ uomo. Milano 1885. 24. Santiago Ramön y Cajal, Textura de las eirconvoluciones de los mamiferos inferiores. Nota preventiva. Gaceta medica Catalana del 15. deeciembre 1890. — Sur la structure de l’ecorce e&rebrale de quelques mamiferes. La Cellule. Vol. VII. 1891. 25. PedroRamön y Cajal, El encephalo de los Reptiles. Barcelona 1891. 26. J. Retzius, Ueber den Bau der Oberflächenschichte der Gross- hirnrinde beim Menschen und bei den Säugethieren. Verhandlungen des biol. Vereins in Stockholm. 1891. 27. A. van Gehuchten, La neuroglie dans le cervelet de l’'homme. Bibliographie anatomique. 1894. No. 4. 28. J. Steiner, Ueber das Gehirn der Knochenfische. Sitzungsberichte der k. p. Academie der Wissenschaften. 1886. I und II. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIII. Fig. 1a. Schematische Darstellung des Teetums. Frontalschnitt. I. Randplexuszone. II. Aeussere Längs-Querfaserschichte. III. a) Aeus- sere plexiforme, b) innere plexiforme Schicht. IV. Innere Längsfaserzone. V.Cireulärfaserschicht. VI. Nervenzellenschichte. VII. Ependymzellenzone. Fig. 1 und 2. Zellen in der Randplexusschicht. Fig. 3. Zellen der äussern Längs- und Quer-Faserschicht. Fig. 4, 5, 6, 7, 8. Zellen der plexiformen Schicht. Fig. 9, 10, 11. Zellen der Zellenschichte. Fig. 12 und 13. Ependymzellen. Fig. 14. Frontalschnitt durch das Tectum und Torus longitudinalis (T.1.). E. Ependymzellen mit feinen, weithinziehenden basalen Fortsätzen. Die Zeichnung 1a wurde mit Seibert Oec.I, Obj. II und Zeichen- prisma entworfen; die Fig. 1 bis 14 mit Oe. I, Obj. IV. Archiv £. mikrosk, Anat. Bd. 44 24 366 Alfred Kohn: (Aus dem histologischen Institut der deutschen Universität zu Prag. Vorstand: Professor Dr. Sigmund Mayer.) Studien über die Schilddrüse. Von Alfred Kohn, Assistenten am histologischen Institut der deutschen Universität zu Prag. Hierzu Tafel XXIV. A. Das äussere Epithelkörperchen der Schilddrüse. (Glandula parathyreoidea [Sandström], Glandule thyroidienne [Gley u.a. französische Autoren].) Das äussere Epithelkörperchen der Schilddrüse wurde im Jahre 1850 von Sandström (29)!) entdeckt und unter dem Namen „Glandula parathyreoidea“ genau beschrieben. Diese schildert er?) „als eine paarige Drüse, die bei den von ihm untersuchten fünfzig menschlieben Individuen immer vorhanden war. In Betreff der Lage, der Grösse, der Gestalt und der Farbe kommen manche Verschiedenheiten vor. Die beiden Drüsen liegen immer jederseits in der unmittelbaren Nähe der Schilddrüse an der hinteren Fläche der Seitenlappen oder in der Nähe des unteren Randes derselben. Oft findet man beide in der Nähe der Arteria thyr. infer. Die Grösse der Drüsen schwankt zwischen 3—15 mm; in der Mehrzahl der Fälle sind sie ungefähr 6 mm gross. Der Gestalt nach sind sie in der Regel mehr oder weniger plattgedrückt; die Farbe ist gewöhnlich roth- braun mit einem Stich ins Gelbliche. Von der Art. thyr. inf. treten ein oder mehrere kleine Arterienzweige in die Drüse ein. Auf dem Durchschnitt der erhärteten Drüse erkennt man zuweilen schon mit unbewaffnetem Auge eine undeutliche Lappung der Substanz, welche von einer gemeinsamen Bindegewebshülle um- 1) Die dem Autornamen beigegebene Ziffer verweist auf die ihr entsprechende des am Schlusse befindlichen Literaturverzeichnisses. 2) Citirt nach Hofmann-Schwalbe's Jahresberichten über die Fortschr. d. Anat. u. Physiol. IX. Bd. Leipzig. 1881. 1. Abth. Studien über die Schilddrüse. 367 geben ist. Die Drüsensubstanz bietet, was ihre gröbere Anord- nung betrifft, manche Variationen dar: 1. Oft erscheint sie als eine einzige zusammenhängende Zellenmasse, durchzogen von einem ziemlich dichten Capillarnetze. 2. In anderen Fällen be- steht das Drüsenparenchym aus netzartig mit einander zusammen- hängenden Zellenbalken, deren Maschen von den Blutgefässen und dem diese umgebenden Bindegewebe ausgefüllt sind. 3. Endlich findet man zuweilen auch die Drüsenzellen zu mehr weniger zahlreichen runden Klümpchen, „Follikeln“, vereinigt. Nicht selten finden sich diese drei verschiedenen Typen nebeneinander in einer Drüse; zuweilen ist in der ganzen Drüse nur der eine vertreten. Von Thieren untersuchte Sandström Hund, Katze, Pferd, Ochs und Kaninchen auf das Vorkommen der fraglichen Drüse; bei allen wurde sie constant angetroffen. Die also beim Menschen und bei anderen Säugethieren vorhandene Drüsenbildung gehört (nach Sandström) offenbar derselben Gruppe von Drüsen an wie die Schilddrüse; sie bietet nämlich in ihren be- sonders beim Menschen vorkommenden verschiedenen Variationen grosse Uebereinstimmung mit den verschiedenen Entwicklungs- stadien der Schilddrüse, und sie dürfte als eine der Schilddrüse verwandte embryonale Drüse betrachtet werden können. Mit den nur ausnahmsweise vorkommenden, der Schilddrüse im Baue vollständig gleichenden Glandulae thyreoideae acces- soriae hat die vorliegende Drüsenbildung nichts zu thun; in den Fällen, wo jene vorkommen, ist diese neben ihnen vorhanden. Sandström nennt die von ihm neu beschriebenen Drüsen Glandulae parathyreoideae, um (wie bei Parovarium, Paradidymis) auf ihre embryonale Natur hinzuweisen. Ihre phy- siologische Bedeutung bleibt unklar; dagegen sind sie für die Patho- logie wahrscheinlich von Bedeutung, da sie zu Neubildungen Anlass geben können.“ Sandström selbst glaubt zwar annehmen zu dürfen, dass die „Paratlyreoidea‘“ bereits vor ihm von Remak und Virchow gesehen worden sei, und es unterliegt in der That‘ keinem Zweifel, dass vor ihm ebensowohl als nach ihm mancher Forscher sie gesehen und erwähnt hat, ohne sie jedoch entspre- chend zu würdigen. Es bleibt demnach das unbestreitbare Ver- dienst Sandström’s, die von ihm sogenannte „Parathyreoidea“ zuerst als ein dem Menschen und mehreren Säugethieren 368 Alfred Kohn: constant zukommendes Organ erkannt und dasselbe ein- gehend beschrieben zu haben. Aus der Zeit vor Sandström erwähne ich die von Kölliker (15) angeführten Angaben Seessel's über paarige Nebenschilddrüsen bei Hühnerembryonen, bei welchen auch Remak Nebendrüsen der Sehilddrüse fand; Kölliker selbst beschreibt einige von ihm in der Schlundgegend von Kaninchenembryonen aufgefundene „räthselhafte Organe“. Ob sich das eine oder an- dere dieser „räthselhaften Organe“ mit der „Parathyreoidea“ Sandström’s deekt, lässt sich schwer mit voller Bestimmtheit entscheiden. Mit grösserer Wahrscheinliehkeit dürfte man die Vermuthung aussprechen, dass die „Parathyreoidea“ hie und da unter die aecessorisehen Schilddrüsen, besonders unter die Glandulae thyreoideae accessoriae posteriores, gerechnet wurde. Es ist vielleieht zweekmässig, gleich an dieser Stelle den Unterschied zwischen „Parathyreoidea“ und Gland. thyreoid. ac- cessoriae, auf welchen schon Sandström hingewiesen hat, nachdrücklich hervorzuheben. Unter „Glandulaethyr.accessoriae“ oder Neben- scehilddrüsen versteht man nach der übereimstimmenden Auf- fassung aller Untersucher, die sich mit ihnen beschäftigten, echte, meist kleine Scehilddrüsen, die getrennt vom Hauptorgan zur Entwicklung gelangten. Sie sind ineonstant bezüglich ihres Vorkommens überhaupt, wechselnd in ihrer Lage; sie werden vereinzelt bald in der unmittelbaren Nachbarschaft der Schild- drüse, bald weiter von ihr entfernt (vor und über dem Zungenbein [Verneuil (32), Kadyi (13), Zuekerkandl (57), Made- lung (19)] und selbst an der Aorta [Wölfler (35b)] angetroffen), ebenso schwankend ist ihre Grösse und Zahl. Die Unter- suchungen ihres feineren Baues ergaben vollständige Ueber- einstimmung mit dem der Schilddrüse selbst. Sie sind als von der Hauptmasse der Schilddrüse losgelöste, dieser nach Struetur und Funetion ganz gleiehwerthige Drüsen aufzufassen. Die „Parathyreoidea“ dagegen ist ein paariges Organ; es gibt eine reehte und linke, wie es einen rechten und linken Seitenlappen der Schilddrüse gibt. Sie kommt ferner bei den bisher darauf untersuchten Thieren, sowie auch beim Menschen constant vor; sie zeigt auch eine unverkennbare Regelmässig- Studien über die Schilddrüse. 369 keit betreffs ihrer Lage, Grösse und Zahl; ihr Bau entspricht nicht dem der Sehilddrüse; welche Funetion ihr unter nor- malen Verhältnissen zukommt, bleibt unentschieden; ‚jedenfalls produeirt sie nicht, gleich der Schilddrüse, eolloides Seeret. Da nım gewiss nicht in allen Fällen, wo über das Vorkom- men von „Glandulae thyreoideae accessoriae“ an der Sehilddrüse selbst berichtet wurde, die mikroskopische Unter- suchung zur Bestätigung der Diagnose herangezogen wurde, so liegt die Vermuthung nahe, dass nicht selten die „Parathyreoidea‘ mit Unrecht zu den Gland. thyr. aceessor. gezählt wurde. Diese Annahme findet noch eine besondere Stütze in dem Umstande, ‚dass gerade die gewöhnliche Lagerstätte der „Para- thyreoidea“ auffallend oft als Fundort von Nebenschilddrüsen (Gl. thyr. ace. post.) angeführt wird. Virchow (85) z. B. sagt bei Besprechung der aceessorischen Strumen: „Ich erwähne namentlich den hinteren Umfang der Seitenhörner, wo ich ausser- ordentlich häufig kleine, oft nur erbsengrosse rundliche Knoten finde, die dureh loses Bindegewebe mit der Drüse zusammen- hängen und eher wie kleine Lymphdrüsen, als wie Theile der Sehilddrüse aussehen.“ | Es ist also ziemlich wahrscheinlich, dass die ‚„Parathyreoi- dea“ manchem Forscher schon vor Sandström zu Gesichte gekommen ist; bestimmt erwähnt und abgebildet wird sie jedoch erst wieder ein Jahr nach dem Erscheinen seiner Arbeit in einer Untersuchung Baber's (2) über den feineren Bau der Schild- drüse. Ohne Kenntniss von Sandström’s Abhandlung gibt er an, dass er bei Hund, Katze, Schaf, Seehund, Krähe und Taube eigenartige Gebilde gesehen habe, die durch Bindegewebe scharf von der Drüse gesondert waren. Diese Gebilde bestehen aus Strängen von säulenförmigen und eubischen Zellen, die von Binde- gewebe und reichlichen Blutgefässen durchzogen sind; die Aehn- lichkeit derselben mit Formationen, wie sie im Verlauf der Um- bildung der epithelialen Schilddrüsenanlage zu ihrer definitiven Gestaltung vorgefunden werden, tritt deutlich hervor. Da nur in einem Falle (bei einem Hunde) festgestellt werden konnte, dass eine solche Portion unentwickelten Sehilddrüsengewebes nicht deutlich von dem übrigen Organ getrennt war und in normales Schilddrüsengewebe überzugehen schien und ausserdem bei Hun- den von drei Monaten und darüber keine Spuren emer Weiterent- 370 Alfred Kohn: wicklung zeigte, so wird es nicht als wahrscheinlich erachtet, dass ein solcher Uebergang als die Regel anzusehen ist. Wiewohl in demselben Jahre die verschiedenen Jahres- berichte ausführliche Referate über Sandström’'s Arbeit brach- ten, fand sie doch im Allgemeinen wenig Beachtung. W. Krause (16) erwähnt ihrer in seinen Nachträgen zur Anatomie und in der 2. Auflage seiner Anatomie des Kaninchens. Erst einer Reihe von Mittheilungen Gley ’'s (9), welche seit dem Jahre 1892 erschienen, war es vorbehalten, der ‚„Para- thyreoidea“ Sandström’s unter dem neuen Namen „Glandule thyroidienne‘ die Aufmerksamkeit der Untersucher zuzu- wenden. Wenn ich über Gley’s diesbezügliche Arbeiten aus- führlicher berichte, so ist dies darin begründet, dass in denselben der „Glandule thyroidienne‘“ eine unerwartet. grosse Bedeutung zuerkannt wird. Im Gegensatze zu der ziemlich allgemein angenommenen Anschauung, dass die Thyreoideetomie bei erwachsenen Nagern (spec. beim Kaninchen) keine Kachexie im Gefolge habe, stellte Gley die Behauptung auf, dass auch beim Kaninchen der Tod als regelmässige Folge der Schilddrüsenexstirpation eintrete, wenn man die „thyroideetomie complete‘ (Gley) ausführt, d.h. wenn man nicht nur, wie bisher, die Schilddrüse (glande thyroide, corps thyroide), sondern auch die beim Kanin- chen meist getrennt von der Schilddrüse gelegenen „Glandu- les thyroidiennes“ (die „Parathyreoideae“ Sand- ström’s) entfernt. Dieses merkwürdige Ergebniss veranlasste ihn zur genaueren Untersuchung der „Glandules thyroidiennes‘“ zunächst beim Ka- ninchen, über die er Folgendes mittheilt: C’est qu’il existe non loin de ce corps thyroide, seul connu jusqu’alors!), et de chaque cöte un petit lobule, dont l’importance physiologique est tres grande. Ces glandules sont le plus ordinairement plac&es au dessous du corps thyroide, mais un demi-centimetre plus bas environ, appliquees sur la carotide, completement cachees par le muscle sterno-thyroidien, et ainsi dans cette situation, comme elles sont 1) Dieses Versehen hat Gley selbst sofort in einer Anmerkung durch den’ Hinweis auf Sandström berichtigt. ‘ Studien über die Schilddrüse. By! tres petites, diffieiles A voir. Deux ou trois fois cependant, je les ai trouvees sur le m&me niveau que le corps principal, mais en dehors de chacun des lobes et par consequent encore com- pletement recouvertes par le musele sterno-thyroidien, quoique reliees chacune au lobe du m&me cöte par un tracetus conjonetif. Chaque glandule est pourvue de vaisseaux; sa longueur est de 4 a 6mm et sa largueur de 1 & 1!/; mm; son poids de 0.004 A 0.006&.... La structure de ces glandules n’est pas la m&me que celle du corps prineipal, mais rappelle celle de la glande ä l’etat embryonnaire.“ Angeregt durch diese Befunde, suchte Cristiani (6) bei andern Nagern nach den „Glandules thyroidiennes“ und fand sie auch thatsächlich bei den für die Untersuchung gewählten Thieren : der Ratte, der Haus- und der Feldmaus. Sie zeigten im Allge- meinen denselben Bau wie beim Kaninchen, aber mannigfache Abweichungen bezüglich ihrer Lage zur Schilddrüse bei den ver- schiedenen Speeies. Cristiani identifieirt die „glandules tlıyroi- diennes“ mit der seitlichen (paarigen)Schilddrüsenanlage — ob mit Recht, bleibt vorläufig fraglieh — und fasst von diesem Gesichtspunkte die Ergebnisse seiner Untersuchungen fol- gendermaassen zusammen: „En somme nous voyons, que chez les rongeurs que nous avons etudies jusqu’a present, les glandules thyroidiennes — c'est a dire les glandes thyroides laterales acces- soires — ne se fusionnent jamais completement avec le corps thyroide. Chez le rat, oü les glandules sont completement en- chässees dans la glande prineipale, leur fusion est loin d’etre accomplie. Les deux formations thyroidiennes — la centrale et les laterales -— gardent leur aspeet different et restent separees par une couche de tissu conjonetif läche. Chez la souris, les glandules sont encore enchässees dans le corps thyroide, mais plus imparfaitement que chez le rat: elles prominent au dehors — surtout d’un cöteE — et tendent A se separer de la glande. Chez le campagnol, ee phenomene est beaucoup plus accentue: une seule des glandules est enchässee par sa pointe, dans le corps thyroide; tandis que celle de l’autre cöt en reste totalement Bel s separee. Enfin, chez le lapin, d’apres les recherches de Gley, les deux glandules restent ind@pendantes de la glande principale, avec laquelle elles n’affeetent aucun rapport immediat.“ Da Gley es als feststehendes Ergebniss seiner Versuche 372 Alfred Kohn: ansah, dass nur die bei der bisher geübten Methode der Schild- drüsenexstirpation beim Kaninchen in der Regel zurückgelassenen „glandules thyr.“ dafür verantwortlich zu machen seien, dass die Thyreoideetomie bei diesem Thiere nicht dieselben schweren Folgen nach sich zog, wie zum Beispiel beim Hunde, musste es ihm sehr wichtig erscheinen, nach diesen Organen beim Hunde zu suchen. Er fand sie auch wirklich. Während sie aber beim Kaninchen meist getrennt vom Hauptorgan lagen, woraus sich eben ihr häufiges Zurückbleiben bei Schilddrüsenexstirpationen erklärt, fand er sie beim Hunde jederseits in die Seitenlappen förmlich eingeschlossen, so dass bei diesem Thiere schon eine jede, im gewöhnlichen Sinne vollständige Thyroideetomie auch eine „thyroidectomie complete“ im Sinne Gley’s war. Was war natürlicher, als auf diesen Umstand das gegensätzliche Resultat der Operation bei Kaninchen einerseits und Hund andererseits zurückzuführen ? Um dies zu beweisen, bemühte sich Gley, auch bei letzterem die Schilddrüse allein zu entfernen, die „glandules thyroidiennes‘“‘ aber zurück- zulassen. Dies gelang ihm auch, und der Erfolg bestätigte seine Erwartungen: „Chez tous les animaux, sauf deux, la conser- vation des glandules a emp&ch® la mort“ (9e). Ein Unterschied ergab sich nur insofern, als beim Kaninchen schon die Erhaltung einer Glandule zu genügen scheint, beim Hunde aber beide zurückgelassen werden müssen, um die lebensgefährlichen Folge- erscheinungen hintanzuhalten. Der ausführliche Bericht über diese Versuche dürfte wohl kaum als eine Abschweifung vom vorliegenden Gegenstande an- gesehen werden, wenn man bedenkt, dass dies die einzigen That- sachen sind, die ein Licht auf die etwaige funetionelle Bedeutung des zu besprechenden Organs zu werfen scheinen. Wie sollten diese, scheinbar unfertigen Gebilde, die Folgen der Ausschaltung einer so bedeutsamen Drüse verbüten? Gley ist der Ansicht, dass sie, indem sie sich zu echtem Drüsengewebe weiter entwickeln und bedeutend — bis auf das Doppelte ihres ursprünglichen Volums — hypertrophiren, für den Ausfall der Function der ausgeschalteten Schilddrüse aufkommen, dadurch das Leben des Thieres erhalten und so ev. auch noch einem anderen Or- gane Zeit lassen, zu hypertrophiren und vieariirend für die exstirpirte Drüse einzutreten: „Le caractere embryonnaire des bourgeons glandulaires tend & s’effacer, Ja glandule parait evoluer vers le Studien über die Schilddrüse. 373 type definitif de la glande thyroide normale ..... Voiei un organe, qui reste A l’etat embryonnaire, suffit a remplir une fonetion ' extr&mement importante, puis qui reprend bientöt, par l’effet m&me de cette activite, le cours longtemps interrompu de son developpe- ment et qui fourmit ainsi une preuve experimentale directe du prineipe que l’on enonce en ces termes: la fonetion er&e l’organe.“ Seine Untersuchungen über die „Glandules thyroidiennes“ des Hundes schliesst er mit den Worten: „Il me semble, que tous ces faits montrent bien le röle important, pour le maintien et l’exereice d’une fonetion des plus indispensables & lavie, que peu- vent jouer, chez l’animal adulte, des organes restes embryonnaires.“ Es wäre unzweifelhaft von höchstem Interesse, wenn sich diese Angaben bestätigten. Wohl ohne jede Analogie stände der Fall da, dass ein unentwickelt gebliebenes Organ noch nach voll- endetem Wachsthum des Organismus sich im Bedarfsfalle weiter entwickelt und die dem fertigen Stadium entsprechende Function ausübt. Diese Bestätigung ist jedoch bis jetzt ausgeblieben. Moussu (38) hat!) die Gley schen Versuche an Kaninchen wiederholt. Von zwölf ausgewachsenen Kaninchen starb keines an den Folgen der totalen Thyroideetomie.. Auf Grund dieser Resultate ist er geneigt, den „glandules thyroidiennes“ nicht den Werth beizulegen, den Gley ihnen zuweist. Hofmeister [Tübingen] (10 b) stellt eine Weiterentwieklung der bei Schild- drüsenexstirpation zurückgelassenen „Parathyreoideae“ zur func- tionirenden Endform bestimmt in Abrede: „Bei?)jungen Kaninchen hat die Entfernung der Glandula thyreoidea eine typische, ehronisch sich ausbildende Kachexie zur Folge; durch gleichzeitige Entfernungder Sandström-Gley’schenParathyreoideae kann man bei Kaninchen eine letal verlaufende Tetanie erzeugen. Eine histologische Umbildung der Parathyreoidea zum Typus der eigentlichen Schilddrüse nach Entfernung der letzteren ist nicht zu eonstatiren, sondern es findet eine allmähliche Anpassung an den thyreopriven Zustand statt.“ Durch diese letztgenannten Arbeiten gewinnt die „Para- thyreoidea® Sandström s eine weit über das ursprüngliche rcın anatomische Interesse hinausgehende Bedeutung, so dass ich mich 1) Nach „Fortschritte der Mediein“ Bd. X. No. 23. 1892. 2) Nach „Fortschritte der Medicin“. 1894. 374 Alfred Kohn: entschloss, meine hierüber seit längerer Zeit gesammelten Er- -fahrungen zu veröffentlichen. Da sich im Verlaufe der Unter- suchung immer mehr die Ansicht in mir befestigte, dass die so oft behauptete Identität zwischen „Parathyreoidea“ und Thyreoidea noch sehr des Beweises bedürftig sei, zog ich es vor, statt der von Sandström und Gley unter der Voraussetzung dieser Identität gewählten Bezeichnungen den nichts präjudieirenden Namen „Epithelkörperehen“!) in Anwendung zu bringen. „Aeusseres Epithelkörpercehen“ nenne ich das in Rede stehende Organ, um es von einem ähnlichen, im zweiten Theile dieser Arbeit beschriebenen, dem „inneren Epithelkörperchen* der Schilddrüse zu unterscheiden. Die hier mitgetheilten Beobachtungen machte ich zum Theile an den zahlreichen, diesen Gegenstand betreffenden Präparaten des Herrn Professor Sigmund Mayer, zum Theile an den von mir selbst zu diesem Zwecke neu angefertigten. Ich ging dabei meist in der Weise vor, dass ich die Schild- drüse und ihr äusseres Epithelkörperchen im Zusammenhang mit den angrenzenden Organen (Trachea, bez. Larynx — Oesophagus) herausnahm, entsprechend vorbereitete und in Serienschnitte zer- legte. Diese Methode entschädigte mich dafür, dass ich, streng genommen, viel mehr Material verarbeiten musste, als ich zu unter- suchen gedachte, durch mannigfache Vortheile.. Sie bot eine rasche und klare Uebersicht der topographischen Verhältnisse, sie zeigte selbstverständlich ohne Weiteres die Beziehung des äusseren Epithelkörperchens zur Thyreoidea, sie ermöglichte einen schnellen und sicheren Vergleich zwischen rechts und links und bot mir die Gewähr, dass ich die Drüse nirgends verletzt, nichts Hinzugehöriges zurückgelassen hatte. Als ieh mich auf diese immerhin etwas umständliche Weise genügend orientirt zu haben glaubte, begnügte ich mich häufig mit der Untersuchung der von den Nachbarorganen losgelösten Schilddrüse sammt ihrem äusseren Epithelkörperehen, ebenfalls in Serienschnitten. Endlieh versuchte ich wiederholt, dass äussere Epithel- körperehen dort, wo es dem freien Auge deutlich sichtbar schien, von der Schilddrüse loszulösen und für sich allein der Unter- 1) Vergl. pag. 414. Studien über die Schilddrüse. 375 suchung zu unterwerfen. Auf diese Fälle werde ich später noch einmal zurückkommen. Von Thieren benutzte ich ganz frisches, lebenswarmes Ma- terial, betreffs des Menschen war ich natürlich auf minder frisches (ea. 12—24 Stunden nach dem Tode) angewiesen!). Einige der Thiere wurden zuvor mit rother oder blauer Leimmasse von der Aorta aus injieirt. Zur Fixirung frischen Gewebes dienten Sublimat- Alcohol, Sublimat-Pikrinsäure, Platinchlorid, Chromosmiumessig- säure, sonst Müller’sche Flüssigkeit und Aleohol. Gefärbt wurde mit Hämatoxylin, Hämatoxylin und Eosin, Alauncochenille, Bismarck- braun, Safranin und dem Biondi'schen Farbengemisch, eingebettet meist in Paraffin, seltener in Celloidin. Untersucht wurden Maus, graue und weisse Ratte, Meer- schweinchen, Kaninchen, Katze, Hund und Mensch. Als wesentliches Resultat dieser Untersuchungen ergab sich zunächst das econstante Vorkommen des paarigen äusseren Epithelkörperchens. Dasselbe liegt meist an der äusseren oder hinteren Fläche des entsprechenden Seitenlappens, mitunter auch ganz losgelöst von der Schilddrüse und dann gewöhnlich etwas unterhalb derselben. Niemals wurde es an der Innenfläche der Seitenlappen, niemals innerhalb der Schilddrüse, von deren Gewebe umschlossen, angetroffen. Es ist in der Regel scharf und denut- lich gegen die Schilddrüse abgegrenzt, sein Epithel ohne Zu- sammenhang mit dem der Drüse. Es macht durchaus den Eindruck eines von der Thyreoidea morphologisch und functionell ver- schiedenen, selbstständigen Gebildes (s. Taf. XXIV, Fig. 1). Mit Rücksicht auf die vielfachen Schwankungen unterworfenen Lageverhältnisse lassen sich etwa vier Gruppen aufstellen: 1. Das äussere Epithelkörperchen liegt der Schilddrüse nicht an, sondern getrennt von ihr, gewöhnlich etwas unterhalb der Seitenlappen, in einer eigenen, aus fibrillärem Bindegewebe gebildeten Kapsel. In diesem Falle ist seine Selbst- ständigkeit am ausgesprochensten. So gelagert findet man es häufig beim Kaninchen. 2. Es liegt der äusseren oder hinteren Fläche der 1) Das menschliche Material verdanke ich der Güte des Herrn Professor H. Chiari. 376 Alfred Kohn: Seitenlappen lose an, durch lockeres Bindegewebe mit deren Kapsel zusammenhängend, sonst in einer besonderen bindegewebigen Umhüllung. Das sind die Fälle, wo das äussere Epithelkörperchen makroskopisch einem kleinen Appendix der Schilddrüse, etwa einem Lymphknötchen oder einer accessorischen Schilddrüse ähn- lich sieht und sich auch noch ganz leicht von dieser isoliren lässt. So findet es sich gewöhnlich beim Menschen (an der Hinterfläche), nicht selten bei der Katze und bisweilen beim Kaninchen (an der Aussenfläche). 3. Es wölbt sich mit seiner Convexität nur oberflächlich in eine seiehte Mulde (gewöhnlich der hinteren Fläche) der Seitenlappen ein, während der grössere Theil des Körperchens frei hervorragt und eine kleine Prominenz unter der Drüsenkapsel bildet, von der es nach aussen (hinten) umschlossen wird; gegen die Drüse grenzt es sich durch eime schmale Zone fibrillären 3indegewebes ab, welches an den Seiten mit der Schilddrüsen- kapsel verschmilzt. Ein derartiges Verhältniss ist bei der Katze die Regel, bei der Ratte die Ausnahme. 4. Mehr als das halbe, mitunter das ganze Epitheiköfperolfen ist in die Aussenfläche der Seitenlappen förmlich eingekeilt. In dieser Lage trifft man es bei Maus, Ratte, Meerschweinchen, Hund, seltener auch bei der Katze. In diesem Falle hat man an Querschnittsbildern den Ein- druck, als ob ein Segment oder ein Zwickel der äusseren Partie der Drüse herausgeschnitten und durch das andersartige Gewebe des Epithelkörperchens ersetzt wäre. Tiefer aber sah ich das äussere Epithelkörperchen nicht in die Schilddrüse eindringen. Wenn es sich in diese auch zur Gänze emkeilte, seine Aussen- fläche blieb doch frei und unbedeckt vom Drüsengewebe, lag somit unmittelbar unter der Kapsel der Thyreoidea und verlief in einer Flucht mit deren äusserem Contour, der gleichsam an einer Stelle unterbrochen und durch den des Epithelkörperehens ganz entsprechend ergänzt wurde. Nicht selten ist auch noch in diesem Falle das Epithel- körperehen von einer besonderen, zarten, bindegewebigen Kapsel umhüllt. Diese verbindet sich aussen wieder mit der Drüsen- kapsel, an der Innenseite hängt sie oft mit emer kleinen An- häufung von Bindegewebe zusammen, «das sich mitunter zwischen Studien über die Schilddrüse. 317 Epithelkörperchen und Thyreoidea einlagert und einigen grösseren Gefässen, Arterien und Venen, als Lagerstätte dient. Wo diese fehlen, bildet doch noch eine schmale Zone langgestreckter Binde- gewebszellen mit ebensolchen, dunkel gefärbten Kernen die nirgends durehbrochene Grenze zwischen den beiden Organen. Die in dieser Darstellung zum Ausdruck gebrachte An- schauung, dass das äussere Epithelkörpercehen nie- malsinnerhalb der Schilddrüse gelegen sei, steht mit den Angaben von Hürthle (12) und Zielinska (36), nach denen dieselben Gebilde auch im Inneren der Drüse gefunden werden, nur in einem scheinbaren Widerspruch. Denn ich habe schon früher erklärt, dass ich diese in der Schilddrüse ein- geschlossenen, ähnlichen Körperchen als „innere Epithel- körperchen“ der Schilddrüse im folgenden Theile dieser Arbeit besonders besprechen werde. Vielfache Abweichungen bestehen auch in der Form des äusseren Epithelkörperchens, vorherrschend ist die längliche (Spindelform) nicht selten — besonders beim Menschen — die rundliche und abgeplattete (Linsenform). Die länglichen Formen zeigen in den Fällen, wo sie der Schilddrüse nur lose anliegen oder sich seieht eimwölben, meist eine gleichmässige Wölbung der äusseren und inneren Fläche; wo sie tiefer eindringen, ist nur ihre Aussenseite gewölbt, während sie sich nach innen keil- förmig zuschärfen, so dass der Querschnitt annähernd einen Kreissector bildet, dessen Bogen in einer Flucht mit der Be- grenzungslinie der Schilddrüse zu liegen kömmt und dessen Radien von den Durchschnitten der Seitenflächen dargestellt werden. Dem teineren Baue nach lassen sich drei Haupttypen unterscheiden, innerhalb deren es nur unbedeutende Varia- tionen giebt: I. Das Epithel bildet eine fast compacte, zusammen- hängende Zellenmasse ohne Andeutung eines Netzwerkes, welche nur durch wenige gefässführende Septa aus fibrillärem Bindegewebe durchbrochen ist. II. Das Epithel bildet netzartig zusammenhängende, bald schmälere, bald breitere Balken, zwischen denen sich reichlich gefässführende Bindegewebssepta ausbreiten. III. Es tritt eine deutliche Läppehenbildung auf. Die Läppehen hängen dureh stärkere Bindegewebszüge, in denen 378 Alfred Kohn: grössere Blutgefässe, insbesondere Venen, verlaufen, unter einander zusammen und bestehen ihrerseits wieder aus schmalen, sich ver- zweigenden und mit einander zusammenhängenden Zellbalken, zwischen denen dünne Septa mit feinen Gefässchen, meist nur noch Capillaren, eindringen. Diese verschiedenen Typen sind aber durchaus nicht so aufzufassen, als ob es sich dabei um eine mit dem Alter des Thieres fortschreitende Differenzirung handelte. Sie sind viel- mehr unabhängig vom Alter und machen den Eindruck, als ob das äussere Epithelkörperchen der Schilddrüse einmal etwas früher, ein andermal etwas später seinen Entwicklungsgang unter- brochen und nicht mehr fortgesetzt hätte. Man trifft den ersten oder den zweiten Typus bei älteren und bei Jüngeren Individuen an, ja bei der Ratte sind nicht selten sogar beide in der hinteren und vorderen Hälfte eines und desselben Epithelkörperchens ver- treten. Läppehenbildung habe ich besonders deutlich am äusseren Epithelkörperchen der Schilddrüse eines 57 jährigen Mannes ge- sehen. Es erübrigt nun noch die genauere Beschreibung der Gewebselemente, aus denen sich dieses Organ zusammensetzt. leh beschreibe zu diesem Zwecke das äussere Epithelkörperchen (der Katzenschilddrüse, wie es sich auf einem Querschnitte darstellt. Die Katze wähle ich deshalb, weil die hier und auch die in den folgenden Abschnitten zu besprechenden Verhältnisse bei (diesem Thiere am schönsten und klarsten, man möchte sagen: am gesetzmässigsten, ausgeprägt sind. Das mir vorliegende Präparat war in Sublimat-Aleohol fixirt und mit Alaun-Cochenille gefärbt: Eingehüllt von einer dünnen Kapsel aus fibrillärem Binde- gewebe mit spärlichen Zellen und langgestreckten dunkelgefärbten Kernen liegt der Querschnitt des äusseren Epithelkörperchens der Hinterfläche der Schilddrüse an. Die Form ist die einer Ellipse, deren grosse Achse parallel dem Durchschnitt der hinteren Schilddrüsenfläche verläuft. Die vordere Convexität buchtet sich in eine seichte Mulde der Schilddrüse leicht ein, die hintere liegt der Carotis an und scheint deren Wand, wenigstens im Prä- parate, etwas nach innen, d. h. gegen das Lumen, vorzuwölben. An der vorderen, der Schilddrüse zugewendeten Seite verbreitert sich die Kapsel ungefähr in der Mitte zu einem grösseren zwischen Studien über die Schilddrüse. 379 Thyreoidea und Epithelkörperchen ausgespannten Bindegewebs- lager, in welchem immer grössere Blutgefässe, zum wenigsten eine grössere Arterie und Vene, sichtbar sind. Von hier aus treten von Stelle zu Stelle, daher nieht auf jedem Querschnitte nachweisbar, breitere Septa, welche zu- und abführende. Gefässe leiten, in das Innere des Organs. Die ganze Peripherie des Querschnittes, innerhalb der Kapsel, nimmt eine schmale, nur an den eben erwähnten Stellen durch Bindegewebszüge unterbrochene, sonst eontinuirliche Randzone von Epithel ein, etwa in der Dieke von 5—10 dieht stehenden Epithelzellen. Von dieser Randzone aus verläuft in der Richtung der grossen Achse der Ellipse ein ebenso breiter Zellstrang, leicht geschlängelt, von Pol zu Pol, den Querschnitt auf diese Weise in eine vordere und hintere Hälfte zerlegend. In diesen Mittel- balken treten vom ganzen Umkreis der Randzone kurze, durch Abzweigungen verbundene, Zellstränge unter schiefen Winkeln ein, wie Nebenflüsschen in den Hauptstrom. Denkt man sich endlich diesen und die einmündenden Balken hie und da aus- einanderweichend, um ein Septum mit seinem Blutgefäss wie ein kleines Inselehen zu umfassen, so hat man vielleicht eine an- nähernde Vorstellung von dem zierlichen Netzwerk, wie es sich auf einem Querschnittsbilde darbietet. Die Zellen liegen dicht aneinander, ihre Grenzen sind selten deutlich wahrnehmbar; die Kerne zeigen den Habitus der Zellkerne des Epithels: sie sind von elliptischer oder auch rundlicher Form, ziemlich dicht bei einander, aber lange nicht so dicht wie die der Lymph- körperehen, dunkler tingirt als die Kerne der Drüsenzellen der Thyreoidea, aber noch lange nieht so dunkel wie die benach- barter Lymphkörperehen — von denen sie sich auch durch die bedeutendere Grösse auffällig genug unterscheiden. Alle Kerne zeigen, von kleinen Abweichungen abgesehen, dieselbe Form; das Kerngerüst tritt deutlich hervor; Aussehen und Aneinander- reihung der Zellen machen es zur Gewissheit, dass hier ein Epithel vorliegt (s. Taf. XXIV, Fig. 5). Die Kerne, welche den an die Kapsel und den an die Septa grenzenden Zellen angehören, sind länglich elliptisch, zeigen an der Peripherie eine radiäre Anordnung und stehen auch sonst senkrecht auf die Verlaufsrichtung der Septa palissadenförmig nebeneinander, wodurch die Grenzen zwischen Epithel und Binde- 380 Alfred Kohn: gewebe sehr markant werden; die Kerne der in der Mitte der Balken gelegenen Zellen unterscheiden sich von den peripheren weniger in der Form und Grösse, wiewohl auch rundliche und kleinere Formen vorkommen, als gerade durch den Mangel der für die begrenzenden Zellen charakteristischen Anordnung; sie liegen regellos in den verschiedensten sich durchkreuzenden Richtungen neben einander. Die Septa nehmen die von den Balken freigebliebenen Räume ein. Sie bestehen aus fibrillärem, lockerem Bindegewebe, das nur spärliche Fasern und die bei Beschreibung der Kapsel schon erwähnten langgestreckten, dunkel gefärbten Bindegewebs- kerne enthält. Immer im der Achse dieser Septa verlaufen die Blutgefässe, von denen einzelne grössere noch leicht als arterielle, bez. venöse Aestehen unterschieden werden können. Wenn das Blutgefässsystem des Epithelkörperchens in- Jleirt worden ist, kann man beobachten, dass jeder der beschriebenen Zellbalken nicht ein zusammenhängendes Zelleneonglomerat dar- stellt, sondern selbst noch aus einem Geflecht dicht nebeneinander liegender, bloss um die Breite einer Capillare von einander ab- stehender, schmaler, zusammenhängender Bälkchen besteht und dass die eben beschriebenen Septa bloss die Knotenpunkte noch feinerer, die Capillaren leitender Bahnen und die Lagerstätte (der grösseren Gefässe darstellen. Schon oben wurde erwähnt, dass man selten zwischen den einander zugewendeten Flächen der Schilddrüse und ihres äusseren Epithelkörperchens eine dichtere Anhäufung von Bindegewebe vermisst, in welcher wenigstens eine grössere Arterie und Vene eingelagert sind. (S. Taf. XXIV, Fig. 1.) Von dieser Arterie gehen Zweige sowohl in die Schilddrüse, als auch in das Epithel- körperchen. Letztere dringen, von Bindegewebe eingescheidet, gleichsam in den Hilus des Organs ein, ihre gröberen Aeste liegen axial in den Septen und lösen sich dann in ein ziemlich dichtes, der Form der Balken entsprechendes Capillarnetz mit vorwiegend longitudinalen Maschen auf; die Vene tritt unweit der Eintritts- stelle der Arterie aus. Liegt das Epithelkörperchen in der früher geschilderten Weise in die Schilddrüse eingekeilt und bloss durch eine Zone platter Zellen von deren Gewebe geschieden, so ist die Gefäss- verbindung zwischen den beiden Organen eine noch innigere. Studien über die Schilddrüse. 381 Die Nerven sind von Sacerdotti (28) anlässlich einer Untersuchung über die Nerven der Schilddrüse mitverfolgt worden; sie sollen sich längs der Gefässe vertheilen: „...nervi, che presso a poco si distribuiscono come nella ghiandola prineipale, cioe seguendo gli scarsi vasi e diramandosi nel connettivo intra- ghiandolare.“ Es ist wohl begreiflich, dass ein Organ von dem geschilderten Bau den Beobachtern vorwiegend den Eindruck des Unfertigen, Unentwickelten machen musste, den Eindruck eines Organs, das frühzeitig im Wachsthum und in der Differenzirung stehen geblieben war. Ich versuchte, mich genauer darüber zu unterrichten, inwieweit das äussere Epithelkörperchen nach der Geburt noch in seiner Entwicklung weiterschreitet. Zu diesem Zwecke verglich ich die Epithelkörperchen von Thieren ver- schiedenen Alters. Auch hierzu dienten Katzen aus dem früher angeführten Grunde. Das äussere Epithelkörperchen der Schilddrüse des neu- geborenen Kätzchens hatte die bei diesem Thiere gewöhnlich beobachtete Lage: es war mit seiner vorderen Fläche der hinteren des Seitenlappens eingewölbt, seine hintere Fläche grenzte an die Carotis. Es hatte eine gewisse Aehnlichkeit mit der noch ziemlich unentwickelten Schilddrüse und eine kaum geringere mit einem ihm aussen nahe anliegenden Thymusläppcehen!). Und hätte das Epithelkörperchen nicht durch seine scharfe Abgrenzung gegenüber der Thyreoidea und die Radiärstellung seiner Rand- kerne seine Selbstständigkeit dargethan, und wäre das Thymus- läppchen nicht durch ein wohlausgebildetes eoncentrisch ge- schichtetes Körperchen genügend charakterisirt gewesen, ich hätte nach dem blossen Aussehen und der Anordnung der zelligen Ele- mente diese drei Organe nicht mit Bestimmtheit als das, was sie waren, zu diagnosticiren gewagt. Das Epithelkörperchen trug bei diesem Kätzchen einen compakteren, massigeren Charakter zur Schau, als dies sonst bei der Katze der Fall war. Dies rührte nicht bloss von der Mächtigkeit der Zellbalken her — breite Zellbalken kommen auch bei älteren Thieren vor — sondern hauptsächlich von der auffallenden Dünne der meisten Septa. Bloss in der Mitte lag 1) S. diese Arbeit C. Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 44 25 382 Alfred Kohn: um einige grössere Gefässe etwas Bindegewebe, von dem einige kurze fibrilläre Septa ausstrahlten, die sich bäld sehr verschmäch- tigten, so dass im Uebrigen nur die langgestreckten Gefässwand- zellen oder auch einige in einer Capillare gelegene Blutkörper- chen die Grenzen der Balken unvollständig markirten. Bei einem acht Tage alten Kätzchen war das Epithel- körperehen grösser als bei dem früheren Exemplar. Die Zell- balken bildeten ein zierliehes Netzwerk, von hohen radiär gestellten Randzellen (eigentlich sind nur die hohen Kerne, nicht aber die einzelnen Zellen unterscheidbar) umsäumt; allenthalben verlaufen locker gewebte fibrilläre Septa mit den axial gelegenen Gefässen; kurz, das Organ hatte, wenn auch noch nicht seine schliessliche Grösse, so doch schon den defimitiven geweblichen Charakter erreicht, den es bei diesem Thiere, von unbedeutenden individuellen Schwankungen abgesehen, nun dauernd beibehält. Bei einer zwei Monate alten Katze bestand der haupt- sächliche Untersehied gegen das frühere Stadium in der Grösse. Dieses Epithelkörperchen übertraf das vorhergehende in allen Dimensionen an Ausdehnung. Auch die Septa sind merklich breiter, und in den stärkeren von ihnen trifft man spärlich kleine Arterien, häufiger kleine, dünnwandige und relativ weite Venen. Bei einer erwachsenen Katze (aus deren Wurf das Kätzchen, von dessen Epithelkörperehen eben die Rede war, stammte) war das äussere Epithelkörperchen nur wenig grösser als in dem letztbeschriebenen Falle und zeigte auch sonst keine bemerkenswerthen Veränderungen. Als untrügliche Merkmale des fortschreitenden Wachsthums findet man im äusseren Epithelkörperchen jüngerer Thiere — in ansehnlicher Menge konnte ich sie noch bei einer zwei Monate alten Katze eonstatiren — Karyokinesen in ihren verschie- denen typischen Formen (s. Taf. XXIV, Fig. 5). Das äussere Epithelkörperchen der Schilddrüse bietet also auch noch nach der Geburt Anzeichen eines geringen, aber un- verkennbaren Wachsthums und einer allerdings sehr bescheidenen Differenzirungstendenz. Von Anomalien oder doch selteneren Vorkommnissen wäre Folgendes zu erwähnen. In zwei Fällen, und zwar einmal bei einem 8 Tage alten Kätzehen und einmal bei einer erwachsenen Ratte hing das in Studien über die Schilddrüse. 383 seinem ganzen übrigen Umfang durch zwischengelagertes Binde- gewebe deutlich abgegrenzte Epithelkörperchen durch einen dünnen Fortsatz mit der Schilddrüse zusammen, indem einer seiner Zell- balken die Kapsel durchsetzte und in eontinuirlichen Zu- sammenhang mit den Drüsenzellen trat. Eine solche Verbin- dung muss als eine ausnahmsweise angesehen werden, da ich sie an über fünfzig in Serienschnitten untersuchten Exemplaren nur zweimal fand. In dem äusseren Epithelkörperchen desselben Kätzchens und dem eines Hundes traten eystenartige Hohlräume auf. Diese waren bei dem Kätzchen nur in geringer Anzahl vorhanden. Die das Lumen begrenzenden Zellen waren hoch eylindrisch, und ihnen schlossen sich ringsum die gewöhnlichen Zellen des Epithel- körperchens an. Es war also inmitten einiger der oben beschrie- benen Balken zur Bildung von Hohlräumen gekommen, die nach dem eben Gesagten von mehrschichtigem eylindrischen Epithel ausgekleidet waren; ein Inhalt, insbesondere Colloid, war im Lumen nicht nachweisbar. In dem zweiten der hieher gehörigen Fälle -— bei einem Hund — war das ganze Epithelkörperchen von solehen Cysten durchsetzt, welche den Charakter von Bläschen oder kurzen, weiten, nicht oder wenig verzweigten Gängen be- sassen. Die Lichtung begrenzten Cylinderzellen, welche an Höhe die im Epithelkörperchen und in der Thyreoidea sonst vorkom- menden Zellen weit übertrafen. Einige der Hohlräume waren mit Gerinnsel, andere mit rothen Blutkörperchen angefüllt. Diese rothen Blutkörperchen unterscheiden sich von den in Blut- gefässen auffindbaren durch ihre gesättigtere gelbe Farbe!). Doch muss ich gleich hier hinzufügen, dass in zahlreichen Schild- drüsenalveolen desselben Thieres ebenfalls rothe Blutkörperchen gefunden wurden. Bei einer Ratte endlich schien das Epithelkörperchen weniger aus soliden Zellsträngen, als vielmehr aus schmalen, von ein- schiehtigem Epithel ausgekleideten Schläuchen mit spaltförmigem Lumen zu bestehen. Einer sehr interessanten Erscheinung, der innigen Verbin- 1) Das Präparat war in Sublimat-Aleohol (Sublimat 1gr, Alcohol [960/,] 50 cm?, Aq. dest. 150 cm?) fixirt, in schwach jodirtem Alcohol nachgehärtet und mit Hämatoxylin (Delafield) gefärbt worden. 384 AlfredKohn: dung des äusseren Epithelkörperchens mit Thy- musgewebe werde ich in einem späteren Abschnitte dieser Arbeit Erwähnung thun. Soweit der Morphologie ein Urtheil darüber zusteht, muss man wohl sagen, dass dem äusseren Epithelkörperchen der Schild- drüse unter normalen Verhältnissen eine legitime Schilddrüsen- funetion kaum zuzutrauen ist. Niemals fand ich an demselben eine auch nur theilweise Weiterentwicklung zu einer typischen Drüsen-, also insbesondere auch nicht zur Schilddrüsenform; ich habe niemals eolloidhaltige Acini, trotzdem ich speciell darauf achtete, in einem meiner Präparate gesehen. Aber selbst zuge- geben, «dass bloss in Folge ungünstigen Zufalls eolloidhaltige Aecini in meinen Präparaten fehlten, so kann das Vorhandensein einiger secernirender Bläschen diesem Organ noch keine physiologische Bedeutung sichern, welches, wenn es selbst seiner ganzen Masse nach Drüse wäre und Colloid bereitete, nur eine ganz unbedeu- tende Rolle neben der Schilddrüse spielen müsste. Es wäre aber noch ein Modus denkbar, und er ist auch vielfach als thatsächlich bestehend angenommen worden, nach welchem diesem Epithelkörperchen, auch ohne dass es selbst gleich der Schilddrüse funetionirte, eine hohe Bedeutung zukäme: es könnte das Bildungsmaterial darstellen, aus dem sich für die in Ausübung ihrer Funetion etwa zu Grunde gehenden Schilddrüsenaeini neues Drüsengewebe zum Ersatz des Aus- falls entwickelte. Für eine solche Annahme finde ich keinen Anhaltspunkt. Denn schon die Frage, ob Schilddrüsengewebe in regelmässiger Weise [Biondi (4), Langendorff (17)] und in solcher Menge zu Grunde geht, dass zur Erhaltung der Function ein Ersatz angenommen werden muss, ist überhaupt noch eine offene; und selbst, wenn dies der Fall wäre, so bleibt immer noch die Annahme, dass das äussere Epithelkörperchen der Schild- drüse dieses Ersatzmaterial beistellt, eine unbegründete. Denn fürs erste ist in der Regel "ein Zusammenhang zwischen den bei- den Organen nicht nachweisbar, dann fehlen auch alle Anzeichen dafür, dass das äussere Epithelkörperchen aufgebraucht wird, indem es sich in seiner ursprünglichen Form und Grösse bis ins späte Alter — ich untersuchte es auch bei einem 5Tjährigen Manne — erhält, und ebenso fehlt auch jeder Hinweis darauf, dass es sich etwa in dem Maasse, als es zum Ersatz für unter- Studien über die Schilddrüse. 385 gegangenes Schilddrüsengewebe herangezogen wird, auch immer wieder zu seiner früheren Masse regenerire. Man findet weder bei jungen, noch bei älteren Individuen morphologische Anzeichen für eine selbstständige Funetion dieses Organs noch für eine funetionelle Beziehung desselben zur Schilddrüse. Nun erst wird es völlig gerechtfertigt erscheinen, dass ich Anfangs so ausführlich über die Beobachtungen und Ansichten Gley’sund Cristiani’s berichtete. Letzterer hat das äussere Epithelkörperchen der Schilddrüse (die „Glandule thyroidienne“) mit der paarigen, seitlichen Schilddrüsenanlage identi- fieirt, also mit Organen, deren nahe Beziehung zur Schild- drüse von einer Reihe von Autoren anerkannt wird. Doch er- scheint die Richtigkeit seiner Behauptung vorläufig noch sehr in Frage gestellt. Gley hatte nach Schilddrüsenexstirpationen bei Kaninchen, deren äussere Epithelkörperchen zurückgelassen wor- den waren (Thyroideetomie ineomplete), an denselben eine Hyper- trophie und die Tendenz zur Umbildungin Drüsengewebe beobachtet. Wäre das richtig, so wäre die so oft geäusserte Anschauung, dass das äussere Epithelkörperchen ein im unent- wiekelten Zustande verharrendes Schilddrüschen sei, unzweifelhaft richtig. Doch Hofmeister hat eine solche Umbildung ent- schieden in Abrede gestellt. Da ich nun überdies in meinen Präparaten niemals colloid- haltige Acini sah, so fehlen mir alle Merkmale, auf Grund deren ich die Zusammengehörigkeit des äusseren Epithelkörperchens und der Thyreoidea mit Bestimmtheit hätte behaupten dürfen. Die blosse Anlagerung an die Schilddrüse beweist eine solehe Zusammengehörigkeit noch lange nicht; denn es wird später ausführlich von einer noch viel innigeren Lagebeziehung von Thymusgewebe zur Schilddrüse die Rede sein. Ebensowenig be- weist der zweimal beobachtete Zusammenhang des Gewebes der beiden Organe etwas in dieser Frage, weil ich von viel regelmässigeren Verbindungen der Schilddrüse mit Thymusgewebe berichten werde. Endlich ist auch die vielfach betonte Aehn- lichkeit mit der embryonalen Schilddrüse nicht beweisend, weil zu der Zeit, wo die Schilddrüse ein ihrem äusseren Epithel- körperchen ähnliches Aussehen darbieten soll, auch andere Organ- anlagen eine solche Aehnlichkeit aufweisen, so dass in der Ent- wicklungsgeschichte gerade über die hier in Betracht kommenden 386 Alfred Kohn: Organe vielfach abweichende Ansichten bestehen und der Em- bryolog bloss durch die Verfolgung des endgültigen Schicksals ein Urtheil über deren Wesen abzugeben vermag. Und die defi- nitive Gestaltung des äusseren Epithelkörperchens wird wohl niemand als einen Beweis für seine Zugehörigkeit zur Schild- drüse gelten lassen wollen. Nach alledem halte ich die essentielle Zusammen- gehörigkeitdesäusserenEpithelkörperchensund der Schilddrüse für unbewiesen. Ich wagte daher auch nicht, die Bezeichnung ‚Glandula parathyreoidea“ in der Auffassung Sandström'’s beizubehalten, der damit die Analogie zu Parovarium u. $s. w. ausdrücken wollte, sondern habe den schlichten Namen „Epithelkörperchen“ gewählt und das eben behandelte Organ als äusseres Epithelkörperchen der Schilddrüse dem im nächsten Abschnitt besprochenen inneren gegenübergestellt. Wollte man trotzdem der Bezeichnung ‚„Glandula parathyreoi- dea‘“ den Vorzug geben, so wäre deren Bedeutung dahin einzu- schränken, dass man damit nicht mehr ausdrücken wolle als: es handle sich um ein kleines, einer Drüsenanlage nicht un- ähnliches Gebilde, welches in der unmittelbaren Nachbar- schaft der Schilddrüse gelegen ist. B. Das innere Epithelkörperchen der Schilddrüse. Innerhalb der Schilddrüse einiger Thiere finden sich kleine, schon bei schwacher Vergrösserung auffällig von ihrer Umgebung verschiedene Körperchen, welche wieder, der Haupt- sache nach, aus mit einander zusammenhangenden Strängen von Epithelzellen und dazwischen gelagerten gefässführen- den Bindegewebssepten bestehen. Die Zahl der Autoren, welche diese Gebilde erwähnen, ist eine geringe. Sie wurden als embryonale Reste der Schild- drüse gedeutet. Hatten alle früheren Beobachter — bis auf Prenant (23) — schon das äussere Epithelkörperchen, das doch nur in losem, äusserlichem Zusammenhang mit der Schilddrüse steht, zu dieser gerechnet und als einen kleinen embryonal gebliebenen Theil der gesammten Schilddrüsenanlage angesehen, so erscheint es ganz natürlich, dass man die dem äusseren Epithelkörperchen ganz Studien über die Schilddrüse. 387 ähnlich gebauten innerhalb der Drüse gelegenen und mit dieser sogar in continuirliche Verbindung tretenden Körperchen mit voller Bestimmtheit als unentwickelt gebliebenes Schilddrüsengewebe betrachtete. Man sah in denselben nur eine besondere Form des vonWölfler (35) beschriebenen „unentwickelten Bildungsmaterials“, welches dieser in der Thyreoidea des Menschen, des Neugeborenen wie des Greises, nachweisen konnte. Ueber die Berechtigung einer solchen Auffassung soll später noch die Rede sein. Schon Wölfler selbst hob hervor, dass solehe embryonale Zellenhaufen, wie er sie in der Corticalis und Medullaris der menschlichen Schilddrüse gefunden hatte, noch deutlicher abge- kapselt auch in den Schilddrüsen neugeborener Hunde (und in embryonalen Kalbsschilddrüsen) vorkommen. Auch Baber (2) hat nicht nur das äussere Epithelkörperchen bei den von ihm untersuchten Thieren !) gesehen, sondern er er- wähnt auch Gebilde desselben Baues, die innerhalb der Schild- drüse gelegen seien und continuirlich in das Gewebe derselben übergehen. Rogowitch (26), der diese inneren Epithelkörperchen bei Hunden beobachtete, hält es für ausgemacht, dass diese einer allmählichen Umwandlung zu secernirendem Schild- drüsengewebe unterliegen und auf diese Weise den Ausfall ersetzen, der dadurch entstehen soll, dass die Acini der Schild- drüse mit der Zeit die Fähigkeit verlieren, ihrer Function nach- zukommen: „Encore quelques mots des restes embryonnaires qui se trouvent dans chaque glande thyroide chez les jeunes comme chez les adultes; ils representent des petits lobes nette- ment limites du reste du tissu de la glande et r&pondent par leur structure, suivant l’äge de l’animal & differentes phases du developpement de la glande thyroide. Leur transformation defi- nitive en veritables follieules se fait, & ce quil parait, tres longtemps apres la naissance, lorsque selon toute probabilite les autres modes de croissance de la glande sont de&ja Epuisses .... Cette ceirconstance donne lieu de croire, que la_periode d’aetivite de chaque follieule est limitee a un certain temps, au bout du- quel il perd la faculte d’aceomplir sa mission physiologique ; 1) S. Seite 369. 388 Alfred Kohn: autrement il serait diffieile de eomprendre la necessite de la for- mation eontinuelle de nouveaux follieules.“ Hürthle (12) hat an der Schilddrüse von Hunden sowohl das äussere, als auch das innere Epithelkörperchen gesehen. Er sieht in ihnen beiden nichts Anderes als Anhäufungen der von Wölfler beschriebenen interacinösen Zellen und glaubt, dass sich im Bedarfsfalle Follikel aus ihnen entwickeln: „Ausser den Epithelzellen, welche die Wand der Follikel bilden, trifft man in der Drüse, namentlich nicht erwachsener Thiere, noch andere, welche sieh nieht am Aufbau von Follikeln betheiligen und keine Colloidsubstanz zwischen sich haben. Diese Epithelzellen liegen entweder unregelmässig zwischen den Follikeln, wo sie mehr oder weniger grosse Nester bilden : Interfollieuläres Epithel, oder sie bilden rundliche Knötchen, welche von der übrigen Drüse durch dichteres Bindegewebe getrennt sind und fast stets an der Peripherie der Drüse vorkommen; einmal wurde ein solches auch im Inneren beobachtet. Diese Knötehen be- trachte ich mit Baber (undeveloped portions) als unentwickeltes Drüsengewebe. Untersucht man die Schilddrüse des Hundes, so sieht man fast immer an der Oberfläche derselben kleine, linsen- förmige Körper von 1—3 mm Durchmesser, die mit der Drüse durch Bindegewebe verbunden sind. Bei der mikroskopischen Untersuchung dieser Knötchen fand sich nur einmal gewöhnliches Schilddrüsengewebe mit Follikeln !), in zahlreichen anderen Fällen unentwickeltes Drüsengewebe .... es besteht aus Epithelzellen welche durch deutlich hervortretende Bindegewebszüge zu läng- lichen Gruppen („eylinders“, Baber) zusammengehalten werden. Im Bindegewebe verlaufen zahlreiche Gefässe ...... Wahrscheinlich sind diese Knötehen als Reservematerial für die Neubildung von follieulärem Drüsengewebe zu betrachten, welches im Bedarfsfalle verwendet wird.“ Zielinska (36) fand solehe „embryonale Reste* in der Schilddrüse des Hundes. Es sind dies, nach ihrer Beschreibung, „kleine Läppchen, welche schon bei schwacher Vergrösserung 1) Dieser Befund würde sehr zu Gunsten der Annahme sprechen, dass das äussere Epithelkörperchen doch ein embryonales Schilddrüs- chen sei. Indes ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass es sich in diesem Falle um eine wirkliche Nebenschilddrüse handelie, neben der vielleicht das echte Epithelkörperchen noch vorhanden war. Studien über die: Schilddrüse. 389 durch ihre sehr diehte Struetur sich auszeichnen und ihren Kern- reichthum auffallen. Sie nehmen sich fast wie kleine Partien von Lymphdrüsengewebe aus. Sie sind scharf begrenzt und be- stehen aus Strängen von kernreichem Portoplasma, in denen keine deutlichen Zellgrenzen zu erkennen sind, mit runden, bläschen- förmigen Kernen... Diese Felder sind durchzogen von Binde- gewebsbalken.... Rundliche Zellhaufen oder Drüsenbläschen finden sich nicht ... Ich finde diese embryonalen Reste in allen fünf Schilddrüsen, welche ich ... in Schnittserien zerlegt habe. Die Felder waren mit einer einzigen Ausnahme nur von einem Läppchen gebildet... Sie liegen mit Vorliebe an der Peri- pherie direet unter der Kapsel, namentlich auch gerade an den kleinen hilusartigen Buchten, welche die Eintrittsstelle der Arterie und Vene bilden, oft auch ausserhalb der Kapsel. Ich habe sie fast constant am oberen Ende beider Lappen der Thyreoidea gefunden ... Am unteren Ende fand ich keine solchen Läppcehen, dagegen an den seitlichen Flächen, doch auch an der medialen, meist nur eines, selten zwei auf einem Schnitte sichtbar. Ferner finden sich solche in einzelnen, nicht in allen Schilddrüsen, mitten im Organ, mehr central gelegen, sie sind aber viel kleiner, haben kaum 0,5 mm Durchmesser. Sie haben den Bau wie die peri- pherischen ... Es sind diese embryonalen Läppchen nicht zu verwechseln mit den embryonalen Zellhaufen, welche nach Wölfler besonders in der Rindenschicht der Läppchen sich finden. Dagegen sind sie offenbar identisch mit den accessorischen Schilddrüsen!), welche in den letzten Jahren von Gley beim Kaninchen, von Cristiani bei der Ratte, mus musculus und arvicola arvalis beschrieben wurden .. . (Sie) finden sich beim Hund in grösserer Zahl und mit Vorliebe an dem oberen Ende der beiden seitlichen Lappen.“ Nach alledem könnte es leicht scheinen, als ob ich ohne genügenden Grund diese inneren von den äusseren Epithelkörperchen sonderte, ich will darum zunächst diese Trennung rechtfertigen. Zum Theile geschah dies schon früher?), als ich mich für die Auffassung des äusseren Epithelkörperchens als eines selbst- 1) Es wurde schon früher darauf hingewiesen, dass die Epithel- körperchen mit accessorischen Schilddrüsen nichts gemein haben. 2) S. Seite 386. 390 Alfred Kohn: ständigen Organs aussprach. Dem äusseren Epithelkörperchen kömmt aus den dort angeführten Gründen eine Sonderstellung zu. Auch darf man nicht etwa das innere als ein ausnahms- weise anders gelagertes, ins Innere der Schilddrüse gerücktes äusseres Epithelkörperche nansehen; denn bei all den Thieren, bei denen das innere Epithelkörperchen vorkommt, findet sich ausser- dem auch noch das äussere in seinen gewöhnlichen Verhältnissen. Daher ist man zu der Behauptung berechtigt, dass es bei ge- wissen Thieren ausser dem äusseren auch noch ein inneres Epithelkörperchen der Schilddrüse giebt, wel- ches dem ersteren im Grossen und Ganzen zwar gleicht, aber doch auch einige bemerkenswerthe Unterschiede ihm gegenüber aufweist. Das äussere Epithelkörperehen ist ein sehr verbreitetes Organ; es wurde bei den verschiedenen Ordnungen der Säuge- thiere nachgewiesen. Das innere Epithelkörperehen wurde bisher nur beim Hunde aufgefunden; ich kann hinzufügen, dass es sich auch beim Kaninchen und in sehr typischer Weise bei der Katze findet, dagegen unter den von mir untersuchten Thieren der Maus, der Ratte, dem Meerschweinchen und ausserdem dem Menschen!) fehlt. Ein ganz regelmässiges, in jedem einzelnen Falle sich im Allgemeinen gleich bleibendes Verhalten konnte ich am inneren Epithelkörperchen der Katze constatiren, und alle folgenden An- gaben beziehen sich nur auf dieses, da mir über die anderen Thiere, bei denen es noch vorkommt, bis jetzt nicht ausreichende Erfahrungen zu Gebote stehen. Dieses Verhalten aber ist ein von dem des äusseren Epithel- körperchens in mancher Beziehung verschiedenes. Das äussere Epithelkörperchen liegt entweder getrennt von der Schilddrüse oder an der äusseren oder hinteren Fläche der Seitenlappen, das innere Epithelkörperchen immer innerhalb des Schild- drüsengewebes, an die Peripherie reicht es überhaupt nicht 1) Der menschlichen Schilddrüse kommen allerdings, wie ja schon aus Sandström’s Darstellung hervorgeht, jederseits zwei Epithelkörperchen zu. Es sind aber diesen beiden alle jene Merk- male eigen, die wir als für das äussere Epithelkörperchen charakte- ristisch angeführt haben. Studien über die Schilddrüse. 391 heran, oder wenn dies geschieht, in der Regel an die innere, der Trachea zugekehrte Fläche der Seitenlappen. Dem inneren Epithelkörperehen mangelt natürlich, schon infolge dieser Binnenlage, eine so augenfällige Selbstständigkeit, wie sie das äussere auszeichnet. Ueberdies geht es ganz regelmässig, in jedem Falle, ausgedehnte Verbindungen mit dem Gewebe der Schilddrüse und benachbarter Thymusläppehen ein, ‚während ein Uebergang vom Gewebe des äusseren Epithelkörperchens in das der Schilddrüse zu den Ausnahmen gezählt wurde. Aus all diesen Gründen unterscheide ich zwischen äusserem und innerem Epithelkörperchen der Schilddrüse. Andererseits glaube ich aber auch nicht, der Auffassung jener beipflichten zu sollen, welche das innere Epithelkörperchen mit den sonst in der Schilddrüse vorkommenden interacinösen oder interfollieulären Zellhaufen m eine Reihe stellen. Diese kommen zwischen den Follikeln, immer in geringer Aus- dehnung, regellos und durch die ganze Schilddrüse zerstreut vor, ohne gegen das übrige Gewebe besonders abzustechen. Dagegen fällt das innere Epithelkörperchen auf einem Schnitte durch die Thyreoidea schon makroskopisch als ein centrales, kleines, com- pactes, und in Folge der compaeten Structur sehr deutlich vom umliegenden Gewebe verschiedenes Gebilde auf. Geht ihm auch eine so weitgehende Selbstständigkeit, wie sie das äussere Epithelkörperchen auszeichnet, ab, so kann sie ihm doch bis zu einem gewissen Grade nicht abgesprochen werden. Denn die Verbindungen mit dem Gewebe der Schilddrüse und anliegender Thymusläppchen treten nur stellenweise auf, und mit Ausnahme dieser Verbindungsstellen schliesst es sich von der Umgebung durch eine besondere Kapsel ab; nicht selten vermehrt noch eine ansehnliche Anhäufung von Bindegewebe mit eingestreuten Fettzellen und eingelagerten grösseren Gefässen den Abstand zwischen innerem Epithelkörperchen und Schilddrüse. Diese Ver- hältnisse wiederholen sich in jedem einzelnen Falle mit solcher Regelmässigkeit, dass ich auch betreffs des inneren Epithel- körperchens nicht jener Anschauung beitreten möchte, nach welcher es nur etwa zufällig aus der Gesammtheit der Schild- drüse losgelöstes und bis zum Bedarfsfalle im unentwickelten Zustande verharrendes Reservematerial für die Neubildung von 392 Alfred Kohn: Drüsengewebe darstellen soll, sondern für dasselbe, geradeso wie für das äussere Epithelkörperchen eine besondere selbstständige Anlage für wahrscheinlich halte. Das innere Epithelkörperchen der Katze, auf welches allein, wie oben hervorgehoben wurde, sich diese ganze Darstellung bezieht, liegt in der Regel etwas höher als das äussere, so zwar, dass es mit seinem oberen Pole letzteres über- ragt, während dieses wieder nach unten über das innere Epithel- körperehen hinausreicht. Man sieht daher auf zahlreichen Quer- schnitten, welche durch die obere Partie der Schilddrüsenlappen geführt wurden, ausser dem an der hinteren oder äusseren Fläche der Thyreoidea gelegenen äusseren Epithelkörperchen noch ein ähnlich gebautes Gebilde mitten drin in der Drüse (s. Taf. XXIV, Fig. 2). Entnimmt man einer erwachsenen Katze die Schild- drüse, so kann an derselben das äussere Epithelkörperehen schon mit freiem Auge wahrgenommen werden. Zerlegt man nun jene Scheibe der Drüse, die das äussere sichtbare Körperchen trägt, in Serienschnitte, so findet man nicht selten im Innern auch noch das zweite Epithelkörperchen. Es giebt aber auch kleine Ab- weichungen der Lage, von denen die häufigste die ist, dass das innere Epithelkörperchen ganz und gar über dem äusseren ge- legen ist, so dass man an keinem der Querschnitte, welche dieses enthalten, jenes mehr antrifft. Auf einem Querschnitte durch den oberen Theil des Seiten- lappens nimmt das innere Epithelkörperchen einen kleinen Bezirk ungefähr in der Mitte ein, meist der inneren, der Trachea zu- gewendeten Fläche der Drüse näher gelegen. In einer Anzahl von Fällen behält es in seiner ganzen Ausdehnung diese ziemlich centrale Lage bei und wird demzufolge allseitig von Drüsen- gewebe umschlossen. Häufiger jedoch rückt es so weit nach innen vor, dass seine innere Fläche in eine Flucht mit der Begrenzungslinie der Innenfläche der Seitenlappen zu liegen kommt (s. Tafel XXIV, Fig. 7). Hat man in einem solchen Falle die Thyreoidea von der Trachea abgelöst, so wird auf der hierdurch freigelegten Innenseite der Drüse ein kleines Areal der Oberfläche von dem hier frei zu Tage tretenden Epithelkörperchen beigestellt. Dieses kann endlich auch central gelegen sein, ohne trotz- dem ringsum vom Drüsengewebe eingehüllt zu werden. Dies Studien über die Schilddrüse. 393 kommt in folgender Weise zu Stande. Von vorme und innen tritt ein stärkerer Zug von Bindegewebe mit grossen Gefässen in die Schilddrüse ein, eine Art Hilus darstellend. Dieser Zug spaltet das Organ, indem er tief ins Innere vordringt. In der Fortsetzung dieses Bindegewebstractus liegt nun gar nicht selten das Epithel- körperchen, so dass es an seiner inneren Fläche von diesem Bindegewebe, sonst allseitig vom Gewebe der Drüse umgrenzt wird (s. Taf. XXIV, Fig. 2). Seltener ist der Fall, dass das innere Epithelkörperchen nicht an der innern, sondern an der hinteren Fläche der Seiten- lappen hervortritt. Da aber bekanntlich das äussere Epithel- körperchen bei der Katze oft an dieser Stelle gelegen ist, so findet man dann hier zwei ähnlich gebaute Knötchen nebeneinander. Das eine liegt etwas mehr lateral, und nur Bindegewebe heftet es an die Kapsel der Drüse, das andere liegt tief vergraben in dieser, und nur eine seiner Flächen ragt bis an die Kapsel heran, wo sie neben dem ersteren, mehr gegen die Medianlinie gerückt, erscheint. Es ist kaum nöthig hinzuzufügen, dass ersteres das äussere, und letzteres das innere Epithelkörperchen vorstellt. So nahe sie auch lagen, so traten sie doch in keinerlei Verbindung mit einander, was sonst schon wegen der bedeutenden Ent- fernung beider, da sie ja oft emander gerade diametral gegen- überliegen, ausgeschlossen erscheint. Die Form des inneren Epithelkörperchens ist oft eine längliche, oft eine mehr kugelige; es kommt auch vor, dass es an einem Ende in zwei Zipfel auseinanderweicht und sich in den hierdurch geschaffenen Spalt anderes Gewebe — Thymus — einlagert. An Grösse bleibt es gegen das äussere Epithelkörperchen in der Regel zurück; übrigens sind die Grössenverschiedenheiten, die es nicht nur bei verschiedenen Individuen, sondern auch in den beiden Exemplaren eines und desselben Thieres darbietet, ganz bedeutend. Wiewohl mitten in der Schilddrüse gelegen, ist es ganz leicht von dieser zu unterscheiden. Wenn man einen Querschnitt durch den Seitenlappen makroskopisch betrachtet, so sieht man am hinteren Abschnitte der convexen Aussenfläche in mässigem Ab- stande von dieser ein isolirtes, dunkel gefärbtes Körperchen — das äussere Epithelkörperchen — und in der Mitte des Drüsen- 394 Alfred Kohn: querschnittes, gleichsam in einem eireulären Spalt gelegen — natürlich handelt es sich nicht um einen Spalt, sondern um eine concentrische Lage faserigen und daher von dem angewendeten Kernfarbstoff nur wenig tingirten Bindegewebes —- ein ähnliches Gebilde: das innere Epithelkörperchen. Unter dem Mikroskope erscheint es sofort nicht nur durch den schon bei schwachen Vergrösserungen auffälligen Unterschied des Baues, sondern insbesondere auch durch seine eigene Kapsel ganz deutlich von der Umgebung abgegrenzt. Diese Kapsel tritt an der inneren Seite mit dem durch den oben erwähnten Hjlus eintretenden Bindegewebe in Zusammenhang, wird auch sonst ringsum vom umliegenden Bindegewebe verstärkt und liegt nur an der hinteren Fläche dem Drüsengewebe nahe an. Hier erfährt sie auch am häufigsten Unterbrechungen, indem sich das innere Epithelkörper- chen durch einen oder mehrere, schmälere oder breitere, sprossen- ähnliche Fortsätze mit dem Gewebe der Schilddrüse in continuir- liche Verbindung setzt. Des Genaueren will ich die Einzelnheiten so wiedergeben, wie sie sich auf einem Querschnitte durch den Seitenlappen der Schilddrüse einer erwachsenen Katze darstellen. In der Mitte des Drüsengewebes liegt ein fünfeckiges Ge- bilde, etwa den vierten Theil des frontalen und den fünften des sagittalen Durchmessers des Drüsenquerschnittes einnehmend. Nach vorne und zugleich nach innen wendet es eine Ecke, nach aussen und hinten eine Kante. Ringsum wird es von einer zarten Kapsel aus fibrillärem Bindegewebe mit reichlichen dunkelgefärb- ten, spindelförmigen Kermen eingehüllt. Seine vordere Ecke ist durch eine grössere Anhäufung von Bindegewebe, in welchem mehrere Arterien- und Venenquerschnitte liegen, weiter vom Drüsengewebe entfernt, als dies in seinem übrigen Umkreis der Fall ist; es ist dies nichts Anderes, als der Durchschnitt der durch den Hilus ein- und austretenden Gefässe mit dem sie begleitenden Bindegewebe. Der vorderen Fläche des Epithelkörperchens an- gelagert, findet sich eine unbedeutende Gruppe von Lymphkörper- chen, die einerseits an ein paar Fettzellen angrenzen, anderer- seits einem weiten, eystenartigen mit niedrigem Epithel ausge- kleideten Hohlraume anliegen, der selbst wieder mit dem Schild- drüsengewebe in Contact steht. Auch an der äusseren Seite des Epithelkörperchens ist der Abstand von der Drüse noch beträcht- Studien über die Schilddrüse. 395 lich, während an seiner hinteren Seite bloss die dünne Kapsel die Grenze bildet. Diese ist zudem noch an einer Stelle durch- brochen, wo das Epithelkörperchen mit dem Drüsengewebe direct zusammenhängt. Die Randzone ist hier sehr schmal, meist nur in der Dicke von zwei bis drei Epithelzellen, deren äusserste Lage durch bedeutendere Höhe und die radiäre Anordnung ausgezeichnet ist, was besonders an den palissadenförmig neben einander gereih- ten elliptischen Kernen deutlich hervortritt. Oft genug vermisst man .indess diese charakteristische Form und Anordnung der Randzellen. Von der Randzone gehen kurze und schmale, etwa zwei bis fünf Zellen im Durchmesser haltende Bälkchen ab, welche nach ganz kurzem Verlaufe schon mit anderen zusammen- hängen, so dass das ganze Körperchen in ein sehr zierliches und dichtes Maschenwerk von Zellsträngen aufgelöst er- scheint. Die äusseren Zellreihen der Balken zeigen gewöhnlich denselben Typus und dieselbe Anordnung wie die peripheren Zellen der Randzone. In den Maschen, welche die verzweigten Epithelbalken frei lassen, liegen stärkere und zartere Binde- sewebssepta, an denen oft nicht viel mehr als das axial darin verlaufende Gefässchen wahrnehmbar ist. Bloss an der Peripherie dringen breitere Septa mit grösseren Gefässen ein, welche den zwischen Epithelkörperchen und Schilddrüse gelegenen obenerwähnten Gefässen entstammen, deren Zweige beide Organe mit Blut versorgen. Die Zellen selbst sind mit Ausnahme der eylindrischen Randzellen eubisch oder polyedrisch und darnach auch mit einem elliptischen oder rundlichen Kern ausgestattet, der ein deutliches Kerngerüst erkennen lässt. Die Zellen stehen dicht, aber oft nieht einmal so dieht wie die des äusseren Epithelkörperchens, der Zellleib — das Präparat war mit Hämatoxylin und Eosin ge- färbt — ist deutlich wahrnehmbar, die Zellgrenzen sind in der Regel gut zu unterscheiden, wodurch sich das innere Epithel- körperchen von dem äusseren, mit dem es ja im Allgemeinen die grösste Aehnlichkeit hat, doch immerhin einigermaassen unter- scheidet. Ein anderer bemerkenswerther Unterschied, der an dem vorliegenden Präparate hervortrat, ist folgender. Die Zellkerne dieses Epithelkörperchens waren bei weitem nicht so intensiv gefärbt wie die des äusseren, sondern glichen in ihrem Aussehen 396 Alfred Kohn: vollständig den Drüsenepithelzellen. Hie und da fällt ein Kern durch seine Grösse vor seinen Nachbarn auf. Doch bloss beim erwachsenen Thiere trat ein solcher Unterschied in der Intensität der Zellfärbung des inneren und äusseren Epithelkörperchens hervor (s. Taf. XXIV, Fig. 2); bei jungen Thieren herrscht in dieser Hinsicht zwischen beiden volle Uebereinstimmung: da erscheinen die Zellen, noch mehr aber die Kerne beider immer dunkler tingirt als die der Schild- drüse (s. Taf. XXIV, Fig. 4). Verbindungen — man könnte vielleicht von Verwach- sungen sprechen — zwischen dem inneren Epithelkörperchen und der Schilddrüse sind ein ganz regelmässiger Befund, den ich in keinem Falle vermisste. In dem Präparate, das obiger Be- schreibung zur Grundlage diente, fand die Verbindung in der Weise statt, dass ein aus mehreren Zellbalken mit den zwischen- gelegenen Septen gebildeter Fortsatz dorsalwärts die Conti- nuität der Begrenzung durchbrach und seine Zellen unmittel- bar an die Drüsenepithelzellen anlagerte. Kapsel und Septa des Epithelkörperchens setzen sich in jene zarten, ähnlich gebauten und ebenfalls durch langgestreckte dunkle Kerne ausgezeichneten Dissepimente fort, welche einzelne Acini der Schilddrüse oder eine Gruppe derselben gegen einander abgrenzen. Bei jüngeren Thieren, wo sich, wie oben erwähnt, die Zellen des Epithelkörperchens durch intensivere Färbung von den Drüsenzellen unterscheiden, steht man aus diesem Grunde beson- ders deutlich, wie sich mitunter aus dem Epithelkörperchen ein schmaler Balken, in der Breite von etwa fünf Zellen, in das Gewebe der Schilddrüse vordrängt. Eine kurze Strecke weit bleibt eranseiner dunkleren Färbung und der charakteristi- schen Form und Stellung der eylindrischen Randzellen gut erkennbar; dann folgt ganz unmerklich eine schmale Zone von Zellen, denen diese Eigenschaften abgehen und vielmehr volle Identität mit dem Drüsenepithel (interacinösen Zellen) zuer- kannt werden muss; endlich verbreitert sich diese ganze bis Jetzt strangartige Formation kolbenförmig, und in dieser Verbreiterung treten bereits Acini der gewöhnlichen Form auf (s. Taf. XXIV, Bie:,7,n: 8); Gewöhnlich beschränkt sich die Verbindung beider Organe nicht auf eine einzige Stelle, sondern in verschiedener Höhe treten Studien über die Schilddrüse. 397 Fortsätze des inneren Epithelkörperehens in Verbindung mit dem Drüsengewebe. In anderen Fällen ist die Verbindung eine flächen- hafte. Längs einer ganzen Seite legen sich die Zellen des Kör- perchens unmittelbar an die der Thyreoidea an. Dem inneren Epithelkörperchen der Schilddrüse kommt auch ein postembryonales Wachsthum zu. Dies ist nicht allein daraus zu erschliessen, dass es trotz aller Schwankungen in der Grösse doch bei älteren Thieren ganz gewöhnlich grösser angetroffen wird, sondern mit Bestimmtheit aus der Anwesenheit von Karyokinesen, die ich bei neugeborenen und auch noch bei zwei Monate alten Kätzchen reichlich auffand. Welehe Bedeutung kommt nun diesem Gebilde zu? Rogo- witch sieht in ihm unentwickeltes Reservematerial, welches immer neues funetionirendns Drüsengewebe erzeuge und schliesst aus dieser stetigen Neubildung auf das Zugrundegehen von Schild- drüsenalveolen; ebenso erblickt Hürthle in diesen Knötchen „Reservematerial für die Neubildung von follieulärem Drüsenge- webe, welches im Bedarfsfalle verwendet wird“. Bedarf schon die Annahme des regelmässigen, stetigen Er- satz erheischenden Unterganges von Schilddrüsengewebe noch der weiteren Untersuchung, so ist vollends die Behauptung, dass sich das innere Epithelkörperchen in Schilddrüsengewebe umforme, noch unbewiesen. Es fehlt auch jede Analogie dafür, dass solche Drüsen, deren Elemente bei der Thätigkeit zu Grunde gehen, sich aus embryonalen Drüsenkeimen ergänzen, sondern das fertige Drüsengewebe selbst ist in einem solchen Falle der Ausgangspunkt für den nothwendig gewordenen Ersatz. Hat doch Wölfler selbst in jenen unzweifelhaft embryo- nalen Resten, die er in der Corticalis und Medullaris der mensch- lichen Schilddrüse constatirte, niemals eine physiologische Weiter- entwicklung beobachtet und ihnen darum auch nicht eine der- artige regenerative Bedeutung zugeschrieben. Er sagt vielmehr direct: „Die Corticalsubstanz persistirtt während des ganzen Lebens“ und führt weiter den Befund in der Schilddrüse eines 50 jährigen Mannes dafür an, „dass diese embryonalen Zellen- haufen, welche auch in der Medullarsubstanz gefunden werden, bis ins späte Lebensalter sich unverändert erhalten können“. Es ist ja auch sonst nicht das Bestreben hervorgetreten, in anderen Drüsen solche Zellen, die als undifferenzirte Reste Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 26 398 Alfred Kohn: der Organanlage gedeutet wurden (Zwischenzellen u. dgl.), als tegenerationsmaterial für jene Elemente anzusehen, die in Aus- übung ihrer Function aufgebraucht werden oder zu Grunde gehen. Der Bau des inneren Epithelkörperchens giebt ebensowenig wie der des äusseren ein Recht, von einer Funetion dieses Organs in der angedeuteten Richtung zu sprechen. Ich stehe sogar nieht an zu behaupten, dass auch die Identität des inneren Epithelkörperchens mit dem Gewebe der Schilddrüse überhaupt nicht unanfechtbar ist, und dass trotz des innigen Zusammen- hanges beider erst noch zu beweisen bleibt, ob sie auch wirk- lich gleichwerthig sind in dem Sinne, dass das innere Epithel- körperchen derselben Anlage seinen Ursprung verdankt, die sich in ihrer Hauptmasse zur fertigen Schilddrüse entwickelt, oder ob nicht vielmehr das Epithelkörperchen einer selbstständigen An- lage entstammt und ihm die Fähigkeit, eolloidsecernirende Acini zu entwickeln, überhaupt nicht innewohnt. Fast alles, was ich bei der Beschreibung des äusseren Epithelkörperchens angeführt habe, um nachzuweisen, dass die essentielle Zusammengehörigkeit desselben mit der Thyreoidea bis jetzt durch nichts bewiesen sei, gilt in gleicher Weise für die Beziehung zwischen Schilddrüse und ihrem inneren Epithel- körperchen. C. Thymusläppehen in und an der Schilddrüse (inneres und äusseres Thymusläppcehen der Schilddrüse). Wiederholt wurde im Vorhergehenden gewisser Thymus- läppehen gedacht, die zu den Epithelkörperehen und der Schild- drüse in nahe Beziehung treten. Diese Bildungen sollen nun ausführlicher besprochen werden. Eine Literaturübersicht für den vorliegenden Gegenstand zu entwerfen, ist sehr schwer, da mir überhaupt keine An- gabe bekannt geworden ist, in welcher das Vorkommen von Thymusgewebe innerhalb der Schilddrüse ausdrücklich her- vorgehoben wäre. Da aber von verschiedener Seite dem Auf- treten von Iymphadenoidem Gewebe!) in der Schilddrüse Beachtung geschenkt wurde und insbesondere solche Befunde 1) Hier soll nur jenes Ilymphadenoide Gewebe, welches unzweifel- haft mit Thymusgewebe identisch ist, besprochen werden. Studien über die Schilddrüse. 399 gerade auch an jenen Thieren gemacht wurden, in deren Thy- reoidea ich regelmässig Thymusgewebe fand, so halte ich es für wahrscheinlich, dass die hier zu beschreibenden Gebilde auch von’anderen bereits gesehen, aber nicht in derselben Weise ge- deutet wurden. Von der Hauptmasse der Thymus gesonderte Thymus- läppehen an der Schilddrüse von Embryonen er- wähnt Kölliker (15) unter den schon früher angeführten „räthselhaften Organen“, die er in der Schlundgegend von Kaninchenembryonen fand }). „Lupö (18)?) fand in der Schilddrüse Knoten von Iymph- adenoidem Gewebe und schliesst daraus, dass die Drüse wesent- lich aus zwei Theilen, einem blasigen, epithelialen und einem Iymph-adenoiden bestehe. Diese Knoten trifft man grösser und häufiger bei Kindern als bei Erwachsenen und alten Per- sonen und häufiger bei Thieren (Hund, Katze), als beim Menschen.“ Da Lupö seine Untersuchungen insbesondere auch an Katzen angestellt hat, deren Schilddrüse ich in den ver- schiedensten Altersstadien untersuchte, ohne anderes Iymph- adenoides Gewebe als Thymus in nennenswerther Menge darin anzutreffen, so glaube ich Lupd’s Angaben zum Theile hierher rechnen zu dürfen. Es wäre nach meinen Beobachtungen nicht verständlich, dass Lupö im der Schilddrüse der Katze das an- sehnliche Thymusgewebe übersehen und doch andererseits dem Iymph-adenoiden Gewebe eine so bedeutende Rolle im Aufbau der Sehilddrüse zugewiesen hätte, wenn er nur jene übrigen spärlichen Mengen desselben, die man hie und da in Begleitung einer Vene, gewöhnlich an der Peripherie des Organs sieht, allein vor Augen gehabt hätte. Desgleichen glaube ich annehmen zu dürfen, dass Marie Zielinska (36), welehe die Schilddrüse von Hunden unter- suchte, solehe Thymusläppchen sah; denn sie sagt: „. . . (Die embryonalen Reste) ?) sind nicht zu verwechseln mit kleinen, runden Anhäufungen von Lymphkörperchen, die ich gelegentlich fand, die nicht scharf begrenzt sind, in deren peripherischen 1) S. Seite 368. 2) Citirt nach Hermann-Schwalbe’s Jahresbericht. 1889. 3) S. Seite 388. 400 Alfred Kohn: Partien noch Drüsenbläschen sich finden. In einzelnen grösseren war das Centrum’ nekrotisch. Ueber ihre Bedeutung bin ich wegen der Dicke der Schnitte nicht ins Klare gekommen, doch schien mir im Centrum eines solchen Herdes eine kleine Nematode zu liegen.“ Wenn ich nun gleich vorausnehme, dass sich im Centrum dieser T'hymusläppchen »oft ansehnliche Mengen grosser Epithel- zellen finden, die in viel geringerem Grade als die Lymph- körperchen die zur Tinetion verwendeten Farbstoffe annehmen, so wird, da Zielinska selbst angiebt, sie sei wegen der Dicke der Schnitte nicht ins Klare gekommen, die Vermuthung nahe gelegt, dass vielleicht auf diesen Umstand der Eindruck der Nekrose zurückzuführen sei. Nematoden habe ich allerdings in diesen Läppchen nie angetroffen; möglich, dass auch dieser Widerspruch nur auf einer verschiedenen Auffassung derselben, von uns beiden gesehenen Gebilde beruht. Ich werde auch diesmal, obwohl ich solche Thymusläppcehen auch bei der Ratte und beim Hunde gesehen habe, worauf ich übrigens noch zurückkomme, mich doch wieder ausschliesslich auf die Darstellung der Verhältnisse beschränken, die ich bei der Katze finde. Denn wieder ist es die Katze, bei welcher ich auch für diese Gebilde eine gewisse gesetzmässigeRegelmässig- keit annehmen zu dürfen glaube, die ich inderselben ausgesprochenen Weise bei anderen Thieren bis jetzt nicht festzustellen vermochte. Diese Gesetzmässigkeit bezieht sich nicht nur auf das constante Vorkommen allein, sondern ebenso auch auf alle Einzel- heiten der Lage, des Baues und der Beziehung zu den Nachbarorganen, so dass ich auch hier wieder der Meinung zuneige, es dürfte sich — wenigstens bei der Katze auch bei diesen Gebilden nicht um zufällig von der Hauptmasse losgelöste Theilstücke, sondern um Organe handeln, die einer selbst- ständigen Anlage diese Constanz und Gesetzmässigkeit ver- danken. Bei der Untersuchung der Schilddrüse sowohl junger als auch völlig erwachsener Katzen wird man von dem Vorkommen ansehnlicher Mengen Iymph-adenoiden Gewebes überrascht. Das- selbe ist unzweifelhaft als Thymusgewebe zu deuten. Es zeigt die eharakteristische Anordnung dieses Organs in Läppcehen, die allerdings nur in sehr geringer Zahl auftreten. An jedem Studien über die Schilddrüse. 401 einzelnen Läppchen lässt sich ganz deutlich Rinden- und Marksubstanz unterscheiden, eoneentrisch geschichtete Körperehen sind mit Leichtigkeit auffindbar: es fehlt keines von den die Thymus auszeichnenden Merkmalen. In der Regel sind zwei getrennt von einander gelegene Läppehen vorhanden. Ich will sie im Eimklang mit dem bei Beschreibung der Epithelkörperehen beobachteten Vorgang als inneres und äusseres Thymusläppehen der Schilddrüse bezeichnen. Sie entsprechen in ihrer Lage ganz dem inneren, bez. äusseren Epithelkörperchen. Es liegt also das innere Thymusläppehen entweder im Körper der Seitenlappen ein- geschlossen (s. Tafel XXIV, Fig. 12), der medialen Fläche derselben zwar näher gerückt, aber doch allseitig von Schild- drüsengewebe umgrenzt, oder — und dies ist der gewöhnliche Fall — es ragt medianwärts bis an die freie der Trachea zu- gewendete Innenfläche der Schilddrüse heran, bleibt also hier allein unbedeckt vom Schilddrüsengewebe, in welches es sonst vollständig versenkt ist (s. Tafel XXIV, Fig. 4). Endlich kommt es auch vor, dass das innere Thymusläppchen ganz frei zwischen Thyreoidea und Trachea gelegen ist und nur ein kleiner Zipfel desselben in das Innere der Drüse hineinragt. Das äussere Thymusläppehen nimmt eine dem äusseren Epithelkörperchen entsprechende Lage ein. Man findet es dem- zufolge an der hinteren (dorsalen) Umrandung der Seitenlappen (s. Tafel XXIV, Fig. 11). Die Analogie zwischen den Epithel- körperchen und den entsprechenden Thymusläppchen ist damit noch nicht erschöpft. Ebenso wie das innere Epithelkörperchen tritt auch das innere Thymusläppcehen ganz regelmässig in direkte Verbindung mit dem Schilddrüsengewebe, während an- dererseits das äussere Thymusläppehen, ähnlich wie dasäussereEpithelkörperchen,als ein ziemlich selbst- ständiges Knötchen der Schilddrüse nur äusserlich lose an- liegt und nicht ins Innere derselben eimdringt. Ueber die gegenseitige Lage dieser vier Gebilde, der beiden Epithelkörperchen und Thymusläppchen, zu einander giebt eine aufeinanderfolgende Reihe von Querschnitten leicht Auskunft. Von ihnen allen liegt das innere Epithelkörperchen am höchsten, 402 Alfred Kohn: also in der Nähe des oralen Poles der Schilddrüse, weiter nach abwärts folgt das innere Thymusläppcehen, und noch tiefer liegen äusseres Epithelkörperchen und äusseres Thymusläppehen. Die Körperchen liegen aber nicht genau übereinander in der Weise, dass das nächste immer erst dann in den Querschnitten auftritt, wenn das vorhergehende bereits zu Ende gegangen ist, so dass niemals gleichzeitig zwei von ihnen auf einem Querschnitte sicht- bar wären, sondern sie folgen gewöhnlich staffelförmig aufeinander, so dass man ihrer auch drei auf einem und demselben Quer- schnitte des Seitenlappens antreffen kann (s. Taf. XXIV, Fig. 4). Man kann sogar sagen, dass je ein Epithelkörperchen und das entsprechende Thymusläppcehen sich eigentlich immer wie eine zusammengehörige Gruppe ausnehmen, indem in der Regel das innere Thymus- läppcehen mit dem inneren, das äussere mit dem äusseren Epithel- körperchen in unmittelbaren Zusammenhang tritt. Demzufolge muss man immer auf solehe Schnitte stossen, welche das Epithelkörperchen und das entsprechende Thymusläppehen nebeneinander oder schon in Ver- bindung miteinander aufweisen, Auf einer Reihe von Querschnitten vom oberen Pol der Schilddrüse nach abwärts, begegnet man nach dem eben Gesagten — und dies trifft für die Mehrzahl der Fälle zu — zuerst dem inneren Epithelkörperchenallein (s. Taf. XXIV, Fig. 7), im Verlaufe der Serie tritt neben ihm und auch in Verbindung mit ihm (s. Taf. XXIV, Fig. 12) das innere Thymus- läppehen auf, in den weiteren Schnitten erscheint ausserdem noch das äussere Epithelkörperchen (s. Tafel XXIV, Fig. 4); im weiteren Verlaufe schwindet erst das innere Epithel- körperchen, dann auch das innere Thymusläppchen (s. Taf. XXIV, Fig. 1), dagegen wird das äussere Thymusläppchen nun neben dem äusseren Epithelkörperchen sichtbar (s. Taf. XXIV, Fig. 9) und lässt sich oft noch durch eine Reihe von Schnitten verfolgen, wenn auch das äussere Epithelkörperchen bereits sein Ende erreicht hat (s. Tafel XXIV, Fig. 11). Es braucht wohl kaum erst besonders hervorgehoben zu werden, dass die Aufeinanderfolge der vier Körperehen keine streng gesetzmässige ist und hie und da auch recht bedeutende Abweichungen von der eben beschriebenen Anordnung vorkommen. Studien über die Schilddrüse. 403 So war z. B. in einem Falle der Höhenunterschied zwischen äusserem Epithelkörperehen und Thymusläppehen fast Null, so dass beide nahezu gleichzeitig in der Serie auftraten und ver- schwanden, und ein andermal lag das äussere Thymusläppchen um die ganze Länge des äusseren Epithelkörpercehens tiefer als dieses, so dass es erst dann in den Schnitten auftrat, als dieses eben im Verschwinden war. - Es nimmt also das äussere Thymusläppchen gewöhnlich die tiefste Lage unter diesen vier Körperchen ein und reicht mit seinem unteren Pole etwa bis zur Mitte der Seitenlappen herab. Dieses äussere Thymusläppehen kann mitunter auch schon mit freiem Auge an der wnversehrten Schilddrüse wahrgenommen werden. Ohne mikroskopische Untersuchung bliebe man im Zweifel, ob man es mit einer accessorischen Schilddrüse, einem kleinen Lymphknötchen oder dem äusseren Epithelkörperchen zu thun hat. Letzteres allerdings liegt ihm, wie nach dem früher Gesagten zu erwarten ist, meist so dicht an, dass man in der Regel beide gleichzeitig ablösen würde, ein Fall, der immer ein- tritt, wenn sie, wie das häufig vorkommt, miteinander ver- wachsen sind. Das innere Thymusläppcehen ist derart in die Schilddrüse eingelagert, dass es sich der äusserlichen Wahr- nehmung gänzlich entzieht. Hat man aber die obere Hälfte der Schilddrüse in Schnitte zerlegt, so heben sich beide Thymus- läppehen an den gefärbten Präparaten auch schon für das freie Auge recht auffällig von ihrer Umgebung ab. Sie haben sich viel dunkler tingirt als Schilddrüse und Epithel- körperchen, nur die Marksubstanz erscheint als lichtes Centrum im Rahmen der intensiv tingirten Rindensubstanz, so dass es möglich ist, schon ohne Mikroskop die Diagnose auf ein Thymus- läppehen zu stellen. Die Gewissheit, dass es sich um nichts Anderes handle, liefern schon schwache Vergrösserungen. Man erkennt damit, dass die dunkle Färbung der Rindenzone von der dichten Lagerung intensiv gefärbter Kerne von Lymph- körpercehen herrührt, man findet in der Marksubstanz neben den Lymphkörperchen zahlreiche, grosse, blasse Epithel zellen, concentrische Körperchen und die grösseren Ge- fässe; was aber hier besonders auffällt, das sind grosse, von ge- 404 Alfred Kohn: schiehtetem Plattenepithelbegrenzte Hohlräume, in welchen Zellen, Zellfragmente und Detritus liegen, Dasinnere Thymusläppcehen liegt in der Fortsetzung jenes Bindegewebszuges, den ich schon bei der Besprechung des inneren Epithelkörperehens erwähnte!). Er leitet grössere Ge- fässe an der Innenfläche der Seitenlappen ein und aus und er- weitert sich innerhalb der Schilddrüse zu einem grösseren Binde- gewebslager, in welchem diese Gefässe und das innere Epithel- körperehen oder das innere Thymusläppehen oder auch beide gleichzeitig — soweit sie eben neben einander liegen — einge- lagert sind. Von den eben erwähnten Gefässen treten ansehn- liche Aeste in die Marksubstanz des Thymusläppehens. Dieses hebt sich, wie natürlich, durch die Verschiedenheit der Form und Färbung seiner Elemente sehr scharf vom Drüsengewebe ab. Versucht man aber, sich über die Art der Abgrenzung genauer Rechenschaft zu geben, so stösst man auf eigenthümliche Verhältnisse. Das Thymusläppcehen besitzt eine eigene Kapsel, die an Mächtigkeit die des Epithelkörperchens übertrifft. Sie besteht aus einer concentrisch geschichteten Lage fibrillären Binde- gewebes mit eingelagerten langen, dunkelgefärbten, spindelförmigen Kernen. Durch diese Kapsel wird eine deutliche Grenze gegen die Schilddrüse und gegen das innere Epithelkörperchen (soweit dieses neben dem Thymusläppchen liegt) gezogen. Aber sie ist nicht continuirlich, sondern wird entweder durch kurze Fort- sätze, welche zwischen das Schilddrüsengewebe vordringen, vielfach durchbrochen, oder sie fehlt einem grossen Theile einer Seite des Läppchens vollständig, wo dann Thymusläppchen und Schilddrüse oder auch Thymusläppehen und Epithelkörperchen ohne Scheidewand unmittelbar nebeneinander zu liegen kommen. Vom äusseren Thymusläppcehen habe ich bereits oben gesagt, dass es niemals, wie dies beim inneren die Regel ist, in der Schilddrüse eingeschlossen ist, sondern der Aussenfläche der Seitenlappen hinten (dorsalwärts) lose anliegt. Auch zwischen ihm und der Schilddrüse verlaufen in einem ansehnlichen Bindegewebslager, in dem auch Fettzellen kein seltenes Vorkomm- niss sind, grössere Gefässe, deren Aeste einerseits in die Drüse, 1) S. Seite 393. Studien über die Schilddrüse. 405 “ andererseits in die Marksubstanz des Thymusläppchens eindringen. Es ist meist allseitig von Bindegewebe umgrenzt, und seine Aussenseite wird auch noch von der Kapsel der Schilddrüse überkleidet. Es besitzt emen selbstständigeren Charakter als das innere Thymusläppchen, namentlich der Schilddrüse gegen- über; doch kommt es auch vor — wenn auch nicht häufig und in ausgedehntem Maasse — dass sich auch dieses Thymusläppchen theilweise sehr innig an das Drüsengewebe anlagert. Unmittel- bare VerbindungmitdemäusserenEpithelkörper- chen ist hier ebenso die Regel, wie die des inneren Thy- musläppehensmitdeminnerenEpithelkörperchen. Für die genauere Beschreibung des feineren Baues brauche ich die beiden Thymusläppchen nicht mehr auseinander zu halten, da er der Hauptsache nach bei beiden der gleiche ist. Ich kann mich nicht auf die Angabe beschränken, dass dieser Bau mit der bekannten Structur der Thymus übereinstimme, sondern muss über denselben ausführlicher Mittheilung machen, weil er in manchen Einzelnheiten beachtenswerthe Abweichungen darbietet. Dies gilt insbesondere von der Marksubstanz, während der Bau der Rinde keine besonderen Unterschiede gegen- über dem gewöhnlich geschilderten Aussehen hervortreten lässt. Die Marksubstanz erscheint namentlich bei jungen Kätz- chen auffallend licht gegenüber der dunklen Rindenzone. Dies rührt bei diesen Thieren davon her, dass die intensiv gefärbten Lymphkörperchen, welche die Hauptmasse der Rinde ausmachen, vielspärlicher im Marke auftreten ; dass die meisten Lymphkörperchen des Marks lichter gefärbt erscheinen und dass das Mark grossen- theils eher einen epithelialen als Iymphoiden Charakter hat. Ganze Stränge und Ballen von Epithelzellen trifft man hier an; vereinzelt oder in kleineren Gruppen durchsetzen sie das ganze Centrum des Läppchens. Diese Epithelzellen haben ein ganz eigenthümliches Aussehen, sie machen den Eindruck, als wären sie nicht mehr recht lebensfähig und über kurz oder lang dem Untergange geweiht. Ihr Kern ist gross und enthält wenig Chromatin, nur ein oder wenige dunkle Körnchen treten schärfer hervor, der Zellleib hat einen bedeutenden Umfang aber eine geringe Dieke und nimmt Protoplasmafarbstoffe (Eosin) wenig oder gar nicht an. Um so auffälliger treten in der Um- gebung des Kernes mancher dieser Zellen kleinere und grössere 406 Alfred Kohn: intensiv getärbte Körnchen oder Tröpfehen hervor, welche nach Anordnung und Farbenreaction mit Keratohyalin identisch er- scheinen (s. Taf. XXIV, Fig. 13, 14 u. 15). Der blasse Kem;, der ungefärbte Zellleib, das Keratohyalin, alles das unterstützt die Ansicht, dass in diesen Zellen regressive Ver- änderungen vor sich gehen. Bestärkt wird diese Auffassung noch durch die in einigen dieser Zellen wahrnehmbaren vaeuolen- artige Bildungen. Wo nun Epithelzellen dieses Charakters in Gruppen beisammen liegen, ist eme concentrische Anordnung derselben unverkennbar. Die inneren Lagen eines solchen Zell- haufens sind es insbesondere, in denen man die erwähnten Merk- male einer regressiven Metamorphose antrifft. Die innersten Zellen sind oft ganz abgeplattet schüppchenförmig, ihr Kern langgestreckt, sie gleichen den oberflächlichsten Zellen eines verhornenden Epithels. Sie begrenzen ein unregelmässig gestal- tetes Lumen, welches ganz gewöhnlich im Centrum dieses Epithelnestes zur Ansicht gelangt und den Durchschnitt einer Höhlung darstellt, welche sich erst secundär durch den Zerfall der innersten Zellen gebildet zu haben scheint (s. Taf. XXIV, Fig. 13 u. 14). Dies geht aus folgendem hervor. Diese Hohlräume sind nicht scharf begrenzt, sondern ihre Wand ist in unregel- mässiger Weise gezackt. Es ragen nämlich die sie bildenden Zellen verschieden weit gegen das Lumen vor, vielfach stehen sie mit den übrigen Zellen nur noch in losem Zusammenhange und gehen offenbar demselben Schicksal entgegen, das viele ihresgleichen schon erreicht hat. Diese liegen dann einzeln oder noch zu mehreren vereint im Lumen in verschiedenem Grade der Zerstörung; einzelne sind der Form nach noch ziemlich erhalten, von anderen zeugen nur noch blasse Kerne und Kern- fragmente, granulirtes Protoplasmamaterial oder gar nur noch ein mit zahlreichen dunklen Körnchen versetzter bald mehr körniger, bald mehr faseriger blassgefärbter Detritus. In manchen dieser Hohlräume zeigt der Inhalt selbst wieder eine econcen- trische Schichtung, aber nicht nur um ein einziges Centrum, sondern auch um zwei oder mehr, als ob sieh um die zuerst losgelösten Zellen oder Zellfragmente der Nachschub schiehtweise abgelagert hätte. Diese im Lumen gelegenen concentrischen Bildungen (s. Taf. XXIV, Fig. 14) werden in ihrer Gesammtheit von dem wandbildenden geschichteten Plattenepithel wie- Studien über die Schilddrüse. 407 der eoncentrisch umfasst, und so kommt es zu Forma- tionen, welche die Annahme wahrscheinlich machen, dass die grösseren, sog. zusammengesetzten concentrischen Körperchen der Thymus in dieser Weise entstehen. Nicht alle Hohlräume, die man in der Marksubstanz der Thymus antrifft, haben dieses Aussehen. Es gibt auch solche, die von einem niedrig eubischen Epithel, das sich aber in nichts als in der Höhe von dem früher geschilderten unterscheidet, begrenzt werden, und in denen die gleichen Befunde nachweisbar sind); ausserdem solche, die zwar auch von einem sich nach innen zu immer mehr abplattenden, verhornenden Epithel um- schlossen werden, die aber weder unterscheidbare Zellen noch Kerne enthielten, sondern von einer durch Hämatoxylin licht violett gefärbten theils körnigen, theils faserigen Detritusmasse, aus der wieder einzelne dunkle Körnchen besonders hervorstachen, vollständig erfüllt waren. Ich glaube, dass in diesen abweichen- den Formen der Hohlräume ein und derselbe Vorgang seinen verschiedengradigen Ausdruck findet, ein Vorgang, welcher der Hauptsache nach darin besteht, dass die centralen Partieen der in der Thymus vorhandenen Epithelnester häufig einer regressiven Veränderung anheimfallen. Denn von allen diesen Zellen, die an und für sich keinen sehr lebenskräftigen Eindruck machen, stehen offenbar die im Centrum einer solchen Gruppe gelegenen unter den ungünstigsten Ernährungsbedingungen. Concentrisch geschichtete Körperchen klei neren Umfangs sind ebenfalls kein seltener Befund. Auch hier deutet die Abplattung der das Centrum umlagernden kernhaltigen Gebilde, deren Zellcharakter noch deutlich erkennbar ist und das in denselben oft nachweisbare — von Prof. Sigmund Mayer (21) schon vor einigen Jahren aufgefuündene — Keratohyalin darauf hin, dass auch diese Körperchen ‘jener oben erwähnten regressiven Metamorphose ihre Entstehung verdanken dürften. Ob dies der ausschliessliche Bildungsmodus der eoncentrischen Körperchen .ist, vermag ich nicht anzugeben. So viel aber kann ich mit Bestimmtheit behaupten, dass in der Thymus dureh re- 1) Schon daraus geht hervor, dass auch diese Lumina nicht den in der fötalen Thymus vorkommenden scharf begrenzten Hohlräume gleichzustellen sind, die dem Centralecanal und seinen Ausläufern ent- sprechen. 408 Alfred Kohn: gressive, dem Verhornungsprocesse gleichende Veränderungen von Epithelzellen solche Gebilde entstehen, die allgemein als eoncentrische Körperchen bezeichnet werden — eine Anschauung, die mit der von Stieda (0) und Sigmund. Mayer vertretenen übereinstimmt. Das Vorkommen von Epithelzellen im Thymusgewebe hat Ja, seitdem der epitheliale Ursprung dieses Organs durch die Untersuchungen Kölliker’s und zahlreicher anderer For- scher nachgewiesen ist, nichts Befremdendes mehr für uns. Das Vorkommen von Keratohyalin in diesen Zellen widerspricht durch- aus nicht der entodermalen Abkunft der Thymus; denn man kann dasselbe z. B. jederzeit auch in den oberflächlichen Epithelzellen des Oesophagus von Maus und Ratte auffinden. Posner (27) hat Keratohylin — allerdings unter pathologischen Verhältnissen — im Epithel von Schleimhäuten, welche vom Entoderm abstam- men, nachweisen können. Hohlräume, wie ich sie eben erwähnte, sind auch von Prenant (23) in der noch rein epithelialen Thymus von Schafs- embryonen beobachtet und in folgender, nur in unwesent. lichen Punkten etwas abweichenden, Weise aufgefasst worden: „Embryon de 23mm. — Les lobes (du corps du thymus) .... ont encore une constitution completement £pitheliale. Mais, parmi les cellules qui les constituent, il en est quelques-unes dont les noyaux se font remarquer par leur petitesse et par leur eoloration fonede. Beaucoup de noyaux sont en division mitotique. La coupe transversale offre de nombreuses lumieres qui r&presen- tent le canal prineipal du thymus et ses divertieules. En outre, il existe quelques grandes cavites, qui, n’etant pas limitees par des cellules plus ou moins nettement arrangees en un £pithe- lium prismatique, n’appartiennent pas aA la categorie pr&eedente d’espaces, et qui, n’&tant pas tapissees par un endothelium, ne sont pas non plus des vaisseaux sanguins; dans ces lacunes sont tombees des &l&ments pareils aux cellules Epitheliales qui forment la masse du thymus. Tourneux et Herrmann ont fait chez l’embryon de 38mm une observation qui parait analogue: „dans la plupart des bourgeons existent des vacuoles bordees de gran- des cellules elaires et ineolores... Il semble que les vacuoles resultent de la disparition par r&sorption de quelques-unes des grandes cellules“. Chez l’embryon qui precede (26 mm), Jai vu Studien über die Schilddrüse. 409 que reellement il se fait bien une resorption parmi les elements qui eireonserivent certaines cavites du thymus. Les elements se cereusent de vacuoles souvent tres considerables; la pression determinee par l’extension de ces vacuoles deforme et rapetisse le noyau. Les cellules deviennent alors claires et vesiculeuses. Ces transformations ont ete comparces tres jJustement par Tour- neux et Herrmann, quant A l’aspect qu’elles produisent, a ce qui se passe, a ce m@eme moment, pour les cellules superficielles du rev@tement epithelial du pharynx et de l’oesophage. Une cellule ainsi distendue par sa vacuole peuteclater, la paroi qui la separait de la cavite du thymus e&tant devenue tres mince; la cavite cellulaire s’ouvre alors dans la cavite thymique, qui est agrandie d’autant.“ Auch Prenant ist geneigt, die concentrischen Kör- perehen mit diesen Bildungen in Beziehung zu bringen. Bei der Beschreibung der Thymus von fast reifen und reifen Föten des Schafes sagt er: „En beauceoup d’endroits, on trouve des formations qui repondent & la description de corps eoncentriques; car elles presentent autour d’une masse centrale semee de petits grumeaux chromatiques rouges plusieurs noyaux aplatis tres colores. Il peut arriver que deux corps semblables soient appliques Yun contre l'rautre, adosses par leur faces planes, ce qui est evidemment un passage & la formation de corps eoncentriques composes. Je rap- proche volontiers ces produetions de celles que j’ai signaldes dans le thymus d’animaux beaucoup plus jeunes et qui aboutissaient a la ereation de vacuoles. Les corps concentriques, d’apres ces recherches, devraient peut-&tre leur origine a des deg&nerescences et a des fontes de eellules &pitheliales; ce seraient done des pro- duetions de l’epithelium.“ Der Vollständigkeit halber will ich auch noch erwähnen, dass ich in diesen Thymusläppchen auch grosse ein- und zwei- kernige Zellen mit concentrischer Körmelung, ferner — nicht gerade häufig — dicht gedrängte Epithelkerne auffand und zwar so dicht, dass eine Abgrenzung einzelner Zellindividuen ganz un- möglich war und man eher eine vielkernige Riesenzelle anzu- nehmen geneigt wäre. Aehnliche Bildungen sind schon von Watney (34) beschrieben und abgebildet worden. Wiederholt war in der vorliegenden Arbeit von Verbin- 410 Alfred Kohn: dungen die Rede, welche die Thymusläppchen mit dem benach- barten Gewebe eingehen sollten. Das innere Thymusläppchen geht vielfach unmittelbar in das Gewebe der Schilddrüse über. Das äussere Thymusläpp- chen lagert sich zwar oft innig an das Drüsengewebe an, aber einen eontinuirlichen Uebergang von dem einen zum andern Or- gane konnte ich nieht mit Sicherheit constatiren. Die Verbindungen des inneren Thymusläpp- chens mit der Schilddrüse finden in ähnlicher Weise statt, wie die des inneren Epithelkörperchens mit der Schilddrüse (s. Taf. XXIV, Fig. 4 u. 6 u. 12). Ganz kurze Fortsätze des Thymusgewebes durchbrechen die Kapsel des Läppehens, und an die Lymphkörperchen dieser Fortsätze schliessen sich un- mittelbar die Epithelzellen der Drüse an. Zunächst besteht also ein soleher Fortsatz nur aus Thymusgewebe, dann folgt eine schmale Zone, wo Lymphkörperchen und Epithelzellen neben- und durcheinander liegen, darauf folgt das Epithel der interacinösen Zellenhaufen oder der Acini, so dass der Uebergang vom Iymph-adenoidenindasEpithelgewebesich ganz all- mählich und unmerklich vollzieht. Häufig ist die Verbindung der beiden Organe auch eine flächenhafte. Auf eine ganze Strecke fehlt da dem Thymusläppehen seine Kapsel, und ohne irgend welche Scheidewand liegt das Thymusgewebe breit dem Drüsen- epithel an. Durch die auffällige Verschiedenheit des Baues und der Färbung unterscheiden sich beide zwar so deutlich, dass sie bei schwächeren Vergrösserungen trotz des Mangels abgrenzender Zellen oder Fasern ganz scharf von einander abgesetzt erscheinen, aber mit stärkeren Linsen überzeugt man sich leicht, dass immer Lymphkörperehen zwischen die Epithelzellen (oder umgekehrt) eindringen. Noch unmerklicher vollzieht sich der Uebergang dann, wenn das Epithel des Thymusmarkes sich direkt in das der Thyreoidea fortsetzt !). Beide Thymusläppchen stehen ausserdem in der Regel mit den entsprechenden Epithelkörperehen in un- 1) Auch folgender Befund dient wohl dazu, die innige Beziehung zwischen Schilddrüsen- und Thymusgewebe zu illustriren: In dem in- neren Thymusläppchen der Schilddrüse eines jungen Kätzchens fanden sich, mitten drin im Thymusgewebe, zwei wohlausgebildete, col- loidhaltige Schilddrüsenacini. Studien über die Schilddrüse. 411 mittelbarerVerbindung und zwar meist mit einem grösseren Absehnitt der einander zugewendeten Flächen. Der Uebergang beider Gewebsarten in einander ist auch hier wieder ein con- tinuirlicher; abgrenzende Fasern oder Zellen sind nieht nach- weisbar. Auf diese Weise entstehen natürlieh auf Querschnitten merkwürdige Bilder. Ein Thymusläppcehen liegt z. B. mitten im Drüsengewebe und steht hie und da in direktem Zusammenhang mit demselben, und diesem Thymusläppchen ist das innere Epithel- körperehen von dem bekannten Aussehen so unmittelbar ange- lagert, als ob es ein Theil desselben wäre (s. Taf. XXIV, Fig. 12). Es sieht fast so aus, als ob beide ein zusammengehöriges Ganzes bildeten, dessen eine ‚Hälfte ein Epithelkörperchen und dessen andere Hälfte ein Thymusläppchen wurde. Der verschiedene Grad der Verbindung, insbesondere der Umstand, dass es Fälle giebt, wo eine solche gar nicht statthat, sondern inneres (bez. äusseres) Epithelkörperchen und inneres (bez. äusseres) Thymusläppehen getrennt neben einander liegen, weist darauf hin, dass es sich um die seeundäre Verwachsung zweier ursprünglich getrennt angelegter Körperchen handelt. In einem Falle, bei einem acht Tage alten Kätzchen, lagen inneres und äusseres Thymusläppchen nicht, wie sonst, getrennt, sondern beide hingen zusammen und bildeten so einen ansehn- lichen Thymuskörper, der sich von der dem Oesophagus zuge- wendeten, hinteren Fläche der Seitenlappen tief in die Schild- drüse hinein erstreckte. Dieses Thymusläppchen war auch noch * dadurch ausgezeichnet, dass sich an der einen und zwar der äusseren seiner Seitenflächen — an der inneren war es mit dem inneren Epithelkörperehen verwachsen — ein sehr umfangreicher eysten- artiger Hohlraum ausgebildet hatte, der von eubischem Epithel ausgekleidet war, das einerseits in das Thymusgewebe überging, andererseits an die Kapsel des Läppchens angrenzte. In dieser Cyste lagen einige, ungefärbte, mattglänzende, kugelige Körnchen oder Tröpfehen (s. Taf. XXIV, Fig. 12). Isolirte Thymusläppehen an der Schilddrüse fand ich auch bei der Ratte und dem Hund; ich bin jedoch nicht in der Lage, angeben zu können, ob sie dieselbe Gesetzmässigkeit, wie die der Katze, zeigen. Bei Thieren, denen das innere Epithel- körperchen fehlt, habe ich auch kein inneres Thymusläppehen gefunden. 412 Alfred Kohn: Für besonders mittheilenswerth halte ich die Art und Weise, wie sich bei einem jungen Hunde die Verbindung des äusseren Epithelkörperchens mit dem äusseren Thymusläppcehen darstellte. Dieses lag an der Aussenseite des Seitenlappens, und war als Thymus durch Secundärläppehen, dureh die Differenzirung von Rinden- und Marksubstanz und con- eentrische Körperchen genügend charakterisirt. Was aber dieses Thymusläppchen von seines Gleichen unterschied, war Folgendes: Die Gewebselemente desselben hatten grossentheils — und dies gilt sowohl für das Mark, als auch für die Rinde — nicht das Aussehen von Lymphkörperchen, sondern glichen eher Epithel- zellen. Der Kern war wohlgeformt, rundlich oder leicht ellip- tisch, ein Kerngerüst deutlich wahrnehmbar. Der epitheliale Habitus dieser Zellen trat um so entschiedener hervor, als sich zwischen denselben auch unzweifelhafte, mit intensiv gefärbten Kernen ausgestattete Lymphkörperchen befanden. Diese epi- theloiden Zellen unterschieden sich durch bessere Färbbarkeit und viel geringere Dimensionen bedeutend von den oben!) aus der Marksubstanz beschriebenen blassen, grossen Zellen. Sie boten keineswegs irgend welche Anzeichen einer regressiven Metamorphose dar, lagen dicht nebeneinander und hatten in Form, Grösse und Färbung eine auffallende Aehnlichkeit mit den Zellen des äusseren Epithelkörperchens. Dieses konnte leicht zum Vergleich herangezogen werden; denn es war in diesem Falle aufs innigste mit dem Thymusläppcehen ver- wachsen. Letzteres war nämlich durch tief eindringende, aber nicht durchgreifende Septa in zwei Secundärläppchen getheilt. Da schob sich im Verlauf der Serie noch ein drittes von aussen her zwischen die beiden ein, welches aber ausschliesslich aus Epithelzellen, die nicht mit Lymphkörperchen untermischt waren, bestand, welches auch nicht Rinde und Mark unterscheiden liess, sondern aus verzweigten mit einander zusammenhängenden Zell- balken und dazwischen gelegenen Septen zusammengesetzt war und dessen periphere Zellen die für das Epithelkörperchen charakteristische Form und Stellung hatten. Das Epithelkörperchen hing in diesem Falle geradezu an einem aus dem Thymusläppchen heraustretenden epithelialen Stiel (s. Tafel XXIV, Fig. 10). 1) S. Seite 409. Studien über die Schilddrüse. 413 Sowohl Epithelkörperchen als auch 'T’hymusläppchen zeigten — wie ich dies bei jungen Thieren immer fand — reichliche Karyokinesen. Es will mir scheinen, als ob der eben geschilderte Bau des Thymusläppchens und all die erwähnten innigen Verbindungen von Thymus- mit Epithelgewebe sich am ungezwungensten er- klären lassen nach der von Kölliker, Maurer (20b), Rab] (24), Tourneux u. Herrmann (31), Retterer!), Prenant vertretenen Anschauung, dass die specifischen Gewebselemente der Thymus direkt aus dem Epithel der Anlage abstammen. Ebenso wie für die beiden Epithelkörperchen halte ich auch für die beiden Thymusläppehen einen selbstständigen Ur- sprung für wahrscheinlich. Man kann doch nicht annehmen, dass diese Gebilde, welche (bei der Katze) in so constanter und regel- mässiger Weise auftreten, etwa zufällig von der Thymusanlage losgelöste Nebenthymi seien. Ich hoffe vielmehr, es werde ge- lingen, sie bis zu ihrer besonderen Anlage zurückzuverfolgen. D. Zusammenfassung und Schluss. I. An der Schilddrüse aller bis jetzt darauf unter- suchten Säugethiere findet man ein äusseres Epithel- körperchen. Dasselbe ist en constantes, paariges Organ und liegt meist der Aussenfläche der Seitenlappen lose an, ohne mit dem Drüsengewebe in direkten Zusammenhang zu treten. Es besteht aus einem Netzwerk zusammenhängender epithelialer Zellbalken und dazwischen gelagerten ge- fässführenden Bindegewebssepten. II. Innerhalb der Seitenlappen der Schilddrüse — also ebenfalls paarig — kommt bei der Katze (und wahrscheinlich auch bei anderen Säugethieren) eonstant ein ähnlich gebautes Organ, das innere Epithelkörperchen der Schild- drüse vor, welches aber regelmässig mit dem Schilddrüsen- gewebe ceontinuirliche Verbindungen (Verwachsungen) eingeht. II. An der Sehilddrüse der Katze (und wahr- scheinlich auch anderer Säugethiere) ist ein neben oder unter 1) Vergl. die Mittheilungen von Retterer in Journ. d. l’anat. e. d. l. physiol. 1893. Bd. 29. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 27 414 Alfred Kohn: dem äusseren Epithelkörperechen gelegenes Thymusläppehen — das äussere Thymusläppehen der Schilddrüse — ein regelmässiger Befund. Dasselbe verwächst gewöhnlich mit dem äusseren Epithelkörperchen. IV. Ebenso regelmässig findet man innerhalb der Schilddrüse der Katze ein neben oder unter dem inneren Epithel- körperchen gelegenes Thymusläppehen — das innere Thymus- läppehen der Schilddrüse. Dieses tritt meist sowohl mit dem inneren Epithelkörperchen, als auch mit der Schilddrüse in un- mittelbaren geweblichen Zusammenhang. Das äussere Epithelkörperehen wurde von fast allen Autoren als ein im embryonalen Zustande verharrendes Schild- drüschen angesehen. Aus diesem Grunde nannte es Sandström „Glandula parathyreoidea“, rechnete es Baber zu den „Un- developed portions“, nannte es Gley „Glandule thyroi- dienne*. Von vielen Untersuchern wurde die Vermuthung ausge- sprochen, es liefere das Ersatzmaterial für zu Grunde ge- gangenes Drüsengewebe. Am bestimmtesten behauptete Gley die Weiterentwieklung dieses Organs zu funetionirendem Schild- drüsengewebe (nach Exstirpation der Schilddrüse). Das innere Epithelkörperchen wurde in demselben Sinne, d. h. als entwicklungsfähiges Reservematerial, aufgefasst. Dagegen bin ich der Ansicht, dass die Identität der Epithel- körperehen und der Schilddrüse unerwiesen sei. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass all die genannten vier Gebilde als rudi- mentäre Organe aufzufassen seien, die selbstständigen, in der Nähe der Ursprungsstätten der Thyreoidea und Thymus gelegenen Anlagen ihre Entstehung verdanken und erst secundär in so innige räumliche Beziehung zur Schilddrüse treten. Von diesen rudimentären Organen differenziren sich zwei zu Thymusgewebe (zum inneren und äusseren Thymusläppchen der Schilddrüse), die zwei anderen verbleiben in einem Zustande geringerer Differen- zirung, so dass sie späterhin in ihrem Baue weder der Schild- drüse noch auch der Thymus entsprechen. Wegen dieses indif- ferenten Charakters habe ich letztere schlechtweg als Epithel- körperchen bezeichnet. Diesen Namen entlehne ich Maurer (20b), welcher mit demselben im Wesentlichen ähnlich zusammen- gesetzte Organe von Amphibien belegte. Studien über die Schilddrüse _ 415 Da die hierher gehörigen embryologischen Unter- suchungen zum Theile noch widersprechend sind und zumeist auch an anderen Thieren als den von mir untersuchten angestellt wurden, so enthalte ich mich jeder Vermuthung darüber, ob die hier beschriebenen Gebilde von Embryologen beachtet und wie sie allenfalls gedeutet wurden. Nur eine jüngst erschienene Arbeit Prenant’s (23) will ich anführen, weil in dieser ausser der Entwicklung der Schild- drüse, Thymus und Carotisdrüse auch die des äusseren Epithel- körperchens (Glandulethyroidienne) berücksichtigt wurde. Prenant hat die Entstehung der Glandule thyroidienne bei Scehafsembryonen — von den jüngsten Stadien bis an reifen Föten — verfolgt und so durch direkte Beobachtung den Beweis erbracht, dass diesem Organe eine selbstständige Anlage und Entwicklung zukömmt. Er fasst die Glandule thyroidienne als en der Carotisdrüse homody- names Organ auf, das weder der Thymus noch der Schilddrüse zugerechnet werden könne. So wie die Carotisdrüse ein von der dritten inneren Kiemenfurche abstammendes epitheliales Organ sei (Stieda (50), Rabl (24), Fischelis (7), de Meuron (22), Prenant), so sei die Glandule thyroi- dienne ein ihr gleichwertiges Organ, das an der vierten inneren Kiemenfurche seinen Ursprung nimmt. Ich ziehe es vor, Prenant’s eigene Worte hierher zu setzen: „Cette glandule est vraisemblement connue depuis longtemps; il est possible en effet, que quelques-uns des corps signales par Remak et par Kölliker et demeures pour eux enigmatiques corres- pondent & cet organe. En tout cas, elle a et& reellement decouverte par Stieda, quoique confondue par lui avec une autre formation; depuis son existence a &t& soupeonne par Born, confirmee par de Meuron et par nous. Tout dans l'histoire de la glandule thyroidienne, l’origine analogue, le mode de formation et l’aspeet de l’&bauche en ces premiers debuts, les eonnexions avec l’epithelium d’une poche entodermique branchiale, la structure trabeeulaire £pitheliale et la vascularisation pr&coce, rappelle la glande carotidienne . . Nachdem er den Bau der Glandule beschrieben, fährt er folgendermassen fort: „D’apres ces faits, il est inutile d’ insister sur la tres grande 416 Alfred Kohn: similitude ou m&me l'identite structurale de la glandule thyroi- dienne et de la glande carotidienne .... Au point de vue de la structure proprement dite, il resterait aA voir (ce que je n’ai pas pu taire, faute d’objets convenablement traites), si la glan- dule presente chez des embryons un peu äges les m&mes trans- formations, les m&mes degenerescences que celles qu'offrait la glande earotidienne?). La constitution histologique de la glandule thyroidienne est done semblable A celle de la glande carotidienne. La structure de l’une et de l’autre est absolument speeiale et differe comple- tement et de celle du thymus et de celle de la glande thyroide. Aussi ai-je peine a comprendre, comment deMeuron, qui a d’ailleurs re- marque la ressemblance histologique de l’Epaississement dorsal de la troisieme fente et de l’Epaississement correspondant de la quatrieme, a trouve ce dernier forme „de petites cellules arrondies d’aspect plus ou moins Iymphatique“, Ja rapproche par consequent du thymus au point de vue histologique et m&me l’a rattach& ana- tomiquement & cet organe. Il est tout aussi difficile de con- cevoir, comment plusieurs auteurs ... . ont attribu& a la glandule thyroidienne la constitution de la thyroide embryonnaire.* Zu- sammenfassend sagt er: „La quatrieme poche branchiale entoder- mique est formee de deux branches, une externe et une interne; celle-ei, qui est en quelque sorte une diverticule de la poche proprement dite, se prolonge et se dilate en une v£esieule piri- forme, qui est l’&bauche thyroidienne laterale. Dans l’angle des deux branches se forme, par Epaississement de la paroi Epitheliale de la poche, un corps qu’on peut nommer glande thyroidienne. Par sa texture trabeeulaire et retieulde, par la nature histologique de ses el&ments epitheliaux, & cause aussi de sa grande et pre- coce vascularisation, enfin et surtout par son mode de formation, ce eorps est comparable a la glande carotidienne.“ (Abgeschlossen im Juni 1894.) 1) Aus unserer Beschreibung des äusseren Epithelkörperchens greht hervor, dass dieses keine den späteren Veränderungen der Caro- tisdrüse entsprechende Umformung erfährt. Studien über die Schilddrüse. 417 Literatur. Das Literaturverzeichniss strebt natürlich nur für die im Vorher- gehenden besprochenen Organe Vollständigkeit an. Sehr reichhaltige Literaturangaben findet man über die Schilddrüse insbesondere bei Wölfler und Horsley, über accessorische Schilddrüsen ausser bei Horsley auch bei Madelung, über die Entwicklung der Schilddrüse und ihres äusseren Epithelkörperchens bei Prenant. 1. Afanassiew, B., Ueber die concentrischen Körper der Thymus. Archiv f. mikrosk. Anatomie. XIV. Bd. Bonn 1877. — Derselbe, Weitere Untersuchungen über den Bau und die Ent- wicklung der Thymus u. der Winterschlafdrüse der Säugethiere. Ibid. 2. Baber, E. Cr., Researches on the minute structure of the thyroid gland. Philosoph. Transactions of the Roy. Society. Part. III. 1881. 3. Beard, J., The Development and probable Function of the Thymus. Anatomischer Anzeiger. IX. Bd. No. 15. Jena 189. 4. Biondi, Beitrag zu der Struetur und Function der Schilddrüse. Berliner klin. Wochenschrift. 1888. 5. Born, Ueber die Derivate d. embryon. Schlundbogen u. Schlund- spalten b. Säugethieren. Archiv f. mikrosk. Anatomie. XXI. Bd. Bonn 1883. 6. Cristiani, De la thyroideetomie chez le rat. Archives de phy- siologie norm. et pathol. 189. — Derselbe, Remarques sur l’anatomie et la physiologie des glandes et glandules thyroidiennes chez le rat. Ibid. — Derselbe, Des glandules thyroidiennes chez la souris et le cam- pagnol. Ibid. 7. Fischelis, Beiträge z. Kenntniss d. Entwicklungsgesch. der Gland. thyreoidea und Gl. thymus. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXV. Bonn 1885. 8. Gley et Phisalix, Sur la nature des glandules thyroidiennes du chien. Comptes rendus de la soc. de biologie. T. V. No. 8. 189. 9, Gley, Contributions a l’etude des effets de la thyroideetomie chez le chien. Archives de physiol. norm. et path. 1892. — Derselbe, Recherches sur la fonetion de la glande thyroide. Ibid. — Derselbe, Effets de la thyroideetomie chez le lapin. Ibid. — Derselbe, Nouvelles recherches sur les effets de la thyroideetomie chez le lapin. Ibid. — Derselbe, Les r&sultats de la thyroideetomie chez le lapin. Arch. de physiol. norm. et pathol. 1893. — Derselbe, Recherches sur le röle des glandules thyroid. chez le chien. Ibid. 10. Hofmeister, Zur Physiologie der Schilddrüse. Fortschritte der Mediein. Bd. X. No. 3 u. 4. 1892. 10b.Derselbe, Experimentelle Untersuchungen über die Folgen des 418 14: 20. —b. 25a. . Rogowitch, N., Sur les effets de l’ablation du corps thyroide Alfred Kohn: Schilddrüsenverlustes. Beiträge z. klin. Chirurgie. Redigirt von Bruns. Bd. XI. 1894. Horsley, V., Die Function der Schilddrüse. Internationale Bei- träge z. wissenschaftl. Mediein. Festschrift R. Virchow gewidmet. I. Bd. Berlin 1891. . Hürthle, K., Beiträge zur Kenntniss des Secretionsvorgangs in der Schilddrüse. Arch. f. d. ges. Physiologie. Bd. 56. Bonn 1894. . Kadyi, Ueber accessorische Schilddrüsenläppchen in der Zungen- beingegend (Glandula praehyoides et suprahyoides). Archiv für Anat. u. Physiol. 1879. Anatom. Abthlg. Kastschenko, D., Schicksal der embryonal. Schlundspalten bei Säugethieren. Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. XXX. 1837. . Kölliker, A., v., Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 2. Aufl. Leipzig 1879. . Krause, W., Nachträge zur allgemeinen und mikroskopischen Anatomie. Hannover 1881. Derselbe, Die Anatomie des Kaninchens. 2. Aufl. 1884. . Langendorff, Beiträge zur Kenntniss der Schilddrüse. Archiv f. Anatomie u. Physiologie (Supplem.-Bd. z. Physiol. Abthlg.) 1889. Lupö, Contribuzione all’istologia della tiroide. Progr. medico. Napoli 1888. . Madelung, Anatomisches und Chirurgisches üb. d. Gland. thyr. access. Archiv f. klin. Chirurgie. Bd. 24. 1879. Maurer, Schilddrüse und Thymus der Teleostier. Morphol. Jahr- buch. Bd. XI. 1885. Derselbe, Schilddrüse, Thymus und Kiemenreste der Amphibien. Morphol. Jahrbuch. Bd. XTII. 1888. . Mayer, Sigm. Verhandlungen des X. internationalen medieini- schen Congresses. II. Bd. Berlin 1890. . Meuron, P., de, Recherches sur le d&veloppement du thymus et de la glande thyroide. Recueil zoologique suisse. Tome III. No. 4. 1886. Prenant, Annotations sur le developpement du tube digestif des mammiferes. Journal de l’anat. et de la physiol. 1892. .Derselbe, Contributions a l’ötude du developpement organique et histologique du thymus, de la glande thyroide et de la glande carotidienne. 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Comptes rendus. No. 29. 1892. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIV. Bedeutung der gebrauchten Bezeichnungen: Tr. — Trachea. Oe. — Oesophagus. Sch. = Schilddrüse. du. Ek. = äusseres Epithelkörperchen i.Ek. =inneres Epithelkörperchen äu. Th.— äusseres Thymusläppchen | i. Th. —=inneres Thymusläppchen ‚ der Schilddrüse. Fig. 1. Querschnitt durch den linken Schilddrüsenlappen eines 8 Tage alten Kätzchens mit den angrenzenden Partieen von Trachea 420 Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig: 6. Fig. 7. Alfred Kohn: und Oesophagus. Das äussere Epithelkörperchen erscheint in eine seichte Mulde der Hinterfläche der Schilddrüse einge- lagert. Zwischen Epithelkörperchen und Schilddrüse liegen die Querschnitte der im Text (Seite 379) erwähnten Arterie und Vene. Die Zellkerne des Epithelkörperchens erscheinen weit dunkler als die der Schilddrüse, die der Randzone insbe- sondere auch radiär gestellt, die Septa (S$.) mit den axial verlaufenden Gefässchen treten deutlich hervor. Vergrösse- rung ca. 40fach. Querschnitt durch den linken Schilddrüsenlappen einer er- wachsenen Katze. Das äussere Epithelkörperchen ist in die- sem Falle der Schilddrüse nur lose angelagert; das gleich- zeitig sichtbare innere Epithelkörperchen liegt in der Fort- setzung des von der Innenseite mit grösseren Gefässen ein- dringenden Bindegewebszuges (B.) (s. Seite 393 des Textes). Vergrösserung ca. 40fach. Stärker vergrösserte Darstellung einer Randpartie des inneren Epithelkörperchens aus Fig.2 mit angrenzendem Schilddrüsen- gewebe. K.—= Kapsel des inneren Epithelkörperchens mit ein- gelagerten Gefässen. Das Epithelkörperchen erscheint aus verzweigten, soliden Zellbalken zusammengesetzt, die durch gefässführende Septa begrenzt werden. Vergrösserung ca. 350fach. Querschnitt durch den linken Schilddrüsenlappen eines zwei Monate alten Kätzchens. Das äussere Epithelkörperchen ist der Aussenfläche der Schilddrüse angelagert. Ausserdem zeigt derselbe Schnitt an der Innenseite der Schilddrüse neben- einander inneres Epithelkörperchen und inneres Thymusläpp- chen, von denen ersteres bei « und letzteres bei b continuir- lich in Schilddrüsengewebe übergehen. Am Thymusläppchen lässt sich eine dunkle Rindenschicht und helle Markschicht unterscheiden. Vergrösserung ca. 20fach. Stärker vergrösserte Wiedergabe des dorsalen Abschnittes des äusseren Epithelkörperchens aus Fig. 4 Die verzweigten Zellbalken, ebenso die Septa mit ihren Gefässen sind in ver- schiedenen Richtungen getroffen. M.= Zellen in mitotischer Theilung. Vergrösserung ca. 500 fach. Stärker vergrösserte Darstellung der in Fig. 4 mit b bezeich- neten Partie, um den unmittelbaren Uebergang, die gegen- seitige Durchdringung der Elemente des inneren Thymus- läppchens und der Schilddrüsezu veranschaulichen. A.= Arterie. Vergrösserung ca. 350 fach. Mittlere Partie aus dem Querschnitt des rechten Schilddrüsen- lappens eines 8 Tage alten Kätzchens. Das innere Epithel- körperchen liegt in diesem Falle nicht central, sondern reicht medianwärts bis an die Innenfläche der Seitenlappen heran. (de) adr Fig. Fig. 10. Fig. 11. Fig. 13. Studien über die Schilddrüse. 421 Bei « geht es eontinuirlich in Schilddrüsengewebe über. Ver- grösserung ca. 100fach. . Stärker vergrösserte Wiedergabe der in Fig. 7 mit a bezeich- neten Partie. Aus dem inneren Epithelkörperchen tritt ein Zellstrang heraus, dessen Elemente ganz allmählich von denen der Schilddrüse durch- und endlich vollständig ersetzt werden. Vergrösserung ca. 500 fach. . Dorsaler Abschnitt des Querschnittes durch den linken Schild- drüsenlappen einer erwachsenen Katze. Das äussere Epithel- körperehen und das äussere Thymusläppchen liegen, durch Bindegewebe, Fett und Blutgefässe von der Schilddrüse ge- trennt, an deren dorsaler Fläche. Ce K.= concentrisch ge- schichtetes Körperchen. Vergrösserung ca. 40 fach. Durchschnitt durch das äussere Thymusläppchen und das äus- sere Epithelkörperchen der Schilddrüse eines jungen Hundes. Das äussere Epithelkörperchen ist in unmittelbarem Zusam- menhang mit dem grossentheils epithelialen Mark des Thy- musläppchens. Vielfach, besonders bei E. zeigte auch die Rindensubstanz des äusseren Thymusläppchens epithelialen Charakter. Vergrösserung ca. 100fach. Querschnitt durch den rechten Schilddrüsenlappen eines 8 Tage alten Kätzehens mit den angrenzenden Partieen von Trachea und Oesophagus. An der Dorsalfläche der Schilddrüse liegt das äussere Thymusläppchen, an dem Rinde und Mark deut- lich zu unterscheiden sind. Vergrösserung ca. 40fach. . Mittlerer Abschnitt eines Querschnittes durch den rechten Seitenlappen der Schilddrüse eines jungen Kätzchens. Die Gefässe waren mit blauer Leimmasse injieirt. Bei «a hängt das innere Thymusläppchen direct mit dem inneren Epithel- körperchen, bei b ebenso mit der Schilddrüse zusammen. (©. — eine an der äusseren Wand des Thymusläppchens liegende, von Epithel ausgekleidete Cyste (s. Seite 411 des Textes). @. = injieirte Gefässe. Vergrösserung ca. 100fach. Stark vergrösserte Partie aus der Marksubstanz des inneren Thymusläppchens eines 8 Tage alten Kätzchens. Bei E. grosse, blasse Epithelien. F7.—= ein von concentrisch geschichteten, platten Epithelzellen begrenzter Hohlraum. Die Wandzellen sind zum Theile in Ablösung begriffen. Kh. = Keratohyalin in einer der den Hohlraum begrenzenden Zellen. Vergrösse- rung ca. 350fach. . Stark vergrösserte Partie aus der Marksubstanz des inneren Thymusläppchens der Schilddrüse eines 8 Tage alten Kätz- chens. Bei E. grosse, blasse Epithelzellen, FH. = Hohlräume. In den Hohlräumen liegen von der Wandung abgelöste Zellen und Zellreste, zum Theil in der Form concentrisch geschichte- ter Körperchen (Ce. K.) (s. S. 406 d. Textes). Vergr. ca. 350fach. 422 LuigiSala: Fig. 15. Partie aus der Marksubstanz des inneren Thymusläppchens der Schilddrüse eines zwei Monate alten Kätzchens: zeigt einige der im Texte S. 405 erwähnten grossen, blassen, theil- weise keratohyalinhaltigen Epithelzellen. Ah. = Keratohyalin. Vergrösserung ca. 500fach. (Aus dem II. anatomischen Institut zu Berlin.) Experimentelle Untersuchungen über die Reifung und Befruchtung der Eier bei Ascaris megalocephala. Von Dr. med. Luigi Sala, Privatdocent an der Universität Pavia. Hierzu Tafel XXV—XXIX. Einleitung. Unter den Ursachen, die zum grossen Fortschritt beigetragen haben, welchen in den letzten Jahren unsere Kenntnisse hinsicht- lich der Reifungs- und Befruchtungserscheinungen der Eier und hinsichtlich aller anderen diesbezüglichen wichtigen Fragen der Zellenbiologie gemacht haben, stehen mit in erster Reihe die interessanten experimentellen Untersuchungen der Gebrüder Hert- wig über die Eier der Echinodermen und andererseits das wahr- haft werthvolle Untersuchungsmaterial, welches van Beneden uns im Ei der Ascaris megalocephala hat kennen lernen. Soviel mir bekannt, besitzen wir bislang kein anderes Untersuchungs- objekt, an dem sich, so klar wie bei diesem, die Bildung der ersten und zweiten Richtungsspindel, des ersten und zweiten Richtungskörpers, die Umwandlung und das Schicksal eben der Richtungskörper, das Eindringen der Spermatozoön in das Ei und seine Umwandlung zum Spermakern, die Bildung der ersten Fur- chungsspindel etc. ete., beobachten liesse. Ich glaubte, es müsse darum von Interesse sein, in einer Reihe von Untersuchungen Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier etc. 425 an diesem Wurm die an den Gebrüder Hertwig an den Eiern der Echinodermen so erfolgreich ausgeführten Experi- mente zu wiederholen, d.h. die Vorgänge der Reifung und Be- fruchtung des Eies des Pferdespulwurms zu studiren, nachdem es der Einwirkung äusserer Einflüsse ausgesetzt worden war. Nach dem heutigen Stand unserer Kenntnisse von den ver- schiedenen Lebenserscheinungen der Zelle, namentlich hinsichtlich der Reifung und Befruchtung des Eies und der Zelltheilung im Allgemeinen, kann das Studium der Veränderungen, die künstlich durch äussere Agentien erzielt werden können, vom Standpunkt der Zellpathologie aus Interesse bieten und ausserdem von ganz ausserordentlicher Bedeutung werden, wenn es gelingt aus einer oder der anderen dieser Veränderungen einiges Licht zu gewinnen über gewisse normale Verhältnisse, die auch heute, trotz der grossen Fortschritte, die die Zellenstudien gemacht haben, noch keine Erklärung gefunden haben. Da ich, entsprechend der Art, wie die Reifung und Befruch- tung des Eies bei Ase. meg. vor sich geht, die äusseren Agentien nicht unmittelbar auf das Ei einwirken zu lassen in der Lage war, wie es die Gebrüder Hertwig bei den Echinodermen thaten, so musste ich einen äusseren Einfluss wählen, der auf das ganze lebende Thier und damit auch auf das in demselben enthaltene Ei einwirkte, ohne den Tod des Thiers zur Folge zu haben. Ich wählte auf Rath des Prof. ©. Hertwig die Kälte, die derselbe selbst beim Studium des Eies des Strongylocentrotus lividus verwerthet hatte. Hier fühle ich die Pflicht, Hermm Prof. OÖ. Hertwig für die liebenswürdige Gastfreundschaft in seinem Institut während der beiden Semester 1392—953 wärmstens zu danken und besonders für die Hülfe und den Rath, den er mir während dieser Unter- suchungen auf das freimüthigste zu Theil werden liess. Untersuchungsmethode. Die grosse Lebenszähigkeit der Eier der Ascaris megalo- cephala ist seit langem bekannt. Schon 1856 hatte Munk beob- achtet (41), dass die Eier dieses Wurms nach mehr als 2monat- lichem Verweilen in 2°, Kalibichromat doch ihr Furchungsver- mögen nicht verloren hatten. Nussbaum (42), der eine Reihe von Untersuchungen hierüber gemacht hat, bestätigt, dass auch 424 LuigiSala: der Alkohol bis zu 60° die Eier in ihrer Entwiekelung durch- aus nicht hemmt, dass im 70° Alkohol die entwickelten Embryonen noch ein paar Tage weiterleben und im 80° Alkohol erst nach 2—3 Stunden zu Grunde gehen. Der gleiche Autor fand ausser- dem, dass man sie ein bis zwei Tage getrocknet halten kann, ohne sie zu zerstören. Van Beneden und Neyt (59) geben zu, dass diese Eier „presentent une resistance merveilleuse et l’on chercherait en vain dans n’importe quelle elasse du regne animal des oeufs mieux abrites contre l’aetion des causes ext6- rieures“. Auch die Autoren, die in neuerer Zeit dieses Ei studirt haben (Carnoy, Zacharias, van Beneden und Boveri), hatten Gelegenheit seine grosse Widerstandskraft gegen die ge- wöhnlichen Härtungsmittel zu erproben, so dass sie alle sich der Aufgabe gegenüber sahen, neue Fixirmethoden auszudenken, um das Öbjeet untersuchen zu können, Methoden in kürzester Zeit das Ei zu tödten, ohne seine Struktur zu zerstören; — und nicht immer waren sie darin ganz glücklich. Bei dieser grossen Zähig- keit der Eier der Ase. meg. konnte ich nieht nur, sondern musste ich vielmehr, um einige Modificationen zu erzielen, auf die ich später näher eingehen werde, zu viel tieferen Temperaturen greifen, als sie O. Hertwig bei seinen Untersuchungen an den Eiern des Strongylocentrotus lividus angewandt hatte (31)). Die lebenden Würmer wurden in einen Becher gebracht, der in eine Kältemischung gestellt war. Ein Thermometer zeigte im Becher die Minimaltemperatur, der die Würmer ausgesetzt waren, an. So machte ich eine Reihe von Untersuchungen, indem ich die Würmer nach einander Temperaturen von +3°, +2%, +1°, 09, —1°, —2°, —30, —4, —5, —6°, —7° und —8° C. aussetzte, und diese tiefen Temperaturgrade je nach dem Fall von 1/,—2 Stunden und länger einwirken liess. Ich will gleich erwähnen, dass im Allgemeinen die Eier auch relativ sehr niedere, aber nur kurze Zeit einwirkende Temperaturen (—6°, —7°; !/, Stunde bis 45 Min.) leichter ertragen als weniger niedere Temperaturen, 1) In meiner vorläufigen Mittheilung (49) habe ich angeführt, dass eine Temperatur unter —6° C., wenn 25—30 Minuten andauernd, vollkommener Entwicklungsstillstand im Wurm zur Folge habe. Ich muss dies dahin berichtigen, dass manchmal die Eier des Asc. meg. auch einer Temperatur von —7° und unter Umständen selbst —8° eine Viertelstunde ausgesetzt werden können, ohne dass ihr Tod erfolgt. Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 425 wenn sie längere Zeit andauern (—3° bis —4°; 4—5 Stunden). Die so abgekühlten Thiere wurden dann allmählich wieder auf die Temperatur des Zimmers gebracht und darauf (aber nicht immer) in einen Brütofen von 25—30° C. gestellt, damit den Eiern die günstigsten Bedingungen zur Weiterentwickelung ge- boten würden. Zur Fixirung und Färbung der Eier bediente ich mich der van Beneden’schen Methode. Während das Thier in einem Bad von 0,50°/, CNa-Lösung bei 25—30° C. lag, wurde ihm der ganze Geschlechtsapparat von der Vagina bis zum Ova- rıum schnell herausgezogen und gleich in eine Mischung von Eisessig und absolutem Alkohol zu gleichen Theilen und in reich- licher Menge gebracht. Hierin verblieben die Organe 24 Stunden. Aus diesem Fixationsmittel kamen sie in die Färbeflüssigkeit, die aus einer wässrigen Malachitgrün- und Vesuvin-Lösung mit !/, ihres Volumens Glycerin bestand. Es ist sehr schwer, genau die beste Öoncentration dieser Lösung und das Mischungs-Verhältniss der beiden Bestandtheile zu be- stimmen. Nicht immer verhalten sich die Eier der Ase. meg., namentlich die der Kälte ausgesetzt gewesenen, der Färbeflüssig- keit gegenüber gleich. Meist geschieht es, dass das Vesuvin von dem chromatischen Theil des Eies mehr oder minder gut angenommen wird, während sich das Malachitgrün in der proto- plasmatischen Substanz mehr oder weniger stark ablagert; es kann aber auch vorkommen, dass hin und wieder die gleiche Farbenmischung die Eier zweier verschiedener Würmer verschieden färbt; die einen werden z. B. hauptsächlich das Vesuvin anneh- men und erscheinen dann gleichmässig gelbbraun gefärbt und in den chromatischen Theilen etwas dunkler braun; die anderen ‚dagegen nehmen nur das Malachitgrün an und reagiren gar nicht auf das Vesuvin. Man muss darum in der Herstellung der Farb- flüssigkeit probirend vorgehen und das Verhältniss der Mischung und die Concentration je nach dem Resultat variiren. Im Ganzen sind schwache Lösungen und längere Einwirkung, selbst wochen- lange und noch längere, vorzuziehen. Die ganze Zeit über muss die Schale halb zugedeckt bleiben, so dass das Wasser langsam ab- dunstet und der Glyceringehalt relativ stärker wird. Die Eier werden darauf in der Farblösung selbst untersucht. Die Veränderungen, die man am Ei der Asc. meg. durch 426 LuigiSala: Kälteeinwirkung erzielen kann, sind verschiedener Art, aber bis zu einem gewissen Punkt stehen sie im Verhältniss zur Dauer der Kältewirkung. Man darf jedoch nicht glauben, dass ein be- stimmter Kältegrad bei bestimmter Dauer der Einwirkung auch constant und scharf definirt in seiner Wirkung auf das Ei sei, vielmehr sieht man, dass die Eier des gleichen Wurms meist nicht alle gleichmässig beeinflusst sind; namentlich, nach nicht besonders tiefen Temperaturgraden und nicht besonders langer Dauer der Einwirkung, findet man neben stark alterirten Eiern zahlreiche, die vollkommen erhalten sind und sich in durchaus normaler Weise entwickelt haben. Auch die Gebrüder Hertwig haben dies an den Eiern der Eehinodermen beobachtet; und es spricht für eine Verschiedenheit im Grad der Resistenz der Eier der Asc. meg., die vielleicht auf einer verschiedenen Feinheit der Membran beruht. Dass die Membran das Ei wirklich vor der Kälte schützt, zeigt auch die Thatsache, dass die stärksten und charakteristischsten Veränderungen, die durch die Kälte hervor- gerufen sind, sich namentlich in den Eiern des oberen Theils des Uterus finden, d. h. an denen, welche keine oder nur eine sehr feine Membran haben. Je tiefer die Eier herabsteigen, um so stärker wird bekanntlich ihre Membran und um so geringer und weniger allgemein sind die Veränderungen, welche die Kälte in ihnen hervorzurufen vermag. So sehen wir z. B. in einem und «demselben Uterushorn fast an allen Eiern den Befruchtungsprocess und den Vorgang der Bildung der ersten Richtungsspindel tief verändert und den des ersten Richtungskörpers ebenfalls, wenn auch nicht so sehr beeinflusst; Veränderungen sind weniger aus- gesprochen an den Eiern, die in der Bildung der zweiten Rich- tungsspindel und des zweiten Richtungskörpers begriffen sind und nur ganz sparsam an denen, die schon den Eikern und den Spermakern haben und schon die erste Furchungsspindel auf- weisen. Die Veränderungen, denen man an den Eiern begegnet, die sich in diesen Stadien befinden, d.h. wenn sie schon von starken Membranen bekleidet sind, sind nicht mehr auf direkte Einwir- kung der Kälte zurückzuführende, sondern hängen von jenen ab, die dieselben Eier in den höheren Bezirken des Geschlechts- apparats, da ihre Membranen noch weniger dick waren, durch- gemacht haben. Wir werden sehen, dass im Gegensatz zu den Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 427 Eiern, die in Bildung des ersten Richtungskörpers betroffen sind, man bei den Eiern, wo der Ei- und der Spermakern sich zur Bildung der ersten Furchungsspindel anschicken, nur selten Ver- änderungen in der Gestaltung der Chromosomen und im Aussehen der achromatischen Figuren findet, d. h. Veränderungen, die auf unmittelbare Einwirkung der Kälte auf die Eier in diesem Sta- dium zurückgeführt werden könnten. Dagegen finden wir fast ausschliesslich Veränderungen in Zahl und Grösse der Kerne und der chrömatischen Schleifen und der Centrosome, Veränderungen, die nur die nothwendige Folge der Störungen sind, die die Kälte im Beginn des Befruchtungs- und Reifungsprozesses hervorgerufen hat. Die Veränderungen, die die Kälte in den Eiern der Ascaris megalocephala hervorruft, beziehen sich: 1. auf das Eindringen des Spermatozoen in das Ei; es ist in einzelnen Fällen reichlicher als normal (Polyspermie), in anderen hingegen bleibt es ganz aus; 2. auf den Aufbau der Dottersubstanz oder der Eimembranen; 3. auf die Anordnung der chromatischen Substanz in den Kernen des Eies und in den Richtungsspindeln; 4. auf die Anordnung der achromatischen Substanz in den Richtungsspindeln; 5. auf die Bildung der Richtungskörper; 6. auf die Bildung des Eikerns und des Spermakerns; 7. auf die Bildung der ersten Furchungsspindel. Ehe ich jedoch all diese verschiedenen Veränderungen be- spreche, die ich beobachten konnte, möchte ich auf zwei Punkte aufmerksam machen bezüglich des normalen Verlaufs der Reifungs- vorgänge der Eier der Asc. meg., in welchen meine Beobachtun- gen von denen meiner Vorgänger auf diesem Untersuchungs- gebiet abweichen (Schneider, Nussbaum, van Beneden, Carnoy, Zacharias, Kultschitzky) oder die von denselben nicht erwähnt worden sind. Der erste Punkt betrifft die Gestaltung der Richtungs- spindeln bei der Asc. meg. Alle Autoren stimmen darin überein, dass der Vorgang, durch den sich die Richtungskörper bilden, eine wahre und echte Karyokinese sei, die sich jedoch von der typischen durch einige Abweichungen unterscheidet. Nach den zahlreichen neueren Untersuchungen über die Reifung der Eier 428 LuigiSala: der verschiedenen Thierkreise scheint es jetzt festzustehen, dass mit wenigen Ausnahmen, hauptsächlich unter den Mollusken (Ptero- trachea mutica, Carinaria mediterranea, Phyllirho@ Bucephalum Fol (17), Hertwig (30), Boveri [4,H.5]) und vielleicht auch einigen Würmern (Rhynchelmis-Vejdovsky [60]), die Richtungs- spindeln im Allgemeinen nicht nur kein Centrosoma und keine Polstrahlung erkennen lassen, sondern auch eine Form haben, die sich immer mehr oder weniger von der typischen Form der Spindel unterscheidet; sie haben häufig die Gestalt eines Fasses oder einer abgestumpften Spindel, wie wenn sie aus zwei mit der Basis auf einander gestellten Pyramidenstümpfen beständen. Die Spitzen sind aber etwas abgerundet, und so nimmt die Spindel eine mehr oder weniger ausgesprochene Ovalform an. Dass diese besondere Spindelform ohne Centrosom und ohne Polstrahlung ausschliesslich dem Reifungsprozess angehört, geht daraus hervor, dass bei den gleichen Thieren, wo sie sich klar ausgesprochen in der Reifung des Eies findet, die typische Spindelform mit Öentrosom und Strahlung in der Furchung wieder auftritt. Auch bei der Ase. meg. haben die Riehtungsspindeln eine ausgesprochene Fassform, aber nicht alle Autoren geben zu, dass ihnen’ die Polstrahlung ebenfalls abgeht. Carnoy (15) z. B. giebt nicht nur zu, dass eine deutliche Polstrahlung vorhanden sei, die er als „astres prineipaux ou terminaux“ bezeichnet, son- dern beschreibt auch an den Reifungsspindeln zwei andere Formen von Strahlung, nämlich die „astres lateraux qui prennent leur origine contre les groupes nucleiniens sur les flanes du fuseau“ und die „astres accessoires ou de troisieme ordre et de quatrieme ordre qui ne sont pas rattach&s direetement A la figure caryo- einetique“ und „qui sillonnent tout le protoplasme de l’oeuf du moins A sa peripherie“ (13, S. 31). Diese zwei obengenannten Asterformen, namentlich die accessorische, wären in den Figuren des ersten Riehtungskörpers seltener als in denen des zweiten. Auch Zacharias (62) führt eine sehr deutliche Polstrahlung an und bildet sie ab, aber nur für die zweite Spindel (Fig. 6, RB ar); Betrachtet man jedoch die Abbildungen sowohl bei Carnoy als bei Zacharias, so sieht man leicht, dass beide stark ver- änderte Eier vor sich hatten. Schon die Gebrüder Hertwig (34, S. 132) sagen betreffs der Abbildungen bei Carnoy, dass es Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 42 ihnen zweifelhaft sei, ob es sich nicht um pathologisch veränderte Eier dabei handele, und wir werden in der That noch zu sehen haben, dass nicht wenige der Formen der Spindel, die Carnoy als normale Spindelform beschrieben hat, in Wirklichkeit anormal und pathologisch sind und ganz jenen entsprechen, die ich bei den gleichen Eiern durch Einwirkung von Kälte erzielt habe. Ausserdem geht aber aus den Abbildungen bei Carnoy deutlich hervor, dass das, was er als Astres prineipaux, lateraux ete. beschreibt, nichts mit dem gemein hat, was wir heute als Pol- strahlung einer achromatischen Spindel verstehen, oder wenigstens in nichts an die wirkliche Strahlung erinnert, wie wir sie oben bei den Eiern der Asc. meg. an den Polen der Furchungsspindeln sehen. Eine sehr genaue und treffende Beschreibung der Rich- tungsspindeln bei der Asc. meg. giebt Boveri (4, Heft 1), der nicht nur die Existenz einer Polstrahlung ganz in Abrede stellt, sondern auch noch hinzufügt: „Eine spezifische Polsubstanz liegt in unserem Fall gewiss nicht vor.“ Kultschitzky (38) spricht in seiner Arbeit nicht ausdrücklich davon, ob eine Strahlung an den Polen der Richtungsspindeln bei der Asc. meg. vorhanden sei, aber in seinen Abbildungen sieht man deutlich, dass auch er die Richtungsspindeln ohne Polstrahlung gefunden hat. Neuerdings hat Lebrun (39) in einer vorläufigen Mittheilung angegeben, „dass im Ei der Asc. meg. ein Centrosom auch während der Bildung des ersten und zweiten Richtungskörpers vorhanden sei“, er erwähnt jedoch nichts über die Gestaltung der Richtungsspin- deln und über die Beziehungen dieser zu den Centrosomen. Die ausführliche Arbeit mit Abbildungen wird erst zeigen, ob der Autor an den Polen der Richtungsspindeln eine echte Strahlung beobachtet hat oder nicht. Die Befunde, die ich durch Färbung der Eier der Ase. meg. in der oben ausgeführten Weise erhielt, stimmen einerseits mit denen von Boveri überein, insofern es die Existenz einer Pol- strahlung, wie sie Carnoy und Zacharias beschrieben, be- trifft, erlauben mir andererseits aber nicht zu entscheiden, inwie- fern dieser gleiche Autor Recht hat, wenn er eine spezifische Pol- substanz in Abrede stell. An den zahlreichen von mir unter- suchten ersten und zweiten Richtungsspindeln, besonders aber an den ersten, fand ich immer an ihren Polen einige kleine, runde Körnehen, die mit einer gewissen Regelmässiekeit angeordnet Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 28 430 LuigiSala: waren und die Vesuvinfärbung stark anmnahmen. Bekanntlich haben bei der Asc. meg. die Spindeln keine wahre Spindelform, sondern vielmehr die einer länglichen Tonne, d. h. ihre Enden endigen nicht, wie bei Spindeln, in einem Punkte, sondern sind vielmehr wie abgebrochene Kegel abgeplattet und scheinen mit breiten Platten abzuschliessen, die einen integrirenden Bestand- theil des faserigen Körpers ausmachen. Hat man eine seitliche Ansicht einer Spindel vor sich, so erscheinen die breiten Platten von 2, 3, manchmal auch 4 und selten sogar 5 feinsten Körnehen eingenommen, die rundlich sind, sich stark färben und die Spindel an beiden Enden (Fig. 1 u. 7) von der Dottersubstanz abgrenzen, welche sie allseitig umgiebt. Die Körnchen nehmen die Peripherie der breiten Plättehen ein, mit denen die Spindel endet, und in den im Profil gesehenen Spindeln konnte ich mit gewisser Regel- mässigkeit beobachten, dass die beiden Körnchen, die den opti- schen Durchschnitt der breiten Platte begrenzen, etwas dieker waren, als die in dem medialen Theil gelegenen. In der ersten Richtungsspindel sind diese Körnehen deutlich sichtbar, sowohl am äusseren Pol der Spindel als am inneren; an der zweiten Spindel finden sie sich hingegen nur am äusseren Pol. Welches ist nun der Ursprung dieser Körnechen? Um diese Frage soweit als möglich zu beantworten, suchte ich die Eimutter- zellen nicht nur an dem Eintritt des Spermatozo@n in dieselben und vor dem Auftreten der ersten Spindel zu untersuchen, son- dern noch weit höher oben im Eileiter gegen das Ende der Wachsthumszone (0. Hertwig), wenn sie, getrennt von der Raphe, die Reifezone überschreitet. In diesem Stadium lässt der Kern der Eimutterzelle (weleher die wohlbekannte typische An- ordnung der ehromatischen Substanz aus einem [Asc. meg. uni- valens] oder zwei [Asc. meg. bivalens] chromatischen, aus je 4 Stäbehen zusammengesetzten Haufen kaum angedeutet zeigt), immer, wie schon O0. Hertwig zu zeigen vermochte, ein Kernkörperchen erkennen, welches später, indem die Eimutter- zelle weiter in dem Eileiter fortschreitet, allmählich Veränderun- gen erleidet analog den von Hertwig für das Kernkörperchen der Samenmutterzelle beschriebenen, wenn sie sich der ersten Thei- lung nähert. Es zerfällt nämlich gleichsam in kleine Stückchen von verschiedener Gestalt und Grösse (Fig. 2, 3, 4, 5, 6), welche anfangs nahe bei einander liegen wie in einem Haufen, dann Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 431 aber sich allmählich über den ganzen Bereich des Kerns zer- streuen. In dem Maass als die Eimutterzelle im Eileiter herab- steigt und die typisChe Anordnung der ehromatischen Kernsub- stanz sich schärfer ausprägt, nehmen diese Körnchen etwas an Grösse ab, erhalten eime regelmässigere Form und werden runder; gleichzeitig schieben sie sich gegen die, Peripherie des Kernes hinaus, legen sich dicht unter die Kernmembran und werden so schwerer sichtbar. Wenn nachher das Spermatozoon in die Eimutterzelle ein- dringt, beginnt in derselben die Bildung der ersten Spindel und verschwindet die Kernmembran. So viele Versuche ich auch ge- macht habe, nie gelang es mir darüber hinaus mit Sicherheit die Bestimmung dieser Körperchen zu verfolgen; während der ersten Stadien der Spindelbildung sind sie nicht mehr sichtbar; erst etwas später, wenn die Form der Spindel sich zu markiren be- ginnt, erscheinen von neuem an den beiden abgeplatteten Polen die oben beschriebenen, intensiv gefärbten Körnchen. Man könnte nun die Frage aufwerfen, in welcher Beziehung diese färbbaren Körnchen, welche man an den Polen der fertigen Kernspindel findet, zu den Körnchen stehen, die aus der Auf- lösung des Kernkörperchens hervorgehen, das zu dem Kern der Eimutterzelle gehört? Meine diesbezüglichen Beobachtungen ge- statten mir keine sichere Entscheidung; wenn man eine grosse Anzahl von Präparaten verschiedener Asc. meg. untersucht hat und die vollkommene Uebereinstimmung der Körnehen unterein- ander, nach Zahl, Grösse und Form beobachtet, so erhält man den Eindruck, dass die einen wie die anderen ein und dasselbe sind, d. h. dass bei der Bildung der ersten Kernspindel die färb- baren Körnehen, welche im Inneren des Kerns dieht unter der Kernmembran sich befanden, an seine beiden Pole gerückt sind und sich in den beiden Polplatten festgesetzt haben; aber ein direkter Nachweis dieses Uebergangs fehlt vor der Hand noch und die Thatsache, dass die Körnchen während der ersten An- fänge der Kernspindelbildung dem Auge des Beobachters ent- schwinden, erlaubt uns naturgemäss nichts weiter als eine Wahr- scheinlichkeit anzunehmen. Es bleibt noch eine Frage bezüglich dieser Körnchen zu entscheiden, die Frage nämlich, welche Bedeutung sie eventuell an den Polen der Spindel haben können. Einige analoge Beob- 432 LuigiSala: achtungen sind bereits bekannt gegeben worden. Wir wissen aus Untersuchungen von Platner (46), dass bei der Zwitter- drüse der Limax agrestis die Spermatocyt®n, ausser ihrem Kern, einen „Nebenkern“ haben, der zu Beginn der Zelltheilung sich zu 8 färbbaren Stäbchen umwandelt, die vollkommen gleich in Form und Grösse zuerst unregelmässig angeordnet stehen und sich dann zu 2 Gruppen von je 4 Stäbchen sammeln, indem sie sich um 2 runde Körperchen (Centrosome) anordnen, die gleich- zeitig mit den Stäbchen selbst auftreten. In der Folge machen sie eine Längsspaltung durch, so dass nun jede Gruppe von 8 seeundären Stäbehen gebildet wird, die mit dem Centrosom zum Spindelpol hinrücken. Eine analoge Anordnung hat Platner auch für die Spermatocyten der Helix pomatia beschrieben, wo die färbbaren Stäbehen, die aus dem „Nebenkern“ hervorgegan- gen sind, zuerst 12 in 2 Gruppen zu je 6 angeordnet sind, dann dureh Längsspaltung zu 24 in 2 Gruppen zu je 12 werden, welche an den Spindelpolen liegen. Auch Hermann (29) hat an den Spermatocyten des Proteus anguineus beobachtet, dass während der Theilung das Centrosoma, sobald es sich schon an den Polen der Spindel befindet, von einer kleinen Gruppe kleiner, kurzer, färbbarer, S-förmiger Fasern umgeben wird, die mehr oder weniger in sich gekrümmt sind und 16—20 an Zahl erscheinen. In all diesen Fällen jedoch bestand, auch bei der grossen Regelmässigkeit in der Form, in der Anordnung und vielleicht auch in der Zahl dieser cehromatischen, an den Polen der Spindel vertheilten Theile, stets ein sehr deutlich ausgepräptes Centro- soma, um welches sie gruppirt standen. Dies trifft aber für die Riehtungsspindeln der Asc. meg. nicht zu. Jedoch neigen die Autoren [R. Hertwig (55), M. Heidenhain (23, S. 694)] dahin, anzunehmen, dass diese färbbaren Theile, die das Centro- soma umgeben, nichts anderes seien, als die Rudimente der Chromosomen des Mikronuceleus, die das Chromatin verloren haben würden. Eher, scheint mir, müssen wir uns hier an die Beschreibung halten, die O. Hertwig von dem Verhalten des Nucleolus der Samenmutterzelle der Asc. meg. während Vorbereitung zur ersten Theilung gegeben hat. Danach geht gleichzeitig mit dem Kleiner- werden des Kernkörperehens mit seinem Zerfall in zwei oder drei Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier etc. 433 kleine Kügelchen das Auftreten der Centrosomen einher. Hert- wig giebt an, dass er ausserdem häufig diese Kügelchen „an der Innenfläche der Kernmembran gelagert“ gesehen hat, „wo die Polkörperchen zuerst auftauchen“ (52, S. 30). Nach den neuen Untersuchungen von Brauer (10—11) ist festgestellt, dass in den Samenmutterzellen der Asc. meg. das Centrosoma zweifellos nuclearer Herkunft ist. Es ist darum nieht unmöglich, dass eine enge Beziehung besteht zwischen der Auflösung des Nucleolus und dem Auftreten des Centrosoma. Nach Karsten (36) war dieser Zusammenhang für die pflanzlichen Zellen vollkommen er- wiesen, nach dem, was in den Kernen des sporogenen Gewebes des Psilotum triquetrum in der Theilung vor sich geht, wo dieser Autor die Kernkörperchen aus dem Kern austreten gesehen haben will, und wie dann zwei derselben sich mit einer plasmatischen, gestrahlten Zone umgaben und zu wahren Centrosomen an den Polen der Spindel wurden. Bei der Eimutterzelle ist die Auflösung des Kermkörperchens nicht vom Auftreten eines echten Centrosoma begleitet, sondern nur von dem Auftreten einiger Körnchen an den Polen der Spindel; aus dieser Thatsache und aus der grossen Ueberein- stimmung, die, wie wir wissen, zwischen den Erscheinungen der Spermatogenese und der Ovogenese bei der Ase. meg. besteht, er- wächst daher ganz von selbst die Frage, ob die färbbaren Körn- chen, die wir an den Polen der Richtungsspindeln bei den nor- malen Eiern der Asc. meg. finden, nicht vielleicht etwas Aehn- liches wie ein Uentrosoma darstellen. Man sieht, es ist nicht leicht, diese Frage in bestimmter Weise zu beantworten, aber einige Veränderungen, welche bei der Umwandlung des Kern- körperchens zum Vorschein kommen und bei der Anordnung dieser Körnehen an den Polen der Riehtungsspindel der Eier der Ase. meg., nachdem sie der Kältewirkung ausgesetzt waren, machen, wenn sie auch einen unwiderleglichen Beweis nicht geben, es jedenfalls, wie wir sehen werden, sehr wahrscheinlich, dass die in Frage stehenden Körnchen wirklich etwas wie ein Analogon zu dem Oentrosoma sind. Der andere Punkt, auf welchen ich aufmerksam machen möchte, bezieht sich auf das Vorkommen von Eiern der Ase. meg. mit zwei Keimbläschen. 434 Luigi Sala: In der Keimzone der Eierstocksröhre, wo eine lebhafte Ver- mehrung der Ureier stattfindet, kann es vorkommen, dass in der letzten Theilung eines Ureies die zwei Tochterzellen (Grossmutter- zelle des Eies, Boveri [D]) anstatt sich vollständig unabhängig voneinander zu machen, zuweilen durch ihren Protoplasmakörper miteinander verbunden bleiben. In diesen Fällen bleibt der Pro- zess der Theilung auf den Kern allein beschränkt, der bei seiner Theilung zur Entstehung zweier secundärer Kerne Veranlassung giebt. Die Zelltheilung, die sich anschliessen müsste, vollzieht sich nicht, sie deutet sich kaum an, so dass eine etwas grössere Eizelle entsteht, welche meist die Gestalt einer Sanduhr zeigt und zwei Keimbläschen enthält. Diese Eizellen dringen wie die anderen in die Wachsthumszone ein, wo sie sich mit Dotter- material beladen und rasch an Umfang zunehmen, um dann die Reifezone zu erreichen, indem sie dabei im Allgemeinen ihre Sanduhrform mehr oder weniger ausgeprägt beibehalten. Erst in den späteren Stadien, wenn diese Eizellen schon den Eikern und den Spermakern gebildet haben, können sie die Sanduhrform verlieren und eine regelmässig ovale Gestalt annehmen. Sie haben aber stets einen viel grösseren Umfang als die normalen Eizellen (Fig. 10). Diese so entstandenen doppelten Eizellen stellen thatsäch- lich nur eine einzige Eizelle mit zwei Keimbläschen dar und in der That, sobald sie sich von der Raphe gelöst haben, verhalten sie sich dem Samenkörperchen gegenüber genau so, wie jede andere Eizelle, die nur ein Keimbläschen hat, d. h. es dringt immer nur ein einziges Spermatozoon in dieselben ein (Fig. T, 8, 9, 10, 11). Nachdem die Befruchtung geschehen, bekleiden sich auch diese Eizellen mit zwei Keimbläschen mit einer allmählich an Dicke zunehmenden Hülle. Das Eindringen eines ‚einzigen Samenkörperchens in die doppelten Eizellen beweist deutlich, dass die normalerweise sich zeigende Monospermie nicht eine von der Funktion des Sperma- tozoön, d. h. von der Verschmelzung der männlichen chromati- schen Substanz mit der weiblichen cehromatischen Substanz ab- hängige Erscheinung ist; wäre dies der Fall, so müssten in diese doppelten Eizellen auch zwei Samenkörperchen eindringen, um mit der färbbaren Kermsubstanz jedes dieser beiden Bläschen zu verschmelzen. Da aber auch in sie nur ein einziges Samenkör- Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 435 perchen eindringt, so ist wiederum bewiesen, dass, wie Fol (17) und die Gebrüder Hertwig (34) gezeigt haben, es eine wesentlich von der Reizbarkeit des Eiprotoplasma abhängige Erscheinung ist, dass durch das Eindringen des ersten Samenkörperchens gereizt, das Ei eine Membran (die Dotterhaut) auszuscheiden veranlasst wird, die dann das Eindringen weiterer Samenkörper- chen unmöglich macht. Nachdem das Samenkörperchen eingedrungen, fahren die Doppeleier in ganz normaler Weise in der Entwickelung fort. Die zwei Bläschen bilden die beiden ersten Richtungsspindeln an zwei mehr oder weniger weit auseinander liegenden Punkten (Fig. 7, 8, 9) und diese ihrerseits bilden dann die beiden ersten Ricehtungskörper; sodann entstehen zwei Eikerne. Gleichzeitig sehen im Samenkörperchen jene bekannten Umwandlungen vor sich, die Boveri so klar beschrieben hat (4, Heft II), und die zur Bildung des Spermakerns führen. So kommt ein Ei mit 4 Riehtungskörpern und 3 Kernen zu Stand (Fig. 10, 11), von denen einer väterlichen, zwei mütterlichen Ursprungs sind. Im Uebrigen geht die Entwiekelung dieser Eier durchaus in normaler Weise vor sich. Es tritt zuerst ein einfaches Centrosoma auf, dann ein doppeltes. Aus den 3 Kernen bilden sich je eine oder zwei chromatische Schleifen, je nachdem wir es mit Asc. meg. univa- lens oder mit bivalens zu thun haben, und es entsteht so ein erster Furchungskern mit einer grösseren Zahl chromatischer Schleifen als normal: nämlich 3 bei Asc. meg. univalens (2 mütter- lichen und 1 väterlichen Ursprungs) und 6 bei Ase. meg. bivalens (4 mütterlicher und 2 väterlicher Herkunft). Es wäre sehr interessant gewesen, hier die weitere Entwicke- lung der Eier zu beobachten und die verschiedenen Veränderun- sen, welche ihre Theilung zweifellos begleiten müssen, zu ver- folgen, namentlich wäre es interessant gewesen, beobachten zu können, wie sich die überzähligen chromatischen Schleifen ver- halten während der sich folgenden Theilungen der Zellen und zu bestimmen, ob ihre vermehrte Zahl dadurch bestehen bleibt, dass jede Zelle des Embryo im seinem Kern eine grössere Zahl, als normal wäre, hat. Aber trotz der zahlreichen von mir unter- suchten Ascaris-Exemplare konnte ich leider doch nicht eines dieser Eier über das Stadium der sich bildenden ersten Furchungs- spindel hinaus verfolgen. Jedoch, selbst die Seltenheit zugegeben, 436 LuigiSala: mit der man solehe Eier mit zwei Bläschen bei normalen Ascaris!) findet, glaube ich nicht, dass meine negative Erfahrung mich zum Schluss führen muss, dass diese Eier nicht fähig seien, sich zu theilen. Ja ich möchte nicht daran zweifeln, dass bei einer geduldigen und methodischen, über eine grosse Zahl von Ascari- den ausgedehnten Untersuchung, es gelingen dürfte, auch die Veränderungen, welche die Theilung dieser Eier begleiten, zu ermitteln. Betrachten wir nun die von mir bei den Eiern der Asc. meg. in Folge von Kältewirkung beobachteten Veränderungen. 1) Ich muss hierzu bemerken, dass während bei einigen Weibchen die doppelten Eier vollkommen fehlen, sie sich bei anderen wiederum besonders häufig finden. Ich habe in Präparstserien alle Eier, die sich in den Eierstöcken von 5 Weibchen perfect normaler Asc. meg. fanden, untersucht. Ich begann dabei bei dem oberen Theil der Reifezone (O. Hert- wig), d.h. dort, wo die Eizellen anfangen sich an der Raphe loszulösen. Bei diesen 5 Weibchen war eines von der Varietät univalens, die an- deren 4 dagegen bivalens. Beim Weibchen univalens fand ich nur drei Doppeleier vor, die in Fig. 7, 10, 11 abgebildet sind. Von den 4 bivalens fanden sich bei drei gar keine Doppeleier, das vierte hin- gegen hatte deren verhältnissmässig viele, ich fand in demselben deren elf in den verschiedenen Entwicklungsstadien. Von allen Autoren, die sich bislang mit den Eiern von Asc. meg. abgegeben haben, erwähnt nur Carnoy kurz die Existenz unserer sanduhrförmigen Eier; er giebt auch eine Abbildung derselben in Fig. 100b auf Taf. IV (13). Sie stellt ein Doppelei, das der Varietät univalens angehört, dar. Es ist im Stadium, wo sich schon die beiden ersten Spindeln gebildet haben und esist nur ein Samenkörperchen einge- drungen. Doch muss man sagen, dass Carnoy sich nur ziemlich ün- klar über das betreffende Ei äussert, und es ist mir wohl nicht ganz gelungen, seine Deutung desselben zu verstehen. Jedenfalls hat er seinen wahren Ursprung nicht erkannt. Carnoy meint, dass im Eier- stock „les oeufs de l’ascaris megalecephala se divisent par st&enose, d’une maniere sporadique sans doute, apres que la cinese a cesse de se manifester* (13, S.10, Note2) und glaubt, dass das abgebildete Ei nur einen Spezialfall darstelle, bei welchem die Stenose des Proto- plasma noch nicht vollkommen sich vollzogen habe. Bekanntlich hat Carnoy bei seinen Untersuchungen fast ausschliesslich Eier der Va- rietät bivalens vor sich gehabt. Die Thatsache, dass er ein sanduhr- förmiges Ei fand, in welchem die beiden Spindeln am Aequator nur je vier chromatische Stäbchen enthielten (Varietät univalens), führten ihn zum Glauben, dass in diesem Fall sich der Kern schon durch Stenose getheilt habe und dass das Protoplasma in der Theilung zurück - geblieben gewesen sei. > Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 437 I. Veränderungen, die das Samenkörperchen und sein Eindringen in das Ei betreffen. Bekanntlich vollzieht sich das Eindringen des Samenkörper- chens in das Ei der Asc. meg. in einem ganz begrenzten Ab- schnitt des Utero-ovarialtubus und zwar entsprechend dem höchsten Theil des Uterus, wo dieser sich an den letzten Abschnitt des Eileiters anlegt. In dieser kurzen Strecke kann man demnach nach den Veränderungen suchen, ‘die die Einwirkung der Kälte auf den Vorgang des Spermatozoöneintritts in das Ei ausübt. Hier kommen zwei Fälle in Betracht: entweder der Eintritt voll- zieht sich überhaupt nicht, d. h. die Befruchtung bleibt aus, oder es dringen mehr als nur ein Samenkörperchen in das Ei, und wir stehen dann vor der sogen. Polyspermie. Der letztere Fall ist bei weitem der häufigere. Fast bei allen Würmern findet man zwar einige nicht befruchtete Eier, wenn sie der Kälte ausgesetzt worden sind!), aber ein einziges Mal fand ich einen Wurm — er war 24 Stunden im Brutofen bei 25—28° C. gehalten worden, sodann 1!/, Stunde auf —5° abgekühlt und nun von neuem in den 25—28° warmen Ofen verbracht worden —, wo die Zahl der nicht befruchteten Eier so gross war, dass man zur Anschauung kommen konnte, dass der Befruchtungsprozess durch die ganze Dauer der Kälteein- wirkung (1!/, Stunde) vollkommen gehemmt gewesen sei. Diese unbefruchtet gebliebenen Eier hatten übrigens, wie normale Eier, ihre fortschreitende Bewegung gegen die tieferen Theile des Uterintubus beibehalten, und ich fand sie denn auch hauptsächlich an dem Ort, an dem die anderen Eier, die schon vor der Ein- wirkung der Kälte befruchtet worden waren, in mehr oder min- 1) Nach Nussbaum fanden sich auch bei den Asc. meg. und namentlich bei etwas grossen Weibchen (35—37 em Länge) „eine unglaublich grosse Zahl von Eiern, an denen die durch die Befruch- tung hervorgerufenen Veränderungen sich nicht zeigen“ (42, S. 175). Unter den vielen Weibchen von normalen Asc. meg., die ich unter- sucht habe, fand ich wohl hin und wieder eines, welches einige unbe- fruchtet gebliebene Eier zeigte, aber die Zahl dieser Eier war klein. Diese Beobachtung Nussbaum's und seine Beschreibung und einige Abbildungen, die er von den Richtungsspindeln bei Asc. meg. giebt, machen mich glauben, dass der Autor kein ganz frisches und gut er- haltenes Material vor sich gehabt hat. 438 LuigiSala: der normaler Weise den zweiten Richtungskörper und den Ei- und Spermakern gebildet hatten. Hier hatten sie noch den Charakter und das Aussehen, das Eier im Moment haben, wo sie Samenkörperchen zu empfangen bereit sind. Nur das Protoplasma war etwas stärker lichtbrechend und mit Vacuolen durchsetzt und zeigte bei meiner Färbungsmethode eine gleichmässige mehr oder weniger starke Tingirung. Zacharias (62) sagt, dass die Eier der Asc. meg. die nicht befruchtet worden sind, doch den ersten Richtungskörper bilden, es aber nicht zur Bildung des zweiten bringen. Nuss- baum (42) meint, dass sie nicht einmal den ersten bilden und ich stimme ihm hierin nicht nur bei, sondern füge auch noch hinzu, dass ich, bei den weger der Kälteeinwirkung unbefruchtet gebliebenen Eiern, die dennoch ihre Wanderung gegen die Vagina hin fortgesetzt hatten, das Keimbläschen immer noch erhalten fand, wie bei den Eiern, die der Befruchtung entgegensehen, aber’ ohne jegliche Andeutung an die Formation einer ersten Riehtungsspindel. Auch sah ich nie, dass sich um das Ei her- um jene charakteristische Membranverdickung gebildet hätte, die in jedem Fall dem Eindringen des Spermatozoons folgt. Immer fand ich dagegen, dass in dem Maass, wie sich die nicht be- fruchteten Eier nach unten gegen die Vagina hin vorrücken, sie auch offenbaren Rückbildungserscheinungen. unterliegen. Die Dottersubstanz nimmt ein immer noch vacuolenreiches Aussehen an, indem sich in ihren Maschen eine flüssige Substanz ansam- melt, die hell und klar ist und indem sich die Balken, welche diese Maschen bilden, immer schwächer werden und undeutlicher, bis sie, vielleicht dureh Ueberhandnehmen der flüssigen Substanz erst an einem beliebigen Punkt des Eies, dann über seine Aus- dehnung hin, sich an der innern Oberfläche der Membran ablösen, sieh zusammenziehen und sich in emem trüben körnigen Haufen um das Keimbläschen herum sammeln. Nun nimmt die klare und transparente Substanz den ganzen Inhalt des Eies ein und dehnt seine Membran aus. So behält das Ei in diesem Stadium noch seine ursprüngliche Gestalt, erscheint aber als eine einfache Blase, erfüllt mit einer klaren, durehsichtigen Flüssigkeit, in der ein Häufehen einer trüben, körnigen Masse schwimmt: der Rest der Dottersubstanz. Das Häufehen enthält das Keimbläschen. Dieses verliert erst spät sein Aussehen, selbst wenn die körnige Sub- Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 439 stanz schon auf ein Minimum sich zurückgebildet hat; immer behält es noch seine Contouren bei und nur in ganz vereinzelten Fällen habe ich die ehromatische Substanz etwas aufgequollen gefunden. Im Allgemeinen zeigt auch in dieser Periode die chromatische Substanz sehr deutlich ihre typische Anordnung in einem (Asc. meg. univalens) oder zwei (Asc. meg. bivalens) Hau- fen, zu je 4 Stäbchen. Hin und wieder kann es vorkommen, dass die trübe, körnige Masse ganz verschwindet, weiche das Bläschen umgiebt, und dann schwimmt dieses frei in der flüssigen Masse, welche die primitive Höhle des Eies erfüllt. Wenn dann die so stark veränderten Eier in die tieferen Theile der Gebärmutter herabgerückt sind, verlieren sie sich. Die Eier, die sich rings um jene normal entwickelt haben und die in diesem Uterusabschnitt schon eine dieke Hülle besitzen, pressen auf jene, so dass sie einige zum Platzen bringen und sich der flüssige Inhalt derselben herausergiesst. Die Membran stülpt sich dann um und legt sich auf das Keimbläschen, falls es nicht auch mit dem flüssigen Inhalt zusammen hinausgestossen worden ist. Die charakteristischen und sehr augenfälligen Erscheinungen der Rückbildung an den wegen der Kältewirkung unbefruchtet gebliebenen Eiern glaube ich nicht dem unmittelbaren Einfluss der niederen Temperatur auf die Eier zuschreiben zu sollen, wir werden weiter noch sehen, welches die Veränderungen sind, die die Kälte unmittelbar auf die Eihüllen, auf die Dottersubstanz und auf die Keimbläschen der Eier der Ase. meg. ausübt und wir werden Gelegenheit haben festzustellen, dass diese Veränderungen ganz anderer Art sind, als die eben beschriebenen. Ich glaube, dass letztere hauptsächlich dem Ausbleiben des Eindringens des Sper- matozoon zuzuschreiben sind. | Weit häufiger als das Ausbleiben der Befruchtung veranlasst die Kälte die Erscheinung, dass mehr als ein Samenkörperchen in das Ei eindringt. Wir verdanken Fol (17) die Entdeckung, dass von allen Spermatozoön, die an ein Ei zur Befruchtung herankommen, nur eines und zwar das, welches zuerst mit dem Ei in Berührung gekommen ist, in dasselbe eindringt. Alle an- deren bleiben ausserhalb des Eies und wirken nicht bei der Be- fruchtung mit, da das Ei, sobald es ein Samenkörperchen auf- 440 Luigi Sala: genommen hat, sich mit einer Hülle umkleidet — der Dotterhaut —, welche ein weiteres Eindringen unmöglich macht. Dieser fundamentale Satz hat dadurch nicht an Geltung verloren, dass andere Forschnr in einzelne Eier auch normaler- weise mehr als ein Samenkörperchen eindringen sahen. Bloch- mann (6) beobachtete, dass gewisse Eier von Insekten (Musca vomitoria, L.) die Polyspermie als physiologische Erscheinung dar- bieten, und Henking (25) bestätigte diesen Befund an den Eiern zahlreicher von ihm untersuchter Insektenarten; auch bei einigen Hydroiden (Tubularia mesembryanthemum Allm.) scheint die Polyspermie häufig zu sein (Brauer [3]). Gleiche Beobachtun- sen wurden auch bei Wirbelthieren, von Rückert (47) an Sela- chiern (Eier des Pristiurus), von Oppel (435—44) an Reptilien (Eier der Anguis fragilis und des Tropidonotus natrix), ferner an Reptilien (Eier des Seps. chaleides) von Todaro (56—57), und neuerdings von Blane (2) an Knochenfischen (Eier der See- forelle, Trutta lacustris) gemacht. Bei diesen Fällen aber wurde immer constatirt, dass von allen eingedrungenen Spermatozoön nur eines als wirklich be- fruchtendes Element fungirt und sich mit dem Eikern conjugitt, während die übrigen entweder zu Grunde gehen und in noch nicht genügend erklärter Weise sich weiterer Beobachtung ent- ziehen, oder im Eidotter, welcher die Keimscheibe umgiebt, verbleiben und hier die sogen. Dotter- oder Merocytenkerne bilden (Rückert [48])?). Im pathologischen Zustand hingegen kann die Polyspermie eine recht häufige Erscheinung werden; dies geht hauptsächlich aus den interessanten experimentellen Untersuchungen hervor, die die Gebrüder Hertwig an den Echinodermeneiern gemacht haben. Sie brachten diese Eier vor oder während der Ent- wiekelung unter Einwirkung der verschiedensten chemischen 1) In den Eiern einiger Insectenarten (Phyrrhocoris Apterus L., Agelastia alni) hat Henking gefunden, dass zuweilen von den vielen Spermatozoön, die ins Ei eingedrungen waren, auch zwei oder drei sich zu Spermakernen umbilden konnten, doch vereinigt sich in solchem Fall nur einer derselben mit dem Eikern. Nach eingetretener Co- pulation entwickeln sich die anderen noch eine Zeit lang weiter und nach den Veränderungen ihres Chromatins würde man glauben können, dass sie sich noch zur Theilung anschicken, ohne dass Henking Jedoch eine Theilung wirklich beobachten konnte. Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 441 Agentien, sowie unter Kälte- oder mechanische Einwirkungen und sahen in jedem Fall eine mehr oder weniger ausgesprochene Polyspermie auftreten und zwar mit soleher Constanz, dass sie zum Schluss kommen mussten, dass das Phänomen der Poly- spermie den Maassstab abgebe für den Grad der Wirkung der verschiedenen angewandten Agentien und dass sie diese nach dem Maass der Polyspermie als „starke und schwache“ Agentien unterscheiden. Van Beneden (58) und Zacharias (62) fanden auch bei den Eiern der Asec. meg. einige Fälle von Polyspermie. Der erstere führt sechs Fälle von Eiern mit 2 Samenkörperchen auf und letzterer zeichnet in Taf. VIII, Fig. 14 seiner Arbeit ein solehes mit 2 Spermatozoön. Ausserdem erwähnt Zacharias einige seltenere Fälle, wo er 6, 8 und selbst 10 Spermatozoön in ein Ei eindringen sah und neigt zur Ansicht, dass dies patho- logische, nicht weiter entwieklungsfähige Eier seien. Auch Boveri (4) fand unter den zahlreichen Eiern von Ase. meg., die er untersucht hat, nur zwei mit mehr als einem und zwar 2 Spermatozoön; er glaubt jedoch nicht diese beiden als patholo- gisch auffassen zu sollen, sondern vielmehr so, dass das Eindrin- gen von 2 Samenkörperchen in dieselben deshalb statt haben konnte, weil sie im gleichen Augenblick an das Ei herange- kommen seien, so dass die Gegenwart des einen kein Hinderniss für das Eindringen auch des zweiten sein konnte. Das gleich- zeitige Berühren des Eies durch 2 Samenkörperchen muss natür- lieh ein sehr seltener Zufall sein und so erklärt sich, nach Boveri, die Constanz der normalen Monospermie befriedigend. Was das weitere Verhalten der polyspermen Eier und namentlich die Frage betrifft, ob die in Ueberzahl eingedrungenen Spermatozoön auch eine entsprechende Anzahl Spermakerne zu bilden im Stande sind, und ob nur ein Samenkörperchen oder alle sich mit dem Eikern vereinigen, so giebt Boveri darüber keine Auskunft. Die Polyspermie wird aber bei Asc. meg. eine sehr gewöhn- liche Erscheinung, wenn ihre Eier einer niederen Temperatur ausgesetzt werden. Sie tritt schon ein, wenn man den Wurm nur 1/,—?/, Stunde einer Temperatur von +2° bis +1° aussetzt. Natürlieh ist sie ausgesprochener, wenn die Temperatur noch niederer war. Man muss beachten, dass die so erzielte Polyspermie sich 442 Luigi Sala: nie in so hohem Maasse zeigt, wie sie die Gebrüder Hertwig beobachten konnten an den Eehinoderenmeiern nach Einwirkung chemischer Agentien oder mechanischer oder chemischer Einflüsse. Ich glaube, diese Differenz -ist auf die Verschiedenheit der Be- dingungen, unter denen die Befruchtung bei Asc. meg. und bei den Ecehinodermen statt hat, zurückzuführen. Bei letzteren konnte durch die künstliche Befruchtung eine beliebige Anzahl Eier im Moment, in dem das Eindringen des Spermatozoon vor sich geht, gewonnen werden, bei Asc. meg. aber wird die Beobachtung nothgedrungen auf die geringe Zahl der Eier beschränkt bleiben, die den Samenkörper in der Periode empfangen, in der der Wurm der Kälte ausgesetzt ist oder höchstens kurze Zeit dar- nach. Die Zahl der Spermatozoen, die in ein Ei von Ase. meg, unter der Kälteeinwirkung eindringen können, scheint bis zu einem gewissen Punkt, im Verhältniss zu stehen zur Dauer der Kälteeinwirkung. Bei Temperaturen von +1° bis —1° C. durch '!/,;—1 Stunde, findet man ziemlich viele Fälle von Polyspermie, in der die Eier 2, 3 und auch 4 Spermatozoön haben (Fig. 12). Bei gleicher Temperatur und 2 und mehr Stunden Dauer, oder bei Temperatur von -—3°, —4°, —5°, —6° C. und nur !/, Stunde Dauer findet man Eier mit 8, 10 und 12 Spermatozoen (Fig. 13 und 14). Ich will aber gleich erwähnen, dass auch hier, wie bei den Eehinodermen, die Eier mit so zahlreichen Spermatozo@ön ent- wicklungsunfähig werden und es meist nicht einmal mehr bis zur Bildung eines ersten Richtungskörpers bringen. Wir finden in der That bei den Würmern, die 2 Stunden einer Temperatur von —4° Ü. ausgesetzt gewesen waren, nicht wenige Eier, die 8, 10, 12 und mehr Spermatozoön enthalten, Eier, welche in ihrem Marsch durch den Uterus weiter geschritten und in seinen unteren Theil fast bis zur Vagina gelangt, dabei aber auf dem gleichen Punkt der Entwicklung stehen geblieben sind. Im Allgemeinen bilden sich die vielfach befruchteten Eier nicht nur nicht weiter aus, sondern machen auf ihrer vielleicht nur passiven Wanderung durch den Uterus auch noch eine Art re- gressiver Metamorphose durch. Der Dotter erscheint nicht mehr körnig, sondern ist trüb geworden und hat etwas Glanz ange- nommen. Die chromatischen Elemente des Keimbläschen sind Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 443 gequollen und haben ihre typische stäbehenförmige Gestalt ver- loren, und erscheinen meist als klare, durchsichtige Bläschen; die zahlreichen Spermatozoön haben zwar ihre Gestalt bewahrt, erscheinen aber geschrumpft und sind nicht so leicht färbbar. Offenbar ist bei solehen Eiern die Kältewirkung zu intensiv ge- wesen oder zu lang und hat nicht nur die normalen Funetionen des Eies, wie sie sich in der Bildung der Dottermembran äussert, lahm gelegt, so dass mehrere Samenkörperchen eindringen konn- ten, sondern war auch mächtig genug, sie ganz zu unterdrücken und jegliche Lebenserscheinungen in ihnen zu ersticken. Wenn jedoch nur 2, 3 oder 4 Spermatozoön eingedrungen sind, so verliert das Ei seine Lebensfähigkeit nicht, sondern bleibt vollkommen entwicklungsfähig und die Entwickelung voll- zieht sich in durchaus normaler Weise, wenigstens bis zur Bil- dung der ersten Furchungsspindel. Mit dem Auftreten des ersten Richtungskörpers beginnt gleichzeitig auch in jedem Samenkör- perchen jene Reihe von Veränderungen vor sich zu gehen, die Boveri ausführlich beschrieben hat und die zur Bildung einer Anzahl Spermakerne führt, die der Zahl der ursprünglich in das Ei eingedrungenen Samenkörperchen entspricht. Man begegnet also in dieser Periode Eiern, die 2, 3 oder auch 4 (Fig. 15) grosse, einander ganz gleiche Kerne enthalten. Diese Kerne haben alle das typische netzartige Aussehen, aber nur einer von ihnen stellt den Eikern dar, während die anderen Spermakerne sind. Man muss aber beachten, dass Ascarideneier in diesem Stadium der Entwiekelung, die mehr als zwei Kerne haben, auch auf anderem Wege erhalten werden können, als durch Poly- spermie. Einmal normalerweise, wenn, wie wir oben erwähnt haben, zwei Ureier miteinander durch ihren Protoplasmakörper verbunden bleiben und so ein einziges Ei mit 2 Keimbläschen bilden (in diesem Fall wird man, auch wenn nur 1 Spermatozoon eindringt, doch immer die Bildung von 5 Kernen, nämlich 2 Ei- kernen und 1] Spermakern haben), und zweitens, und häufiger, wenn auf pathologischem Wege, wie wir später sehen werden, durch die Kälteeinwirkung 2, 3 und 4 Eier sich verbinden, um monströse Eier zu bilden, oder wenn, in Folge einer Anomalie in der Riehtungskörperbildung, im Ei ein Chromatinrest zurückge- 444 Luisrsale: blieben ist, der hätte ausgestossen werden sollen. Jedenfalls bleibt aber der Grund des Auftretens dieser verschiedenen Fälle von Mehrzahl der Kerne ziemlich leicht eonstatirbar, weil sie mit wohl ausgesprochenen Charakteren ausgestattet sind, die keinen Irrthum aufkommen lassen. Abgesehen von der vollkom- men charakteristischen Form, die die Eier mit mehr als 2 Kernen darbieten, mögen diese entweder auf die nieht vollzogene Ab- lösung zweier Ureier oder auf eine pathologische Vereinigung mehrerer Eier zurückzuführen sein, bleibt für die Diagnose als Anhaltspunkt auch noch einerseits die Zahl der Centrosomen, andererseits die Zahl der Chromosomen, die mit den Richtungs- körpern aus dem Ei ausgetreten sind und die bei Asc. meg. sehr deutlich sichtbar bleiben, manchmal bis hinein in die ersten Stadien der Furchung. Beide Kriterien, namentlich das zweite, können immer leicht zur Bestimmung des Ursprungs der Plurali- tät der Kerne führen. In dem in Fig. 15 gezeichneten Ei, das einer Asc. meg. angehört, die 2 Stunden bei niederer Temperatur mit allmählicher Abkühlung von 0° bis —5° C. und dann 18!/, Stunden im Brüt- ofen bei 25—28° C. gehalten worden war, ist es ganz klar, dass von den 3 Kemen, die dasselbe enthält, einer den Eikern dar- stellt, die anderen beiden aber männlichen Ursprungs sind und von den Spermatozo@n abstammen, die in das Ei eingedrungen sind. Wir sehen, dass dies Ei zwei Richtungskörper enthält, die normal gebildet sind, und dass in ihm 3 Centrosomen aufgetreten sind, von denen 2 mit Wahrscheinlichkeit von der Verdoppelung eines der zwei primitiven Centrosomen, die mit den Spermatozoön eingedrungen sind, herrühren. Auch in einem fortgeschrittenen Stadium, wenn aus den einzelnen Kernen sich schon die chro- matischen Schleifen gebildet haben, die zur Bildung der ersten Furchungsspindel bestimmt sind, bleibt es ziemlich leicht fest- zustellen, natürlich nur, wenn die Richtungskörper sich gut erhalten haben, ob ein oder mehrere Spermatozoön ins Ei ein- gedrungen sind. Boveri (5) schliesst nicht die Möglichkeit aus, dass wäh- rend des Vorgangs der Befruchtung die von Fol (18) entdeckte Erscheinung sich zeigen könne, dass das spermatische Centrosom sich mit dem ovarischen vereinigt, wo dieses existirt; er glaubt Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 445 aber, dass die Centrosomen, die der ersten Furchungsspindel an- gehören, von dem in das Ei eingedrungenen Spermatozoen ge- bildet wurden, indem es das Centrosom mit sich bringe. Da dieses, einmal ins Ei gelangt, sich verdoppelt, so zweifelt Boveri nicht daran, dass in den Fällen von Polyspermie die Zahl der Pole, die in der ersten Theilungsspindel auftreten, immer die dop- pelte von der Zahl der Spermakerne sei, die sich im Ei mit dem Eikern verkuppelt haben. Wir werden später Gelegenheit haben zu besprechen, in wie fern diese Ansicht Boveri's begründet ist, dass die Centrosomen der ersten Theilungsspindel ausschliess- lich spermatischer Herkunft seien. Einstweilen beschränke ich mich darauf zu bemerken, dass in allen Fällen, wo die Poly- spermie ganz sicher festgestellt werden konnte, ich immer eine Vermehrung der Centrosomen in der Bildung der ersten Furchungs- spindel beobachtet habe, aber nicht immer mich in allen Fällen überzeugen konnte, dass die vermehrte Zahl der Centrosomen genau doppelt so gross sei als die Zahl der ins Ei eingedrun- genen Spermatozo@n. In einigen Fällen stellt sich das von Boveri aufgestellte Verhältniss mit mathematischer Genauigkeit ein, aber in der grössten Zahl trifft es nicht zu und ich habe gefunden, dass die Zahl der Centrosomen immer etwas geringer als das Doppelte der Zahl der eingedrungenen Spermatozoen ist. Die Fig. 16 stellt ein Ei von Asc. meg. bivalens dar, das von einem Wurm stammt, der ungefähr 2 Stunden unter allmählicher Ab- kühlung von +4° auf —4° C. gehalten worden war, und bei dem das von Boveri aufgestellte Verhältniss zwischen Zahl der Chromosomen und der Spermatozoön genau zutrifft. Wir finden in demselben 2 Richtungskörper, die deutlich ausgeprägt sind, 8 chromatische Schleifen und 6 Centrosomen. Von den 8 chro- matischen Schleifen sind offenbar 2 nur weiblichen Ursprungs, die anderen stammen von den Samenkörperchen, die ins Ei ein- gedrungen sind und 3 Centrosomen mitgebracht haben, die durch Verdoppelung zu 6 Centrosomen geworden sind. In diesem Fall ‘ist die Zahl der Centrosomen also genau die doppelte der in das Ei eingedrungenen Spermatozoön. Ein derartiger Befund ist aber nicht der gewöhnliche. Die Figg. 15, 17, 18 stellen drei Fälle von Polyspermie vor, bei denen die Zahl der Centrosomen kleiner als das Doppelte der Zahl der in das Ei eingedrungenen Spermatozoen ist. In Fig. 15 Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 29 446 LuigisSala: sind 2 Spermatozoön eingedrungen, die 2 Spermakerne gebildet haben, und doch sehen wir, dass die Zahl der Centrosomen nur 3 ist. In Fig. 17 sehen wir ein Ei von einer Asc. meg., die 21/, Stunden an offener Luft bei einer Lufttemperatur von — 7°C. und dann 19 Stunden im Brütofen bei 25—23° gehalten worden war; es enthält 6 cehromatische Schleifen, von denen 2 mütter- lichen Ursprungs (das Ei hat 2 deutliche, normale Richtungs- körper), und 4 väterlicher Abstammung sind. Es sind also auch in dies Ei 2 Spermatozoön eingetreten und doch sehen wir in demselben nur 2 Centrosomen. Ebenso in Fig. 18 (Ei des glei- chen Thieres wie Fig. 15). Hier haben wir 8 Schleifen, 2 weib- lichen und 6 männlichen Ursprungs, die durch das Eindringen von 3 Spermatozoön entstanden sind, und doch sehen wir, dass die Zahl der Centrosomen nur 5 ist. Ich hätte mehrere an- dere, hierher gehörige Fälle, anzuführen, was ich aber der Kürze wegen nicht thun will. Es scheint mir genügend klar, dass wir einigermaassen daran zweifeln müssen, ob wirklich, wie Boveri will, in den Fällen von Polyspermie jenes Verhältniss zwischen Zahl der Centrosomen und Zahl der insEi gedrungenen Spermatozoön ein eonstantes sei. Ich weiss wohl, wie wenig Gewicht negative Resultate bei Untersuehungen dieser Art haben, wo die techni- schen Schwierigkeiten sehr bedeutende sind, und ich hätte darum nicht auf die angeführten Fälle hingewiesen, wenn ich mich nicht überzeugt hätte, dass dieselben in Wirklichkeit bei weitem häu- figer sind als die, welche Fig. 16 vertritt. Ich glaube auch nicht, dass gegen die oben angeführten Verhältnisse der Einwand be- rechtigt ist, dass vielleicht bei der Zählung der Centrosomen eines oder das andere mir entgangen sein könnte und durch Mangel der Untersuchungsmethode nicht zu Tag gekommen sei. Die Zahl der Centrosomen war nicht so gross, dass Irrthümer beim Zählen zu entschuldigen wären, und auf der anderen Seite war es zu wichtig, die Zahl genau festzustellen, als dass ich mich nieht wohl vorgesehen hätte, in irgend einen Fehler zu verfallen. - Was die angewandten Methoden betrifft, so sind es doch die gleichen, die mich einmal zur Feststellung der Zahl von 3, ein an- deres Mal von 5, dann wieder von 2 Centrosomen ete. geführt haben. Es wäre schwer verständlich, dass wenn in einem Fall ein Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eierete. 447 Centrosoma mehr vorhanden gewesen wäre, diese Methode dasselbe nicht zu Tage gebracht haben sollte. Wenn so jeder Zweifel an der riehtigen Zählung der Cen- trosomen in den von mir beschriebenen Fällen von Polyspermie auszuschliessen ist, könnte man immer noch glauben, dass die Verdoppelung des Centrosoma etwa nicht bei allen gleichzeitig stattgefunden habe und dass diese Eier abgetödtet worden seien, ehe alle Centrosomen, die mit den Spermatozo&n hineingelangt seien, sich verdoppeln konnten. Nimmt man dies an, so müsste man auch annehmen, dass in Fig. 15 von den zwei Centrosomen, die hier mit den 2 Spermatozoön eingedrungen sind, eines schon doppelt geworden, das andere aber sich vielleicht später verdop- peln würde. Zur gleichen Annahme wäre man für Fig. 18 ge- zwungen, wo 2 Üentrosomen schon doppelt geworden wären, eines noch nicht. Aber gegen diese Auffassung der Figuren steht die von van Beneden angeführte Thatsache, dass bei Ase. meg. die Verdoppelung der Centrosomen dann vor sich geht, wann Ei- und Sperma-Kern sich gegenüber stehen, d.h. ehe noch der eine oder der andere sich in die betreffenden ehromatischen Schleifen umgebildet hat. Wenn diese schon aufgetreten sind, ist auch das Öentrosoma immer schon doppelt und die zwei secundären Cen- trosomen haben dann auch meist schon ihre wohl bestimmte Stellung an einander entgegengesetzten Punkten eingenommen. Wollen wir darum auch zugeben, dass in Fig. 15, wo Ei und Spermakern noch bestehen, die Verdoppelung der 2 Centrosome nicht gleichzeitig vor sich gegangen sei, so können wir das Gleiche doch nicht für Fig. 17 und 18 zugestehen, wo die chro- matischen Schleifen schon aufgetreten sind und wo alle Centro- somen zur Zeit verdoppelt sein sollten. Da wir also auch diese Erklärung nicht gelten lassen kön- nen zur Deutung dessen, dass die Zahl der Centrosomen in den Fällen von Polyspermie fast niemals doppelt so viel ist als die Zahl der in das Ei eingedrungenen Spermatozoen, so bleiben uns nur noch zwei Annahmen: 1) Können nicht alle mit den Spermatozoön eingedrungenen Centrosomen eine Ver- doppelung durchmachen oder 2) sie machen sie alle durch, aber nach derselben können wieder einige der secundären Öentrosomen verschwinden. Es ist nicht leicht zwischen diesen beiden Hypo- thesen zu entscheiden, nichts spricht mehr für die eine als für die 448 LuigiSala: andere. Man könnte höchstens anführen, dass, wenn die zweite richtig wäre, d. h. wenn wirklich eine Auflösung von Centro- somen statt hat, sich dann auch Fälle finden müssten, wo ein oder das andere Centrosom mehr oder weniger deutliche Auf- lösungserscheinungen zeigen würde; dies konnte ich aber niemals beobachten. In allen von mir untersuchten Fällen von Polyspermie sahen stets alle Centrosomen eines wie das andere aus. Ich bin darum der Ansicht, dass von beiden genannten Hypothesen die erste vielleicht mehr für sich haben dürfte als die zweite, d. h. dass in den Fällen von Polyspermie nicht immer sämmtliche mit den Spermatozoön in das Ei gekommenen Centro- somen sich verdoppeln, wie es zweifellos das einzelne Centrosoma thut, das bei Monospermie mit dem Samenkörperchen in das Ei eindringt. Hierfür sprechen ausserdem emige theoretische Ueberlegun- gen über den Mechanismus, mit dem die Theilung vor sieh geht. In normalen Fällen, wo ein Samenkörperchen ins Ei dringt, be- gegnen sich Eikern und Spermakern meist etwa in der Mitte des Eies; wenn darum das einzige Centrosom sich verdoppelt hat und die zwei seeundär daraus hervorgehenden Centrosomen ihre definitive Lage eingenommen haben an einander gerade entgegen- gesetzten Stellen in Bezug auf die Lage der beiden Kerne, so gruppiren sich die chromatischen Schleifen, männliche wie weib- liche, die daraus sich bilden, um den Aequator der Spindel, die inzwischen aufgetreten ist. Aber in den Fällen von Polyspermie kann die Bildung der Spindel und die Gruppirung all der zahl- reichen ehromatischen Schleifen um ihren Aequator nicht so ein- fach und regelrecht vor sich gehen. Nicht alle ins Ei gelangten Spermatozoön erreichen den centralen Theil desselben und nähern sich dem Eikern, einige können nahe bei der Eihaut stehen bleiben, sich hier in Spermakerne umbilden und hier zur Bildung der entspreehenden männlichen chromatischen Schleifen Veran- lassung geben. In diesem Fall wird die Vereinigung der zahl- reichen zerstreuten ehromatischen Schleifen um den Aequator der Spindel schwerer; es ist aber klar, dass diese Vereinigung um so leichter vor sich gehen wird, je geringer die Zahl der Centrosomen ist, die ihren richtenden Einfluss auf die chromati- schen Schleifen wirken lassen. Theoretisch könnte man meinen, dass der Zweck stets vollkommen erreicht sei, wenn die Centro- Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 449 somen auf zwei beschränkt sind, die einander gegenüber lägen und die ihre richtende Wirkung gleichmässig auf alle Schleifen, nahe und ferne, ausüben würden. Wenn hingegen die Centro- somen zahlreich sind und ebenso wie die chromatischen Schleifen im Dotter zerstreut liegen, so begreift man, dass sie, da sie ver- schiedene Stellung zu den Schleifen haben, nicht nur nicht alle ihre richtende Kraft m einem Sinn zusammen wirken lassen können, so dass die Schleifen alle in eine Ebene kommen, die durch den Aequator der ersten Furchungsspindel gehen würde, sondern dass es im Gegentheil vorkommen muss, dass zwei oder mehr Centrosomen wegen ihrer Stellung zu den chromatischen Schleifen, auf die sie einwirken, auf diese in gerade entgegen- gesetzter Richtung einwirken müssen. Daher die erschwerte Bildung der Spindel und die daraus resultirenden merkwürdigen unregelmässigen Spindelformen bei der Polyspermie. Auf diese theoretischen Ueberlegungen gestützt, namentlich auch auf das oben beschriebene Verhältniss (Fig. 15, 17, 18), dem ich, wie ich nochmals hervorheben möchte, in meinen Unter- suchungen recht häufig begegnete, glaube ich die oben angeführte Hypothese noch dahin erweitern zu dürfen, dass in den Fällen von Polyspermie die Verdoppelung aller oder nur einiger Centro- somen, die mit den Spermatozoen ins Ei gedrungen sind, wahr- schemlich von der Stellung, welche die Spermakerne im Eidotter eingenommen haben und ihrer Lage zu der des Eikerns ab- hängen. Nun könnte man die Frage aufwerfen, ob die überfruchte- ten Eier, die in mehr oder weniger regelmässiger Weise die erste Furchungsspindel gebildet haben, einer weiteren Entwickelung fähig sind. Ich war thatsächlich niemals so glücklich, eines der- selben im Theilungsprozess weiter verfolgen zu können; die meisten fand ich gerade in der Bildung der ersten Spindel und nur ein einziges Mal gelang es mir ein offenbar überfruchtetes Ei im Stadium zn finden, wo die zwei Furchungskugeln schon aufgetreten waren, von denen eine sich zur successiven Theilung anschickte, indem sie 6 ehromatische Schleifen anstatt 4 aufwies; auch beim anderen Blastomeren, wo sich zwar die Schleifen noch nicht gebildet hatten, konnte maıt doch leicht nachweisen, dass die ganze chromatische Masse vermehrt sein musste; doch kann ich auch für diesen Fall nichts Bestimmtes über die Art, wie 450 Lu eı,Bala: sich die Theilung der ersten Spindel vollzogen hatte und darüber, wie weit alle verschiedenen chromatischen Schleiien der ersten Spindel an dieser Theilung sich betheiligt hatten, aussagen. Zieht man übrigens die grossen Schwierigkeiten in Betracht, die man hat, um einigermaassen sicher die wahren Fälle von Poly- spermie festzustellen, wenn das Ei im Furchuugsprozess schon weiter vorgeschritten ist, so scheint es mir, dass meine negativen Befunde kein Recht geben einen Schluss auf die mehr oder minder grosse Möglichkeit zu ziehen, dass die Eier der Asc. meg. die Fähigkeit haben, bei Polyspermie doch zur vollständigen Entwickelung zu kommen. Selenka (53) sah mehrere Eier des Toxopneustes variegatus, bei denen 2, 3 und 4 Spermatozoen eingedrungen waren, und die sich doch vollkommen normal bis zur Gastrulaform ausgebildet hatten; er glaubt aber, dass diese Eier doch nicht zu vollendeter Entwickelung gelangen können. Alle pathologischen Fälle von Polyspermie, die sich bei den Eiern der Asc. meg. durch Kältewirkung erzielen lassen, sind stets von mehr oder weniger tiefen Veränderungen in der Bildung der Eihüllen begleitet; ich werde in einem besonderen Capitel darauf zu reden kommen. Hier will ich eher noch von einigen weniger wichtigen Veränderungen sprechen, die die niedere Temperatur an den Spermatozoön hervorruft. Dieselben zeigen, wie schon O. Hertwig (31) gesagt hat, eine weit grössere Widerstandskraft gegen die Kälte als das Ei, auch wenn Tem- peraturen erreicht werden, die verhältnissmässig tief sind (—3°, —4°). Das Ei zeigt demnach in allen seinen Theilen tiefe Ver- änderungen, das Samenkörperchen hingegen bewahrt seine Form unverändert und zeigt keine wesentliche Störung. Dagegen zeigt sich bei Kälteeinwirkung häufig eine Verzögerung aller jener Vorgänge, die die Umbildung des Samenkörperchens in den Sper- makern charakterisiren, so dass man ziemlich häufig beobachtet, dass sich der Eikern schon gebildet zeigt, wenn das Spermatozoön noch von seinem Protoplasmakörper umgeben ist, der sich dann zu einer oft noch sehr deutlich erkennbaren Masse umwandelt, wenn die beiden Kerne schon ihre vollkommen ausgebildete Grösse erreicht haben (Fig. 19). So wird auch durch die Kälte sehr häufig das endgültige Verschwinden des sog. „corps refrin- gent“ (van Beneden 58) des Spermatozoönschwanzes verzögert. Wir wissen aus den Versuchen dieses Autors (58, S. 458), dass Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 451 dieser genannte „corps refringent“, wenn er mit dem Samen- körperchen ins Ei eingedrungen ist, schnell an Grösse abnimmt, seine eonoide Form verliert und kugelig wird, dabei aber seine lichtbreehende Kraft beibehält, um meist erst dann ganz zu ver- schwinden, wenn das Ei den ersten Richtungskern gebildet hat. Schon van Beneden hatte bemerkt, dass in den Eiern gewisser Weibehen dieser Körper eine ganz besondere Zähigkeit zeigte; und er hatte es in Form eines rundlichen Körperchens frei im Dotter gefunden, welches von variabler Grösse war, aber immer an seinem starken, lichtbreehenden Vermögen erkennbar blieb, auch in Eiern, wo der zweite Richtungskörper sich schon gebildet hatte. Van Beneden fand, dass in diesen Fällen sich dieses Körperchen vom Centrum gegen die Peripherie des Eies hinschiebt und dann zum Eidotter hinausgestossen wird und ausserhalb des Eies in die perivitelline Flüssigkeit zu liegen kommt. Hier fand er es in der Periode, wo im Ei schon zwei Pronuclei gebildet sind. In den der Kälte ausgesetzt gewesenen Eiern findet man ganz gewöhnlich, dass der Rest des glänzenden Körpers des Spermatozoons bestehen bleibt, als ein kleiner rundlicher Körper mit regelmässiger Umrandung, mehr oder weniger stark lichtbrechend und grünlich gefärbt. Doch sah ich nie, dass dieser kleine Kör- per aus dem Eidotter ausgestossen worden wäre; ich habe da- gegen ihn sehr oft frei im Dotter gefunden, nieht nur, wenn schon die erste Furchungsspindel gebildet war, sondern selbst später, wenn das Ei schon getheilt war. Manchmal begegnete ich ihm eingeschlossen in einem der ersten vier Blastomeren. In einigen Fällen findet durch die Abkühlung im Umbil- dungsvorgang des Spermatozoon zum Samenkern eine Abweichung statt, wie wir sie bei normalen Eiern nie finden. Der proto- plasmatische Haufen, der das Samenkörperchen einhüllt, scheint einen bestimmten Moment (meist wenn das Ei in Begriff ist,"den zweiten Richtungskörper zu bilden) plötzlich an seiner Peripherie zu platzen und in kleinen Stückehen abzubrechen, die sich, von dem centralen Haufen ablösen und sich hier wie dort in dem Dotter zerstreuen, dabei aber stets ihre Färbbarkeit mit Vesuvin beibehalten, so dass sie immer sehr deutlich im Protoplasma des Eies hervortreten, das seinerseits unfärbbar bleibt (Fig. 20). Diese Körnehen von sehr schwankender Grösse und Gestalt bleiben auch in dem Stadium bestehen, wann schon die beiden Kerne: Ei- und 452 LuigiSala: Spermakern sich gebildet haben, manchmal selbst noch nach dem Auftreten der ersten Furchungsspindel. Il. Veränderungen, welche die Dottersubstanz und die Eimembran betreffen. Die durch die Kälte im Eidotter der Asc. meg. hervorge- rufenen Veränderungen sind nicht von sehr grosser Bedeutung. In den ersten Entwicklungsstadien des Eies, im Moment, wo die Befruchtung vor sich geht und während der Bildung der Richtungs- körper, beziehen sie sich hauptsächlich auf das Aussehen des Dotters, der manchmal weniger körnig zu werden scheint, dabei klarer und durehsiehtiger wird und manchmal auch mehr Vaeuolen zeigt. In späteren Stadien der Entwiekelung, wenn die in Folge der niederen Temperatur in dem Eidotter erzeugten Veränderun- gen ein grösseres Interesse darbieten könnten, namentlich mit Bezug auf den Antheil, den das Protoplasma an der Bildung der Strahlung rings um das Centrosoma der ersten Furchungsspindel nimmt, verhindern die starken Membranen, die in diesem Stadium das Ei umhüllen, bis zu einem gewissen Punkt jedwede Ver- änderung. Dass jedoch auch auf die Dottersubstanz die Kälte eine Wirkung wirklich ausübt, geht aus den Veränderungen hervor, die sie in ihrem Verhalten gegenüber den Färbemitteln zeigt. Mit meinem Färbeverfahren nimmt die Dottersubstanz in normalem Zustand eine leichte, gleichmässige, grünbraune Färbung an, aus der die chromatischen Elemente des Keimbläschens stark vesuvin- braun gefärbt deutlich sich abheben. Nach Kälteeinwirkung hingegen kommt es häufig vor, dass der ganze Eikörper sich ebenfalls stark braun färbt, so dass die ehromatischen Elemente in demselben nur schwer zu erkennen sind. In einzelnen Fällen nimmt die ganze Dottermasse ein trübes Aussehen an, wie wenn sie fein überpulvert wäre, so dass sogar das Keimbläschen nur noch undeutlich sichtbar wird. Dann färbt sich das Ei nur schwer oder ungleichmässig in hier und dort zerstreuten Flecken, die bald braun, bald grün sind, und es ist sehr schwer, es durchsichtig zu bekommen. Erst wenn die Prä- parate 8—10 Monate in Glycerin gelegen haben, beginnen solche Eier eine klarere, durehsichtigere, periphere Zone zu zeigen, in der man die erste oder die zweite Riehtungsspindel erkennen kann, » Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 453 die im diesen Fällen sich im Allgemeinen nicht stark verändert zeigen. In zwei Fällen, wo die Würmer einer wenig niederen Tem- peratur ausgesetzt gewesen waren (0° C.), aber dureh verhältniss- mässig lange Zeit (das eine 2, das andere 4 Stunden), beobach- tete ich zweierlei andere Veränderungen am Eidotter. Beim Wurm, der 2 Stunden der obenerwähnten Temperatur ausgesetzt gewesen war, hatten die Eier eine trübe, granulirte Dottersub- stanz, die erfüllt war von einer grossen Menge klarer, glänzender, mehr oder weniger grosser Tröpfehen, welche sich mit Vesuvin inten- siv braun färbten. Zuerst sind diese gleichmässig im ganzen Dotter zerstreut und verstecken fast ganz das Keimbläschen, aber indem das Ei in seiner Entwickelung vorschreitet, sammeln sie sich hauptsächlich in seinem centralen Theil, so dass diese Tropfen bei der Bildung der Richtungskörper eine centrale Anhäufung darstellen und an der Peripherie des Eies einen Hof frei lassen, in. dem das Protoplasma klar, durchsichtig und mit Vaeuolen durchsetzt erscheint. Man muss beachten, dass in dieser Periode während der ganzen Dauer der Bildung der Richtungskörper, diese Tröpfehen immer schwerer färbbar werden. Im dieser Pe- riode zeigen sich nur einzelne derselben Vesuvin braun gefärbt. In einem späteren Stadium, wenn im Ei der Ei und der Sperma- kern aufgetreten sind, werden sie neuerdings wieder leicht färb- bar mit Vesuvin, bleiben aber dabei im Centrum des Eies zu- sammengehäuft. So erhalten sie sich auch in späteren Stadien, wenn schon die erste Furchungsspindel sich getheilt hat und die zwei ersten Blastomeren aufgetreten sind. Beim Wurm, der 4 Stunden bei 0°C. gehalten worden war, war auch die Dottersubstanz etwas trüb und körnig, statt der mit Vesuvin braun sich färbenden Tröpfehen, zeigte sie aber in ihrem Inneren kleine, leuchtende, malachitgrün gefärbte Körper- chen, die meist etwas länglich geformt waren, wie kleine Klingen, mit scharfem klaren Rand, so dass sie beinahe wie kleine Kry- stalle erschienen. Manchmal erschienen sie sehr lang und fein, nadelförmig, manchmal wieder waren sie gekrümmt, halbmond- förmig. Sie fanden sich hauptsächlich am Rand der Dotteran- häufung, die das Spermatozoon während der Bildung der Rich- tungskörper umgiebt. In einer der Abbildungen, die der Arbeit von Carnoy beigegeben sind (13; Taf. I, Fig. 6) ist dieses be- 454 LuigiSala: sondere Aussehen der Dottersubstanz sehr treu wiedergeben und dies spricht wiederum sehr dafür, dass der Autor stark veränderte Formen als normale beschrieben hat. Von grösserer Bedeutung sind die Veränderungen, welche die Kälte an den Eihüllen zur Folge hat. Schon eine mässig niedere Temperatur (—0°, —1°, —2° C.), wenn sie auch nur eine Stunde andauert, lässt eine Verzögerung in der Bildung der Dotter- membran nach Eindringen des Samenkörperchens stets erkennen, namentlich aber bei den Eiern, wo mehr als eines eingedrungen ist. So erlangen auch die Hüllen nicht immer die Dieke, die sie in normalem Zustand erreicht haben würden. Hertwig (31) hat das Gleiche beobachtet an den Eiern der Seeigel, wo bei länger als einer Stunde andauernder Einwirkung einer Temperatur von —2° oder — 3°C. die Bildung der Dotter- membran geradezu ausblieb, so dass das befruchtete Ei hüllenlos blieb. Er erklärt die Hüllenlosigkeit, indem er annimmt, dass die niedere Temperatur die Reizbarkeit des Protoplasma soweit herabsetzt, dass auch der von einem oder mehr Spermatozoen auf dasselbe ausgeübte Reiz sich nicht mehr fühlbar zu machen ver- mag und die secretorische Thätigkeit nicht mehr in ihm erweckt. Auch bei den Eiern der Asc. meg., wo die Hüllenbildung durch die Kälte nur verzögert wird, kann man diese Erklärung von OÖ. Hertwig gelten lassen, die noch neuerdings durch die Unter- suchungen von Herbst (27) an Bedeutung gewonnen hat. Herbst bestätigt den Befund der Gebrüder Hertwig (34), welche Eier des Seeigels in einem Reagensglas mit Seewasser und Chloroform schüttelten und so um diese Eier eine vollkommene, der nach der geschehenen Befruchtung sich bildenden identische Membran um das Ei erzielen konnten, indem die Chloroformtheilchen in Contaet mit der Oberfläche des Dotters hier ebenso viele kleine Reize ausübten. Er zeigte, dass man ferner nieht nur mit Nelkenöl, mit Creosot, mit Xylol, Toluol, Benzol zu dem gleichen Resultat kommen kann, sondern, dass man mit diesen Reagentien sogar eine zweite Hülle herstellen kann bei jenen Eiern, die schon normalerweise in Folge des Eindringens des Samenkörperchens eine Membran gebildet haben. Alle diese Stoffe üben eine Wir- kung auf das Protoplasma aus, indem sie seine secretorische Thätigkeit anregen. Die Ursache der Membranbildung ist dem- nach — nach Herbst — im Ei selbst zu suchen. Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 455 Aber, auch wenn die Eihüllen schon gebildet sind, können sie durch Kälteeinwirkung Veränderungen unterliegen. Bei einer über !/, Stunde andauernden Kälte von —3°, —4°C. kann ihre Beschaffenheit so verändert werden, dass 2, 3, 4 und mehr einander benachbarte Eier an den DBerührungspunkten ver- schmelzen, so dass ein monströses Ei von mehr oder weniger eigenthümlicher Form daraus entsteht, je nach der Zahl und der gegenseitigen Lage der Eier, die sich vereinigen. Dasselbe ist von einer gemeinsamen Membran umhüllt (Fig. 21, 22, 23, 24, 25 und 26). Ich bin der Ansicht, dass in diesen Fällen durch die niedere Temperatur die chemische Zusammensetzung der Mem- branen eine Veränderung erfahren muss, dass sie weich, kleberig und gleichsam gelatinös werden. Wo sich 2 oder mehr Eier mit diesen veränderten Hüllen berühren, verschmelzen sie allmählich und es bildet sich ein Verbindungsweg zwischen den verschiedenen Eiern, auf dem es zum Zusammenfliessen ihres Protoplasmas kommt. Die Verschmelzung desselben wird eine so innige und vollkom- mene, dass auch nicht die geringste Trennungsspur übrig bleibt. Diese Erscheinung ist nicht selten, ich sah sie in mehreren Fällen, namentlich deutlich und häufig bei einigen Ascariden, die 2!/, Stunden an offener Luft in einem Glas stehen geblieben waren an einem Wintertag, wo das Thermometer —5° zeigte, und die dann 18—20 Stunden bei 25—28° im Brütofen gehalten worden waren. Wie natürlich kommt die Verschmelzung von 3, 4 und mehr Eiern zu einem monströsen Ei (in einigen Fällen fand ich sogar 6 und 10 Eier zu einem verschmolzen) hauptsächlich in den oberen Abschnitten des Uterushorns vor, vor der Befruchtung oder wenn diese eben erst stattgefunden hat, d.h. wo es die Membranen noch nicht zu bedeutender Dicke gebracht haben. Doch kann sie auch zuweilen später noch eintreten, z. B. wenn sich schon die erste Richtungsspindel gebildet hat. Auch in diesen Fällen ist die Verschmelzung eine vollständige. Dass die Verschmelzung mehrerer Eier auch wirklich auf eine Veränderung der Membranen zurückzuführen ist, geht daraus hervor, dass man häufig neben den monströsen Eiern oder nahe bei ihnen andere Eier sieht, die zwar isolirt geblieben sind, aber doch an einem oder mehreren Punkten Aufquellungen der Hülle zeigen, die dann zu Beulen aufgehoben sind, welche kegelförmig und mehr oder weniger diek und lang 456 Luigi Sala: sind, und in welche sich auch das Protoplasma hineinerstreckt, um sie auszufüllen. Diese Beulen erinnern in gewisser Beziehung an die Pseudopodien der amoeboiden Zellen des Blutes und er- klären uns die Entstehungsweise der monströsen Eier. Wenn eine solche in Berührung kommt mit der eines benachbarten Eies, so verschmelzen sie. Die Höhle des einen kommt in Communication mit der der anderen. So bilden sie zuerst eine Art Röhre, die beide Eier vereinigt; dann verkürzt sich diese Verbindungsbrücke, die beiden Eier nähern sich einander und gelangen mittelst ihrer Protoplasmakörper zur Verschmelzung. Dies ist, glaube ich, die gewöhnlichste Entstehungsweise der Rieseneier, doch will ich nieht ausschliessen, dass sie auch anders zu Stande kommen können. In meiner vorläufigen Mittheilung (49) deutete ich an, dass eventuell in der Nachbarschaft der Monstre- eier andere vorhanden sein können, die einen mehr oder weniger langen feinen Fortsatz haben, der gegen das Riesenei hingerichtet steht, und ich vermuthete, dass dieser auf die benachbarten Eier eine gewisse Anziehungskraft ausübe, die sich eben durch diese Fortsätze von wechselnder Länge an den Eiern der Umgebung ausspräche. Einige später gefundene Formen von monströsen Eiern brachten mich aber von dieser Auffassung ab und lassen mir es wahrscheinlich erscheinen, dass die Kälte die Ablösung der Eier von der Raphe verzögern und auch auf kurze Dauer verhindern kann, so dass 2, 3, 4 und auch mehr mit einander durch ihren Pedunculus verbunden bleiben können. Natürlich haben die so entstandenen Rieseneier eine andere Form als jene, die durch Veränderung der Membranen entstanden sind. Die Zahl der in den Rieseneiern enthaltenen Spermatozoen steht nicht immer im Verhältniss zu der Zahl der Eier, die zur Bildung des Rieseneies beigetragen haben; sie schwankt je nach- dem sich dasselbe vor oder nach der Befruchtung gebildet hat. Es kann zuweilen vorkommen, dass einzelne der Eier, die sich vereinigt haben, schon an und für sich überfruchtet waren und dann überschreitet die Zahl der Spermatozoön die der Keimbläschen des Monstreeies (Fig. 21); häufiger dagegen sind es gleich viel Spermatozoön wie Keimbläschen (Fig. 22, 24). In anderen Fällen (Fig. 23 u. 25) beobachtete ich, das es mehr Keimbläschen als Spermatozoön waren. Offenbar hatte hier die Verschmelzung der Eier vor der Befruchtung stattgefunden. Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 457 Können die Rieseneier sich nun weiter entwickeln? Ich sah, dass einige den ersten und den zweiten Richtungskörper bildeten und begegnete in einzelnen Fällen auch solchen, wo schon der Eikern und der Spermakern aufgetreten waren und wo das Centrosom sich zu bilden begonnen hatte (Fig. 25 u. 26), nie aber sah ich solche, bei denen es zur Bildung der chromatischen Schleifen für die erste Furchungsspindel gekommen wäre. Hin- gegen fand ich mehrere in den unteren Uterusabschnitten und der Vagina, die zweifellos in ihrer Entwickelung stehen geblieben waren. Einige waren selbst in den unteren Abschnitten des Uterus- horns noch nieht dazu gekommen, die Richtungskörper zu bilden und zeigten gerade die allerersten Andeutungen der ersten Spin- deln; andere liessen in ihrem Inneren eines oder mehr Samen- körperchen erkennen, die in ihrer typischen, eonischen Form mehr oder weniger verändert erschienen, ohne irgend eine Andeutung, dass sie auf dem Wege seien, sich in Spermakerne umzu- wandeln; bei allen endlich schien mir die Andeutung eines regressiven Vorgangs unverkennbar, der sich hauptsächlich dann äusserte, dass die chromatische Substanz weniger Neigung zeigte, sich mit Vesuvin zu färben, ferner in einem etwas körni- sen Aussehen aller Spermatozoön und einer Quellung der chroma- tischen Elemente des Keimbläschen, die dabei klarer und licht- breehender waren. Das in Fig. 26 abgebildete Riesenei ist dasjenige, bei dem ich die fortgeschrittenste Entwickelung fand; hier sind ziemlich deutlich auch die Centrosomen der ersten Furchungsspindel schon gebildet, und doch sehen wir, dass der Ei- und Spermakern nicht ganz normal erscheinen, sondern viel- mehr etwas gequollen (namentlich links) mit unregelmässigen Um- rissen mit einem chromatischen Netz, das auch gequollen ist. Wegen der regressiven Erscheinungen, die fast alle monströsen Eier zeigen, und ganz besonders, weil ich niemals eines dieser Eier wenigstens im Stadium, in dem sich schon die erste Fur- ehungsspindel gebildet hat, finden konnte, glaube ieh nicht, dass sie einer Weiterentwickelung fähig sind. III. Veränderungen in der Anordnung der chromatischen Substanz in dem Keimbläschen und den Riehtungsspindeln. Die Anordnung und Gestaltung der chromatischen Substanz den im Keimbläschen und den Richtungsspindeln wird leicht 458 Luigi Sala: (dureh die Kälte beeinflusst, auch wenn diese keine sehr tiefen Grade erreicht. Schon durch eine Temperatur von —2°, —3°C. und einer Dauer von !/;—?/, Stunden erhält man sehr eingreifende Veränderungen in der Anordnung des Chromatins des Keimbläschens. Jedoch sind die Veränderungen, die man bei relativ nicht sehr tiefen Temperaturen erzielt, meiner Meinung nach, nicht sowohl der direkten Kälteeinwirkung auf das Chromatin zuzuschreiben, als vielmehr dem Umstand, dass die Kälte, auch wenn sie nicht sehr gross ist, jenen Vorgang verhindert oder wenigstens verzö- gert, der gegen das Ende der Wachsthumszone in der Eimutter- zelle!) bekanntermaassen vor sich geht und dessen Zweck es ist, die chromatische Substanz zu ordnen und zu gruppiren in einem (Asc. meg. univalens) oder zwei (Asc. meg. bivalens) chroma- tischen Haufen, von denen jeder aus 4 Stäbchen in typischer, regelmässiger Anordnung besteht, eimer Anordnung, von der ich nach der sorgfältigen Beschreibung, die uns Boveri (4) und 0. Hertwig (32) davon gegeben haben, nicht weiter sprechen zu müssen glaube. Nur bei noch tieferen Temperaturen (—4°, —5°, —6° C.) gelingt es, im Chromatin noch tiefere Veränderungen hervorzu- rufen, die auf die unmittelbare Einwirkung der Kälte, auf das Chromatin selbst zurückzuführen sind. Indem in jedem Fall dieser Vorgang, den OÖ. Hertwig „die Vorstadien der ersten Theilung“* bezeichnet, gestört wird, kommt es, dass die Eimutterzelle im Eileiter herabsteigt und dann sich zur Aufnahme des Samen- körperchens und zur Theilung anschiekt, um zur Bildung des ersten Riehtungskörpers zu schreiten, indem sie dabei ihre chro- matische Substanz ungefähr in gleicher Anordnung beibehält, wie sie war, als die Eimutterzelle noch in der Wachsthumszone sich befand. Ich sage absichtlich: „ungefähr“ da die Anordnung, welche die ehromatische Substanz dieser Eimutterzellen, die der Kälte ausgesetzt waren, zur Zeit, da das Samenkörperchen eindrang, zeigen kann, offenbar verschieden sein kann, nicht nur nach dem Stadium, in dem sich der Vorbereitungsvorgang zur ersten Thei- lung im Augenblick der Kältewirkung befand, sondern auch nach 1) Unter „Eimutterzelle“ verstehe ich das noch nicht reife Ei, ehe es die beiden Richtungskörper gebildet hat. ©. Hertwig hat diese Bezeichnung vorgeschlagen in Analogie zu „Samenmutterzelle“. So entspricht Eimutterzelle der „Grossmutterzelle des Eies* oder „Ovocyt I. Ordnung“ von Boveri 5). Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 459 dem Kältegrad, der erreicht wurde und auf das Chromatin in verschiedener Weise einwirkte. In einigen Eimutterzellen war der Process schon vollendet, und hier erkennt man natürlich in einem nur wenig veränder- ten Zustand einen oder zwei Haufen von 4 Stäbchen (Fig. 27), die in der zweiten Richtungsspindel fast normales Verhalten zeigen; bei anderen hingegen hatte der Process eben kaum erst begonnen und hier findet das Samenkörperchen beim Eindringen ein Keim- bläschen, in dem kaum die Absicht des Chromatins noch ausge- sprochen ist, sich in eine oder zwei Gruppen zu sammeln. Natürlich begegnet man einer Reihe von Figuren verschiedenster Art, die zwischen diesen beiden Extremen sich halten und die Stadienfolge darstellen, welche die Vorbereitung zur ersten Theilung, die hier gehemmt wurde, durchmacht. Die Correspondenz zwischen diesen Figuren und den normalen Stadien ist jedoch durchaus keine vollkommene; in mehreren Fällen ist sie geradezu verloren ge- gangen; dies ist leicht verständlich, wenn man daran denkt, dass mit dem Stillstand der Vorbereitung zur ersten Theilung durch die Kältewirkung zugleich auch die Verdichtung und Verdiekung der Stäbehen gehemmt wird, die sonst dann auftritt, wenn sich schon 2 chromatische Gruppen gebildet haben und ausserdem auch die oben beschriebene Umwandlung des Kernkörperchens still steht. Ferner (und dies ist der Hauptgrund, warum in vielen Abbildungen der Kälte ausgesetzt gewesener Eier wir die Stadien des gehemmten Vorgangs der Vorbereitung zur ersten Theilung nicht mehr erkennen können) unterliegt meistens die Chromatin- substanz durch direkte Kältewirkung solchen Veränderungen, dass die ursprüngliche regelmässige, typische Stäbchenform ganz ver- loren geht. Eine der häufigsten Veränderungen, die an der chromatischen Substanz der Eier der Asc. meg. beobachtet wird, wenn sie einer Kälte von —2°, —3° und —4° ausgesetzt worden sind, ist die in den Figuren 12, 14, 31, 28, 29, 30, 31 aufgestellte. Das Chro- matin des Keimbläschen besteht im Moment, wo das Spermatozoon eindringen will, anstatt aus den wohlbekannten zwei Haufen zu je 4 Stäbchen, vielmehr aus einem Knäuel im wahren Sinne des Wortes, der aus einem oder mehreren ehromatischen Fäden ge- bildet ist, welche sehr unregelmässig gewunden und in mehr oder weniger fester Weise in sich selbst zurückgeschlungen sind. Der oder 460 Luigi Sala: die ehromatischen Fäden, die den Knäuel bilden, haben keinen regelmässigen Umriss, sie scheinen vielmehr aus stark färbbaren Körnchen zu bestehen, die an einander gereiht sind und’ von kleinen, ebenfalls, jedoch nieht so stark wie die Körnchen färb- baren Fädehen zusammengehalten werden, so dass alle den Knäuel bildenden achromatischen Fäden ausgesprochen rosenkranzartig aussehen. Die ehromatischen Körnchen sind rundlich oder etwas länglich und haben meist scharfwinkelige Vorsprünge, an welche sich achromatische, kurze Fäden, die nicht immer sehr deutlich sichtbar sind, anhängen (Fig. 12, 29). Es sind dies wahrschein- lich Lininreste, die in dem normalen Keimbläschen die chroma- tischen Haufen an die Kernmembran festheften. Bei dieser Umbildung der ehromatischen Stäbchen des nor- malen Keimbläschens unter Kälteeinwirkung zu einem chromati- schen Knäuel, war es von grosser Bedeutung festzustellen, ob bei dieser Bildung ein oder mehrere chromatische Fäden Theil haben. Aber die feste Verwickelung und der unregelmässige und verwickelte Verlauf des chromatischen Fadens oder der Fäden machen es meist leider unmöglich darüber klar zu werden. In einigen wenigen Fällen, wo der Knäuel etwas loser war, gelang es mir jedoch, die Anordnung der chromatischen Substanz in (demselben zu erkennen. Die Fig. 14 zeigt ein Ei mit Polyspermie, in der die ehromatische Substanz in Form eines einzigen Fadens von deutlicher Rosenkranzbildung erscheint, der in seiner Mitte wie schlingenförmig umgebogen ist, und dessen beide feine, lange Zweige sich mehrfach um einander schlingen, jedoch so lose, dass man die beiden freien Enden erkennen kann. In der Fig. 29 dagegen ist ein Ei wiedergegeben, das vom gleichen Wurm stammt, und wo der ehromatische Knäuel zweifellos aus 3 von einander unabhängigen Stücken gebildet wird, die als unregel- mässig verbogene Ringe erscheinen, von denen die zwei grösseren vollständig sind, der dritte, kleinere aber unvollständig ist. Bei anderen Eiern (Fig. 21, 31), die auch vom gleichen Wurm stammen, lässt sich deutlich eine mehr oder weniger grosse An- zahl chromatischer Fäden von wechselnder Länge in den Knäuel eintretend erkennen; bei wieder anderen (Fig. 25) sieht man (deutlich, dass einzelne der Fäden verzweigt sind oder zum min- destens eine Gabelung haben. Es besteht also keine bestimmte Regel über die Zahl und % Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 461 Anordnung der chromatischen Fäden, die den Kernknäuel bei diesen Eiern bilden. Dies ist erklärlich, da es sich um patho- logisch durch die Kälte veränderte Eier handelt, und die Kälte hat in diesem Fall nicht nur den Vorbereitungsprocess zur ersten Theilung zum Stillstand gebracht, sondern hat auch unmittelbar auf die chromatische Substanz eingewirkt und sie in eine mehr oder weniger grosse Anzahl Stückchen zerbrochen. Einige Eier, die die Kälte vielleicht weniger zu fühlen bekommen hatten, haben einen nur aus einem Faden gebildeten Knäuel; dies führt zur Annahme, dass im normalen Zustand die ehromatische Sub- stanz der Eier der Asec. megal., ehe sie in das Vorstadium zur ersten Theilung eintritt, thatsächlich als einzelner Faden ange- ordnet ist. Dies ist natürlich nur eine Vermuthung und ich habe keine besonderen Untersuchungen angestellt um festzustellen, ob dem wirklich so ist. Man kann aber diese Annahme um so eher gelten lassen, als sie von den neusten Beobachtungen Brauer’s (11) gestützt wird, der die Spermatogenese bei Ase. megal. studirt hat. Wenn, wie OÖ. Hertwig für die Asc. megal. klar gezeigt hat, eine vollständige Correspondenz zwischen den Erscheinungen der Spermatogenese und denen der Ovogenese besteht, so müsste man auf Grund der Beobachtungen Brauer’s meinen, dass auch für die Eimutterzellen sowie für die Spermatocyten es eine Periode wäh- rend der Vorstufe zur ersten Theilung giebt, wo die chromatische Substanz als ein einzelner Faden, der doppeltgespalten, also vier- theilig ist, erscheint. Prüft man einige Abbildungen genau, so wird man in der That leicht bemerken, dass der grösste Theil der chromatischen Fäden, oder richtiger gesagt der ehromatischen Fadenstücke eine ausgesprochene Neigung haben, sich parallel zu einander zu stellen. Man darf darum nicht ausschliessen, dass auch der einzige Faden doppeltgespalten sei, d. h. in Wirklieh- keit aus vier vereinigten Fäden bestehe, die durch Wirkung der Kälte nicht nur gespalten worden, sondern sich auch mehr oder weniger von einander entfernt haben. Die Knäuelform, die die chromatische Substanz der Eier der Ase. megal., die der Kälte ausgesetzt waren, annimmt, würde also nur einen mehr oder weniger tief veränderten Zustand des gehemmten Vorstadiums zur ersten Theilung darstellen. Bringt man die Eier in eine Temperatur von —5° oder —6°C. oder auch —3°, —4°C., und lässt man diese längere Zeit ein- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 30 462 LuigiSala: wirken (2—3 Stunden), so wird die Spaltung der chromatischen Substanz sehr augenfällig. Die Eimutterzelle steigt in diesem Fall mit einem Keimbläschen in die Reifezone herab, in welchem die chromatische Substanz auf eine Anzahl mehr oder weniger kleiner Stückehen von wechselnder Form redueirt ist (Fig. 32. 33). Diese sind nicht gleichmässig in dem ganzen Keimbläschen zer- streut, sondern finden sich meist an einem Punkt desselben an- gehäuft. Einige derselben bewahren noch die längliche Form sehr kurzer Fäden, bei den meisten ist aber auch dieser Anklang an ihre ursprüngliche Gestalt verloren gegangen und sie erscheinen nun als mehr oder weniger dieke Körnchen, die unregelmässig rundlich oder länglich sind und keine regelmässigen Umrisse zeigen. Wenn dann in diese Eimutterzelle mit so stark veränderter chromatischer Substanz das Spermatozoon eindringt und die Bil- dung der ersten Richtungsspindel beginnt, dann werden die in dem Keimbläschen enthaltenen Fäden oder richtiger Stückchen chromatischer Substanz in verschiedener Weise verzogen und es entstehen dann Spindelformen, in denen die chromatische Substanz die allermannigfachste Anordnung aufweist (Figg. 21, 30, 31, 34, 35, 36, 37). Wir werden später noch, wenn wir auf die achromatische Substanz zu sprechen kommen, sehen, dass auch diese durch die Einwirkung der Kälte vielen wesentlichen Ver- änderungen unterworfen ist, die sehr dazu beitragen, zusammen mit den Veränderungen der chromatischen Substanz den Vorgang der Riehtungskörperbildung zu modifieiren. Beschränken wir uns einstweilen auf das, was das Chromatin betrifft, so müssen wir bemerken, dass wenn sich die Richtungsspindel bildet und das Auftreten der ersten Richtungskörper herannaht, das Aussehen und die Anordnung der chromatischen Stückchen aın Aequator der Spindel sich allmählich ändert. Während bei ganz jungen Spindeln die Fragmente chromatischer Substanz dicht an einander liegen, unregelmässige Umrisse haben, nicht immer leicht erkennt- lich sind und sich ungleichmässig färben, so haben sich dieselben an den Spindeln, die nahe daran sind sich zu theilen und den ersten Richtungskörper zu bilden, etwas von einander entfernt (Fig. 38, 39, 40, 41, 42), sind deutlicher, haben weniger unregel- mässige Umrisse und färben sich intensiver. Es scheint, dass während des Reifens der Spindel sich in den chromatischen Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 463 Elementen jener Condensations- und Verdichungsprozess vollzogen hat, der in normalem Zustand im Vorstadium zur ersten Theilung vor sich gehen würde (0. Hertwig 32). Es ist begreiflich, dass dieser verspätete Prozess, der sich ausserdem unter vollkommen veränderten Umständen vollzieht, nicht zum gleichen Ergebniss führen kann, wie unter normalen Bedingungen. Es genügt ein Blick auf Fig. 38 bis 48, um gleich zu erkennen, dass die chromatischen Elemente, die am Aequator der Spindel sich befinden, weit von der typischen Stäbchenform, wie sie Boveri beschrieben hat, sich entfernen. Bald sind es mehr oder weniger dieke Körnchen, rundlich oder oval, bald wiederum kurze plumpe oder schlankere, mannigfach gekrümmte Fädehen, dann wieder sind sie schlingenförmig, V-förmig oder Halbmonde ete. Die Betrachtung der Abbildungen giebt in diesem Fall einen besseren Begriff von den Derulkue als eine Be- schreibung es thun könnte. Nicht immer kommt es dazu, dass diese chromatischen Stücke sich vollkommen am Aequator der Spindel sammeln; in einigen Fällen geschieht dies allerdings (Fig. 43, 44, 46), meist aber nehmen nur einige der Stücke den Aequator ein, während viele andere unregelmässig ringsherum zerstreut und mehr oder weniger weit vom Aequator entfernt bleiben (Fig. 38, 39, 40, 41,42). Manchmal — vielleicht in Abhängigkeit von der speciellen An- ordnung, die die achromatische Substanz der Spindel durch die Kälteeinwirkung angenommen hat, — häufen sich die chromatischen Stücke, die den Aequator erreicht haben, in abgegrenzten Gruppen an, wie die Abbildung 44 zeigt. Diese giebt das Bild eines Eies wieder von einer Ase. megal. bivalens, das an einem — 7°C. kalten Tag 2!/, Stunden im Freien gestanden hatte und darauf 19 Stunden bei 25>—28° im Ofen gehalten worden war. Hier hat die erste Richtungsspindel eine besondere Gestalt angenommen, die jener entspricht, welche die Gebrüder Hertwig beim Eikern der Seeigeleier bei Chloralbehandlung beobachteten und die sie als Pseudotetraster betrachteten. Im Punkt, wo die 4 achromatischen Fadenbündel zusammenstossen, finden sich 4 ehromatische Haufen, von denen jeder aus 4 chromatischen Stückchen von unregel- mässiger Form und Grösse besteht; doch ist diese Zahl nicht eonstant. Beim gleichen Wurm fand ich Eier mit Spindeln in Pseudotetrasterform, bei denen die 4 chromatischen Haufen 464 Luigi Sala: aus 2 (Fig. 47) oder aus nur einem (Fig. 48) chromatischen Stück- chen bestanden. Wenn sich dann in diesen so veränderten Eiern der erste Richtungskörper bildet, geht ein Theil der chromatischen Substanz vom Aequator zum Pol der Spindel in mehr oder weniger normaler oder verschiedener Weise, je nach den Veränderungen, die durch die Kältewirkung gleichzeitig in der Anordnung der achromatischen Substanz der Spindel stattfinden, und umhüllt sich mit etwas Protoplasma und tritt zur Bildung des ersten Riehtungskörpers aus (Fig. 45). Natürlich lässt sich in diesen Fällen nicht feststellen, dass der so entstandene Richtungskörper auch wirklich Werth und Bedeutung des ersten Richtungskörpers, wie er sich im normalen Ei bildet, habe; d. h. dass er genau die Hälfte der chromatischen Substanz, die ursprünglich m dem Keimbläschen gewesen ist, darstellt. Vielleicht kann in einzelnen Fällen, trotz der Spaltung der ehromatischen Substanz und trotz des Ausbleibens ihrer Verdichtung zu einem oder zwei Haufen zu je 4 Stäbchen, doch mit dem ersten Richtungskörper genau die Hälfte der ursprünglich vorhandenen chromatischen Substanz austreten, aber sicherlich wird in den meisten Fällen dies bei pathologischen Eiern nicht so sein. Bei der Fragmentirung der chromatischen Substanz und der unregelmässigen Form und Dimension der aus ihr entstandenen Stücke hat auch die Zählung der chromatischen Stücke, die mit dem Richtungskörper ausgetreten sind sowie derer, die im Ei geblieben sind, keinen Werth als Mittel um festzustellen, ob wirklich bei der Bildung der Richtungskörper °/, des Chromatins ausge- stossen wird. In diesen Fällen müssen wir uns darauf beschränken, einen ersten Riechtungskörper zu constatiren, ohne demselben die Bedeutung, den er im normalen Ei hätte, zu geben. Wir müssen uns — heisst dies — darauf beschränken, den Austritt eines Theils des Chromatins aus der Eimutterzelle festzustellen. Oefters kommt es vor, dass das Chromatin des Eies, unter der Einwirkung der Kälte, einfach eine Verzögerung des Ver- schwindens des Kernkörperchens zeigt. Normalerweise beobachten wir zuweilen, dass wenn sich die Haufen zu je 4 Stäbchen ge- bildet haben, keine Spur des Kernkörperchens mehr auffindbar ist; bei den Eiern hingegen, die der Kälte ausgesetzt gewesen sind, kommt es häufig vor, dass neben den schon ausgebildeten chromatischen Haufen das Kernkörperchen noch vollkommen intact Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier etc. 465 erhalten ist (Fig. 49) oder erst zu zersplittern beginnt (Fig. 50—51). Bei einem Wurm, der 3 Stunden einer Temperatur von 5°C. ausgesetzt gewesen war, fand ich dies bei fast allen Eiern; ausserdem liessen die Eier dieses Wurms, in denen sich schon die erste Riehtungsspindel gebildet hatte, innerhalb der stark ver- änderten achromatischen Substanz derselben ausser den 2 Haufen zu je 4 Stäbehen einen unregelmässig rundlichen oder ovalen kleinen Körper erkennen, der den Farbstoff ungleichmässig an- nahm und bald nahe den ehromatischen Haufen, bald ziemlich weit davon entfernt lag (Fig. 52—53). Ich glaube, dass diese Bilder ebenfalls auf das Ausbleiben des Zerfalls des Kernkörper- chens zurückzuführen sind. Das Körperchen, das sich innerhalb der achromatischen Substanz neben den chromatischen Haufen findet, ist höchst wahrscheinlich das Kernkörperchen des Keim- bläschens, das ganz geblieben, hingegen aufgequollen ist unter Verlust seiner typischen regelmässig runden Form. Auch wenn das Vorstadium zur ersten Theilung vollendet ist und das Ei schon befruchtet ist und die erste Richtungs- spindel sich schon gebildet hat, kann die Kälte noch ihre Wir- kung auf die ehromatische Substanz ausüben, indem sie unmittel- bar Veränderungen in den schon gebildeten Stäbehenhaufen her- vorruft. Diese sind verschiedener Art und niemals so tief wie die, welehe wir ebenfalls durch Kältewirkung in den Keimbläs- chen statthaben sahen. Man begreift leicht, warum dem so ist, wenn man sich daran erinnert, dass das Ei in diesem Stadium schon von einer Dotterhaut umhüllt ist, die ziemlich stark ist und bis zu einem gewissen Grad das Ei gegen die Kälte schützen muss. Häufig äussern sich diese Veränderungen nur als eine Störung in der Riehtung der chromatischen Stäbchen: Die Lininmasse, die sie vereinigt hält, verändert sich unter der Kälte, die Verbindung der Stäbehen unter einander wird lockerer und sie verschieben sich. Manchmal ist diese Verschiebung minimal und besteht einfach in einem mehr oder weniger ausgesprochenen Auseinanderrücken der 4 Stäbehen (Fig. 71—72), manchmal hin- gegen ist die Verschiebung so, dass eines oder zwei der Stäbchen sich senkrecht zu den anderen stellen, so dass die 4 Stäbchen, aus denen sich je ein Haufen zusammensetzt, nicht mehr parallel zu einander liegen, sondern kreuzförmig (Fig. 70). Anderemale verändert die Kälte, indem sie direct auf die 466 Luigi Sala: chromatische Substanz einwirkt, die Form der Stäbehen; bald lässt sie sie quellen und krümmt sie, so dass sie gewunden und grösser als normal erscheinen (Fig. 67), bald lässt sie sie schrumpfen und zieht sie zusammen, so dass sie in diesem Fall kleiner als normal erscheinen und unregelmässige Umrisse haben (Fig. 68). Die Abbildungen 54, 55, 56, 57, 58, 59 stellen Veränderungen dar, die die Kälte in den Eiern hervorgerufen hat, nachdem diese schon die zweite Richtungsspindel gebildet hatten und im Begriff standen, den zweiten Richtungskörper zu bilden. Lassen wir einstweilen die Veränderungen der achromatischen Substanz ausser Acht, so erkennt man an der chromatischen Substanz sofort, dass auch hier die typische gekrümmte Form der Stäbchen in allen Eiern mehr oder weniger tief verändert ist. Im Ei, das in Fig. 56 wiedergegeben ist, hat die niedere Temperatur nicht nur die Form der Chromosomen verändert, sondern auch eine deutliche Ver- änderung der Zahl der Chromosomen, die nach der Bildung des ersten Richtungskörpers im Ei geblieben sind, zur Folge gehabt. Mit diesem sind vermuthlich nur 3 Chromosomen aus dem Ei aus- getreten, da man 5 mehr oder weniger veränderte in der zweiten Richtungsspindel findet. Besondere Beachtung verdienen die Abbildungen 57 und 58, die zwei Eier darstellen, welche genau in dem Augenblick unter die Kältewirkung kamen, wo der zweite Richtungskörper in Bil- dung begriffen war, d. h. im Moment, wo die beiden chromatischen Stäbehen vom Aequator zum Pol der zweiten Spindel zu wandern begannen. Diese Wanderung der Chromosomen wurde von der Kälte gehemmt, aber doch erkennt man, dass die achromatischen Fäden der äusseren Hälfte der Spindel die Chromosomen, an die sie sich anhängen, ausgezogen haben, ohne jedoch sie vom Aequator wegreissen zu können. Die Stäbchen haben sich sehr gekrümmt und haben eine C-förmige, oder besser gesagt halbmond- förmige Gestalt angenommen, mit ihrer Concavität gegen den äusseren Pol der Spindel zugewandt: ihre beiden Enden gehen un- merkbar in zwei achromatische Fäden über, die den Pol der Spindel erreichen. Diese Fäden erscheinen etwas massiger und darum deutlicher als die anderen und nehmen die Vesuvinfärbung leicht an. Es scheint beinahe, dass die Contraetion dieser beiden achromatischen Fäden, die sich an die beiden Enden der chro- matischen Stäbehen anhängen, wenn sie aueh nicht im Stande Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier etc. 467 gewesen ist, die Chromosomen vom Aequator der Spindel loszu- reissen, immerhin von den Chromosomen ein bischen chromatische Substanz losgelöst hat, die längs der achromatischen Fäden selbst hängen geblieben ist, während die Chromosomen gleichzeitig etwas feiner geworden sind. Diese Anordnung stünde in Einklang mit der noch neuerdings von Strasburger (95) ausgesprochenen Hypothese, dass die Fäden der Spindel das Substrat bilden, „an welchem die eigenmächtigen Bewegungen der Kernsegmente sich abspielen.“ Soweit wir bisher über die vielfachen Veränderungen der chromatischen Substanz im Keimbläschen und in den Richtungs- spindeln der Eier der Asc. megal., wenn sie der Kälte ausgesetzt worden sind, berichtet haben, scheint Alles dafür zu sprechen, dass dieses äussere Agens im Stande ist, die Constanz der Anord- nung und der Zahl der chromatischen Elemente der Eier zu stören, was, glaube ich, nicht für die bekannte Hypothese von Boveri über die „Individualität der Chromosomen“ spricht. IV. Veränderungen in der Anordnung der achromatischen Substanz der Richtungsspindeln. Die achromatische Substanz der Richtungsspindeln zeigt die häufigsten und tiefsten Veränderungen durch die Kälte. In jedem Fall, auch wenn die Temperatur nicht sehr tief gewesen ist, ist die typische Spindel- und Tonnenform mehr oder weniger ver- ändert und treten statt derselben die mannigfachsten von einander verschiedenen Formen auf. Häufig sind diese sehr auffällig und complieirt; jedoch lässt eine genaue Untersuchung immer er- kennen, dass sie hauptsächlich auf ein Ueberwiegen der Neigung zur Doppelspaltung beruhen, wie sie die Richtungsspindeln der normalen Asc. megal. schon zeigen. Ich verweise diesbezüglich auf die Beschreibungen von Nussbaum (42), Carnoy (13), Kultschitzky (38), und hauptsächlich von Zacharias (62), die diese Spindeln als an einem Ende offen schildern, oder als vollständig gespalten, und die sie für normale Spindeln halten. Zacharias zieht dies sogar als einen Hauptbeweis herbei für seine Theorie des „germinativen Dualismus des Ascariseies.“ Boveri (4) verdanken wir es ohne Zweifel, wenn wir wissen, dass diese Doppelform der Spindel nicht normal ist, sondern ein 468 Luigi Sala: Kunstproduet, das namentlich bei ungenügenden Fixirungsmitteln erhalten wird. Bei Einwirkung von Kälte (auch nur von Temperaturen von 0° u. —1° durch !/,—1 Stunde) erhält man diese Doppel- spaltung sehr allgemein. Manchmal beschränkt sie sich auf den eentralen Abschnitt der Spindel (Fig. 59), doch ist das nicht gerade das häufigste Vorkommen. Meist findet sich die Ver- doppelung nur an einem Pol und kann sich mehr oder weniger weit auf die Axe der Spindel erstrecken, manchmal selbst bis zum anderen Pol hin, so dass dann die Spindel 3 Pole oder ge- nauer 3 Enden hat, von denen eines ein wahrer Pol ist, während die beiden anderen unregelmässig in das Protoplasma des Eies auslaufen, eines vom anderen mehr oder weniger weit abstehend, wobei meist jede Spur der Polplatte, die sie früher zu einem Pol vereinigt hielt, verloren geht. Die Spaltung des Pols ist in diesen Fällen meist von einer Verlagerung der Chromosomen be- gleitet, die anstatt in ihrer Stellung am Aequator der Spindel zu verharren, gegen die beiden freien Enden derselben hin wan- dern. Die Spindel verliert dann jeden Anklang an ihre typische normale Form und erscheint anstatt dessen als zwei mehr oder weniger unregelmässige Bündel von achromatischen Fäden, die mit einem ihrer Enden zu einem Pol vereinigt sind und am anderen Ende die zwei chromatischen Haufen tragen. Indem sich diese vom Aequator entfernen und gegen das freie Ende der achromatischen Bündel hin verschieben, entfernen sie sich gleich- zeitig von einander, Ich glaube, dieses Auseinanderrücken ist die Hauptursache, dass die Spindel sich in zwei spaltet. Wir sehen denn auch, dass der Grad der Spaltung der Spindel immer im Verhältniss steht zu der grösseren oder geringeren Weite der Zwischenräume zwischen den chromatischen Haufen (Fig. 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66). Wenn der Zwischenraum nur gering ist (Fig. 60, 61, 62, 63), so lässt sich der eine übrig gebliebene Pol der Spindel immer deutlich erkennen. Wenn aber die chromatischen Haufen weit auseinander gerückt sind, so dass sie fast an die diametral entgegengesetzten Enden des Eies zu liegen gekommen sind, so wird auch der eine übrige Pol der Spindel unkenntlicher oder verschwindet sogar ganz (Fig. 66), und dann erscheint die ganze achromatische Substanz der Spindel nur noch wie ein Bündel immer sehr scharf von der umgebenden Dottersubstanz abstechen- Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 469 der Fibrillen, die sich von einem chromatischen Haufen zum andern hinziehen und meist einen unregelmässigen welligen Ver- lauf haben. In solehem Fall verlieren die achromatischen Fibrillen ihren parallelen Verlauf und stehen sich an einigen Punkten sehr nahe, während sie an anderen sich mehr von einander entfernen und wieder an anderen sich verschiedentlich kreuzen. So lässt sich das ganze Bündel gut einem Bündel um einander geschlungener Haare vergleichen, das hier und da in seinem Lauf Falten bildet (Fig. 65, 66). Dieses Aussehen der achromatischen Substanz er- innert sehr an gewisse Spindelfiguren, die Carnoy (13) ebenfalls von der Asc. megal. als normal beschrieben hat (Pl. II, Fig. 45, 44 ff... Offenbar hatte er es hier mit den Bildern stark verän- derter Eier zu thun. Zur Erklärung des Zustandekommens dieser anormalen Spindelformen muss man — glaube ich — annehmen, dass die ehromatischen Haufen, indem sie sich schnell von einander ent- fernten, die achromatischen Fibrillen, die an ihnen hafteten, stark ausgezogen haben. Auch das Aussehen und die Anordnung dieser Fibrillen, die sehr von den normalem abweicht, zeigen, dass sie durch eine active Bewegung der chromatischen Haufen gezerrt worden sind. An einigen Punkten des achromatischen Bündels sieht man sogar durchgerissene Fibrillen, die offenbar dem scharfen Zug nicht Stand gehalten haben. Diese Anordnung würde für die öfters und auch neuerdings wieder von Strassburger (55) ausgesprochene Ansicht sprechen, dass die Kernsegmente von selbst sich zu bewegen im Stande seien und dass es sich bei der Wan- derung der Kernsegmente gegen die Pole der Spindel während der Karyokinese um eine „active Bewegung der Kernsegmente handelt, und diese Bewegung unter dem Einfluss eines von den Centrosphären ausgehenden Reizes erfolgt“. Wahrscheinlich wirkt die niedere Temperatur (0°, —1°C.) als Reiz, indem sie diese Bewegungen nicht nur steigert, sondern auch plötzlicher und un- geordneter erfolgen lässt. Nieht immer jedoch und bei allen zweigespaltenen Spindeln finden wir eine gleichzeitige Verschiebung der Chromosomen. War die Kälte etwas intensiver (—3°, —4° durch !/,—1 Stunde), so haben die Chromosomen ihre typische Stäbehenform verloren, oder haben sie nicht annehmen können wegen der Hemmung des Vor- ‚hereitungsprocesses zur ersten Theilung, und dann sieht man, wie 470 Luigi Sala: die verschiedenen Chromatinstückehen, die stark verändert sind, sich nicht zum einen Ende der Spindel hinbegeben, sondern immer mehr oder weniger regelrecht an ihrem Aequator liegen. Manchmal ist die Spindel nicht einmal gespalten (Fig. 22 — Spindel a — 23, 39, 46), aber auch wenn dies der Fall ist, so sieht man, dass die Spaltung nie so ausgesprochen ist, wie in den oben beschriebenen Fällen, wo die chromatische Substanz ihre Form bewahrt hat, oder die Spaltung geht höchstens bis zum Aequator, so dass die Spindelform nicht ganz verloren gegangen ist (Fig. 41, 42, 55). Auch dies spricht sehr für die Anschauung, dass die Zweispaltung der Spindel hauptsächlich auf ein Auseinanderrücken der chroma- tischen Haufen zurückzuführen ist. Geht die Temperatur, der man die Eier aussetzt, zu tief, so verändern sich die chromatischen Haufen und verlieren dadurch die Bewegungsfähigkeit. Sie bleiben am Aequator liegen und die Spaltung der Spindel kann dann niemals sehr weit gehen. Eine Veränderung der Spindelform, die man ziemlich häufig sieht, ist in Fig. 44, 47, 48 vorgestellt. Sie erinnert sehr an das Bild der sog. Pseudotetraster, welche die Gebrüder Hertwig bei Eiern von Echinodermen, die der Einwirkung von Chloral ausgesetzt waren, beobachtet haben. Die achromatische Bildung hat hier 4, manchmal zugespitzte, manchmal abgestumpfte Ecken, von deren jeder ein achromatisches Fibrillenbündel ausgeht; diese gehen divergirend in den von den vier Ecken begrenzten Raum und treffen in dem Centrum desselben zusammen. Die verschiedenen Fibrillen der 4 Bündel kreuzen sich vielfach und es ist darum oft recht schwer ihren Verlauf zu verfolgen. Immerhin kann man zuweilen beobachten, dass eine Fibrille eines solchen Bündels direkt in ein anderes Bündel überläuft und bis zu dessen Ende hinzieht. Diese Formen von Pseudotetraster, die ich als Vertre- tung der ersten Spindel fand, nie aber der zweiten Spindel, findet man fast ausschliesslich bei den Eiern, in denen die chromatische Substanz gleichzeitig verändert ist und wir haben schon gesehen, welche Anordnung die verschiedenen ehromatischen Stücke an der Stelle annehmen, wo diese vier Bündel zusammentreffen. Weniger häufig als die Pseudotetraster ist eine andere analoge Form, die man als Pseudotriaster bezeichnen könnte (Fig. 38, 41, 43), und die sich von jener unterscheidet, dass sie nur 3 Ecken aufweist und nur von 3 achromatischen Bündeln gebildet wird, die im Centrum Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier etc. 471 der Figur zusammenstossen, wie bei dem Pseudotetraster. Manch- mal kommt es vor, dass eines der achromatischen Bündel des Pseudotriaster etwas länger als die beiden anderen ist, und dann hat man ein Bild wie bei der „Figure Ypsilonforme“ von van Beneden, auf die ieh nieht weiter eingehen will, nachdem jener Autor sie schon so ausführlich beschrieben hat. Ich will nur erwähnen, dass eine wahre Y-form, wie sie van Beneden zeichnet, mir nur selten in den der Kälte ausgesetzt gewesenen Eiern begegnete. Wahrscheinlich bildet sich diese — wie van Beneden gezeigt hat — ebenfalls nicht normale Figur leichter unter der Einwirkung anderer Agentien als der Kälte. Nicht selten ist dagegen die fächerförmige Spindelform, die Hertwig ebenfalls bei den Eiern der Echinodermen sehr ver- breitet fand. Man findet sie fast ausschliesslich im Beginu der Spindelbildung (Fig. 71 u. 73) und von der Fläche aus gesehen gleicht sie vollkommen einem Fächer, welcher theilweise oder ganz ausgebreitet ist (0. und R. Hertwig). Seine achromatischen Fasern bilden ein einfaches Bündel von eonischer Form, d.h. sie gehen alle divergirend von einem Punkt aus nach einer Richtung, wie Liehtstrahlen; gegen die Enden der Fibrillen, wo sie am meisten divergiren, heften sich die chromatischen Haufen an. Manchmal sind die Fibrillen in ihrem Verlauf etwas gebogen und gleicht die Figur in der Flächenansicht mehr einem offenen Schirm als einem Fächer (Fig. 71). Diese Figuren erscheinen von einem ihrer Enden aus gesehen wie eine allseitige Strahlung der achromatischen Fibrillen von einem Centrum aus (Fig. 70 u. 72). Dreht man die Mikrometerschraube des Mikroskops um die Figur in allen Schiehten zu untersuchen, so erkennt man, dass Centrum, Fibrillen und Chromosomen nicht in einer Ebene liegen. Sind letztere deutlich siehtbar, so ist das Strahlungscentrum nicht im Brennpunkt der Linse und die Streifung der peripherischeren Fibrillentheile eben nur zu erkennen; wenn dagegen das Strahlungs- centrum im focus ist, so erscheint die Strahlung wie ein Stern, aber man sieht dann die Chromosomen nicht mehr. Schon Boveri hatte beobachtet, dass bei normalen Eiern von Asc. megal. die innere Hälfte der zweiten Richtungsspindel immer weniger klar ist als die äussere Hälfte und stets etwas später als diese das faserige Aussehen annimmt. Bei den Eiern, die der Kälte ausgesetzt waren, ist der Unterschied zwi- 472 LuigiSala: schen der äusseren und der inneren Hälfte der Spindel noch augenfälliger; ja die innere Hälfte nimmt oft überhaupt den fibrillären Charakter gar nicht an und es tritt anstatt dessen eine feinkörnige oder gleichmässig glänzende Masse auf (Fig. 57 u. 58). Auch die Stellung der Richtungsspindel im Ei wird durch die Kälte meist verändert. Es ist Boveri’s Verdienst, van Beneden gegenüber gezeigt zu haben, dass normalerweise die Axe der Spindel (wenn diese im Begriff ist, den Richtungskörper zu bilden) mit einem der Radien des Eies zusammenfällt. In Eiern, die der Kälte ausgesetzt waren, ist die Stellung sowohl der ersten als der zweiten Spindel nicht selten eine schräge oder tangentiale. In einzelnen Fällen kommt es auch vor, dass die Spindel in dieser Stellung beharrt (Fig. 40), d. h. dass sie mit ihren beiden Polen (und im Fall der Doppelspaltung ihrer 3, 4 Pole) sich an der inneren Fläche der Dotterhaut anheftet. Die wichtigste Erscheinung, welche in allen Fällen die ver- schiedenen Anordnungen, die die achromatische Substanz der Spindel nach Kälteeinwirkung zeigen kann, kennzeichnet, ist die grosse Differenz im Aussehen und in der Struktur zwischen ihr und der sie allseitig umgebenden Protoplasmamasse. Die achro- matische Substanz bewahrt immer (die oben angeführte Ausnahme für die Spindel ausgenommen) ihre ausgesprochen fibrilläre Struk- tur und ihre lichtbrechenden, scharfeonturirten und regelmässigen Fibrillen lassen sich meist in ihrem ganzen Verlauf verfolgen. Wie verändert auch die chromatische Substanz sein mag, es lässt sich doch stets sagen, dass sie wie ein Fremdkörper, der scharf vom Protoplasma getrennt ist, im Ei bleibt. Beachtet man aufmerksam die Art, wie alle diese Formen welche die Spindel in ihrer Veränderung aufweist, sich bilden, nament- lich im Beginn ihrer Bildung, wenn das Spermatozoon in das Ei eingedrungen ist und die Kernmembran zu verschwinden, hingegen die ersten Spuren der achromatischen Fibrillen aufzutreten beginnen, so kann man interessante Beobachtungen über den Ursprung der Fasern der Spindel machen. Ich glaube, es ist nicht nöthig, hier die Literatur zu recapituliren, welche die richtige Frage nach dem Ursprung der achromatischen Spindel zum Gegenstand hat, um so mehr, als in einigen neueren Arbeiten hierüber sehr sorg- fältige bibliographische Notizen schon enthalten sind (16). Ich will, mich auf die Ase. meg. beschränkend, daran erinnern, dass Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 473 3overi für die Riehtungsspindeln dieser Eier (4) und Brauer neuerdings für die Theilungsspindeln der Spermatocyten (11) ganz entschieden die ausschliessliche Abstammung vom Kern fest- halten. Bei den der Kälte ausgesetzt gewesenen Eiern ist die ausschliessliche Abstammung der Spindel vom Kern ohne Be- theiligung der protoplasmatischen Substanz noch deutlicher als beim normalen Ei. Man kann hier, wohl weil die Veränderungen, welche das Keimbläschen durchmacht, um zur Spindel zu werden, durch die Kälte langsamer vor sich gehen, ihre Phasen besser verfolgen und kann deutlich erkennen, dass, ehe die Kernmembran ganz verschwindet, die in ihr enthaltene achromatische Substanz schon eine ausgesprochen fibrilläre Struktur zeigt. Sehr interessant sind auch die durch die Kälte im der An- ordnung jener färbbaren Körnchen hervorgerufenen Veränderungen, die ich aber für die Pole der Richtungsspindeln der Eier der normalen Asc. megal. beschrieben habe. Meist nehmen sie etwas an Zahl ab und dagegen an Volumen zu. Ich kann auch bestä- tigen, dass diese Körnchen in den meisten Fällen zu einem ein- zigen Kügelehen geworden sind, seltener zu zwei; diese sind intensiv färbbar und liegen meist entsprechend dem einen Pol . der achromatischen Figur (Fig. 42, 44, 55, 60, 61, 62, 63, 64, 65). In einigen Fällen ist dies Kügelchen ganz ausserordentlich con- stant; z. B. fand ich bei einer Ase. megal. (die 1 Stunde in einer von +10° auf —5° C. allmählich ahgekühlten Temperatur ge- wesen und dann 18 Stunden im Ofen bei 24—25° C.), fast alle Richtungsspindeln zweigespalten und deutlich mit diesem Kügelehen an einem ihrer Pole versehen, so wie es Fig. 60 u. 61 zeigen, die Eier dieses Wurms vorstellen. In einigen dieser Richtungsspindeln zeigte sich das Kügelchen ausserdem von einem mehr oder weni- ger deutlichen Hof aus klarer, glänzender Substanz umgeben. Am constantesten aber findet sich dieses Kügelchen und sein umgebender Hof im Beginn der Spindelbildung. In einem grossen Theil der abgekühlten Eier, die ich untersucht habe, wo schon das Spermakörperchen eingedrungen, die Bildung der ersten Riehtungsspindel begonnen und die Kernmembran verschwunden ist, begegnete ich häufig einem rundlichen Kügelchen, das sich leicht färbte und sehr deutlich war, weil es von einem hellglänzenden Hof umgeben und gewöhnlich im Centrum der erst in ihrer Anlage an- gedeuteten achromatischen Figur war (Fig. 69, 70, 71, 72, 73). Ich 474 Luigi Sala: habe schon bemerkt, dass die Richtungsspindel zu Beginn ihres Auftretens bei den der Kälte ausgesetzt gewesenen Eiern häufig eine fächerförmige Gestalt zeigt. Untersuchen wir in diesen Fällen diese fächerförmige Spindel von einem ihrer Enden aus, so er- scheint sie, wie oben schon erwähnt, als ein achromatischer Stern, dessen Centrum vom eben besprochenen Kügelchen eingenommen wird (Fig. 70 u. 72); untersuchen wir sie dagegen in Flächen- ansicht, so sehen wir dieses genau an der Spitze des Kegels sitzen, den das Bündel der achromatischen Fibrillen bildet (Fig. 10 u. 75). Diese ziehen alle zum Körperehen convergirend hin, indem sie seine Oberfläche auf mehr oder weniger weithin um- geben. Der Rest seiner Oberfläche, der nicht zu den achroma- tischen Fibrillen des Bündels in Beziehung tritt, ist von einer bald homogenen, klaren, glänzenden, bald mehr oder deutlich strahlig angeordneten Substanz umhüllt. In einigen Fällen zeigt dies centrale Kügelehen sich nicht vollständig rund, sondern mehr länglich mit zwei Enden, die etwas dieker sind als die Mitte, fast sanduhrförmig; fast sieht es dann aus, als ob es in der Mitte durehbrechen wollte (Fig. 72). Es kann da kein Zweifel mehr bestehen, dass wir hier das Bild einer achromatischen Bildung vor uns ‚haben, die ein echtes mit Archoplasma (Boveri) umgebenes ÜCentrosom besitzt. Wir sehen also hier einen Vorgang ziemlich merkwürdiger Art sich abspielen. Während in den Eiern der normalen Asc. megal. die Richtungsspindeln kein Centrosom haben und keine polare Strah- lung, treten diese in den Eiern, die durch Kälteeinwirkung pa- thologisch geworden sind, recht deutlich auf. Dies ist jedoch nichts Neues. Die Untersuchungen aus den letzten Jahren (von Schottländer (50), Henneguy (26), Hanse- mann (23) ete.) haben deutlich gezeigt, dass eine der häufigsten Erscheinungen der pathologischen karyokinetischen Theilungen eben in der Vermehrung der Öentrosomen besteht. In ihren klas- sischen Untersuchungen an Eiern von Eehinodermen haben die Gebrüder Hertwig constatirt, dass, wenn die Befruch- tung normal eingeleitet wird, dann aber durch Chloraleinwirkung gehemmt wird, im Protoplasma des Eies in einiger Entfernung vom Kern unregelmässige, sehr augenfällige Strahlungen auftreten (34, Taf. III, Fig. 19, 23, 24; Taf. IV, Fig. 2,5a; Taf. VI, Fig. 18). Auch Henking (24—25) hat neuerdings an einem Koleopteron Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 475 s (Agelastiea alni. L.), der !/, Stunde dem Druck von 2 Atmosphären ausgesetzt worden war, die Entwiekelung vollkommen normal verlaufen gesehen, nur beobachtete er dabei „eine höchst merk- würdige Strahlung“ um das erste Thelyid!), während er bei normalen Eiern nur ausnahmsweise eine „schwache Strahlung der Basis des ersten Thelyid“ fand. Noch interessanter ist ein anderer Befund Henking's bei Agelastieaeiern, die er 2 Stunden unter dem Recipienten der Luftpumpe bei einem Barometerdruck von 400 mm gehalten hatte. In einigen dieser Eier sah er nicht nur, dass die Fibrillen der Richtungsspindeln viel deutlicher waren als bei normalen, sondern dass auch ein Centrosoma (Henking nennt es Centralkörperchen) vorhanden war, von welchem er auch Ab- bildungen giebt und sagt: „in typischer und deutlicher Ausbildung wie in. den Fig. 140 u. 117, habe ich die (Spindelfäden und Central- körperchen) niemals bei der Ausbildung der Richtungskörper in Insekteneiern auftreten sehen“. Ja in weitaus den meisten Fällen sind nieht einmal Spuren derselben vorhanden (25, S. 91). Sosehen wir, dass es unter bestiminten Fällen möglich ist, durch so verschiedene Einflüsse (chemische, thermische, Luftdruckänderung) in einer Zelle Strahlungen auftreten zu lassen, und manchmal sogar ein echtes Centrosoma, das man bei normalen Zellen nicht findet. Dies festgestellt, muss auch die Vermuthung wach werden, dass dieses Centrosoma, welches wir nur in den Eiern von Ase. beob- achten, die der Kälte ausgesetzt waren, nicht aber bei den nor- malen Ase.-Eiern, doch in diesen auch vorhanden sein wird und nur unserem Auge aus besonderen Ursachen nicht kenntlich ist. Wir können natürlich nieht zugeben, dass es der Einwirkung der Kälte möglich sei, ein nicht vorher schon vorhandenes Centrosoma im Ei entstehen zu lassen. Auch ist die constante Existenz eines Centrosoma in jeder Zelle, die in Theilung begriffen ist, eine wissenschaftlich festgestellte Thatsache. Auch in der Eimutterzelle der Ase. meg. muss ein Centro- soma vorhanden sein. OÖ. Hertwig (32) fand es deutlich aus- gesprochen an den Polen der Spindel während der Theilung der 1) Mit Thelyid bezeichnet Henking den Theil der achroma- tischen Substanz der vom ursprünglichen Keimbläschen herrührt, wel- cher mit dem chromatischen Theil zusammen bei Bildung der Richtungs- körper aus demEi herausgeht. Der Autor spricht demnach von einem ersten und einem zweiten Thelyid. 476 LuigiSala: Ureier und erst später, wenn sich die Richtungskörper bilden, ist es nicht mehr sichtbar. An den Polen der Richtungsspindeln finden wir weder Uentrosoma noch Irradiation, sondern nur jene kleinen mit Vesuvin färbbaren Kügelehen. die ich oben schon be- sprochen habe. Dies Fehlen eines Centrosoma und einer Strahlung an den Polen der Richtungsspindeln ist übrigens eine Erscheinung, die sich nicht nur an den Eiern von Ase. meg. findet, so dass man die Fixirungs- und Färbungsmethoden dafür verantwortlich machen könnte. Fast alle neueren Untersuchungen über die Reifung der Eier haben vielmehr gezeigt, dass es eine sehr allge- meine Erscheinung ist. Bei den zahlreichen Arten von Insekten- eiern, die Henking (25) untersucht hat, fand er stets die Rich- tungsspindeln ohne Centrosoma!). Bei Hydra, bei Tubularia Mes- embryanthemum, bei Branchipus Grubii v. Dyp.,. bei Artemia salina fand Brauer (7, 8, 9, 12) niemals Centrosomen an den Polen der Richtungsspindeln. Herford (28), Kastschenko (37) und O. Sehultze (52) berühren zwar diesen Punkt nicht aus- drücklieh in ihren Arbeiten, geben aber Abbildungen von Rich- tungsspindeln bei Eiern des Petromyzon fluviatilis und bei Eiern von Selachiern und Amphibien, die ganz ohne Centrosomen sind. Eben das gleiche fand Fiek (15) bei den Richtungsspindeln der Eier von Axolotl, Todaro (57) bei denen von Seps chaleides, Sobotta (54) bei denen der Maus, und noch viele andere Autoren liessen sich anführen, welche die gleiche Beobachtung gemachthaben. Beschränken wir uns nun auf die Eier der Asc. megal., so könnte man die Frage aufwerfen, was normalerweise aus dem Oentrosoma des Eies wird und warum es nur nach Kälteeinwirkung zu Tage tritt. Die bisherigen Beobachtungen geben uns immer noch keine Antwort hierauf und wir können uns hier nur auf dem Boden der Hypothese bewegen. 1) In den Eiern eines Koleopteron (Agelastica alni. L.) glaubte Henking an dem äusseren Pol der ersten Richtungsspindel einen kleinen Punkt zu sehen, der von einem kleinen, undeutlichen nicht gefärbten Körper besetzt war, in welchem zwei kleine helle Stellen dicht nebeneinander sich befanden, „die möglicherweise einem Pol- körperchen entsprechen können“. Betreffs der zweiten Spindel sagt Henking: dagegen die „Polkörperchen und Plasmastrahlung fehlt völlig“. Dies würde für die Anschauung sprechen, die ich ausgesprochen habe, dass das Eicentrosoma während der Reifung des Eies, regressiven Vorgängen unterliege. Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 477 Boveri (3,5) hat auf Grund seiner Studien an Eiern von Asc. megal. und auf Grund theoretischer Betrachtungen zuerst die Behauptung aufgestellt, dass das Centrosoma des Eies während der “Reifung desselben, eine Schwächung oder besser eine regressive Metamorphose durchmache, so dass, wenn die Befruchtung erfolgt, das Centrosoma des Eies nieht mehr vorhanden sei und die Cen- trosomen der ersten Furchungsspindel bloss von dem Sperma-Cen- trosoma gebildet würden, das mit dem Samenkörperchen ins Ei gedrungen sei. Die gleiche Meinung vertritt Vejdovsky (60), weleher angiebt, dass er in Rhynchelmiseiern die regressive Meta- morphose am Periplast des Eies habe verfolgen können (Periplast nennt er das Centrosoma) und dass dieses Ei-Periplast durch das Spermaplasma „in Form eines neuen energisch sich theilenden Periplastes ersetzt werden muss“. Auch Balbiani (1) schliesst sich neuerdings der Anschauung Boveri’s an; er zeigt, dass die Eier der Araneiden in ihrem sogenannten „noyau vitellin“ oder Dotterkern niehts anderes haben als ein Centrosoma des Eies und dass dieser Dotterkern in diesen Eiern allmählich seiner physio- logischen Eigenthümlichkeiten verloren geht und durch einen Vor- gang, den er ausführlich beschreibt, zu Grunde geht; er nennt diesen Vorgang eine „degenerescence hypertrophique“. Auch an der Eimnutterzelle der Asc. megal. muss sich eine Umwandlung der Oentrosomen des Eies zeigen, ehe der Reifungs- process in Gang kommt. Wir können allerdings für diese Ansicht keine unmittelbare Beobachtung beibringen, doch sprechen zwei von mir beobachtete Erscheinungen sehr dafür; einmal das Vor- kommen mit Vesuvin färbbarer Körner von wechselnder Grösse und Zahl an den Polen der Richtungsspindel normaler Eier, und dann das Verschwinden dieser Körnehen und das gleichzeitig damit einhergehende Auftreten eines echten Centrosoma mit schwach an- gedeuteter Strahlung an den Polen der Richtungsspindeln von Eiern, die der Kälte ausgesetzt gewesen waren. Dies Beides stellt, meiner Ansicht nach, einen engen Zusammenhang zwischen den färbbaren Körnchen und dem Oentrosoma ausser Zweifel. Sehr wahr- scheinlich sind die färbbaren Körncehen der Spindeln die Aequivalente des Centrosoma bei den der Kälte aus- gesetzt gewesenen Eiern. Ich glaube, dass, wenn sich die Eimutterzelle in der Wachsthumszone befindet und in ihrem Kern der Vorbereitungs-Prozess zur ersten Theilung vor sich geht, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 al 478 LuigiSala: gleichzeitig wenn nicht eine regressive Metamorphose, so doch eine Umbildung des Centrosoma vor sich geht, so dass dieses als solches nicht mehr bestehen bleibt, wenn mit Beginn des Reifungs- vorgangs der erste Richtungskörper sich gebildet hat und nur an’ seinen Polen kleine färbbare Körnchen bleiben, die das Aequivalent des ursprünglichen Centrosoma darstellen. Wenn nun die Eier der Kälte ausgesetzt werden, so wird nicht nur, wie wir gesehen haben, dadurch der Vorgang der Vorbereitung zur ersten Theilung gehemmt und verändert, sondern gleichzeitig ändert sich und wird auch zuweilen gehemmt der Vorgang der Umbildung des Centro- soma, wodurch es als solches an einem der Pole der ersten Rich- tungsspindel veıbleibt. Jedenfalls, welehe Bedeutung auch diese theoretischen De- duetionen haben mögen, geht aus meinen Untersuchungen zweifellos hervor, dass auch in den Eiern von Asc. megal. ein Eicentrosoma existirt, welches jedoch vor dem Eintritt des Reifungsprozesses sich umbildet. Daraus folgt, dass auch für die Eier von Asc. megal. nicht ausgeschlossen werden kann, dass während der Befruchtung der von Fol für die Eier des Echinus beschriebene Vorgang sich zeigen kann, nämlich die Vereinigung des Eicentrosoma mit dem Spermacentrosoma. Dies bringt die obenerwähnte Hypothese Boveri’s sehr ins Schwanken, nach der die Centrosomen der ersten Theilungsspindel ausschliesslich aus einer Verdoppelung des Spermacentrosomas hervorgingen. Gegen diese Anschauung spricht ausserdem die neuerdings von Brauer (12) beschriebene Erschei- nung an den parthenogenetischen Eiern der Artemia salina. Hier haben die Riehtungsspindeln die gleiche Form wie die Richtungs- spindeln der Asc. megal. und wie diese haben auch sie kein Oen- trosoma; nun ist aber auch hier die erste Theilungsspindel mit klar ausgesprochenen und mit deutlicher Strahlung umgebenen Centrosomen versehen, von denen man in diesem Fall nicht an- nehmen kann, dass sie männlichen Ursprunges seien, da die Eier ja parthenogenetischen Ursprungs sind. Sie können darum auch nur vom Centrosoma des Eies stammen. V. Veränderungen bei der Bildung der Richtungskörper. In Heft I und II seiner Zellenstudien beschreibt Boveri (4) ausführlich einige seltene Fälle der Bildung von Richtungskörpern, welche er an Eiern von Asec. megal. beobachtet hat. Sie betreffen Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 479 hauptsächlich das Fehlen oder auch nur die unvollständige Bildung eines oder des anderen der Richtungskörper. Diese und andere Ano- malien kann man leicht und in grosser Zahl erzielen und ganz nach Belieben, wenn man die Eier von Asc. megal. auch nur 1!/, Stunden einer Temperatur von —3° oder —4° C. aussetzt. Diese Temperaturerniedrigung hemmt mehr oder weniger tief die Entfaltung der karyokinetischen Vorgänge, deren Ziel es ist, die Richtungskörper zu bilden. Aber nur selten!) schien es mir zu beobachten zu sein, dass die durch die Temperaturernie- drigung hervorgerufene Störung (falls diese nicht so weit ging, dass sie im Ei jegliche Lebenserscheinung zum Erlöschen brachte) eine vollständige Unterdrückung beider Richtungskörper zur Folge habe. Nur in 2 Fällen konnte ich mit voller Sieberheit diese Erscheinung constatiren (Fig. 74 u. 75). Die Fig. 74 stammt von einer Asc. megal., die 1 Stunde lang in einer allmählich von +10°% auf —5° abgekühlten Temperatur und dann 18 Stunden im Ofen bei 23>— 28°C. gelegen hatte?). Der Punkt des Geschlechts- apparats, wo dieses Ei gefunden wurde, und die Dieke seiner Membranen kennzeichnen dasselbe als einem Stadium angehörig, wo es schon beide Richtungskörger gebildet haben sollte. Dagegen sehen wir, dass es noch 8 chromatische Stäbehen in seinem In- neren birgt, die unregelmässig angeordnet stehen, zu zwei und zwei und nicht die leichteste Andeutung der Bildung einer Spindel aufweisen. Nur ist um je zwei Stäbchen ein Hof klarer, licht- brechender; homogener Substanz deutlich sichtbar. Man könnte jedoch einwerfen, dass, wenn dies Ei etwas später zum Absterben gebracht worden wäre, es wahrscheinlich doch wenigstens noch einen Richtungskörper gebildet hätte und dass ein Theil der 8 Stäbchen ausgestossen worden wären; und dies hätte wohl auch der Fall sein dürfen. Den gleichen Einwurf kann man aber nicht bei dem in Fig. 75 aufgestellten Ei machen, welches von einem Wurm stammt, der 2!/, Stunden an offener Luft an einem — 5°C. 1) In meiner vorläufigen Mittheilung (49) habe ich angeführt, dass mir in keinem Fall eine vollständige Unterdrückung beider Rich- tungskörper begegnet sei. Ich muss dies dahin berichtigen, dass mir in neueren Untersuchungen nur die zwei erwähnten Fälle unter die Augen gekommen sind (Fig. 74 und 75). 2) Fast alle Anomalien in der Bildung der Richtungskörper, die ich in diesem Capitel beschreibe, stammen eben von diesem Wurm. 480 LuigiSala: kalten Tag gelegen und dann 19 Stunden im Brütofen bei 25 bis 25°C. Dies Ei ist schon im Stadium der Bildung der ersten Furchungsspindel, und wir sehen an ihnen statt4, 9 ehromatische Schleifen und 2 Centrosomen klar ausgeprägt. Dagegen finden wir ausserhalb des Dotters unterhalb seiner Membran keine Spur eines Richtungskörpers. Einmal so weit gekommen, müssen wir zum Verständniss der Entstehung dieser 9 Schleifen einer Erscheinung Erwähnung thun, die ich an Eiern, die der Kälte ausgesetzt worden waren, beobachten konnte und welche das Schicksal der Chromosomen betrifft, die wegen gewisser Anomalien in der Bildung der Rich- tungskörper nicht aus dem Ei ausgestossen werden konnten. Durch die interessanten Untersuchungen Boveri’s (4) wissen wir schon, dass diese Chromosomen sich ganz ähnlich verhalten, wie die normalen Chromosomen des Eikerns und des Spermakerns, d.h. dass auch sie chromatische Schleifen auftreten lassen, die jenen ganz gleich sind, welche von diesen Kernen stammen. Boveri sagt auch: „dass sich für jedes in den Richtungskörpern fehlende Stäbchen im Ei eine Schleife über die normale Zahl nachweisen lässt“. Auch ich habe in vielen Fällen der anormalen Riehtungskörperbildung diese Erscheinung beobachten können, wie Boveri sie zuerst nachgewiesen hat und konnte vollkommen bestätigen, was er daraus folgert, doch muss ich hinzufügen (so- weit es wenigstens die der Kälte ausgesetzt gewesenen Eier be- trifft), dass nicht immer alle Chromosomen, die mit den Richtungs- körpern hätten austreten müssen, und statt dessen anormaler Weise im Ei verharrt haben, den Ursprung abgeben für chromatische Schleifen, die jenen ganz gleich wären, die von Eikern und Spermakern stammen. Wenn man diese Eier, in denen durch Kälteeinwirkung eine anormale Bildung der Richtungskörper statt- gefunden hat, im Stadium untersucht, wo sich schon die chroma- tischen Schleifen aus den Kernen gebildet haben, so sieht man häufig, dass ausser den Schleifen diese Eier auch kleine Haufen chromatischer Substanz enthalten, die bald gegen das Centrum des Eies nahe der cehromatischen Schleife liegen, bald dagegen etwas gegen die Peripherie hin verschoben sind. Untersucht man diese chromatischen Haufen mit einer scharfen Immersionslinse, so erkennt man, dass sie aus einem sehr feinen chromatischen Faden bestehen, der sich in so complieirter Weise biegt und windet, Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 481 dass er einen wirklichen chromatischen Knäuel bildet. Dieser verhält sich zu den färbbaren Substanzen ebenso, wie die normalen chromatischen Schleifen (Fig. 76 u. 77). Ich bin der Ansicht, dass diese kleinen ehromatischen Körper direkt von den Chromosomen abstammen, welche im Ei anormaler- weise in Folge irgend welcher Veränderung in der Bildung der Riehtungskörper geblieben sind. Zu dieser Ueberzeugung brachte mich hauptsächlich der Umstand, dass ich diesen chromatischen Knäueln ausschliesslich in jenen Eiern begegnete, welehe durch die Kälteemwirkung es nicht so weit gebracht hatten m normaler Weise die zwei Richtungskörper zu bilden; während bei anderen Eiern, die, wenn sie auch der Kälte ausgesetzt gewesen waren, doch normal gebildete Richtungskörper zeigten, diese Knäuel nicht zu finden waren. Man kann darum nieht annehmen, dass sie vom Eikern und vom Spermakern stammen, sondern man muss unbedingt anerkennen, dass sie von den Chromosomen abzuleiten sind, welche anormaler Weise im Ei verblieben sind. Die Fig. 76, 77, 78 geben 3 Fälle an, wo es nicht zur Bildung der zweiten Richtungsspindel gekommen ist, sie stammen von einer Asc. meg. von der Varietät bivalens. In der Fig. 78 finden wir 6 Schleifen, statt 4; d. h. 2 Chromosome des zweiten Richtungskörpers haben sich in eben- soviele Schleifen umgebildet. In der Fig. 76 sehen wir 5 Schleifen und einen Knäuel, d. h. von den 2 Chromosomen des zweiten Riehtungskörpers hat eines eine chromatische Schleife hervorge- bracht, die andere hat sich zu einem kleinen Knäuel umgebildet. In der Fig. 77 finden wir 4 Schleifen und 2 Knäuel: hier haben sich beide Chromosomen des zweiten Richtungskörpers zu Knäueln umgeformt. Was stellen diese kleinen chromatischen Knäuel vor in den Eiern, in welchen Chromosomen zurückgeblieben sind, die normaler Weise mit den Richtungskörpern hätten austreten sollen ? Unter- suchen wir diese Knäuel genauer, so fällt uns sogleich der grosse Unterschied in ihrer Grösse auf. Die einen sind verhältnissmässig gross und bestehen aus einem groben ehromatischen Faden, der sehr scharf gezeichnet ist und sich so lose aufknäuelt, dass man seinen ganzen Verlauf verfolgen kann; andere hingegen sind sehr klein, und hier ist der knäuelförmige Aufbau viel weniger ins Auge springend. Manchmal auch erscheinen sie nur als kleine, mehr oder weniger runde Haufen, in denen das Chromatin nicht 482 LuigiSala: gleichmässig vertheilt ist, und wenn man nicht die grösseren Knäuelformen daneben hätte, wo die Struktur als Knäuel so klar auftritt, so würde man nur schwer dazu kommen, ihre Zugehörig- keit zu jener Form zu durchschauen. Natürlich finden sich viele Zwischenstufen zwischen diesen und jenen. Der Eindruck, den man bei Untersuchung zahlreicher dieser verschiedenen Knäuel- formen erhält, ist der, dass sie einer allmählichen Veränderung in regressivem Sinn unterworfen sind und allmählich an Grösse abnehmen und immer mehr ihre ursprüngliche Knäuelform ver- lieren. Kurz gesagt, ich bin der Ansicht, dass die oben be- schriebenen regressiven Formen herrühren von den bei der Bildung der Richtungskörper im Ei zurückgebliebenen Chromo- somen. Wenn diese Deutung die richtige ist, so folgt daraus, dass die zu Richtungskörpern bestimmten Chromosomen, auch wenn sie anormaler Weise im Ei zurückbleiben, in gewissen Fällen (wenigstens bei Eiern, die der Kälte ausgesetzt waren) eine regressive Metamorphose durchmachen und zu Grunde gehen, wie es natürlicher Weise bei ihnen stattfindet, wenn sie die Rich- tungskörper bilden. Dies ist, glaube ich, bei dem in Fig. 75 ge- zeichneten Ei der Fall, wo, wegen Ausbleibens der Bildung der zwei Richtungskörper, 10 chromatische Schleifen vorhanden sein müssten (8 vom Ei, 2 vom Spermatozoon), wo wir aber nur 9 sehen. Aller Wahrschemlichkeit nach ist eines der einem Rich- tungskörper zugehörigen Chromosomen in der oben beschriebenen Weise zu Grunde gegangen. Sehr häufig sehen wir den Fall eintreten, dass einer der Riehtungskörper — meistens der zweite — fehlt. Die Fig. 76, 77, 78 geben uns eben drei derselben wieder, wo, wie schon gesagt, die für den zweiten Richtungskörper bestimmten Stäbchen, die aber im Ei zurückgeblieben sind, sich nicht alle zu chroma- tischen Schleifen umgebildet haben. Boveri ist der Ansicht, dass in den nicht seltenen Fällen, wo die erste Richtungsspindel eine tangentiale Stellung hat, d.h. parallel zur Oberfläche des Eies gestellt ist, der erste Riehtungs- körper sich nicht bildet. Er sagt, dass in diesen Fällen sich nur die Kerntheilung vollzieht, dass ihr aber keine Zelltheilung folgt und führt als Bekräftigung hierfür seine Fig. 47, 48, 49, 50 auf Taf. II an. Erst später würde ein solches Ei ein Auftreten Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier etc. 483 des zweiten Richtungskörpers aufweisen, der statt aus 2 (Ase. meg. bivalens) aus 4 Stäbehen bestände. Die anderen 4 Stäbehen würden innerhalb des Eies verharren und den Eikern bilden. Ohne bezweifeln zu wollen, dass in bestimmten Fällen dies wirk- lich so sein kann, wie es Boveri beschreibt, kann ich doch nicht umhin zu bemerken, dass einige meiner Befunde mich eher dazu führen, anzunehmen, dass in anderen analogen Fällen die Zell- theilung sieher doch der Kerntheilung folgt und wenigstens der erste Richtungskörper gebildet wird (Fig. 54). Auch mir sind einige Figuren begegnet, die den von Boveri beschriebenen gleichen, nur war bei ihnen die Anordnung der chromatischen Elemente keine so regelmässige; von den 4 chromatischen Doppel- gruppen fand ich zwei, oder oft auch nur eine mehr gegen die Peripherie hingerückt, d. h. gegen die Oberfläche des Eies und erschien auch zuweilen schon ausserhalb des Eies liegend, um den ersten Richtungskörper zu bilden. Sehr interessant sind bei den der Kälte ausgesetzt gewesenen Eiern die Veränderungen in der Zahl der Chromosomen, die aus dem Ei mit der Bildung der Richtungskörper austreten. Meine diesbezüglichen Beobachtungen stammen alle von der Varietät bivalens. Begreiflicherweise wird, in Verbindung mit den oben beschriebenen Veränderungen der chromatischen Substanz der Spindel, der Vorgang der Theilung vollkommen gestört, und der- selbe kann darum nicht mehr sein Ziel erreichen. Wenn z. B. die beiden ehromatischen Haufen von 4 Chromosomen sich, wie oben ausgeführt, weit von einander entfernt haben, oder wenn, durch Einwirkung der Kälte, die Verbindung zwischen den Stäb- chen lockerer geworden ist, so dass diese ihrer normalen Lage, eines parallel zum anderen, verlustig gegangen sind, so findet es sich nur selten, dass die Chromosomen, die mit dem ersten Rich- tungskörper austreten sollten, so nahe an einander rücken können, dass sie gemeinsam zum Spindelpol vorschreiten können. Meist gelangen die einen vor den anderen dahin, und dann, indem gleich die Zelltheilung eimtritt, bilden sich jene ersten Richtungs- körper, die statt 4, zuweilen 2, 3 oder auch 5 Chromosomen ent- halten, und die zweiten Riehtungskörper, die 3 oder auch nur 1 einziges Chromosoma anstatt 2 haben. Ich lasse mich nicht weiter über diese von Boveri aus- führlich beschriebenen Fälle aus. Ich will vielmehr hier darauf: 454 Luieisala; hinweisen, dass in den abgekühlten Eiern mit der Bildung des ersten Riehtungskörpers alle 6 Chromosomen auf ein Mal ausge- stossen werden können (Fig. 79). In diesen allerdings seltenen Fällen erreicht eine einzige Theilung das gleiche Ziel, wie es normalerweise nur zwei aufeinanderfolgende Theilungen zu Stande bringen, und der eine Richtungskörper, der dadurch entsteht, muss natürlich die gleiche Bedeutung haben, wie normaler Weise der erste und der zweite Richtungskörper zusammen. In einem, freilich allein dastehenden Fall, fand ich etwas ganz Aussergewöhnliches; der einzige Richtungskörper, der sich gebildet hatte, hatte alle chromatische Substanz mit aus dem Ei hinausgenommen (Fig. 80). Die Eimutterzelle hatte sich in zwei Theile getheilt, einen viel grösseren, der nur das Spermatozoon enthielt und einen verhältnissmässig kleinen, in dem alle 8 Chro- mosomen lagen. Aus der Dicke der Hülle, aus dem Aussehen des Protoplasmas dieses Eies und besonders aus dem Umbildungs- stadium, in dem sich das Samenkörperchen befand, ging hervor, dass dieser einzige Richtungskörper sich nieht genau in dem Zeit- punkt gebildet hatte, wo der erste Richtungskörper normaler Weise sich bildet, sondern später. Im Allgemeinen sind die Richtungskörper, die eine vermehrte Anzahl von Chromosomen enthalten, etwas grösser als normal, weil sie eine grössere Protoplasmamasse haben. In diesen Fällen ist die Zelltheilung accentuirter und es besteht zwischen ihren Produkten, Ei und erstem Richtungskörper niebt mehr jener auf- fallende Grössenunterschied wie normal. Zuweilen kommt es auch vor, dass durch die Kälteeinwirkung dieses Missverhältniss voll- kommen zum Verschwinden gebracht wird, weil die Eimutterzelle durch ihre Theilung zwei fast gleich grosse Zellen entstehen lässt (Fig. 81, 82, 83). Dieses Vorkommen wurde schon von Boveri erwähnt, der in dem I. Heft seiner Zellenstudien (4) (Fig. 56, Taf. II) ein Ascaris-Ei abbildet, das nach der ganz normalen Bildung des ersten Richtungskörpers, anstatt einen zweiten zu bilden, sich in zwei gleich grosse Tochterzellen getheilt hat, so dass man auf den ersten Blick ein Furchungsstadium vor sich zu haben glaubt. In den der Kälte ausgesetzten Eiern, besonders in der Bildung des ersten Richtungskörpers, ist diesesV orkommen häufig. Von den zwei so entstandenen Zellen enthält die eine im Allgemeinen 4 Chromosomen und das Samenkörperchen, die andere Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 485 nur 4 Chromosomen (Fig. 81—83). Dies giebt den besten Beweis — wie Boveri richtig bemerkt — gegen die Anschauung jener, die in dem Vorgang der Bildung der Richtungskörper keine echte Karyokinese sehen wollen. Wenn sich die Zelltheilung sehr aeccentuirt hat und der Riehtungskörper mit viel Protoplasmamasse versehen ist, so kann es noch vorkommen, dass in demselben eine zweite Theilung vor sich geht, so dass aus dem ersten Riehtungskörper 2 weitere Zellen hervorgehen. Kurz gesagt, es kann, in Folge der Kälteeinwirkung, auch in den Eiern der Ase. megal. ausnahmsweise jene successive Theilung des ersten Richtungskörpers stattfinden, die regelrechter- weise in den Eiern gewisser Coelenteraten sowie einiger Mollusken beobachtet wird und die Henking (25) neuerdings bei gewissen Insekteneiern gesehen hat. Carnoy (13) giebt an, dass er d oder 6 Exemplare von Ascariseiern mit dieser successiven Theilung des ersten Riehtungskörpers gesehen habe; aber aus der einen Figur, die er giebt (Fig. 75, Taf. III) geht dies durchaus nicht klar hervor. Hier ist der Richtungskörper wenig grösser als normal, nur etwas länglich, und an seinen beiden Enden sind Haufen von je 2 Chromosomen. Eine wirkliche Theilung mag Carnoy wohl vermuthen, aber bewiesen ist sie hier nicht. In den mir begegneten Fällen war ich nie im Stande, einer Theilung im Entstehen zu folgen; ich kann mich darum nicht über die Art, wie sie vor sich geht, aussprechen. Aus den Produkten dieser Thei- lung muss man aber schliessen, dass sie wenigstens bei den der Kälte ausgesetzt gewesenen Eiern in sehr unregelmässiger Weise vor sich geht. Wir sehen nämlich, dass nicht immer beide Zellen, die aus dieser Theilung hervorgehen, eine gleich grosse Menge Chromatin enthalten. Manchmal ist dies wohl der Fall (Fig. 84) ; daneben aber sah ich Eier, wo von den 2 Zellen eine 3 enthielt und die andere nur 1 Chromosom; auch fand ich einen Fall, wo die Theilung des ersten Richtungskörpers wohl stattgefunden aber nur auf den Protoplasmakörper sich erstreckt hatte, nicht auf die chromatische Substanz, die aus 4 Chromosomen bestand und ganz in einer der Tochterzellen angehäuft war, während die andere gar nichts davon besass (Fig. 80). Trotz dieser grossen Unregelmässigkeit in dem Vorsichgehen der Theilung des ersten Riehtungskörpers ist doch immer die Möglichkeit bewiesen, durch äussere Einflüsse die Theilung des Richtungskörpers auch in den 486 Luigi Sala: Eiern von Ase. meg. hervorzurufen, wo sie aber nur die Bedeutung eines phylogenetischen Rückschlags hat. Dies macht vollkommen die von OÖ. Hertwig gezeigte Uebereinstimmung zwischen dem Vorgang der Spermatogenese und dem der Ovogenese bei der Asc. megal. und zeigt zugleich, dass die Anschauung richtig ist, dass die Richtungskörper rudimentäre oder besser abortive Zellen sind, falls es noch einer weiteren Stütze für diese Anschauung bedürfte. Endlich will ich noch eine Anomalie erwähnen, die ich aller- dings nur einmal beobachtete und die ich in der Fig. 25 gezeichnet habe. Dieselbe stellt ein monströses Ei dar, das durch Ver- schmelzung dreier Eier im Stadium, wo schon Ei- und Sperma- kerne vorhanden sind, gebildet wird. Die 3 ersten Richtungs- körper, die von jedem dieser 3 Eier gebildet sind, sind zu einem einzigen Richtungskörper vereinigt (d), in dem 12 Chromosomen mehr oder weniger deutlich noch erkennbar sind. Hier hat sich eine Erscheinung gezeigt, die der von Henking (25) bei Eiern einiger Insekten (Phyrrhicoris apterus L. — Agelastica alni. L.) be- obachteten analog ist, wo der erste und der zweite Richtungs- körper sich in der Regel zu einer einzigen Masse vereinigen. VI und VII. Veränderungen in der Bildung des Eikerns und des Spermakerns und der ersten Furchungsspindel. Wenn im Ei von Ase. megal. schon Ei- und Spermakern oder die erste Furchungsspindel aufgetreten sind, so haben die Eihüllen schon eine solehe Dicke erreicht, dass die tiefe Tempe- ratur keinen unmittelbaren Einfluss mehr auf die im Ei in diesem Stadium vor sich gehenden Erscheinungen ausüben kann. Alle Veränderungen, die ich hier beschreiben werde, sind darum als einfache nothwendige Folgen der schon beschriebenen Verände- rungen aufzufassen, welche die Kälte im Ei während der Befruch- tung und der Reifung hervorgerufen hat. Was die Bildung des Ei- und des Spermakerns betrifft, so sind die interessantesten Veränderungen diejenigen, welche ihre Zahl erleidet. Wir haben bereits gesehen, welches die Ursachen einer Vermehrung in der Zahl der Sperma- und der Eikerne sein kön- nen: Polyspermie, zweiblasiges Ei, Rieseneibildung und Störungen in der Bildung der Richtungskörper; dazu kommt noch die Mög- lichkeit, dass die 2 Chromosomen die, wie normal, nach Bildung Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 487 des zweiten Richtungskörpers im Ei zurückgeblieben sind, statt sich zu einem einzigen Eikern umzubilden, in den abgekühlten Eiern, jedes für sich zur Bildung eines kleinen Kerns Veranlassung geben können. Auch in diesen Fällen hat das Ei 3 Kerne, einen von normaler Grösse, der den Spermakern vorstellt, zwei etwas kleinere, die zusammen den Eikern repräsentiren (Fig. 86); von jedem dieser zwei kleinen Kerne aus bildet sich eine chromatische Schleife. Dies tritt besonders dann auf, wenn durch die Tempe- raturerniedrigung sich die zwei nach der Bildung des zweiten Richtungskörpers im Ei zurückgebliebenen Chromosomen sehr von einander entfernt haben und tritt fast regelmässig dann auch aut, wo, dureh irgend eine Störung in der Bildung der Richtungskörper, 2 oder mehr Chromosomen im Ei geblieben sind, statt auszutreten. In diesen Fällen geht meist von jedem Chromosoma die Bildung eines kleinen Kerns aus (Fig. 87—88). Betreffs Aussehen und Struktur der verschiedenen Ei- und Spermakerne beachte man, dass in den der Kälte ausgesetzt ge- wesenen Eiern die aus den wegen Anomalien in der Richtungs- körperbildung im Ueberzahl im Ei zurückgebliebenen Chromosomen hervorgegangenen Kerne ausser in der Grösse sich auch meist in dem ganzen Aussehen von normalen Eikernen unterscheiden. Ich gehe nicht auf eine genauere Beschreibung des Baues des nor- malen Eikerns bei der Ase. megal. hier ein, sie sind ja aus den Beschreibungen van Beneden’s (58) und Boveri’s (4) hin- länglich bekannt; ich möchte nur bemerken, dass die Kerne, die von den Chromosomen abstammen, welche normaler Weise der Bil- dung der Richtungskörper dienen, aber im Ei zurückgeblieben sind, von Beginn ihres Auftretens ab schon ein deutliches Netz- werk zeigen; auch wenn der normale Eikern und der normale Spermakern noch ihr blasenartiges Aussehen haben und kaum die Bildung eines chromatischen Netzwerks, am meisten noch an der Peripherie erkennen lassen, ist in den kleinen, aus den Chromo- somen der Richtungskörper stammenden Kernen schon immer ein ziemlich grober ehromatischer Faden mit ganz scharfen Rändern recht deutlich erkennbar; dieser dreht sieh und krümmt sich ziemlich eomplieirt um sich selbst und nimmt gleichmässig den ganzen Kern ein, so dass er dass Aussehen eines typischen, echten Knäuelkerns bekommt (Fig. 87, 88). Im normalen Eikern und Spermakern findet man dagegen 488 Luigi Sala: dieses Aussehen erst später zuweilen und nie so ausgesprochen wie bei Eiern, die der Kälte ausgesetzt waren. Auch wenn sich in ihnen das Netzwerk zu chromatischen Scheifen umbildet und diese schon recht deutlich im Kern angedeutet sind, der noch seine unverletzte Membran hat, so bilden die Schleifen immer einen sehr lockeren Knäuel, in dem man den Verlauf deutlich verfolgen kann. Bei den kleinen Kernen, wo der Faden einen meist sehr enggeschlungenen Knäuel bildet, ist dies nieht soder Fall. Dieser Unterschied springt bei Untersuchung der verschiedenen Knäuel, die in den Figuren 86, 87, 88 wiedergegeben sind, sehr deutlich ins Auge. Dieses besondere Aussehen, das die kleinen von den Chro- mosomen, die anormaler Weise im Ei geblieben sind, abstammen- den Kerne zeigen, erinnert in gewisser Weise an die kleinen chromatischen Knäuel, die ich oben beschrieben habe und ziemlich häufig neben den chromatischen Schleifen fand, welche sich schon im Ei gebildet hatten, indem durch Kälteeinwirkung sich eine Veränderung in der Bildung der Richtungskörper kund gab (Fig. 76—77). Ich habe die kleinen Knäuel als Rückbildungs- formen der anormaler Weise wegen Störung in der Bildung der Richtungskörper im Ei verbliebenen Chromosomen gedeutet und die Aehnlichkeit mit den kleinen aus diesen Chromosomen hervor- gegangenen Kernen spricht nicht nur für diese Anschauung, sondern macht es auch sehr wahrschemlich, dass in den Fällen, wo (bei den der Kälte ausgesetzt gewesenen Eiern) einige über- zählige Chromosomen im Ei geblieben sind und verschwinden sollen, der davon abstammende Kern allmählich regressive Um- bildungen durchmacht bis zu einer vollständigen Auflösung, ohne dass er vorher eine chromatische Schleife bildet. Den Anomalien in der Zahl der Ei- und Spermakerne ent- sprechend, auch sieht man, wie ganz natürlich ist, Anomalien in der Zahl der cehromatischen Schleifen am Aequator der ersten Furchungsspindel. Ausser den schon aufgeführten Gründen für eine Vermehrung der Zahl der Eikerne und Spermakerne und damit auch der chromatischen Schleifen, ist noch ein weiterer zu erwähnen, der nur auf die Vermehrung der Schleifenzahl einwir- ken kann; dies ist die Fragmentirung einer oder mehrerer nor- maler Schleifen des Eies. In einem ganz normal entwickelten Ei kann es vorkommen, «lass einige seiner Schleifen in 2 oder Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 489 mehr Stücke zersplittern, und dann hat dies Ei eine übernormale Anzahl Schleifen aufzuweisen, obgleich seine Form und Grösse nicht die eines Eies mit zwei Keimbläschen oder eines Rieseneies ist, die Riehtungskörper sich in ihnen vollkommen gut gebildet haben und die Centrosomen nicht vermehrt sind, so dass es sich um Polyspermie handeln könnte (Fig. 89). Untersucht man in solehen Eiern die am Aequator der Furchungsspindel befindlichen Chromosomen, so sieht man neben ganz normalen Schleifen mehr oder weniger lange Stücke von Chromatin in Form abgebrochener Stäbehen und andere kurze Schleifen, die an einem ihrer Enden jener charakteristischen Anhäufung, wie sie den normalen Schleifen eigen ist, entbehren (Fig. 89). In jedem anderen Fall, was immer der Ursprung der chro- matischen Schleifen gewesen sein mag, sei es, dass er vom Spermakern, vom Eikern oder von den für die Richtungskörper bestimmten aber im Ei zurückgebliebenen Chromosomen abzuleiten ist, haben sie alle das gleiche Aussehen und den gleichen Cha- rakter. Unter ihnen ist keine Verschiedenheit bemerkbar; nur wenn Chromosomen in Ueberzahl im Ei zurückgeblieben sind und unter- zugehen bestimmt sind, sehen wir neben den normal gebildeten Schleifen auch die oben beschriebenen, knäuelartigen, regressiven Bildungen. Auch die Zahl der der ersten Furehungsspindel angehören- den Centrosomen kann zuweilen, wie wir schon sahen, bei den Eiern von Ase. megal., wenn sie der Kälte ausgesetzt waren, vermehrt sein. Boveri (4) beschreibt 3 Fälle von Vermehrung der Centrosomen; in diesen 5 Fällen war die Zahl der ehroma- tischen Schleifen normal (4, Asc. megal. bivalens); Polyspermie war demnach ausgeschlossen. In allen Fällen, die mir begegne- ten, war dagegen die Zahlvermehrung der Centrosomen stets von einer auf Polyspermie zurückzuführenden Zellvermehrung der chromatischen Schleifen begleitet (Fig. 15, 16,18). In allen diesen Eiern, die von normaler Form und Grösse waren, sehen wir zwei normal gebildete Richtungskörper. Man kann also nicht anneh- men, dass die Vermehrung der Schleifen auf ursprüngliches Vor- handensein zweier Keimbläschen und in Folge davon zweier Ei- kerne zurückzuführen sei, oder auf eine Anomalie in der Bildung der Richtungskörper. Ich glaube, dass in diesen Fällen der Grund der Vermehrung der Centrosomen sicherlich in der ver- 490 Luigi Sala: mehrten Zahl der ins Ei eingedrungenen Spermatozoön zu suchen ist. Jedes Samenkörperchen bringt ein Centrosom mit sieh ins Ei, und wenn die Zahl der im Ei zu erkennenden Centrosomen nicht immer genau das Doppelte der ms Ei in Ueberzahl einge- tretenen Spermatozoön entspricht (wie Boveri meint), so glaube ich, dass dies darum so ist, weil sich vermuthlich nicht alle überzählig mit den Spermatozoen ins Ei eingedrungenen Oentro- somen theilen. Nachsehrift. Erst während die Uebersetzung dieser Arbeit schon im Werk war, kam mir die Veröffentlichung Vietor Herla’s „Etudes des variations de la mitosechez l’ascaride mega- loe&phale“* zur Kenntniss (Archives de la biologie publiees par E. van Beneden et C. van Bambeke, Tome XIII, Fase. III). Die Veränderungen, die dieser Autor in der Mitose der Asc. megal. mittheilt, beziehen sich nur auf die der Furchung, nicht aber auf die Bildung der Richtungskörper. Unter den verschiedenen Fragen, die Herla behandelt, hat (die über die Zahl der chromatischen Schleifen, die am Aequator der ersten Furchungsspindel gelagert sind, für uns besonderes Interesse. Herla zeigt die Möglichkeit, dass eine weibliche Ase. megal. bivalens von einer männlichen Asc. megal. univalens befruchtet wird, so dass in diesem Fall die Eier am Aequator der ersten Furehungsspindel 3 Schleifen haben, von denen 2 weib- lichen, eine männlichen Ursprungs ist. Nach Herla geht die Entwiekelung dieser Eier ganz normal vor sich. Er sah so aus ihnen Embryonen hervorgehen, bei denen die Zellen, die den primordialen Charakter bewahrt hatten, immer 3 charakteristische Schleifen enthielten. Er glaubt darum, dass die aus solchem Ei mit 3 Schleifen geborenen Ascariden eine neue Varietät von Asc. megal. vorstellen, die neben den beiden sehon bekannten, der univalens und der bivalens, die dritte wäre; er weiss aber nicht, ob diese neue Varietät befruchtungsfähige Geschlechtsprodukte hervorzubringen im Stande ist. Die vielen anderen Fälle, die Herla beschreibt, wo er eine vermehrte Zahl von Schleifen am Aequator der ersten Furchungs- spindel fand (5, 6 Schleifen), sind zurückzuführen auf Anomalien Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier ete. 491 in der Bildung dnr Richtungskörper, die jenen analog sind, die Boveri zuerst beschrieben hat und die ich später bestätigen konnte, oder auf Fälle von Polyspermie, die jenen von mir in meiner vorläufigen Mittheilung beschriebenenen entsprechen (49) oder auch auf die Fragmentirung der chromatischen Schleifen, worauf ich schon ausdrücklich ia meiner erwähnten vorläufigen Mittheilung hingewiesen habe (49, S. 18). Auch Herla beschreibt und zeichnet (Fig. 76, 77, 78, 80, 81 auf Tafel XVIII) einige Fälle, wo die erste Furchungsspindel eine vermehrte Zahl von Centrosomen hatte. Er sucht keine Er- klärung für diese Erscheinung zu geben, aber er bemerkt, dass die Schleifen „etaient toujours disposees dans un plan perpendi- eulaire & la droite reunississant les corpuseules centraux et situees A mi-distance entre deux corpules“, so dass „la division se fait dans chaque figure dieentrique de la m&me facon quelle se pro- duit dans les images normales, abstraction faite du nombre des chromosomes et la eorps cellulaire se divise en autant de cellules quw'il y avait des spheres dans la figure multipolaire“. In meinen Untersuchungen hatte ich nie Gelegenheit ein solches Ei zu sehen in dem Furchungsstadium mit vermehrter Zahl der Centrosomen und kann darum nichts darüber angeben, ob es möglich ist, dass der Zellkörper sich in ebensoviele Zellen theilt, als Centrosomen da sind; doch kann ich bestimmt angeben, dass in Eiern mit vielen Centrosomen, wie sie durch Einwirkung der Kälte er- halten worden, die Anordnung der Schleifen durchaus kein be- stimmtes Verhältniss zu den Centrosomen zeigte. Schleifen und Centrosomen waren regellos im Dotter zerstreut und häufig auch zeigten sich einige von ihrer Strahlung umgebene Centrosomen isolirt liegend, d. h. ohne mittelst ihrer Strahlen eine Verbindung mit den chromatischen Schleifen zu haben (Fig. 16, 18). Literatur. 1. Balbiani, Centrosome et „Dotterkern“ — Journ. de l’Anat. et de la Physiol. normale et patholog. Tome 29, 1893, p. 145. 27 Blanc, Etude sur la fecondation de l’oeuf de la Truite. — Fest- schrift für Weissmann. Bericht d. 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Tafel XXV. Fig. 1. Normales Ei einer Asc. meg. univalens. Erste Richtungsspindel, an deren Polen sehr deutliche Körnchen sichtbar sind, die Vesuvinfärbung annehmen. .2,3,4,5,6. Umwandlung des Kernkörperchens des Keimbläschens des Eies der Asc. meg. — normal — während es am Ende der Wachsthumszone steht. Fig. 7, 8, 9, 10, 11. Doppeleier in verschiedenen Entwicklungsstadien. Die Eier in Abbildung 7, 10, 11 gehören einer normalen Ase. meg. univalens an, die in Abbildung 8 und 9 einer Asc. meg. bivalens, die 21/, Stunden an einem —5° kalten Tag im Freien gelegen und dann 19 Stunden im Brütofen bei 25—28°C. In diesen 2 Eiern hat sich durch die Kälteeinwirkung Form und Anordnung der chromatischen Substanz am Aequator der ersten Richtungsspindel verändert. . 12, 13, 14. Polyspermatische Eier. Die beiden Eier der Abbil- dungen 12 und 14 enthalten das eine 3, das andere 8 Sper- matozo&n, und die chromatische Substanz des Keimbläschens ist zu einem wahren chromatischen Netzwerk geworden. Fig. 15. Polyspermatisches Ei. Zwei Spermakerne und ein Eikern, 5 Centrosomen (vergl. Text). Fig. 16. Polyspermatisches Ei. 8 chromatische Schleifen, von denen 2 weiblichen, 6 männlichen Ursprungs sind; 6 Centrosomen (vergl. Text). Fi aQ 496 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 31. Hu BE ker Bis ID IV 24. 0) S\ Luigi Sala: Tafel XXV1. Polyspermatisches Ei mit 6 chromatischen Schleifen, von denen 2 weiblichen, 4 männlichen Ursprungs sind; 2 Centrosomen (vergl. Text). Polyspermatisches Ei. 8 chromatische Schleifen, von denen 2 weiblichen und 4 männlichen Ursprungs sind; 5 Centrosomen (vergl. Text). Ei, in welchem durch Einwirkung der Kälte das Verschwinden des Protoplasmakörpers, der zum Spermakern gehört, ver- zögert worden ist. Zersplitterung dieses Protoplasmakörpers und Vertheilung der daher rührenden Theilchen durch die ganze Dottersubstanz. Ein monströses Ei, durch Vereinigung zweier Eier entstanden; die chromatische Substanz der beiden Keimbläschen hat sich zu zwei compliecirten Netzwerken umgebildet. In dieses Ei sind 10 Spermatozoön eingedrungen. Sin monströses Ei, durch Vereinigung zweier Eier entstanden; Eindringen von 2 Spermatozoön. Es haben sich die zwei ersten Richtungsspindeln gebildet, in denen sowohl die chro- matische als die achromatische Substanz tiefe Veränderungen zeigt. Monströses Ei, entstanden durch Vereinigung von 3 Eiern. Eindringen von 2 Spermatozoön. Veränderung in der Form und Anordnung der chromatischen Substanz in der ersten Spindel. Monströses Ei, entstanden durch Vereinigung von 4 Eiern. 4 Spermatozoön. Veränderungen in der chromatischen Sub- stanz wie bei Fig. 22 und 23. Monströses Ei, entstanden durch Vereinigung von 3 Eiern. Nur zwei Spermatozo@n. Das Ei a zeigt einen Eikern und einen Spermakern, das Ei b nur einen Kern, den Eikern, das Ei ce zwei gleich grosse, normale Kerne, Eikern und Sperma- kern und einen kleinen Kern, der von der Umbildung eines Chromosoms, das dem zweiten Richtungskörper angehört, stammt. Die 3 Richtungskörper sind zu einem verschmolzen d, welcher 12 Chromosomen enthält. Monströses Ei, entstanden durch Vereinigung von 2 Eiern. Jedes Ei hat einen Eikern und einen Spermakern. 28, 29, 30. Veränderungen in der Form und Anordnung der chromatischen Substanz des Keimbläschens im Beginn der ersten Richtungsspindel durch Kälteeinwirkung (vergl. Text). Tafel XXVI. Ei, in welchem durch Einwirkung der Kälte 8 Stäbchenchro- mosomen des Keimbläschens sich zu einem deutlichen chroma- tischen Faden umgebildet haben, der sich vollkommen auf- knäuelt. Experimentelle Untersuch. üb. d. Reifung u. Befruchtung d. Eier etc. 497 Fig. 32, Fig. 34, Fig. 38. Fig. 39. Fig. 40. Fig. 41, Fig. 43. Fig. 44. Fig. 45. Fig. 46. Fig. 47, Fig. 49, Fig. 54, Fig. 59. Fig. 60, 33. Veränderungen in dem Keimbläschen des Eies durch Kälteeinwirkung vor dem Eindringen des Samenkörperchens. 35, 36, 37. Verschiedene durch die Kälte hervorgerufene Ver- änderungen in Form und Anordnung der chromatischen Sub- stanz des Keimbläschens im Beginn der Bildung der ersten Riehtungsspindel. Erste Richtungsspindel in Form eines Pseudotriaster. Frag- mentirung des Chromosomen. Formveränderung der ersten Richtungsspindel in Folge Kälte- einwirkung. Zersplitterung der Chromosomen. Formveränderung der ersten Richtungsspindel, die sich tan- gential, d. h. parallel zur Oberfläche des Eies gestellt hat. 42. Verschiedene Veränderungen durch Kälteeinwirkung in der Anordnung der chromatischen und der achromatischen Substanz der ersten Richtungsspindel. Erste Richtungsspindel in Form eines Pseudotriaster mit 2 Aequatorialplatten. Zersplitterung der Chromosomen. Erste Richtungsspindel in Form eines Pseudotetraster, in dem die 4 Vereinigungspunkte der chromatischen Bündel von 4 chromatischen Gruppen eingenommen sind, die aus je 4 chro- matischen Stückchen bestehen. Eine weitere Form von Veränderung, die die chromatische Substanz des Eies in Folge von Kälteeinwirkung zeigen kann. Zersplitterung der Chromosomen des Keimbläschens. 48. Erste Richtungsspindel in Form eines Pseudotetraster, in den an 4 Vereinigungspunkten der achromatischen Bündel finden sich 4 chromatische Gruppen, die im Ei 47 aus je 2 chromatischen Stücken bestehen. Im Ei 48 bestehen sie da- gegen aus nur je einem Stück. 50, 51, 52, 53. Veränderungen in der Umbildung des Kern- körperchens des Keimbläschens in Folge der Kälteeinwirkung. 55, 56, 57, 58. Einige Beispiele von Veränderungen, die die Kälte in Form und Anordnung der chromatischen sowie der achromatischen Substanz in der zweiten Richtungsspindel zur Folge haben kann (vergl. Text). Tafel XXVII. Verdoppelung der Spindel. 61, 62, 63, 64, 65, 66, 67, 68. Beispiele von durch die Kälte hervorgerufenen Veränderungen in der Anordnung der achro- matischen Substanz der Richtungsspindeln. Verschiedene Grade der Verdoppelung der Spindel (vergl. Text). 70, 71, 72, 73. Eier, bei denen in Folge der Kälteeinwirkung ein Centrosoma mit Strahlung im Beginn der Bildung der ersten Richtungsspindel scharf ausgeprägt ist. Figur 71 u. 73. Spindel in Fächerform im Profil gesehen. Figur 70 und 72. Spindel in Fächerform von einem Ende aus gesehen. 498 LuigiSala: Experim. Untersuch. üb. d. Reif. u. Befrucht. d.Eier etc. Fig. 74, Fig. 76. Fig. 84, Fig. 86. Fig. 89. 75. Ausbleiben der Bildung beider Richtungskörper (vgl. Text). Ausbleiben der Bildung des zweiten Richtungskörpers; nur eines des für den zweiten Richtungskörper bestimmten Chro- mosomen hat sich in eine chromatische Schleife umgebildet; andere geht in Form eines kleinen chromatischen Knäuels, das kaum sichtbar ist, dem Untergang entgegen. Ausbleiben der Bildung des zweiten Richtungskörpers. Keines der beiden Chromosomen des zweiten Richtungskörpers hat sich zu einer chromatischen Schleife verwandelt, sie gehen in Form zweier chromatischen Knäuel der Auflösung entgegen. Tafel XXIX. Ausbleiben der Bildung des zweiten Richtungskörpers. Beide für den zweiten Richtungskörper bestimmte Chromosomen haben sich in chromatische Schleifen verwandelt. Bildung des ersten Richtungskörpers mit Austritt von 5 Chro- mosomen. Bildung des ersten Richtungskörpers mit Austritt aller 8 Chro- mosomen. Das Ei enthält nur noch das Samenkörperchen. 82, 83. In diesen 3 Eiern hat die Bildung des ersten Rich- tungskörpers mit stärkerer Betonung der Zelltheilung stattge- funden; es ist daher das normalerweise vorhandene Missver- hältniss in der Grösse des ersten Richtungskörpers und des Eies verschwunden. Die zwei aus dieser Theilung hervor- gehenden Tochterzellen sind darum fast gleich an Grösse. 85. Der einmal gebildete erste Richtungskörper theilt sich durch Einwirkung der Kälte noch einmal in 2 Zellen. Ei, in dem die zwei, nach der Bildung des zweiten Richtungs- körpers, im Ei zurückgebliebenen Chromosomen statt einem zwei kleine Eikerne gebildet haben. Ei, in dem der zweite Richtungskörper von einem einzigen Chromosomen gebildet ist; das andere hat sich in einen reti- eulären Kern verwandelt. Ausbleiben der Bildung des zweiten Richtungskörpers. Die zwei Chromosomen, die für ihn bestimmt waren, haben zur Bildung zweier Netzkerne Veranlassung gegeben. Verschie- denes Aussehen dieser Kerne und des Ei- und Spermakerns. Vermehrung der Zahl der Schleifen am Aequator der ersten Theilungsspindel in Folge Fragmentirung einiger Schleifen. 499 (Aus dem II. anatomischen Institut der Universität Berlin.) Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Gehörknöchelchen. Von Dr. M. Zondek. Mit 4 Figuren. Ein sehr umstrittenes Gebiet in der Entwicklungsgeschichte der Wirbelthiere bildet die Frage nach der Entstehung der Gehör- knöchelehen. Die meisten Autoren stimmen wohl darin überein, den Hammer und Amboss vom 1. Kiemenbogen herzuleiten, über die Herkunft des Stapes dagegen weichen die Ansichten noch sehr von einander ab. Die einen leiten ihn vom Mandibularbogen her (Valentin, Günther), andere vom Hyoidbogen (Reichert, Baumgarten), noch andere nehmen seine Entwicklung von der Labyrinthwand an (Huxley, Parker, Gruber, Loewe, Rü- dinger); v. Noorden und Gradenigo treten für doppelte Entstehungsweise des Stapes, aus der Labyrinthwand sowohl wie vom Hyoidbogen, ein, während Semmer, Köllicker und Drey- fuss sich der Entscheidung dieser Frage überhaupt enthalten. Nach meinen Untersuchungen entstehen Hammer und Amboss aus dem 1. Kiemenbogen; doch ist meines Erachtens der Beweis hierfür von einigen Autoren (Urbantschitsch, Gradenigo) nieht richtig erbracht worden. Ihre Angaben über die Entstehung des Hammer-Ambos-Gelenkes stimmen mit meinen Befunden nicht überein. Was die Entstehungsweise des Stapes betrifft, glaube ich dessen Herkunft von dem in Bildungsmasse angelegten Hyoid- bogen mit Sicherheit nachweisen zu können. Der labyrinthäre Ursprung der Lamina stapedialis ist dagegen zweifelhaft. Der Versuch, dies nachzuweisen, ist bisher nicht gelungen. Es wird meine Aufgabe sein, dies näher zu begründen. Ehe wir jedoch an die Befunde unserer Untersuchungen gehen, werden wir uns zweckmässig darüber Klarheit zu ver- : schaffen. suchen, wie das Gewebe, aus dem sich die Gehör- Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 44 32 500 M. Zondek: knöchelehen entwickeln, in seinen verschiedenen Stadien zu be- zeichnen ist. Die ersten Anlagen der späteren knorpeligen Visceralbogen bestehen aus kleinen, runden, dieht an einander liegenden Zellen, die sich ganz besonders durch starke Färbung der grossen Kerne von der Umgebung abheben. Man könnte das so charakterisirte Gewebe „Vorknorpel“ nennen, wenn sich daraus lediglich Knorpel entwiekelt; indess bildet sich daraus nicht allein Knorpel, sondern auch Bandmasse entsteht daraus, wie bei der Wirbelbildung die Intervertebralbänder. Giebt man nun zu, dass sich auch andere Gebilde aus derartigen Zellengruppen entwickeln können, so lässt sich der Begriff „Vorknorpel“ nicht aufrecht erhalten. Der von Rabl gewählte Ausdruck „Chondroblastem® und die von Gra- denigo angewandte Bezeichnung „vorknorpelige Anlage“ werden darum zweekmässig durch andere Namen zu ersetzen sein. Drey- fuss nennt das so charakterisirte Gewebe „Blastem“. Meines Erachtens ist der bereits von Rathke gebrauchte Ausdruck „Bildungsmasse* recht passend. „Bildungsmasse“ nenne ich eine Zellengruppe, aus der sich jedes Gewebe bilden kann, das sieh aber durch dichtes Aneinanderliegen wie intensive Färbung der Zellen als ein in Umbildung begriffenes Gewebe von der Um- gebung differenzirt. Das Stadium nun, das ohne Rücksicht auf die topographischen Verhältnisse als Vorläufer des Knorpels mit Sieherheit zu erkennen ist, will ich „Vorknorpel* nennen. Es ist eharakterisirt dureh Ausscheidung einer intereellularen Grund- substanz, aber mehr noch durch Wachsthum der Zellen; die Zellenmembran tritt schärfer hervor, und bei der intensiv rothen Färbung der grossen Kerne erhält das Gewebe das charakteri- stische Aussehen. Auch der Ausdruck „unreifer Knorpel“ ist meines Erachtens für dieses Stadium sehr bezeichnend im Gegen- satz zum „reifen embryonalen Knorpel“ oder „Jungknorpel“, in welchem die Intereellularsubstanz bedeutend vermehrt ist und das ganze Gewebe die eigenthümliche chemische Umwandlung erfahren hat, die sich in intensiver Braungelb-Färbung durch Vesuvin zu erkennen giebt. Kaninchen-Embryo von 1,2 cm St. Sch. L. Der Kopf dieses Embryo ist im eine frontale Schnitt-Serie zer- legt. Die Kopfbenge ist deutlich ausgeprägt. Die Kiemenspalten Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Gehörknöchelehen. 501 sind z. T'h. geschlossen. Der Atlas ist vorknorpelig angelegt; die Hyoidbogen-Anlage besteht aus Bildungsmasse, während das Ge- webe, aus dem sich der Mandibularbogen entwickelt, diejenige Struktur zeigt, die etwa in der Mitte zwischen beiden Entwick- % 2. 502 M. Zondek: lungsstufen liegt. An dem Querschnitt eines Nerven (Fig. 1, V.), eines Trigeminus-Astes, liegt die Mandibularbogen-Anlage (M.), weiter unten und medial die Bildungsmasse des Hyoidbogens (Hy.). Diese liegt dicht neben dem Durchschnitt des N. facialis. Zwi- schen beiden Bogen-Anlagen liegt ein horizontaler Streifen Bildungs- masse (7. A.), welcher in den tubo-tympanalen Raum vor- springt. Auf der linken Seite desselben Sehnittes (Fig. 2), die etwas weiter hinten getroffen ist, als die rechte, geht die Anlage des Mandibularbogens (M.) in diesen aus Bildungsmasse bestehen- den Streifen (7. A.) über. In Fig. 3 berührt die Mitte der La- byrinthwand eine halbbogenförmig angelegte Gruppe intensiv roth gefärbter dieht an einander liegender Zellen (st.), mit der Con- cavität nach unten, in der ein kleines Gefäss (a. st.) die A. stape- dialis sichtbar wird. Die Zellengruppe (st.) bedeutet die erste Anlage der Stapes. Die Bildungsmasse des Hyoidbogens (Hy.) ist von dieser deutlich durch indifferentes Gewebe geschieden. In Fig. 4 wird die Verbindung zwischen Stapes (st.) und Hyoid- bogen-Anlage durch Bildungsmasse hergestellt, deren Zellen aller- dings weniger intensiv gefärbt sind. Der Zusammenhang jedoch ist ein kontinuirlicher. Bei dem Kaninchen-Embryo von 1,5 em St. Sch. L. ist die Mandibular-Anlage bereits deutlich als Vorknorpel angelegt, während die Anlage des Hyoidbogens aus Bildungsmasse besteht. Wenn man die Schnitte der Reihe nach verfolgt, kann man auch hier ganz genau sehen, wie die Hyoidbogen-Anlage mit der ring- förmigen Anlage des Stapes ununterbrochen zusammenhängt. Diese besteht aus Bildungsmasse, und ist von der A. stapedialis durchzogen und liegt mit einem kleinen Segment in der Labyrinth- wand; bei schwacher Vergrösserung ist jedoch eine deutliche Grenze zwischen Stapes-Anlage und Labyrinthwand zu erkennen. Ausserdem untersuchte ich noch 3 Kuh-Embryonen. Der jüngste von diesen, 2,4 em St. Seh. L., entspricht in seiner Ent- wieklung ungefähr dem Kaninehen-Embryo von 1,5 em St. Sch. L. Betreffs der Anlage der Gehörknöchelehen und ihrer Beziehungen zu den Viseeralbogen sind die Verhältnisse im wesentlichen die gleichen. Weiter vorgeschrittene Stadien stellen die beiden Kuh- Embryonen von 3,8 und 4,2 em St. Sch. L. dar, bei denen der Atlas bereits knorpelig angelegt ist und auch die Labyrinthkapsel Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Gehörknöchelehen. 503 jungknorpelige Struetur zeigt. Das proximale Ende des Mandi- bularbogens besteht ebenfalls noch aus Bildungsmasse, an der eine Grenze zwischen dem späteren Hammer und Ambos nicht zu erkennen ist. Der Hyoidbogen ist dagegen deutlich von der ringförmigen vorknorpeligen Anlage des Stapes getrennt. Mensehlicher Embryo von 3!/, em St. Sch. L. Labyrinth- kapsel und Gehörknöchelehen bestehen aus reifem, embryonalem Knorpel. Derjenige Theil der lateralen Labyrinthwand, der dem späteren Foramen ovale einerseits und dem Foramen rotundum andererseits entspricht. ist in Bildungsmasse angelegt. Der Meckel’sche Knorpel geht kontinuirlich in den Hammerkopf über; auch histiologisch ist keine deutliche Grenze zu erkennen. Der Hyoidbogen ist knorpelig angelegt und ist dureh indifferentes Gewebe von dem Stapes-Ring geschieden. Wenn auch in diesem Stadium die Gehörknöchelchen verhältnissmässig sehr grosse Ge- bilde darstellen, und auch die wesentlichen Theile von einander abzugrenzen sind, so haben sie doch noch nicht die dem ausge- bildeten Zustande fast gleichende Form, wie die des später zu beschreibenden älteren Stadiums. Der Handgriff ist fast ebenso diek wie der Kopf des Hammers und auch der Hals desselben ist nicht viel weniger stark entwickelt. Der Proc. folianus des . Hammers ist noch nicht gebildet. Der Amboss ist halbbogen- törmig angelegt, mit der Convexität nach oben. Der stark ent- wiekelte lange Fortsatz strebt parallel dem Manubrium der La- byrinthwand zu. Dicht an das Perichondrium der Labyrinth- wand grenzt, ohne dass die Bildung des Sylvi'schen Knöchel- chens nachweisbar wäre, der vordere Schenkel des Steig- bügels, der nach innen und oben verlaufend die hier aus Bil- dungsmasse bestehende Labyrinthwand erreicht; in einem gros- sen Bogen nach hinten verläuft in derselben Ebene der hin- tere Schenkel, beide Schenkel-Enden gehen kontinuirlich in einen Knorpelstab über, die Lamima stapedialis, die also sagittal der Labyrinthwand anliegt. Hammer und Ambos sind von einander deutlich getrennt. Eine blassröthlich gefärbte, diehte Rundzellen-Schicht, wie sie Henke und Reyher an den Extremitäten-Knochen nachgewiesen haben, die Zwischenscheibe, scheidet den oberen Theil des Hammer-Kopfes von dem vorderen lateralen Gelenkfortsatz des Ambos, während an der unteren 504 M. Zondek: Hälfte des Gelenks eine trennende Schicht mehrerer longitudinaler Zellenreihen vorhanden ist. Menschlicher Embryo von 7 em St. Sch. L. Der Meckel’sche Knorpel und der Hammer-Kopf hängen auch in diesem Stadium noch ununterbrochen zusammen; mikro- skopisch ist jedoch eine deutliche Grenze zwischen beiden zu er- kennen. Die Zellen im Mecekel’schen Knorpel sind intensiver gelb gefärbt, liegen dichter aneinander und bilden überhaupt ein kompakteres Gewebe, wie ja auch bei den Kaninchen-Embryonen der Mandibularbogen als Vorknorpel angelegt ist, während Ham- mer- und Ambos-Anlage aus Bildungsmasse bestehen. Am schlank geformten Hammer kann man Kopf, Hals und Handgriff deutlich von einander unterscheiden. Der Proc. brevis ist schwach ent- wickelt; nach vorn und abwärts erstreckt sich der Proc. folianus, der als Belegknochen angelegt noch nieht mit dem Hammer verschmolzen ist. Der Hals des Hammers liegt vor der frontalen Gelenkfläche des Ambos; über dieselbe ragt der Hammer-Kopf hervor; Kopf und Hals liegen parallel der Labyrinthwand. Am Hammer-Kopf ist wiederum ein vorderer und hinterer Theil zu unterscheiden, je nachdem dieser vor oder hinter dieser Frontal- Ebene des Hammer-Ambos-Gelenks gelegen ist. Der vordere Theil des Hammer-Kopfes ist fast doppelt so lang als der hintere _ und artikulirt fast in seiner ganzen Länge mit dem mächtig vorspringenden lateralen Ambosfortsatz, während der mediale post partum wie ein Sperrzahn wirkende Gelenkfortsatz des Am- bos nur sehr schwach angelegt ist und nur mit dem Hammer- Hals in Gelenk-Verbindung steht. Der Ambos hat ungefähr die Form eines zweiwurzligen Molarzahnes, dessen Wurzeln ziemlich senkreeht zu einander divergiren. Die mediale Wurzel, der Proc. longus grenzt unmittelbar an den Steigbügel. Das Os. lentieulare ist noch nieht gebildet. Der vordere nur wenig gekrümmte Sehenkel des Steigbügels strebt in senkrechter Richtung zum langen Ambosfortsatz nach innen und oben der Labyrinthwand zu, während der hintere Schenkel in einem grossen Bogen nach unten und innen die Labyrinthwand erreicht. Die Fussenden der beiden Schenkel verbindet ein Knorpelstab, die Lamina sta- pedialis, die in ungefähr sagittaler Ebene der Labyrinthwand anliegt. Beiträge zur Entwicklungsgesehichte der Gehörknöchelchen. 505 In den beiden oben beschriebenen Kaninchen-Embryonen sind die Gehörknöchelehen noch nicht knorpelig gebildet. An- häufungen von dicht aneinander liegenden, intensiv gefärbten Zellen stellen ihre ersten Anlagen dar. Der aus Bildungsmasse bestehende Streifen (7. 4.), aus dem [sich Hammer und Ambos entwickeln, zeigt noch keine Spur einer späteren Trennung. Hammer und Ambos gehören also ursprünglich zum ersten Kiemen- bogen. Diese Thatsache lässt sich dagegen nieht mehr an dem Jüngeren menschlichen Embryo nachweisen, in dem die Gehör- knöchelehen bereits knorpelig angelegt sind. Im Gegensatz zu Gradenigo’s Befunden an 2 menschliehen Embryonen von 4 und 4!/; em St. Sch. L. finde ich hier an keiner einzigen Stelle eine knorpelige Brücke zwischen Hammer und Ambos vor.‘ In der oberen Hälfte zwischen Hammerkopf und vorderem lateralen Gelenkfortsatz ist die Zwischenscheibe vorhanden, während an der unteren Hälfte des Gelenks eine trennende Schieht mehrerer longitudinaler Zellenreihen sichtbar ist. Auch in dem zweiten, oben beschriebenen menschlichen Embryo von Tem St. Sch. L., der den von Urbantschisch untersuchten 10 Woehen und 5 Monate alten menschlichen Embryonen nahe kommt, ist auf keinem Schnitte eine knorpelige Verschmelzung zwischen Hammer und Ambos nachweisbar. Das Gelenk zwischen beiden Knorpeln ist vollständig ausgebildet; von der Zwischenscheibe in der oberen Hälfte des Gelenks ist nichts zu sehen. Wie verhält es sich nun 4. mit der Herkunft des Stapes? Bei den beiden Kaninchen-Em- bryonen haben wir gesehen, wie die Hyoidbogen-Anlage conti- nuirlich in die Bildungsmasse des Stapes übergeht. Der Stapes { ist also ursprünglich vom Hyoid- bogen abzuleiten. Wenn der Zel- lenstrang des Hyoidbogen kurz vor seinem Uebergang in die Stapes-Anlage etwas dürftig aus- gebildet ist (Fig. 4), so lässt dies auf ein Zurückbleiben in der Entwicklung, ja vielleicht schon 506 M. Zondek: auf einen regressiven Vorgang schliessen, der bis zu dem näch- sten, oben beschriebenen menschlichen Embryo bereits so weit vorgeschritten ist, dass Hyoidbogen und Stapes eine ganze Strecke weit von einander entfernt liegen. Wir ersehen daraus, dass für das Studium in der Frage nach der Entstehung der Gehörknö- chelehen nur ganz frühe Stadien sich eignen. Nach Parker und Gruber entwickelt sich der Stapes aus der Labyrinthwand. Jedoch ist das jüngste Stadium, das Parker untersucht hat, ein Schweine-Embryo von 1,8 cm, in dem die Visceralbogen schon kräftige Knorpelstränge sind und am Hammer das Manubrium gebildet ist. Es ist bereits nachgewiesen, dass ein so weit vor- geschrittenes Stadium keinen Schluss mehr in dieser Frage ge- stattet. Da Gruber zum Beweis für seine Ansicht des näheren einen menschlichen Embryo vom 2. Monat beschreibt, und der von mir untersuchte etwa von gleichem Alter ist, sei es erlaubt, darauf näher einzugehen. In Fig. 4 giebt er einen Frontalschnitt durch das Gehör-Organ desselben. Hammer, Ambos und Steigbügel sind zugleich getroffen; da der Hammer vor dem Ambos und Steigbügel gelegen ist, kann der Schnitt nur durch die hintere Partie des Hammerkopfes geführt sein. Es fällt zunächst auf, dass der Hammer lateral und der Ambos medial zu liegen kommt. In sämmtlichen von mir daraufhin untersuchten Schnitten des menschlichen Embryo von 3!/, em ist das Verhältniss ein umge- kehrtes. Der Vergleich mit der ebenfalls frontalen Schnittreihe des 2. menschlichen Embryos und dem daraus gewonnenen Modell sichern die Richtigkeit dieses Befundes.. Der Hammer liegt vor dem Amboss. Dieser sendet einen mächtigen lateralen Gelenk- fortsatz nach vorn, der in seiner ganzen Ausdehnung mit dem Hammerkopf artikulirt. Der mediane Gelenkfortsatz ist hier noch nicht gebildet. Es ist also in einem Frontalschnitte gar nicht möglich, dass der Hammer lateral und der Amboss medial zu liegen kommt. Median vom Ambos ist mit X ein kleiner kom- pakter Knorpel gezeichnet, als Köpfchen des Steigbügels; an diesen grenzt median „ein zapfenförmiges Knorpelgebilde, seine Schenkel formen sich erst später durch einen Resorptionsprocess“. In den beiden Kaninchen-Embryonen ist bereits der Stapes ring- förmig angelegt, und in dem jüngeren menschlichen Embryo konnten wir den vorderen und hinteren Stapesschenkel deutlich Beiträge zur Entwicklungsgeschiehte der Gehörknöchelchen. 507 erkennen. Dieses zapfenförmige Gebilde stellt wahrscheinlich den vorderen, horizontal gelegenen Stapesschenkel dar, während das mit X bezeichnete Knorpelstück vielleicht das Ende des langen Ambosfortsatzes bedeutet. Auch die Ergebnisse der vergleichenden Anatomie berech- tigen vorläufig noch nieht die Annahme eines labyrinthären Ur- sprungs des Stapes. Denn ist auch Stöhr der Nachweis ge- lungen, dass die dem Stapes entsprechende Columella aus zwei verschiedenen Theilen besteht, dem Operculum, einer in der Fenestra liegenden Platte einerseits und einem Theil andererseits, der dem dorsalen Ende des 2. Hyoidbogens entspricht, so bleibt doch noch die Möglichkeit zu erwägen, dass die beiden Theile ursprünglich zum Hyoidbogen gehören und sich bereits in einem früheren Stadium von demselben abgeschnürt haben. In Fig. 10 zeichnet Gradenigo den Frontalschnitt durch das Gehörorgan eines menschlichen Embryos von 4em St. Sch. L. Der hintere Stapesschenkel ist getroffen, eine mit @ gezeichnete Furche stellt die Differenzirung der oberen Peripherie der Lamina stapedialis dar, während von einer unteren Grenzlinie noch nichts zu sehen ist. Bei starker Vergrösserung in Fig. 11 ist der Stapes- ring deutlich von dem angrenzenden Theil der Labyrinthwand durch eine Perichondriumschieht geschieden. Die Labyrinthwand besteht hier aus grossen, schwach gefärbten Zellen, anscheinend ohne Intereellularsubstanz, während der Stapesring die Struetur des reifen Knorpels zeigt. In den beiden oben beschriebenen menschlichen Embryonen stellt die Lamina stapedialis einen Knorpelstab dar, der die beiden Fussenden der ziemlich horizontal gelegenen Stapesschenkel miteinander verbindet. Die Lamina stapedialis steht also nicht wie in Fig. 10 Gradenigo’s senk- recht zur Horizontalebene der Stapesschenkel, sondern liegt in derselben. Der von Gradenigo mit la. st. bezeichnete Theil stellt also nicht die spätere Lamina stapedialis dar. Bei dem oben beschriebenen jüngeren menschlichen Embryo besteht der Theil der Labyrinthwand, dem die Lamina stapedialis anliegt, aus Bildungsmasse, bei dem älteren stellt das zu beiden Seiten der Lamina stapedialis gelegene Gewebe Vorknorpel dar, während das dahinter liegende bereits bindegewebigen Charakter hat. Das bestätigt die Angabe von Dreyfuss, das die Bildungsmasse an der dem For. ovale entspreehenden Stelle der Labyrinthwand 508 M. Zondek: beim Menschen, wie er es nennt, erst jungknorpelig wird, um sich dann in Bindegewebe umzuwandeln. Fassen wir das Gesagte kurz zusammen: 1. Die Anlagen der knorpeligen Kiemenbogen eilen in der Entwicklung der Labyrinthkapsel voraus; diese ist noch als weiches Gewebe angelegt, während die beiden Kiemenbogen als deutliche Stränge zu erkennen sind. Der Mandibularbogen ist vorknorpe- lig, die Hyoidbogen-Anlage zeigt dagegen die Structur von Bil- dungsmasse. 2. Hammer und Ambos stellen ein zusammenhängendes Gebilde dar, ehe sie knorpelig geworden sind. Dagegen sind sie vollständig durch ein Gelenk getrennt, sobald sie Knorpelstructur zeigen. Die Trennung findet zunächst statt durch eine Zwischen- scheibe. Diese wird allmählich Kleiner. Bei einem 3!/, em langen menschlichen Embryo ist sie in der oberen Hälfte des Gelenks zwischen Hammerkopf und lateralen Gelenkfortsatz des Ambosses vorhanden, bei dem 7 cm langen menschlichen Embryo ist sie geschwunden; hier ist ein einfaches Gelenk. 3. Die Bildungsmasse des Hyoidbogens hängt kontinuirlich mit der ersten Anlage des Stapesrings zusammen. Der beide ver- bindende Zellenstreifen nimmt bald einen regressiven Charakter an. Bei dem 3!/, em langen menschlichen Embryo ist derselbe vollkommen geschwunden. 4. Der labyrinthäre Ursprung der Lamina stapedialis ist bis- her nicht erwiesen. Der aus Bildungsmasse bestehende Ring liegt mit einem Segment in der Labyrinthwand. Dieses Segment wird zum Knorpel, während der dahinter liegende Theil, der dem For. ovale entspricht, wie der Abschnitt der Labyrinthkapsel, aus dem sich das For. rot. entwickelt, die Struktur von Bildungs- masse zeigt. Weiterhin entwickelt sich das hinter der Lamina stapedialis gelegene Gewebe bis zum Vorknorpel, um sich dann in Bindegewebe umzuwandeln. 5. Bei dem menschlichen Embryo von Tcm St. Sch. L. ist der Proc. folianus als Belegknochen angelegt, mit dem Hammer noch nicht verwachsen. Das Os. lentieulare ist noch nicht gebildet. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Gehörknöchelehen. 509 Erklärung der Figuren. Fig. 1—4. Kaninchen-Embryo von 1,2cm St. Sch. L.; frontale Schnittserie. Zeiss Oc. 1, Obj. A. Diese Zeichnungen wurden mit Hülfe des Zeiss’schen Zeichenprismas ausgeführt. 2. — Labyrinthwand, aus Bildungsmasse bestehend. H. A. — Bildungsmasse von Hammer und Ambos. st. — Stapes-Anlage. la. st. — Lamina stapedialis. a. st. — Arteria stapedialis. M. — Mandibularbogen-Anlage. Hy. — Hyoidbogen-Anlage. V. — Ast des N. trigeminus. VII. =N. faeialis. @gl.d.VY. = Ganglion des N. trigeminus. 2 t. — Tubo-tympanaler Raum. a. G. = Aeusserer Gehörgang. Untersuchungen an Nematoden. Von Dr. v. Linstow in Göttingen. Hierzu Tafel XXX und XXXI. Filaria (Dispharagus) anthuris Rud. Fig. 1—8. Ueber das Genus Filaria besitzen wir sehr wenig anatomi- sche Untersuchungen, speciell über Filaria anthuris gar keine, mit Ausnahme meiner Angaben, die ich gelegentlich der Schil- derung von Filaria tricuspis über die Seitenfelder und die Hals- krausen von Filaria anthuris machte). n— 1) Archiv für Naturgeschichte 1. e. 1891. 510 v. Linstow: kudolphi und Diesing stellen die Art in das Genus Spiroptera, ebenso Bellingham und Eberth, während Du- Jardin, Molin und Stossich sie bei Dispharagus unter- bringen; Stossieh hält Dispharagus für ein gutes Genus, ge- kennzeiehnet durch 2 Lippen am Kopfende, ungleiehe Cirren, vorn am Körper 4 Halskrausen, von denen meistens die beiden der Rücken- und «die der Bauchseite hinten in einander. über- gehen, und jederseits 4 präanale Papillen am männlichen Schwanz- ende; die Arten leben im Verdauungstract oder zwischen den Magenhäuten von Vögeln. Ich muss gestehen, dass die Uebereinstimmung von Histio- cephalus und Dispharagus mit Filaria so gross ist, dass ich erstere nur für Subgenera von Filaria halten kann, man hat ja in letzter Zeit auch von Taenia und Distomum Subgenera abge- schieden, von Taenia z. B. das Subgenus Davainea, von Disto- mum Apoblema, und ich meine, man müsse Dispharagus in das- selbe Verhältniss zu Filaria bringen. Gefunden ist die Art zwischen den Magenhäuten verschie- dener Krähen-Arten und mit ihnen verwandter Vögel, von mir an dieser Stelle bei Corvus corone in Ratzeburg, Hameln und (zöttingen; die Art gehört zu den häufigen. Nach Westrumbt!) wurde die Art m Wien gefunden in 25 Exemplaren von Nueitraga caryocatactes 7 mal, he) “ „ Corvus eorax Tee 141 » „ Corvus cormix 40 „ fe) 5 „ Corvus eorone Dearie: 562 x „ Corvus frugilegus 24] „ 492 x „ Garrulus glandarius 277 „ 172 n „ Pica caudata Sue 11 4 „ Pyrrhocorax alpinus 1 = 38 h „ Coracias garrula De 111 % „ Oriolus galbula 10B Bekannt ist das Vorkommen in Deutschland, Frankreich, England und Italien. Die Haut zeigt Querringel, welehe Dujardin 0,0074 bis 0,0083 mm breit nennt: ich maass beim Männchen 0,0078 und v 1) De Helminthibus acanthocephalis, Hanoverae 1821, pag. 70—71. Untersuchungen an Nematoden. 5ll beim Weibehen 0,0104 mm; die Haut besteht aus 3 Schichten, die dünne äussere möchte ich ‚Uutienla nennen, die beiden viel mächtigeren darunter liegenden Cutis IT und II; _die Dicke der einzelnen Schichten ist folgende: Cutieula Cutis I Cutis II beim Männchen 0,0015 0,0104 0,0091 beim Weibchen 0,0013 0,013 0,014 mm. Die Cutis II zeigt im äusseren Drittel ihres Querschnittes noch eine Grenzlinie. Merkwürdige Gebilde sind die sogenannten Halskrausen, welehe lediglich der Cutieula angehören. Sie verlaufen in den Submedianlinien, aber nicht genau, da sie den Seitenlinien näher liegen, als der Rücken- und Bauchlinie. In meiner Arbeit aus dem Jahre 1891!) habe ich bereits eine Abbildung des Quer- schnitts gegeben, aus der ersichtlich ist, wie die Cutieula erheb- lich anschwillt, um in der Mitte der Anschwellung eine Röhre zu bilden, welche in einem Längenspalt nach aussen geöffnet ist; parallel mit der Röhre verlaufen zu beiden Seiten zwei schräge Fissuren. Am Kopfende vereinigen sich die beiden Krausen der Rückenseite einerseits und die beiden der Bauch- seite andererseits, um zwischen den beiden seitlich gestellten Lippen in die Mundöffnung zu münden (Fig. 1). Hinten endigen die 4 Halskrausen, von denen Schneider angiebt, dass sie beim Weibehen 8—9 mm lang seien, frei, ohne sich zu ver- einigen; ihr Endpunkt liegt, wenn man die Thierlänge in 100 gleiche Theile theilt, beim Männchen ber 31, beim Weibehen bei 28 vom Kopfende an gerechnet. Ueber die Bedeutung dieser Halskrausen sprach ich schon früher die Vermuthung aus, sie möchten, da die Thiere zwisehen den Magenhäuten eng von den- selben umgeben liegen, wo sie mit dem Munde nur äusserst wenig Nahrung erreichen können, als Zuleitungsorgane von Blutserum oder Lymphe in die Mundöffnung dienen; dienach aussen offene Röhre wird durch die den Nematoden dieht umschliessenden Magen- häute zu einem geschlossenen Rohr, und aus den den Verschluss bewirkenden Theilen könnten Säfte in dasselbe gelangen, welche durch die Muskulatur des Oesophagus aufgesogen werden könnten. Die beiden Lippen (Fig. 1) stehen seitlich, sie sind länglich 1) Tab XI, Fig. 3% 512 v. Linstow: vund, der grössere Durchmesser steht dorsoventral und jede von ihnen trägt 2 grosse Tastpapillen, die in den Submedianlinien stehen; die Mundöffnung (Fig.1, rn) findet sich zwischen ihnen und ist ein dorsoventral gerichteter Schlitz von spindelförmigem Umfang, von einem derben Cutieularrand umgeben. In den Seitenlinien steht dicht hinter dem Kopfende jeder- seits eine Tastpapille, die sogenannte Nackenpapille; bei einem 10 mm langen Männchen fanden sie sich 0,25 mm vom Kopf- ende entfernt; dass Ebertht) sie für die vorderen Mündungen der Seitengefässe hält, habe ich bereits früher bemerkt. Bei anderen Arten des Genus Filaria finden sich an derselben Stelle Nackenpapillen, welche gabel- oder zackenförmig gebaut und offenbar nieht Tast-, sondern Fixationsorgane sind. Andere Tastpapillen finden sich am männlichen und weib- lichen Schwanzende und werden weiter unten erwähnt. Unter der Cutis zieht sich die Subeutieula hin, eine feine, 0,0014 mm dieke Schicht, die am Anfangstheil des Oesophagus in der Rücken-, der Bauch- und den beiden Seitenlinien Stütz- lamellen für den ersteren aussendet (Fig. 2), weiter hinten aber bildet sie das Rücken- und Bauchfeld, zwei dünne, oft kaum bemerkbare Scheidewände zwischen den Muskelzellen, von denen ersteres weiter nach hinten bald ganz verschwindet, und die bei- den Seitenfelder; diese nehmen etwa !/,; der ganzen Körper- peripherie an Raum ein und bestehen aus einer Rücken- und einer Bauchhälfte; beide haben einen spindelförmigen Querschnitt und zeigen eine netzförmige Zeichnung; zwischen den beiden Hälften verläuft das feine Seitengefäss (Fig. 4, eg), am Schwanz- ende aber schwellen die Seitenfelder stark an und stützen den hier in die Breite gezogenen Darm (Fig. 4,s). Die Seitenfelder wurden bereits in meiner früheren Beschreibung von Filaria anthuris geschildert und abgebildet ?). Bald zwischen den beiden Hälften der Seitenfelder, bald an ihrer Innenseite verläuft das feine Gefäss; vorn im Körper, in der Gegend des noch zu beschreibenden zweiten Abschnittes des Oesophagus sendet die Subeutieula jederseits einen Strang nach innen, der zwischen Oesophagus und Muskulatur verläuft, um sich 1) 1. e. pag. 65, Tab, VII, Fig: 68. 2) 1891, pag. 296, Tab. XI, Fig. 34, 33. Untersuchungen an Nematoden. 513 in der Bauchlinie mit dem der anderen Seite zu vereinigen, und von der Vereinigungsstelle verläuft ein kwzer Ast nach der Bauchlinie; im Inneren dieser Stränge verlaufen die Seitengefässe, die sich hier vereinigen, um in dem erwähnten Ast nach aussen zu münden (Fig. 3,ep). Die Ausmündungsstelle, der Gefässporus, liegt genau in der Bauchlinie, beim Männchen 0,40—-046, beim Weibchen 0,45—0,54 vom Kopfende entfernt; von der Fläche gesehen erscheint der Porus als eine feine, kreisrunde Oeffnung, von welcher aus man das Gefäss eine kurze Strecke nach innen und hinten verfolgen kann (Fig. 5). Während bei anderen Ne- matoden 2 Gefässe von hinten und 2 von vorn sich vereinigen, um gemeinsam in dem Porus nach aussen: zu münden, treten ‚hier an Stelle der vorderen Gefässe drei 0,15 mm lange Drüsen- schläuche mit den Ausführungssträngen in Verbindung: bei einem Weibchen, dessen Porus 0,54 mm vom Kopfende ent- fernt lag, fanden sie sich 0,39—0,54 mm von dem genannten Punkte; sie sind von körmnigem Bau, enthalten Kerne mit Kerm- körperehen und sind offenbar drüsige Organe, die an der Bauch- und den Lateralseiten des Oesophagus liegen. Die Muskeln gehören zu Schneiders Polymyariern ; die eontraetile Substanz ist in der bekannten Weise radiär ge- streift, bei älteren Thhieren, die, oft aus frisch geschossenen Krähen entnommen, ganz bewegungslos sind, körmnig zerfallen, so dass man keine Lamellen mehr erkennt; in der Marksubstanz liegen kugelrunde, 0,0078 mm grosse Kerne mit stark färbbarem Kern- körperchen; die Muskelzellen haben eine durehschnittliche Länge von 0,52 mm bei einer Breite von O,011 mm; nach dem Schwanz- ende hin schwindet die Muskulatur mehr und mehr, während sie am Kopfende am kräftigsten entwickelt ist. Am Kopfende legt sich um den zweiten, muskulösen Theil des Oesophagus ein Nerven- ring, der in einer Breite von 0,0104 mm denselben eng umgiebt, beim Männchen in einer Entfernung von 0,18, beim Weibchen von 0,3 mm vom Kopfende; er ist von faserigem Bau und ent- hält bis 0,0182 mm grosse Ganglienzellen, die einen hellen Kern und ein stark färbbares Kernkörperchen enthalten; von dem Nervenring strahlen Nerven nach aussen und hinten aus. Ebertht) giebt an, keinen Nervenring, sondern jederseits vom 1) 1. e. pag. 70, Tab. IX, Eig.-2e, 514 v. Liınstow: Oesophagus einen ovalen Körper an der betreffenden Stelle ge- funden zu haben, was wohl dem optischen Querschnitt des Ringes entspricht. Der Oesophagus besteht aus 3 scharf getrennten Abtheilungen, einem kurzen, röhrenförmigen Vestibulum, einem längeren, mus- kulösen, und einem noch längeren, in welchem drüsige Elemente vorwiegen; ihrer Länge nach verhalten sich dieselben wie 20:70:222 oder wie 17:60:245 oder wie 20:95 :260; die Länge und Breite der einzelnen Abtheilungen giebt Dujardin an mit T: Il, Länge 0,25 Breite 0,025, Länge 1,00 Breite 0,07, nach meinen Messungen: 0,158—0,160 0,022 0,H9T— 0,690 0,059 1. Länge — 3reite 0,160 mm nach meinen Messungen : 2,288— 2,295 0,123 mm Die dritte Abtheilung nennt Dujardin ventrieule; die Gesammtlänge verhält sich beim Männchen zum Weibchen wie 8:9; die erste und zweite Abtheilung ist durch von der Sub- eutieula ausstrahlende Pfeiler in der Rücken, der Bauch- und den Seitenlinien gestützt. Die erste Abtheilung, das Vestibulum, ist ein enges, dick- wandiges Rohr, aussen und innen mit einer Grenzmembran ver- sehen, die Aussenschicht des eigentlichen Wandungskörpers lässt Längslamellen erkennen; man hat es aber wohl nicht mit Mus- keln, sondern mit elastischen Fasern zu thun (Fig. 2, ös J). An der Grenze zwischen erster und zweiter Abtheilung ist das Lumen in die Breite erweitert. Die zweite Abtheilung besteht aus mächtigen Radiärmuskeln, aussen liegt eine Grenzmembran und unter ihr eine dünne Lage Längsmuskeln; das Lumen ist meist dreischenklig und die das- selbe auskleidende Membran sehr derbe (Fig. 3,ös /]). Die dritte und letzte Abtheilung zeigt ein ebensoleches Lu- men, wie die zweite, die Auskleidungsmembran ist wie dort, aber dünner, dagegen ist die äussere Grenzmembran hier stärker; das Gewebe besteht aus gut färbbaren, kleinen, gekernten, eirunden Zellen, die radiär angeordnet sind, dazwischen stehen sparsame Untersuchungen an Nematoden. 515 radiäre Muskeln; auch hier fmdet man, wie in der zweiten Ab- theilung, eine dünne Lage Längsmuskeln unter der Aussenmembran 89, tab. XI. Rie.:33). Drüsenschläuche, welche, wie bei Ascaris und anderen Ne- matoden-Gattungen den muskulösen Oesophagus durchziehen, fehlen hier; an ihre Stelle scheint die dritte Abtheilung getreten zu sein. Der Darm ist erheblich schmäler als der dritte Abschnitt des Oesophagus, dessen Fortsetzung er bildet; beim Beginn hat er eine Breite von 0,053 mm, um bald sich abzuplatten, alsdann ist er 0,123 mm breit und 0,026 mm hoch; er besteht aus einer derben äusseren Hülle und auf dieser wurzeln lang gestreckte Epithelzellen, welche an ihrer Basis einen sich schwach färben- den, kugelrunden Kern enthalten mit einem sich lebhaft färben- den Kernkörperchen. Auffallend ist, dass der Darm kein Lumen hat; die inneren Ausläufer der Epithelzellen berühren sich und füllen den ganzen inneren Raum aus (1891, tab. XI. Fig. 36). Beim Weibchen wird der Darm von dem fast die ganze Leibeshöhle ausfüllenden Uterus gegen die Leibeswandung gedrängt (1891, Fig. 34 d), doch ist das Verschwinden des Lumens nicht etwa eine Compressions- erscheinung, denn beim Männchen, in dessen Leibeshöhle der Hoden und das Vas deferens dem Darm einen. grossen freien Spielraum lässt, fehlt das Lumen im Darm ebenso wie beim Weibchen. Bei letzterem giebt es eine Stelle, an welcher man den Darm nicht der Körperwand anliegend findet, nämlich an der, wo die beiden einander genäherten Enden der Uteri sich neben- einander schieben, hier nehmen sie den Darm zwischen sich. Ganz hinten im Weibchen dehnt sich der Darın noch mehr in die Breite; er misst in der Quere 0,169 mm und ist 0,026 mm hoch, und hier wird er links und rechts von den stark vergrösserten Seitenfeldern gestützt (Fig. 4, ed). Ganz hinten hat der Darm aussen einen Belag von einer einfachen Schicht Längsmuskeln. Auch beim Männchen zeigt der Darm in der Gegend des Schwanzendes Veränderungen; er begiebt sich nach der Bauch- seite und hier bekommt er im letzten Ende seines Verlaufs ein Lumen (Fig. 6, ed); denn von der Bauchseite her mündet das Vas deferens in ihn hinein zur Bildung der Cloake, welche eines Lumens bedarf zur Herausleitung des Samens. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 33 516 v. Linstow: Auch bei anderen Nematoden-Gattungen findet man einen vorderen muskulösen und einen hinteren drüsigen Oesophagus- Abschnitt, so bei dem Genus Ascaris. Das Männchen. Die Grösse giebt Stossich auf S—12 mm, Dujardin auf 11 mm, Schneider auf 10 mm an, ich fand sie von 9,5 bis 10,26 mm; und die Breite, die Dujardin mit 0,22 mm bestimmt, beträgt meistens 0,27 mm; der Oesophagus nimmt 28 und das Schwanzende 16°/, der Gesammtlänge ein. Die Cutieula ist 0,0013 mm dick, die äussere Schicht der Cutis 0,0039 und die innere 0,0026 mm. Der Hoden reicht, wenn man die ganze Körperlänge von vorn nach hinten in 100 gleiche Theile theilt, bis Theil 36; 0,37 mm von dieser Stelle nach hinten beginnt er, verläuft nach vorn und biegt am angegebenen Ort nach hinten um und das Vas deferens verläuft zum Schwanzende, um sich mit dem Darm zur Cloake zu vereinigen. Die Ursamenzellen im Anfangstheil des Hodens sind kugelrund und 0,0065 mm gross; viele lassen 4 Chromosomen erkennen. Die Spieula sind verschieden an Grösse; das rechte ist 0,287 mm lang und 0,044 mm breit, das linke 0,234 und 0,031 mm; Dujardin schildert sie 0,27 und 0,21 mm lang und 0,05 mm breit. Eine eigentliche Bursa, eine links und rechts am Schwanz- ende stehende, von langgestielten Papillen gestützte, flügelförmige Membran ist nicht vorhanden, dagegen findet man an dem haken- förmig nach der Bauchfläche gekrümmten Schwanzende beider- seits eine mächtige Cutieular-Auftreibung; die beiden Schichten der Cutis trennen sich, um eine blasige, mehr nach der Bauch- fläche gerichtete Auftreibung zu bilden; der Raum zwischen bei- den Schiehten ist von Cutieularmasse ausgefüllt (Fig. 6c); am äussersten Schwanzende findet sich zwischen beiden noch eine Scheidewand, wie schon Schneider gesehen hat (Fig. 7). Hier finden sich an der Bauchfläche Papillen in 2 Reihen, und zwar jederseits 4 prä- und 8 postanale; Dujardin giebt 6—8 Papillen jederseits an und Schneider findet jederseits 4 prä- und 6 postanale. Untersuchungen an Nematoden. 517 Abgebildet ist das männliche Schwanzende von Dujardin, von Schneider, von mir (1873) und von Stossich. Das Weibehen. Die Länge bestimmt Dujardin auf 22,3, die Breite auf 0,20 mm, Stossich die Länge auf 18—30 mm; ich fand sie 18—23, durchschnittlich 20 mm betragend; der Oesophagus nimmt einen Raum von 16, der Schwanz von 1,3°/, der ganzen Länge ein. Dujardin giebt an, der Anus liege 0,4 mm vom Schwanzende und die Vulva 10,6 mm vom Kopfende entfernt. Am äussersten Schwanzende stehen 2 kleine Tastpapillen, welehe Eberth abbildet!), sie aber für Mündungen der Seiten- gefässe hält, wie ich schon in meiner früheren Arbeit über Fi- laria anthuris bemerkte. Ein mächtiger Uterus scheint den Körper zu durchziehen, auf Querschnitten erkennt man aber, dass er sich aus einem vorderen und einem hinteren Theil zusammensetzt, die, wie be- reits bemerkt, da, wo sie aneinander stossen, den platten Darm zwischen sich nehmen; hier ist die Stelle, wo die Vagina in ihn einmündet. Vorn und hinten setzt sich ein Ovarium an den Uterus; theilt man die ganze Körperlänge von vorn nach hinten in 100 gleiche Theile, so liegt das vordere Ovarium in den Ab- schnitten 4—13, der Uterus in 13—95, das hintere Ovarium in 95—99, die Vulva im Abschnitt 36 und die von vorn nach hin- ten verlaufende Vagina in 36—60. Der Uterus ist prall mit Eiern gefüllt; die Wandung ist 0,0048 mm dick und zeigt an der Innenseite in das Lumen hin- einragende Kerne; er besteht aus einer vorderen und einer hin- teren Abtheilung und beide füllen die Leibeshöhle aus, nur für den Darm, die vordere auch für die Vagina Raum lassend; beide Organe drängen sie an die Körperwand, ausgenommen da, wo die vordere Abtheilung an die hintere stösst, hier verläuft der Darm zwischen beiden, wie bereits angegeben wurde. Wie aus den Angaben über die Vertheilung der Organe im weiblichen Körper hervorgeht, nehmen die Ovarien nur einen sehr kleinen Raum ein; das vordere liegt vor dem Vorderende der vorderen, das hintere hinter dem hinteren Uterusabschnitt. Das vordere 1) 1. c. Tab. IX, Fig. 8a. 518 v. Linstow: Ovarium reicht bis zum Anfang des dritten Oesophagus-Abschnittes; die Ovarien sind dünne, knäuelförmig aufgerollte Röhren, im Be- ginn nur 0,018—0,026 mm breit, während der Durchmesser im weiteren Verlauf 0,053—0,088 mm beträgt; die sehr derbe Aussen- membran misst ‚beim Beginn 0,0029 mm und wird im weiteren Verlauf bis auf 0,0025 mm verdünnt. Die Vulva mündet mit einer länglichen Oeffnung in der Bauchlinie, die quer zur Längsachse des Körpers steht; ihr Rand ist verdiekt und von einer elliptischen Scheibe umgeben (Fig. 8,00); sie setzt sich nach hinten in die Vagina fort, die anfangs 0,16 mm breit ist, sich dann aber auf 0,0704 mm verschmälert; so verläuft sie 3,95 —4,44 mm weit nach hinten, um nach mehreren Windungen in den Uterus einzumünden. Das Rohr ist ungemein diekwandig; die innere Grenzschicht ist fein, 0,002 mm diek. Die Hauptmasse der Wandung besteht aus elastischen Ringfasern, sie hat einen Durchmesser von 0,026 mm; an die Aussenwand legt sich eine 0,013 mm mächtige Schicht unregelmässig angeordneter Ringmuskeln. Die Eier schildert Dujardin 0,048 mm lang und 0,027 mm breit, ich bestimmte die Länge mit 0,039 und die Breite mit 0,026 mm; die starke Schale ist 0,0023 mm dick und der Embryo ist bereits in den im Uterus vorhandenen Eiern vollkommen ent- wickelt. Auffallend ist die Derbheit der breiten Cutis, der Hüll- ınembran des Oesophagus, Darms, Hodens, Vas deferens, Ovarium, Uterus, der Vaginalwandung, der Eischale, doch ist sie bedingt durch den starken, gewaltigen Druck, welchen die zwischen der Innenwand und der Muskelmasse des Magens liegenden Thiere bei Contraetionen der letzteren zu erdulden haben. Die Krähen verschlucken stets kleine runde Steine, die man in Menge in ihrem Magen findet; an ihnen werden durch Zusammenziehungen des Magenmuskels die zur Nahrung dienenden Samenkörner, nach- dem sie im Magen erweicht sind, zerquetscht, und diesen Druck haben die Filarien mit auszuhalten. Ueber die Entwickelung ist nichts bekannt, die insofern räthselhaft ist, als man nicht nachweisen kann, wie die Eier ins Freie gelangen können; vielleicht geschieht es erst nach dem Tode der Vögel. Da man eine ganze Reihe von eingekapselten Filarien-Larven kennt, ist es wahrscheinlich, dass auch Filaria Untersuchungen an Nematoden. 519 anthuris einen Zwischenwirth durchmacht; in Gammarus pulex fand ich!) eine solche, die wohl hierher gehören könnte; die drei Oesophagus-Abschnitte verhalten sich wie 2:27:45. Ascaris Eperlani v. L. Fig. 9-16. In der Rückenmuskulatur dicht unter der Haut von Osme- rus eperlanus lebt eine grosse Ascaris-Larve, Ascaris Eperlani?), welche ein sehr geeignetes Objeet ist, die Längsfelder mit ihren Gefässen, die verschiedenen drüsigen Gebilde am Kopfende, Oeso- phagus und Darm zu studiren. Die Geschlechtsorgane fehlen hier noch gänzlich und am mittleren Körpertheil sieht man auf Querschnitten nur die Haut mit den vier Längsfeldern, Nerven Muskeln und Darm. Auch in anderen Fischen findet man solche grosse Ascaris- Larven, die ich früher in Embryonal- und Larvenformen unter- schied, je nachdem, ob am Kopfe noch der embryonale Bohr- zahn vorhanden war, oder schon die 3 Lippen der Geschlechts- form gebildet waren. Die Seitenfelder oder Seitenwülste entspringen von der Subeutieula, um sich nach innen stark zu verbre itern (Fig. 10, s) sie sind in eine dorsale und eine ventrale Hälfte getheilt, die sich nach innen rundlich vorwölben, und beide werden durch einen Spalt geschieden, der sich an der Verbindungsstelle mit dem Darm etwas verbreitert; die Innenseite legt sich eng an den Darm, mit dem sie verwachsen ist. Das Gewebe enthält zahlreiche, kugelförmige Kerne mit Kernkörperchen im Centrum, von denen ein Netzwerk sehr feiner Gefässe entspringt, die sich zu immer grösseren Stämmen vereinigen, welche dann in den er- wähnten Spalt münden (Fig. 10, s). Weiter nach vorn behalten die Seitenfelder ihre äusseren Contouren, der Spalt aber wird immer breiter, das geschilderte Gewebe schwindet und wird ganz vorn durch 2 dichte, homo- gene, breite Balken ersetzt (Fig. 12, 13), im Hohlraum zwischen beiden liegt ein drüsiger Körper, und in der Gegend des Nerven- 1) Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXXIX, Bonn 1872, pag. 325—326, Tab. XV, Fig. 2. 2) Archiv f. Naturgeschichte 1878, pag. 237—238, Tab. IX, Fig. 24. 520 v. Linstow: ringes, welcher den Oesophagus einschliesst, verlaufen auch hier, ähnlich wie bei Filaria anthuris, die zu Gefässen gewordenen Ausläufer des Organs an der Ventralseite des Oesophagus nach un- ten, um sich dicht vor der Grenze der Muskulatur zu einem Stamm zu vereinigen, der als Gefässporus nach aussen mündet (Fig. 13, ep). So vertritt also der Spalt zwischen den beiden Hälften der Seitenfelder das bei anderen Nematoden bekannte Gefäss derselben. Die Fortsetzung dieser Wandung des verbreiterten Spalts nach vorn (Fig. 12) stützt seitlich den Oesophagus, ebenso wie es die zu Lamellen verlängerten Medianfelder an der Rücken- und Bauchseite thun; noch weiter vorn werden die bisher dop- pelten Seitenstützen einfach, so dass der Oesophagus hier von 4 gleichen Lamellen mit der Haut verbunden wird. Diese Bildung der Seitengefässe weicht gänzlich von der ab, die man bei anderen Nematoden kannte; in vielen Fällen verlaufen 2 Gefässe von vorn und 2 von hinten, die in einen gemeinschaftlichen Porus münden, wie es von Galeb!) bei Oxyuris Blattae und von Claus?) bei Leptodera appendieulata gefunden wurde; 2 nur von hinten kommende Gefässe fand ich bei Filaria anthuris und bei Nematoxys longicauda®), während Hamann) bei Lecanocephalus annulatus nur in einem der beiden Seitenfelder ein unpaares Gefäss fand, das 4 mm lang ist, hinten mit einer kugelförmigen Anschwellung endigt und vorn nach der Bauchlinie umgiebt, um in dem Porus auszu- münden. Die Muskulatur vom Ascaris Eperlani ist dadurch ausge- zeichnet, dass man auf Querschnitten an jeder Muskelzelle jeder- seits 2 Platten contractiler Substanz, also an jeder Zelle 4 sieht (Fig. 10, m). Wie bei Filaria anthuris besteht auch hier der Oesopha- 1) Arch. de zoolog. experiment. vol. VII, Paris 1879, Tab. XVII, Fig. 2. 2) Schriften d. Gesellsch. z. Beförd. d. Naturwissensch., Supplem. II, Marburg 1879, Tab. III, Fig. 23. 3) Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. XLII, 1885, Tab. XXVIII, Fig. 9a. 4) Die Nemathelminthen II, Jena 18%, pag. 73—74, Tab. VIII, Fig. 1, 16, 16, Untersuchungen an Nematoden. 521 gus aus einem vorderen, dünneren, längeren, mehr muskulösen und einem hinteren breiteren, kürzeren, mehr drüsigen Abschnitt (Fig. 9, ös I, IT); der erstere ist 1,58 mm lang und 0,16 mm breit und zeigt, wie man es in der Regel bei Nematoden sieht, ein grosses dreischenkliges Lumen und kräftige, radiäre Muskulatur, zwischen der Drüsengewebe liegt; von den 3 Winkeln des Lumen ziehen keilförmige Stränge zur Peripherie, wo die Muskeln ganz fehlen; diese Theile der Wandung des Lumen können ja auch der Peripherie nicht mehr genähert werden; das nach der Rücken- seite des Gewebes liegende Drittelaber ist grösstentheilsdrüsigerNatur und nur von einzelnen Muskelzügen durchsetzt; dieser Drüsenkörper beginnt 0,27 mm vom Kopfende. Bei anderen Nematoden findet man einen, bei anderen drei rings von Muskelmassen umgebene, lange Drüsen, von Hamann!) Schlunddrüsen genannt, die theils vorn im sogenannten Schneider'schen ?) Porus, theils hinten in das Lumen des Oesophagus münden, wie Jägerskiöld?) bei mehreren Ascaris-Arten fand. Der zweite Abschnitt des Oesophagus hat ein viel engeres Lumen, von dessen Wandung Muskelstränge zur Peripherie ziehen (Fig. 11, ös IT); die Länge beträgt 0,99 und die Breite 0,20 mm. Die Hauptmasse ist ein drüsiges Gewebe, das an der einen Seite aus kleinen rundlichen Kernen mit Kernkörperchen, an der anderen aus hyalinen Kügelchen besteht (Fig. 11,ös IT). Der Darm hat, ähnlich wie der vordere Oesophagus-Abschnitt, ein grosses dreischenkliges Lumen, das von einer derben, 0,0052 mm dicken, von Porenkanälchen durchsetzten Membran ausgeklei- det wird (Fig. 10, ); dieselbe bildet den Darmepithelzellen ent- sprechende, nach innen vorspringende, rundliche Buckel und haben wir es hier nicht mit einem Stäbchenbesatz zu thun, wie Hamann) ihn am Darm von Lecanocephalus annulatus fand. Die Hauptmasse des Darms bilden lange, von der Mittelachse nach der Peripherie verlaufende, 0,0039 mm breite, von sehr zahlreichen, sich lebhaft färbenden Körnchen durchsetzte Epithelzellen, in denen nach der 1): 1. e. pag:; 63: 2) Monographie der Nematoden, Berlin 1866, pag. 190-192, Tab. XV, Fig. 16. | 3) Beiträge zur Kenntniss der Nematoden. Zoolog. Jahrbücher, Ba. VII, Jena 1894, pag. 449—532, Tab. 24—28,. 4) 1. c. pag. 70, Tab. X, Fig. 4. 522 v. Linstow: Peripherie hin Kerne mit Kernkörperchen stehen (Fig. 10, d); die Grenzmembran ist homogen und 0,0028 mm breit (Fig. 10,e). Der Oesophagus setzt sich nicht an das Vorderende des Darms, sondern tritt an die Bauchseite desselben, 0,59 mm von dessen Anfang entfernt (Fig. 9, ös), so dass ein ebenso langer und 0,12 mm breiter, fingerförmiger, an der Rückenseite des Oeso- phagus liegender Blinddarm entsteht, der ein grosses, weites, kreisrundes Lumen hat und mit dem Oesophagus durch lockeres Bindegewebe verbunden ist (Fig. 9 u. 11, ba). Ebensolche Verhältnisse finden wir bei Ascaris deeipiens, die sehr wahrscheinlich die Geschlechtsform von Ascaris Eperlani ist. Bei anderen Nematoden findet man ausser diesem nach vorn verlaufenden Blindsack des Darms auch eine nach hinten ziehende Verlängerung des drüsigen Theils des Oesophagus an der Bauch- seite des Darms, ohne Lumen, die Hamann!) Anhangsdrüse des Schlundes nennt; in noch anderen Fällen entspringt von dem hinteren, drüsigen Abschnitt des Oesophagus an der Bauchseite nach vorn und hinten ein Drüsenschlauch; der nach hinten ver- laufende ist der längere; so fand ich?) es bei Ascaris capsu- laria, einer grossen, locken- oder scheibenförmig aufgerollten Larve, die unter dem Peritonealüberzug des Darms von Trutta salar vorkommt. Ein mächtig entwickelter Nervenring umgiebt vorn in der Gegend des Exeretionsporus den Oesophagus (Fig. 13, n); jeder- seits der 4 Stützen des letzteren, also an 8 Stellen, treten Ner- venstränge an die Muskulatur, von denen die 4 die Medianstützen begleitenden die stärkeren sind, und an ihren Wurzeln liegen grosse Ganglienzellen (Fig. 15,9). Ein merkwürdiges Organ, das ich die unpaare Drüse nennen möchte, liegt an dem einen Seitenfeld. Es ist schon lange be- kannt und bereits von Mehlis) bei Ascaris spieuligera gefun- den, wo es sich von den Lippen bis zur Schwanzspitze erstreckt und dem einen Seitenfelde anliegt. v. Siebold!) fand es in ‚der grossen Filaria piscium genannten Ascaris-Larve und bei 1),3. e. pag..66, 2) Archiv für Naturgeschichte 1884, pag. 129, Tab. VII, Fig. 5. 3) Isis v. Oken 1831, Heft 1, pag. 9—%. 4) Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Thiere, 1846— 1848, pag. 135, It N@ © Untersuchungen an Nematoden. Ascaris osculata; letzter und Bastian!) nennen es Lemniseus. Schneider?) hält es für eine Wucherung der Gefässwand. v. Drasehe?°) bespricht es ausführlich bei der Schilderung von Peritrachelius; hier mündet es an der Basis der Rücken- lippe frei nach aussen und wird Gefässband genannt; es liegt im vorderen Körperdrittel dem linken oder rechten Seiten- felde an. Jägerskiöldt) findet es beimehreren Ascaris-Arten, u. a. osculata und decipiens; er nennt das Gebilde Exeretions- organ, das dem linken Seitenfelde anliegt und zwischen den beiden ventralen Lippen ganz vornmündet. Hamann?) sah dieses Organ, ‚las er Exeretionsgefäss nennt, bei Ascariden-Larven aus Zeus faber; esliegt im vorderen Drittel des Thieres einem Seitenfelde an, mün- det an der Dorsalseite der Lippen nach aussen und besteht aus nur einer Zelle. Im Innern des hier geschilderten Organs verläuft ein Gefäss mit starker Wandung. Bei Ascaris Eperlani findet man ein langes, spindeltörmiges Organ, das in der Gegend des Oesophagus am breitesten ist, hier ist es 0,11—0,22 mm breit und 0,055—0,070 mm hoch; mit der Bauchhälfte des einen Seitenfeldes ist es verwachsen, nach vorn und hinten verschmälert es sich immer mehr und mehr; vorn bleibt schliesslich nur das centrale Gefäss übrig, das sehr diekwandig ist und zwischen den beiden latero-ventralen Lippen an deren Basis nach aussen mündet (Fig. 16, r); hinten wird das Gefäss dünnwandiger und verschwindet endlich ganz, während das Organ selbst schmaler wird und vor der Mitte des Darms endigt, dahinter füllt der Darm die ganze Leibeshöhle aus. Das Organ ist von einer Grenzmembran umgeben, das Gewebe zeigt helle, rundliche, hyaline Körperehen,, die von emem feinen Gefässnetz umsponnen sind, ähnlich wie man es in den Seiten- feldern sieht, deren Kerne aber hier fehlen; eim sehr starkwan- diges Gefäss aber verläuft in der Mittelachse (Fig. 14 u. 15), 1) Philosoph. transact. Roy. soc. London, T. 156, 1866. 2) Müller’s Archiv 1858, pag. 433, Tab. 15, Fig. 9A—B; Mono- graphie der Nematoden, pag. 218-219, Tab. XVIII, Fig. 5. 3) Verhandl. d. k. k. zool.-bot. Gesellsch. Wien 1881, pag. 188— 191, Tab. XII, Fig. 3—12. Aa lercı 5) 1. c. pag. 88-89, 100-101, Tab. XI, Fig. A—C. 524 v. Linstow: dessen Lumen 0,028 mm breit, ist, während die Wandung einen Durchmesser von 0,012 mm hat (Fig. 12, g). Man kann wohl mit Sicherheit annehmen, dass dieses Organ eine Flüssigkeit absondert, die an der Basis der beiden Bauch- lippen nach aussen entleert wird; das grosse Gefäss in der Mittel- achse öffnet sich im Organ nur ganz hinten, die Saftströmung wird daher von vorn nach hinten gehen im Gewebe, worauf dann die abgesonderte Flüssigkeit von hinten nach vorn entleert wird durch das Gefäss. Bei Ascaris oseulata liegt im Organ beim Beginn des Darms ein riesiger Kern. Das Organ ist bisher für ein einseitig entwickeltes Exere- tionsorgan erklärt; die Bezeichnung Excretionsorgan ist früher aber immer für das Organsystem gebraucht, das an der Bauch- seite des Oesophagus in dem Exeretionsporus mündet; als solches funetionirt aber dieses Organ nicht, denn es besteht bei Ascaris Eperlani neben demselben; um Irrthümer und Verwechslungen zu vermeiden nenne ich es unpaare Drüse. Ueber die Function kann man nur Vermuthungen haben; da Ascaris Eperlani wie auch die übrigen mit der unpaaren Drüse versehenen grossen Ascaris-Larven uneingekapselt in oder an Organen von Fischen leben, sondert diese Drüse vielleicht einen Saft ab, der die dem Kopfende der Larve zunächst liegenden Gewebe erweicht und so das Umwachsenwerden verhindert. Ganz vorn am Kopfende liegen jederseits der 4 Stützlamellen des Oesophagus 2 Drüsen von körnigem Bau, also 8 im Ganzen (Fig. 12, dr), die wohl den 12 Drüsen an die Seite zu stellen sind, welche Hamann!) bei Lecanocephalus fand, wo je 3 der- selben einem Längswulst anliegend gefunden wurden; sie erfüllen den Raum von 0,18—0,33 mm Entfernung vom Kopfende; da, wo die 8 Nervenstränge vom Nervenringe ausstrahlen, werden sie von diesen durchbrochen, denn weiter hinten verschmelzen sie zu einem Ringe, der von den 4 Oesophagusstützen und den 8 Nerven- strängen durchsetzt wird (Fig. 13, dr). Noch ist eine Drüsenmasse zu erwähnen, die zwischen dem Nervenring und dem Oesophagus liegt (Fig. 13, dm). 1) 1. c. pag. 50, Tab. VI, Fig, 8; Untersuehungen an Nematoden. [eo] SI td Dil Physaloptera Sonsinoi n. sp. Fig. 17. Herr Dr. P. Sonsino in Pisa hatte die Freundlichkeit, mir eine Anzahl Nematoden zur Beschreibung zu senden, die er in grosser Anzahl in Agama mutabilis Merr. gefunden hatte; sie hafteten der Schleimhaut des Magens an; für die gütige Ueber- sendung sage ich an dieser Stelle nochmals meinen besten Dank. Am Kopfende stehen 2 seitliche Lippen, die am Scheitel- punkt mit einem kegelförmigen Zahn bewaffnet sind, hinter dem in den Submedianlinien jederseits eine kleine Papille steht. Die Haut ist in Abständen von 0,0052 mm quergeringelt. Das Männchen ist 6,5 mm Bu und 0,43 mm breit; der Öesophagus nimmt I der Schwanz - 9.25 = der Gesammtlänge ein; am männlichen Schwanzende (Fig. 17) bemerkt man eine Ver- breiterung der Haut in den Seitenlinien und an der Bauchfläche stehen im Ganzen 23 Papillen; neben der Cloake bemerkt man jederseits 4 langgestielte, vor ihr steht eine unpaare und etwas weiter nach vorn 2, hinter ihr 2 grössere, ovale und etwas weiter nach hinten 2 kleinere, runde; dann folgen in der Mitte des Schwanzes 4 in einer Querlinie, dahinter 2 grosse mit je 2 Tast- enden und endlich weiter nach hinten noch 2 einfache. Der rechte Cirrus ist sehr lang, er misst 1,39 mm, der linke viel kürzer und breiter, er hat eine Länge von 0,32 mm. Das Weibchen hat eine mittlere Länge von 6,7 mm bei einer Breite von 0,48 mm; die Vagina liegt weit vorn; sie trennt die Körperlänge so, dass der durch sie gebildete vordere Ab- schnitt n zum hinteren Re wie 5:31; der Oesophagus macht ER der Schwanz = der ganzen Thierlänge aus; das er arende ist abgerundet und nach der Rückenfläche hin ge- krümmt. Die sehr dickschaligen Eier sind 0,057 mm lang und 0,039 mm breit. Ausserdem war noch ein grosses, 20 mm langes, nicht be- stimmbares Weibehen vorhanden, das aus demselben Wohnthier stammt und vielleicht mit meiner Physaloptera dentata identisch ist, die in Agama sanguinolenta gefunden wurde. Sehneider nennt Physaloptera mit Recht eine der besten 526 v, Linstow: Gattungen Rudolphi’s; die Bildung des männlichen Schwanz- endes ist so charakteristisch, dass man nicht im Zweifel sein kann, ob ein Nematode in dieses Genus gehört oder nicht. Stossich!) hat eine sehr übersichtliche Monographie der Gattung herausgegeben, in welcher er 26 wohl gekennzeichnete und 11 zweifelhafte Arten anführt; inzwischen ist diese Zahl nur durch eine Art vermehrt, Physaloptera Varani, die Parona?) in Birmanien in Varanus Bengalensis Daud. fand; daselbst wird noch eine nicht benannte Form aus einer Schlange erwähnt. Die Arten leben im Verdauungstract von Reptilien, Vögeln und Säugethieren; die Zahl der Papillen am männlichen Schwanz- ende wechselt von 13—21, während unsere Art 23 hat, Physa- loptera dentata zeigt nur 15. Rhabditis Lumbrieuli n. sp. Fig. 18. In Exemplaren von Lumbrieulus variegatus Müll, die in einem Tümpel bei Göttingen gefunden wurden, auf einem Höhen- zuge, der kleine Hagen genannt, leben aufgerollt und nicht eney- stirt in nicht grosser Menge schlanke, sehr bewegliche Nematoden- Larven von 1,47 mm Länge und 0,054 mm Breite, die sieh da- durch auszeichnen, dass sie hinten am Schwanzende in den Seitenlinien 2 Dbandartige Anhänge tragen. Das Kopfende ist nicht ausgezeichnet, die Haut ist glatt, der Schwanz, welcher > ’ der (esammtlänge einnimmt, ist eonisch zugespitzt; die Grenze zwischen Oesophagus und Darm ist nicht mit voller Sicherheit zu erkennen, doch scheint der erstere !/, der Körperlänge ein- zunehmen; der Darm zeigt glänzende Kügelchen, die hintere Körperhälfte ist durch matte, rothbraune Kügelchen gefärbt; in den Seitenlinien verlaufen Leisten, welche !/,, des Körper-Durch- messers einnehmen; die bandartigen Anhänge stehen in der Mitte des Schwanzendes, sie sind platt und sind 0,104mm lang und 0,0038 mm breit. 1) M. Stossich, Il genere Physaloptera Rudolphi. Lavoro mo- nografico. Bollet. soc. Adriat. se. natur. Trieste, vol. X], 1589, pag. 1— 24, Tab. I—III. 2) C. Parona, Elıminti die Birmania. Annal. ınus. eivic. Genova, ser. 2, vol. VII, 1890, pag. 776, Tab. III, Fig. 16. Untersuehungen an Nematoden. 927 Es handelt sieh um eine Larve, und da Schneider eme ähnliche Form, wenigstens eine mit ähnlichen bandartigen An- hängen als Rhabditis (Leptodera) appendieulata beschrieben hat, so wird man die hier besprochenen mit Wahrschemlichkeit auch dahin stellen dürfen. Rhabditis appendiculata wurde von Schneider!) zuerst unter dem Namen Alloionema appendieulata, dann aber genauer in seiner Monographie der Nematoden ?) beschrieben; er nannte die Art hier Leptodera appendieulata und wies nach, dass die hinten mit 2 Anhängen versehenen Larven parasitisch im Muskel des Fusses und in den Blutgefässen von Limax ater leben; die langen, bandförmigen, hinten zugespitzten Anhänge nennt er Scehwanzpapillen. Im Freien werden die Thiere geschlechtsreif, und können sich hier aus den Eiern auch Larven bilden, die kleiner sind als die parasitischen und keine Anhänge am Schwanz- ende zeigen; der Parasitismus in Limax ist also ein facultativer. Claus?) hat denselben Nematoden zum Gegenstand seiner Untersuchungen gemacht und gefunden, dass man die parasitischen Larven zur Auswanderung aus Limax bringt, wenn man die Schnecken durch Nadelstiche oder durch Bestreichen mit Essig- säure zu Contractionen reizt. Die Larven sind 1,3—2 mm lang; sie sind im Gegensatz zu unserer Form breit, der Oesophagus ist sehr kurz, die bandartigen Anhänge sind längsgestreift, sie er- reichen fast die halbe Körperlänge und sind am äussersten Schwanz- ende befestigt. Noch eine andere Larve mit bandartigen Anhängen am Schwanzende erwähnt Schneider) in seiner Monographie, die in Cysten der Darmschleimhaut von Triton taeniatus lebt; sie wurde im Herbst und Winter gefunden, und im Frühlung häute- ten sich die Larven, aber ohne aus der Larvenhaut hervorzu- 1) Ueber eine Nematodenlarve und gewisse Verschiedenheiten in den Geschlechtsanlagen der Nematoden. Zeitschr. f. wissenschaftliche Zoologie X, pag. 176. 2) pag. 159, 255, 271, 283, 304, Tab. XI, Fig. 4, Tab: XXV, Fig. 1—4, 9, Tab. XXVI, Fig. 1-2. 3) Beobachtungen über die Organisation und Fortpflanzung von Leptodera appendiculata. Schriften d. Gesellsch. z. Beförd. der ges. Naturwissensch. Marburg, Supplementheft III, 1569. 4) pag. 313, Tab. XXVI, Fig. 3. 528 v. Linstow: kommen; die Cysten verliessen sie und wurden mit den Fäces entleert; die weitere Entwicklung ist unbekannt. Aus der Ab- bildung sieht man, dass die beiden bandartigen Anhänge am Schwanzende kurz sind, sie sind etwa ll1mal so lang wie breit und ragen kaum über die Schwanzspitze hinaus; am Ende sind sie abgerundet. Ascaris oseulata Rud. Taf. XXXI, Fig. 1—14. Ascaris oseulata ist eine Art, welche ausser der blinddarm- artigen Verlängerung des Darms nach vorıf auch eine Verlänge- rung des Oesophagus nach hinten besitzt; erstere liegt an der Rücken-, letztere an der Bauchseite. Die Art ist in aretischen Regionen in Phoca barbata, groen- landica, vitulina, annellata, pantherina, Monachus albiventer, Hali- choerus grypus, Cystophora cristata, Trichechus rosmarus, in antaretischen in Stenorhynchus leptonyx gefunden, und lebt in Oesophagus, Magen und Darm, seltner in der Nasenhöhle. Systematische Beschreibungen besitzen wir von Dujardin!), Schneider?),, Krabbe’) und mir®), anatomische von Jäger- skiöld?) und angeblich von Bastian®), letzterer meint aber unter Ascaris osculata eine andere Art, vermuthlich Ascaris de- eipiens, da er ausdrücklich angiebt, dass bei der von ihm unter- suchten Art eine Verlängerung des Oesophagus nach hinten fehlt. Der Oesophagus ist gebaut wie bei Ascaris Eperlani; die Muskelzüge bilden keine continuirliche Schicht, sondern Stränge oder Scheiben mit einer nichtmuskulösen Zwischensubstanz, er- stere sind durchschnittlich 0,018, letztere 0,013 mm breit; wäh- rend aber bei Ascaris Eperlani die mehr drüsige Partie des Oeso- phagus dessen hintere Hälfte bildete, sind hier die Drüsen in die 1) 1. e. pag. 164. 2) l. c. pag. 44, Tab. I, Fig. 15. 3) Videnskab. Selsk. Verhandl. Oversigt, Kjöbenhavn 1878, pag. 45, Tab. I; Fig; 1. 4) Jahrb. d. Hamburg. wissensch. Anstalten IX, 1892, pag. 8—9, Tab. II, Fig. 11—16. 5) l. ec. pag. 457—463, Tab. 25, Fig. 12; Tab. 27, Fig. 35—36; Tab. 28, Fig. 38. 6) Philosoph. transact. Roy. soc. London 1866, vol. 156, pag. 545 —638, Tab. XXVI, Fig. 6—12. Untersuchungen an Nematoden. 529 Muskulatur hineingelegt und durchsetzen dieselbe in 5 Strängen, so dass man eine dorsale Drüse unterscheidet (Fig. 2 und 3, d), zwei subdorsale (Fig. 2 und 3, sd) und zwei subventrale Fig. 2 —5, sv). Die dorsale und die beiden subdorsalen münden 0,30 mm vom Kopfende in 3 neben einander liegenden Oeffnun- gen in das Oesophagus-Lumen (Fig. 2); die dorsale Drüse wird, nachdem die subdorsalen weit seitwärts nach aussen gerückt sind, von mehreren Seitensträngen begleitet, mit denen sie durch zahlreiche rechtwinklig vom Ausführungsgange abgehende Neben- äste verbunden wird, und nimmt so die ganze dorsale Hälfte des Oesophagus ein (Fig. 12). Die hinterste 0,1 mm lange Strecke des Oesophagus ist ohne Muskulatur, die dem Darm zugewandte Rückenseite plattet sich ab, das Gewebe der Rückenhälfte schwindet hier ganz und ein grosses Lumen entsteht; dieht vor dieser Stelle finden sich 3 Ventilklappen, wie man sie bei den Genera Oxyuris, Nematoxys, Oxysoma, Rhabditis kennt, die durch 3 starke Muskeln geöffnet oder von einander entfernt werden (Fig. 5 und 7). Die beiden subventralen Drüsen (Fig. 1—5, se) münden 0,09 mm vor den Ventilklappen in das Oesophagus-Lumen (Fig. 4); sie beginnen 0,24mm vom Kopfende, durchziehen den Oesopha- gus seiner ganzen Länge nach, schwellen im_ der Gegend der 3 Ventilklappen stark an und treten endlich ganz hinten frei aus dem Oesophagus heraus, um dessen Anhang nach hinten zu bil- den (Fig. T, a). Ganz hinten liegen 2 Kerne in der Muskulatur neben den subventralen Drüsen (Fig. 4), in den subventralen Drüsen liegen vorn Kerne (Fig. 1), ganz hinten liegen Kerne in allen 5 Drüsen, ausserdem findet sich im Gewebe des Oesophagus dicht vor dem Beginn des Anhanges eine grosse Ganglienzelle. Jägerskiöld beschreibt 3 vordere und 2 hintere Drüsen, die beiden letzteren setzen sich nach hinten fort in den Anhang. Der Oesophagus-Anhang (Fig. 7 und 6) besteht zunächst aus zwei eine kurze Strecke nach der Bauchseite verlaufenden rundlichen, gekernten, von einer derben Membran umgebenen Drüsen, die dann rechtwinklig nach hinten umbiegen und sich eng an einander legen; in der Längsrichtung verlaufen zahlreiche Gefässe (Fig. 7), und auf Querschnitten erkennt man feinste Ver- ästelungen derselben nach allen Richtungen (Fig. 6). 530 v. LinstoWw: Der Darm hat eine 0,0054 mm breite Aussenmembran, grosse Epithelzellen verlaufen radiär von ihr und führen zahl- reiche granulirte Kerne, das Lumen wird von einer 0,0024 mm dieken Membran ausgekleidet, die Porenkanälchen zeigt, Stäbchen erkenne ich auch hier nirgends, der Darm zeigt überall nach vorn gerichtete Divertikel (Fig. 8, d). Der Blinddarm ist eine direete Fortsetzung des Darms nach vorm und endet 0,56 mm vom Kopfende; er ist etwa 1,36 mm lang bei Exemplaren mittlerer Grösse; eigenthümlicher Weise wächst von der Rückenseite ein Zapfen der Blinddarmwandung in dessen Lumen hinein, auf Querschnitten (Fig. 9, «) erkennt man die Epithelzellen. Nach Jägerskiöld ist ein Stück des Oesophagus in das Darmlumen hineingezogen. Die Seitenfelder sind ähnlich wie bei Ascaris Eperlani ge- bildet und der Exeretionsporus mündet in der Bauchlinie 0,48 mm vom Kopfende. Die unpaare Drüse ist mächtig entwickelt; sie wächst nicht im selben Maasse wie das ganze Thier, denn der breite Theil nimmt bei jungen Exemplaren die Hälfte der Gesammtlänge ein, bei älteren ist er relativ weit kürzer. Die Mündung findet sich an der Basis der ventralen Zwischenlippe; dieht hinter dem Be- ginn des Darms, bei jungen Exemplaren viel weiter hinten, liegt ein sehr grosser Kern (Fig. 8 und 10, %), der 0,24 mm lang und 0,1 mm breit ist, die chromophile Substanz ist in ihm unregel- mässig vertheilt; wenn sich hinter dem Kern ein grosses Lumen findet, so ist dasselbe als ein Kunstprodukt anzusehen. Auch Jägerskiöld hat den grossen Kern und den Aus- mündungsort der Drüse gesehen. Der Nervenring umfasst den Oesophagus 0,42 mm vom Kopf- ende entfernt; von ihm strahlen Nervenbündel in die Muskeln aus, besonders sendet er viele Nervenäste aus, welche den Bauch- (Fig. 12, br) und Rückennerv (Fig. 12, rn) bilden, von denen ersterer der stärkere ist. Die in ihm liegenden Ganglienzellen färben sich lebhaft mit Hämatoxylin; sie sind durchschnittlich 0,023 mm gross, der 0,015 mm grosse Kern bleibt heller, während das Kernkörperchen wieder stärker gefärbt wird. Höchst merkwürdig ist ein grosses, frei in der Leibeshöhle liegendes, 0,24 mm langes Ganglion, das Oesophagealganglion, das Untersuchungen an Nematoden. 531 an der Rückenseite des Oesophagus liegt, vom Nervenringe ent- springt, und da aufhört, wo der Blinddarm endigt; massenhaft treten Nerven von ihm aus, die theils an die Körpermuskulatur, theils an die des Oesophagus gehen (Fig. 12, ög); sie verlaufen ganz frei durch die Leibeshöhle, so dass Schneiders!) Aus- spruch, dass nirgends im Nematodenkörper frei verlaufende Ner- ven zu finden sind, hier nicht zutrifft. Die Nerven sind bei ihrem Austritt aus dem Oesophageal- Ganglion 0,0028 mm breit, sie haben eine doppelt contourirte Grenze, und bestehen, wie die Nerven der Wirbelthiere, aus Achseneylinder und Markscheide (Fig. 11); sie theilen sieh in immer feinere und feinere Aeste, die endlich unmessbar fein werden; sie dringen in die Marksubstanz der Muskeln ein oder legen sich aussen an dieselbe oder umgehen sie, um dann von aussen in die eontractile Substanz einzudringen, in allen Fällen aber endigen sie in dieser; so liess es sich bei den vom Oeso- phageal-Ganglion austretenden Nerven beobachten. Von der Innervation der Muskeln durch die Mediannerven sagt Schneider’): „Bei den Nematoden verzweigen sich die Nerven nicht zu den Muskeln, sondern es treten Zweige der Muskelzellen zu den Nerven.“ Das ist nicht richtig; die Mark- substanz der Muskeln legt sich zwar von links und rechts in oft langen Ausläufern an die Mediannerven, aber von diesen treten feinste Nervenfasern aus, die in der Marksubstanz verlaufen, um in der eontractilen Substanz zu endigen (Fig. 13, n); die Nerven treten aus dem Stamm der Mediannerven heraus, um sich öfter in der Marksubstanz zu verästeln; die letzte Endigung ist von einem kleinen, hyalinen Hof umgeben. Um die feinsten Ner- ven zur Anschauung zu bringen, haben mich Färbungen mit Gold- chlorid, Chromsilber, Chromquecksilber, Methylenblau nie zum Ziele geführt, bis ich ganz zufällig eine vollendet schöne Färbung erzielte bei Präparaten, die 48 Stunden lang in wässriger, Böhmer scher Hämatoxylin-Lösung gelegen hatten, welche ich der Güte des Herrn Dr. Bürger hierselbst verdanke. 1) l. e. pag. 230. 2) 1. ce. pag. 229— 2380. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 34 532 v. Linstow: Literatur zu Filaria anthuris. Notitiae colleet. insign. vermium intestinal. Vindobonae 1811, pag. 26. Acuaria Corvorum. Rudolphi, Entozoorum synopsis, Berolini 1819, pag. 25, 243—244. Spiroptera anthuris. Civinini, Indice degli articoli del Museo anat., fisiol. Univers. Pisa, Lucca 1842, Bellingham, Annals and magaz. nat. hist. t. XIII, London 1844, pag. 102. Dujardin, Histoire des helminthes, Paris 1845, pag. 75—76, Tab. V, Fig. F. Dispharagus anthuris. Diesing, Systema helminthum II, Vindobonae 1851, pag. 215. Baird, Catalog of entozoa, London 1853, pag. 8. Molin, Una monographia del genere Dispharagus. Sitzungsberichte d. k. Akad. Wien, Bd. XXXIX, 1860, pag. 490—491. Eberth, Untersuchungen über Nematoden, Leipzig 1863, Tab. VIII, Fig. 6, Tab. IX, Fig. 2 u. 8. Schneider, Monographie der Nematoden, Berlin 1866, pag. %. v. Linstow, Archiv für Naturgeschichte, Berlin 1873, I, pag. 297—298, Tab. XII, Fig. 5—6. v. Linstow, Ibid. 1891, pag. 295—29, Tab. XI, Fig. 31—37. Stossich, Soc. hist. nat. Croat. 1889, pag. 182, Tab. V, Fig. 9. Stossich, Il genere Dispharagus Dujardin. Bollet. soc. Adriatica se. natur. vol. XIII, Trieste'1891, pag. 8, Tab. II, Fig. 12. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXX—XXXI. Tafel XXX. s— Seitenfeld. eg = Exeretionsgefäss. ed = Enddarm. Fig. 1-8. Filaria anthuris. Fig. 1. Kopfende von der Scheitelfläche. m = Mundöffnung, ? = Pa- pille, A = Halskrause. Fig. 2. Querschnitt durch das Vestibulum oder den ersten Abschnitt des Oesophagus, ös I, h = Halskrausen. Fig. 3. Querschnitt durch den zweiten, muskulösen Theil des Oeso- phagus, ös II, ep = Exeretionsporus. Fig. 4. Querschnitt durch den Enddarm. ov = Ovarium, 2 Schlingen. 5. Gegend des Excretionsporus von der Bauchseite; Hautringel. Fig. 6. Querschnitt durch das Hinterleibsende des Männchens; vd = Vas deferens; e = Hautauftreibung zwischen den beiden Cutis- Schichten. Fig. 7. Querschnitt durch das letzte Hinterleibsende des Männchens,. Fig. 8. Vulva (vu) und Vagina (va) des Weihchens. 309 Untersuehungen an Nematoden. 535 ös 1 = vorderer, muskulöser, ös II= hinterer, drüsiger Theil des Oeso- phagus, 2 9 ID bd= blinder Fortsatz des Darms, d = Darm, ud = unpaare Drüse, vg = deren Ausmündungsgang, s = Seitenfeld. Fig. 9—16. Ascaris Eperlani (Larve). Vorderer Körpertheil von der linken Seite. Schnitt aus dem mittleren Körpertheil, seitlich. ce = Cutis, sc = Subeuticula, m = Muskelzelle, s = Seitenfeld, e = Grenz- membran des Darms, ?= Auskleidung des Darmlumen. Schnitt durch den hinteren Oesophagus und Blinddarm. Schnitt durch den vorderen Oesophagus; dr =eine der 8 Drüsen. Schnitt durch den Nervenring (rn), g = Ganglienzelle, ep = Ex- cretionsporus, eg = Excretionsgefäss, dm = Drüsenmassen zwi- schen dem Nervenring und Oesophagus. Schnitt durch die unpaare Drüse. Dasselbe, stärker vergrössert, y—= Ausmündungsgang. @Querschnitt durch die Lippenbasis, »» = Mündung des unpaaren Drüsenganges. Fig. 17. Physaloptera Sinsinoi. Hinterleibsende des Männchens von der Bauchfläche. Fig. 18. Rhabditis Lumbriculi. Larve. Tafel XXXI. Ascaris osculata. Fig. 1-5. Querschnitte des Oesophagus. Beginn der subventralen Drüsen. Mündungen der dorsalen und subdorsalen Drüsen. Mitte des Oesophagus. Mündung der subventralen Drüsen. Gegend der 3 Ventilklappen. d= dorsale Drüse, sd = subdorsale, sv» = subventrale. Querschnitt durch den Oesophagus-Anhang. Längsschnitt durch Oesophagus (ö) und Anhang (a), vo=Ventil- klappe. Längsschnitt durch den Vorderkörper, ö= Oesophagus, b = Blinddarm, d= Darm, @a= Anhang des Oesophagus, u —= un- paare Drüse, k = deren Kern. Querschnitt durch den Blinddarm (b), « = Zapfen in demselben. Querschnitt durch Darm (d) und unpaare Drüse (2) mit Kern (k); s — Seitenfeld. . Nerv und Ganglienzelle. Querschnitt durch das Oesophageal-Ganglion (ög), rn = Rücken-, bn = Bauchnerv, ö—= Oesophagus, z = unpaare Drüse, s=Seiten- feld. Querschnitt durch den Bauchnerv (br), e = eontractile Substanz, m —= Marksubstanz des Muskels, n = Nerv. Erste Anlage der weiblichen Geschlechtsorgane von Ascaris deeipiens. «= Vagina, b = Üteri, c = Övarien, 534 F. Brandis: Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. Von Dr. F. Brandis (Proy.-Irrenanstalt Nietleben b. Halle a/S.). III. Der Ursprung des N. Trigeminus und der Augenmuskel- nerven. Hierzu Tafel XXXTI. =. N. Triegeminns: Der sensible Theil dieses Nerven entspringt wie bei den Säugethieren aus dem Ganglion Gasseri, welches hier dem Hirm- stamme ziemlich nahe anliegt. Aus ihm zieht ein kurzer breiter Nervenstamm nach innen und senkt sich ungefähr in der Ebene des proximalen Randes des Kleinhirnschenkels in den Hirnstamm ein. Hier theilt sich dann der sensible Nerv in zwei Abthei- lungen, von denen die eine proximalwärts, die andere distalwärts weiterzieht. Die letztere, die spinale Wurzel, lässt sich bis zu den Hintersträngen des Rückenmarks verfolgen. Wie schon früher näher beschrieben wurde, bemerkt man hier, dass die Fasern des lateralen Theiles der Hinterstränge des Rückenmarks beim Uebergange in die Medulla oblongata sich lateralwärts wenden und längs .der dorsalen Peripherie, zum Theil auch durch das Hinterhorn hindurch nach aussen ziehen. Das letztere ver- breitet sich gleichfalls bedeutend und rückt immer mehr lateral- wärts und zugleich ventralwärts, je mehr sich einerseits der vierte Ventrikel öffnet und je mehr andererseits der innere Theil der Hinterstränge an Umfang zunimmt, welcher, wie erwähnt, weiter proximalwärts zum Acustieusursprung in Beziehung tritt. Wir finden daher weiter cerebralwärts die graue Substanz des Hinterhorns zum Theil begrenzt, zum Theil auch durchzogen von den ziemlich kräftigen Fasern des lateralen Theiles der Hinter- stränge nach innen von der direkten Kleinhirnseitenstrangbahn. Die besprochenen Hinterstrangfasern biegen hier allmählich aus ihrer transversalen in eine sagittale Verlaufsrichtung um, bilden dlann medianwärts der Kleinhirmseitenstrangebahn einen ziemlich Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 535 umfangreichen und dicht geschlossenen Complex, welcher sich in einer schmaleren Schicht ziemlich weit nach innen ausdehnt und die vom Hinterhorn abstammende graue Substanz dorsal- wärts begrenzt. Einzelne Züge dieser Fasern finden sich auclı in der ventralen Begrenzung jener grauen Substanz, und etwas weiter cerebralwärts wird diese rings von den zugehörigen Faser- zügen eingeschlossen, doch liegt immer eine dichtere Ansamm- lung von diesen zwischen der Peripherie und der grauen Sub- stanz. Ihrer Zusammensetzung nach scheint diese letztere, soweit Carminfärbung darüber Aufschluss giebt, aus einer dichten, fein- granulirten Grundsubstanz zu bestehen, welche ungleich vertheilte, zerstreut liegende mittelgrosse Zellen enthält, die zum Theil dunkelgefärbt, eckig und dabei gewöhnlich von länglicher Form sind, zum Theil aber hell und bläschenförmig erscheinen; die Kerme dieser Zellen sind rund und ziemlich umfangreich. Nach der Golgischen Methode behandelt zeigte sich jedoch jene Grundsubstanz als aus einem sehr diehten Filz feiner Fasern be- stehend, aus welchem emzelne zu den markhaltigen umgebenden Fasern traten und, wie man an Sagittalschnitten sah, ihrem pro- ximalwärts gerichteten Verlaufe sich anschlossen. Die Zellen wurden durch diese Fasern fast ganz überdeckt und nur sehr spärlich und unvollkommen imprägnirt. Zahlreiche feine markhaltige Fasern ziehen durch die graue Substanz hindurch und verlieren sich auch zum Theil in ihr, in- dem sie dieselbe mit der Umgebung in Verbindung setzen. Noch weit auffälliger sind jedoch an Golgi'schen Präparaten solehe Fasern, die vom inneren Rande der grauen Substanz in die be- nachbarte Formatio retieularis hinein ausstrahlen. In soleher Form bildet der beschriebene Complex die von Kölliker sogenannte spinale Wurzel des Trigeminus, welche nun dicht geschlossen weiter cerebralwärts zieht. Sie wird in dorso-ventraler Richtung von zahlreichen fibrae arcuatae durch- zogen, die zum corpus restiforme verlaufen, und etwas weiter proximalwärts kreuzt sie der intracerebrale Vagus — und dann der Glossopharyngeusstamm in mehreren Strängen von innen nach aussen verlaufend. Cerebralwärts davon liegt die spinale Trigeminuswurzel ventralwärts von den Fasern des N. vestibularis, wird dann aber wieder von den Facialisfasern dicht vor deren Austritt durch- 536 BP. Brandis: quert, proximalwärts davon ziehen die zum Kleinhirnschenkel aufsteigenden fibrae arcuatae in breiter Bahn von ventralwärts nach dorsalwärts durch sie hindurch. Während dieses Verlaufes cerebralwärts wird die graue Substanz der Wurzel allmählich immer weniger umfangreich, so dass in dieser Höhe bereits fast nichts mehr von derselben sicht- bar ist, während sich die Zahl der Fasern deutlich vermehrt hat. Die Lage dieser letzteren beginnt jetzt sich zu ändern, indem die mehr nach innen gelegenen etwas weiter dorsalwärts rücken, diese machen dann von dem ganzen Complexe fast regel- mässig auch den Anfang, eine Richtung mehr lateralwärts ein- zuschlagen, biegen bald gänzlich nach aussen und dabei zugleich etwas ventralwärts um und erreichen die Peripherie des Quer- schnitts, durch welehe sie hindurch treten. (Fig. 2, s. V.) Etwas weiter proximalwärts folgen ihnen dann allmählieh auch die übrigen Fasern in der Weise, dass die am weitesten. ventralwärts gele- genen am weitesten cerebralwärts vordringen, ehe sie sich end- lich zur Peripherie umwenden. Die Strecke des Nerven von der Umbiegung bis zur Durchtrittsstelle ist in jedem Falle nur eine sehr kurze, jedoch sieht man auf dieser an Golgi’schen Prä- paraten nicht selten, wie sich hier die einzelnen Fasern gewöhn- lich spitzwinklig in zwei Aeste theilen, die Gesammtzahl der ge- theilten Fasern ist jedoch im Verhältniss zu derjenigen der un- getheilten immer nur eine geringe. Grössere Unterschiede im Bau und in der Lage zeigt die spinale Trigeminuswurzel in den verschiedenen Ordnungen der Vögel nicht, nur die Stärke derselben, die sich im Umfang der grauen Substanz und in der Zahl der Fasern ausdrückt, wechselt in gewissen Grenzen, ist aber ganz abhängig von der Ausbildung les peripherischen sensiblen Trigeminus; sie ist daher besonders umfangreich bei den Entenarten und auch beim Flamingo, deren Schnäbel zu einem feinen, vom Trigeminus innervirten Tastorgane umgewandelt sind. Grössere Verschiedenheiten zeigt derjenige Theil der sen- siblen Trigeminuswurzel, welcher sich innerhalb des Hirnstammes dorsalwärts und zugleich cerebralwärts wendet. Er findet sein Ende in einem ziemlich umfangreichen, gut begrenzten Kerne, welcher im äusseren und dorsalen Theile des Querschnittes des Hirnstammes ziemlich nabe der Peripherie und ventralwärts vom Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 97 Kleinhirnschenkel gelegen ist. Nicht selten schliesst sich dieser sogenannte sensible Trigeminuskern proximalwärts unmittelbar an die spinale Wurzel an, von welcher er jedoch immer deutlich getrennt bleibt, und diese Lage muss wohl als die ursprüngliche angesehn werden, gewöhnlich hat er sich jedoch dorsal- und cerebralwärts weiter von ihr entfernt, so dass die von ihm her- kommenden Fasern, welche stets in unmittelbarer Nachbarschaft der Nervenfasern der spinalen Wurzel den Hirnstamm verlassen, erst eine kürzere oder längere Strecke caudalwärts und ventral- wärts verlaufen müssen (Fig. 3, f. n. s.). Da sie fast immer zum Theil ventralwärts jener Fasern durch die Peripherie hin- «durch treten, so müssen sie dieselben ihrer mehr dorsalwärts gele- genen Herkunft gemäss dicht an der Durehtrittsstelle kreuzen, Auch zwischen ihnen sieht man an Golgi’schen Präparaten ein- zelne spitzwinklig getheilte Fasern. Was nun den sensiblen Trigeminuskern anbetrifft, so schwankt dessen Grösse in jedem Durchmesser besonders auch im sagittalen in bedeutenden Grenzen. Während er sich gewöhnlich von aussen her garnicht bemerkbar macht, bildet er doch bei einigen Enten (Fig 5, ». s.) eine bedeutende Hervorwölbung an der seitlichen Peripherie des Hirnstammes, welche von der Eintrittsstelle des sensiblen Trigeminus bis ventralwärts vom lobus optieus reicht. Medialwärts wird er von emem Faserzuge begrenzt, welcher aus dem Kleinhirnschenkel ventralwärts hervorkommend und dann etwas nach innen umbiegend in den Hirnstamm hineinzieht. Nach aussen hin ist die Grenze des Kernes gewöhnlich weniger scharf, sie wird hier von Faserzügen gebildet, welche parallel der Peri- pherie in einer geringen Entfernung von derselben dorsalwärts in den Kleinhimschenkel ziehen, doch überschreiten einzelne grössere und kleinere Zellgruppen, die in einem lockeren Verband mit dem Trigeminuskerne stehend den äusseren Theil desselben bilden, häufig jene Grenzschicht und breiten sieh bis dieht an die Peripherie aus. Die Zusammensetzung des Kernes ähnelt im Ganzen der- jenigen der grauen Substanz der spinalen Wurzel, jedoch sind die Zellen hier durchschnittlich grösser und liegen in dichterer Anordnung. Auch hier erscheinen die Zwischenräume der Zellen bei Carminfärbung von einer gleichförmig granulirten Grund- substanz ausgefüllt, an deren Stelle man an Golgi'schen Präpa- 538 FF, Brandis: raten ein ganz dichtes Gewirr feinster markleser Fäserchen er- bliekt. Man findet aber auch sehr zahlreiche markhaltige Fasern, die theils von der ventralen Seite her in den Kern eindringen und dann sich theilend ihre Markschicht verlieren, theils aber auch den ganzen Kern durchziehend und sich vielfach kreuzend an der inneren Grenze desselben sich ansammeln, von wo sie mit der ganzen Umgebung in Verbindung treten und unter anderen, wenn auch in geringer Anzahl in den Kleinhirnschenkel einzu- dringen scheinen. Bedeutend zahlreicher aber und in jedem Falle zu eonstatiren sind zahlreiche Fasern, die von der inneren Peri- pherie des Kernes einzeln verlaufend nach der Mittellinie zu ziehen, zum Theil die Bindearme des Kleinhirns kreuzen, dann sich gleich- zeitig etwas dorsalwärts wenden und ziemlich dicht unter der grauen Substanz des Ventrikels im leiehten Bogen zur Raphe gelangen. Nachdem sie den dorsalen Theil dieser letzteren, einige auch die Fascieuli longitudinales posteriores gekreuzt haben, wen- den sie sich auf der gegenüberliegenden Seite ventralwärts und ver- lieren sich dort in der Formatio retieularis, in welcher sie wahr- scheinlieh proximalwärts weiterverlaufen. In diesen Fasern dürfte man wahrscheinlich die centrale Bahn des sensiblen Trigeminus- kernes vor sich haben, während die Fasern, welche auf derselben Seite und in der Umgebung jenes Kernes bleiben, Verbindungen mit Zügen spinaler Herkunft einzugehen scheinen oder aber zu den motorischen Kernen fast sämmtlicher Hirnnerven in Beziehung treten dürften. Betrachtet man die Verschiedenheiten des sensiblen Trige- minuskernes in der Reihe der Vögel, so findet man, dass sie sämmtlich nur auf dem Unterschiede in der Grösse des Kermes beruhen, da es von dieser abhängt, ob der Kern nahe an die Durchtrittsstelle des Nerven herantritt oder sich mehr gegen den Kleinhirnschenkel zurückzieht. Ebenso ist die mehr proxi- male oder distale Lagerung des Kernes im Verhältniss zur Ge- sammtlage des Trigeminus nur eine Folge seiner Grössenverhält- nisse. Auch die Zusammensetzung der Kerne ist eng mit diesen verbunden, da in umfangreicheren Kernen die Zellen auch relativ zahlreicher und näher an einander gelagert zu sein pflegen. Ebenso wie der Umfang der spinalen Wurzel des sensiblen Quintus hängt auch die Grösse seines Kernes ganz von der Aus- breitung des dazu gehörigen peripherischen Nerven ab, die ihrer- Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 539 seits wieder mit der Lebensweise des betreffenden Vogels in sehr engem Zusammenhange steht. Wir erhalten demnach ungefähr folgende Reihe der unter- suchten Vögel, wenn wir dieselben nach der Ausbildung der intra- cerebralen sensiblen Trigeminustheile ordnen. Am umfangreichsten sind diese, wie schon erwähnt, bei den Entenvögeln, denen der Flamingo sehr nahe steht; dann folgen Schnepfenähnliche Vögel in verschiedenen Stufen, darauf die Tauben, dann Raubvögel und Papageien, bei Cypselus ebenso bei den untersuchten Sperlingsvögeln ist die Ausbildung schon bedeutend schwächer, und schliesslich folgen die Hühner und Möven. In dem zweiten Theile dieser Ärbeit war bei der Beschrei- bung des Funiceulus solitarius erwähnt worden, dass eine nicht unbeträchtliche Anzahl von dessen Fasern nicht in der Bahn des N. glossopharyngeus «das Gehirn verlässt, sondern seine Lage an der inneren Peripherie des kleinzelligen Kernes beibehaltend weiter proximalwärts zieht, mit diesem Kern allmählieh weiter nach aussen rückt, aber auch nach dem Verschwinden desselben als ein deut- liches geschlossenes Faserbündel etwas ventralwärts vom vierten Ventrikel bis zu der Höhe sichtbar bleibt, in welcher die spinale Trigeminuswurzel den Hirnstamm zu verlassen beginnt. Hier wendet sich jener Rest der Fasern des Funieulus solitarius ven- tralwärts und zugleich etwas nach aussen, vereinigt sich aber nicht, wie oben angenommen wurde, mit dem sensiblen Quintus, sondern legt sich, wie erneute Untersuchungen ergeben haben, indem er wieder etwas caudalwärts zieht, dem in dieser Höhe noch sichtbaren äusseren Theil des intracerebralen N. facialis dorsalwärts an und zieht mit diesem zur Peripherie. Wahrschemlich entspricht dieser Faserzug jenem Bündel, welches Martin!) bei Katzenembryonen gefunden hat, und wel- ches nach ihm dem Facialis angehörend und aus dem Ganglion genieuli entspringend von der spinalen Quintuswurzel her an jener Stelle in die aufsteigende Glossopharyngeuswurzel einläuft, wo diese im verlängerten Marke caudalwärts umbiegt. Gehen wir nun zu der Beschreibung des motorischen Tri- 1) Die Entwicklung des IX.—XII. Kopfnerven bei der Katze von Paul Martin. Anatom. Anzeiger 1891. N. 8. S. 228, 540 MBrandis: geminus über, so fällt uns, wenn wir von distalwärts her aus- gehen, auf dem Querschnitte zuerst ein starker, dieht geschlossener Faserzug auf, welcher in seinem Verlaufe und in seiner Lage dem intracerebralen Facialistheile sehr ähnlich ist, jedoch weiter proximalwärts liegt und sich ferner besonders dadurch von jenem unterscheidet, dass er ventralwärts von der hier zur Peripherie umbiegenden spinalen Quintuswurzel seine Austrittsstelle erreicht, während jener dorsalwärts von derselben verläuft resp. dieselbe schneidet. Vonder Peripherieausziehtder erwähnte Faserzug anfangs (dlorsalwärts und nach innen, biegt dann allmählich im Bogen direkt nach innen um und verläuft dann nahe ventralwärts von den umfang- reichen Faserzügen, die von dem dorsalen Ende der Raphe seitlich ausstrahlen und allmählich etwas divergirend zum Kleinhirnscehenkel und dem Corpus restiforme ziehen. Hier wendet sich der be- schriebene Trigemimuszug etwas caudalwärts, um seinen Kern zu erreichen, der also nicht in derselben Querschnittsebene wie die Austrittsstelle des Nerven liegt. Die Grösse dieses Kernes schwankt bei den verschiedenen Arten der Vögel in bedeutenden Grenzen; ebenso ist seine Lage keine eonstante, er liegt nämlich ventral- wärts von den oben erwähnten dorsalen seitlichen Ausstrahlungen der Raphe, etwas dorsalwärts und nach aussen von dem proxi- malen Theile des Abdueenskernes, bei manchen Vögeln, und dieses ist wahrscheinlich das Ursprüngliche, liegt er diesem Kerne sehr nahe an und ist daher auch der Raphe sehr genähert, während er gewöhnlich sich lateralwärts etwas von diesem Kerne entfernt und mehr nach der Austrittsstelle des zugehörigen Nerven hin gerückt zu sein scheint. Er ähnelt in der Form und Grösse seiner Zellen auffällig denen des Abducenskernes, während er denen des äusseren motorischen Trigemimuskernes gewöhnlich in Bezug auf die Grösse der Zellen etwas nachsteht. Die letzteren pflegen sich verhältnissmässig schwach mit Carmin zu färben und bilden der Hauptmasse nach eine dicht geschlossene Gruppe. Der Nerv tritt an der lateralen Seite in den Kern ein und zer- fasert sich in ihm. An der der Mittellinie zugekehrten Peripherie des Kernes treten vereinzelte Fasern hervor, welche der Raphe zuziehen (s. Fig. 1). Im proximalen Theile des Kernes wird die Lage der Zellen eine lockere, und man findet auch weiter cerebralwärts in dieser Gegend zerstreute Zellen, von denen dann auch einzelne Fasern Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 541 ausgehen, die in ihrem Verlaufe zur Peripherie den äusseren mo- torischen Trigeminuskern kreuzen. Wie der beschriebene Kern zu der Zellensäule des Abducens- kernes in Beziehung zu stehen scheint, hat auch der Faeialis- kern eine proximale Fortsetzung, welche Fasern zum motorischen Quintus sendet. Aus dem zuerst erwähnten kräftigen und autf- fälligen Faserzuge geht nämlich häufig eine nicht unbedeutende Anzahl von Fasern scharf ventralwärts umbiegend ab, bevor jener innere Kern erreicht wird. Ebenso oft ist es ein besonderer Faserzug, der zuerst eine ganz gleiche Richtung wie jener ver- folgt, dann aber sich direkt ventralwärts wendet, wobei die ein- zelnen Fasern des Bündels etwas divergiren. In diesem ventral- wärts gerichteten Verlaufe erreichen die Fasern die Fortsetzung des Facialiskernes, in welche sie von dorsalwärts her eindringen, also in ganz derselben Weise, wie auch die Fasern des N. Fa- cialis ihren Kern erreichen. Häufig ist der Theil der Zellensäule, welcher Fasern zum Trigeminus sendet, von jenem, welcher den Facialis versorgt, durch einen Zwischenraum getrennt, während in anderen Fällen eine Grenze zwischen beiden Theilen nieht zu finden ist. Auch der proximale Abschnitt der Zellensäule zeigt auf dem Querschnitt die scharf begrenzte rundliche Form des Facialiskernes, dieselbe Grösse, Form und die diehte Lagerung der Zellen (s. Fig. 2). Er liegt gewöhnlich ganz isolirt, eine Strecke weit nach’innen von dem äusseren motorischen Kerne, doch kann der letztere sich so ausdehnen, dass er sich demsel- ben nähert oder in seltenen Fällen ihn sogar berührt. Sein Umfang zeigt in der Reihe der Vögel wenig bedeu- tende Verschiedenheiten, doch kann er in einzelnen Fällen ganz fehlen, so habe ich denselben z. B. bei Astur nisus vermisst, während er bei anderen Raubvögeln vorhanden war. Der grösste der motorischen Kerne des N. trigeminus ist der äussere Kern, welcher etwas weiter cerebralwärts als die beiden inneren Kerne und zum grössten Theil ventralwärts von den austretenden Fasern derselben liegt. Ein kleinerer Theil dieses Kern dehnt sieh sehr häufig aber auch weiter dorsalwärts aus und zieht zu beiden Seiten jenes bogenförmigen Zuges eine Strecke weit nach innen. Er nimmt in diesem Falle eine mehr längliche Form an, während er_ sonst auf dem Quersehnitte rund erscheint, obwohl Zellgruppen in unregelmässiger Weise von ihm 542 F.Brandis: aus in die Umgebung dringen. Nach aussen erreicht der Kern ventralwärts von der Durchtrittsstelle des sensiblen Trigeminus fast die Peripherie. Die peripherischen Fasern verlassen den Kern zum Theil und zwar besonders weiter proximalwärts, indem sie in grader Richtung nach aussen und ventralwärts ziehen, weiter distalwärts aber beschreiben sie häufig erst einen kurzen, dorsalwärts gerichteten Bogen und biegen dann nach aussen zur Peripherie um. Sie vereinigen sich nicht zu einem stärkeren Stamme, sondern erreichen die Austrittsstelle, welche ventral von der des sensiblen Trigeminus liegt, in einer ganzen Reihe von einzeinen Faserzügen. (Fig. 3, 4,5. n. ce.) Die Zellen des äusseren motorischen Kernes sind gross und multipolar, ihre Anordnung ist eine ziemlich lockere, auch hier findet man die beiden Zellformen, die sieh gewöhnlich bei Carmin- färbung unterscheiden lassen, die helle bläschenförmige und die dunkle eckige, in veränderlicher Weise unter einander gemischt. Nach Golgi's Methode behandelt zeigen die Zellen ausgedehnte kräftige Protoplasmafortsätze, welehe weit über die Grenzen des Kernes hinausreichen, und einen einfachen Axeneylinder, weleher entweder direkt der Peripherie zuzieht, oder aber erst einen kleinen, gewöhnlich dorsalwärts gerichteten Bogen beschreibt. Die Zellen der inneren Kerne sind zwar kleiner, haben aber die- selbe Form wie die des äusseren Kernes, auch von ihnen konnten Axencylinderfortsätze, wenn auch sehr spärlich, bis zum Austritt an der Peripherie verfolgt werden. Das Fasernetz innerhalb des äusseren Kernes bleibt hinter dem des sensiblen Kernes an Diehtigkeit zurück, doch kann man auch aus ihm Fasern rings in die Umgebung des Kernes ver- folgen. Solche mit längerem Verlaufe sieht man theils direkt im grader Linie der Raphe zu ziehen und diese kreuzen, theils aber sich erst dorsalwärts wenden und längs der dorsalen seitlichen Ausstrahlungen der Raphe medianwärts ziehen. In diesen beiden Fasergruppen wird man wahrscheinlich die Pyramidenfasern des motorischen Trigeminuskernes zu suchen haben. Dass bei den Vögeln ein Theil der motorischen Trigeminus- fasern von einem der Kerne der gegenüberliegenden Seite seinen Ursprung nimmt, wie es bei manchen Säugethieren und auch beim Menschen von den meisten Autoren angenommen wird, er- scheint mir unwahrscheinlich. Man trifft zwar auf den Schnitten Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. »45 zuweilen Fasern an, welche dem motorischen Quintus angehörend, (dureh den äusseren Kern nicht unterbrochen hindurchziehen, sich dann dorsalwärts und nach innen wenden und entlang den dor- salen seitlichen Ausstrahlungen des Raphe dieser sich nähern, doch gelang es niemals diese Fasern bis zur Raphe selbst zu verfolgen, und es erschien bei der geringen Anzahl derselben stets am wahrscheinlichsten, dass sie von dem proximalen Theile des inneren Kernes ausgingen, dessen Zellen ziemlich vereinzelt liegen, wie oben erwähnt wurde. i Ebensowenig wie einen gekreuzten Ursprung des motorischen Theiles des Trigeminus kann ich einen solehen aus der soge- nannten absteigenden Wurzel bei den Vögeln annehmen. Obwohl ich viele verschiedene Arten auf Serienschnitten daraufhin unter- sucht habe, ist es mir nie gelungen, Fasern, welche ihrem Ver- laufe nach einer Mittelhirnwurzel entsprechen könnten mit den Fasern des motorischen Quintus austreten zu sehen. Es ist aller- dings immer ein deutlicher, ziemlich umfangreicher Faserzug vorhanden, welcher von der Gegend des lateralen Winkels des vierten Ventrikels her soweit ventralwärts zieht, bis er die Faser- züge des motorischen Trigeminus erreicht, er. kreuzt diese jedoch ganz dieht an ihrer Austrittsstelle aus dem Kerne in sehr spitzem Winkel, zieht dann bogenförmig um die ventrale Peripherie des Kernes herum und verschwindet hier, indem er anscheinend in den Kern eindringt (Fig. 4 u. 5. r. d.). Es konnte auch an nach Golgi gefärbten Präparaten ganz deutlich erkannt werden, dass von den Fasern jenes Zuges feine Zweige abgehen, die in den Kern eindringen und sich dort verästeln. Es würde demnach dieser Faserzug zwar dem motorischen Quintus angehören, aber nur als eine seeundäre Bahn. Verfolgen wir diese weiter cerebral- wärts, so finden wir, dass dieselbe in ihrem Verlaufe und Ursprung ganz der absteigenden Trigeminuswurzel des Menschen und an- derer Säuger entspricht. Vom motorischen äusseren Kern aus ziehen die Fasern zuerst ziemlich grade dorsalwärts, bis sie dicht unter dem Boden des vierten Ventrikels nahe «dessem lateralem Winkel angelangt sind, hier wenden sie sieh proximalwärts um und verlaufen in sagittaler Richtung bis zu den Querebenen der Trochlearis- und Oculomotoriuskerne, in diesen biegen sie wieder dorsalwärts und etwas nach innen um und treten in das in dieser Gegend sehr dünne Dach des Mittelhirns ein, in welchem sie 544 F. Brandis: weiter proximalwärts ziehen, bis sie in der Höhe des cerebralen Theiles des Oculomotoriuskernes ihre Ursprungszellen erreichen. Diese bilden an der ventralen Fläche des Mittelhirndaches eine flache, auf dem Querschnitt gewöhnlich einreihige, seltener zwei- reihige Zellenschicht, die sich proximalwärts bis in das Gebiet der distalen Commissur ausdehnt. Lateralwärts liegen vereinzelte dieser Zellen auch im Dache des Lobi optiei dicht dorsalwärts von den Ventrikeln derselben, so dass die aus ihnen entspringen- dien Nervenfasern erst eine nicht unbedeutende Strecke weit nach innen ziehen müssen, ehe sie den im dorsalen Theile des Hirm- stammes sagittalwärts verlaufenden Faserzug erreichen. Die Zellen selbst sind intensiv mit Carmin gefärbt, sie erscheinen multipolar, gewöhnlich etwas länglich, sie sind von auffälliger Grösse, die für eine motorische Function sprechen würde, wenn nicht die eigenthümliche Lage im Dache des Ventrikels dem widerspräche. Eine von diesen Zellen aus centralwärts gerichtete Bahn war bisher anatomisch nicht nachzuweisen, dort halte ich ihrer Lage nach eine Verbindung mit den Lobi optiei für am wahrschein- lichsten. Interessant ist, dass Henle beim Menschen wenigstens einen Theil der absteigenden Trigeminuswurzel in den motorischen Kern übergehen lässt. Die Verschiedenheiten des motorischen Quintus bei den ver- schiedenen Ordnungen der Vögel sind bereits erwähnt, soweit sie etwas wesentlicher sind. Unbedeutende Unterschiede zeigen sich ausserdem noch in dem Umfange des äusseren Kernes, wel- cher mit der Funetion der Kaumuskeln in seiner Grösse etwas variirt, so z. B. beim Kernbeisser deutlich stärker ist als bei den Weichfressern. Mit seiner Grösse steht dann wieder der Umfang des von ihm zum Mittelhirn ziehenden Faserzuges in Zusammen- hang. Fassen wir nun noch einmal kurz die Ergebnisse betreffend den intracerebralen Verlauf des N. trigeminus zusammen, so haben wir von dem sensiblen Theile des Quintus gefunden, dass er aus zwei Zügen zusammengesetzt wird, von denen der eine nach kürzerem Verlaufe in dem sensiblen Kerne sein nächstes Ende findet, der andere als spinale Wurzel bis zu den Hintersträngen des Rückenmarkes zu verfolgen ist und in der ihm anliegenden Sänle grauer Substanz endigt. Weder eine gekreuzte sensible Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 545 Trigeminuswurzel noch eine solche aus dem Kleinhirn wurde be- merkt, doch kann die letztere leicht durch Faserzüge vorgetäuscht werden, welehe aus dem Kleinhirnschenkel nahe der Peripherie ventralwärts ziehen und die sensiblen Fasern nahe ihrer Durch- trittsstelle unter spitzem Winkel kreuzen. Der motorische Quintus entspringt bei den Vögeln aus drei verschiedenen Kernen, von denen der medialste wenigstens in naher räumlicher Beziehung zum Abducenskerne steht, der ihm nächste bildet die Fortsetzung des Facialiskernes, und der grösste, äussere Kern liegt zwischen diesem und der Peripherie. Es wurde weder ein gekreuzter Ursprung noch ein wenigstens direkter aus der absteigenden Wurzel angenommen. Von früheren Untersuchern des Trigeminusursprunges der Vögel sind zum Theil einige abweichende Meinungen geäussert, die ich hier nur kurz anführen will. In Bezug auf den sensiblen Theil führt Turner!) noch eine Wurzel aus dem Kleinhirn und Poniatowsky?) eine Wurzel aus dem sensiblen Kerne der anderen Seite auf. Was den motorischen Theil anlangt, so kennt Turner?) bereits den medial gelegenen Kern, während Poniatowsky*) emen inneren Theil des motorischen Kernes anführt, welcher dem in der Fortsetzung des Facialiskernes lie- genden Kerne entsprechen dürfte, und annimmt, dass aus diesem Fasern zum Nerven der anderen Seite hinüberziehen. Auch den Kern der aufsteigenden Wurzel im Mittelhirn beschreibt Turner?) bereits, wenn er auch den weiteren Verlauf derselben nieht kennt, im Gegensatz zu Poniatowsky®), welcher dieselbe aus einem am oberen lateralen Rande des centralen Höhlengraues, auf der Grenze zum Lobus optieus gelegen, kleinzelligen Kern entspringen und nach einer Kreuzung im Velum medullare anticum im late- ralen Theile des centralen Höhlengraues caudalwärts ziehen lässt, 1) Morphology of the avian brain. By C.H. Turner. The journal of comparative Neurology. October 1891. p. 268. 2) Ueber die Trigeminuswurzel im Gehirne des Menschen, nebst einigen vergleichend-anatomischen Bemerkungen. Von A. Poniatowsky. Moskau. Jahrb. f. Psychiatrie.. B. XI. 1892. p. 109. 3]. €, pP. 2,00: ne s)ıl4 ein June 159.7 pT2L 6). 1.11.39. 108: 546 F. Brandis: bis sie im Gebiete des Trigeminuskernes eine ventrale Richtung annehmen und in die motorischen Trigeminusfasern gelangen. Wahrscheintich entspricht der von ihm für den Ursprungskern (der Radix descendens gehaltene Zelleneomplex dem von Perlia!) aufgefundenen Ursprunge des medianen Optieusbündels. b. Nervus abducens. Das distale Ende des Abducenskernes findet man schon in (der Höhe der Vestibularisfasern, noch bevor Theile des N. facialis auf dem Querschnitte erschienen sind. Man sieht hier anfangs ziemlich weit ventralwärts von dem hinteren Längsbündel und la- teralwärts von den Vorderstrangresten längs der Raphe einen auf dem Querschnitt rundlichen Kern mit ziemlich grossen multi- polaren, etwas zerstreut liegenden Ganglienzellen. Weiter proxi- malwärts dehnt sich dieser Kern besonders dorsalwärts aus und erreicht den ventralen Rand der dichten Faserschicht, die von dem dorsalen Ende der Raphe seitwärts ausstrahlt, in welche einzelne Zellen des Kernes auch eindringen (Fig. 2). Der jetzt gewöhnlich etwas langgestreckte Kern wird durchzogen von den einzelnen Faserzügen, die von der Raphe aus lateralwärts ziehen, ferner von solchen, welche aus dem ventralen und lateralen Theile des Querschnittes in schräger Richtung zum dorsalen Rapheende verlaufen. Die Fasern des sechsten Nerven verlassen den Kern an dessen ventraler Peripherie und ziehen in kräftigen Strängen, von denen oft mehrere nebeneinander auf dem Querschnitte sicht- bar sind, ventralwärts und zugleich etwas nach aussen aber auch proximalwärts, so dass distalwärts der Kern eine Strecke weit ohne seine austretenden Fasern sichtbar ist, während proximal- wärts, auch nachdem der Kern bereits sein Ende erreicht hat, noch intracerebrale Abducensfasern auf dem Querschnitte gesehn werden. Mit Carmin gefärbt zeigen die Zellen des’Kernes wieder die gewöhnlich erscheinenden beiden Formen, während sie nach der Golgi’schen Methode behandelt zahlreiche, sich lang aus- dehnende, verzweigte Protoplasmazweige aufweisen und einen kräftigen unverzweigten Axeneylinder, welcher direkt ventral- wärts zieht. Zahlreiche feine Einzelfasern verlassen den Kern I) Ueber ein neues Optieuscentrum beim Huhne. Von Dr. Perlia. Graefe’s Archiv f. Ophthalmologie. Vol. 35. 1889. p. 22 u. f. I Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 54 an seinem medialen Rande, sie lassen sich oft bis zur Raphe ver- folgen, verschwinden aber auf der entgegengesetzten Seite bald zwischen den dichten Faseransammlungen. Ferner geht ein kleiner aber deutlicher Faserzug aus dem dorsalen Rande des Kernes hervor und zieht längs der lateralen Peripherie des Fas- cieulus longitudinalis posterior direkt dorsalwärts fast bis zum Boden des vierten Ventrikels, hier biegt er dann nach innen um und verschwindet in dem anliegenden hinteren Längsbündel, in welches er sich von dorsalwärts her einsenkt. Während der letztbeschriebene Zug wahrscheinlich die Fasern repräsentirt, welche eine Verbindung mit den übrigen Augen- muskelkernen und dem Lobus optieus herstellen, ziehen die nach der Mittellinie zu abgehenden Fasern wahrscheinlich allerdings auf noch unbekannten Wegen cerebralwärts weiter und gleichen somit Pyramidenfasern. Ein Ursprung des Abducens aus dem Kern der gegenüber- liegenden Seite, wie er von einigen Autoren für den Menschen angenommen wird, konnte bei den Vögeln nicht aufgefunden werden; sowohl die gewöhnliche Markscheidenfärbung, wie auch die Golgi’sche Methode, welche grade den Abducenskern mit den davon ausgehenden Nervenfasern verhältnissmässig leicht zur Darstellung bringt, zeigten keine sich kreuzenden Fasern des Nerven. Ebensowenig gab die Marchi’sche Methode nach dieser Richtung hin ein Resultat, welche in der Weise in An- wendung gezogen wurde, dass verschiedenen Tauben der Bulbus einer Seite enucleirt und die betreffende Augenhöhle möglichst von den darin vorhandenen Muskeln und Nerven befreit wurde. Es zeigte sich dann ausser der Degeneration des N. optieus und seiner Adnexe auch eine solche der Augenmuskelnerven und speciell des Abducens, doch liessen sich die stets sehr auffälligen degenerirten Fasern niemals zur anderen Seite hinüberverfolgen. Fasern, die von jenem nahe der seitlichen Peripherie ge- legenen rundlichen Zelleneomplexe, welchen wir früher der oberen Olive vergleichen zu können glaubten, zum dorsalen Theile der Raphe ziehen, berühren den Kern in ihrem Verlaufe nur an seinem äusseren Rande, scheinen aber nicht mit demselben in nähere Verbindung zu treten. Die Gestaltung des Abducenskernes und seiner Fasern ist bei allen Vögeln eine sehr gleichförmige, und selbst die Grössen- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 BB) 548 N, Brandes: verhältnisse schwanken nur in geringen Grenzen. Der Abducens ist in der Klasse der Vögel sehr stark entwickelt, wozu der stets bedeutende Umfang des Bulbus Veranlassung giebt, er entspringt immer von einer Zellensäule die von den Vestibularisfasern bis zu denen des motorischen Quintus reicht; nur die Ausdehnung des Kernes und die Zahl der Fasern auf dem Querschnitte zeigt noch geringe Verschiedenheiten, indem sie bei Vögeln mit ganz besonders grossen Augen, wie z. B. bei Cypselus, bei Falken und bei Eulen bedeutender erscheint als bei den übrigen Gliedern der Klasse. c. Nervus trochlearis. Der Kern dieses Nerven beginnt etwas cerebralwärts von der Querschnittsebene des proximalen Randes der Kleinhirn- schenkel. Er liegt im centralen Höhlengrau sehr dieht dem Ependym des Ventrikels genähert. Distalwärts zeigen sich die Zellen zuerst am dem äusseren Ende des dorsalen Randes der Fascieuli longitudinales posteriores und dehnen sich dann, wenn der Kern weiter proximalwärts anwächst, gewöhnlich medianwärts bis dicht zu dem in der Mittellinie befindlichen Suleus aus. Nicht selten aber auch, wenn die hinteren Längsbündel sich dem Ependym des Ventrikels sehr nähern, erfolgt die Vergrösserung des Kernes lateralwärts, so dass er nach aussen von dem hinteren Längs- bündel liegt (s. Fig. 4) in der flachen Ausbuchtung, mit welcher die centrale graue Substanz hier ventralwärts vorspringt. Die Zellen des Kernes sind gross, sie liegen nicht sehr dieht an- einander, sondern lassen zwischen sich Platz für ein gut ent- wickeltes Fasernetz. Die Zellen färben sich meistens ziemlich intensiv mit Carmin, zeigen die gewöhnlich dabei auftretenden beiden Formen, und auch nach der Golgi'schen Methode be- handelt zeigen sie keine Abweichung von dem Bau der Zellen der übrigen motorischen Nervenkerne. Aus dem Kerne entspringen die Nervenfasern und zwar sammeln sie sich gewöhnlich in dem dorsalen und äusseren Theile desselben. Die eigentliche Austrittsstelle liegt gewöhnlich in der Mitte oder am distalen Ende der Zellensäule, und es ziehen dann die im proximalen Theil des Kernes entspringenden Fasern in einem deutlichen Strange an der dorsalen und äusseren Peri- pherie des Kernes entlang caudalwärts. Von der Austrittsstelle aus dem Kerne ziehen die zu einem starken Stamme vereinigten Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 549 Nervenfasern gewöhnlich nach innen und dorsalwärts, treten von ventralwärts her in das Velum medullare medium (Kölliker) ein, kreuzen sich innerhalb desselben in der Mittellinie mit dem Nerven der anderen Seite und ziehen dann auf dieser lateralwärts weiter, um bald an der dorsalen Fläche des Velum medullare wieder hervorzutreten, worauf dann der Nerv etwas distalwärts ziehend zwischen Kleinhirn und Lobus optieus zur Hirnbasis sich wendet. In der Art des Austretens der Nervenfasern aus dem Kern finden sich jedoch noch einige Modifiecationen; sehr häufig sieht man, das einzelne Fasern oder sehr schwache Bündel aus dem Kerne direkt lateralwärts ziehen, eine grössere oder kleinere Strecke weit innerhalb der grauen Substanz verlaufen und erst dann dorsalwärts umbiegen, um in das Velum medullare einzutreten, in welchem sie dann bis zur Mittellinie medianwärts ziehen müssen, um sich mit der Hauptmasse der Nerven, die aus demselben Kerne entspringt, zu vereinigen. Es hat den Anschein, als wenn man in diesen Fasern Andeutungen an ein ursprüngliches Ver- halten wiederfände, bei welchem die austretenden Nervenfasern den Ventrikel nieht direkt kreuzten um in das Velum zu ge- langen, sondern ihn am Boden derselben hinziehend seitlich um- gingen. Einen ähnlichen Verlauf der gesammten Trochlearisfasern zeigt jetzt noch die Schleiereule (Strix flammea). Die austretenden Nervenfasern ziehen hier innerhalb des Höhlengraues den Boden des Ventrikels entlang bis zu dessen lateralem Winkel, wenden sich dann erst wieder dorsalwärts und nach innen und gelangen in das Velum medullare, welches sie auf diese Weise in seiner ganzen Querausdehnung durchziehen müssen, um an (dem ent- gegengesetzten Ende desselben austreten zu können. Aus dem dichten Fasernetze des Trochleariskernes gehen an der ventralen Peripherie zahlreiche Fasern hervor, die in den anliegenden Fasciculus longitudinalis posterior hineinziehen und sich eine Strecke weit in demselben verfolgen lassen, es gewinnt auf Horizontalschnitten den Anschein, als wenn sie sich dem proximalwärts gerichteten Verlaufe der Fasern desselben an- schlössen. Ferner verlässt eine Anzahl feinerer Fasern den Kern an dessen lateraler und ventraler Peripherie, diese ziehen dann zwischen den Querschnitten der Faserzüge, welche seitwärts der hinteren Längsbündel liegen, ventralwärts und zugleich nach innen, kreuzen sich in der Mittellinie ventralwärts der Fascieuli 550 F. Bräandis: longitudinales und verschwinden auf der gegenüberliegenden Seite weiter ventralwärts ziehend zwischen den Faserzügen in der Nähe der Raphe. Diese Fasern haben wahrschemlich die Function, den Trochleariskern mit höher gelegenen Centren in Verbindung zu setzen. Ringsum, in sehr schmaler Schicht auch auf der dorsalen und medialen Seite wird der Kern von den sehr feinen, unregel- mässig verlaufenden, markhaltigen Fasern des centralen Höhlen- graues umgeben, die auch theilweise in ihn hinein und durch in hindurch ziehen; man findet aber auch einzelne stärkere Fasern, welche vom Kerne lateralwärts ziehen und schliesslich in den Lobus optieus derselben Seite gelangen. Dass die Nervi trochleares mit sämmtlichen Fasern aus dem Kerne der gegenüberliegenden Seite entspringen, kann man schon leicht an nach Weigert gefärbten Präparaten feststellen, ebenso wurde es auch durch die oben erwähnten Experimente festgestellt, danach Enucleation des Auges und Ausräumung der Augenhöhle auch der betreffende N. trochlearis stets bis zu dem Kerne der gegenüberliegenden Seite degenerirt, und auch in diesem selbst sich zahlreiche nach Marchi gefärbte Degenerationsprodukte finden. Unterschiede, die in der Reihe der untersuchten Vögel in Be- treff des Trochlearis und seines Ursprunges gefunden wurden, sind bereits erwähnt worden. Dieser Nerv ist wie die übrigen Augenmuskelnerven bei sämmtlichen Vögeln sehr gut entwickelt, so dass sich Grössenunterschiede nur durch genaue Messungen und Zählungen nachweisen lassen könnten, bei der einfachen Be- obachtung aber nicht zu constatiren waren. d. Nervus oculomotorius. Der Kern des N. oculomotorius bildet gewöhnlich die direkte Fortsetzung des Trochleariskernes cerebralwärts oder wird doch nur durch eine etwas zellenärmere Zone von dem- selben getrennt und liegt anfangs an derselben Stelle wie dieser. Weiter proximalwärts aber breiten sich die Zellen besonders nach innen und ventralwärts aus, so dass die Gegend zwischen dem medialen Rande der hintern Längsbündel und dem mittleren Suleus ganz von ihnen eingenommen wird, und sie bis zum dor- salen Ende der Raphe sich erstrecken. Ferner überschreiten Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. Hol weiter eerebralwärts die Grenzen des Oeculomotoriuskernes auch lateralwärts die des Trochlearis, so dass der mediale Theil des eentralen Höhlengraues ungefähr bis zu einem Drittel von dem- selben in Anspruch genommen wird und der dorsale Theil des Faseieulus longitudinalis kappenförmig von dem Kerne be- deekt wird. Der Kern bildet, obwohl von sehr unregelmässiger Form, doch eine ganz einheitliche und zusammenhängende Masse, die sich nieht in eine grössere Anzahl selbständiger Abtheilungen zerlegen lässt, wie sie bei den Säugern durch einige Autoren aufgestellt werden. Nur im proximalen Theile des Kernes sondert sich bei den Vögeln, dorsalwärts und nach aussen von den hintereren Längsbündeln gelegen, ein gut begrenzter Complex von Zellen ab, welehe auch durch ihre geringe Grösse sich deut- lieh von den übrigen Oculomotoriuszellen unterscheiden. Dieser Theil des Kernes dürfte wahrsehemlich den von Edinger und Westphal entdeckten kleinzelligen Mediankernen entsprechen , welehe auch von Kölliker!) und Bernstein?) als constante und relativ selbständige Bestandtheile des Oculomotoriuskernes beim Menschen angesehen werden. Ein ©entralkern wurde bei den Vögeln nicht gefunden. Die Ganglienzellen des Kernes entsprechen in ihrer Form im Wesentlichen den Zellen anderer motorischer Hirnnervenkerne, ihre Grösse ist, abgesehen von derjenigen des dorsalen gesonderten Theiles, eine ziemlich bedeutende; nach Golgi gefärbt zeigen sie zahlreiche, ausgedehnte, verzweigte Protoplasmafortsätze und einen emfachen Axeneylinderfortsatz, sie färben sich mit Carmin zum grössten Theile intensiv, schwächer werden die bedeutend kleineren aber ähnlich geformten Zellen der erwähnten Unter- abtheilung gefärbt. Bei den Vögeln ziehen die zum Nerven sich vereinigenden Fasern nicht wie beim Menschen nach aussen und durch die hinteren Längsbündel hindurch, sondern sie verlaufen am medialen Rande der letzteren entlang erst nach innen und dann direkt ventralwärts, so dass der Nerv zwischen den Faseieuli longitudinales 1) Handbuch der Gewebelehre des Menschen von A. Kölliker. 2. Band, 1. Hälfte. 1893. p. 299. 2) Das Wurzelgebiet des Oculomotorius beim Menschen. Von Dr. Stefan Bernheimer, 1894. p. 34. 552 PF. Brandis: und der Mittellinie den Kern verlässt. Auch aus dem erwähnten kleinzelligen Theile des Kernes sind deutliche Faserzüge zum Nerven hin zu verfolgen (Fig. 7 u. 8). Während in dem am weitesten distalwärts gelegenen Ab- schnitte die beiden Oculomotoriuskerne in der Mittellinie noch gänzlich durch den bis zum dorsalen Rapheende herabreichenden schmalen mittleren Suleus getrennt wird, verkürzt sich dieser weiter proximalwärts zu einem flachen Einschnitte, und die beiden Kerne werden dann durch einen Faserzug, welcher an der Stelle des Suleus in der Mittellinie entstanden ist, getrennt. Dieser Zug besteht erstens aus sehr feinen Fasern, welche aus den late- ralen Theilen des centralen Höhlengraues hervorgehen, dann an der dorsalen Peripherie des Oculomotoriuskernes in schmaler Schicht bis zum Suleus entlang ziehen, sich darauf ventralwärts des letzteren mit den gleichen Fasern der entgegengesetzten Seite vereinigen und in der Mittellinie bis zur Raphe ventralwärts ziehen. Ferner findet man in der Mittellinie kräftige Fasern, die aus dem inneren Theile des Kernes einer Seite entspringen, sich dann im spitzen Winkel dem medianen Faserzuge an- schliessen, um denselben im ventralen Theile auf der entgegen- gesetzten Seite zu verlassen und die innersten Fasern des Oculomo- torius der anderen Seite zu bilden. Es sind also bei den Vögeln grade die inneren Fasern des Nerven, welche einen gekreuzten Ursprung haben, wie es: auch schon van Gehuchten!) bei der Ente nachgewiesen hat, wäh- rend beim Menschen jetzt Kölliker und Bernheimer im Gegen- satz zu Perlia gefunden haben, dass grade die lateralsten Fasern von dem Kerne der anderen Seite entspringen. Innerhalb des Kernes haben die gekreuzten Fasern, wie sich am leichtesten durch die Golgi’sche Methode ‚nachweisen lässt, einen etwas gewundenen Verlauf, beschränken sich aber fast gänzlich auf den der Mittellinie benachbarten Theil des Kernes und ebenso auf die distale Hälfte, da sie weiter proximalwärts allmählich immer spärlicher werden ‚und. schliesslich ganz fehlen. Diese Kreuzung der Nervenfasern und die Art ihrer Vertheilung lässt sich auch leicht durch die oben beschriebenen Experimente mit 1) De l’origine du nerf oculomoteur commun par A. van Gehuch- ten. Bull. de l!’Acad. r. d. sc. de Belgique. 1892. N. 11. p. 497. Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. BhB) Hülfe der Marchischen Methode feststellen. Es zeigte sich dort, dass die inneren Fasern des degenerirten Nerven die Mittel- linie überschritten und in dem Kerne der anderen Seite dorsal- wärts verliefen. Zwischen den Zellen der Oculomotoriuskerne finden sich zahlreiche feine, dieselben einhüllende Nervenfasern, welehe sich besonders dorsalwärts der hinteren Längsbündel zu einem auf- fälligen dichten Geflechte zusammenfinden. Aus diesen inter- cellulären Geflechten gehen einerseits Fasern hervor, welche schräg ventralwärts ziehend, die Mittellinie überschreiten, dann auf der andern Seite auch die austretenden Oculomotoriusfasern kreuzen und in den seitlich der intracerebralen Nerven liegenden Faser- ansammlungen verschwinden. Diese Fasern, welche auch auf der Abbildung (Fig. 8) deutlich hervortreten, entsprechen wahrschein- lich der Grosshirnbahn der Oculomotoriuskerne. Auf der anderen Seite ziehen zahlreiche Fasern aus dem Kerne nach aussen, um sich ähnlich wie beim Trochleariskerne in das anliegende hintere Längsbündel einzusenken. Sie dringen in diesem fast bis zum äusseren Rande vor und schlagen dann eine sagittale Richtung ein, wie sich durch die Golgi’sche Methode ergiebt, sind die meisten derselben Collateralen der Fa- sern des Fasciculi longitudinales posteriores, zu einem geringen Theile scheinen sie aber auch Endfasern zu sein und innerhalb der hinteren Längsbündel proximalwärts weiterzuziehen. Durch diese Fasern würde dann die Verbindung durch den Lobus op- ticus mit dem Tractus hergestellt werden, da die hinteren Längs- bündel, nachdem sie sich in der Commissura distalis gekreuzt haben, in den Lobus optieus der gegenüberliegenden Seite ein- treten, so dass also eine Verbindung zwischen dem gleichseitigen N. optieus und oculomotorius hergestellt würde. Ob die sehr vereinzelten Fasern, welche aus dem Lobus opticus derselben Seite herkommend theils wie beim Trochleariskerne durch die graue Substanz am Boden des Ventrikels hindurchziehen, theils auch die hinteren Längsbündel von der Seite her durchsetzen und in den Oculomotoriuskern eintreten, dort auch endigen und so den Augenmuskelnerv mit dem entgegengesetzten Augennerv in Verbindung setzen, scheint mir besonders wegen der geringen Anzahl dieser Fasern wenig wahrscheinlich. Nur sehr geringe Unterschiede in der Gestaltung des N. 554 F. Brandis: oceulomotorius und seines Kernes sind mir bei den verschiedenen bisher untersuchten Vögeln aufgefallen. Ueberall ist derselbe sehr kräftig entwickelt, der Kern reicht proximalwärts häufig bis in die Nähe der hinteren Commissur. Da die austretenden Nervenfasern, welche ventralwärts vom Kerne in starken einander parallelen Zügen grade ventralwärts und ein wenig lateralwärts verlaufen, wobei einzelne Stränge zuweilen etwas nach aussen von: der. Hauptmasse zu liegen kommen, zugleich auch einen ziemlich stark ..proximalwärts gerichteten Verlauf haben, so er- scheinen sie auf den Querschnitten bereits vor dem proximalen Ende des Kernes und sind bereits wieder verschwunden, ehe das distale erreicht ist. Ein unbedeutender Unterschied zeigt sich zuweilen in der Form des Kernes, so ist z. B. bei der Ente der ventrale Theil besonders umfangreich und reicht soweit lateralwärts, dass er auch die ventrale Peripherie des hinteren Längsbündels umgiebt, wogegen der Theil dorsal des letzteren etwas weniger ent- wickelt ist. Abbildungen auf Tafel XXXIL. Fig. 1. Cypselus apus Vergröss. 1:20 » .2. Picus major. 5 110 „ 93. Lanus argenteus 1 re) „ 4. Coccothranstes vulgaris juv. 1:10 „ 5. Aras querquedula h 1:10 „ 6. Astur nisus " 1:10 „ 7. Cypselus apus a 4:12 „ 8 Astur nisus e ae) Abkürzungen. “ “2 E te | Theil des Quintus. n. a. = innerer Kern des motorischen Quintus. n.b. = mittlerer Kern desselben, proximale Fortsetzung des Facialis- kernes. n. c. = Äusserer Kern des motorischen Quintus. n.s. = sensibler Kern. f. n.s. = Fasern des sensiblen Kernes. r.d. = Radix descendens. b,c. = Brachium conjunetivum, Untersuchungen über das Gehirn der Vögel. 595 n. VI. = Nervus abducens. nucl. VI. Kern desselben. n. IV. = Nervus trochlearis. d. Kreuzung derselben. n.t. = Trochleariskern. n. III. = Nervus oculomotorius. n. oc. = Kern desselben. f. !. p. = Faseciculus longitudinalis posterior. v. — Ventrikel. Centrosoma und Attraktionssphäre in der ruhenden Zelle des Salamanderhodens. Von Dr. Bernhard Rawitz, Privatdocenten an der Universität Berlin. Hierzu Tafel XXXIL. Die Untersuchungen, über deren Resultate ieh in den fol- genden Zeilen berichten will, wurden an Salamanderhoden angestellt, welche bei praller Füllung der «die Spermatosomen enthaltenden Abschnitte eine völlige oder fast völlige Ruhe in den Zellen der an dieselben angrenzenden Partieen zeigten. Die Thiere waren Ende April eingefangen, kamen also zur Be- arbeitung zu einer Zeit, in weleher die Geschlechtsthätigkeit noeh in vollem Gange ist, während die Einleitung der Sper- matogenese durch » die Theilung der ersten Zellgeneration noch nieht oder nur ganz vereinzelt statt hat. Diese Angaben voraus- zuschicken war nothwendig, weil die Beobachtungen, die ich veröffentlichen will, an wirklich ruhenden Zellen angestellt sind und auch nur für diese Geltung haben. Wirkliche Ruhe in den Zellen des Salamanderhodens trifft man aber meines Er- achtens nur dann, wenn die Spermatogenese beendet ist und die Samenmutterzellen wieder ihre normale Grösse erlangt haben. Daher können Organe, welche Salamandern in den letzten Sommer- monaten und im Winter entnommen werden, noch nicht als wirk- lich ‚ruhende“ bezeichnet werden. 956 Bernhard Rawitz: Fixirt wurden die Hoden in Flemming scher Lösung und gefärbt mit Fuchsin oder Safranım nach vorheriger Behand- lung der Schnitte mit Tannin-Brechweinstein. Diese adjek- tive Verwendung der Anilme, die Herstellung sogenannter Anilinlacke, habe ich zuerst in den ‚„Sitzungsberichten der Ge- sellschaft naturforschender Freunde zu Berlin 18594 No. 7“ kurz beschrieben und ausführlich in der zweiten Auflage meines „Leit- faden für histiologische Untersuchungen‘ auseinandergesetzt). Ich kann daher wohl hier von einer nochmaligen detaillirten Angabe des Verfahrens unter Hinweis besonders auf meinen „Leitfaden“ Ab- stand nehmen. Hoffentlich wird man sich überzeugen, dass die durch die neue Verwendung der ÄAniline erzielte Inversion der Färbung, nach welcher ein Kernfarbstoff zum Plasma- farbstoff wird, Manches, was bei der üblichen Färbetechnik nur wenig deutlich zu sehen ist, klarer und prägnanter in die Er- scheinung treten lässt und dass auch Manches zur Beobachtung gelangt, was sonst sich dem Blicke entzieht. Die einfachsten Bilder liefern die Zellkerne, deren Ver- halten daher zunächst beschrieben werden soll. In den Präparaten, welche auf die oben erwähnte Weise ge- färbt sind, besitzt die chromatische Substanz des Kernes allent- halben in den centralen Partieen der Schnitte — über die pheri- pheren siehe Nachtrag — ein schmutzig gelbbraunes Aussehen (Taf. XXXII, Fig. 1—7); kein Theil derselben zeigt auch nur an- deutungsweise eine Fuchsin- oder Safraninwirkung. Das Chromatin erscheint in Form grösserer und kleinerer, nirgends zu Fäden gruppirter Brocken, welche in ganz unregelmässiger Weise im Kern zerstreut liegen. Die achromatische Substanz, das Linin- gerüst, wird durch überaus feine Fäden dargestellt, die einen zarten Farbenton (in Fuchsin hellrothviolett, in Safranin hellrosa) angenommen haben. Zuweilen scheint es, als ob die Lininfäden ungefärbt geblieben sind oder vielmehr die Färbung der Chroma- tinbrocken besitzen. Es ist dies indessen nur ein Schein, wo- von man bei Anwendung stärkster Vergrösserungen und wieder- holter genauer Beobachtung sich überzeugt. Diese Linmfäden bilden ein ziemlich weites Netzwerk, in dessen Knotenpunkten 1) Rawitz, Leitfaden für histiologische Untersuchungen. Il. Auf- lage. Jena, Gustav Fischer, 1895. Centrosoma u. Attraktionssphäre in d. ruh. Zelle d. Salamanderh. 557 die Chromatinbrocken gelegen sind. Man kann diese Thatsache auch so ausdrücken: es setzen sich die Fäden des Liningerüstes an die Chromatinbrocken an und zwar derart, dass ein jeder der letzteren stets mehrere Fäden erhält. Da wo in den Knoten- punkten des Lininnetzes keine Chromatinbrocken gelegen sind, ist eine leichte Anschwellung vorhanden, die als ein kleiner, dunkler als der Netzfaden tingirter Punkt erscheint. Die Fäden des Lininnetzes setzen sich an die zarte, leicht rothviolett bez. rosa gefärbte Kernmembran an. Diese Ansatzstellen sind fast immer als dunkler tingirte Pünktehen kenntlich (Taf. XXXI, Fig. 2, 3, 4, D). Einen Nucleolus habe ich in meinen Präparaten nicht gesehen. Die Lagerung der Kerne in den Zellen ist in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle eine zum geometrischen Mittelpunkte der Zelle excentrische. Man findet daher auch an einer Seite der Kerne die Hauptmasse der Zellsubstanz, während an der diametral gegenüberliegenden nur ein schmaler Zellsub- stanzsaum dem Kern aufliegt (Taf. XXXIH, Fig, 2 und 4). Soviel vom Kern, der in jeder Zelle dasselbe Aussehen besitzt. Ich wende mich zu dem eigentlichen Gegenstande dieser Mittheilung, zur Beschreibung der Verhältnisse, die nach adjek- tiver Verwendung der basischen Aniline in der Zellsubstanz zu erkennen sind. Betrachtet man einen Längsschnitt durch den Salamander- hoden mit mittelstarker Linse, etwa mit Zeiss D Okular 5, bei welcher Vergrösserung die Figur 1 auf Taf. XXXIII gezeichnet ist, so erkennt man Folgendes: Während die Kerne der centralen Partieen des Schnittes, wie bereits beschrieben, keinen Farbstoff angenommen haben, ist die Zellsubstanz ziemlich intensiv gefärbt. Und zwar entspricht ihr Farbenton dem Tone, den sonst bei sub- stantiver Färbung!) die chromatische Substanz in Fuchsin bez. Safranin anzunehmen pflegt. Ohne weiteres erkennt man ferner, wie dies Figur 1 Taf. XXXII in getreuer Nachbildung mit aller wünschenswerthen Deutlichkeit zeigt, dass in der Zellsub- sanz dunkelrothviolett (in Fuchsin) bez. dunkelroth (in Safranin) 1) Hinsichtlich der Ausdrücke „substantive und adjektive Fär- bung“ verweise ich auf meinen Leitfaden 11. Aufl. Kap. VII 58 Bernhard Rawitz: gefärbte Körper von kugeliger Gestalt und gleicher Grösse vor- handen sind, welche eben in Folge ihrer intensiven Tinetion das mikroskopische Bild beherrschen. Soweit sich bei der ver- wendeten mittleren Vergrösserung erkennen lässt, erscheinen diese intensiv gefärbten Körper homogen. Die Zellsubstanz, deren netzartige Struktur man schon bei Zeiss 3D andeutungsweise zu erkennen vermag, ist um die erwähnten kreisrunden Körper herum dichter gefügt und bildet somit einen Hof um dieselben, der weniger intensiv als die Körper, aber intensiver als. die übrige Zellsubstanz gefärbt ist (Taf. XXXIIL, Fig. 1). Nicht in jeder Zelle ist ein solcher intensiv tingirter Körper sichtbar; ich habe in Fig. 1 auf Taf. XXXIII, in welcher zwei Cystenwandungen des Hodens wiedergegeben sind, einige der Zellen mit = bezeichnet, in welchen man zwar einen Kern aber keinen dunkel gefärbten Körper zu erkennen vermag. Bei auf- ınerksamer Betrachtung der Figur wird man noch mehr der- artige Zellen antreffen. Andererseits aber finden sich auch Zellen, in denen der Kerm fehlt, während die intensiv gefärbten Körper vorhanden sind. Einige dieser Zellen sind durch den Buchstaben y hervorgehoben. Endlich sieht man Zellen, welche weder einen Kern noch einen dunkel gefärbten Körper enthalten; die- gelben führen den Buchstaben z. Dieses ungleiche Verhalten ist oftenbar eme Folge davon, dass nicht jede Zelle der Cysten- wandung in gleicher Weise in den Schnitt gefallen ist. Bei der. verschiedenen Orientirung der Zellen, verschieden namentlich auch zur Schnittrichtung, ist es erklärlich, dass die einen Zellen ganz, die andern nur theilweise in den Schnitt fallen und dass die letzteren je nach der Stelle, welche getroffen wird, ein ver- schiedenes Verhalten darbieten. Diese‘ [dunkel tingirten Körper sind. die Attraktionssphären der ruhenden Hodenzelle. Sie erschemen in Folge der gewählten Färbungsmethode mit einer, ich möchte sagen, geradezu verblüffenden Deutlichkeit. Keine andere Methode als die adjektive Verwendung der Ani- line zeigt ‘mir die Sphären so klar, weder das Flemming sche Orangeverfahren noch die Hämatoxylinlacke. Durch die letz- teren, sowohl die Kupfer- wie die Eisenlacke, erhielt ich nur wenig befriedigende Bilder, während das Orangeverfahren bei aller Brauchbarkeit doch nicht genügend zuverlässig ist. Nament- Centrosoma u. Attraktionssphäre in d. ruh. Zelle d. Salamanderh. 559 lich wirkt bei dieser Methode der Umstand störend ein, dass häufig krystallinische Niederschläge von Orange beim Einbringen der getärbten Schnitte in Alkohol entstehen, infolge wovon eine Beobachtung nahezu unmöglich wird. Die in der Orange- lösung differenzirten Schnitte müssen aber direkt in Alkohol übergeführt werden; wäscht man sie erst in Wasser aus, so miss- lingt nach meinen Erfahrungen die Färbung stets. Bei adjektiver Verwendung der Aniline hat man.aber ein Misslingen der Färbung nie zu fürchten, wenn man nur die von mir in meinem „Leit- faden“ angegebenen Vorschriften genau befolgt. Betrachten wir nunmehr die Sphären, um deren Detail kennen zu lernen, mit starken Linsen !). Man erkennt zunächst bei deren Anwendung, dass die Sphären ganz homogen sind (Taf. XXXIIL Fig. 2, 3, 4a). Nie- mals zeigt sich im ihrem Innern auch nur die Andeutung irgend einer Struktur, weder einer fädigen noch einer granulären. Auch eine Scheidung m Mark- und Rindenzone (zone medullaire, zone cor- ticale), wie sie van Beneden und Neyt für die Sphäre des Ascarisei beschrieben haben, ist nicht zu heobachten, alle Partieen der Sphären haben die gleiche Beschaffenheit. Genau im Centrum der kugeligen Sphäre, nur sehr selten excentrisch gelegen, findet sich ein scharf conturirtes dunkles Korn, das stets deutlich sicht- bar ist und zuweilen knopfartig über die Oberfläche der Sphäre zu prominiren scheint (Taf. XXXIIL, Fig. 2, 3,4 cc). Dies Korn ist das Centrosoma, das in allen Sphären ohne Ausnahme vor- kommt und immer nur in der Einzahl vorhanden ist. Auch das Centrosoma ist durchaus einheitlich, ein Innenkorn, wie solches Boveri am Ascarisei beobachten konnte, ist hier nieht vorhanden. Der Durchmesser der Sphäre beträgt meist 4, 5 u, selten mehr, niemals weniger; das Centrosoma misst 1 u. Um die Sphären bildet, so wurde vorhin gesagt, die Zell- substanz einen dunkler tingirten Hof. Derselbe kommt dadurch 1) Ich konnte mich dazu einer ganz ausgezeichneten homo- genen Immersion von Zeiss (Apochromat Apertur 1,50, Brennweite 15 mit den Compensationsocularen 6, 8, 12) bedienen, deren An- schaffung mir durch ein mir von der hiesigen medieinischen Faeultät gewährtes Stipendium aus der Gräfin Luise Bose-Stiftung ermöglicht wurde. Ich erfülle nur eine angenehme Pflicht, wenn ich der Fa- eultät für dieses Stipendium öffentlich meinen Dank abstatte, 560 Bernhard Rawitz: zu Stande, dass einmal die Fäden der Filarsubstanz hier sehr dicht liegen, so dass nur wenig Interfilarsubstanz vorhanden ist (Taf. XXXIH, Fig. 2, 3, 4 p), und dann dadurch, dass die Maschen des Filarnetzes eoncentrisch zur Sphäre angeordnet sind (Taf. XXXIIL, Fig. 2, 4 p). Nur einmal (Fig. 3 p) sah ich die der Sphäre benachbarte Zellsubstanz von halbmondartiger Gestalt; auch hier aber war die Filarsubstanz sehr dicht, deren Maschen also sehr eng. Diese dichtere Zusammenfassung des Mitoms und die meist concentrische Anordnung bedingen ausser jener Hof- bildung auch die dunklere Tinetion dieser in allen Zellen aus- nahmslos vorhandenen Partie, die sich daher ziemlich scharf von der übrigen Zellsubstanz abhebt. Von der Sphäre fort werden die Maschen des Mitoms grösser bei sich gleich bleibender Dieke der Fäden, diese erscheinen deutlicher und es zeigen sich die Maschen gar nicht mehr nach einer bestimmten Richtung orientirt. Das Filarnetz ist ein unregelmässiges, die sich kreuzenden und mit einander verbundenen Fäden bilden ungleich grosse Maschen; in den Knotenpunkten der Fäden sind häufig kleine punkt- förmige Verdiekungen wahrzunehmen (Taf. XXXII, Fig. 4). Je weiter das Filarnetz von der Sphäre entfernt ist, um so weiter werden auch die Maschen. Die Anwendung stärkster Linsensysteme lehrt ferner, dass der Contur der Sphären kein gleichmässiger ist, d. h. im op- tischen Durchsehnitte keine geschlossene Kreislinie bildet, sondern dass er eine unregelmässig zackige Beschaffenheit besitzt (Taf. XXXII, Fig. 3, 4a). Das kommt daher, dass sich die Fäden der Zellsubstanz an die Sphäre ansetzen und dass diese Ansatz- stellen eine leichte dreiseitige Verbreiterung besitzen (Taf. XXXII, Fig. 3, 4a). Doch bewirkt, wie schon bemerkt, dieser Ueber- sang der Fäden der Zellsubstanz in die Attraktionssphäre keine fadige Struktur der letzteren. Man kann daher auch sagen, dass die Sphäre die Ursprungsstelle der Fäden ist. Verfolgt man das Filarnetz in die Nähe des Kernes, so sieht man, in den einen Zellen deutlicher, in den anderen we- niger deutlich, dass die Fäden der Filarsubstanz sich in den Kern fortsetzen. Die beigegebene Fig. 4 auf Taf. XXXII zeigt diese Thatsache am klarsten, gut tritt sie auch in der Figur 7 hervor, während sie in Fig. 2 und 3 nicht scharf sichtbar ist. Die Fäden treten an die Kernmembran heran, und zwar an jene punktartig Centrosoma u. Attraktionssphäre in d. ruh. Zelle d. Salamanderh. 561 erscheinenden Verdickungen, welche die dem Kerninnern zuge- wandten Ansatzstellen des Lininnetzes bezeichnen. An diesen Stellen tritt. also .dasıMitom in direkte, Verbin: dung mit der sogenannten achromatischen Sub- stanz des Kernes. Ob es sich hier um eine blosse Anein- anderlagerung handelt oder um eine wirkliche Verschmelzung beider Fadenarten, das lässt sich, da diese Verhältnisse sehr in- trieater Natur sind und es grosser Aufmerksamkeit bedarf, sie überhaupt zu erkennen, schwer entscheiden. Genaues Studium der einschlägigen Bilder hat mich zu der Ueberzeugung geführt, dass wir es hier mit einer wirklichen Verschmelzung und nieht mit einer blossen Aneinanderlagerung zu thun haben. Es haben also, so kann man die hier beschriebenen That- sachen auch ausdrücken, das Fadengerüst des Kermes, aus wel- chem ein Theil der achromatischen Spindel wird, und das Faden- gerüst der Zellsubstanz einen gemeinsamen morphologischen und somit auch wohl physiologischen Mittelpunkt in der Attraktions- sphäre, diese bildet für jene den Vereinigungs- bez. Ausgangs- punkt. Es erübrigt noch die Beschreibung der Lage der Attraktions- sphäre innerhalb der Zellsubstanz. Man kann im Allgemeinen sagen, dass die Sphäre meist in der Nähe des Kernes liegt (Taf. XXXII, Fig. 2, 3, 4, 6), doch finden sich auch Zellen, in wel- chen die Entfernung zwischen Sphäre und Kern eine recht be- trächtliche ist. In Fig. 1 Taf. XXXII ist mit einem Stern (*) eine Zelle bezeichnet, deren Kern ziemlich die Mitte der Zelle einnimmt, während die Sphäre in einer Ecke gelegen ist. Da die Figur mit dem Zeichenapparate entworfen ist und da die Sphären und die Kerne peinlich genau eingetragen sind, so kann man an dieser Thatsache, welche einigermaassen den herrschenden Auffassungen von der Anlagerung der Sphären an den Kern wider- spricht, nicht zweifeln. Auch in Fig. 7 zeigt die kernhaltige Zelle, dass die Attraktionssphäre mit dem Centrosoma in grösserer Ent- fernung vom Kerne liegt, als dies sonst zu beobachten ist. Findet sich nun auch die Sphäre meist, wenn schon nicht immer, in der Nähe des Kernes, so liegt sie doch diesem niemals dieht an. Vielmehr ist zwischen ihr und dem Kern mindestens noch der dureh die concentrischen Maschen ausgezeichnete Ab- schnitt der Zellsubstanz gelegen (Fig. 2, Fig. 6 linke Zelle, 562 Bernhard Rawitz: Taf. XNXXIID. Meistens aber ist ausser dem dunklen Hofe noch gewöhnliche Zellsubstanz, «d.h. Zellsubstanz mit unregelmässigen Maschen, zwichen Sphäre und Kern vorhanden (Taf. XXXII, Fig. 3, 4, 6 rechte Zelle). Auch finde ich niemals eine Einbuch- tung des Kernes gewissermaassen als Bettung der Sphäre, da in meinen Präparaten der Kern stets kreisrund begrenzt ist. Die Sphäre liegt ferner meistens in der Hauptmasse der Zellsubstanz, also in jener Partie, welche dem schmalen den Kern an seinem äusseren Abschnitte (d. h. demjenigen, welcher dem Zelleontur benachbart ist) überziehenden Saume diametral gegen- über liegt (Taf. XXXIIL Fig. 2,5). Doch kommen auch hier Ausnahmen vor, wie Fig. 4 lehrt, in welcher die Sphäre in einem schmalsten Abschnitte der Zellsubstanz sich findet. Denkt man sich durch das Centrosoma und die Sphäre eine Axe so gelegt, dass beide halbirt werden, und denkt man sich diese Axe so verlängert, dass sie durch die Mitte des Kerns geht, so wird dieser und mit Ah die ganze Zelle in zwei symmetrische Hälften zerlegt. Die bilaterale Symmetrie der Zellen ist hier überall deutlich A pwehn, wovon man sich durch einen Blick auf die Figuren 2, 3 und 4 Taf. XXXIII sofort überzeugen kann, wenn man sich in Gedanken die Axe construirt. Ich stimme also ganz mit Flemming überein '), der auf pg. T11 der unten ci- tirten Abhandlung diesen von vanBeneden der Zelle vindieirten Bau als thatsächlich bestehend anerkennt. Nur ist in meinem Objeete bloss ein Centrosoma vorhanden; jede Zellhälfte besitzt daher auch nur eine halbe Sphäre und ein halbes Centrosoma. In den vorstehenden Zeilen sind die normalen Verhältnisse der Attraktionssphäre und des Centrosoma der ruhenden Hoden- zelle geschildert worden. Als „normal“ sind dieselben darum zu betrachten, weil sie in den meisten Zellen stets in der gleichen Weise vorkommen und in jedem Präparate zu beobachten sind, während die Abweichungen sich immer nur auf wenige Zellen beschränken und in manchen Präparaten ganz fehlen können. Manche Sphären weichen von der Norm dadurch ab, dass sie Erscheinungen darbieten, die vielleicht auf einen Zerfall oder auf eine beginnende Theilung hindeuten. So war z. B. eine 1) Flemming, Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. II. Theil. Dies Archiv Bd. 37, Heft 4. Centrosoma u. Attraktionssphäre in d. ruh. Zelle d. Salawanderh. 565 Sphäre bisquitförmig eingebogen; die beiden Enden des Bisquits waren dunkler gefärbt als der eingeschnürte Theil. Ein Centro- soma fehlte hier. Die Sphäre stand in. direktem Zusammenhange mit den Fäden der Filarsubstanz. Eine andere Sphäre besass ein unregelmässig gelapptes Aussehen bei deutlich erkennbarem Öentrosoma. In einem dritten Falle endlich erschien die Sphäre wie in vier Theile zerspalten; sie war viereckig und in den vier Ecken lagen vier kreisrund begrenzte dunkle Körper, während das Centrum von dem Centrosoma eingenommen wurde. Die die dunklen Körper verbindende Innenschicht war blasser gefärbt als jene. Stets bildete, das sei ausdrücklich noch bemerkt, die Zell- substanz auch um die anormalen Sphären den bekannten dunklen Hof und niemals bot der Kern Theilungserscheimungen dar. Interessanter aber und wichtiger als die eben erwähnten Abweichungen, welche wohl nur den Werth von Kuriositäten beanspruchen können, sind die jetzt zu beschreibenden That- sachen. In Fig. 5 Taf. XXXIL ist eine Zelle abgebildet, deren Kern nur theilweise in den Schnitt gefallen ist. Die Sphäre, welche ein deutlich erkennbares Centrosoma besass, hatte Keulengestalt. Der runde Theil der Keule, in welchem das Centrosoma lag, war dem Kern zugekehrt; um ihn zeigte die Zellsubstanz die bekannte concentrische Anordnung der Maschen. An der dem Kerne abgewandten Partie ging die Sphäre in einen schmalen, aber scharf ausgeprägten Stiel über (Taf. XXXII, Fig. 5 k), dessen Färbung genau diejenige der Sphäre war. Dieser Stiel war bis zur Zellgrenze zu verfolgen, an welcher er mit hartem Contur unvermittelt abbrach und so sich der weiteren Unter- suchung entzog. Dieses ganz eigenthümliche Bild wird durch die nächsten Beobachtungen erklärt. Man trifft nämlich (Taf. XXXII, Fig. 6, 7, 8%) relativ häufig, häufiger jedenfalls als die oben erwähnten Abweichungen, Sphären, welche dadurch mit einander in Verbindung stehen, dass die eine einen durch die ganze Zelle sich erstreckenden Fortsatz besitzt, der auf der Zellgrenze mit dem gleichen Fortsatze der Sphäre einer anderen Zelle verschmilzt. Es sind also zwei Sphären benachbarter Zellen mit einander ver- bunden. Die mit einander communieirenden Sphären, von denen Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 44 36 564 Bernhard Rawitz: stets jede das ihr zukommende Centrosoma besitzt (Taf. XXXIL, Fig. 6—8 c), haben nicht immer die gewöhnlich zu beobachtende Gestalt. Manche sind vielmehr bisquitartig oder sonst leicht un- regelmässig gebaut. Stets ist um jede dieser Sphären der be- kannte dunklere Zellsubstanzhof zu beobachten. Die schwanzartige Verlängerung der Sphären, durch welche die Communication zu Stande kommt (Taf. XXXIH, Fig. 6—8 %), hat stets dieselbe Färbungsintensität wie die Sphäre und ist daher deutlich zu er- kennen. An den Sphären ziemlich von der Breite derselben ver- schmälert sie sich dann rasch und hat an der Grenze zwischen beiden Zellen ihren geringsten Durchmesser. Die Länge des jeder Sphäre zugehörigen Abschnittes des Communieationsstranges, welcher durch die Zellgrenze gegeben ist, hängt. ab von der Entfernung der Sphäre von der Zellgrenze. Und da diese Ent- fernung bald grösser, bald geringer ist, so ist auch der entfallende Absehnitt des Communicationsstranges entsprechend grösser oder kleiner. Ein Blick auf die Figuren 6—S der Tafel XXXIII er- läutert das eben Gesagte. Der Communieationsstrang findet sieh nieht immer in der gleichen Ebene mit den Sphären, sondern verläuft zuweilen wellig gebogen, so dass man den Tubus des Mikroskops heben und senken muss, um ihn genau verfolgen zu können. Die letztere Thatsache erklärt die in Fig. 5 abgebildete Erscheinung. Hier brieht der Fortsatz der Sphäre plötzlich ab und ist nieht weiter zu verfolgen. Offenbar bog er in eine andere Ebene um als die in den Schnitt gefallene, um sich mit einem gleichen Fortsatze einer zweiten Zelle zu vereinigen. Die Communicationen zweier Sphären tragen stets denselben Charakter und nur dadureh ist ein Unterschied hervorgerufen, dass in manchen Zellen der Kern nicht mit in den Schnitt ge- fallen ist. Man trifft daher folgende «drei Combinationen an: beide Zellen mit Kern (Fig. 6); eine Zelle mit, die zweite ohne Kern (Fig. 7); beide Zellen ohne Kern (Fig. 8). Eine Vereinigung von mehr als zwei Sphären habe ich in den Präparaten, welche von Aprilhoden angefertigt waren, nie gefunden; in Junihoden dagegen -— dies sei der Vollständigkeit halber hinzugefügt — traf ich gelegentlich Vereinigungen von drei und mehr Sphären. Centrosoma u. Attraktionssphäre in d. ruh. Zelle d. Salamanderh. 565 In den vorstehenden Zeilen habe ich kurz die thatsächlichen Befunde geschildert, welche ich an meinem Materiale durch die neue (adjektive) Verwendung der basischen Aniline erhalten habe. In welcher Weise und in welchem Maasse sich dieselben mit den von anderen Forschern mitgetheilten Beobachtungen decken oder ihnen widersprechen, soll nachstehend erörtert werden. Die für die hier zur Beschreibung gekommenen Verhältnisse in erster Linie in Betracht zu ziehende Abhandlung ist die aus dem Flemming’schen Institute stammende von Meves: „Ueber eine Metamorphose der Attraktionssphäre in den Spermatogonien von Salamandra maeculosa“ !). Was zunächst die Vereinigung zweier Sphären anlangt, so beschreibt Meves auf pg. 174 ff. der eitirten Abhandlung unter dem Namen „Sphärenbrücken“ an Spermatocyten des Julihodens genau dasselbe, was ich hier mitgetheilt habe, und bildet seinen Befund auf Taf. XI, Fig. 641. c. ab. Gleich Meves bin auch ich nicht in der Lage, eine Erklärung für die ganz sonderbare Thatsache der Communication zweier oder mehrerer Attraktions- sphären zu geben. Meves erwägt, ob es sich um eine primäre oder eine sekundäre Verschmelzung handelt. Die letztere weist er a limine ab, ohne Gründe für sein Abweisen zu geben. Zur Erklärung des primären Zusammenhanges zweier Sphären meint er, dass sich die Sphären auf den äquatorialen Kernseiten in den Spermatoeyten so reconstituirt haben: „dass die hier regelmässig im Zwischenkörperchen vereinigten Centralspindelfasern zu beiden Seiten der Kernmembran mit einander verschmelzen. Der Central- körper könnte durch den von der Centralspindel passirten Kern- binnenraum .... zu der, auf der äquatorialen Kernseite angesam- melten Sphärenmasse hin gelangen.“ Und es soll dann der durch das Flemming’sche Zwischenkörperchen hergestellte Zusammen- hang zweier Centralspindeln sich auch nach der Rückkehr zur Ruhe erhalten. Bei der Communication von mehreren Sphären hätte man dann an die Residuen pluripolarer Theilungen zu denken. Mit diesem Erklärungsversuche weiss ich, offen gestanden, nichts anzufangen. Es ist ja möglich, dass die Communication 1) Meves, Ueber eine Metamorphose ete. Dies Archiv Bd. 44 Heft 1. . 566 Bernhard Rawitz: zweier Attraktionssphären nichts weiter darstellt, als den Rest der auch nach beendeter Theilung erhaltenen Centralspindel, nur ist dann auffallend, dass die Communication so ganz ausser dem Bereiche der Kerne gelegen ist, während sie doch als Theilungs- residuum mindestens in der nächsten Nähe der Kerne sieh finden müsste. Es ist aber auch möglich, dass sich die Sache ganz anders verhält. Wie die Vereinigung zweier Sphären zu Stande gekommen ist, sieht man den Präparaten nicht an, und auf Pos- sibilitäten möchte ich mich nicht einlassen. Immerhin aber ist die Thatsache interessant genug, um eine eingehende Beschrei- bung zu rechtfertigen; sehr häufig scheint sie auch nicht zu sein, da, soweit ich sehe, die Beobachtungen vonMeves und mir die einzigen hierüber bis jetzt vorliegenden sind. Im Anfange seiner Arbeit beschreibt Meves die „consoli- dirten“ Attraktionssphären der Spermatogonien und bildet seine Beobachtungen in seinen Figuren 1—6 ab. Nach ihm erscheinen die Sphären meist kreisrund oder oval begrenzt oder sind in ihrer Gestalt der Oberfläche des Kernes angepasst. Sie variiren in ihrer Grösse ziemlich stark und sind gegen die Umgebung „durch eine membranartige Umhüllung scharf abgegrenzt“ (pg. 12111. e.). Diese Membran kann gelegentlich in Folge ihrer Dieke die Erscheinung doppelter Conturirung hervorrufen, zuweilen ist aber auch die Umhüllung durch einen Kranz von voluminösen Körnern gebildet. An den Sphären ist ferner eine Mark- und eine Rindenzone im Sinne van Beneden’s zu unterscheiden. Die Siehtbarmachung der Centrosomen gelang ihm nicht in allen Fällen und von seinen hier in Betracht kommenden Abbildungen zeigen auch nur Fig. 1 und 2 ein Centrosoma. Aus diesem kurzen Referate ist leicht zu ersehen, dass die Angaben von Meves und die meinigen zwar in der prineipiellen Frage des Vorkommens und der Gestalt der Attraktionssphären im wesentlichen übereinstimmen, dass wir aber hinsichtlich des an den Sphären zu beobachtenden Details in allen Punkten von einander abweichen. Um zunächst das Uebereinstimmende hervorzuheben , so möchte ich darauf aufmerksam machen, dass, wenn ich mich nieht täusche, die Abbildungen von Meves (l. ec. Taf. VII, Fig. 1 und 2) und die meinigen die ersten sind, welche die Attraktionssphäre in der ruhenden Zelle des Salamanderhodens Centrosoma u. Attraktionssphäre in d. ruh. Zelle d. Salamanderh. 567 in ihrer vollen Grösse wiedergeben. Allenfalls könnte noch eine Abbildung hier mitgerechnet werden, welehe Benda auf Taf. I seines Atlasses veröffentlicht ). Fig. 5A in dem eben genannten Werke stellt eine Spermatogonie m Ruhe dar. Die Attraktions- sphäre wird in der Figurenerklärung als „Nebenkern (Archiplasma)* bezeichnet und liegt einem zwerchsackförmig eingebogenen Kerne dieht an. Indessen ist in der Benda schen Figur das Bild der Sphäre ein ganz verschwommenes, (die Grenzen sind nicht klar, sie ist nur etwas diehter granulirt gehalten als ihre Umgebung, in die sie sich verliert, und ausserdem fehlt das Centrosoma. Sonach entsprieht die Benda’sche Figur nicht den Verhältnissen, wie sie in Wirkliehkeit sind; sie zeigt auch, nebenbei bemerkt, die Ueberlegenheit der von mir angewandten adjektiven Anilinfärbung vor der gewöhnlichen substantiven Methode.;, Die Abbildungen, mit welehen F. Hermann seine Abhandlung „Beiträge zur Histologie des Hodens“ illustrirt ?) ——- ich meine besonders die Figuren 14, 15 und 16 — geben darum keine riehtige Vor- stellung von der Sphäre der ruhenden Zellen des Salamander- hodens, da sie aus Zellen stammen, welche sich zur Theilung anschieken. Aus den Meves’schen und meinen Figuren geht hervor, dass die Attraktionssphäre ein Gebilde von reeht be- trächtlichem Umfange ist, das sich in jeder ruhenden Hoden- zelle bei Salamandra findet, und aus meinen Angaben folgt, dass ausnahmslos in jeder Sphäre ein Centrosoma vorhanden ist. Ich komme nun zu den Differenzpunkten. Meves behauptet, dass die Sphären in ihrer Gestalt oft der Oberfläche des Kernes angepasst sind, wovon ich niehts ge- sehen habe. Eine bezügliehe Abbildung giebt Meves nieht. Ferner theilt er mit, dass die Grösse der Sphären ziemlich stark varjirt, während ich als constantes Maass für dieselben 4,5 u ge- funden habe, das nur in Bruchtheilen von einem Mikron schwankt. Ich glaube diese Differenz darauf zurückführen zu sollen, dass die besonders grossen Sphären, welehe Meves ]. ce. auf Tat. VII in Fig. 3—6 abbildet, gequollen sind und dass diese Quellung vielleicht als der Ausdruck der noch nicht vollendeten Reeon- 1) ©. Benda und Paula Günther, Histologischer Handatlas. Leipzig und Wien; Franz Deuticke, 18%. 2) F. Hermann, Beiträge zur Histologie des Hodens. Dies Archiv, Bd. 34, 568 Bernhard Rawitz: stituirung nach der von ihm beschriebenen höchst interessanten und merkwürdigen Metamorphose der Sphären aufzufassen ist, In meinen Präparaten, in welchen von einem Sphärenzerfall bez. einer Sphärenreconstitution nichts zu sehen war, erschienen, wie ich noch einmal hervorheben will, die Sphären alle gleich gross. Ein dritter Differenzpunkt zwischen Meves und mir be- steht darin, dass jener Autor den Sphären eine Membran vin- dizirt, die zuweilen ziemlich diek sein soll, während ich in meinen Präparaten von einer solchen Membran nicht nur nichts sehen, sondern sogar einen direkten Zusammenhang der Sphäre mit dem Cytomitom constatiren kann. Und ein vierter Differenz- punkt ist der, dass Meves an den Sphären eine Mark- und eine Rindenzone im Sinne van Beneden’s unterscheidet, wäh- rend ich in den Sphären nur je ein central gelegenes Centro- soma erkenne, sonst aber eine durchaus homogene Beschaffen- heit finde. Zur Erklärung dieser sich scharf gegenüberstehenden An- gaben muss ich die folgenden Erörterungen vorausschieken. Diejenigen Figuren von Meves, welche mit den meinigen die relativ beste Uebereinstimmung zeigen und für die hier be- sprochenen Fragen auch allein in Betracht kommen, sind die Fig. 1 und 2 auf Taf. VII l.c. Nach der Tafelerklärung ist Fig. 1 nach einem Präparate gezeichnet, das nach dem Flem- ming’schen Orangeverfahren, Fig. 2 nach einem solchen, das mit Eisenhämatoxylin nach M. Heidenhain gefärbt war. Nun sind beide Methoden dadureh charakterisirt, dass nach einer Ueberfärbung der Gewebe eine Differenzirung vorgenommen werden muss: bei dem Flemming’schen Verfahren werden die mit Safranin und Gentiana überfärbten Schnitte in Orange, bei dem Hämatoxylineisenlack in der Beize entfärbt, d.h. diffe- renzirt. Und hierin erblieke ich eine Gefahr. Weil man, wie der Ausdruck gewöhnlich lautet, die Differenzirung beherrscht, d. h. es in der Hand hat, dieselbe zu jeder Zeit abbrechen zu können, hat man meines Erachtens niemals die unbedingte Ge- währ, dass man gerade im richtigen Momente die Entfärbung beendet. Man kann entweder zu viel Farbstoff ausgezogen haben oder zu wenig; im eısteren Falle sind Theile entfärbt, also Strukturbilder ausgelöscht, die bei richtig abgepasster Differen- zirung sich noch als gefärbt darstellen würden, im letzteren Falle Centrosoma u. Attraktionssphäre in d. ruh. Zelle "d. Salamanderh. 569 sind Theile gefärbt geblieben, die eigentlich hätten entfärbt werden müssen, deren Sichtbarkeit daher zu falschen Schlüssen verleiten kann !. Und auch dann wird keine grössere Sicher- heit gewonnen, wenn man die Entfärbung unter dem Mikroskope kontrolirt; denn das soll ja eben erst festgestellt werden, was sich mit der gewählten Methode färbt und was nicht, darum darf man die Entfärbung nieht nach Belieben unterbrechen. Thut man dies aber und zieht man aus einem auf diese Weise willkürlich hergestellten Präparate bestimmte apodiktische Schlüsse, sagt man: dies ist nicht gefärbt, also ist es nicht da, und umgekehrt, so macht man eine petitio prineipi. Zu wenig und zu viel öntfärben kann man ganz gut mit dem Ueber- und Unter- exponiren der photographischen Platte vergleichen; zu wenig entfärbte Schnitte sind gewissermassen überexponirt, zu viel ent- färbte sind unterexponirt. Und wie weder die über- noch die unterexponirte Platte ein getreues Photogramm liefert, ebenso- wenig geben die nach Willkür entfärbten Schnitte unbedingt zuverlässige Bilder. Es ist ferner allgemein anerkannt, dass sich bestimmte Regeln für die Erzielung eines normal entfärbten Präparates nicht aufstellen lassen, am allerwenigsten bei den Hämatoxylinlacken, da die Schnelligkeit der Entfärbung oft von Ursachen abhängig ist, die ausserhalb des Machtbereiches des Beobachters liegen, z. B. von der individuellen Neigung der Objeete die Farbstoffe fester oder weniger fest zu halten. Ganz anders liegt dagegen die Situation bei der von mir ein- geführten adjektiven Verwendung der basischen Aniline. Die durch die Tannin-Brechweinsteinbeize vorbehandelten Objeete binden einen Theil des Farbstoffes chemisch, was namentlich bei den Hämatoxy- linlacken, mit Ausnahme bei der Weigert schen und bei der Pal’- 1) In dem mir soeben zugehenden 2. Hefte des 29. Bandes der „Jenaischen Zeitschrift für Naturwissenschaft“ findet sich eine Ab- handlung von Drüner: „Studien über den Mechanismus der Zell- theilung“. Ich habe bisher nur die technischen Angaben lesen können und finde, dass der Autor nach Anwendung des Hämatoxylinchrom- lacks von R. Heidenhain mit Safranin nachbehandelt und mit salz- saurem Alkohol auszieht. Einen rechten Zweck für die Safraninnach- färbung vermag ich nicht einzusehen; die Differenzirung mit. salz- saurem Alkohol aber muss nothwendig unkontrolirbare Resultate liefern. Ich halte diese Combination für eine vom färberischen Standpunkte aus verfehlte. 570 Bernhard Rawitz: schen Methode, durchaus nicht der Fall ist. Im Alkohel, in den die Objeete nach der Färbung zur Entwässerung eingebracht werden, wird nur der Farbstoff aufgelöst, der nieht chemisch an die Tannin- Breehweinsteinbeize gebunden war, diejenige Farbstoffmenge da- gegen, welche in die Lackbildung eingegangen ist, bleibt unge- löst. So erhält man eine relativ echte Färbung: relativ, weil die Aniline überhaupt keine echten Farben liefern und weil protrahirte Behandlung der Sehnitte in Alkohol (mehrere Tage lang) sie schliesslich entfärbt. Wenn man aber die gefärbten Schnitte im Alkohol nur so lange lässt, bis keine Farbstoffwolken mehr ausgehen, bis also der nicht gebundene Farbstoff entfernt ist, dann erhält man als Resultat eine chemische, also exakte und demgemäss unbedingt zuver- lässige Färbung. Wenn ich mich nun zu den Meves schen Angaben zurück- wende, so kann ich auf Grund der obigen Auseinandersetzungen unsere Differenz leicht erklären. Die Meves’schen Angaben basiren offenbar auf Präparaten, die zu stark entfärbt waren. Unzweifelhaft ist dies der Fall bei seiner Fig. 2 1. e., die nach einem Hämatoxylinpräparate (Eisenlack) gezeichnet ist. Hätte Meves noch etwas länger entfärbt, so würden auch die letzten Conturen der Sphäre verschwunden sein und nur noch das Cen- trosoma wäre gefärbt geblieben, wie bei den Figuren in den Arbeiten von M. Heidenhain über Leukoeyten und Riesen- zellen. Weniger stark entfärbt ist das Präparat gewesen, von dem die Fig. 1 ]. e. stammt; aber auch hier zeigt die Sphäre bereits eine ungleichmässige Färbung in Folge der Orangewirkung, durch welche Meves zur Annahme der Mark- und Rindenzone veranlasst wurde. Wie sehr meine Methode der von Meves gebrauchten überlegen ist, geht aus der Angabe des Autors hervor: „Der Nach- weis des Centralkörpers bereitet nicht unerhebliche Schwierig- keiten“ (pg. 122, 1. c.). Ich habe das nicht gefunden, vielmehr kann ich in meinen Präparaten in jeder Sphäre mit Leichtig- keit das Centrosoma erblicken. Diese Sicherheit im Nachweise des Centrosoma stützt aber meines Erachtens nicht unwesentlich die obigen Deduktionen. Der letzte Differenzpunkt endlich mit denjenigen Angaben von Meves, welche auf die von mir hier behandelten Fragen Centrosoma u. Attraktionssphäre in d. ruh. Zelle d. Salamanderh. 571 Bezug haben, betrifft die Zellsubstanz. Auf pag. 124 alinea 3 l. e. heisst es: „Die Zellsubstanz weist in Zellen mit konso- lidirter Sphäre eine meistens ziemlich dichte Filarsubstanz auf. Nieht selten ist eine radiäre Anordnung um die Sphäre deutlich zu eonstatiren,“ Ganz im Gegensatze dazu zeigen meine Prä- parate (Fig. 2—8, Taf. XXXIII) eine concentrische und niemals eine radiäre Anordnung der Zellsubstanz um die Sphäre, durch die eoncentrische Orientirung der Maschen des Filarnetzes ent- steht jener oben erwähnte dunkle Zellsubstanzhof. Leider kann ich für diesen Widerstreit der Angaben keine Erklärung bei- bringen, sie stehen vielmehr unvermittelt einander gegenüber. Von den vielen und treffliehen Arbeiten anderer Autoren, die sich mit den Attraktionssphären der Hodenzellen beschäftigen, glaube ich hier absehen zu können, weil keine derselben die Sphäre der ruhenden, sondern stets die der unmittelbar vor oder nach der Theilung stehenden Zellen behandelt. Es hat aber meines Erachtens keinen Sinn, in eine Discussion der ver- schiedenen Befunde einzutreten, wenn diese nicht an einem gleich- werthigen Materiale gewonnen sind. Und offenbar befindet sich die wirklich ruhende und die unmittelbar vor der Theilung stehende Zelle in physiologisch so ungleichen Zuständen, dass schon a priori eine morphologische Differenz zu erwarten ist. Ich werde bei einer späteren Gelegenheit auf das Verhalten der Sphäre bei der Theilung zurückkommen und gedenke dann den hier nicht berücksichtigten Forschern gerecht zu werden. Nur mit einem Autor muss ich mich noch auseinandersetzen, dessen Untersuchungen zwar nur auf Leukoceyten und Riesenzellen sich beziehen, der aber seinen an dieselben geknüpften theoreti- schen Erwägungen offenbar eine so allgemeine Gültigkeit vindieirt, dass sie nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Es ist dies M. Hei- denhain, der in seiner letzten umfangreichen Arbeit !): „Neue Untersuehungen über die Centralkörper und ihre Beziehungen zum Kern- und Zellprotoplasma‘ eimgehend die Bedeutung der Begriffe „Centrosoma“ und „Attraktionssphäre“ diseutirt. Die Richtig- keit seiner thatsächlichen Angaben in dieser letzten und einer 1) M. Heidenhain, Neue Untersuchungen. ete, Dies Archiv Bd. 43. 572 Bernhard Rawitz: früheren Arbeit!) kann ich weder bestätigen noch bestreiten, da ich das Material, das M. Heidenhain verwendet hat (Leu- koeyten und Riesenzellen), hier wicht behandelt habe. Wohl aber muss ieh mich manchen seiner Folgerungen entgegensetzen und glaube damit einer von ıhm selbst ausgegangenen Aufforderung nachzukommen (efr. Neue Untersuchungen ete. pg. 637 [102)). Er sagt im der in diesem Archiv veröffentlichten Abhand- lung auf pg. 637 Folgendes von den Üentrosomen aus: „Sie zeigen in hohem Maasse die Neigung Gruppen zu bilden, wobei sie innerhalb der Gruppe durch eine bei Gelegenheit ihrer Ver- mehrung zwischen ihnen sich ausspinnende Substanz aneinander gekettet sind. Sie können entweder für sich allen oder als (Gruppe vereimigt die Ursprungspunkte für die Fäden eines cen- trirten Systemes abgeben.” DBezieht der Autor diese Sätze nur auf die Zellen, in welchen Gentrosomen gruppen vorkommen, also auf die Riesenzellen, dann sind meine folgenden Bemerkungen gegenstandslos. Verstehe ich ihn aber recht, misst er seinen, im Original gesperrt gedruckten, Worten eine allgemeine Geltung bei, dann ist er im Irrthum. Gruppen können doch nur da sich bil- den, wo mehr als zwei Centrosomen vorhanden sind; wo aber nur zwei vorkommen, kann auch keine Neigung zur Gruppenbildung vorhanden sein. Und wo gar nur ein Centrosoma sich findet, wie in der ruhenden Zelle des Salamanderhodens, kann man erst recht nicht von einer „Neigung Gruppen zu bilden“ reden. Wenn also eine solche Neigung sich nur auf eine ganz bestimmte Zellenart beschränkt, darf man, will man anders der Sprache nicht Gewalt anthun, nicht sagen, dass die ÖCentrosomen „in hohem Maasse“ die Neigung zur Gruppenbildung erkennen lassen. Und nimmt noch dazu das Objekt, an welchem man zu einer solehen Auf- fassung gelangt ist, eine so exceptionelle Stellung ein, wie die Riesenzellen, dann müsste man doppelt vorsichtig in der For- mulirung seiner Auffassung sein. Ganz im Gegensatze zu M. Heidenhain muss ich den Centrosomen eine Neigung zur Gruppenbildung absprechen und zwar darum, weil sie in den Hodenzellen, wenigstens normaler- 1) M. Heidenhain, Kern und Protoplasma; in: Festschrift zum 50jährigen Doctorjubiläum des Herrn Geheimrath Prof. Dr. von Kölliker. Leipzig, Wilhelm Engelmann, 1892. Centrosoma u. Attraktionssphäre in d. ruh. Zelle d. Salamanderh. 575 weise, nur in der Einzahl vorhanden sind. Trifft man deren zwei an, so beginnt entweder die Theilung der Sphäre oder es leitet sich deren Zerfall ein, wie das für die hier behandelten Objekte ja bekannt ist. M. Heidenhain bekämpft dann eingehend die Auffassung, dass die Attraktionssphäre ein specielles Organ der Zelle sei, und giebt seiner Ansicht einen prägnanten Ausdruck in dem Satze (pg. 6411. e.): „Die Astrosphäre hat keine Selbständigkeit und ist kein Organ mit demselben Titel des Rechts wie der Kern.“ Zunächst möchte ich mich gegen den Namen „Astrosphäre“ aus- sprechen, der von Strasburger!) stammt. Derselbe ist nicht nur, wie Flemming im den „Ergebnissen der Anatomie und Entwickelungsgeschichte (1594 pro 1595)" ganz zutreffend meint, ein unnöthiger, sondern auch für alle die Fälle, in welchen die Sphäre keinen strahligen Bau zeigt — und dies ist in der ruhen- den Hodenzelle des Salamanders der Fall —, ‘ein unrichtiger. Ich ziehe daher den alten Namen unbedingt vor. Doch gleichgültig, ob man Astrosphäre oder Attraktions- sphäre sagt: die Behauptung, dass die Sphäre keinen Anspruch hat, als selbständiges Organ betrachtet zu werden, steht auf sehr schwachen Füssen, denn sie gründet sich nur auf das von M. Heidenhain anscheinend ausschliesslich untersuchte Objekt, auf die Leukoeyten und Riesenzellen ?). Nur die Beschränkung auf diese beiden Zellarten konnte M. Heidenhain zu folgen- dem Ausspruche führen (l. e. pg. 644): „Eine Astrosphäre kommt dadurch zu Stande, dass die innern Enden der Fäden eines cen- trirten Systems in secundärer Weise durch das Auftreten eines van Beneden schen Körnerstratums gegen die übrigen Zell- bestandtheile hin abgesetzt werden.“ Dieser Satz fällt in sich zusammen, sowie man ein Objeet wählt, dessen Attraktionssphäre 1) Strasburger, Anatomischer Anzeiger. 1893. 2) M. Heidenhain ceitirt eine Angabe von Platner, der im reifen Ei von Aulastomum gulo nur das nackte Centrosoma beobachtet hat. Es kommt mir nicht in den Sinn, diese Angabe Platner’s anzuzweifeln, ich bin überzeugt, er hat wirklich nur das Centrosoma gesehen. Aber das möchte ich bezweifeln, dass die “von Platner angewandte Methodik des Färbens genügte, um die Sphäre sichtbar zu machen. Sein negativer Befund ist so lange kein genügender Beweis für das Fehlen der Sphäre, bis ein solches mit besseren Hülfsmitteln unzweifelhaft dargethan wird. 974 Bernhard Rawitz: keine fädige Struktur besitzt, sondern homogen ist. Im Innern der Sphären der ruhenden Hodenzelle der Salamandra maeulosa ist nichts von einer fädigen Zusammensetzung zu beobachten, von emem van Beneden schen Körnerstratum ist ebenfalls keine Rede, die Fäden des Mitoms treten an die Sphäre heran, mit der sie verschmelzen, verbinden sich aber in keiner Weise mit dem Centrosoma: kurz alle Vorbedingungen für die An- wendbarkeit der Heidenhain schen Sätze fehlen. Damit sind diese aber auch ihres allgemeinen Ckarakters entkleidet, sie können für Leukoeyten und Riesenzellen möglicherweise einige Berechtigung besitzen, mehr aber kommt ihnen nicht zu, und die Frage, ob die Attraktionssphäre ein Organ der Zelle ist oder nicht, ist damit noch nicht beantwortet. M. Heidenhain kann sich allerdings darauf berufen, dass in vielen (somatischen) Zellen eine Sphäre nieht zu beobachten ist, wohl aber ein Cen- trosoma. Diesen Einwand würde ich aus denselben Gründen nicht gelten lassen, aus denen ich in der Fussnote die Verwerth- barkeit der Platner’schen Beobachtung bestritt. Erst müssen wir bessere, zuverlässigere, chemisch exakte Methoden der Färbung besitzen, ehe wir aus einem in einem Falle erhobenen negativen Befunde, der mit einem an andern Objeeten gemachten positiven in Widerstreit ist, wirklich den Schluss ziehen dürfen, dass eine Sphäre nicht vorhanden ist oder dass ihr eine selbständige Be- deutung nicht beigelegt werden kann. Eine solehe zuverlässige Methode ist die Hämatoxylinlackmethode, sind die substantiven Methoden nicht; exakter ist die von mir empfohlene adjektive Verwendung der basischen Aniline, wenn ich sie auch nieht als Panacee für alle Sphären empfehlen möchte ). Und mit der 1) Bei dieser Gelegenheit möchte ich im Vorbeigehen eine Frage berühren, die hier und jetzt zu beantworten ich nicht in der Lage bin, nämlich die Frage nach der Herkunft der Centro- somen. Manche Autoren haben die Behauptung aufgestellt und zu beweisen gesucht, das dass Centrosoma aus dem Kerne stamme und gelegentlich wieder in denselben zurückkehre. Ohne die Richtigkeit des thatsächlich Beobachteten bestreiten zu wollen und auch bestreiten zu können, möchte ich doch einen Zweifel dahin aussprechen, ob es sich in allen solchen Fällen wirklich um ein Centrosoma und nicht um etwas anderes ‚handelte. Die Methoden, welche vielfach zur Färbung angewandt wurden (Alaunhämatoxylin und ähnliche), sind für diese intrieaten Verhältnisse doch gar zu primitiver Art. So ist es mir Centrosoma u. Attraktionssphäre in d. ruh. Zelle d. Salamanderh. 575 hier gebrauchten Methode gelingt es, wie die Figuren auf Taf. XXXIII lehren, die Sphären in einer so prägnanten Weise hervorzuheben, dass schon dadurch der Gedanke an eine besondere und wichtige Stelle, welche sie im Organismus der Zelle ein- nehmen, nahe gelegt wird. M. Heidenhain bringt den Kern als ein besonderes Organ der Zelle m Gegensatz zur Sphäre und giebt wohl nicht bloss semer sondern auch der meisten Histologen Ansicht einen Ausdruck in seinem Schema der Leukoeyten (Fig. 85, Taf. XXXI l.e.). Er lässt in demselben die Fäden der Zellsubstanz um den Kern herumgehen, ohne sie mit demselben zu verbinden. Hier greift eine von mir beobachtete Thatsache ein, die ich als das wichtigste Ergebniss meiner Untersuchungen über die ruhende Hodenzelle betrachte, ich meine den von mir beobachteten direktenZusammenhang des Ovtomitomsmit dem Liningerüst des Kernes. Meine Beobachtung steht nicht vereinzelt da; Reinke hat in der unten eitirten Arbeit!) etwas Aehnliches beschrieben. Er Baatım 409, Leser 35 480: scheinen mir 2: . die Verhält- nisse doch höchst wahrschemlich so zu liegen, dass die Kern- nembran enge Poren besitzt, durch die Verbindungsfäden des Kernplasmas mit dem Zellleibplasma hindurchgehen“. Von den „Poren“ der Kernmembran sehe ich zunächst ab, da ich die Reinke schen Untersuchungen nicht nachgemacht habe. Die z. B. sehr zweifelhaft, ob die Punkte, welche G.Mann (s. dessen vor- läufige Mittheilung im Journal of Anatomy and Physiology, Vol. XXIX. Oct. 1894) in den Kernen von Ganglienzellen abbildet, mit Centrosomen überhaupt etwas zu thun haben. Mann ist seiner Sache selbst nicht sicher, denn er setzt in der Figurenerklärung hinter „Centrosomes“ stets ein Fragezeichen. Was mir in erster Linie gegen die Herkunft vom Kern zu sprechen scheint, sind die Resultate meiner Anilinfärbungen. Durch die von mir mittels der Tannin-Brechweinsteinbeize an den in Flemming’scher Lösung fixirten Objekten erzielte Inversion der Färbung bleiben, soweit bis jetzt meine Erfahrungen reichen, alle chromatischen Kernbestandtheile ungefärbt, während das Centro- soma sich stets ungemein intensiv tingirt und dadurch sehr leicht zu sehen ist. Hat diese Thatsache eine allgemeine Gültigkeit, was erst noch zu erforschen ist, dann würde sie ein nicht unwichtiges Moment für die Entscheidung über die Zugehörigkeit der Centrosomen ab- geben können. 1) Friedrich Reinke, Zellstudien. Dies Archiv, Bd. 48. 576 Bernhard Rawitz: von Reinke als nur „höchst wahrscheinlich“ angenommene Ver- bindung der Zellsubstanz- und Kernplasmafäden behaupte ich mit der Bestimmtheit, mit der man, sich stützend auf eingehende und sorgfältige Untersuchungen, überhaupt etwas behaupten kann. Soviel ich weiss, ist bisher nur bei der Zelltheilung eine direkte Ver- bindung des Cytomitoms mit dem Linin angenommen worden, wäh- rend Beobachtungen darüber, dass ein solehes Verhalten auch wäh- rend der Ruhe vorhanden ist, nicht vorliegen. Ob auch an anderen Zellen ein Zusammenhang des Cytomitoms mit dem Linin statt hat, vermag ich z. Z. nicht auszusagen. Würde sich ein solcher an den somatischen Zellen des erwachsenen Thierkörpers nachweisen lassen, dann dürften. wir genöthigt sein, unsere Auffassungen von der Stellung des Kernes im Leben der Zelle bedeutend zu modi- fiziren. Dann würde der Kern keineswegs die Selbständigkeit besitzen, die ihm von M. Heidenhain zugeschrieben wird, er würde dann nicht mehr, wie gegenwärtig, gewissermaassen als ein Staat im Staate betrachtet werden können. Eine soleh” allgemeine Ausdehnung kann ich meiner Auf- fassung aber nicht geben, nur für die ruhende Hodenzelle be- haupte ich, dass der Kern durchaus kein selbständiges, d. h. völlig unabhängiges Gebilde ist, sondern dass er in innigem Connex mit der gesammten Zellsubstanz steht und wie diese sein Centrum in der mit einem Centrosoma versehenen Attraktionssphäre be- sitzt. Giebt man mir die Richtigkeit meiner Voraussetzung, i. e. meines thatsächlichen Befundes zu — und ich hoffe, dass Nach- untersucher, die mit meimen allerdings umständlichen und zeit- raubenden Methoden zu arbeiten nicht verschmähen, zu den gleichen Resultaten kommen werden —, dann kann man, glaube ich, gegen meine Folgerung nichts einwenden. Ich weiss mir wenigstens aus der konstatirten direkten Verbindung des Cytomitoms mit dem Linin keinen anderen Vers zu machen. Im Gegensatze zu M. Heidenhain also kann ich für die ruhende Zelle des Salamanderhodens — und wohlgemerkt nur für diese — eine völlige Selbständigkeit des Kernes nicht anerkennen, sondern bringe ihn in eine direkte Abhängigkeit von der Attraktionssphäre '). Diese ist das Centrum der Zelle, in 1) Selbständigkeit i. e. Unabhängigkeit. Streng genommen giebt es in einem Organismus bei der innigen Correlation der verschiedenen Centrosoma u. Attraktionssphäre in d. ruh. Zelle d. Salamanderh. 577 ihr laufen alle Fäden in des Wortes wörtliehster Bedeutung zu- sammen und von ihr gehen höchst wahrscheinlich die Impulse für die verschiedenen Lebensäusserungen der Zelle aus. Die Attraktionssphäre mit dem Centrosoma beherrscht die Zelle und wird, wie das für alle Organismen selbstverständlich, durch die einzelnen Zelltheile beeinflusst. Soll ich kurz das Resultat meiner Beobachtungen und Be- trachtungen zusammenfassen, so muss ich sagen: Die ruhende Hodenzelle ist ein bilateral-symmetrischer ÖOr- ganismus, der ein regulirendes Centralorgan, nämlich die mit einem Centrosoma versehene Attraktionssphäre, besitzt, in welcher das Cy- tomitom und das Liningerüst des Kerns vereint sind. Nachtrase. Eingangs der Thatsachenschilderung im dieser Abhandlung: hob ich hervor, dass die Beschreibung des am Kern zu beob- achtenden Details nur für die centralen Partieen der Schnitte Geltung besitze, nicht aber für die peripheren. Es handelt sieh hier um eine Erscheinung, die mir seit Jahren, wann immer ich mit Flemming scher Lösung fixirte, aufgefallen ist. In solehen Flemming-Präparaten nämlich ist das Gerüst der Kerne der- Jenigen Zellen, welche an der Peripherie des Organes liegen, völlig zertrümmert, während man im Imnern normale Verhält- nisse antrifft. Je nach der Dieke des fixirten Organes erstreckt sich diese Zertrümmerung verschieden tief, bei dieken Organen hat man also mehr normale, d.h. gut fixirte Kerne, bei dünnen mehr zerstörte. Ja in sehr zarten Objekten habe ich zuweilen keinen einzigen normalen Kern mehr angetroffen. Die Zellsub- stanz wird weniger affieirt, doch scheint auch sie gelitten zu haben. Mit der Zertrümmerung des Kerngerüstes einher geht ein anormales Verhalten gegen Farbstoffe; es färbt sich der Kern, der wie aus Granulis zusammengesetzt erscheint, sowohl bei substan- Theile unter einander kein selbständiges Organ. Ein jedes einzelne Organ hängt von der Gesammtheit der übrigen ab und bedingt seiner- seits die übrigen. HTS Bernhard Rawitz: tiver wie bei adjektiver Verwendung der Aniline ganz diffus und lässt sich nieht mehr differenziren; daher trifft man gut gefärbte Kerne nur im Centrum der Objeete. Offenbar haben wir es hier mit einer Osmiumwirkung zu thun, die bekanntlich am inten- sivsten, ich möchte sagen am stürmischsten, sich an der Peripherie entfaltet. Auch M. Heidenhain hat in seiner Abhandlung „Kern und Protoplasma‘“ auf pag. 115 hervorgehoben, dass die Rindenschicht an osmirten Präparaten sich ganz anders färbt als die eentralen Partieen; Drüner spricht sich ähnlich aus. Auf diese Thatsache hinzuweisen dürfte nicht unnöthig sein, da bei Verwerthung der mikroskopischen Bilder die Kennt- niss von der Leistungsfähigkeit der verwendeten Reagentien von Wiehtigkeit ist. Namentlich kann die Zertrümmerung des Kern- gerüstes zu Irrthümern führen. Meves z. B. zeichnet in seiner hier mehrfach eitirten Abhandlung die Kerne fast durchgängig init zertrümmertem Chromatingerüst; seine Bilder entstammen einem sehr dünnen, zarten Objekte, das höchst wahrscheinlich einer etwas zu stürmischen Osmiumwirkung ausgesetzt gewesen ist. Ich bin auch geneigt, einen grossen Theil der Altmann’- schen Kerngranula als Zertrümmerungsprodukte zu betrachten ; die unglückliehe Kombination von doppeltehromsaurem Kali und starker Osmiumsäure muss vielfach zu einer Vernichtung der Kernstrukturen führen, da jedes der beiden Reagentien für sich allein schon eine gewissermaassen kernfeindliche Tendenz hat. Mit den vorstehenden Zeilen will ich nur auf eine Fehler- quelle hinweisen, welche bei Anwendung der sonst so vorzüglichen Flemming’schen Lösung wohl zu beachten ist, während ein näheres Eingehen auf die Zerstörungsformen nicht im Plane der Arbeit lag. Die Arbeit wurde im physiologischen Institute der hiesigen thierärztliehen Hochschule ausgeführt. Der Vorstand des Instituts, Herr Professor H.Munk, hat mir die Mittel desselben zur Ver- fügung gestellt und mich mit Literatur unterstützt; Literatur- unterstützung erhielt ich ferner von den Herren Professoren Hertwig, Eilhard Schulze und Waldeyer. Allen diesen Herren meinen aufrichtigen Dank. Berlin, Mitte Januar 189. Centrosoma u. Attraktionssphäre in d. ruh. Zelle d. Salamanderh. 579 Erst nach Übergabe der Abhandlung an die Redaktion konnte ich Einsicht nehmen von einer Arbeit Reinke's „Zell- studien“ (Dies Archiv Bd. 44 Heft 2), in welcher dieser Autor den direckten Zusammenhang des Cytomitoms mit den Lininfäden nachgewiesen hat. Ihm gebührt also hierin die Priosität. Erklärung der Figuren auf Tafel XXXIL. Figur 1 ist bei Zeiss 3 D, alle übrigen Figuren sind bei Zeiss Apochromat homogene Immersion (Brennweite1,5), Compensationsokular 6 mit dem Abbe’schen Zeichenapparate entworfen; die Ausführung geschah bei den letzteren bei Anwendung von Compensationsokular 12. Das Material stammte von Salamandra maculosa. Färbung adjektiv Fuchsin nach Fixirung in Flemming scher Lösung. Fig. 1. Aus einem Längsschnitte durch den Hoden. b=Bindegewebe; für die übrigen Bezeichnungen cfr. Text. Fig”, 3 und 4. Zellen aus dem Salamanderhoden. a = Attraktions- sphäre, ce=Centrosoma; p==dunkler Protoplasmahof; b == Bindegewebe. Fig. 5. Zelle, deren Attraktionssphäre eine schwanzartige Verlängerung —k besitzt. a, c, p wie in den vorigen Figuren. Fig. 6, 7 und 8. Zellen mit communieirenden Sphären. Fig. 6 beide Zellen mit Kern; Fig. 7 eine Zelle mit, eine ohne Kern; Fig. 8 beide Zellen ohne Kern. k=Sphärencommunication; a, c, p wie in Fig. 2. Aus dem II. anatomischen Institut der Berliner Universität. Studien über das Centralnervensystem von Carcinus Maenas nebst Angaben über ein neues Verfahren der Methylenblaufixation. Von Albrecht Bethe. Hierzu Tafel XXXIV, XXXV u. XXXVl. Die Fixation von Methylenblaupräparaten. Chemische Vorbemerkungen. Als ich am Ende des Jahres 1893 anfıng, mich mit dem Nervensystem und den Sinnesorganen wirbelloser Thiere zu be- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 By 580 Albrecht Bethe: schäftigen, empfand ich es als einen grossen Uebelstand der bei weitem eleganteren und wissenschaftlicheren von den beiden mo- dernen Nervenfärbungsmethoden der Ehrlich ’schen Methylenblau- methode, dass sie nicht die Anfertigung guter Schnitte und brauch- barer Nachfärbungen gestattet. Um dem abzuhelfen, untersuchte ich einige Methylenblauverbindungen auf ihre Löslichkeitsver- hältnisse und gelangte dabei auch bald zu befriedigenden Re- sultaten. Die Zahl der in Betracht kommenden Körper war von vorm- herein eine beschränkte. Das in den Handel kommende Methylen- blau ist das Chlorzinkdoppelsalz, das für histologische Zwecke verwandte, das salzsaure Salz der Methylenblaubase: CH; — N(CH,) N \,H N CH,) Ja DE Fe 'c1 Es lag daher nahe, zu Zwecken der Fixation dieses in Wasser, Alkohol u. s. w. leicht lösliche Salz in ein andres schwer- lösliches Salz überzuführen. Erfahrungsgemäss bilden nun die sogenannten seltenen Mineralsäuren mit vielen organischen Farb- basen schwerlösliche Salze, zu denen noch einige Metallsalze, wie Sublimat, Goldehlorid und .Platinchlorid hinzutreten, die schwer- lösliche Doppelverbindungen abgeben. Eine vollständige Fällung des Methylenblau’s in wässeriger Lösung wird nun durch die Salze der meisten seltenen Mineral- säuren herbeigeführt, ich nenne hier ehromsaures und doppel- ehromsaures Kalium, Jodkalium, Ferrocyankalium, Ferrieyankaliun, wolframsaures Natrium, phosphorwolframsaures Natrium, molybdän- saures Ammonium, phosphormolybdänsaures Natrium. Von den hierbei entstehenden Farbsalzen sind die ersten drei in Alkohol ziemlich leicht löslich, kommen also nicht weiter in Betracht. Auch das wolframsaure Methylenblau ist trotz grosser Resistenz gegen Alkohol für unsere Zwecke nicht brauchbar, weil es sich im Ueberschuss von wolframsaurem Natron löst. Von den beiden Eiseneyanverbindungen fällt das Ferroeyan- wasserstoffsalz ziemlich schwer aus, ist deshalb unbrauchbar. Das Ferrieyankalium schien mir zuerst deswegen von grosser Wichtig- keit, weil es unter Reduction zu Ferroeyankalium oxydirend wirkt Studien über das Centralnervensystem von Careinus Maenas cte. 581 und so im Stande ist, das Leukoproduet des Methylenblau’'s, wie es in Präparaten häufig sich vorfindet, sofort als blaues, also oxydirtes Salz zu fällen. Der Uebelstand, dass sich das ferri- eyansaure Methylenblau in Alkohol etwas löst, wird leicht durch die eigenthümliche Thatsache überwunden, dass die Lösung durch Zusatz von Pikrinsäure zum Alkohol verhindert wird. Die drei noch übrig bleibenden Verbindungen, das molyb- dänsaure, das phosphormolybdänsaure und das phosphorwolfram- saure Methylenblau verhalten sich Alkohol gegenüber fast ganz gleich, d.h. sie sind in kaltem Alkohol fast ganz unlöslich, doch sind die Salze der beiden eomplexen Säuren von wenig Wichtig- keit, weil sowohl das phosphorwolframsaure, wie das phos- phormolybdänsaure Natron sehr langsam in das Gewebe ein- dringen. Es erweisen sich also von all diesen Verbindungen nur das ferrieyansaure und molybdänsaure Methylenblau für die histologische Technik als brauchbar. Von diesen beiden hat das molybdänsaure Salz dadurch bei weitem den Vorzug, weil es die Behandlung, man kann sagen, Beschmutzung des Präparates mit der hässlich gelben Pikrinsäure nicht bedingt und weil das entstehende Salz sich gegenüber dem der Ferrieyanwasserstoff- säure durch sehr feine Körnung auszeichnet. Die aus Methylenblau erhaltene Leukobase, das Tetramethyl- diamidothiodiphenylamin wird durch molybdänsaures Ammonium als weisses Salz gefällt. Um die Gegenwart dieses sich all- mählich bläuenden Körpers im Präparat zu vermeiden und auch in tieferen Gewebsschichten, welche dem Sauerstoff der Luft nicht ausgesetzt werden können und in denen besonders bei den unter ständiger Sauerstoffunterbilanz lebenden, wirbellosen Thieren ein grosser Theil des den Nerven angelagerten Methylenblau’s redu- eirt enthalten ist, eine gute Färbung zu erzielen, erschien es wünschenswerth, der Fixirflüssigkeit oxydirende Wirkung zu geben. Wasserstoffsuperoxyd, das als solches auf lebendes Gewebe gebracht Sauerstoff abspaltet und durch diese Gasentwicklung das Ge- webe zerreisst, giebt nun nach den Untersuchungen von Baer- wald mit molybdänsaurem Ammonium eine sauerstoffreichere Ver- bindung, das hypermolybdänsaure Ammonium (18Mo0,, 14NH,, 3H,0,-+18H,0). Dieses eitronengelb gefärbte Salz wirkt als starkes Oxydationsmittel ohne die unangenehme Eigenschaft zu 582 Albrecht Bethe: haben, mit lebendem Gewebe Sauerstoff zu entwickeln und lässt zusammengebracht”mit einer Lösung von Leukomethylenblau so- fort das oxydirte Farbsalz ausfallen. Wie ich nachher zeigen werde, ist es nothwendig, bei Wirbel- thieren nicht das käufliche Ammoniummolybdat, welches nach Graham-ÖOtto (NH,)Mo;O,, ist, sondern ein saureres Salz anzuwenden, welches dadurch gebildet wird, dass man zur Lösung des gewöhnlichen Molybdats Salzsäure oder Salpetersäure zusetzt, wobei sich zuerst freie Molybdänsäure abspaltet, die sich dann mit dem Rest des Ammoniummolybdats zu saureren Salzen ver- bindet. Mag man nun eine Lösung von gewöhnlichem molybdäns. Ammonium, oder von hypermolybdänsaurem Ammonium oder von dem saureren Salz auf das salzsaure Methylenblau einwirken lassen, es entsteht immer ein und dieselbe feste Verbindung, wie die folgenden Analysen ergeben: Der auf dem Filter gesammelte und mit reichlich Wasser gewaschene Niederschlag wurde bei 100° getrocknet, gewogen und langsam im Porzellantiegel eingeäschert. Der Rückstand be- steht aus Molybdäntrioxyd, ist aber zum Theil durch das Ammo- niak der Farbbase redueirt. Es wurde zum Zweck vollständiger Oxidirung mit Salpetersäure benetzt und nochmals geglüht und dann gewogen. Man muss bei dieser Procedur in Rechnung ziehen, dass Molybdantrioxyd im Luftstrom sublimirt, dass also durch die bei der Veraschung entstehende Kohlensäure ein kleiner Theil mitgerissen werden kann. Bei Fällung mit molybdänsaurem Ammonium ergaben 3 Ana- Iysen als Mittel einen Gehalt von 36,78 °/, Molybdän. Bei Fällung mit hypermolybdänsaurem Ammonium 36,73%, Molybdän. Bei Fällung mit dem saureren Salze 36,5 °/, Molybdän. Dieser Procentgehalt von Molybdän stimmt fast genau für das pentamolybdänsaure Methylenblau, für welches sich bei einem Moleeulargewicht von 1304 der Procentgehalt an Molyb- dän auf 36,81 berechnet, während von mir als Mittel an fünf Analysen 36,71 °/, gefunden wurden. Die Constitution dieses Salzes würde sich folgendermassen gestalten: Studien über das Centralnervensystem von Carcinus Maenas etc. 583 G,H,—N = (CH,), N \ )S MoO, ,0 MoO, oO MoO, e ® 6) G,H,—N = (CH,), N( )S sH; —N=(CH,), Dieser Körper ist, wie aus den weiterhin folgenden zur practischen Anwendung nothwendigen Erörterungen hervorgeht, recht beständig. In Wasser ist das Salz auch beim Kochen ganz unlöslich. Auch in Xylol, Aether und Nelkenöl ist es ganz unlöslich. In Alkohol von Zimmertemperatur ist es schwer löslich. Erst wenn es 2—3 Tage mit Alkohol gestanden hat, zeigt sich die Flüssig- keit schwach blaugrün. In kochendem Alkohol löst es sich . verhältnissmässig leicht mit blaugrüner Farbe und fällt beim Erkalten nieht wieder aus. In verdünntem Ammoniak löst es sich auch beim Erwärmen nur sehr schwer. In verdünnter Natronlauge löst es sich in der Kälte schwer; beim Erwärmen wird es unter Farbenumschlag von schwarzblau zu dunkelhimmelblau gespalten und die freige- wordene Farbbase gelöst. Durch Seifen wird das Salz leicht gespalten. Durch starke Mineralsäuren wird es in der Kälte sehr lang- sam, beim Erwärmen schneller gespalten. Chromsäure oder chrom- saure Salze verändern es nicht. Essigsäure löst es bei längerem Stehen oder beim Erwärmen. Filtrirt man es vor der Lösung ab und behandelt es mit Alkohol so löst es sich nicht schwer. Setzt man der Essigsäure molyb- dänsaures Ammonium zu oder behandelt man das abfiltrirte Salz 584 Albrecht Bethe: mit saurem molybdänsaurem Ammonium, so tritt in Alkohol keine Lösung ein. Silbernitrat löst bei längerem Stehen Spuren des Salzes auf und führt es in eine alkohollöslichere Verbindung über. Bei Nachbehandlung mit saurem molybdänsaurem Ammonium wird die alte Verbindung wieder hergestellt. Besondes wichtig und .auch chemisch interessant ist das Verhalten gegenüber der Ueberosmiumsäure. Es reagirt nämlich die Ueberosmiumsäure bei Gegenwart von überschüssigem Ammo- niummolybdat mit dem Methylenblaumolybdat unter Bildung einer Verbindung von folgenden Eigenschaften : F 1. Das neue Salz ist viel dunkler blau als das pentamolyb- dänsaure Methylenblau. 2. Es löst sich in Alkohol auch bei wochenlangem Stehen nicht auf. 3. Es löst sich beim Kochen mit Alkohol mit mehr blauer Farbe als das alte Salz und fällt beim Erkalten quantitativ wieder aus, während das andere gelöst bleibt. 4. Löst man Methylenblaumolybdat in heissem Alkohol, lässt erkalten nnd versetzt die grünblaue Lösung mit OsO, und etwas Ammoniummolybdat, so fällt nach einiger Zeit zusammen mit redueirtem Osmium die neue Verbindung aus. Eine genauere chemische Untersuchung dieses für die histo- logische Technik wichtigen Salzes konnte ich wegen Mangel an Zeit nicht unternehmen. Wie mir Herr Professor Ehrlich, der Entdecker der Methylenblau-Methode, mündlich mittheilte, hat er schon im Jahre 1885 Versuche in derselben Körperreihe gemacht, um eine Fixation zu finden, und ist damals beim phosphormolybdänsauren Natron stehen geblieben, hat aber die Methode nicht der Oeffentlichkeit übergeben, weil sie zu wenig gute Resultate lieferte. Nach meiner ersten Mittheilung in dieser Zeitschrift theilte mir Herr Professor Bloecehmann in Rostock mit, dass er etwas später wie ich — im Herbst 1894 — ebenfalls daran ge- gangen sei, eine Fixationsmethode für Methylenblaupräparate aus- zuarbeiten und dass er ebenso wie ich die bei der Behandlung mit Ammoniummolybdat entstehende Verbindung als die beste und brauchbarste erkannt habe, Studien iiber das Centralnervensystem von Careinus Maenas etc. 58 Die Anwendung des Ammoniummolybdats in der histolo- gischen Technik. Die Application des Methylenblau’s erfolgt in gewöhnlicher Weise, indem man entweder dem zu färbenden Thier eine nicht zu schwache Lösung von Methylenblau injieirt, oder dadurch, dass man die zu färbenden Gewebsstücke in eine dünne Lösung von Methylenblau hineinlegt. Ich für meinen Theil ziehe für alle Objeete, welehe gut vasenlarisirt und daher leicht injieirbar sind die vitale Injection, wie sie von Ehrlich angegeben ist, vor. Die Dogiel’sche Einlegemethode wende ich nur da an, wo man mit der andern Methode keine oder schlechte Resultate er- hält z.B. bei der Retina von Wirbelthieren. Besonders beim Cen- tralnervensystem habe ich "die Einlegemethode als ziemlich un- brauchbar gefunden, weil man immer nur kleine Stücke einlegen kann und dadurch die topographische Uebersicht verliert. Bei Crustaceen wandte ich mit dem besten Erfolge eme 1?/, °/, Methylenblaulösung in physiologischer Kochsalzlösung an, die ich nicht wie Retzius (2) und vom Rath (3) in die Körper- höhle injieire sondern nach Abtragung eines kleinen Stückes des Rückenpanzers tropfenweise direet auf die venösen Ostien des Herzens bringe. Der Farbstoff geht mit deren nächsten Diastole ins Herz und wird von da schnell durch den ganzen Organismus ge- führt, so dass man schon in wenigen Minuten eine vollständige Farb- stoffüberschwemmung des ganzen Körpers bewerkstelligen kann. Bei Wirbelthieren tritt nun bekanntlich postmortal sehr bald eine Reduction des Farbstoffs zum Leukoproduct ein, mit Aus- nahme der Organe, welche schon im Leben den Farbstoff redu- eiren, wie Leber und Lunge. Bei wirbellosen Thieren wird schon im Leben das ganze Methylenblau unter Wasserstoffaddition re- dueirt, da diese Thiere unter beständiger Sauerstoffunterbilanz leben. Man kann nun die zu untersuchenden Gewebsstücke direet in das später anzugebende Gemisch werfen und nacher feststellen, ob Farbstoff an den Nerven localisirt gewesen ist, oder man kann sie auch dem Luftsauerstoff aussetzen und vor der Fixation zusehen, ob sich etwas gefärbt hat. Letzteres ist be- sonders bei wirbellosen 'T'hieren angebracht, bei denen die Locali- sation des Farbstoffs meist nicht so schnell stattfindet und nicht so schnell verschwindet wie bei den Wirbelthieren, Besonders beim 586 Albrecht Bethe: Centralnervensystem von Wirbelthieren ist es zu empfehlen, gleich nach der Herausnahme zu fixiren, da man meist zusammenhän- gende Serien haben will und daher nicht das ganze Centralorgan zum Luftaussetzen zerpflicken kann. Bei Wirbelthieren entsteht häufig, wie schon Ehrlich (4) angiebt, und wie ich selbst unabhängig von ihm gefunden habe, eine Verbindung des Methylenblau’s an den Axeneylindern der Nerven, vielleicht mit einer organischen Säure. Diese Verbindung wird nun, wie mich verschiedene Misserfolge lehrten, durch das käufliche Ammoniummolybdat nicht gespalten, wohl aber dureh saurere Salze wie sie beim Zusatz von Salzsäure, oder Salpeter- säure entstehen. Daher ist bei Wirbelthieren die Anwendung saurer Gemische nothwendig, welche bei wirbellosen Thieren, bei denen eine derartige Verbindung nicht zu entstehen scheint, über- llüssig ist. Ich empfehle für die Methylenblaufixation bei Wirbelthieren folgendes Gemisch: Ammoniummolybdat 1 gr Aqua destillata 10 cem Wasserstoffsuperoxyd 1 ccm Acidum hydrochlorieum offie. 1 Tropfen. Beim Zusatz der Wasserstoffsuperoxydlösung färbt sieh die Flüssigkeit gelb; beim Zusatz der Salzsäure fällt ein weisser Niederschlag (Molybdänsäure), der sich beim Schütteln löst. Für wirbellose Thiere : Ammoniummolybdat 1 gr Aqua destillata 10 ecm Wasserstoffsuperoxyd !/, cem. Ich wende die Lösung, welche sich nicht länger als 8 Tage hält, ohne Niederschläge zu geben, also am besten frisch bereitet wird, gewöhnlich in der angegebenen Concentration an, man kann sie aber auch ohne wesentlichen Nachtheil auf die Hälfte ver- dünnen. Die zu fixirenden Gewebstheile werden ohne weitere Vor- behandlung, nur dass man bei der Einlegemethode mit Kochsalz- lösung den übermässigen Farbstoff abzuspülen hat, in die Fixirungs- flüssigkeit gebracht. Diese soll zur Erzielung guter Präparate möglichst kalt sein; man thut daher am besten, wenn man die Schale mit dem Fixirgemisch vorher in ein Gefäss mit Eis Studien über das Centralnervensystem von Careinus Maenas ete. 587 und Salz oder Schnee und Salz stellt und die Flüssigkeit sich darin auf +2° bis —2° abkühlen lässt. Kleinere Gewebsstücke bleiben 2—3 Stunden in dem Gemisch, grössere bis zur Aus- dehnung von einem Cubikeentimeter 4—5 Stunden. Nach Ab- lauf dieser Zeit thut man gut, das Präparat noch einige Zeit bei Zimmertemperatur im Gemisch zu lassen. Danach wäscht man 14ebis 2 Stunden mit destillirtem Wasser aus, um das .Ammoniummolybdat, welches sich fm Alkohol nicht löst, daher leicht TrubiMeen siebt, zu entfernen, und entwässert mit Alkohol. Entsprechend dem vorher beschriebenen Verhalten des Farbsalzes zu Alkohol darf derselbe nieht zu warm sein, und es ist angebracht, den Entwässerungsprozess möglichst abzukürzen. Jedoch können grössere Stücke, bei denen zur vollkommeneren Entwässerung längeres Verweilen in Alkohol nöthig ist, ohne dass die Färbung Schaden erleidet, wenn sie genügend fixirt sind, 12 bis 24 Stunden im Alkohol verbleiben. Die Entziehun® des Al- kohols geschieht mit Nelkenöl, besser mit Xylol. Es ist darauf zu achten, dass aller Alkohol entfernt wird, besonders, wenn in Paraffın eingebettet werden soll, da das Salz, wie wir vorher ge- gesehen, in warmem Alkohol löslieh ist. Der Einschluss der Präparate erfolgt in Canadabalsam. Die Einbettung in Paraffin oder Cellodin geschieht wie sonst. Ü Bei der Behandlung der Präparate sind, wie sich aus den vorstehenden Betrachtungen ergiebt, starke Mineralsäuren und Al- kalien auszuschliessen, ebenso Seifen. Daher fällt die Nachfärbung der Präparate mit Boraxcarmin und Ammoniakearmin von vornherein weg. Die Nachfärbung der ganzen Stücke oder der Sehnitte ge- sehieht am Besten mit Alauncarmin oder Alauncochnille. Ausserdem sind alle Anilinfarbenszulässig. Haematoxylin, welches auch anwend- bar wäre, giebt wegen der blauen Farbe ‚mangelhafte Resultate. Zur Nachbehandlung der fixirten Stücke ist folgendes zu be- merken: Eine Nachbehandlumg mit Chromsäure, Kaliumbichromat (beides zu Zwecken der Maceration) und mit Pikrinsäure ist ohne weiteres möglich. Will man mit Holzessig maceriren, so muss man zu Folge der obigen Betrachtungen dem Holzessig eine reichliche Menge Ammoniummolybdatlösung zufügen. 5Ss Albreeht Bethe: Will man mit Argentum nitricum die Epithelien sichtbarer machen, so ersetzt man zweckmässig die Salzsäure in der Fixir- flüssigkeit durch Salpetersäure. Nach der Fixation muss man gut mit Wasser waschen, weil sich sonst im Präparat weisses, später dunkel werdendes Silbermolybdat bildet. Darauf lässt man die Silberlösung einwirken, hat dabei aber Erwärmung zu ver- meiden. Nachher wird wieder mit Wasser gewaschen und noch- mals mit der Fixirungsflüssigkeit behandelt. Alles übrige geschieht dann in der gewohnten Weise. * Bei der Nachbehandlung mit Osmiumsäure entsteht, wie oben angegeben, eine Methylenblauverbindung, welche das einfache pentamolybdänsaure Methylenblau an Alkoholbeständigkeit weit übertrifft. Diese Verbindung erfordert aber zu ihrem Entstehen einen Ueberschuss von Molybdänsäure, weswegen die Nachbe- handlung mit Osmiumsäure in der Weise geschieht, dass man zur Fixirun®üssigkeit, in der das Präparat schon einige Zeit ge- legen hat, Osmiumsäure zusetzt. Fettreiche Gewebe sind von einer derartigen Behandlung ausgeschlossen, doch kann man et- waige Schnitte mit Erfolg mit Osmiumsäure nachbehandeln. Die Haltbarkeit der Präparate, die mit der emfachen Fixation hergestellt sind, ist keine unbedingte. Sehr dieke Präparate zeigen oft schon nach zwei bis drei Monaten zuerst ein Dunkel- werden des Canadabalsams, auf den Trübung des Protoplasmas und Diffuswerden der Färbung folgt. Jedoch besitze ich einige recht dieke Präparate, welche jetzt gerade ein Jahr alt sind und’ doch noch das meiste von dem gut erkennen lassen, was sie vor einem Jahre gezeigt haben. Schnitte halten sich besser, vielleicht deswegen, weil hier " der Ueberschuss von Ammoniummolybdat, von dem in Verbindung mit Resten von Alkohol die Zerstörung »auszugehen scheint, besser ausgewaschen wird. Ueber die Haltbarkeit der Molybdänosmium-Präparate liegen noch keine genügend langen Erfahrungen vor. Die Vorzüge dieser Methode, die*nicht zum kleinsten Theile darin bestehen, dass «das entstehende Farbsalz sehr dunkelblau ist und das salzsaure Salz, besonders aber das Pikrat, an Dunkel- heit bei Weitem übertrifft, liegen auf der Hand. Allerdings ist sie ja nicht ganz einfach, aber ich hoffe doch, dass sie sich bald Freunde erwerben wird, Studien über das Centralnervensystem von Careinus Maenas etc. 589 Das Centralnervensystem von Careinus Maenas untersucht mit Hülfe der Ehrlieh’schen Methylenblaufärbung. Wenn heut zu Tage Arbeiten über den feineren Bau des Nervensystems irgend welcher Thiere mit Hülfe der Golgi schen oder Ehrlich schen Methode gemacht werden, so thun das die ernsteren Arbeiter zu dem Zweck, wirkliche Aufklärungen über den Bau dieser Gebilde zu geben, auf deren Grundlage es ge- stattet ist, Schlüsse über ihre physiologische Wirkungsweise zu ziehen, und nicht aus dem Grunde, zierliche Präparate herstellen und abbilden zu können. Diesem Zwecke wird man aber am ehesten da folgen können, wo die Organisationsverhältnisse und somit die physiologischen Vorgänge noch möglichst einfacher und primitiver Natur sind und wo das Objeet durch seine Klein- heit und Einfachheit gestattet, grosse Theile oder gar das ganze Nervensystem mit einmal zu übersehen. Aus diesem” Grunde kommen mir histologische Arbeiten am Centralnervensystem der Wirbelthiere immer wie eine Sysiphus-Arbeit vor, welche es auch solange bleiben wird, als nieht die Haupt-Prineipien der Nerven- leitung und der Centrenverbindung an niedrigeren und einfacheren Wesen aufgeklärt sind, denn ich bin der festen Ueberzeugung, dass in den Hauptzügen die anatomischen Verhältnisse und die physiologischen Vorgänge des Nervensystems der wirbellosen Thiere denen der Wirbelthiere ähnlich sind. Die ursprünglichsten Verhältnisse von den in Betracht kommenden wirbellosen Thieren würde man bei den Würmern zu erwarten haben. Wenn ich nun meine Untersuchungen nicht mit diesen Thieren begonnen habe, so liegt der Grund dafür zum Theil in technischen Schwierigkeiten, zum Theil darin, dass sie der physiologischen Untersuchung ziemlich unzugänglich sind und wenige Vergleichspunkte mit den uns ver- ständlichen biologischen Vorgängen zeigen. Viel günstiger liegen in dieser Beziehung die Verhältnisse bei den Arthropoden, und darum habe ich in erster Linie auf diese mein Augenmerk ge- richtet. > Es wird gewiss manchen Zoologen befremden, dass ich von der grossen Anzahl zu Gebote stehender Repräsentanten dieses Thierkreises ein verhältnissmässig so stark modifieirtes Thier, wie Careinus Maenas, für meine Untersuchung gewählt habe, ein Thier, bei dem gerade das Gentralnervensystem vom 590 Albrecht Bethe: allgemeinen Typus durch die enorme Concentration der Bauch- ganglien abweicht. Aber gerade diese Concentration ist es, deren wegen ich gerade einen Brachyuren wählte. Wie ich schon oben hervorhob, ist bei derartigen Untersuchungen ein Hauptaugen- merk darauf zu richten, dass man das Nervensystem als ein Ganzes untersuchen und die einzelnen Fasern in ihrem ganzen Verlauf auf einem Präparat verfolgen kann. Das ist bei den meisten Arthropoden sehr schwer, da sich der Herausnahme des ganzen Centralapparates durch die meist langen leicht zerreissbaren Commissuren ausserordentliche, technische Schwierigkeiten in den Weg stellen und andererseits die Verfolgung von Fasern durch die cylindrischen Commissuren ausserordentlich schwierig ist. Das fällt bei den Brachyuren fort. Die Herausnahme des ganzen Bauchmarks, welches eine solide eiförmige Platte bildet, ist sehr leicht, und bei einiger Uebung kann man auch das Gehirn im Zusammenhang mit dem Bauchmark als ein Präparat erhalten. Auch dadurch ist das Bauchmark der Brachyuren sehr günstig, dass die Ganglienzellmassen zum grössten Theile auf den Seiten und nicht unter den Fasermassen liegen. (Von denseiben Gedanken scheint Allen (7) bei seinen letzten Arbeiten ausgegangen zu sein, in denen er das Nerven- system embryonaler Hummern behandelt, bei denen die Commis- suren auch noch sehr kurz und flach sind.) So auffallend der Unterschied zwischen dem ÜUentralnerven- system der Brachyuren und dem der meisten andern Arthropoden auch äusserlich ist, so wird doch die Verbindung der Centren und das Verhalten der einzelnen nervösen Gebilde sich schwer- lich anders gestalten als bei andern Repräsentanten. Von den beiden am häufigsten bei Helgoland, wo ich das Material zu dieser Arbeit sammelte, vorkommenden Brachyuren Careinus Maenas und Cancer pagurus verhält sich der letztere gegenüber dem Methylenblau sehr ablehnend, während bei Car- einus Maenas sehr leicht schöne Färbungen erzielt werden, und so wurde denn dieses Thier ausschliesslich zu dieser Arbeit verwandt. Die nach vorstehender Methode fixirten Methylenblauprä- parate wurden ohne Nachfärbung in Canadabalsam untersucht. Eine Faser wurde nur dann als ganz sicher in ihrem Verlauf an- genommen und zur Zeichnung und Beschreibung verwandt, wenn Studien über das Centralnervensystem von Careinus Maenas ete. 591 sie vier- oder fünfmal mit genau dem gleichen Resultat verfolgt wurde. Es ist so leicht möglich bei der Verfolgung in eine andere da- neben liegende Faser zu gelangen, dass man mit äusserster Vor- sicht zu Wege gehen muss. Eine genaue Verfolgung mit schwachen Vergrösserungen ist ganz unmöglich ; man kann sie lediglich zur Aufzeichnung anwenden und muss dann mit Anwendung starker Vergrösserungen die Details eintragen. Die genaue Untersuchung eines Präparates nimmt oft mehrere Tage in Anspruch und nicht selten wurden mehrere Stunden auf die genaue Verfolgung einer einzigen Faser verwandt. Ich halte es daher für unmöglich, in der kurzen Zeit, die bei der Unter- suchung unfixirter Präparate gegeben ist, genaue Resultate zu erzielen. Nachdem die Fasern eines Präparates genau in eine Zeich- nung eingetragen waren, wurde es in der Regel in 0,02 bis 0,04 mm starke Schnitte zerlegt und diese mit Alaunecochnille oder Alaunecarmin zur Orientirung nachgefärbt. Diese Schnitt- serien geben bei der Vergleiehung mit Präparaten, die mit der Weigert-Pahl’schen Markscheidenfärbung hergestellt sind, man- chen Aufschluss, der bei der einseitigen Untersuchung von Total- präparaten nicht möglich ist. Eine Reconstruction des Verlaufs einer Faser aus den Schnittbildern ist sogar unter diesen Verhält- nissen, wo man den Verlauf schon kennt, bei gleichzeitiger Färbung mehrerer in derselben Gegend liegender Fasern unmöglich, und diese Schwierigkeit resp. Unmöglichkeit ist es in der Hauptsache, welche mir ein genaues Eindringen in die Verhältnisse des Wirbel- thiereentralorgans, wo man fast ausschliesslich auf die Unter- suchung von Schnittserien angewiesen ist, vor der Hand unmög- lich erscheinen lässt. Die Markscheidenfärbung wurde, wie gesagt, mit der Pahl- schen Modifieation der Weigert schen Hämatoxolinfärbung her- gestellt. Dabei ist zu bemerken, dass die Färbung der ein- zelnen Fasern viel weniger distinet wird, als bei Wirbelthieren und, dass die Ganglienzellen den Farbstoff ebensostark zurück- halten wie die Fasern, was an sich kein Fehler ist. Die Neu- ropile färben sich dunkel und diffus, so dass man gut erkennen kann, wo eine Auffaserung stattfindet. Zur Technik ist zu be- merken, dass die Färbung dann am Besten wird, wenn man nach der Behandlung mit der Hämatoxylinlösung die Schnitte noch 592 Albrecht Bethe‘ einmal für 1 bis 2 Stunden in das Alkohol-Chromsäure-Gemisch bringt und nachher die Differenzirung mit sehr viel verdünnteren Lösungen vornimmt, als Pahl sie angegeben hat. Die ältere Literatur über das Centralnervensystem der Ar- thropoden ist sehr umfangreich und von Retzius (2) in hervor- ragender Weise referirt. Ich will deswegen hier nur auf einige Punkte eingehen. Es handelt sich bei den meisten Arbeiten um die Morphologie unseres Organs und um die Frage, in welcher Weise die Ganglienzellen mit den Nerven verbunden sind. Nach der einen Ansicht, die zuerst von Leydig vertreten wurde, sollten der Ausläufer der meist unipolaren Ganglienzellen sich m der Punktsubstanz (Leydig), dem Neuropil (His) der Ganglien auflösen und aus dieser erst die Nerven hervorgehen. Diese An- sicht, die sich übrigens auf das Verhalten der Nervenelemente aller wirbellosen Thiere erstreckt, wurde besonders von Dietl, HansSehultze und Krieg eraufgenommen und vertheidigt. Die andere Ansicht, welche hauptsächlich von Claus und Berger (5) vertreten wurde, ging darauf hin, dass der Aus- läufer der Ganglienzellen direkt in den Nerven überginge ohne Dazwischentreten der Punktsubstanz. Retzius (2) hat das un- bestrittene Verdienst, durch die ersten Methylenblauversuche an Athropoden und Würmern diesen Meinungskampf entschieden zu haben. Er zeigte an einer grossen Anzahl von Abbildungen in überzeugendster Weise, dass der Nerv ein directer Fortsatz der Ganglienzelle ist, und dass das Neuropil aus fein verzweigten Seitenästen der Axenfortsätze besteht. Zugleich stellte er fest, dass ausser den Fasern, welche die Ganglien durch die Nerven- stämme verlassen, andere in jedem Ganglion vorhanden sind, welche von Ganglienzellen ausgehend zum Theil durch die vor- dere, zum Theil durch die hintere Commissur das Ganglion ver- lassen und es so mit den andren Ganglien in Verbindung setzten. (Auf einige Einzelheiten werde ich später eingehen.) Einen grossen Schritt vorwärts in der Erkenntniss des Cen- tralnervensystems der Arthropoden machte Allen (7) dadurch, dass er nicht einzelne Ganglien, sondern das Centralnervensystem des embryonalen .‚Hummers als Ganzes untersuchte. Er fand mehrere Arten in typischer Weise verzweigter motorischer Zellen, dann eine ganze Anzahl von Associantionsfasern, welche zum Theil einzelne Ganglien unter einander verbinden, zum Theil Studien über das Centralnervensystem von Careinus Maenas ete. 593 die Ganglien des Bauchmarks mit dem Gehirn und andererseits das Gehirn mit dem Bauchmark in Connex bringen. Ueber den Faserverlauf im Gehirn von Arthropoden liegen einige werthvolle ältere Arbeiten von Berger (5) und Krieger (6) vor, welche an späterer Stelle besprochen werden sollen. Die vorliegende Untersuchung ist erst ein Anfang einer grösseren Arbeit, gewissermaassen eine vorläufige Mittheilung. Bis jetzt ist es mir erst gelungen, einen kleinen Theil der vorhandenen Fasern und ihrer Verzweigungen klarzustellen und ich gebe von den bisherigen Resultaten nur das, was mir ganz sicher zu sein scheint. Eine ganze Anzahl meiner bisherigen Beobachtungen sind hier noch nicht niedergelegt, weil sie mir selbst noch unverständlich oder zu wenig feststehend erscheinen, und es hat wenig Zweck, derartiges der Oeffentlichkeit zu über- geben. Ich gedenke mich im Sommer dieses Jahres von neuem und eingehender mit demselben Thier zu beschäftigen, neue Methylenblau- und Weigertpräparate zu machen und zu ver- suchen, experimentell tiefer in die Sinnesphysiologie dieses Krebses einzudringen. Besonders mangelhaft waren die bisherigen Resultate über die seitlichen Kugeln des Gehirns (Pilzhutförmige Körper) und (die Verbindung der Elemente des Gehirns mit denen des Bauch- marks. Ich schweige (deshalb vorläufig über diese beiden Punkte ganz. Das Bauchmark. Das Bauchmark der Brachyuren hat wie bekannt eine läng- lich eiförmige Gestalt; die Spitze ist nach vorn gerichtet. Die einzelnen Ganglien sind dureh seitliche Einbuchtungen von ein- ander abgegrenzt und sind besonders bei gefärbten Präparaten deutlich von einander getrennt sichtbar. Die Spitze nehmen die Ganglien der Mundwerkzeuge ein (Fig. 2), die Hauptmasse bilden die grossen Ganglien der Thorakalbeine. Zwischen den beiden letzten Thorakalganglien eingekeilt liegen die fünf Ganglien des Abdomens, deren letztes ganz rudimentär ist (Fig. 1). Von den Ganglien treten am seitlichen Rand die peripheren Nerven aus. Am vorderen Ende verlässt ausserdem die zum Gehirn führende Schlundeommissur das Bauchmark. Zwischen den hinteren Tho- 594 Albrecht Bethe: rakalganglien bleibt ein grosses Loch frei zum Durchtritt grosser (sefässe. Ehe ich zur Besprechung der einzelnen Elemente, wie sie sich mittelst Methylenblau darstellen, übergehe, ist es nöthig, noch einige Worte über das Neuropil der Bauchganglien zu sagen. Krieger (6) beschreibt die Neuropilmassen (Punktsub- stanzballen) der Bauchganglien von Astaeus als elipsoide Körper, welche auf der Unterseite der Ganglien durch eine Punktsubstanz- brücke mit emander verbunden sind. Besondere Unterabtheilungen in der Punktsubstanz macht er nicht, aber in seinen Querschnitts- bildern kann man deutlich innerhalb der Punktsubstanz- oder Neu- ropilballen verschiedene Bezirke unterscheiden. Besonders auf Weigert präparaten, aber auch schon auf gewöhnlichen Häma- toxylinquersehnitten, kann man in der Punktsubstanz oder dem Neuropil, wie man sich wohl treffender ausdrückt, zwei Haupt- absehnitte unterscheiden, welche zum Theil durch Bindegewebs- und Faserzüge von einander getrennt sind (Fig. 4). Der eine, grössere Abschnitt liegt seitlich und nimmt den kugeligen Theil des Neuropils ein, der andere, kleinere Abschnitt liegt nach der Mitte zu und schliesst mit zwei Lappen einen Theil des grösseren Neuropilabschnittes ein. Ich nenne den grösseren Abschnitt das seitliche Neuropil, den kleineren das mittlere Neuropil. In beiden Theilen lassen sich wieder kleinere Bezirke erkennen, welche sich dunkler tingiren und an denen die feinsten Auffaserungen stattfinden (Fig. 4). Solche dunkleren Kerne machen sich im seitlichen Neuropil besonders in der unteren Ecke, und im mittleren Neuropil im unteren Lappen, im oberen Lappen, und unterhalb und oberhalb der Längseommissur bemerkbar. Vier starke von Bindegewebe und Faserzügen umgebene Bündel der Längscom- missur liegen in der Mittellinie. Ein starkes Bündel liegt ferner unter der Commissur im Neuropilkern (Fig. 4 s) und eine grössere Anzahl kleinerer im übrigen Neuropil zerstreut. Die Quercom- missur geht dureh das mittlere Neuropil auf der Oberseite der Längseommissur. Ein Theil der peripheren Nerven tritt ins seitliche Neuropil, ein anderer in den unteren Lappen des mitt- leren Neuropil. Motorische Elemente. (Roth). Von motorischen Elementen beschreibt Allen fünf ver- schiedene Arten, von denen drei ihre Zellen in der Mitte der Studien über das Centralnervensystem von Careinus Maenas ete. 595 Ganglien, zwei am Rande der Ganglien liegen haben. Augen- scheinlich ist bei dem von ihm gewählten Objeet, «dem embryo- nalen Hummer, die Ausbildung der feineren Zweige noch nicht weit vorgeschritten und es sind erst die stärkeren Zweige vor- handen. Daher lassen seine Zeichnungen darüber im Unklaren, an welchen Stellen der Ganglien die Hauptauffaserung stattfindet. Ich unterlasse es daher die von mir gesehenen, motorischen Ele- mente mit den von ihm abgebildeten zu vergleichen. Diejenigen Zellen, welche in meinen Präparaten als unzweifelt motorisch erschienen, liegen alle in den seitlichen oder oberen Zellmassen, niemals aber in der Mittelmasse. Ich habe kein einziges Mal beobachten können, dass ein Ausläufer einer der mittleren Zellen in einen peripheren Nerv eintrat. Damit ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass es auch bei Careinus derartige motorische Zellen giebt. Der Typus der häufigsten motorischen Elemente färbt sich am Besten in den Abdominalganglien und ist hier wegen der Kleinheit derselben am deutlichsten zu übersehen. (Siehe die rothen Elemente in Fig. 1). Verfolgen wir eine Zelle genau in ihrem ganzen Verlauf! Die zum Abdominalganglion I gehörige und ganz ausserhalb der Fasermasse liegende Zelle „a“ sendet ihren einzigen Fortsatz auf die Oberseite des zugehörigen seitlichen Neuropils. Hier giebt der Stammfortsatz drei bedeutende Seiten- zweige ab, wendet sich dann nach hinten und links und verlässt als motorische Faser m, das Ganglion. Bevor er aus dem seit- lichen Neuropil austritt, giebt er nach allen Seiten eine grosse Anzahl schwacher Seitenzweige ab, welche sich im seitlichen Neuropil in überaus reichlicher Weise verzweigen (in der Abbildung kommt nur ein ganz kleiner Theil dieser Verzweigungen zur Darstellung). Der eine der drei starken Seitenzweige (©) giebt noch einen oder mehrere feine Aestehen in das seitliche Neuropil, verlässt dann nach vorne hin (also kopfwärts) verlaufend das Ganglion, um sich zuerst im mittleren Neuropil des vorhergehenden Gang- lions, des letzten Thorakalganglions, zu verzweigen und dann im seitlichen Neuropil dieses Ganglions mit einer Auffaserung zu enden. Ein zweiter starker Nebenzweig (f) nimmt den entgegen- gesetzten Verlauf. Er verlässt ebenfalls das seitliche Neuropil Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 Bio) 596 Albreeht Bethe: des linken Ganglion abdomimale I, wendet sielı dann nach hinten in das linke, seitliche Neuropil des Ganglion abdominale II und findet hier unter lebhafter Verzweigung sein Ende. Der dritte und in der Regel stärkste Ast (g) giebt noch einige Zweige ins seitliche Neuropil und verläuft dann durch (die quere Commissur auf die gekreuzte, in unserm Fall die rechte Seite. Noch auf der linken Seite giebt er zwei wichtige Neben- Aeste ab, von denen sieh der eine (») in dem mittleren Neuro- pil der linken Seite des Ganglion abdominale I verzweigt, während der andere seinen Lauf nach hinten richtet und in dem mittleren Neuropil des folgenden Ganglions, des Ganglion abdominale II, endigt. Der auf die rechte Seite hinüber gegangene Hauptast bleibt im Ganglion und endet mit Verzweigungen im mittleren und seitlichen Neuropil der rechten Seite. An den übrigen motorischen Zellen der Abdominal-Ganglien, welehe in der Figur zur Abbildung gelangten, sind die gleichen Verhältnisse mehr oder minder deutlich zu erkennen. Die Art und Weise, in der die Zweige abgegeben werden, varüirt stark, aber die Art der Verbindung bleibt überall dieselbe. Jede motorische Zelle dieses Typus hat also nicht nur Ver- bindung mit den Neuropilen des zugehörigen Ganglions, sondern auch mit den ungekreuzten der nächstbenachbarten Ganglien. Im selben Ganglion 'giebt sie die meisten Aeste in das seitliche Neuropil derselben Seite und geringe Verästelungen in das mittlere Neuropil derselben Seite und das mittlere und seitliche Neuropil der gekreuzten Seite. Ausserdem ist sie also noch mit dem mitt- leren und seitlichen Neuropil derselben Seite des vorhergehenden und des nächstfolgenden Ganglions verbunden. Diese Art von motorischen Elementen wiegt, so weit bisher festgestellt werden konnte, im ganzen Bauchmark vor; in den Abdominalganglien konnte ich eine andre Form überhaupt nicht nachweisen. In den grösseren Ganglien gelingt die Darstellung dieser Elemente in ihrer ganzen Ausdehnung nur sehr sehr selten; gemeiniglich erhält man hier nur die sehr mannigfachen Veräste- lungen im seitlichen Neuropil und den Anfang der grösseren Seitenäste (Fig. 1 Zelle t,, t, u. t,). In den vordersten, kleineren Ganglien erzielt man an ihnen wieder gute Färbungen (Fig. 2 m). Der Typus der zweiten bei weitem seltener beobachteten moto- rischen Elemente ist in Figur 2 bei e abgebildet. Der Axenfortsatz Studien über das Centralnervensystem von Careinus Maenas ete. 597 dieser motorischen Zellen theilt sich in zwei Aeste, von denen der eine unverzweigt als motorischer Nerv das Ganglion verlässt, während der andere vielfache Verzweigungen in das seitliche Neuropil derselben Seite des zugehörigen Ganglions abgiebt und dann im mittleren Neuropil seine Endverzweigung findet. Es tritt also keine directe Verbindung mit dem benachbarten Gang- lion und der gekreuzten Seite ein. Das ist alles, was ich im Bauchmark von unzweifelhaft motorischen Elementen habe auffinden können. Sensible Elemente. (Blau). Ueber die sensiblen Elemente, soweit sie ausserhalb des Centralnervensystems liegen, werde ich an anderer Stelle genauer berichten. Hier sei zum Verständniss nur folgendes bemerkt: In Uebereinstimmung mit vom Rath (3) und Allen (7) fand ich, dass unterhalb jedes Sinneshaares eine oder mehrere bipolare Zellen (Sinnesnervenzellen) liegen, deren peripherer Ausläufer un- verzweigt (im Gegensatz zu Retzius (2), der Verzweigungen angiebt) bis in die Spitze des Haares zu verfolgen ist. Der andere Ausläufer wendet sich zum Centralorgan und tritt in das- selbe, wie Allen direct beobachten konnte, mit T-förmiger Theilung ein. Freie Endigungen konnte ich ebenso wenig, wie die beiden vorher erwähnten Forscher finden. Es ist daher wohl erlaubt, vorläufig diejenigen Fasern, welche durch periphere Nerven in das Centralnervensystem eindringen und innerhalb des- selben nicht mit Zellen in directer Verbindung stehen, als sensibel zu bezeichnen. Die Hauptmasse derartiger Elemente tritt auf der Unter- seite der Ganglien ein (Fig. 4 s f). Hier theilen sie sieh T-förmig (Fig. 5), und die dadurch entstehenden Aeste wenden sich nach hinten und nach vorne, wobei sie in die unteren Längsceommis- suren (Fig. 4 s) eintreten. In diesen kann man sie oft auf weite Strecken durch viele Ganglien hindurch verfolgen. In ihrem Ver- lauf geben sie hin und wieder kleine Collateralen ab, welche nach oben steigen und sich hier in dem dunklen unter der grossen Längscommissur gelegenen Kern des mittleren Neuropils ver- zweigen, vielleicht auch noch weiter hinaufsteigen. Dieses Ver- halten tritt wieder am klarsten an den Abdominalganglien zu Tage (Fig. 1 blaue Faser s), weil diese dünn genug sind, um 398 Albrecht Bethe: den Verlauf der Fasern von obenher verfolgen und zu gleicher Zeit die Ausläufer der sich hier verzweigenden motorischen Fasern im Auge behalten zu können. Ein anderes Bündel von Fasern, welehe augenscheinlich auch sensibel sind, verläuft durch die Spalten zwischen je zwei Ganglien des Bauchmarkes zur Oberseite bis zur Längseommis- sur derselben Seite, also zur Gegend der mittleren Neuropile. Hier wendet sich ein Theil der Fasern nach vorne (kopfwärts), indem sie in die mittleren Neuropile ein oder mehrere Aestchen entsenden (Fig. 1, 5). Der andere grössere Theil der Fasern theilt sich T-förmig und verläuft, ebenfalls Aeste in die mittleren Neuropile abgebend, nach vorne und nach hinten. (Fig. 1 u. 2, s,.) Eine dritte Art von Fasern, die keine Verbindung mit cen- tralen Zellen haben, weicht von den beiden vorigen im Verhalten wesenlich ab. Sie treten auf der Unterseite der Ganglien ein (Fig, 2, s,), theilen sich hier sehr bald T-förmig und verästeln sich in sehr regelmässiger Weise wahrscheinlich im untern Lappen der mittleren Neuropile. Das Gebiet ihrer Endigung beschränkt sich aber ganz auf das eine Ganglion, in das sie eintreten. Associeationselemente. (Schwarz.) Die einfachste Form derjenigen Zellengebilde, deren Ver- lauf sieh ganz auf das Oentralorgan beschränkt und die keine direkte Verbindung mit der Peripherie und ihren Organen auf- weisen, ist wohl die, welche sich auf den kleinsten Raum be- schränkt, und ich fange daher mit dieser die Betrachtung an. Typus tr (Fis..ia,): Das Ausbreitungsgebiet dieser Zellen, welche nur wenige Male und zwar in Thorakalganglien beobachtet wurden, beschränkt sich ganz auf ein seitliches Neuropil. Der Axenfortsatz der Zelle giebt sehr bald eine grosse Anzahl von Zweigen ab, welche sich im hintern Theil des seitlichen Neuropils verästeln. Dann geht er hinüber zum vorderen Theil des Neuropils und findet hier seine Endverzweigung. Es verbinden also diese Elemente die beiden Hälften der grossen Neuropilmasse. Typus 2.(Kie.2,@)). Die Ausbreitung dieser Elemente dehnt sich schon auf zwei Ganglien aus. (Nicht in den Abdominalganglien beobachtet.) Studien über das Centralnervensystem von Careinus Maenas etc 59 Die Zelle liegt am vorderen Theil des Ganglions. Ihr Axen- fortsatz theilt sich in zwei Aeste, von denen der eine sich im hintern Theil des seitlichen Neuropils desselben Ganglions, der andere im hintern Theil des seitlichen Neuropils des nächstvor- hergehenden Ganglions verzweigt. Diese Elemente verbinden also die hinteren Theile der seitlichen Neuropile einer Seite zweier nebeneinander liegender Ganglien. Typus3 (Fig. 2, a,). Der von der Zelle nach hinten verlaufende Axenfortsatz spaltet bald einen grösseren Ast ab, welcher sieh im seitlichen Neuropil des Ganglions verzweigt und zum seitlichen Neuropil ddes nächsten Ganglion weiterläuft. Der Axenfortsatz giebt Zweige ins mittlere Neuropil des folgenden Ganglions (also des zweiten von der Zelle gerechnet) und endet im mittleren Neuropil der- selben Seite des dritten Ganglions. Diese Zelle verbindet also das seitliche Neuropil eines Ganglions mit dem seitlichen und mittleren des folgenden und dem mittleren des dritten ein und derselben Seite. Diese Elemente entsprechen möglicher Weise den Elementen € von Allen, bei denen sich allerdings der Axenfortsatz ınehr der Mitte zuwendet, während er bei meinen Careinus-Prä- paraten seitlich an der Grenze zwischen mittlerem und seitlichem Neuropil verläuft. Typus 4 (Fig. 2, a,). Während der Axenfortsatz des vorigen Typus nach hinten gerichtet ist, verläuft er bei diesem nach vorne. Diese Form findet sich entsprechend ihrem Verhalten zum erstenmal im dritten Ganglion, von da an nach hinten in jedem weiteren. In den Abdominalganglien fehlt sie. — Ganz in der Nähe der Zelle, welche in der seitlichen Zellmasse gelegen ist, tritt vom Axen- fortsatz ein Zweig in die seitliche Fasermasse. Der Axenfort- satz läuft dann nach innen bis zum mittleren Rand des mittleren Neuropils derselben Seite, giebt hier Verzweigungen ab, wendet sich dann nach vorne und verästelt sich im mittleren Neuropil der beiden vorhergehenden Ganglien. Diese Zellen, welche dem Typus D von Allen entsprechen, verbinden also das seitliche Neuropil eines Ganglions mit dem mitleren Neuropil desselben und der beiden vorhergehenden Ganglien, 600 Albreeht Bethe: Typus 5 (Fig. 2, a,). Der Axenfortsatz dieser seitlich liegenden Zellen, welche nur im zweiten und dritten Ganglion bisher beobachtet wurden, geht ohne Verzweigung auf die gegenüberliegende Seite hinüber, biegt da nach hinten um und verläuft unter Abgabe starker Seitenzweige, welche in den mittleren und seitlichen Neuropilen ihr Ende finden, wahrscheinlich bis ins letzte Abdominalganglion. Diese Elemente verbinden also alle mittleren und seitlichen Neuropilen einer Seite. Typus 6 (Fig. 2, a,). Die Zellen dieses und des folgenden Typus (Typus 7) liegen zum Unterschied von den bisher beschriebenen in der mittleren Zellmasse. Der Axenfortsatz theilt sich ganz in der Nähe der Zelle in einen Ast, welcher sich auf die linke Seite des Bauch- marks wendet, und einen, der nach rechts geht. Beide theilen sich wieder bald in einen aufsteigenden, nach vorne laufenden, und einen herabsteigenden, nach hinten ziehenden Ast. Von diesen parallel laufenden Nervenfasern treten in sehr varliirender Weise Seitenzweige ab, die sich in parallel laufende Zweigchen in sehr eigenartiger Weise in den mittleren Neuropilen auflösen. Häufig werden auch Seitenzweige zur gekreuzten Seite hinübergesandt. Die Zellen dieser Elemente, welche die mittleren Neuropile beider Seiten des ganzen (?) Bauchmarks mit einander verbinden, finden sich in allen Thorokalganglien mit Ausnahme der beiden ersten. Typus7 (Fig.2 u. Fig.1, a,). Der Axenfortsatz theilt sich wie beim vorigen Typus in einen rechts und einen links verlaufenden Ast. Der eine ver- zweigt sich im seitlichen Neuropil des zugehörigen Ganglions, der andere theilt sich auf der entgegengesetzten Seite in einen aufsteigenden und einen absteigenden Ast, von denen aus in jedem Ganglion nach rechts und nach links Zweige zu beiden seitlichen Neuropilen verlaufen. (Vergleiche Figur 1, a..) Diese Zellen verbinden also mittelst ihrer Ausläufer alle seitlichen Neuropile des ganzen Bauchmarks. Typus 8 (Fig. 1 u. Fig. 2, a,). Die Zellen dieses Typus liegen im, Gehirn; wo und in welcher Weise sie sich da verhalten, kann ich noch nicht an- Studien über das Centralnervensystem von Careinus Maenas ete. 601 geben. Die Fasern dieses Typus treten durch die Schlund-CGom- missur ein und verlaufen bis ins letzte Abdominalganglion. Hier- bei geben sie eine grosse Menge kurzer Seitenverzweigungen in alle mittleren Neuropile einer Seite. Es verbindet diese Faser also einen Theil des Gehirns, der noch unbekannt ist, mit allen mittleren Neuropilen des Bauchmarks, welche auf einer Seite liegen. Typus 9 (Fig. 1. u. Fig. 2, a,). Die Zellen müssen hier, wie beim vorigen Typus, im Ge- hirn liegen. Die Fasern treten dnrch die Schlundeommissur em und verlaufen über die mittleren Ränder der seitlichen Neuro- pile bis ins Abdomen. Auf diesem Wege geben sie in die seit- liehen Neuropile derselben Seite je einen sich stark verzweigenden Nebenast. Durch diese Elemente werden Hirntheile mit allen seitlichen Neuropilen der einen Hälfte des Bauchmarks in Verbindung gebracht. Typus 10 (Fig.'2, ao)- Die Elemente dieses Typus sind mir noch ziemlich unklar, da ich ihren Verlauf immer nur zum Theil verfolgen Konnte. Sie sind aber verhältnissmässig häufig, und daher glaube ich sie doch erwähnen zu müssen. Das eme Ende der sehr starken Faser senkt sich in die Tiefe und wird hier sonderbarer Weise nie gefärbt angetroffen; man kann nur eimige oberflächliche Ver- zweigsungen im mittleren Neuropil wahrnehmen. Der quer ver- laufende Stamm giebt eine Menge höchst sonderbar verlaufender Zweige ab, welche sieh im Gebiet von zwei bis drei Ganglien zum Theil im mittleren, zum Theil im seitliehen Neuropil ver- zweigen. Offenbar ist es ein Assoeiationselement, das die Neu- ropile einer beschränkten Zahl von Ganglien m querer Richtung verbindet. Wir haben also Verbindungen in querer Richtung (a,, a- und a,,) und Verbindungen in longitudinaler Richtung, welche nur die Elemente einer Seite des Bauchmarks in Connex bringen (a,—a, und a,—a,). Ein Theil dieser Associationsfasern verbindet eine beschränkte Zahl von Ganglien (a, —a, und a,,) miteinander, der andere Theil alle untereinander, resp. alle mit dem Gehirn. Schliesslich kann man sie noch dahin unterscheiden, dass einige nur seitliche Neuropile mit emander vereinigen (@,, ds, a; und a,) 602 Albreeht Bethe: andere nur mittlere Neuropile (a,, as) und der Rest (a,;, a,, «a, und a,,) beide Arten von Neuropilen in Verbindung setzt. Das Gehirn (Öbersehlundganglion). Krieger giebt eine sehr eingehende Beschreibung des Ge- hirns von Astacus, bei der er ein besonderes Gewicht auf die Vertheilung von Neuropil und Ganglienzellmassen legt. Diese Be- schreibung passt in den Hauptpunkten auch auf das Gehirn von Careinus, nur, dass hier emige Verschiebungen stattgefunden haben. Ich benütze im der folgenden kurzen Beschreibung der topographischen Verhältnisse des Gehirns von Careinus dieselben Bezeichnungen, welche Krieger anwandte. Das Gehirn hat ungefähr die Form eines Rechtecks, dessen kurzer Durchmesser in der Längsaxe des Thieres orientirt ist. An den vorderen Ecken treten die beiden starken Optieusnerven ein. Ein wenig weiter nach hinten tritt der Oeulomotorius auf die Oberseite der Gehirns. Die beiden hintern Ecken nimmt der Eintritt der Nerven der zweiten Antennen in Anspruch. Zwischen dem Eintritt des Opticus und des Antennarius II tritt auf die Oberseite der von der Hant des Kopfes kommende Nerf tegumentaire und auf die Unterseite der Nerv der ersten Antenne. Zwischen den beiden Optiei treten noch zwei zarte Faserbündel in den vorderen Rand des Gehirns, welehe nach den Autoren zum Plexus des Magens führen sollen. Zwei gleiche Nerven oder ein unpaarer wurde an der hinteren Seite des Gehirns beobachtet, konnte von mir bei Careinus aber nicht gefunden werden. Zwischen den beiden Nervi antennarii II treten die beiden starken Schlund- eommissuren, die das Gehirn mit dem Bauchmark verbinden, ins Gehirn ein (Fig. 11). Von Neuropilen unterscheidet Krieger sieben Paare. leh behalte sie vor der Hand bei und werde in einzelnen an späterer Stelle Unterabtheiluingen machen. Am auffallendsten ist eine grosse Fasermasse auf jeder Seite des Gehirns, welche bei den meisten Arthropoden schon äusserlich als aus zwei Theilen be- stehend erkannt wird. [Pilzhutförmige Körper (Dietl) der In- secten.] Bei Careinus sind diese beiden Massen zu einer grossen Kugel zusammengezogen (Fig. 5 u. 11 I u. ID. Auf Schnitten zeigen sich diese Massen, zusammengesetzt aus einer grossen An- zahl einzelner pyramidenförmiger Kerne (Fig. 7 u. 8), Nach Studien über das Centralnervensystem von Carcinus Maenas etc. 603 Krieger (6) und Berger (5) soll ein Bündel von Optieus- Fasern unter Kreuzung in diese Masse eintreten. Ausserdem tritt nach Krieger ein Bündel des Antennarius I und nach Berger ein Bündel aus der Schlundeommissur in diese Neuropile ein. Zwischen den Eintrittsstellen der beiden Nervi optiei liegen zwei Paar Neuropile (Fig. 5 u. 6, III u. IV), die unter sich in Verbindung stehen. Nach hinten zu liegt ziemlich oberflächlich ein weiteres, aber bedeutend kleineres Neuropilpaar (Fig.5, 6 u. 8V), in das der Nerf tegumentaire eintritt. Seitlich und weiter nach hinten in den Ecken zwischen Schlundeommissur und Antennarius II liegen auf der Oberseite zwei grosse Neuropile, die ungefähr die Form von Africa in der Aufsicht haben (Fig. 5, 6, 8, 9 u. 10 VID. Das sechste Neuropilpaar Krieger’s liegt auf der Unterseite des Gehirns unter V und VII (Fig. 8, 9 u. 10, VIa u. VID). Von Ganglienzellmassen unterscheidet Krieger fünf. Das grösste Lager (Fig. 5, 6 u. 12 gz,) liegt vor und zum Theil unter Neuropil III. Das zweite füllt langgestreckt den vorderen Raum zwischen Neuropil III und IV einerseits und Neuropil I und II andererseits (Fig. 5, 6, 7 u. 8 gz,). Das folgende Zelllager liegt bei Astacus zwischen Neuropil I und II, bei Careinus umgiebt es Neuropil II von hinten und vorne mantelförmig (Fig. 8 925.) Das vierte Ganglienpolster befindet sich hinter und über dem Eintritt des Antennarius II (Fig. 5 u. 10 gz,). Das fünfte Lager liegt auf der Unterseite in zwei Polstern in der Mittel- furche (Fig. 8, 9 u. 10 gz,). Ich möchte hier noch ein sechstes Zelllager hinzufügen, das bei Astacus mit gz, zum Theil zusam- menhängt — bei Careinus thut es das nicht —, das aber durch die bedeutendere Kleinheit der Elemente und durch einen grossen Unterschied in der Verbindungsweise die Trennung erfordert. Es liegt auf der Unterseite des Gehirns zwischen Neuropil I und IV (Big. 7'925). Nach diesen Vorbemerkungen gehe ich zur Besprechung der Methylenblauresultate über und beginne mit den Fasern des Öpticus. Elemente des Optieus. Die Mannigfaltigkeit von Elementen, welche der Optieus mit sich führt, ist erstaunlich gross. Bis jetzt habe ich neun 604 Albrecht Bethe: verschiedene Arten in typischer Weise sich verzweigender Fasern beobachtet, bin aber der festen Ueberzeugung, dass damit die Zahl der thatsächlich vorkommenden noch nicht erreicht ist, dass viel- mehr noch eine ganze Anzahl in anderer Weise sich verhaltender Elemente mir bisher entgangen ist. Zu dieser Annahme berech- tigen vor allem Präparate, die mit der Weigert schen Methode angefertigt wurden, indem in denselben nicht nur die meisten der mit Methylenblau dargestellten Fasern wiedererkannt wurden, sondern auch noch eine ganze Anzahl fremdartiger Elemente vorgefunden wurden. Typus 1 (Fig. 5 und 11 oc,). Die Anzahl dieser Fasern ist sehr bedeutend, ich taxire sie auf 40 bis 50, und ihr Verlauf ist sowohl auf Methylenblau, wie auf Weigertpräparaten leicht zu erkennen. Sie nehmen das vor- derste Bündel der Optieusfasern ein, verlaufen unter dem Zell- polster gz, bis zur Mitte, biegen nach hinten um und verlassen, ohne Seitenzweige abzugeben, durch die Schlundeommissur das Gehim. Berger hat schon derartige Fasern beobachtet, sie aber nicht in die Commissur hinein verfolgen Können. Typus 2 (Fig. 11 oc). Diese Fasern verlaufen ebenfalls auf der Unterseite des Gehirns bis zur Mitte, gehen dann in geschlängeltem Verlauf auf die gekreuzte Seite über und verlassen, ohne Seitenzweige ab- gegeben zu haben, durch die gekreuzte Schlundeommissur das Gehirn, um zum Bauchmark zu ziehen. Typus 3 (Fig. 5 und 12 os). Diese Fasern, deren Zellen vermuthlich im peripheren Op- tieusganglion liegen, treten in erheblicher Anzahl auf die Ober- seite des Gehirns, versenken sich in die Mitte des Neuropils Ill und verzweigen sich hier auf einem beschränkten Gebiet, das auf Weigertpräparaten als dunkler Fleck sichtbar ist (Fig. 12 osc), in lebhafter Weise; ich nenne diese Stelle der Kürze wegen den innern Opticuskern. Typus 4 (Fig. 5 ok,). Die Zellen dieser Fasern werden ebenfalls im peripheren Optieus-Ganglion liegen. Sie treten auf die Oberseite des Ge- hirms zur Grenze zwischen Neuropil III und IV, geben gleich Studien über das Centralnervensystem von Carcinus Maenas etc. 605 bei ihrem Eintritt einen Ast ab, der sich nach hinten wendet und sich im Neuropil IV verzweigt, und einen oder mehrere, die sich im seitlichen, unteren Rand von Neuropil III auffasern, und laufen dann, sich nach vorne wendend, auf die gekreuzte Seite, um mit grosser Endarborisation in Neuropil III der ge- kreuzten Seite zu enden. Typus 5 (Fig. 5 ok,). Diese Fasern treten ebenfalls auf der Oberseite des Ge- hirns ein und laufen ziemlich grade bis zur Mitte der Grenze zwischen Neuropil III und IV. Ehe sie an das Neuropil III gelangen, geben sie nach vorne zwei Seitenzweige ab, die sich ausserhalb des eigentlichen Neuropils verzweigen, dann ins Neuropil III eintreten, um hier im innern Optieuskern ihre End- arborisation zu finden. Der Hauptstamm theilt sich an der vor- her beschriebenen Stelle in zwei Aeste, von denen der eine auf die gekreuzte Seite übergeht und sich im gekreuzten Neuropil IV stark verzweigt, während der andere auf der ungekreuzten Seite verbleibt, sich nach hinten wendet und im vordern Theil von Neuropil VII mit einer Verzweigung sein Ende findet. Typus 6 (Fig. 6 0%,). Die Zellen dieser Elemente liegen wie die der bisher be- schriebenen wahrscheinlich im peripheren Optieusganglion. Der Axenfortsatz läuft auf der Oberseite des Gehirns dahin und giebt dabei einen Ast ab, der sich nach vorne wendet und in Neu- ropil III seine Endverzweigung findet. Weiterhin giebt er mehrere Aeste nach hinten ab, die sich im Neuropil IV verzweigen. Dann tritt er vor dem Loch, durch welches die grossen Blutgefässe treten, auf die gekreuzte Seite über und theilt sich hier in drei Zweige. Das Schicksal der beiden vorderen ist mir unbekannt geblieben, vielleicht geht der eine ins Neuropil III der gekreuzten Seite, der andere in die seitliche Faserkugel. Der dritte Ast wendet sich nach hinten, um sich in reichlieher ‚Weise im vor- deren Theil von Neuropil VII zu verzweigen. Die bisher beschriebenen Elemente standen mit keiner cen- tralen Ganglienzelle in Verbindung, die drei noch zu beschreiben- den Elemente haben ihre Zellen im Gehirn selbst liegen, 606 Albreeht Bethe: Typus 7 (Fig. 5 und 12 og,). Die Zellen dieser Elemente liegen in der vorderen Ganglienzell- masse gz,. Sie sind nicht gross und liegen als einheitliche Gruppe neben einander (Fig. 12 og,). Der Axenfortsatz. verläuft nach hinten und theilt sich sehr bald in einen rechten und linken Ast, welehe beide durch den Optieus, der eine durch den linken, der andere durch den rechten das Gehirn verlassen und zum peri- pheren Optieusganglion verlaufen. Ehe sich der Axenfortsatz theilt, giebt er einen kleinen Seitenzweig ab, welcher sich nach unten senkt und sich hier in einer besondern kleinen Fasermasse ver- zweigt, die sich auf Weigertpräparat sehr dunkel färbt und die mit Neuropil III in Verbindung steht (Fasern dieser Art wurden bereits von Berger gesehen). Typus 8 (Fig. 6 0g,). Von den Zellen, welche im vorderen Ganglienzellpolster (g2,) gelegen sind, läuft der Axenfortsatz direet nach hinten bis etwas über den Rand von Neuropil III hinaus, von wo er einen Seitenzweig in den mittleren oberen Theil von Neuropil II sendet. Bald darauf theilt sich der Axenfortsatz in einen nach rechts und einen nach links verlaufenden Zweig. Der eine, im abgebildeten Exemplar der linke, geht auf die gekreuzte Seite über und verzweigt sich hier im mittleren Theil von Neuropil Ill. Der rechte Zweig giebt eine Seitenverzweigung in die Gegend des innern Optieuskerns und verlässt dann durch den Optieus das Gehirn. Typus 9 (Fig. 6, 8 und 12 o0g,). Die Elemente dieses Typus sind in grosser Anzahl vor- handen und auf Flächenschnitten, die mit der Weigert’schen Methode gefärbt sind, sehr gut nachzuweisen (Fig. 12 og,). Die Zellen liegen im vorderen Ganglienzelllager gz, in einer Gruppe zusammen (Fig. 12). Der Axentortsatz wendet sich nach unten und theilt sich gleich nach dem Eintritt ins Neuropil III in einen rechten und einen linken Ast. Der eine, in der Figur der rechte, verzweigt sich im oberen Theil von Neuropil III. Der linke verlässt durch den Optieus das Gehirn, giebt aber vorher einen sehr starken Ast ab, welcher ein sehr complieirtes Ver- halten zeigt. Zunächst wendet er sich nach unten und giebt dabei eine sehr grosse Anzahl von kräftigen Seitenzweigen ab, Studien über das Centralnervensystem von Carcinus Maenas ete. 607 die sich im ganzen Neuropil III aufs reichhaltigste verzweigen. Dann läuft er durch das Neuropil II, ohne Seitenzweige in das- selbe zu geben und steigt bis zum vorderen Rande des Neuro- pil VII herab. Hier wendet er sich nach aussen (in der Figur links) und giebt dabei eine grosse Anzahl typischer Seitenäste ab. Ein Theil derselben verzweigt sieh im oberen Theil von Neuropil VII, ein oder mehrere laufen an der inneren (rechten) Seite des Neuropils herab und verzweigen sich an der inneren Eeke. Ein dritter Zweig verästelt sieh in der äusseren Ecke des Neuropil VII und dringt weiterhin bis in den unteren Zipfel vor. Der Hauptstamm aber wendet sich, einem starken Faser- bündel folgend (Fig. 8 og,), nach unten, giebt auf diesem Ver- lauf noch einige Zweige ab, welehe von der Seite her ins Neu- ropil VII eindringen, und endet schliesslich mit einer Verzweigung in Neuropil VId. (Einen Theil dieser Faser bildet Retzius vom Flusskrebs ab.) Nerf tegumentaire. Dieser ziemlich schwache Nerv tritt auf der Oberseite des Gehirns ein, läuft über Neuropil I und IV fort und tritt ins Neu- ropil V ein. Das Neuropil ist durch Bindegewebs- und Faser- züge begrenzt (Fig. 8 V) und birgt in sich mehrere Bündel der Längscommissuren. Nach Krieger (6) sollen Ausläufer der Ganglienzellen vom Lager gz, in dies Neuropil gelangen. Ich habe dies Verhalten aber weder mit Methylenblau, noch auf Weigertpräparatenbis jetzt feststellen können. Der Nerv führt zwei Arten von Elementen mit sich. Die einen (Fig. 6 £,) finden gleich nach ihrem Eintritt ins Neuropil ihre Endaborisation. Die andern Elemente (Fig. 6 £,) gabeln sich nach ihrem Eintritt ins Neuropil. Der eine Ast verzweigt sich im Neuropil und tritt dann nach hinten aus demselben heraus, konnte dann aber nie weiter verfolgt werden. Der andere Ast (vergleiche auch Fig. 8) geht dureh die quere Commissur auf die gekreuzte Seite und verzweigt sich dort. Bevor er auf die gekreuzte Seite übergeht giebt er noch nach vorne einen Ast ab, der das Neuropil ver- lässt, über dessen Schieksal ich aber nichts angeben kann. Die Elemente des Nervus antennarius II. Der Nerv der zweiten Antenne tritt in zwei gesonderten, übereinander liegenden Portionen, die nur nach hinten hin durch "608 Albrecht Bethe: eine dünne Brücke mit einander verbunden sind, ins Gehirn ein. Die obere Portion hat auch ihren Eintritt ins Centralorgan etwas mehr nach vorne als die untere. (Fig. 9 ao, obere Portion, Fig, 9 u. 10 au, untere Portion.) Weiter fort vom Gehirn vereinigen sich die beiden Portionen mehr, trennen sich aber nach einer gewissen Strecke ganz von einander, indem sich die obere Portion nach vorne zur Antenne II wendet, während die untere Portion in geradem Verlauf zu den Muskeln der Antenne zieht. Die obere Portion ist aus zwei verschieden starken Bündeln zusammengesetzt. Jedes dieser Bündel besteht aus einheitlichen Elementen. Das stärkere der beiden Bündel (Fig. 5 u. 9 aos) dringt in gradem Verlauf ungefähr bis zur Mitte des Neuropil VII vor und endet hier in einem kugeligen Neuropilkern, der sich auf Weigertpräparaten sehr dunkel abhebt. Die einzelnen Fasern finden in diesem Kem (Fig. 5, 6 u. 9, VII s,) unter sehr leb- hafter bäumehenförmiger Verzweigung ihr Ende. (Diese Elemente hat Retzius schon bei Actacus gefunden.) Das dünnere Faserbündel der oberen Portion (Fig. 5, 6 und 9 aom) wendet sich beim Eintritt ins Gehirn auf die Oberseite des Neuropil VII, läuft quer hinüber und verzweigt sich in einem an der inneren Ecke des Neuropils gelegenen dunklen Kern (Fig. 5, 6, 9 u. 10 VII m,). In diesen Kern strahlt ein Bündel von Fasern aus, welche vom hinteren Gang- lienzelllager (gz,) ausgehen; ausserdem steht er mit dem Kerm VII s, durch ein Faserbündel in Verbindung (Fig. 9 u. 10), doch konnte der direkte Zusammenhang dieser Elemente untereinander mittelst Methylenblau bisher nicht nachgewiesen werden. In der unteren Portion konnten ebenfalls zwei Arten von Fasern nachgewiesen werden. Das kleinere Bündel (Fig. 6 u. 10 aus) dringt bis in die Mitte des Neuropil VII vor, biegt hier nach hinten und endigt im unteren Zipfel des Neuropils (Fig. 6 VII s,) mit einer aus- sedehnten Endarborisation. Das stärkere Bündel zeigt einen eomplieirteren Verlauf und steht mit eentralen Ganglienzellen des Lagers gz, in Verbindung. Ich gehe von diesen bei der Beschreibung aus. Der Axenfort- satz der Zellen (Fig. 5 rothe Zellen in gz,, Fig. 10 blaue Zellen Studien über das Centralnervensystem von Careinus Maenas ete. 609 in g2,) tritt in den äusseren Zipfel des Neuropil VII und theilt sich hier in seine beiden Hauptäste, welehe sich nach rechts und links wenden. Der nach aussen gehende Ast wird zum peripheren Nerven. Ehe er das Neuropil verlässt, giebt er eine grosse Menge von Zweigen ab, welche sich sehr reichlich in einem Neuropilkern verzweigen, der die äussere Ecke und die Ausbuchtung des Neuropil VII einnimmt (Fig. 5 u. 10 VII m,). Ausser dieser grossen Anzahl kleiner Zweige, von welchen häufig auch der andere Hauptast einen grossen Antheil abgiebt, lösen sich dieht am Austritt aus dem Neuropil ein bis drei starke Seitenzweige ab (Fig. 10 u. 11 aumh), welche einem grossen Faserbündel folgend, sich auf die Unterseite des Gehirns wenden, auf diesem Verlauf von der Seite und von unten Aeste in den unteren Theil des Neuropil VII schicken und schliesslich im Neuropil VIa ihr Ende finden. Der andere Hauptast verzweigt sich bei seinem Verlauf nach innen über den grössten Theil des Neuropil VII; hierbei ist besonders zu bemerken, dass er regelmässig Aeste in die Neuropilkerne VIIs, und VII m, entsendet. (Auch Elemente dieses Typus wurden von Retzius bei Astacus gefunden, aber nicht in ihrem ganzen Verlauf erkannt.) Antennarius 1. Ueber diesen Nerven sind meine Kenntnisse noch sehr im Argen. Wie schon erwähnt, tritt er auf der Unterseite ins Ge- "hirn und zwar unterhalb des Ganglienzelllagers gz, (Fig. 7 ant. I). Hier gelangt ein Theil seiner Fasern ins Neuropil VID, ein an- derer ins Neuropil VIa (Fig. 8). Mit Methylenblau habe ich an diesem Nerven bisher sehr wenig erreicht. Das einzige, was ich als sicher angeben kann ist, dass ein Theil seiner Fasern bis in den hintersten Zipfel des Neuropil VIa hinabsteigt und sich hier bäumchenförmig verzweigt (Fig. 11 Vla). Oeculomotorius. 3ei Oareinus gelingt es nicht leicht, den Oeulomotorius als sesondertes Bündel darzustellen, so dass es oft schwer ist zu sagen, welche Elemente gehören dem Optieus an und welche dem Oeculomotorius. Ich glaube aber sicher, dass das, was 610 Albreeht Bethe: ich hier als Oeulomotorius-Elemente beschreibe, auch wirklich solehe sind. Das Nervenbündel tritt hinter dem Opticus auf die Ober- seite des Gehirns. Die einzelne Faser läuft glatt bis zum Gang- lienzelllager y2,. Hier giebt sie (Fig. 5 ocm) einen starken Seitenzweig ab, der sich bald in drei Aeste theilt. Der eine wendet sich rückwärts und in die Tiefe, wo er mit der Oeulo- motoriuszelle (Fig. 5 u. 7 ocmz) in Verbindung tritt. Die beiden andern gehen ins Neuropil IV, wo sie sich am Rand verzweigen. Der Hauptstamm geht weiter und theilt sich kurz vor dem Neu- ropil IV in einen nach vorne verlaufenden Ast, der sich ins Neuropil III begiebt und sich hier im innern Optieuskern ver- zweigt, und in einen nach hinten ziehenden Ast, welcher sich schon vor dem Neuropil VII verzweigt, die Hauptarborisationen aber in den oberen Theil des Neuropil VII und besonders in den Neuropilkern VIIs, abgiebt. Die vorderen Mediannerven. Die Elemente dieser beiden dünnen Nerven, welche zwischen den beiden Nervi optiei an der Vorderseite ins Gehirn eintreten (Fig. 6 mn), färben sich in jedem Methylenblau-Präparat und zwar meist auffallend intensiv und vollkommen. Wie sich aus Weigertpräparaten ergiebt, ist die Zahl der Fasern nicht be- deutend, etwa 10 bis 15. Die Elemente dieser Nerven sind alle nach demselben Typus gebaut und haben ihren Ursprung von centralen Ganglienzellen, welche zusammen vereinigt in einer kleinen Gruppe liegen, die zur Gruppe gz, gehören mag, von dieser aber ganz getrennt ist (Fig. 6 u. T mnz). Der zuerst verhältnissmässig dünne Axenfortsatz dieser grossen Ganglien- zellen verläuft nach der Medianlinie zu und theilt sich ungefähr auf der Mitte des Neuropil IV in seine beiden sehr starken Haupt- äste, die schräg nach vorne und hinten verlaufen. Vorher giebt er nach vorne und hinten eine grosse Anzahl von Zweigen ab, die sich lebhaft im Neuropil III und 1V verzweigen. An den- selben Stellen verzweigen sich eine stattliche Anzahl von Seiten- zweigen der beiden Hauptäste. Der vordere Hauptast verlässt dann ohne weitere Zweige abzugeben als peripherer Nerv das Gehirn (Fig. 6). Studien über das Centralnervensystem von Careinus Maenas etc. 611 Der absteigende Hauptast theilt sich am oberen Rande des Neuropil VII in zwei grosse Zweige, welche reichliche Arbori- sationen in den vorderen Theil des Neuropil VII geben und schliesslich im Neuropilkern VII m, und VII m; ihr! Ende finden. Associantionselemente. Wir müssen hier unterscheiden zwischen solchen Elementen, welche die Theile des Gehirns unter sich verbinden und solchen, welche das Gehirn mit dem Bauchmark oder das Bauchmark mit dem Gehirn in Verbindung setzen. Verbindungen des Gehirns mit dem Bauchmark, &a) Mit Zellen im Gehirn. Typus.L (Bie5’c2,). Die Zellen liegen in der seitlichen Zellmasse gz, (vergleiche Fig. 8 cz,). Der Axenfortsatz läuft gerade nach hinten unter den Nerven der oberen Portion des Nervus Antennarius II fort, giebt eine Seitenverzweigung in den untern, seitlichen Theil des Neuropil VII und verlässt dann geraden Wegs durch die Com- missur das Gehirn. Fypws24u(EirV6rez)): Die Zelle liegt in der vorderen Ganglienzellmasse gz,. Der Axenfortsatz läuft auf der Oberseite von Neuropil III nach hinten, giebt dabei eine grössere Anzahl von Zweigen in den seitlichen Theil des Neuropil III und verlässt dann unter viel- fach gekrümmtem Verlauf durch die Schlundeommissur derselben Seite das Gehirn. 1 y.p us, 3. (Rio, 55e2,). Ich habe die Ausläufer dieser in grosser Anzahl auf jeder Seite der vorderen Zellmasse gz, liegenden Zellen (Fig. 12 cz,) auf Methylenblaupräparaten nie weiter verfolgen können, weil sie sich sehr in die Tiefe senken, und habe sie deshalb vor der Hand als unsicher mit blauer Farbe gezeichnet, glaube aber aus Weigertpräparatenmit ziemlicher Sicherheit schliessen zu können, dass sie durch die Schlundeommissur das Gehirn ver- lassen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 39 612 Albrecht Bethe: b) Mit Zellen im Bauchmark. Typus Wie 6roam)). Die Faser steigt in der Schlundeommissur nach oben und findet im vorderen Theil des Neuropil VII ihre Endverzweigung. Typus 2 (Fie. 67cm,). Diese Elemente verbinden irgendwelche Theile des Bauch- marks mit dem inneren Neuropilkern VII m,. Typus 3 (Fig. cm,). Die Faser steigt auf der Seite der Commissur in die Höhe, biegt in der Mitte des Neuropil VII rechtwinklig um, verläuft unter Abgabe einiger Seitenzweige zum Neuropilkern VII m, und entschwindet hier den Blicken. Typus 4 (Fig. 5 cm,). Die Faser läuft glatt bis zum Neuropil III, um sich hier zu verzweigen. Als Curiosum führe ich noch die Faser cm, in Fig. 5 auf, welehe in der Commissur nach oben steigt, in der Mitte des Neuropil VII ohne Verzweigungen abzugeben umwendet und in die Commissur zurückkehrt. Auch die Elemente vom Typus, wie er in Fig. 6 cm, wieder- gegeben ist, scheinen hierher zurechnen zu sein, doch konnte ihre Verbindung mit der Schlundeommissur nie deutlich beobachtet werden. Verbindungen der Theile des Gehirns untereinander. Typus1l (Fig. 5 ao,). Der Axenfortsatz der im vorderen Ganglienzelllager gz, ge- legenen Zellen läuft nach hinten auf die Oberseite von Neuro- pil III. Hier theilt er sich in einen rechten und linken Ast, welche quer durch das Neuropil verlaufen und nach allen Seiten Verzweigungen in dasselbe schicken. Von dem einen Hauptzweige oder direkt vom Axenfortsatz löst sich ein grösserer Ast ab, welcher zur gekreuzten Seite verläuft und sich hier in sehr variabler Weise im ganzen Neuropil III verzweigt. Es kommt vor — und dieser Fall ist in der Figur zur Abbildung gelangt — dass die auf die gekreuzte Seite übergegangene Faser, nachdem sie dort Studien über das Centralnervensystem von Caremus Maenas etc. 613 ihre Verzweigungen abgegeben hat, auf die ungekreuzte Seite zurückkehrt und ihre Endarborisation abgiebt. Doch scheint dies Verhalten nicht die Regel zu sein. Es verbinden also die Ele- mente dieses Typus die beiden Neuropile III. Typus2 (Fig. 5 u. 6 ao,). Die Elemente dieses Typus sind in grösserer Anzahl vor- handen und treten auf Weigertpräparaten deutlich hervor (Fig. 12 ao,). Das typische Verhalten, dieser Elemente ist in Fig. 6 abgebildet (ao,); das Verhalten wie es in Fig. 5 abge- bildet ist kommt weit seltener vor. Der Axenfortsatz der im vorderen Ganglienpolster gz, gelegenen Zellen läuft nach hinten zum mittleren Theil von Neuropil III und theilt sich hier in drei Zweige. Der eine geht auf die gekreuzte Seite über; der zweite läuft auf der Vorderseite von Neuropil III entlang und giebt da- bei verschiedene Endverzweigungen ins Neuropil; der dritte Zweig läuft nach hinten, giebt dabei noch einige Seitenzweige ins Neu- ropil II und endigt mit einer Verzweigung im Neuropil IV. Der auf die gekreuzte Seite übergehende Ast theilt sich gabelförmig am mittleren Rande des Neuropil III der gekreuzten Seite und die beiden so entstandenen Aeste verhalten sich ganz ebenso zu Neuropil III und IV der gekreuzten Seite, wie der zweite und dritte Hauptast des Axenfortsatzes der Zelle auf der ungekreuzten Seite. Es werden also durch diese Elemente Neuropil III und IV der einen Seite mit Neuropil III und IV der anderen Seite ver- bunden. Typus3 (Fig. 5ao,). Die Lage der Zellen dieser Elemente kann ich nicht an- geben. Die Fasern verlaufen quer zwischen den beiden Neuro- pilen IV, indem sie an jedem Ende Verzweigungen in dieselben geben. Diese Elemente verbinden also die Neuropile IV beider Seiten mit einander. Typus 4 (Fig. 5aan). Lage der Zellen unbekannt. Die Elemente verbinden die beiden Neuropile VII mit einander. Typus5 (Fig. 6at). Lage der Zellen unbekannt. Die Elemente setzen die beiden Neuropile V mit einander in Verbindung. 614 h Albrecht Bethe: Typus 6 (Fig. 6ata). Die Lage der Zellen wahrscheinlieh im seitlichen Zellen- lager, worauf der daher kommende, aber niemals mit Zellen in Verbindung gesehene Axenfortsatz deutet. Der Axenfortsatz theilt sich zwischen dem Neuropil VII und V. Der eine Ast verzweigt sich im mittleren Theil des Neuropil VII; der andere läuft auf die gekreuzte Seite und verzweigt sich hier im Neu- ropil V. Diese Elemente verbinden also das Neuropil VII einer Seite mit dem Neuropil V der anderen Seite. Typus?” (Fig. 6aoan,). Leider ist auch die Lage der Zellen dieser Elemente bis- her unbekannt geblieben. Sie verbinden den oberen Theil des Neuropil VII einer Seite mit Neuropil IV derselben und der ge- kreuzten Seite. TypusS (Fig. Daoan,). Die Zellen dieser Elemente liegen im vorderen Zellenlager gz;. Der Axenfortsatz tritt nach hinten und verläuft über Neuropil III und IV hinweg in den mittleren Theilsvon Neuropil VII, wo er hauptsächlich im Neuropilkern VIHIm, eine Endverzweigung findet. Während seines Verlaufs giebt er sowohl ins Neuropil HI als auch ins Neuropil IV eine grosse Menge von Seitenzweigen. Diese Elemente verbinden also die Neuropile III und IV mit einem Theil von Neuropil VII. Theoretische und zusammenfassende Betrachtungen. Ich bin an die vorliegende Arbeit ohne irgendwelche Vor- urtheile oder eine direete Fragestellung herangegangen und habe erst, als die meisten hier beschriebenen Thatsachen schon für mich feststanden, meinen Gedanken gestattet, das Gefundene in hypothe- tischer Richtung zu verarbeiten. Ich glaube dadurch der Gefahr des Hineinsehens in die Objeete zum grössten Theil entgangen zu sein. Hier möge es mir gestattet sein einen kleinen Theil der Gedanken niederzulegen, welche sich mir jetzt nach der Siehtung des vorliegenden Materials aufgedrängt haben. Ich will mieh dabei auf das nächstliegende beschränken und nicht auf Hypothesen bauend eine haltlose Theorie aufstellen, wie jüngst Schleich (8) anknüpfend an die lückenhaften Beobach- tungen über das Centralnervensystem der Wirbelthiere eine Theorie des Schlafes construirt hat. Studien über das Centralnervensystem von Carcinus Maenas etc. 615 Was die Auffassung der Nebenfortsätze des Stammfortsatzes oder Axenfortsatzes der Ganglienzellen anbetrifft, so muss ich mich unbedingt der Meinung von Retzius (2) und Lenhossek (9) anschliessen, welche letzterer in folgenden Worten formulirt hat: „Die Nebenfortsätze des Stammfortsatzes sind als Analogen der Dendriten aufzufassen, die hier nicht, wie bei den Verte- braten, dem Zellkörper selbst entströmen, sondern auf den An- fangstheil des Fortsatzes gerückt sind.“ Dafür sprechen vor allem die Uebergänge von unipolaren zu multipolaren Ganglienzellen, wie sie Retzius bei Astacus dar- gestellt hat. Die andere Ansicht, dass den Evertebraten Homologe der Dendriten und Seitenfibrillen ganz abgehen und dass die Neben- fortsätze höchstens den Collateralen der Vertebraten entsprechen, ist deswegen haltlos, weil dann, unter der Voraussetzung, dass Collaterale centripetal leiten, überhaupt keine Reize auf die Ganglienzellen übertragen werden könnten, da «sie zum grössten Theil ganz ausserhalb der Fasermassen liegen, also auch durch Umspinnung keine Induction erfahren können (Ich bemerke hier, dass auch bei Carcinus im vorderen Zelllager gz, des Gehirns häufig Uebergänge zu multipolaren Zellformen gefunden werden [Fig. 4]; leider konnte das Verhalten der Ausläufer bis jetzt nicht festgestellt werden.) In wieweit nun die Seitenzweige der Axen- fortsätze als centripetal leitende Elemente aufgefasst werden müssen, mag bei Zellen mit peripherem Fortsatz vielleicht nicht schwer erscheinen, bei Associationselementen ist aber häufig nicht leicht eine Grenze zu setzen. Wo soll man zum Beispiel bei den Elementen ao, und aoan, (Fig. 5 u. 6) die Grenze ziehen ? Ich glaube nun, dass auch bei den motorischen Elementen nicht alle Seitenzweige centripetal, sondern dass auch ein Theil centrifugal leitet: Ich habe oben gezeigt, dass das Verzweigungsgebiet der sensiblen Elemente des Bauchmarks sich ganz und gar auf die mittleren Neuropile der Ganglien beschränkt; wir können also mit Recht das mittlere Neuropil als sensibles Centrum in An- spruch nehmen. Wie ich an anderer Stelle gezeigt habe, entsendet jede motorische Zelle einen Fortsatz in das zugehörige mittlere Neuropil und es ist augenschemlich, dass auf diesem Wege der einfache Reflex, z. B. die Zurückziehung des Beines bei seiner 616 Albrecht Bethe: Reizung, erfolgt. In derselben Weise kann ein Reflex ausgelöst werden, wenn eine Stelle derselben Seite in einem andren Segment gereizt wird, da ja die meisten sensiblen Fasern mittels ihrer Collateralen mit der Mehrzahl, wenn nicht mit allen, mittleren Neuropilen derselben Seite in Verbindung stehen. Zur Erreichung derartiger Reflexe mögen auch die Seiten- zweige der motorischen Elemente dienen, welche in die mittleren Neuropile der beiden benachbarten Ganglienhälften und in das gekreuzte mittlere Neuropil entsandt werden. Demselben Zweck können aber nicht die Seitenfortsätze dienen, welche in die seitlichen Neuropile derselben und der gekreuzten Seite ab- gegeben werden, da sich hier gar keine sensiblen Elemente vor- finden. Ich meine, dass durch diese Aeste die motorische Zelle gewissermaassen in Kenntniss davon gesetzt wird, was die benach- barten motorischen Zellen thun; dazu ist es aber nothwendig anzunehmen, dass ein Theil der Seitenzweige, welche sich im zu- gehörigen seitlichen Neuropil verzweigen, centrifugal leiten, um den Erregungszustand zu vermitteln. Ein anderer Theil dieser kleinen Zweige mag, indem sie centripetal leiten, dazu dienen, durch Vermittelung der oben präeisirten, die motorischen Zellen der einen Ganglienhälfte in Connex zu setzen. Ich betrachte also alle Zweige der motorischen Zellen, welche sich in den seitlichen Neuropilen verzweigen, in erster Linie dazu bestimmt, die Correlation der Bewegungen zu vermitteln. Wer einmal einen Krebs beim gewöhnlichen Gehen beobachtet hat, wird finden, dass diese Erklärung etwas für sich hat. Es verzweigen sich nun in den seitlichen Neuropilen auch sogenannte Associationselemente, welche zum Theil mit dem Ge- hirn in Verbindung stehen, zum Theil sich auf das Bauchmark beschränken. Diese dienen offenbar dazu, geordnete Bewegungs- impulse abzugeben und den ganzen Bewegungsmechanismus zu überwachen. Wenn aber von ihnen die Correlation der Bewe- gung allein ausginge, so schiene das ganze complieirte Verzwei- gungsverhältniss der motorischen Elemente als unnöthig. Des weitern hier auf die Function der Associationselemente des Bauchmarks einzugehen, scheint mir bei der Lückenhaftigkeit der von mir auf diesem Gebiet bisher gemachten Beobachtungen zwecklos zu sein. Studien über das Centralnervensystem von Careinus Maenas etc. 617 Welche Elemente sind nun im Gehirn als motorisch zu be- zeichnen ? Unzweifelhaft scheinen mir die Elemente aum (Fig. 5), welche die untere Portion des Nervus Antennarius II mit sich führt, und die Elemente ocm (Fig. 5) des Oculomotorius motori- sche Function zu besitzen. Ausserdem halte ich die Elemente aom (Fig. 5) der oberen Portion des N. Ant. II, welehe ich vor- sichtshalber noch blau gezeichnet habe, für motorisch. Zwar habe ich ihren Zusammenhang mit centralen Zellen nicht direet nachweisen können — doch sprechen die Querschnittsbilder Fig. 9 und 10 für diesen Zusammenhang — auch habe ich keine Elemente der oberen nach vorne sich wendenden Portion zu Muskeln treten sehen, aber andrerseits glaube ich mit Bestimmt- heit sagen zu können, dass die untere Portion sich ungetheilt zu den nach hinten liegenden Retraetoren der zweiten Antenne be- geben, und man muss doch annehmen, dass auch die vor der Antenne liegenden Ereetoren vom Centrum innervirt werden, was von der oberen Portion aus sehr gut möglich wäre. Man würde dann nach den vorhergegangenen Erörterungen den Neuropil- kern VII», für das motorische Centrum der Elemente aum und den Neuropilkern VII m, für das der Elemente aom halten müssen. Das motorische Centrum der Elemente ocm scheint im seitlichen, unteren Rande des Neuropil IV zu liegen, konnte aber nicht bestimmt nachgewiesen werden. Dass auch die Elemente der vorderen Mediannerven, denen ich aus technischen Rücksichten voreilig die rothe, motorische Farbe gegeben habe, motorisch sind, scheint mir bei der Art ihrer Verästelung nicht unwahrscheinlich, da sie sich nieht in einem sensiblen Centrum verzweigen, sondern ihre Ausbreitung über unzweifelhaft sensible und motorische Centren ausdehnen, ein Verhalten, das nach den bisherigen Kenntnissen nur motorischen und höchstens noch Associationselementen zukommt. Um dies zu entscheiden, ist es aber nothwendig, ihre periphere Endigungs- weise genau klarzulegen, was mit einigen Schwierigkeiten wegen der verwickelten topographischen Verhältnisse verknüpft sein möchte. Im Nerve tegumentaire hat man aufmotorische Elemente wohl kaum zu fahnden ud man kann daher wohl die sich in so sonder- barer Weise verzweigenden Elemente getrost für sensibel halten. 618 Albrecht Bethe: Dass die Elemente aus und aos (Fig. 5, 6 u. 9) der zweiten Antenne sensibel sind, ist klar. Dass letztere sich in einem ganz bestimmten Neuropilkern VII s, verzweigen, den sie nieht verlassen und den man wohl als eigentliches sensibles Centrum der zweiten Antenne bezeichnen kann, habe ich schon oben erwähnt. Die Erklärung der Optieuselemente macht Schwierigkeiten. Aus ihrer Reichhaltigkeit ist wohl mit Sicherheit zu folgern, dass schon im peripheren Optieuscentrum die Sehempfindung statt- findet und dass die ins Gehirn eintretenden Elemente schon Bilder, also verarbeitete Retinaeindrücke, übermitteln. Betrachten wir zuerst die Elemente, deren Zellen ausser- halb des Gehirns in den peripheren Opticusganglien gelegen sind. Zuerst fällt hier der starke Faserstrang ins Auge, welcher seine Endverzweigungen ausschliesslich in den Neuropilkern ocs (Fig. 12) des Neuropil III abgiebt. Die Achnlichkeit des Verhaltens mit den sensiblen Elementen «os der zweiten Antenne legen es nahe, dass wir es in ihnen nicht mit Elementen der Sehempfindung, sondern der Tastempfindung zu thun haben, und dass das Auge und der Augenstiel ein Sitz von Tastempfindungen ist, beweist unzweifelhaft die lebhafte Reaction, welche, hauptsächlich in der Einziehung des Auges bestehend, stattfindet, wenn man die Augen einer durch Ueberlackiren mit undurchsichtigem Lack geblendeten Krabbe berührt. Die übrigen Elemente dieser Gruppe mögen Seheindrücke vermitteln. Die Elemente von Typus 1 u.2 (Fig. 11 oc, u. 063) gehen, ohne Verzweigungen ins Gehirn abzugeben, durch die Sehlundeommissur ins Bauchmark, wohin sie nicht weiter ver- arbreitete Seheindrücke auf dieselbe und die gekreuzte Seite über- tragen. Die Elemente vom Typus 4, 5 u. 6 verzweigen sich zu- nächst gekreuzt oder ungekreuzt in den Neuropilen III und IV, die ich als die eigentlichen Centren der Sehfunetion betrachte, indem in ihnen die Eindrücke der Augen weiter verarbeitet wer- den. Ausserdem verzweigen sich die Elemente vom Typus 5 (Fig. 5 o%,) im Neuropil VII derselben Seite und die vom Ty- pus 6 (Fig. 6 o%,) im Neuropil VII der gekreuzten Seite, wohin sie also ebenfalls Seheindrücke vermitteln. Ob nun die drei Typen der Optieuselemente, welche mit Zellen im Gehirn zusammenhängen, Seheindrücke vermitteln, ist Studien über das Centralnervensystem von Carcinus Maenas etc. 619 nicht leicht zu entscheiden. Man müsste in diesem Fall von der geläufigen Ansicht abgehen, dass die Axenfortsätze centrifugal leiten. Bei den Elementen vom Typus 8 (Fig. 6 0g,) erlaube ich mir kein Urtheil. Bei den Elementen vom Typus 7 (Fig. 5 og,) wird man aber nieht umhin können, von der erwähnten Ansicht eine Ausnahme zu machen. Sie bilden ohne Zweifel eine Commissur zwischen den beiden peripheren Optieusganglien, und man muss unbedingt annehmen, dass der eine Fortsatz celli- fugal und der andere cellipetal leitet, könnte allerdings auch diese Elemente in den allgemeinen Leitungstypus hineinzwängen, indem man einfach den cellipetal leitenden Fortsatz als Nebenfortsatz und nicht als Stammfortsatz auffasst. Physiologisch werden diese Elemente die Bedeutung haben, dass sie die Augen untereinander von dem „in Kenntniss“ setzen, was sie sehen. Bei den Elementen vom Typus 9 (Fig. 6 og,) halte ich es nicht für nöthig, den Axenfortsatz für cellipetalleitend zu halten, denn nach ihrem ganzen Verhalten scheinen sie nicht sensibel, sondern motorisch zu sein. Zwar hat wohl Niemand bisher ge- funden, dass Fasern des Optieus zu Oculomotoriusmuskeln treten, aber ich glaube mich sicher aus meinen Präparationen zu er- innern, dass die Fasern des Oculomotoriusnerven nur zu den nach hinten gelegenen Adduetoren oder Einziehern des Augenstiels laufen. Und die Abduetoren wollen doch auch innervirt sein! Wie ich oben gezeigt, verzweigen sich die Nebenäste unserer Zellen ausser im sensiblen Neuropil III auch im gemischt moto- risch und sensiblen Neuropil VII der zweiten Antenne und zwar hier nicht nur wie die sensiblen Fasern des Opticus in den in- differenten mittleren Theilen, sondern auch in den motorischen Centren VII, und VII:n,, weiterhin auch im Neuropil VIb der ersten Antennen. Dieses Verhalten ist das einer motorischen Zelle und es spricht für diese Auffassung auch die Beobachtung, dass ein Decapode bei der Werthschätzung eines ihm vor die Augen tretenden Gegenstandes diesen vorsichtig betrachtet und mit den Antennen abtastet und dass dabei die Augen und An- tennen der in Function getretenen Seite fast immer in einer be- stimmten Coordination zu einander bewegt werden. Dies kann, wenn die Betrachtungen, die ich vorher bei den motorischen Elementen des Bauchmarks gemacht habe, richtig sind, unter 620 Albreeht Bethe: den vorliegenden anatomischen Verhältnissen sehr leicht erklärt werden. Für die Erklärung derselben Erscheinung könnte eventuell auch die Associationsfaser aoan, in Anspruch genommen werden. Kehren wir noch einmal zu den andern motorischen Ele- menten zurück! Berührt man eine zweite Antenne, so wird sie refleetorisch zurückgezogen, und dieser Vorgang wird leicht dadurch erklärt, dass die Elemente aum durch den aufsteigenden Nebenast direet mit dem sensiblen Centrum VIIs, verbunden sind. Erst bei sehr intensiver Reizung wird auch die Antenne der anderen Seite eingezogen, und dies erklärt sich dadurch, dass immer erst bei diesem Reflexvorgang die quere Comissur aan durchlaufen werden muss. Berührt man das eine Auge, so wird es eingezogen, indem durch Erregung des Tasteentrums (?) des Auges (Fig. 12osc) der Reiz auf den aufsteigenden, sich hier verzweigenden Ast der Ele- mente ocm (Fig. 5) übertragen wird. Die Zurückziehung des andern Auges tritt, wie bei den Antennen, erst später und schwerer ein. Das Auge wird aber auch sofort refleetorisch zurückgezogen, wenn man eine Antenne derselben Seite berührt, und der Weg, den der Reiz bei Berührung der zweiten Antenne derselben Seite vom sensiblen’ Centrum VIls, zur motorischen Zelle ocmz nimmt, erhellt leicht aus Fig. 5. Ueber die Function der Assotiations-Elemente des Gehirns lohnt es’”sich noch nicht recht zu refleetiren. Ich hoffe aber im kommenden Sommer an neuem Material genauere Beobach- tungen machen und interessantere Resultate fördern zu können. Literatur. 1. Baerwald: Berichte d. chem. Gesellsch. 1884, S. 1206. 2. Retzius: Biolog. Untersuch., neue Folge 1. 3. vom Rath: Berichte der Naturforscher-Gesellschaft in Freiburg i. Br. Band IX, 2. 4. Ehrlich: Deutsche medicin Wochensch. 1890, No. 23. 5. Berger: Ber. aus d. zoolog. Inst. zu%Wien Bd. 1. 6. Krieger: Zeitschrift f. w. Zoologie. Bd. XXXIll. Studien über das Centralnervensystem von Careinus Maenas ete. 621 7. Allen: Quart. Journal of mikrosk. science 1894. Schleich: Schmerzlose Operationen. Berlin 189. 9. Lenhossek: Der feinere Bau des Nervensystems im Lichte neuester Forschungen. Berlin 189. & Erklärung der Figuren auf Tafel XXXIV, XXXV und XXXVIL Alle Figuren wurden mit Ausnahme von Fig. 4 mit dem Abbe- schen Zeichenapparat von Leitz entworfen. Gezeichnet wurde mit Obj. 3 und Oe. I von Leitz. Die genauere Verfolgung der Fasern ge- schah mit Obj. 7 und Oc. I von Leitz, zuweilen mit Oelimmersion U, und Oc. I vom selben Fabrikanten. Alle Figuren beziehen sich auf Carcinus Maenas. Roth=motorische Elemente. Schwarz = Associationselemente. Blau = sensible Elemente und solche, deren Funktion nicht feststeht. Fig. 1. Hinterer Theil des Bauchmarks nach Methylenblauinjection von oben. I—V die fünf Abdominalganglien, davor die Kugeln des letzten Thorakalganglions. Fasern qa,, a; und a, aus einem Präparat, alles übrige aus einem andern. Störende und mangel- haft gefärbte Elemente sind meist fortgelassen; ebenso sind die allerfeinsten Fasern nicht eingetragen. Erklärung, der Buchstaben im Text. Fig. 2. Die fünf vordersten Ganglien des Bauchmarks von oben. Be- zeichnungen im Text. (Auf 2/, verkleinert.) Fig. 3. Letztes Thorakalganglion rechter Seite von unten. Alle Fasern gehören dem zahlreichsten Typus der sensiblen Elemente an. (Verkleinert.) Fig. 4. Schematischer Querschnitt durch ein halbes Bauchganglion nach Weigertpräparaten. Rechts von der geknickten Linie g seitliches Neuropil, links davon mittleres Neuropil. gc grosse Längscommissur. Kc kleinere Längscommissurbündel. sfsen- 'sible Fasern. s sensible Längscommissur. (Auf 1/, verkleinert.) Fig. 5. Mittlerer Theil des Gehirns nach Methylenblauinjection von oben. Alles aus einem Präparat mit Ausnahme von Zelle avanz. Fig. 6. Gehirn nach Methylenblauinjeetion von oben. Aus3 Präparaten combinirt. Fig 7. Querschnitt durch das halbe Gehirn in der Richtung d—e auf Fig. 5 nach einem Weigert-Pahl’schen Präparat; die blauen Elemente sind in dieser wie in den folgende Figuren nach Schnitten durch Methylenblaupräparate eingetragen. (Verkleinert.) 622 ARD: Dias el: ig. 8. Querschnitt durch das Gehirn in der Richtung f—g im Fig. 6 Weigert-Pahl. (Verkleinert.) Fig. 9. Querschnitt durch das halbe Gehirn in der Richtung R—i in Fig.5. Weigert-Pahl. (Verkleinert.) Fig. 10. Querschnitt durch das halbe Gehirn in der Richtung k—I in Fig.5. Weigert-Pahl. (Verkleinert.) Fig. 11. Gehirn nach Methylenblauinjecetion von unten. (Verkleinert.) Fig. 12. Frontalschnitt (etwas schräg) durch den oberen und vorderen Theil des Gehirns. Weigert-Pahl. (Verkleinert.) Die Retina der Vögel. Von A.S. Dogiel, Professor der Histologie an der Universität zu Tomsk (Sibirien). Erste Mittheilung. Hierzu Tafel XXXVH und XXXVI. Meine ersten Untersuchungen über die Nervenelemente der Retina der Vögel habe ich als vorläufige Mittheilung bereits 1888, bald nach Einführung der neuen Färbungsmethode der Nerven mittelst Methylenblau durch Ehrlich, veröffentlicht?). Seit der Zeit habe ich meine Beobachtungen in dieser Richtung fortgesetzt und ein ziemlich umfangreiches Material gesammelt, die Ordnung desselben aber zur Drucklegung aus Mangel an Zeit bis jetzt verschieben müssen. Die Veröffentlichung der Arbeit von Ramon y Cajal?) 1) Ueber das Verhalten der nervösen Elemente in der Retina der Ganoiden, Reptilien, Vögel und Säugethiere. Anatomischer Anzeiger No. 4 u. 5, 1. Februar 1888. Über die nervösen Elemente in der Netzhaut der Amphibien u. Vögel. Anat. Anz. No. 11 u. 12, 1. Mai 1888. 2) La Retine des vertebres. La Cellule, t. IX, 1r faseieule. 189. Die Retina der Vögel. 623 über die Retina der Wirbelthiere veranlasst mich, die Resultate meiner eigenen Beobachtungen über die Nervenelemente der Netz- haut der Vögel hier mitzutheilen und damit einige bereits in meiner ersten Abhandlung ausgesprochene Angaben zu ergänzen und theilweise zu modifieiren. Zu meinen Untersuehungen habe ich die Netzhaut verschie- dener hühnerartigen Vögel (der Taube, Truthenne, des Huhns u. And.) und ausserdem die Retina des Falken und der Eule be- nutzt, wobei zur Färbung eine !/,o—!/ıs /)o Lösung von Me- thylenblau angewendet wurde. Die Beschreibung der Nervenele- mente der Retina gedenke ich mit der Nervenfaserschicht zu beginnen. Bereits 1888 sind von mir!) zuerst in der Retina der Vögel Fasern beobachtet und beschrieben worden, welche aus der Nervenfaserschicht in die innere retieuläre Schicht übergehen, die letztere in mehr oder weniger senkrechter Richtung durch- schreiten und dann an der äusseren Oberfläche der genannten Schicht in varieöse Fäden zerfallen. Damals hielt ich die be- sagten Fäden für Fortsätze besonderer Zellen (Spongioblasten) der mittleren gangliösen Schicht und vermuthete, dass sie sich nach und nach mit einander vereinigen und den oben bezeich- neten Fasern den Ursprung geben. Ferner habe ich in diesen ersten Abhandlungen die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass zuweilen die Fortsätze zweier solcher Zellen sich zunächst zu zwei Aestchen vereinigen, aus welchen sich dann eine einzige Nervenfaser bildet, d. h. mit anderen Worten, ich habe auf die Theilung dieser besonderen Fasern hingewiesen. Einer meiner Abhandlungen habe ich auch eine Zeichnung beigefügt (vide S. 140, Fig. 5), in welcher eine ähnliche Faser in der Weise dargestellt wird, wie sie auf einem Flächenpräparat der Retina erscheint, wenn die Zelle, deren Fortsätze, wie ich damals an- nahm, den Ursprung dieser Faser bilden, ungefärbt bleibt. Auch damals habe ich schliesslich bemerkt, dass einige der Ästchen, welche aus der Theilung der Fortsätze der Spongioblasten- Zellen des angegebenen Typus entstehen, sich mit benachbarten Zellen desselben Typus vereinigen und auf solche Weise alle Zellen zu einer Colonie verbinden. Dasselbe, jedoch ausführ- enge: 624 A.S. Dogiel: licher, habe ich in einem neulich von mir publieirten Artikel ausgesprochen !). Ramon y Cajal?) hat einige Zeit nach Veröffentlichung meiner Arbeit seine Untersuchungen über die Retina der Vögel, die nach Golgi scher Methode gefärbt war, erscheinen lassen, wobei es ihm gelungen ist an Schnitten der Retina die obenbe- zeichneten Fasern zu beobachten, welche, seiner Meinung nach, auf der äusseren Oberfläche der inneren retieulären Schicht mit einem Bündel ziemlich dieker varieöser Fäden frei endigen. In weiteren Abhandlungen hat Ramon y Cajal?) auf das Vorkommen dergleichen Fasern in der Retina der Säugethiere hingewiesen, wobei er sie zu den centrifugalen Fasern rechnet und die Vermuthung ausspricht, dass die Endverzweigungen dieser Fasern, welehe sich zwischen den „Cellules amacrines* (Spongio- blasten) einlagern, zur Uebertragung der Reize dienen, die von den Optieuseentren zu den gangliösen Zellen der Retina geführt werden. In der letzten Zeit habe ich die Färbung der Retina oben- genannter Vögel, vorzugsweise der Taube, mit Methylenblau nach einer etwas veränderten Methode ausgeführt und bin da- durch in den Stand gesetzt worden, die Endigung der centri- fugalen Fasern und ihr Verhalten zu den Zellen der mittleren gangliösen Schicht klarzulegen. Zur Erreichung des genannten Zwecks wurde gewöhnlich nach Möglichkeit die ganze Retina der Taube herausgenommen, auf dem Objectivglase ausgebreitet und mit Methylenblau gefärbt; beim Falken und der Eule wurde die Retina zuvor in einige Theile zerschnitten. Es war mir auf solehe Weise möglich, an solchen Präparaten der Netzhaut der Taube, indem ich zuweilen die ganze Netzhaut vor mir hatte, 1) Zur Frage über den Bau der Nervenzellen und über das Ver- hältniss ihres Axencylinder-(Nerven-)Fortsatzes zu den Protoplasma- fortsätzen (Dendriten). Archiv f. mikrosk. Anatomie, Bd. XXXXI. 2) Revista Trimestral de Histologia Normal y Patologica. Num. 1—2, 1° de Mayo 1° de Agosto de 1888, Barcelona. — Sur la morphologie et les connexions des &l&ments de la re£- tine des oiseaux. Anatomischer Anzeiger No. 4, 1889. 3)aB..c. — Neue Darstellung vom histol. Bau des Centralnervensystems. Archiv f. Anatomie u. Physiologie H. 5—6, anatom. Abtheilung, 189. Die Retina der Vögel. 625 den Lauf zu studiren, den die Nervenfasern, vom Eintritt des Sehnerven beginnend, bis dieht an die Ora serrata zurücklegen. - Die Nervenfasersehicht der Vögel besteht aus markhal- tigen Fasern, welche, sich nicht in dem Maasse verflechtend wie dieses bei der Netzhaut der Säugethiere und des Menschen der Fall ist, anfangs in mehr oder weniger paralleler Riehtung verlaufen, sich alsdann einander allmählich nähern und an der Eintritts- stelle des Sehnerven zusammentreffen, wobei sie eine ziemlich dieke Schicht bilden. Die Dieke der letzteren nimmt von der Ora serrata bis zur Eintrittsstelle des Sehnerven zu. Im Verlaufe der Nervenfasern treten die Ranvier schen Einsehnürungen gewöhnlich sehr deutlich hervor und die Axen- eylinder sind an diesen Stellen sehr intensiv blau gefärbt. Der Durchmesser der Fasern pflegt ein verschiedener zu sein: die Mehrzahl derselben erreicht eine ziemlich bedeutende Dicke, jedoch trifft man neben solchen dieken Fasern auch viele feine an, welche oft das Aussehen von sehr dünnen varieösen Fäden haben. Ein grosser Theil der Nervenfasern, welche die genannte Schieht bilden, beginnt von den Nervenzellen der inneren gang- liösen Schicht (Gangl. n. optiei) der Retina, und ebenso auch von den von mir beschriebenen grossen Zellen der mittleren gang- liösen Schicht, welche neben andern Nervenzellen der genannten Schicht der äusseren Oberfläche der inneren retieulären Schicht anliegen und überhaupt in der Retina der Vögel sich in ziemlich bedeutender Anzahl vorfinden (Fig. A). Die Axencylinder be- ginnen gewöhnlich, wie dieses fast an jedem Flächenpräparat der Netzhaut deutlich ersichtlich ist: unmittelbar von dem Körper der Nervenzelle, von einem ihrer Protoplasmafortsätze, noch vor dessen Zerfallen in einzelne Aestchen oder an der Theilungsstelle dieses oder jenes Protoplasmafortsatzes, oder endlich von irgend einem Aestehen der Protoplasmafortsätze der Zelle, häufig sogar in beträchtlicher Entfernung vom Körper der Zelle selbst. Die besagten Fasern begeben sich in bekannter Weise zur Eintritts- stelle des Sehnerven und von dort aus zu den Opticuscentren. Da die Nervenfaserschicht der Retina hauptsächlich aus diesen Fasern besteht, so kann man sie als die Schicht cen- tripetaler Fasern bezeichnen. 626 A.S. Dogiel: Aber ausser diesen Fasern giebt es in der Retina der von mir untersuchten Vögel, wie bemerkt, in der Nervenfaserschicht beständig noch eine »verhältnissmässig beschränkte Anzahl von markhaltigen Fasern, welche in der Retina endigen. Sie gehen von den Optieuscentren aus und zerstreuen sich an der Eintrittsstelle des Sehnerven nach verschiedenen Seiten, wobei sie anfangs zusammen mit den centripetalen Fasern vorlaufen. Gleich diesen letzteren haben sie eine verschiedene Dieke, wobei an ihnen beständig die Ranvier’schen Einschnürungen siehtbar sind, mit Aus- nahme derjenigen Fasern, welche als varieöse, oft sehr feine Fäden erscheinen. Eine grössere Anzahl der genannten Fasern verläuft mit den centripetalen Fasern zusammen eine verhältnissmässig nur kurze Strecke weit und verlässt bei der Eintrittsstelle des Sehnerven und desgleichen im Centraltheil der Retina die Nervenfaserschicht (Fig. 5); eine viel geringere Anzahl der in Rede stehenden Fasern erreicht die Peripherie der Retina und verlässt in mehr oder minder weiter Entfernung von der Ora serrata die Schieht der eentripe- talen Fasern, wobei einige von ihnen, so viel ich beobachten konnte, fast bis an den Rand der Retina heranreichen. Wenn man den Gang der beschriebenen Fasern an Flächenpräparaten der Tauben-Retina verfolgt und dabei die Focaldistanz allmählich verändert, so ist es nicht schwer ganz deutlich wahrzunehmen, dass diese Fasern sich unter verschiedenem, meistens fast rechten Winkel krümmen und, nachdem sie zunächst die innere gangliöse Schicht durchgewandert haben, in die innere retieuläre Schicht eintreten (Fig. 1 u. 5), welche sie in senkrechter oder sehräger Richtung bis zu deren äusserer Oberfläche durchdringen. Viele von den Fasern wenden sich, noch ehe sie die äussere Ober- fläche der inneren reticulären Schicht erreicht haben, unter einem Winkel um und breiten sich oft in beträchtlicher Ausdehnung in der reticulären Schicht in einiger Entfernung von deren Ober- fläche aus (Fig. 1), welche sie erst dann erreichen, nachdem sie eine zweite Wendung gemacht haben. In meinen früheren Arbeiten!) habe ich irrthümlich die Vermuthung ausgesprochen, dass die bezeichneten Fasern mit den bekannten Zellen der mittleren gangliösen Schicht der Retina L)I2.IC, Die Retina der Vögel. 627 in die oben angeführte Beziehung treten, wobei ich gleichzeitig darauf hinwies, dass diese Fasern zuweilen einer Theilung unter- worfen sind und dass sich ausserdem einige von ihnen in be- trächtlicher Ausdehnung an der äusseren Oberfläche der inneren retieulären Schicht ausbreiten. Ramon y Cajal!) deutet diese Fasern zuerst als centrifu- gale, beschreibt sie indessen nur ziemlich kurz, indem er sagt, dass sie die innere retieuläre Schicht in senkrechter Richtung durchsehbreiten und im Niveau der Spongioblasten-Zellen in einem Bündel dicker varicöser Fäden frei endigen. Wenn man die Retina der Vögel in angegebener Weise durch Methylenblau färbt, so erhält man eine Tingirung der be- schriebenen Fasern in ihrem ganzen Verlauf, und es gelingt da- bei dieselben an einem und demselben Präparat sowohl an der Fläche, als auch an den optischen Schnitten der Retina dort wahr- zunehmen, wo sie Falten gebildet hat. Nur beim vereinten Studium dieser Fasern an Flächenpräparaten und gleichzeitig an Schnitten und bei Zusammenstellung der in beiden Fällen erlangten Er- gebnisse ist man im Stande die Endigungen der Fasern und ihre Beziehung zu den Nervenzellen der mittleren gangliösen Schicht vollständig zu klären, was sich niemals durch ein einseitiges Studium der Retina-Schnitte erreichen lässt, gleichgültig, ob die- selbe nach Golgi scher Methode oder durch Methylenblau be- handelt wird. Wenn man eine ganze Reihe solcher Präparate durchmustert, so wird man sich vor allem davon überzeugen, dass die einen der genannten Fasern — wir wollen diese nach Ramon y Cajal centrifugale?) nennen — während ihres ganzen Verlaufs bis dicht zu ihrer Endigung an der äusseren Oberfläche der inneren reti- ö Brsfer 2) E. Kallius äussert in seinem Artikel „Untersuchungen über die Netzhaut der Säugethiere“ (Separat-Abdruck aus den anatom. Heften, herausgeg. v. Fr. Merkel) einen Zweifel darüber, dass in der Retina centrifugale Fasern existiren und ist geneigt, sie eher für sensible, folglich für centripetale Fasern zu betrachten, da bis jetzt zu den centrifugalen nur die motorischen und secretorischen Fasern gerechnet werden. Jedoch in Berücksichtigung dessen, dass die Re- tina ihrer Entwickelung und ihrem Bau nach nur ein vom Central- nervensystem abgespaltenes Organ darstellt, ist es meiner Ansicht Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 40 698 A. S. Dogiel: eulären Schicht keiner Theilung unterworfen sind — von mir als die sieh nieht theilenden centrifugalen Fasern be- nannt —, die anderen aber im Gegentheil bereits weit vor ihrer Endigung auf der Oberfläche der genannten Schicht zunächst einer vielfachen Theilung unterliegen — diese nenne ich die sich theilenden centrifugalen Fasern. Ferner kann man an denselben Präparaten leicht constatiren, dass unter den eentri- fugalen Fasern, sowohl den sich nicht theilenden als den sich theilenden, betreffs der Art und Weise der Endigung wieder zwei verschiedene Arten von Fasern unterschieden werden müssen: erstens solche Fasern, welche mit den Zellen der mittleren gang- liösen Schicht von bekanntem Typus in enge Verbindung treten und an der Oberfläche dieser Zellen endigen, und zweitens solche, welche dem Anscheine nach in gar keiner direeten Beziehung zu den obengenannten Zellen stehen und unmittelbar an der äusseren Oberfläche der inneren retieulären Schicht endigen. Die sieh nieht theilenden centrifugalen Fasern ver- lassen die Nervenfaserschicht in verschiedener Entfernung von der Eintrittsstelle des Sehnerven (Fig. 3) und, nachdem sie eine Wendung srösstentheils unter rechtem oder stumpfen Winkel gemacht, durehdringen sie bald in senkrechter, bald in mehr oder weniger schräger Richtung die ganze Dicke der inneren gangliösen und der retieulären Schicht bis dicht zur äusseren Oberfläche der letzteren (Fig. A; Fig. 1 u. 5). Einige dieser Fasern endigen auf der genannten Oberfläche der retieulären Schicht, sobald sie sie erreicht haben, andere jedoch biegen sich abermals um und erstreeken sich anfangs in einer oft sehr beträchtlichen Ausdehnung auf der äusseren Oberfläche der inneren retieulären Schicht und endigen erst dann in dieser oder jener Weise, je nach der Art der Fasern, zu denen sie gehören. Was die sich theilenden centrifugalen Fasern anbe- trifft, so erfolgt ihre Theilung gewöhnlich: a) in der Nervenfaser- schicht selbst, b) auf der inneren Oberfläche der inneren retieulären Schicht, e) während des Verlaufs der Fasern durch die letztere Schieht und endlich d) auf der äusseren Oberfläche der genannten Sehiceht (Fig. A; Fig. 1, 2 ete.). Soviel ich aus meinen Beob- nach zulässig, mit Ramon y Cajal das Vorhandensein von centri- fugalen Fasern in derselben anzunehmen, weshalb ich auch die obige jennenung für diese Fasern beibehalte. Die Retina der Vögel. 629 achtungen schliessen kann, erfolgt die Theilung der Fasern am häufigsten zuerst, während sie die innere retieuläre Schicht durch- schreiten und auf der äusseren Oberfläche der letzteren; solche Fasern, deren Theilung bereits in der Nervenfaserschicht erfolgt, trifft man gewöhnlich in geringer Menge an, wobei sie sich, dem Anscheine nach, in grösserer Anzahl nahe bei der Eintrittsstelle des Sehnerven befinden, Die Theilung der Fasern erfolgt an einer der Ranvier- schen Einschnürungsstellen unter mehr oder weniger spitzem Winkel (Fig. 1, 2 u. and.), wobei die durch diese Theilung ent- standenen Aestchen nach einer gewissen Streeke wiederum in zwei neue Aestchen zerfallen, von denen jedes einer weiteren Theilung unterworfen werden kann. Auf solehe Weise zerfällt oft eine centrifugale Faser, wie dieses in Fig. 4, 6, 9 u. and. dargestellt ist, in drei, vier, fünf oder sogar mehr einzelne Fasern. Falls die Theilung der Faser in der Nervenfaserschicht stattfindet, gehen die aus der Theilung derselben entstandenen Aestehen eine grössere oder geringere Strecke weit in der ge- nannten Schicht fort, biegen sich dann früher oder später unter einem Winkel um und erreichen gleich den sich nicht theilenden Fasern die äussere Oberfläche der inneren retieulären Schicht, wobei sie sich nach abermaliger Biegung auf der genannten Oberfläche ausbreiten, wo sie oft von sich aus eine neue Anzahl Aestchen abgeben (Fig. A). Zuweilen erfolgt der Abgang sol- cher Aestehen noch während ihres Verlaufs durch die Dieke der inneren retieulären Schicht, und in einigen Fällen endigen sie sofort, nachdem sie die äussere Oberfläche der genannten Schicht erreicht haben. Es sind schliesslich auch solche Fälle nicht selten, dass die Nervenfaser eine beträchtliche Strecke in der Schicht der centripetalen Fasern verläuft und unterdessen Seiten- ästchen abgiebt, welche sieh sogleich in die innere retieuläre Schicht begeben, wo sie ihre Richtung zu der äusseren Ober- fläche dieser Schicht nehmen, während die Faser selbst zuvor eine ziemlich weite Strecke in der obengenannten Schicht zurück- legt und erst dann in die retieuläre Schicht eintritt (Fig. 4A). Dasselbe kann man auch in Bezug auf diejenigen Fasern sagen, deren Theilung an der inneren Oberfläche der retieulären Schicht erfolgt. Nachdem sie zuvor eine grössere oder kleinere Strecke an der Oberfläche dieser Schicht zurückgelegt haben, treten sie 630 5.8. Doenıel: alsbald in die genannte Schicht ein, erreichen deren äussere Oberfläche und breiten sich auf ihr aus. Was die Fasern anbetrifft, welche einer 'Theilung zuerst m ihrem Verlaufe durch die innere retieuläre Schicht unterliegen, so gehen alle Aestchen, welche aus dieser Theilung entspringen, in senkrechter oder schräger Richtung zur äusseren Oberfläche der inneren retieulären Schicht und verbreiten sich zusammen mit anderen Aestchen desselben Ursprungs und mit einigen sich nicht theilenden Fasern oft eine sehr lange Strecke weit auf der genannten Oberfläche, wobei sie sich während ihres Verlaufs oft aufs neue theilen. Ein grosser Theil der Aestchen, in welche die sich theilen- den Fasern zerfallen, behalten in beträchtlicher Ausdehnung voll- kommen den Charakter von markhaltigen Nervenfasern, und an ihnen sind die Ranvier’schen Einschnürungen sehr deutlich sicht- bar. Gewöhnlich ist die Dieke solcher Aestehen eine verschie- dene — der Durchmesser der einen scheint nur ein wenig ge- ringer zu sein als der Durchmesser der Ursprungsfasern —, während der Durchmesser anderer Aestehen dagegen weit geringer ist. Ueberhaupt kann man bemerken, dass je nach der Theilung der Fasern der Durchmesser der aus ihnen entsprungenen Aestchen allmählich abnimmt; ausserdem wird jedes Aestehen in einer be- stimmten Entfernung von seinem Ende dünner, verliert seine Markscheide und nimmt das Aussehen eines varicösen Fadens an. Neben den eben beschriebenen Aestchen trifft man oft auch solche an, welche schon anfangs ihre Markscheide verloren haben und als mehr oder minder feine variecöse Fäden erscheinen. Die Länge der einzelnen Aestehen, wie auch ihre Dicke, kann eine verschiedene sein — die einen von ihnen sind sehr lang und oft konnte ich sie von der Eintrittszelle des Sehnerven fast bis zum Rande der Retina verfolgen —, die anderen dagegen sind verhält- nissmässig kurz. So viel ich beobachten konnte, begeben sich alle Aestchen, die durch Theilung der beschriebenen Fasern gebildet werden, unabhängig davon, ob nun diese Theilung bereits in der Nerven- faserschicht, auf der inneren Oberfläche der retieulären Schicht, oder während ihres Verlaufes durch diese erfolgt, immer zur äusseren Oberfläche der genannten Schicht, wobei viele von ihnen vor ihrer Endigung sich in grösserer und geringerer Ausdehnung Die Retina der Vögel. 631 auf dieser Oberfläche ausbreiten und unterwegs oft aufs neue einer Theilung unterworfen werden. Ungeachtet der im Ver- gleich zur Anzahl von centripetalen Fasern geringen Menge cen- trifugaler Fasern, die ursprünglich in die Netzhaut eintreten, finden wir Dank dem angeführten Umstande und dem Vorhanden- sein von sich theilenden Fasern auf der äusseren Oberfläche der inneren retieulären Schicht eine Menge dergleichen Fasern; sie kreuzen hier einander in verschiedenen Richtungen, verlaufen oft sogar bündelweise und bilden, wie dieses aus Fig. A, Fig. 1 u. 3 ersichtlich ist, eine besondere Schicht, welche man als die Sehieht der centrifugalen Fasern bezeichnen kann. Die centrifugalen FaserndererstenArt (Fig.4, Fig. 1, Fig. 3—8) endigen, wie bereits oben (S. 628) gesagt, auf der äusseren Oberfläche der inneren retieulären Schicht, imdem sie zu den Zellen der mittleren gangliösen Retinaschicht von be- stimmtem Typus (den Spongioblasten-Zellen W. Müller’s oder den Amakrin-Zellen, „Cellules amacrines*, Ramon y Cajal’s) in eine gewisse Beziehung treten. Jede solche centrifugale Faser oder jedes einzelne Aestehen, das aus deren Theilung ent- standen ist, verliert die Markscheide nach Erreichung der äusseren - Oberfläche der inneren retieulären Schicht oder nachdem das Aestehen zuvor auf der genannten Oberfläche eine grössere oder geringere Strecke zurückgelegt hat und zerfällt in ein Bündel, welches anfangs aus einigen — zwei bis vier und mehr — vari- cösen Fäden besteht (Fig. A, Fig. 3—8). Letztere erstrecken sich meistens zuerst in gewisser Ausdehnung auf der äusseren Oberfläche der obengenannten Schicht, indem sie sich zu den Nervenzellen der mittleren gangliösen Schicht der Retina von bestimmtem Typus begeben, wobei jedes Aestchen an dem oft verengerten Zellkörpertheil, der der inneren retieulären Schicht an- liegt, aufs neue in einige Fädchen zerfällt. Die eben erwähnten Fädchen verlaufen dann an der Oberfläche der Nervenzelle, um- schlingen dieselbe oft ein oder zwei Mal, geben zuweilen eine gewisse Anzahl kurzer Seitenfädchen ab, verflechten und ver- einigen sich mit einander und bilden schliesslich ein mehr oder weniger dichtes pericelluläres Geflecht (Fig. A, Fig. 5—8). Jedoch nicht in allen Fällen bildet sich ein pericelluläres Geflecht allein durch eine einzige eentrifugale Faser oder deren Aestehen, zuweilen nehmen an der Bildung desselben noch zwei 632 A.S. Dogiel: oder drei einzelne Fasern oder Aestchen Antheil, die aus der Theilung von zwei oder drei verschiedenen Fasern entstanden sind (Fig. 6—7). Ausserdem trifft man häufig auch solche Fasern an, welche sich in der Nervenfaserschicht in zwei Aestchen theilen, wobei diese beiden Aestchen, nachdem sie die äussere Oberfläche der inneren retieulären Schicht erreicht haben, nicht ihren Weg zu zwei verschiedenen, sondern zu einer Zelle nehmen und sie umflechten (Fig. 6—7); umgekehrt kommt es auch vor, dass die Endfäden irgend einer Faser oder eines ihrer Aestchen ein Ge- fleeht um einige benachbarte Zellen bilden. Die Nervenfäden, mit welchen die centrifugalen Fasern auf der Oberfläche der Zellen endigen, haben eine verschiedene Dicke, die einen sind sehr dünn, die andern dagegen ziemlich dick, wo- bei sie gewöhnlich mit kleinen oder grossen varicösen Ver- diekungen von runder, spindelartiger oder unregelmässiger Form besetzt sind (Fig. 5—8). Oft umfassen die Fäden des pericellu- lären Geflechts vorzugsweise die inneren zwei Drittel (die Basis) der Zelle, während sich auf der Oberfläche des äusseren Drittels nur einige Fäden befinden; in einem solchen Falle wird dureh das Nervengeflecht eine Art von Becken gebildet, in welchem ein gewisser Theil des Zellkörpers eingebettet ist (Fig. 5). - Einige der Fäden des pericellulären Geflechts scheinen mit Verdiekungen verschiedener Grösse auf der Oberfläche der Zelle zu endigen, oder aber ein oder zwei gleiche Fäden begeben sich eine kurze Strecke weit zwischen die Elemente der äusseren gangliösen Schicht (Gang]. retinae), wobei es zuweilen gelingt zu beobachten, dass ein solehes gleichsam frei endigendes Fädehen in der That nur als kurze kleine Schlinge erscheint, welehe sich von dem peri- cellulären Geflecht abgelöst hat (Fig. 5—8). Gewöhnlich legen sich die Fäden des beschriebenen Ge- flechts unmittelbar und sehr dicht an die Oberfläche der Zellen- körper an; falls daher eine oder die andere Zelle durch Me- thylenblau schwach gefärbt wird oder ganz ungefärbt bleibt, nimmt das Ende der centrifugalen Faser oder eines ihrer Aest- chen, wie dieses an Flächenpräparaten und Retina-Schnitten leieht wahrzunehmen ist, das Aussehen eines Netzchens an, dessen Form vollständig der Form der von ihm umflochtenen Zelle entspricht (Fig. 5—8). In weleh enger Beziehung die Fäden des pericel- Die Retina der Vögel. 633 lulären Geflechts zu den Zellen stehen, darauf weist unter Anderem die von mir beobachtete Thatsache hin, dass die Färbung der Zellen selbst dureh das genannte Geflecht hindurch stattfindet, welches stets früher durch Methylenblau gefärbt erscheint, als das Protoplasma der Zellen und deren Fortsätze, wobei die peri- pherische Schicht der Zelle, welche sich unmittelbar an das pericelluläre Geflecht anlegt, früher als der übrige, tiefere Theil des Zellkörpers sich färbt. Im Fall einer. unvollständigen Färbung einiger Fäden des pericellulären Geflechts erscheint das Ende der centrifugalen Faser wie ein Bündel von mehr oder weniger dieken Fäden, welche zwischen den Elementen der mittleren gangliösen Retina-Schicht frei endigen. Derartige scheinbar freie Endigungen centrifugaler Fasern kann man fast an jedem Retina-Präparate wahrnehmen, das durch Methylenblau gefärbt ist — ein ganz gleiches Bild wird sich stets darstellen, wie man aus der Untersuchung Ramon y Cajal’s entnehmen kann —, an den Schnitten der Netzhaut, die nach Golgi’scher Methode behandelt wurde. Wenn man berück- sichtigt, dass bei Behandlung der Retina mit Silbernitrat die Zellen sich nicht gleichzeitig mit den sie umflechtenden Fäden, mit welchen die centrifugalen Fasern endigen, färben, und dass ferner viele Fäden ungefärbt bleiben, wobei auf denselben sich ein sehr starker Silberniederschlag absetzt, so ist es begreiflich, dass es Ramon y Cajal nicht gelungen ist, die Beziehung, der bezeichneten Fäden zu den Zellen zu beobachten; in Folge dessen nimmt er an, dass diese Fäden zwischen den Zellen der mittleren sangliösen Schicht frei endigen. Hier muss ich hinzufügen, dass Ramon y Cajal nur eine Art centrifugaler Fasern gesehen und beschrieben hat, und zwar sich nicht theilende Fasern, welche sogleich nach Erreichung der äusseren Oberfläche der inneren retieulären Schicht endigen. Ferner sollen, soviel man aus der Beschreibung und den Abbildungen Ramon y Cajal's schliessen kann, alle Fäden, mit welchen die centrifugalen Fasern endigen, eine bedeutende Dicke haben; in der That aber sind die bezeichneten Fäden, wie dieses an Retina-Präparaten, die mit Me- thylenblau gefärbt sind, leicht ersichtlich ist, durchaus nicht so diek, die Mehrzahl derselben hat vielmehr die Form von feinen varicösen Fäden und vergleichweise nur wenige erscheinen als dicke Fäden, Dank dem Umstande, dass an ihnen grosse, in 634 "A. Dörte: die Länge gezogene varicöse Verdiekungen von unregelmässiger Form vorhanden sind; ihre bedeutende Dieke erscheint als Re- sultat der Behandlungsmethode selbst. An jedem Präparate der Retina, das mit Methylenblau ge- färbt ist, kann man wahrnehmen, dass einige Zellen, auf deren Oberfläche die centrifugalen Fasern endigen, wie ich zum Theil schon oben bemerkt habe, ungefärbt bleiben; andere aber färben sich sehr schwach und endlich trifft man unter ihnen auch solche, welche gleich den sie umflechtenden Fäden sehr intensiv gefärbt sind. In letzterem Falle sind die Fäden, welche der Oberfläche der Zellen unmittelbar anliegen, gewöhnlich fast nicht zu be- merken, und wir erblicken deutlich nur diejenigen Fäden, welche sich bei der ursprünglichen Tbeilung der Faser abgesondert, aber noch nicht die Oberfläche der Zelle erreicht haben, und des- gleichen die die einzelnen pericellulären Geflechte verbindenden Fäden, worüber das Nähere unten gesagt werden wird; dabei scheinen alle diese Fäden, indem sie sich der intensiv gefärbten Zelle nähern, gleichsam mit dem Zellkörper zusammenzufliessen. Nur durch die soeben angeführten Bedingungen der Färbung erhält man ein Bild, als ob unmittelbar vom Zellkörper Fortsätze ausgingen, aus denen sich dann die Nervenfaser bildet; zu einem solehen trügerischen Schluss führt noch der Umstand, dass die eigentlichen Fortsätze der bezeichneten Zellen sich nicht immer durch Methylenblau färben. Die eben angeführten Thatsachen waren auch die Ursache, dass ich bei meinen früheren Untersuchungen angenommen hatte, dass sich aus den Protoplasmafortsätzen gewisser Zellen der mittleren gangliösen Schicht Axeneylinder-Fortsätze bilden. Was die Frage anbetrifft, ob alle Zellen der mittleren gangliösen Retinaschicht von Fäden umflochten werden, die aus der Thei- lung centrifugaler Fasern der beschriebenen Art entstanden sind, so ist die Beantwortung derselben mit bedeutenden Schwierig- keiten verknüpft. Ich habe bereits oben bemerkt, dass die Fort- sätze, welche zu den Zellen selbst gehören, auf deren Oberfläche die centrifugalen Fasern endigen, sich durch Methylenblau ziem- lich schwer färben, in Folge dessen es natürlich nicht leicht ist erklären, zu welchem Zellen - Typus der mittleren gangliösen Schicht sie gerechnet werden müssen. Ungeachtet dessen habe ich in letzter Zeit die Möglichkeit gehabt, gleichzeitig mit den Die Retina der Vögel. 635 Fäden des pericellulären Gefleehts auch die Fortsätze der um- sponnenen Zellen zu sehen und ihre Beziehung zu der innern retieulären Schicht zu beobachten. Die bezeichneten Zellen haben, wie dieses in Fig. 5 u. 8 dargestellt ist, eine rundliche, ovale oder birnförmige Gestalt, wobei meistens der etwas verschmälerte Theil des Zellkörpers nach der inneren retieulären Schicht gewendet zu sein pflegt und dessen äusserer Oberfläche anliegt, während der verdickte Theil mehr oder weniger mit zwischen die Elemente der äusseren gangliösen Retina-Schieht hineinragt. In dem diekeren rundlichen Theil des Zellkörpers liegt gewöhnlich ein ziemlich grosser runder oder ovalar Kern. Die Grösse der Zelle schwankt zwischen 0,015—0,025 mm Länge und 0,010—0,015 mm Breite. Was die Anzahl der beschriebenen Zellen anbetrifft, so muss sie sehr be- trächtlich sein, da an jedem Flächenpräparate der Retina, nament- lich in der Nähe der Eintrittsstelle des Sehnerven bei gewisser Focaldistanz fast das ganze Gesichtsfeld mit ihnen besäet er- scheint (Fig. 3); an den optischen Retina-Schnitten kann man ebenfalls leicht wahrnehmen, dass sie sehr nahe bei einander ge- legen sind (Fig. 5, Fig. A) und stellenweise durch die von mir beschriebenen grossen Nervenzellen mit Axeneylinder-Fortsätzen und anderen Elementen unterbrochen werden, wovon später die Rede sein wird. Wie ich bereits oben bemerkt habe, färben sich die ge- nannten Zellen, gleich wie ihre Fortsätze, gewöhnlich sehr schwer und an einem und demselben Präparate sehen wir neben intensiv gefärbten Zellen solche, welche sich viel schwächer gefärbt haben oder ungefärbt geblieben sind; in letzterem Falle können wir uns über das Vorhandensein der Zelle an der betreffenden Stelle nur durch die Anwesenheit des pericellulären Geflechts verge- wissern. Das ist auch der Grund, weshalb wir eine richtige Vorstellung von der wirklichen Anzahl der Zellen, die von den sich verzweigenden Enden der centrifugalen Fasern umflochten werden, erst dann erlangen können, wenn wenigstens ein grosser Theil der genannten Fasern durch Methylenblau gefärbt erscheint. An solehen Präparaten ist es nieht schwer zu beobachten, dass die Anzahl der erwähnten Zellen allmählich in der Richtung vom Centrum nach der Peripherie der Retina abnimmt. Von jeder solehen Zelle gehen emige mehr oder weniger 636 A.S. Dogiel: dieke Fortsätze aus, welche in die innere reticuläre Schicht ein- treten und in derselben in schiefer Richtung fortschreiten, indem sie nach verschiedenen Seiten auseinandergehen, wobei sie unter- wegs nach und nach unter verschiedenem Winkel in ein- zelne Aestchen zerfallen (Fig. 8). Die letzteren erreichen bei einigen Zellen fast die innere Oberfläche der inneren retieulären Schicht, in anderen aber nehmen sie in verschiedenem Niveau von der genannten Oberfläche eine horizontale Richtung an und breiten sich in einer Fläche aus, wo sie aufs Neue unter spitzem Winkel viele feine und lange Seitenästchen abgeben. Oft geht von der Zelle nur ein ziemlich dicker Fortsatz aus, welcher fast senkrecht die innere reticuläre Schicht durchbohrt und erst in einem gewissem Niveau dieser Schicht in einige horizontale Aestchen zerfällt. Was die grossen Nervenzellen der mittleren gangliösen Schicht, welehe gesonderte Axencylinder-Fortsätze besitzen, sowie die eigenartigen kleinen Zellen anbetrifft, deren feine varicöse Fortsätze ihrerseits in eine Menge sehr feiner Fäden zerfallen und auf der inneren Oberfläche der reticulären Schicht ein dichtes Geflecht bilden, so werden sie nicht von einem pericel- lulären Geflecht umgeben und haben folglich gar keine Beziehung zu den centrifugalen Fasern. Zu dieser Kategorie gehört noch ein Typus von Zellen, deren sehr lange Protoplasmafortsätze sich auf der äusseren Oberfläche der inneren retieulären Schicht ausbreiten (Fig. A, b). Ueber diese eben genannten Zellen werde ich das Genauere bei der Beschreibung der mittleren gangliösen Schicht der Retina mittheilen. An meinen Präparaten der Retina mit sehr gelungener Färbung der centrifugalen Fasern und Zellen von dem soeben bezeichneten Typus konnte ich niemals irgend eine Beziehung der ersteren zu den letzteren feststellen. So muss man zuge- stehen, dass bei weitem nicht alle Zellenformen der mittleren gangliösen Schicht in die beschriebene enge Beziehung zu den Enden der centrifugalen Fasern treten, sondern wahrscheinlicher- weise nur ein gewisser Typus von Zellen, welcher dem der Amakrin-Zellen („Cellules amacrines“) aller fünf Schichten Ramon y Cajal’s entspricht. Bei Durchmusterung der Retina-Flächenpräparate wird man sich sehr leieht davon überzeugen können, dass sich von den Die Retina der Vögel. 637 pericellulären Geflechten 2—4, auch mehr, feine varicöse Fäd- chen absondern, welche sich nach verschiedenen Richtungen hin- begeben, zuerst in gewisser Ausdehnung auf der äusseren Ober- fläche der inneren retieulären Schicht sich ausbreiten und sich dann mit solehen Fäden vereinigen, welche ein ähnliches Geflecht auf der Oberfläche einer benachbarten oder oft sogar einer ent- fernteren Zelle bilden (Fig. A, Fig. 5—8). Bei der Färbung der Retina durch Methylenblau kann man häufig in einer bestimmten Parcelle derselben eine ausschliess- liche Tingirung der centrifugalen und der centripetalen Nerven- fasern erhalten, während die Protoplasmafortsätze der Zellen der mittleren und inneren gangliösen Schichten ganz ungefärbt blei- ben oder nur die diekeren von ihnen gefärbt werden. In solchen Parcellen der Retina treten die beschriebenen Anastomosen, wel- che für die gegenseitige Verbindung der pericellulären Geflechte bestimmt sind, besonders deutlich hervor. Da an fast jedem Prä- parate nicht alle pericellulären Geflechte und die sie verbindenden Anastomosen gefärbt erscheinen und ausserdem diese letzteren oft nicht in ihrem ganzen Verlauf tingirt werden, so finden wir häufig einige der genannten Geflechte, welche scheinbar der Ana- stomosen entbehren oder bei welchen sich die Anastomosen in Art von Fäden darstellen, die, eine längere oder kürzere Strecke weit fortschreitend, auf der Oberfläche der inneren retieulären Schicht frei zu endigen scheinen. Mittelst der soeben beschrie- benen Fädehen-Anastomosen wird eine Verbindung zwischen allen pericellulären Geflechten hergestellt und folglich zugleich auch zwischen den Enden der centrifugalen Fasern der ersten Art. Ausserdem gelang es mir an meinen Präparaten noch eine sehr interessante Thatsache wahrzunehmen, nämlich: von allen centrifugalen Fasern der beschriebenen Art, sowohl den sich theilenden, wie auch den sich nicht theilenden, mit Ansnahme nur derjenigen, welche nach Erreichung des Niveaus der äusseren Oberfläche der inneren reticulären Schicht sogleich in einem peri- cellulären Geflecht endigen, werden in ihrem ganzen Verlauf auf der äusseren Oberfläche der genannten Schicht bis dieht an ihr letztes Zerfallen in einzelne Fäden und Fädchen des pericellu- lären Geflechts zahlreiche Collateral-Fädehen abgegeben. Die Collateralen gehen an den Ranvier’schen Einschnürungs- stellen ab, oder aber, wenn die Faser oder die aus der Theilung 638 N MS. DO ETeT: derselben entstandenen Aestchen ihre Markscheide verloren haben und als mehr oder weniger dieke varieöse Fäden erscheinen, so sondern sich die Collateralen an irgend einer beliebigen Stelle der Fasern ab und vertheilen sich gewöhnlich in einer mehr oder weniger weiten Entfernung von einander (Fig. 6); an den Ab- gangsstellen der genannten Fädechen kann man meistens die An- wesenheit kleiner Verdiekungen von häufig dreieckiger Form be- merken. Je nach der Theilung oder Nichttheilung der Nerven- faser und je nach der Länge der Faser selbst oder deren Aest- chen kann die Anzahl der Collateralen eine sehr verschiedene sein, wobei ihre Abgabe sogleich beginnt, sobald die Faser nur das Niveau der äusseren Oberfläche der inneren retieulären Schicht erreicht hat. An kurzen, sich nicht theilenden Fasern konnte ich auf der ganzen Strecke ihrer Ausbreitung auf der äusseren Oberfläche der inneren retieulären Schicht etwa 1—4 Collateralen zählen, dagegen beträgt an langen, sich theilenden Fasern die Anzahl der Collateralen, welche auf der ganzen Länge der Faser zu-. sammen mit den durch Theilung entstehenden Aestchen abgehen, gegen zehn und mehr. Oft gelang es mir zu beobachten, dass fast an jeder Ranvier’schen Einschnürungsstelle collaterale Fäd- chen von der Nervenfaser abgegeben werden. Was die Anzahl der beschriebenen Collateralen anbetrifft, welche sich an der Stelle einer Ranvier’schen Einschnürung oder überhaupt an irgend einer anderen Stelle des Axeneylinders der Nervenfaser absondert, so schwankt sie zwischen eins und mehr (2, 3, 4), wobei die Aestehen sich in Art von feinen varicösen Fädchen oder in Form von ziemlich dieken Fäden darstellen (Fig. 6). Die Länge der Collateralen wie auch ihre Dieke ist ebenfalls keine gleiehmässige, die einen sind kurz, die anderen dagegen lang und ziehen sich in weiter Ausdehnung hin. Meistens theilen sich die Collateralen, nachdem sie auf der äussern Oberfläche der inneren retieulären Schicht eine grössere oder kleinere Strecke weit fortgeschritten sind, in einige feinere Fädehen, welche sich zu dieser oder jener der obengenannten Zellen der mittleren gangliösen Schicht begeben und an der Basis dieser Zellen aufs Neue in einzelne Fädehen zerfallen (Fig. 6); die letzteren bilden um die besagte Zelle ein dichtes pericelluläres eflecht, das sich sehr eng an die Oberfläche des Die Retina der Vögel. 639 Zellkörpers anlegt (Fig. 6). Oft treten eine oder einige Collate- ralen ungetheilt dicht bis an den Zellkörper und zerfallen erst dann in einzelne Fäden, die die Zelle umflechten. So viel Col- lateralen auch gewöhnlich von einer Nervenfaser ausgehen, so nehmen sie doch alle, so viel ich bemerken konnte, an der Bil- dung des umschliessenden Geflechts einer einzigen Zelle Theil (Fig. 6); wenn einige selbständige Collateralen von der Nerven- faser in naher Entfernung von einander ausgehen, so begeben sie sich auch in einem solchen Falle alle, 2—3 an der Zahl, wie dieses in Fig. 6 dargestellt ist, zu irgend einer Zelle und umflechten dieselbe, nachdem sie zuvor in einzelne Fädchen zer- fallen sind. Sonach endigen die Collateralen, welche von sich nicht theilenden und von sich theilenden centrifugalen Fasern der in Rede stehenden Art ausgehen, auf Grund meiner Beobachtungen, ebenso in Form pericellulärer Geflechte, wie auch die Enden der Fasern selbst oder deren Zweige (wenn sie den sich theilen- den Fasern angehören), von denen die Collateralen ausgehen. Ausserdem gehen von den pericellulären Geflechten, die durch die Collateralen gleich denjenigen Geflechten gebildet werden, en deren Bildung die Enden der Fasern den hauptsächlichsten Antheil nehmen, feine varicöse Fädchen zu benachbarten Geflechten aus. Aber nicht alle Collateralen treten in die eben erwähnte Beziehung zu den Zellen der mittleren gangliösen Schicht — viele von ihnen bilden an und für sich kein selbstständiges Ge- flecht, sondern sie nehmen nur Antheil an der Bildung von peri- cellulären Geflechten, welche durch End- oder Collateral-Fädchen der zunächst gelegenen Nervenfasern gebildet werden, d. h. sie begeben sich zu irgend einem benachbarten, oft sogar zu einem entfernteren pericellulären Geflecht und schliessen sich den das- selbe bildenden Fäden an (Fig. 7). Aus dem Vorhergesagten folgt, dass die Mehrzahl der bezeich- neten Fasern mittelst der pericellulären Geflechte sich in sehr enger Beziehung zu vielen Zellen der mittleren gangliösen Schicht befindet, die zu dem genannten Typus gehören; eine Ausnahme bilden gewissermaassen nur diejenigen centrifugalen Fasern, welche sogleich an der Oberfläche der inneren retieulären Schicht mit einem pericellulären Geflecht endigen. In Folge des Vorhandenseins solcher Collateralen die sich von einer Faser zum pericellulären 640 A... UHe1 El! Geflecht begeben, das von anderen Fasern gebildet wird, und Dank den anastomosirenden Fäden, welche ein pericelluläres Geflecht mit anderen benachbarten und sogar entfernteren ver- einigen, wird zwischen allen centrifugalen Fasern erster Art, die sich auf der äusseren Oberfläche der inneren retieulären Schicht befinden, eine sehr enge gegenseitige Verbindung hergestellt. Gewöhnlich färben sich die Collateralen, soviel ich be- merken konnte, dureh Methylenblau ziemlich schwer und zudem oft nur in beschränkter Ausdehnung, ‚und dann haben sie das Aussehen von mehr oder weniger kurzen Fädehen, welche von den Nervenfasern in einer gewissen Entfernung von einander ausgehen. Aus Rücksicht auf das soeben Hervorgehobene lässt sich in der Mehrzahl der Fälle die Beziehung der Collateralen zu den Zellen der mittleren gangliösen Schicht nur an denjenigen Theilen der Retina erkennen, wo viele centrifugale Fasern sich in ihrer ganzen Ausdehnung gefärbt haben, wobei es unter solchen Um- ständen nicht gelingt, den ganzen Verlauf der genannten Fädchen und ihre Endigung an Schnitten zu verfolgen, sondern nur an Flächenpräparaten. Was die centrifugalen Fasern zweiter Art an- betrifft (Fig. A; Fig. 1, Fig. 2; Fig. 9—12), welche, wie be- merkt, in gar keiner direeten Beziehung zu den Zellen der mitt- leren gangliösen Retina-Schicht stehen, so verlaufen sie anfangs in der Nervenfaserschicht, mehrere derselben verlassen jedoch diese Schieht bereits in der Nähe der Eintrittsstelle des Sehnerven, wobei sie zusammen mit den Fasern der ersten Art die äussere Oberfläche der inneren retieulären Schicht erreichen und sich auf derselben in grösserer ‘oder geringerer Ausdehnung erstrecken. Zu ihnen gehören hauptsächlich die sich theilenden mark- haltigen Nervenfasern, welche wegen ihrer Dieke und der Art und Weise ihrer Theilung sich fast gar nicht von den oben be- schriebenen Fasern erster Art unterscheiden; der Hauptunter- schied zwischen diesen und jenen, natürlich abgesehen von der Art ihrer Endigung, besteht nach meinen Beobachtungen vielmehr darin, dass die Fasern der zweiten Art in geringerer Anzahl in die Retina eintreten, viel häufiger einer Theilung unterliegen und im Vergleich zu den sich theilenden Fasern der ersten Art eine grössere Anzahl Aestehen abgeben, die eine Markscheide besitzen, Die Retina der Vögel. 641 oft aber auch marklos sind. Ausserdem durchlaufen die meisten eentrifugalen Fasern der zweiten Art, wie auch die Aestchen, die aus ihrer Theilung entstanden sind, auf der äusseren Ober- fläche der inneren retieulären Schicht eine viel grössere Strecke, als die Fasern der ersten Art, wobei sie gewöhnlich bald ein- ander parallel in einzelnen Bündeln fortschreiten, bald sich gegen seitig und die obengenannten Fasern kreuzen und mit ihnen ge- meinschaftlich nach verschiedenen Richtungen hin eine Schicht centrifugaler Fasern bilden. Sich nicht theilende, sowie auch solche Fasern, welche bald nach Erreichung der äusseren Ober- fläche der inneren retieulären Schicht endigen, habe ich nur sehr wenige angetroffen. Man kann somit sagen, dass fast alle cen- trifugalen Fasern der zweiten Art zu den sich theilenden Fasern gehören und eine viel beträchtlichere Länge besitzen, als die Fasern der ersten Art. Wenn man ferner den Verlauf der beschriebenen Fasern verfolgt, so kann man bemerken, dass sie, nachdem sie zuvor ihre Markscheide verloren haben, allmählich dünner werden und sich schliesslich zu sehr feinen varicösen Fäden gestalten (Fig. 10, Fig. 11—12); die letzteren zerfallen ihrerseits oft in einige mehr oder weniger feine Fädchen und verlieren sich, ohne pericelluläre Geflechte zu bilden, auf der Oberfläche der inneren retieulären Schicht. Bei meinen Untersuchungen habe ich ursprünglich die Fasern zweiter Art von den Fasern der ersten Art nicht unterschieden und angenommen, dass erstere gleich den letzteren auf der Ober- fläche der Zellen der mittleren gangliösen Schicht mit emem pericellulären Geflecht endigen, welches nur zufolge der unvoll- ständigen Färbung der Fasern selbst ungefärbt geblieben sei. Aber nachdem ich Retina-Präparate mit gelungener und sehr vollständiger Färbung der centrifugalen Fasern sorgfältig unter- sucht habe, bin ich zur Ueberzeugung gekommen, dass die be- schriebenen Fasern, nachdem sie eine grössere oder geringere Strecke weit auf der äusseren Oberfläche der inneren retieulären Schicht fortgeschritten sind, in immer feinere varicöse Aestchen zerfallen (Fig. 11—12), welche schliesslich einander durehkreuzen, sich verflechten und auf der äusseren Oberfläche der inneren reti- eulären Schicht ein ungemein dichtes Geflecht bilden (Fig. 4; Fig 11—12). Die Fädehen dieses Geflechts sind so fein und 642 A.S. Dogiel: so dicht mit emander verflochten, dass das Ganze bei schwachen Objeetiven als eine Masse kleiner blauer Körnchen und Punkte erscheint und es nur mit starken Objectiven gelingt, die einzelnen "ädehen und das von ihnen gebildete Geflecht zu erkennen. Am häufigsten vereinigen sich die Endungen von 2—3 Fasern oder die aus deren Theilung entstandenen Aestchen an einer Stelle der äusseren Oberfläche der inneren retieulären Schicht, und nachdem sie anfangs in einige gröbere und darauf im ein ganzes Bündel feinster Fädchen zerfallen sind, bilden sie endlich ein Geflecht. Auf solehe Weise scheint das Geflecht, welches aus centrifugalen Fasern der zweiten Art zusammengesetzt ist, bei nicht ganz voll- ständiger Färbung gleichsam aus einzelnen mit einander ver- bundenen Fadenbezirken zu bestehen; jedem Bezirk entspricht eine Stelle auf der äusseren Oberfläche der inneren reticulären Schicht, wo die Enden einiger centrifugaler Fasern zusammen- laufen. Man muss hier bemerken, dass die äusserst feinen Fäd- chen, welehe an der Bildung des genannten Geflechts Theil nehmen, sich überhaupt viel schwerer färben lassen, als diejenigen Fäden, mit welchen die centrifugalen Fasern der ersten Art endigen, weshalb auch das Geflecht selbst, wie bereits oben ge- sagt, nur bei sehr gelungener Färbung deutlich zu erkennen ist. Von den beschriebenen Fasern und den zu ihnen gehören- den Aesten theilt sich an den Ranvier’schen Einschnürungs- stellen, wie bei den Fasern der ersten Art, eine Menge feiner Collateralen ab (Fig. A; Fig. 9 —12), welche sich ziemlich schwer mit Methylenblau färben lassen und das Aussehen sehr feiner varicöser Fädehen haben; von jeder Einschnürungsstelle gehen meistens eins bis zwei, aber zuweilen auch mehr solcher Fädchen aus (Fig. 9—10). In Folge dessen, dass die Mehrzahl der centrifugalen Fasern zweiter Art auf der äusseren Oberfläche der inneren re- ticulären Schicht einen weiten Weg zurücklegt, wobei viele dieser Fasern während ihres ganzen Verlaufs einer wiederholten Theilung unterliegen, pflegt die Anzahl der Collateralen, die sich von einer Faser absondern, im allgemeinen eine viel grössere zu sein, als bei den Fasern der ersten Art und beträgt häufig einige Zehn. Es ist selbstverständlich, dass die Anzahl der Collate- valen, welche von jeder einzelnen Faser ausgehen, von der Länge der letzteren und dem Umstande abhängt, ob die Faser Die Retina der Vögel. 645 sich theilt oder nicht. Was die Länge der in Rede stehenden Collateralen anbetrifft, so sind die einen von ihnen anscheinend kurz, andere dagegen sehr lang und zerfallen ihrerseits in eine Menge äusserst feiner, sich abermals theilender Fädchen, weiche sich keineswegs von denjenigen unterscheiden, mit wel- chen die centrifugalen Fasern der zweiten Art selbst endigen (Fig. 9). Alle Collateralen mit ihren Verzweigungen, wie auch die Fasern, von denen sie ausgehen, verbreiten sich auf der äusseren Oberfläche der inneren retieulären Schicht und bilden, soviel ich nach meinen Präparaten schliessen kann, ohne mit den pericellulären Geflechten in Verbindung zu treten, ein allgemeines und unab- hängiges Geflecht, welches mit demjenigen eng verbunden ist, welches durch die Enden der Fasern selbst gebildet wird, aus denen die besagten Collateralen entstanden sind. Im Fall einer nicht ganz vollständigen Färbung scheinen einige Fäden des Geflechts auf der äusseren Seite der inneren reticulären Schicht frei zu endigen. . Zum Schluss dieser meiner ersten Mittheilung über die Retina der Vögel halte ich es für angezeigt, vorläufig nur einige meiner Ansichten in Betreff der gegenseitigen Beziehungen zwischen den verschiedenen Nervenzellen der Netzhaut auszusprechen. Ohne irgend welche vorgefasste Meinung, nur die Ermitte- lung der Wahrheit im Auge behaltend, glaube ich auf Grund meiner vieljährigen Beobachtungen annehmen zu dürfen, dass zwischen den Nervenzellen eine viel engere Verbindung besteht, als von der Mehrzahl der Forscher der letzten Zeit anerkannt wird, und zwar: diejenigen Zellen, welche durch Form, Grösse und Character der Verzweigung der Protoplasma- und der Axeney- linder-Fortsätze, zum Theil auch durch die Dieke und Länge dieser Fortsätze, in gewissen Fällen ‚sogar durch die Lage zu einem gewissen charakterisirten Typus gehören, verbinden sich zu einzelnen Colonien, welche unabhängig von denjenigen Co- lonien sind, die von den Zellen eines andern Typus gebildet werden. Diese Verbindung wird mittelst aller Protoplasma- und Axeneylinder-Fortsätze der Zellen der gegebenen Colonie herge- stellt. Die Protoplasmafortsätze zerfallen in einzelne Aestehen, vereinigen sich schliesslich mit einander und bilden ein Geflecht Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 44 41 644 A.S. Dogiel: resp. Netz '); dasselbe geschieht auch mit den Axeneylinder-Fort- sätzen, abgesehen von ihrer Länge und der Art und Weise ihrer Verzweigung. Ein solches Bestreben der Fortsätze der zu einem und demselben Typus gehörenden Zellen mit einander in enge Verbindung zu treten, um eine gemeinschaftliche Colonie zu bilden, wird nicht nur dann beachtet, wenn gleichartige Zellen, welche zusammen mit den Zellen anderer Typen in einer und derselben Schicht sich eingelagert haben, weit von einander ent- fernt sind, sondern auch in dem Falle, wenn sie in einer mehr oder minder weiten Entfernung eine über die andere in zwei verschiedenen Schichten gelegen und durch die ganze Dieke oder einen gewissen Theil der Dieke der inneren oder der äusseren retieulären Schicht von einander getrennt sind. So befinden sich unter den Zellen der inneren gangliösen Schicht Typen, welche ihre Repräsentanten auch in der mittleren gangliösen Schicht haben, — zu ihnen gehören z. B. die von mir bei den Vögeln beschriebenen grossen Nervenzellen der angegebenen Schieht mit 1) Die Benennungen Geflecht und Netz gebrauchend, halte ich dieselben für synonym und verstehe darunter eine solche Beziehung zwischen den gleichnamigen Fortsätzen der Zellen eines und desselben Typus, dass jedes Aestchen, welches aus der Theilung irgend eines Zellfortsatzes entstanden ist, sich so eng an ein durch Theilung eines ähnlichen Fortsatzes entstandenes Aestchen einer benachbarten oder entfernten Zelle anlegt, dass dadurch ein ununterbrochenes Aestchen gebidet wird, in welchem wir die Elemente — Fibrille — die den Aestchen dieser oder jener einzelnen Zelle angehören, nicht mehr unterscheiden können, da sie zusammen ein einziges Aestchen bilden und von ein- ander nur durch die interfibrilläre Substanz getrennt sind. Oft ge- rathen die Fortsätze der Zellen nur ällmählich in so enge Gemeinschaft mit einander, d.h.irgend ein Aestchen, das aus der Theilung des Fort- satzeseiner Zelle entsanden ist, verläuft zunächstneben einem Aestchen des gleichen Fortsatzes einer anderen Zelle und legt sich mehr oder weniger eng an dasselbe an, und nachdem beide eine kurze Strecke weit zu- sammen fortgeschritten, trennen sie sich wieder von einander und ver- laufen eine gewisse Strecke -weit gesondert; unterdessen giebt oft jedes Aestchen von sich aus noch einige feinere Seitenästchen ab, welche sich mit andern benachbarten Fortsätzen der genannten Zellen vereinigen, wobei eine derartige bald Annäherung, bald Entfernung der Aestchen einer Zelle von den Aestchen einer anderen Zelle sich oft- mals wiederholt, bis schliesslich von beiden Aestchen ein einziges ge- bildet wird. Wie in diesem, so in jenem Falle wird in der soeben an- gegebenen Art und Weise von den gleichartigen Fortsätzen aller Zellen eines bestimmten Typus ein. Geflecht — Netz — gebildet. Die Retina der Vögel. 645 isolirten Axeneylinder-Fortsätzen. Ungeachtet dessen, dass die Zellen fast durch die ganze Dieke der inneren retieulären Schicht von einander getrennt sind, kommen ihre Protoplasmafortsätze doch einander entgegen, treten in die innere retieuläre Schicht ein und bilden schliesslich unweit ihrer äusseren Oberfläche ein in einer Ebene liegendes Geflecht. Dasselbe geschieht auch mit den Protoplasmafortsätzen der bipolaren Zellen, welche sich auf der äusseren Oberfläche der äusseren retieulären Schicht befinden, deren fast ganze Dieke sie von ähnlichen Zellen der äusseren gangliösen Schicht (Gangl. retinae W. Müller’s) trennt. Die ge- nannten Zellen wurden von mir unter der Benennung Subepithelial- Zellen beschrieben, aber viel richtiger könnte man sie Interepi- thelial-Zellen nennen, da sie zwischen den Füsschen der Stäbchen und Zapfen eingeschoben sind. Falls einige von den Protoplasmafortsätzen der Zellen irgend eines Typus in einer Schicht, andere aber in einer anderen sich verzweigen, wie dieses z. B. mit den Fortsätzen der sternförmigen Zellen vom bestimmtem Typus der Retina des Menschen, von welchen ein Teil sich in der äusseren und ein anderer Theil in der inneren reticulären Schicht verzweigt, geschieht, so bilden sie gewöhnlich in jeder Schicht ein Geflecht. Eine ähnliche Beziehung zwischen den Protoplasmafortsätzen der Zellen existirt ferner dann, wenn ihre Verzweigung in einer Schicht, aber in verschiedenen Niveaus derselben stattfindet; zu einem solchen Typus von Zellen gehören einige Zellen der inneren gangliösen Schicht der Retina der Vögel, deren Prototoplasma- fortsätze sich in einigen Etagen der inneren retieulären Schicht verzweigen. In jeder Etage wird von ihnen ein besonderes Ge- flecht gebildet. Dasselbe was von mir soeben in Bezug auf die Protoplas- mafortsätze der Zellen gesagt worden ist, beobachtet man auch an den Axencylinder-Fortsätzen. Beide Arten von ceentrifugalen Fasern, indem sie als Axencylinderfortsätze von zwei verschie- denen Typen der in den Seh-Centren liegenden Nervenzellen er- scheinen, verzweigen sich auf der äusseren Oberfläche der inneren retieulären Schicht und bilden zwei besondere Geflechte: das eine ist auf der äusseren Oberfläche der genannten Schicht gelegen, das andere auf der Oberfläche gewisser Zellen der mitt- leren gangliösen Schicht. Ein ähnliches Beispiel des Vorhanden- 646 A.S. Dogiel: seins einer engen Verbindung zwischen den Axeneylinder-Fort- sätzen kommt bei den bipolaren Zellen und einigen sternförmigen Zellen der äusseren gangliösen Schicht der Retina vor. Die Axeneylinder-Fortsätze der bipolaren Zellen bilden in der inneren retieulären Schicht eine gewisse Anzahl von Geflechten, welche sich in einigen Etagen über einander befinden, wie es zuerst von mir angegeben wurde. An der Bildung des Geflechts einer jeden Etage nehmen nur diejenigen Axeneylinder-Fortsätze der bipo- laren Zellen Antheil, welehe in der äusseren gangliösen Schicht annähernd in gleichem Niveau liegen. Abgesehen von einer solehen auf den ersten Blick scheinbar gekreuzten Lagerung der Geflechte, welche durch die Axeneylinder-Fortsätze der Zellen eines und desselben Typus gebildet werden, befinden sich den- noch alle Geflechte unter einander in enger Verbindung dank dem Umstande, dass die Axeneylinder-Fortsätze der Zellen noch vor ihrem endlichen Zerfallen in Bündel von einzelnen Fäden bei dem Hindurehgehen durch die innere retieuläre Schicht eine ganze Reihe mehr oder weniger kurzer Collateralen abgeben. Die letzteren sondern sich jedesmal vom Axen-Cylinder-Fortsatz erst dann ab, wenn letzterer diese oder jene Etage des Geflechts durchschreitet, das von den Axeneylinder-Fortsätzen anderer bi- polarer Zellen gebildet wird, die in einem anderen Niveau der äusseren gangliösen Schicht liegen und sich mit dem gegebenen Geflecht vereinigen. Je länger der Weg ist, den der Axeney- linder-Fortsatz irgend einer bipolaren Zelle durch die innere re- tieuläre Schicht zurückgelegt, desto grösser muss demnach die Anzahl der sich von ihm abtheilenden Collateralen sein und um- gekehrt. Was die Axeneylinder-Fortsätze der sternförmigen Zellen anbetrifft, so zerfallen sie, meinen neuesten Beobachtungen zufolge, nachdem sie die äussere retiewäre Schicht eine grössere oder ge- ringere Strecke weit durchschritten haben, in Bündel ziemlich dicker Aestchen; die letzteren endigen nicht frei, wie dieses Ramon y Cajal annimmt, sondern sie bilden im Gegentheil m der äusseren retieulären Schicht ein sehr dichtes Geflecht. Indem ich die enge Verbindung sowohl zwischen den Pro- toplasma- als auch den Axeneylinder-Fortsätzen der Nervenzellen, die zu einem und demselben Typus gehören, und desgleichen auch die Existenz einzelner Zellen-Colonien annehme, leugne ich Die Retina der Vögel. 647 zugleich nicht die Möglichkeit der Existenz freier Endungen, so z. B. findet man solche Endungen in der Retina fast aller Wirbel- thiere in Art von Interepithelial-Nervenfäden und aller Wahr- scheinlichkeit nach in der Form der von mir oben beschriebenen Fäden, welche sich von dem Geflecht abtheilen, das von den centrifugalen Fasern der ersten Art gebildet wird. Aber es ist leicht möglich, dass ausser den angegebenen Formen in der Retina noch andere Formen freier Endigungen existiren. Die Beziehung zwischen den Zellen-Colonien der verschie- denen Typen wird, meiner Ansicht nach, mittelst eines mehr oder weniger engen Contaetes derjenigen Geflechte hergestellt, welche von Seiten der Zellen einer Colonie durch die Protoplasma- fortsätze und von Seiten der anderen Colonie durch die Axeneylinder- Fortsätze gebildet werden. Die Uebergabe der Nerven-Impulse von der ganzen gegebenen Zellen-Colonie erfolgt durch das Geflecht, welches durch die Axencylinder-Fortsätze gebildet wird, während der Empfang der Impulse von dem Geflecht der Zellen-Colonie des anderen Typus geschieht, das durch die Protoplasmafortsätze gebildet wird. Das wären einige von den Daten, welche ich schon jetzt, bevor meine Abhandlung noch abgeschlossen ist, mich berechtigt halte mitzutheilen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXX VILund XXXVII. Alle Abbildungen sind mittelst der Oberhäuser’schen Ca- mera-lucida nach Präparaten der Tauben-Retina gezeichnet, die mit Methylenblau gefärbt und mit einer Lösung von pikrinsaurem Ammo- niak fixirt waren. Fig. A vgl. den Text. Fig. 1. Senkrechter Durchschnitt der Retina. 1. Schicht der centri- fugalen Fasern; 2. innere reticuläre Schicht; 3. innere gang- liöse Schicht. a) Centrifugale Fasern. Obj. 6 Reichert’s. Fig. 2. Nervenfaserschicht. a) Sich theilende centrifugale Fasern. Flächenpräparat. Obj. 6 Reichert'’s. Fig. 3. Schicht der centrifugalen Fasern, a, a, welche vorzugsweise zu der ersten Art gehören, mit ihren Endverzweigungen. Flächenpräparat der Retina aus der Umgebung der Eintritts- stelle des Sehnerven. Obj. 4 Reichert’s. Fig. 41). a) Eine sich theilende centrifugale Faser der ersten Art; b) 1) Der Theil der Fasern, welcher auf den Abbildungen mit rosa-violetter Farbe bezeichnet ist, befindet sich in der Nervenfaser- schicht der Retina, 648 Fig. 5. A.S. Dogiel: Die Retina der Vögel. sich theilende centrifugale Faser der zweiten Art. Flächen- präparat. Obj. 4 Reichert’s. (Auf ?/,; verkleinert.) Senkrechter Durchschnitt der Retina. 1. Mittlere gangliöse Schicht; 2. innere reticuläre Schicht; 3. innere gangliöse Schicht; 4.Nervenfaserschicht. a) Centrifugale Fasern erster Art; b) Zellen der mittleren gangliösen Schicht, welche von End- verzweigungen centrifugaler Fasern umflochten sind, wobei das Geflecht um einige Zellen (c) herum ungefärbt geblieben‘ ist. Obj.6 Reichert'’s. . a) Centrifugale Fasern erster Art; b) Endverzweigungen der Fasern auf der Oberfläche der bestimmten Zellen der mittleren gangliösen Schicht; c) anastomosirende Fäden; d) Collaterale, Flächenpräparat. Obj. 6 Reichert’s. (4, Bu. C). Au. B) Centrifugale Fasern erster Art (a) und die durch deren Endigungen gebildeten pericellulären Ge- flechte (b); ce) anastomosirende Fäden; d) Collaterale. C) Drei centrifugale Fasern bilden ein Geflecht um einige Zellen der mittleren gangliösen Schicht; die Zellen sind mit Methylenblau schwach gefärbt. Flächenpräparate. Fig. A u. B sind bei Reichert'’s Obj. Sa gezeichnet und Fig. © bei Reichert’s Obj. 6. . a) Centrifugale Fasern der ersten Art, welche mit pericellulären Geflechten endigen ; b) Zellen der mittleren gangliösen Schicht mit ihren Fortsätzen (ec); d) anastomosirende Fäden. Flächen- präparate. Obj. 88 Reichert’s. . 4A u. B. a) Sich theilende centrifugale Fasern der zweiten Art; b) Nervenfaserschicht; c) Collateralen; d) sich theilende centrifugale Fasern der ersten Art. Flächenpräparat. Fig. A ist bei Obj. 6 Reichert’s und Fig. B bei Obj. 4 Reichert’s gezeichnet worden. . Sich nicht theilende centrifugale Fasern der zweiten Art mit Collateralen. Flächenpräparat. Obj. 4 Reichert’s; halb- herausgezogenen Tubus. . a) Lange sich theilende centrifugale Fasern zweiter Art mi ihren Endverzweigungen (b) und mit Collateralen (ec). Flächen- präparat. Obj.4Reichert’s. al) Kurze, sich nicht theilende centrifugale Fasern der zweiten Art, welche in zahlreiche ein- zelne Aestchen und Fäden (b,) zerfallen; d) Nervenfaserschicht. Flächenpräparat. Obj. 6 Reichert’s. . a) Gentrifugale Fasern zweiter Art; die Enden zweier Fasern zerfallen in einzelne Aestehen und Fäden, welche ein Geflecht bilden. Flächenpräparat. Obj. 6 Reichert’s. Universitäts-Buchdruekerei von Carl Georgi in Bonn. > Eu a» 7 bi , » EZ f “ Lz Anatomie“ Bad. br oskop. ) & Di e na j ART / N N N N 3 an) Bi: N W.y)) Archiv £mikroskop. Anatomie ba. MXXMV. + Frankfurt #M. Jith. Anst.w Werner aWinter, ß s ‚3 ze ww pr» . “ Archiv f£ nukroskop. Anatomie. Bd. KXXXMV. ee Er e Archiv f mikroskop. Anatomıe. Bd. XXX. j E Taf. V. — = = Lüh Anstv Werner&Winter, Frankfurt? .. ’ BER. Ki; .- “u u u I : nn x “ j en ’ ke Archiv für mikroskop. Anatomie. Ba. XXXAIV. £ Een Tafel VI. O. M. Reis del. E } Lichtdruck von Albert Frisch, Berlin, Archiv für mikroskop. Anatomie. Ba. KXXXIV. ; 3 Fig. 11. Gez. v. F. Meves. Tafel VII. Lichtdruck von Albert Frisch, Berlin. u. . a Archiv für mikroskop. Anatomie. Bd. XXXXI V. Tal VI. BL Fig. 31. Fig. 26. Fig. Lichtdruck von Albert Frisch, Berlin. Gez. v. F. Meves. Archiv für mikroskop. Anatomie. Bad. XXXXIV. er DE or TS Tafel IX. | m Fig. 33. DE _.. Fig. 46. Lichtdruck von Albert Frisch, Berlin, Archiv für mikroskop. Anatomie. Ba. AXXAIV. Ges. v. F. Meves. Tafel X. gab Ihe FIRE =. Bi a; Fig. 62e. Lichtdruck von Albert Frisch, Berlin, Gez. v. F. Meves. Lichtdruck von Albert Frisch, Berlin. Hyphrr f En & 2 ir rYrY/Ir F € Irchti F mikroskop. Anatomie Ba AKA. N | Taf X. “.r a « y “4 j — P + Er Pd \ v E “u. i ®. Due x u h EB ee. u / Br 7 Alex A » Elccck® » N Archür £mikroskop. Anatomie Ba AXIMV i Archiv f mikroskop. Anatomie Ba.XXXXV! | | | | | lebedinsky fc. Tan. Anst.wWerneräWinter Franktartil .- 4 Be Archiv £'mikroskop. Anatomie Ba. N Archür fmikroskon. Anatomie. Bad. XXXXIV. Luck Anst.w WernerA Winter, FF Kart aM arık | | | | | | Ärchir f mikroskop. Anatomie Ba.XXAXV. Yo. Taf: XV. 7. 5: ©. Plasma Kern ® 'e An °@ > ‘ 2 we 198 — ” L} » “ , ° » % a‘ . ® at 2002 „ f > E} 5% = y s . Karyosomen. . a. . Fe | Dee Mn Plasmosomen. BY ... Chromatın d.Antoren - Basıchromatın nach M. Heide in. ande Er ur ce ® Oxychromatin - M.Heidenhain. Achromatische Kornelung (Hyalosomen )- -Dedematin -J.Reinke - Cyanophile Granulation- R.Altmann. Granula - R. Altmann. Oxyplasmatische - Granulation. Achromatische Granulation des Plasmas. Archiv f mikroskon. Änatomıe. Bd. XXXXV. r we» IE RE Tafel AX. Archiv für mikroskop. Anatomie. Ba. AXAAXIV. fe mw Oscar Hertwig fec. Archiv für mikroskop. Anatomie. Ba. NXXAIV. Tafel XAT. Lichtdruck von Albert Frisch, Berlin. Archiv für mikroskop. Anatomie. Bd. XNXXXIV. Oscar Hertwig fec. Tafel XXI. Lichtdruck von Albert Frisch, Berlin. Archiv f mikroskon. Änatomıe. Bd.XXXXIV. Taf XXI nn a a nn Z an ea ice Y rn u ne ee EL RT| Archiv fmikroskop. Anatomie Ba.XXXM. © ccK duTh \ 5, SM “; N s 2 $: ‚o : Ä ©, S we „He + | Fer Th, Anse w Werner Winter Frankfurte3t. Archür £ mikroskop. Anatomie Bd. XXX. Fe LE. Sala gez - . v E Lith. Anst.vWerner AWinter ; Frankfurt Anatomie Ba.XXXXIV. 0skop. a gez on) de JA Archiv f mikr r Du u ee | ren. 4% Le Zu “ -. . Anatomie Ba.XXXAV. Ss 3 ® > Archiv fm 1.Sala gea. a a re en 3 u en a a Du Si de u a Zu Archir f. mikroskop. Anatomie. Ba.XXKMIV. | } { | 2.Sala gez i Jith. Anst.v Werner &linter, Frankfurt %M. Archiv f milroskop. Anatomie Ba.AXXMV. 1.5ala gez. Taf! XXIX. Dih. Anst.v. Werner Winter, Frankfurt”M. ETC ETC TREE RE GZE _ . ve £ Er ”* “ı ö u ni N 5 D 2 . + E R e EIS ED De ssag2 f mikroskop. Anatomie Ba.XXXMV. Archir Archiv f mikroskop. Anatomie Ba.XXXX. n.lT r&Winten, InE Tith. Anst. w We Archiv f mikroskop. Anatomie Ba.XNAKV. _ Jith. Anst. v. Werner &Minter, Frankflure? ‚Archiv f mikroskop. Anatomie Ba. XXX. 4 N ur " Archir f mikroskop. Anatomie Ba.XXXW “Archiv £ mikroskop Anatomie Ban es Pi u x rn Z Su 2‘ are gez Jüh Anst.mWerner «Winter, Frankfurt >. a cc Ex ze? x er Ws nie Ba. XXL. . BR } .. er w mikros! Archir f I ı lich. Anst.w Werner a Minter Fr: RE sc se , zZ ns an Mi me = a ur ee ne - - % in Irchin £ mikroskop. Anatomie Ba AL 5 F h E2 a Mi | au aIRe 15 j 1 ART RN u) ” W I " \ i j “ N % Bi "s 1 In STH h a 1 j | N, Fi} v A I © as | TUR N A: un Bun m Hu N i o, A y it 5 y i Dar) di m Yan i MN ; Mi. K „ N i I. 2 7 vn f 2 i ie i) u Fi i ) 2 In a Alk 2 A \ Di u Au Ei , . IM i Y Kr su Are A| f n ü “M n Wi . . a: Bin Bi j je y A, Hr vn aut a Bun ‚ nn De A Hui: u I En) an ü Bu ü u u 0 44 mu a) " u rn u ; Tom D iA N y j N. ur vi ü mn 4 nn: Du an HN ; N ar ai; 0 HR / IK Library - Se 5 WH 23 SE 026 rn ne he er Re en. ee nn En Sen rinnen nen en Base ” ea Ur aan ET Henn DEI PEN AT RR ee rn \ wi ur dan ua AO urlareı F e ‚ vet ENTER Et wur en ER RER Be en