ne Put Ee wife wire Baden ltietate E ” DEE a ” Y FETEERAPERR END Yan PR TEN rer Nee nahen N Ei s a TE tr ” VER - ar neınas nette er . . : er 1 2 Anen seraannpnanten ee ne E Baar ne ; 5 EL E Eden nie ZEURER TE ln nen ua nr DER are BEE rd wer Näh f Ri „ev 1 Y N y" D , N in Sa I Kae 4 ıW In“ u N Yale Ai DO j ne E .« \ i MBL ae u ln Zen. Een Archiv für Mikroskopische Anatomie und Eintwicklungsgeschichte herausgegeben von O. Hertwig in Berlin, v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Fünfundvierzigster Band. Mit 55 Tafeln und 25 Figuren im Text. oO Bonn Verlag von Friedrich Cohen 1895. Sloeaneıırl fen! SE ai 1 FEB u Ans 0 ! inaE Ba REBEL 15. 48 Wa ‚22 A Bl, Balaalhe 0700 50 KÜEEE Fh ul E 4 N) CR, N 277 = / A Min: R Inhalt. Zwitterbildung beim kleinen Wassermolch. (Triton taeniatus. Schneid.) Von v. la Valette St. &eorge. Hierzu Tafel I Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. Von Dr. J. Sobotta, Assistenten am— anat. Institut zu Berlin. Hierzu Tafel II—VI RB, SE I nn 0026 ae LEST. Zur Histologie der Speichen. Die Speicheldrüsen des Igels. Von Dr. Rudolf Krause. (Ausdem physiologischen Institut der Universität Breslau.) Hierzu Tafel VII und VIII Ueber die Zellen des Sesambeins in der Achillessehne des Fro- sches (Rana temporaria) und über ihre Centralkörper. Von Dr. Fr. Meves, Assistenten am anatomischen Institut in Kiel. (Aus dem anatomischen Institut in Kiel.) Hierzu Tafel IX Ueber Degeneration im normalen peripheren Nerven. Von Dr. Hammer, pract. Arzt in Heidelberg. Hierzu Tafel X. Ueber die zweckmässige Anwendung der Golgi’schen Sublimat- methode für die Untersuchung des Gehirns des erwachsenen Menschen. Von Dr. Edward Flatau. (Aus dem Labora- torium von Prof. Mendel in Berlin.) Ueber die Wirkung von Chromosmiumsäure Bet Ze V on Prof. W. Flemming in Kiel . Sa Die fötale Entwicklung der menschlichen Puhen. Von Dr. Et. Wendeler, Assistent der Prof. A. Martin’schen Anstalt, frü- her Assistent am pathologischen Institut der königlichen Uni- versität zu Kiel. Hierzu Tafel XI, XII und XII. Die Vorstadien der Eireifung. (Zusammenfassende unten ein gen über die Bildung der Vierergruppen und das Verhalten der Keimbläschen-Nucleolen.) Von Dr. Valentin Häcker, Privatdocent und Assistent am zoologischen Institut der Uni- versität Freiburg i. Brsg. Hierzu Tafel XIV—XVI. Transplantationsversuche mit Hydra. Von cand. med. Georg Wetzel. (Aus dem II. anatomischen Institut der Berliner Universität.) Hierzu Tafel XVIII Ueber das Epithel des Kiemendarms von oroetes ee Be- merkungen über intraepitheliale Drüsen. Von Prof. Josef Schaffer in Wien. Hierzu Tafel XIX und XX Ueber das Selbständigbleiben der väterlichen und kutkitörtfehen Kernsubstanz während der ersten Entwicklung des befruch- teten Cyelops-Eies. Von J. Rückert, München. Hierzu Tafel XXI und XXIH . Seite 1 15 33 135 145 167 339 IV Inhalt. Ueber die Entstehung der eosinophilen Granulationen des Blutes. Von N. Sacharoff. Hierzu Tafel XXIII. Ganglienzelle, Axencylinder, Punktsubstanz und Neuro V on Professor Dr. Emil Rohde in Breslau. Hierzu. Tafel XXIV und 3 Holzschnitte . SE EEE, 2) © 0060.000 Ueber das Vorkommen von Nebenkernen in den Gewebezellen der Salamanderlarven, ein Beitrag zur Lehre von der Amitose. Von Dr. Hans Rabl, Assistent am histologischen Institut der Universität Wien. Hierzu Tafel XXV i Ueber das Paranuclearkörperchen der gekernten re erten. nebst Bemerkur 'en über den Bau der Erythrocyten im All- gemeinen. Von Dr. Ludwig Bremer, St. Louis, Missouri. Hierzu Tafel XXVI 8 ul. 18 Fo Fe 0 BU Beiträge zur Frage vom centralen Verlaufe des Gehörnervs. Von Dr. med. Oseretzk Re (aus Moskau). Mit 7 Figuren im Text e N IR Ueber elta cllaren Sn Dr. Erik Müllers (Aus der histo- logischen Anstalt des Carolinischen medico-chirurg. Instituts zu Stockholm.) Hierzu Tafel XXVI . Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Heosehlunve, V on Dr. med. W. Noetzel, Assistenten am histologischen Institut zu Halle a. S. (Aus dem anatomischen Institut in Halle.) Hierzu Tafel XXVII . 2 aa eg EEE «112 3 Mae Zur Kenntniss des Fettgewebes. Von Dr. J. Aug. Hammar, a. 0. Professor an der Universität in Upsala. Hierzu Tafel RRTIRO RR Ar Beiträge zur mikroskopischen Anatomie En Biel Ks lockern Bindegewebes. Von Dr. med. P. Poljakoft. (Aus dem histiologischen Laboratorium v. Prof. Th. ES in St. Petersburg.) Hierzu Tafel XXXI Haarsr. Ueber die Zellen in den Lymphdrüsen von Macacus cy oe Von Dr. Bernhard Rawitz, Privatdocenten an der Uni- versität Berlin. Hierzu Tafel XXXII is Beiträge zur Kenntniss der Nervenendigungen in Han chrlgen A. Ueber Bau und Entwickelung der Nervenendigungen in der Schnauze des Schweines. (Aus dem II. anatomischen In- stitute zu Berlin.) B. Die Nervenendigungen in den Tast- haaren (mit schwellkörperhaltigen Haarbälgen). (Aus dem physiologisch-histologischen Institute in Krakau.) Von Dr. W. Szymonowiez, Assistent an der physiologisch-histolo- gischen Anstalt in Krakau. Hierzu Tafel XXXIII und XXXIV Einschluss eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- und Bindege- webe enthaltend. Von W. v. Nathusius, Halle (Saale). Hierzu Tafel XXXV und 15 Abbildungen im Text 387 433 450 463 475 574 624 Zwitterbildung beim kleinen Wassermolch. (Triton taeniatus. Schneid.) Von v. la Valette St. George. Bi \ Hierzu Tafel 1. Als ich im Frühjahre emige gestreifte Wassermolche zergliederte, stiess ich auf ein Exemplar, welches eine höchst auf- fällige Bildung der inneren Geschlechtsorgane zeigte. Dasselbe wurde sofort in „Flemming’sche Flüssigkeit‘ eingelegt, darauf in Alcohol von steigender Concentration conservirt, um später in seinen wichtigen Theilen zu Schnittpräparaten verwendet zu werden, welche Safraninfärbung erhielten. Der äussere Habitus des betreffenden Triton war ein durch- aus männlicher. Das lebhaft gefärbte Thier besass eine aus- gebildete Rücken- und Schwanzflosse; ob an den Hinterfüssen die Zehen mit einem Lappensaume versehen waren, liess sich an dem conservirten Exemplare nicht mehr feststellen. Der Schwanz zeigte keine besondere Verlängerung. Beim Oeffnen der Leibes- höhle fiel sofort der grosse gelblich gefärbte Fierstock in's Auge. Er liess seinen Inhalt deutlich erkennen und lag lateral- wärts von dem Hoden jeder Seite. Dieser war durch seichte Abschnürungen in drei Theile getheilt. Fig. 1 H!. M?. H3®. Am medianen Rande der Spermarien führte der gewun- dene Samenleiter nach abwärts zur Cloake. Eileiter waren nicht aufzufinden. Maasse anzugeben, ist überflüssig, da ich das Thier auf Fig. 1 in natürlicher Grösse abgebildet habe. Es kann meine Aufgabe nicht sein, hier auf die Ei- und Samen-Entwickelung bei den Urodelen näher einzugehen; ich will nur das kurz beschreiben, was ich an den Schnitten aus den Generationsorganen dieses Zwitters erwähnungswerth fand. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 1 2 v. la Valette St. Geörge: Wr Eierstok. Der Eierstock enthielt Eier der verschiedensten Grösse : die kleinsten, welche mir zu Gesicht kamen, maassen 0,15 mm, die grössten waren mit blossem Auge leicht erkennbar. Fig. 1 E. Sie lagen eingebettet in ein bindegewebiges Stroma, dessen Kerne stark gefärbt waren. Fig. 2 8. K. Es gieng dasselbe unmittelbar in das Hodengewebe über. Alle Eier waren von einem sehr deutlichen Follikel- epithel mit lebhaft tingirten Kernen umschlossen. Fig. 2 Fh. Fk. Die kleineren Eier besassen einen fein granulirten Dotter, welcher bei den grösseren ein engmaschiges, aus sehr dünnen Fädchen bestehendes Netzwerk erkennen liess!). Es war bei jenen dunkler, bei letzteren kaum noch gefärbt und bildete bei die- sen eine hellere Zone um das Keimbläschen herum. Die Dotterkörner traten erst im Wachsthum der Eier hervor als tiefrothe Gebilde von wechselnder Form. Fig. 2 Dk. Meist waren sie eiförmig, bis 0,008 mm lang und 0,005 mm breit oder in der Mitte getheilt, wie ein Brödehen, stets umgeben von einem hellen Saume. Bekanntlich werden sie in den reifen Eiern sehr viel grösser. Das Keimbläschen hob sich vielfach dureh Schrumpfung seiner Membran von der Dotterhöhle ab. Fig. 2 Ab. Es liess nur einen feinkörnigen Inhalt, dagegen keine der Strukturen erkennen, wie solche Flemming?) Iwakawa?), Rabl%, O. Scehultze?), Leydig®), Born?) und Fick) so eingehend bei den Urodelen 1) Vergl. Rudolf Fick, Ueber die Reifung und Befruchtung des Axolotleies. Z. f. w. Z. Bd. 56. S. 535. 1893. 9), W. Flemming, Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung. S.133. 1882. 3) F. Iwakawa, Tlie Genesis of the Egg in Triton. Quarterly Journal of microscop. science. Bd. 22. S. 273. 1882. 4) C. Rabl, Ueber Zelltheilung. Morph. Jahrb. Bd. X. 1885. 5) O. Schultze, Untersuchung über die Reifung und Befruch- tung des Amphibieneies. Z. f. w. Z. Bd. 45. 1887. 6) F. Leydig, Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies. Zool. Jahrb. Bd. III. S. 341. 1889. 7) G. Born, a) Die Reifung des Amphibieneies. Anat. Anz. 1892. b) Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Triton taeniatus. A. f. m. A. Bd. 43. 1893. Sa) a Jielkrna\, Eis 10) Zwitterbildung beim kleinen Wassermolch. 3 beschrieben haben. Im Uebrigen fand ich grosse Uebereinstim- mung der Angaben genannter Autoren mit meinen Bildern. Dass ein solcher auffallender Mangel an Chromatin als vor- übergehende Erscheinung in den Eiern von Triton, vorkommt, wissen wir durch Born’s interessante Mittheilungen !); entweder befanden sich jene Keimbläschen in diesem Stadium oder es möchte die Abwesenheit des Chromatins auf mangelnde Lebens- energie des Zwittereierstocks zurückzuführen sein. Die Keimflecke (Fig. 2 Xf) traten bei noch grösseren Eiern, wie das abgebildete, an die Peripherie des Keimbläschens und waren leicht durch ihre, wenn auch nicht sehr intensive Färbung zu erkennen. Einige derselben zeigten Vaeuolen im Innern, noch zuweilen fälschlich „Körner des Keimbläschens“ genannt, was Flemming?) mit Recht rügt. Hode. Bekanntlich zerfallen die Spermarien der Tritonen durch ringförmige Einschnürung vielfach in mehrere Lappen. Diese Einschnürungen können jedoch fehlen, wie ich bei Triton al- pestris, Triton helvetiecus und auch mitunter bei Triton taeniatus wahrnahm. Am oberen äusseren Rande liess sich ein heller durehsich- tiger Saum wohl unterscheiden von dem übrigen, milchweissen oder etwas gelblichen Theile des Hodens, was bereits von man- chen Autoren berichtet worden ist. Diese Randzone bildet offenbar die Keimstelle, aus welcher der Ersatz für das verbrauchte Hodengewebe hervorgeht. Dort sind auch die Spermatogonien in allen Entwickelungsstadien zu finden und haben insbesondere Hermann?) und vom Rath) das Material zu ihren bekannten Untersuchungen geliefert. Eine solche Spermatogonie nebst zwei Cystenkernen habe ich abgebildet in Fig. 3. Dat. Born, A..a.0..b.,9.,28. 2) W. Flemming, Literaturbericht in Merkel-Bonnet Erg. d. Anat. u. Entwicklungsgesch. 1893. 3) F. Hermann, Beiträge zur Histologie des Hodens. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 34. S. 39. 1894. 4) OÖ. vom Rath, Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese von Salamandra maculosa. Z. f. w. Z. Bd. 57. S. 157. 1893, 2“ Ei v.la Valette 8t.Goorge: Ihr Kern befand sich offenbar im Ruhestadium. Er enthielt ein weitmaschiges Gerüst von feinen, leicht gefärbten Fäden und dazwischen kleine Kernkörperchen. Ein weiteres Stadium aus der Mitte der Mitose zeigt Fig. 4 und das Endstadium Fig. 5. Ob mit diesem das Bild auf Fig. 6 in Verbindung zu bringen ist, will ich nur vermuthen. Das letztere scheint mir wohl be- merkenswerth, weil es in einer noch unvollständig getheilten Zelle zwei, anscheinend lebensfrische, polymorphe, lebhaft gefärbte Kerne erkennen lässt. Bekanntlich sind über die Bedeutung der gelappten Kerne, welche in der Oogenese!), wie der Spermatogenese eine so grosse Rolle spielen, die Acten noch nicht geschlossen. Zu der Zeit, als ich diese eigenthümliche Kernform aus dem Hoden verschiedener Thiere beschrieb?), war die Mitose wohl noch kaum bekannt und es lag somit die Annahme sehr nahe, aus den Derivaten eines, an einer oder mehreren Stellen eingeschnürten Kernes eine neue Zellengeneration abzuleiten. Nussbaum?) schloss sich dieser Ansicht an, nachdem er die weiteste Verbreitung jener auffallenden Kernform in seinen um- fassenden Untersuchungen über Entwickelung und Fortbildung der Generationselemente bei Amphibien und Fischen darge- than hatte. Wenn er, ebenso wie ich, auch keine von den Theilkernen aus- gehende direete Zellvermehrung nachweisen konnte, so vermochte er jedoch nicht, im Gegensatz zu andern Forschern, in der Kern- spaltung eine rückschreitende Metamorphose zu erkennen, sondern verlegte diese Erscheinung in den Anfang der Sperma- togenese®). Es gelang ihm sogar, in einer späteren Arbeit’) Bilder zu gewinnen, welche bei nebeneinander liegenden Kernen, Spermatogonien, die eine mit maulbeerförmigem Kerne, die andere in voller Mitose zeigen. Freilich wird der striete Beweis des Ueber- 1) Sollten die alten, guten Bezeichnungen: „Dogenese" wie „VOogonie“* nicht den unrichtig zusammengesetzten und in der vox hybrida schlecht klingenden Ausdrücken „Ovogenese“ — „Dvogonie* vorzuziehen sein? 2) v.laValetteSt.George,A.f.m.A. Bd. 12. 1876. Bd.15. 1878. 3) M. Nussbaum, A. f. m. A. Bd. 18. 1880. 4) Derselbe, A. f. m. A. Bd. 21. 1882. 5) Derselbe, A. f. m. A. Bd. 23. 1884. Taf. XT. Fig. 51. Zwitterbildung beim kleinen Wassermolch. 5 ganges der einen Form in die andere nur durch directe Beoh- achtung dieses Vorganges erbracht werden und bis dahin die Hypothese des einen Beobachters durch die entgegengesetzte Deutung des anderen Autors nicht widerlegt werden können. Auf der einen Seite steht m voller Entschiedenheit vom Rath!), während sich Belonci?) und Hermann?) noch mit einer ge- wissen Reserve aussprechen. Der letztere findet es auffällig, dass die gelappten Kerne, welche, wie ich vollauf bestätigen kann, m der Genitalanlage der Salamanderlarve so ungemein häufig vorkommen, kaum gebildet, wieder dem Untergange ent- gegen gehen sollen; ein Bedenken, welches gewiss sehr begründet ist. Er versucht auch ©. Scehultze’s*) interessante Beobachtung der „Hungerkerne“ dahin zu deuten, dass das Auftreten der Lap- pung an den „Hungerkernen‘ in etwas weiterer Ausdehnung als Ausdruck einer vermehrten Stoffwechselenergie aufzufassen sei, wenn auch nicht geleugnet werden soll, dass in degenerirenden Zellen polymorphe Kerne vorkommen, ohne dass die Lappung als solche das Kriterium des Verfalls abgebe. Belloncei?) lehnt die Annahme ab, die polymorphen Kerne in den Anfang der Mitose zu setzen, jedoch hält er eine Beziehung derselben zu der Karyokinese für wahrscheinlich. Darauf würde die eigenthümliche Form eben gebildeter Tochterkerne hindeuten, welche jener Forscher auf Taf. II Fig. 20—25 abbildet, dem Hoden von Triton entstammend. Diese wichtige Beobachtung kann ich bestätigen, da mir eben solehe Formen zu Gesicht ge- kommen sind. Ich habe auf Fig. 6 zwei derartige zerklüftete Tochterkerne abgebildet. Ob sie aus dieser Form wieder in die runde übergehen, vermag ich nicht festzustellen und nur zuzustim- men dem Satze, mit welchem Bellonei seine Abhandlung schliesst: „La forma dei nuclei polimorfi potrebbe anche rappresentare un momento fisiologieo transitorio e necessario dei nuclei stessi.“ 1) ©. vom Rath, Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese von Salamandra maculosa. Z. f. w. Z. Bd. 57. 1893. 2) J. Bellonei, Sui nuclei polimorfi delle cellule sessuali degli anfibi. 1886. 3) F. Hermann, Beiträge zur Histologie des Hodens. A. f. m. A. Bd. 34. 1889. 4) OÖ. Schultze, Ueber den Einfluss des Hungers auf die Zell- kerne. Sitzungsb. der ph.-m. Gesellschaft. Würzburg 1872. „2) J. Bellonei, a. a. O. S. 176. 6 v.la Valette St. George: Dass gelappte Kerne in Zellen vorkommen, welche offenbaı dem Untergang geweiht sind, muss ich annehmen, nachdem ich mancherlei Bilder vor Augen gehabt habe, welche entschieden darauf hindeuten. Der ganzen Zelle möchte man es ansehen, dass aus ihr niehts mehr wird, zumal wenn sie an einem Orte vorkommt, von dem keine neue Samenbildung ausgeht. Eine solche, meiner Mei- nung nach, dem Zerfall gewidmete Spermatogonie neben einer in voller Entwickelung begriffenen Spermatocyste habe ich auf Fig. 9 abgebildet. Ich glaube, sie hat ausgedient. Mein in einer späteren Arbeit!) ausgedrückter Zweifel, ob die Kernspaltung zur directen Kerntheilung führe, ist durch neuere Untersuchungen von mir und Anderen sehr bestärkt worden; ich glaube nunmehr nicht an einen der Abschnürung jener Kerne folgenden Zerfall des Cytoplasmas zur Bildung neuer Zellen, der Theilzahl der Kerne entsprechend, halte jedoch an der Möglich- keit fest, dass die zerklüfteten“ Kerne zum Theil sich wieder ab- runden und in die Mitose eingehen. Sehr bestärkt werde ich in dieser Auffassung durch die An- gaben von Benda?) sowie die sehr werthvollen älteren Unter- suchungen von Hoffmann?) und nicht minder die neueren An- gaben von Meves?). Dagegen kann ich dem etwas gar bestimmt hingestellten Ausspruch von vom Rath, dass die Maulbeerform unter keinen Umständen eine Mitose einleiten könne, vielmehr darauf hindeute, dass die Zelle fernerhin keine Mitose mehr eingehen könne, nicht zustimmen. Ich möchte mich dafür aussprechen, dass, wie in so vielen Fällen, auch hier die Wahrheit in der Mitte liegt, dass zwar einzelne Zellen mit polymorphen Kernen zu Grunde gehen, die Mehrzahl jedoch sieh mitotisch vermehrt. Die Frage, ob eine amitotisch getbeilte Zelle noch eine Mitose eingehen kann, will ich mit Flemming?) offen lassen. 1) v. la Valette St. George, A. f. m. A. Bd. 25. 1888. 2) Benda, Verhandlungen der anatomischen Gesellschaft. 1893. 3) C. K. Hoffmann, Z. f. w. Z. Bd. 44. 1886. 4) F. Meves, Anatomischer Anzeiger. 1891. — Derselbe, A. £. m. A. Bd. 44. 1894. i 5) W. Flemming, A. a. O. Zwitterbildung beim kleinen Wassermolch. 7 Wenn vom Rath glaubt, durch den Ausdruck seiner per- sönlicehen Meinung über die Herkunft der Follikelzellen der Oogonie und der Umhüllungszellen der Sper- matogonie die Discussion über diese beiden so schwierig zu lösenden Fragen abschneiden zu können, so scheint mir dies etwas verfrüht. „Es stammen, nach seiner Auffassung, die ersteren nicht aus dem Ei, die letzteren nicht aus der Spermatogonie, sondern beide Zellarten aus dem Keimepithel ab.“ Das ist leicht gesagt, jedoch schwer zu beweisen. Auf die reiche, hjerauf bezügliche Literatur näher einzugehen, würde den Rahmen dieser Mittheilung weit überschreiten; ich will nur mit ein paar Worten an die letzte bedeutsame Arbeit von Bühler?) über die Eibildung beim Kaninchen anknüpfen. Bühler sah Zellen des Keimepithels sich senkrecht zur Oberfläche des Eierstocks theilen und leitet von dem oberen Theilprodukt das Follikelepithel ab, während die untere, abgeschnürte Zelle mit den Abkömmlingen der oberen, in das Stroma des Ovarium hineinwachsend, zur Eizelle wird, welche sich fernerhin noch theilen kann. Die überzeugenden Bilder, welche diesen Befund illustriren, lassen wohl kaum einen Zweifel an seinen Angaben zu. Sie zeigen, dass eine werdende Ei- zelle eme bleibende Follikelzelle abspalten kann. Auch liessen die im Stroma versenkten Eier Mitosen und Thei- lungen wahrnehmen. Beim Kaninchen sollen mit den Eiern unveränderte Zellen des Keimepithels in die Eiballen dringen und zum Follikel- epithel werden, entgegen der Auffassung von Harz?), dessen Untersuchungen ebenfalls von nicht geringerer Sorgfalt zeugen. Harz glaubt annehmen zu müssen, dass die Zellen der Mem- brana granulosa innerhalb des Stromas in einer noch zu er- mittelnden Art gebildet würden, nach Bildern vom erwachsenen Meerschweinchen und der zehntägigen Katze. Kölliker*) leitet bekanntlich die Follikelbildung aus 1) O..vom Rath, a. a. O. S. 161. 2) A. Bühler, Z. f. w. Z. Bd. 58. 1894. 3) W. Harz, A. f. m. A. Bd. 22. 1883. 4) A. v. Kölliker, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 1879. 8 v.la Valette St. George: dem Epithel der „Markstränge“ ab. Dass eine Relation zwischen beiden Dingen bestehe, glaubt Bühler annehmen zu müssen. Waldeyer!) liess dagegen in seiner berühmten Abhandlung die Follikelzellen nebst den Eizellen aus dem Keim- oder Ober- flächenepithel in den Eistock hineinwachsen, wie auch Ludwig in seiner gekrönten Preisschrift?) denselben Eibildungsmodus in ausgeprägtester Form bei den Selachiern gefunden hat. An Schnitten aus dem Eierstock der neugeborenen Katze habe ich ganz ähnliche Bilder wie Harz vor Augen gehabt: Eiballen, welche anscheinend nach aussen abgeschlossen waren, zeigten keine Spur von Follikelzellen. Woher sollen diese kommen, wenn nicht die Eier selbst im Stande wären, sie zu produeiren, nicht nur im Keimepithel, wie es Bühler bereits annimmt, sondern in derselben Weise innerhalb des Eierstocks. Dafür dürften auch vielleicht die zahlreichen Mitosen sprechen, welche man in solchen Eiballen wahrnehmen kann. Ich glaube man thut am Besten, die definitive Entscheidung über die Frage nach der Herkunft des Follikelepithels des Eies noch zu vertagen. Dass ihre Lösung recht schwierig ist, hat bereits Pflüger?) in seinem grundlegenden Werke über den Eierstock betont. Ich selbst muss mir gestatten, vorläufig meine Auffassung, „dass die Oogonie unter Umständen als weiteres Theilungsproduct ihre Follikelzellen abgeben könne“, aufrecht zu erhalten ®). Wenn fernerhin vom Rath die Abkunft der Umhüllungs- zellen aus der Spermatogonie mit aller Bestimmtheit in Abrede stellt, so kann ich ihm darin ebenso wenig zustimmen, da eigene, bisher nicht durch Thatsachen widerlegte Beobach- tungen mich zu der entgegengesetzten Annahme geführt haben ). Auch vermag ich nicht die jetzige Ansicht jenes Autors in Einklang zu bringen mit einer in derselben Arbeit wieder- 1) W. Waldeyer, Eierstock und Ei. 1870. 2) H. Ludwig, Ueber die Eibildung im Thierreiche. Taf. 3. 1874. 3) E. Pflüger, Die Eierstöcke der Säugethiere und des Men- schen. 1863. 4) v. la Valette St. George, Ueber innere Zwitterbildung beim Flusskrebs. A. f. m. A. Bd. 39. 1892. 5) Derselbe, Spermatologische Beiträge. Fünfte Mittheilung. A. f. m. A. Bd. 30. 1887. Zwitterbildung beim kleinen Wassermolch. ) holten früheren Aeusserung!), welche ganz anders lautet: „In Uebereinstimmung mit Flemming und Meves habe ich in der betreffenden Region des Hodens der Tritonen und Frösche, die offenbar ein Regenerationsfeld darstellt, viele Spermatogonien in mitotischer Theilung angetroffen, und nur von diesen aus geht die Neubildung der Follikel von Statten. Die durch amitotische Theilungen der Spermatogonien entstandenen Kernfragmente gehen langsam zu Grunde; manche von ihnen dürften vielleicht bei der Follikelbildung noch als Randstützzellen Verwendung finden.“ Hier wird also die Neubildung vonFollikeln aus Sper- matogonien, wenn auch auf dem Wege der Mitose, ebenso die Möglichkeit der Herkunft von „Randstützzellen“ aus amitotischen Theilungen der Spermatogonien angenommen. Der anscheinende Widerspruch bedarf noch der Aufklärung. Nach dieser Abschweifung will ich in Kürze eimige weitere Bilder aus der Spermatogenese unseres Triton beschreiben, wobei ich vorab bemerken möchte, dass innerhalb der Hoden keine Spur von Eiern angetroffen wurde, nur die Samenent- wiekelung in regelmässigem Verlaufe. Fig. 7 stellt eine Samenzelle dar, deren Kern ohne irgend eine Andeutung von Spindelfasern wandständige Chro- mosomen enthält und im Cytoplasma ein Centrosom mit lichtem Hof. In Fig. 8 sieht man eine wohl ausgebildete Spindel und daneben hufeisenförmig gebogene Chromosomen. Fig. 9 und Fig. 10 zeigen Spermatocysten, Fig. 11 und Fig. 12 Theile von solchen mit Follikelkernen, Fig. 13 eine Garbe ausgebildeter Spermatosomen, und Fig. 14 giebt ein Durehschnittsbild durch den Samenleiter, dessen Samen von reifen Spermatosomen erfüllt ist. Die Spermato- eysten entsprachen durchaus Hoffmanns?) sehr naturgetreuer Darstellung. Zum Schlusse sei mir ein Rückblick gestattet auf frühere Beobachtungen von Zwitterbildung bei den Amphibien. Balbiani?°) berichtet über das Vorkommen von Eiern im 1) vom Rath, A. f. m. A. Bd. 40. 1892 und Derselbe, a. a. O. 2) C. K. Hoffmann, Z. f. w. Z. Bd. 44. 1886. 3) G. Balbiani, Lecons sur la Generation des Vertehres. S. 219 u. 220. Taf. III.’ 1879. 10 v.la Valette St. George: Hoden von Amphibien Folgendes: „I arrive assez souvent, lorsqu’on pratique des coupes de testieules de Grenouille ou de Crapaud, m&me parvenus & l’äge de reproduction, de trouver dans les tubes ou les ampoules säminiferes des ovules normalement developpes , constitues identiquement comme les Jeunes ovules transparents de l’ovaire de la femelle (pl. VI, ot).“ Es bedarf nur eines Hinblicks auf Fig. 1 und 2, Tafel IV, um die Richtigkeit jener Angaben zu erkennen, namentlich ist die letzte Abbildung von dem Hoden eines erwachsenen Kröten- männchens sehr beachtenswerth, da sie inmitten reifer Samenbündel grosse Eier zeigt, umgeben von Follikel- epithel — genau wie ich solehe vor Kurzem beim Fluss- krebs auffand }). Nach Pflüger’s?) recht mühevollen und biologisch sehr wiehtigen Untersuchungen finden sich unter jungen Exemplaren des braunen Grasfrosches nicht selten solche, deren Keimstöcke doppelt geschlechtlich sind. Diese Hermaphro- diten verwandeln sich im Laufe der Entwiekelung zu Männchen oder Weibchen. Noch bei 5 cm langen Thieren entdeckte Pflüger in mehreren Fällen Eierstocksgewebe mit Graaf- schen Follikeln, im vorderen wie hintern Abschnitt des Hodens, welches im ersteren reichlicher vertreten erschien. Auch Hoffmann?) erkannte unter 20 Individuen der- selben Art die Geschlechtsdrüse eines Exemplares als eine Zwitter- drüse, welche zahlreiche rudimentäre Eier enthielt. Die bekannteste und vielfach beschriebene Zwitterbildung haben die Kröten aufzuweisen. Es ist dies der „Hoden- eierstock“ der Bufonen, welcher nicht nur bei den Männchen den oberen Theil des Hodens einnimmt, sondern nach der Beobachtung von v. Wittieh*®) und von Spengel’) auch bei jungen Weibchen vorkommt und, wie dieser mit- theilt, nach und nach zurückgebildet wir. Knappe‘) machte 1) v. 1a Valette St. George, a.a. O. 2) E. Pflüger, Ueber die das Geschlecht bestimmenden Ursachen und die Geschlechtsverhältnisse der Frösche. A. f. Ph. Bd. 22. 1882. 3) C.K. Hoffmann, a. a. O. A) v. Wittich,'Zz. D wI/2.)Bd. IV. S. 158; 1853: 5) Spengel, Arb.a.d. zool.-zoot. Inst. i. Würzb: Bd. III. 1876—77. 6) G. Knappe, Morph. Jahrb. 1886. Zwitterbildung beim kleinen Wassermolch. 11 die interessante Angabe, dass bei Bufo vulgaris an Stelle dieses im Laufe des Winters vollkommen rückgebildeten Organs sich im Laufe des Sommers ein neues bilden soll und will ferner innerhalb der Eikapseln des „Bidder’schen OÖrganes“ wie in solchen, welche im Hoden der Frösche vorkommen, reife Spermatosomen und deren Entwicke- lungszustände gefunden haben. Er leitet dieselben her aus der Umwandlung von in die Eikapsel eingewanderten Granu- losazellen. Man wird es mir nicht verdenken, wenn ich letztere Angabe sehr auffällig finde, da ich eine Entstehung von Spermatogonien aus Follikelzellen niemals gesehen habe. Knappe hat ausserdem zehn weitere Fälle von echter Zwitter- bildung aufgefunden, welche sehr bemerkenswerthe Verhältnisse zeigten. Diese Zwitter besassen alle nicht blos wohl ent- wickelte Hoden- und ein bis vielfächerige Ovarien, sondern auch an jedem Hoden und an jedem Ovarium ein Bidder’sches Organ, also deren vier. Was nun die Deutung des Hodeneierstocks der Kröten betrifft, so hielt Bidder!), zwar nicht der Entdecker, jedoch der erste genaue Untersucher derselben, es für unzweifelhaft, dass jenes accessorische Organ eine Abtheilung des Hodens sei, welche, auf einer niedrigen Entwieklungsstufe stehen geblieben, die Bildung des Sperma und der Spermatozoen nur vorbereiten soll, welcher Ansicht v. Wittich?) widerspricht, imdem er das- selbe als rudimentäres Ovarium bezeichnet. Leydig?), der jenes Organ bei Bufo variabilis, so- wie auch im Hoden dieser Kröte derartige Gebilde neben Samen-, körpern beschrieb, trat der Ansicht Bidder's bei, welcher sich auch Spengel*) anschliesst, auch neuerdings gegen Marshall? und Bourne®). 1) M. Bidder, Vergleichend-anatomische und histologische Unter- suchungen über die männlichen Geschlechts- und Harnwerkzeuge der nackten Amphibien. 1846. 21. Wittlich, af.al"0: 3) F. Leydig, Anatomisch-histologische Untersuchung über Fische und Reptilien. 1853. 4) Spengel, Zwitterbildung bei Amphibien. Biol. Centralblatt Bd. 4. 1885. } 5) A. M Marshall, Journ. Anat. Physiol. Bd. 18. 1884. 6) A. G. Bourne, Quat. Journ. of microse. science. Bd. 24. 1884, 12 v.la Valette St. George: Da ich aus eigener genauer Untersuchung den „Hoden- eierstock“ der Kröte kenne und dessen Inhalt vor mehreren Jahren ausführlich beschrieben habe, so glaube ich in der Sache ein Urtheil aussprechen zu dürfen, welches dahin geht, dass ich der Auffassung von Bidder, Leydig und Spengel nicht bei- zustimmen vermag, vielmehr mich der Deutung v. Wittichs an- schliessen muss, nach welcher, wie dies schon Jacobson!), der erste Erforscher jenes Organs, richtig erkannt hat, hier eine hermaphroditische Bildung vorliegt. Die Formelemente des „Hodeneierstockes“ sind, wenn auch nicht ganz ausgebildete, so doch bereits höher entwickelte Eier und keineswegs Zellen, aus deren Weiterbildung sich etwa ein neues Hodengewebe ableiten liess. Solche Keimlager, welche als Reserve dienen könnten, und mit Spermatogonien erfüllt sind, geben ganz andere Bilder. Wie bereits Leuekart?) vor mehr als vierzig Jahren aussprach, entwickelt die erste Anlage der Geschlechtsdrüse, nach- dem sie das ursprüngliche Stadium der morphologischen und histo- logischen Indifferenz überschritten hat, in sich sonderbarer Weise zunächst die Bedingungen des weiblichen sowohl wie des männ- lichen Keimorgans. Hierhin gehört „die Bildung eines rudimentären Ova- riums mit förmlichen Eikeimen“ von Bufo einerens. Freilich wird dadurch nur der Befund gedeutet, nieht aber die Art und Weise seiner Entwickelung; für das Vorkommen jenes Organs beim Weibchen steht die Erklärung noch aus. Die von mir in vorliegender Mittheilung beschriebene Zwitter- bildung hat wohl die meiste Aehnlichkeit mit der vorhin be- sprochenen. Auch hier haben die Eier des accessorischen Or- gans eine Reife erreicht und besitzen eine so charakteristische Gestalt, dass nicht daran zu denken ist, sie als Reservematerial anzusprechen. Es sind wahre Eier, wie beim „Hodeneier- stock“ der Kröte; wohl können aus den Jugendformen noch welche heranreifen, vielleicht auch ältere degeneriren — damit ist aber auch die Sache abgethan, da sie keinen Weg finden die Bauchhöhle zu verlassen, weil die Eileiter fehlen. Wir haben demnach eine unvollkommene Zwitterbildung 1) Jacobson, Kongel. Dansk. Vidensk. Selsk. Naturvidensk. og math. Afh. 1828. 2) R.Leuckart, R.Wagner, Handw. d. Phys. Zeugung. 1853. S. 764. Zwitterbildung beim kleinen Wassermolch. 13 vor uns, hervorgegangen aus der abnormen doppeltgeschlechtlichen Differenzirung der ursprünglich noch”’geschlechtlosen Geno- blasten, ohne dass wir vorläufig Ursache und Zweck dieser Abweichung von der Regel zu erkennen vermögen. An die von Spengel!) ausführlich referirten Mitthei- lungen von Marshall und Bourne reiht sich eine Beob- achtung von Kent?), welcher bei einem Frosche auf der einen Seite Eierstock, Hoden, Ei- und Samenleiter aufgefunden hat und fernerhin eine Angabe von Ridewood?) über einen Fall von Hermaphroditismus beiRana temporaria. Der Frosch besass auf jeder Seite ausgebildete Hoden, von denen der linke in seiner äussern Hälfte ein stark pigmentirtes Ovarium zeigte. Dazu kamen an beiden Seiten wohl entwickelte Samen- und Eileiter. Es liegt also hier eine vollkommene Zwitterbildung vor. Die neueste Mittheilung über Zwitterbildung beim Frosch verdanken wir Mitrophanow®). Die Spermarien waren doppelseitig vorhanden, das rechte kleiner als das linke, daneben ausgebildete Samenleiter und wenigstens in ihren oberen Theilen normale Eileiter, von denen der linke nur etwas stärker entwickelt erschien. Die histologische Untersuchung der anscheinend männlichen Keimstöcke zeigte dieselben angefüllt mit Spermatoeysten, welche Spermatocyten in verschiedenen Entwickelungsstadien enthielten. Zwischen jenen und ausgebildeten Samenkörpern fand Mitrophanow ovoide Zellen und „wahre Eier“. Der Autor führt weitere, in Russland gemachte Beob- achtungen an über Zwitterbildung beim Frosch dureh Kart- schaguine°), Pedaschenko®) und Eismond’?). 1) Spengel, a...-0. 2) F. S. Kent, A case of abnormal developement of the pro- ductive organs in the frog. Journ. of Anat. a. Phys. Bd. 19. 1885. 3) W. G. Ridewood, On an abnormal Genital System in a Male of the common Frog. A. A. 1888, 4) P. Mitrophanow, Un cas d’hermaphrodisme chez la gre- nouille. Bibliographie Anatomique. 1894. 5) Kartschaguine, Journal de la section de la Societ@ des naturalistes, Moscou 1890. 6) Pedaschenko, Revue des sciences naturelles. Saint-Peters- bourg 1890. Br 7) M. Eismond, Seance de la section biologique de la soeiete des naturalistes ä Varsovie, 1892, 14 v.la ValetteS$t.George: Zwitterbildung beim kleinen Wassermolch. Für die Urodelen liegen, soviel mir bekamnt, noch keine Angaben über Zwitterbildung vor. Spengel will solche niemals angetroffen haben, obgleich er zahlreiche Salamander und Tritonen zerlegt und allein von Triton eristatus über 100 männliche Individuen unter- sucht hat. Es dürfte deshalb die Veröffentlichung des von mir auf- gefundenen Falles als der erste in seiner Art den Fach- genossen nicht unwillkommen sein. Erklärung der Abbildungen auf Tafel I. Fig. 1. Zwitter von Triton taeniatus in natürlicher Grösse. E. = Eierstock. Z1. H?. 9°. — Hode. SI. = Samenleiter. Bd. — Rest der weggeschnittenen linken Beckendrüse. 2. Eier aus dem Eierstock in verschiedener Grösse. F'h. = Fol- likelhaut. #%. = Follikelkerne. Kb. = Keimbläschen. Af. = Keim- tlecke. 8. = Stroma des Eierstockes mit seinen Kernen = K. Fig. 3. Spermatogonie im Zustande der Ruhe mit Kernnetz und Kernkörperchen. (Ck. = Cystenkerne. Fig. 4. Spermatogonieinder Theilung. O’hs.—= Chromosomen. Ok. — Cystenkerne . Spermatogonie in fast vollendeter Theilung. Chs. — Chromosomen. (Ck. = Cystenkerne. Fig. 6. Spermatogonie im Endstadium der Theilung. Gk. = Ge- lappte Kerne. Ck. = Cystenkerne. . Spermatogonie mit noch erhaltener Kernmembran — Kn., an deren Innenfläche Chromosomen — C'hs. anliegen und Cen- = > 19) = (2 [b2 = (afe 1 trosoma = (Ss. Fig. 8. Spermatogonie mit Spindel = Sp. und Chromosomen = Chs,, neben derselben liegend. Fig. 9. Spermatoeyste mit Spermatocyten = Seyt. und Cystenkern —= (k. Daneben eine im Zerfall begritfene Spermatogonie — Sg. mit gelapptem Kern = Gk. und Cystenkernen —= (k. Fig. 10. Spermatocyste mit Spermatocyten = Seyt. und Cystenkern — CK. Fig. 11. Theil einer Spermatocyste mit Spermatocyten = Seyt. und Cystenkern = Ck. Fig. 12. Theil einer Spermatocyste mit Spermatocyten = Seyt. und Cystenkern = Ck. Fig. 13. Fertiges Bündel von Spermatosomen mit nebenliegenden Cystenkernen = (k. Fig. 14. Schnitt durch den Samenleiter. Sp. = Spermatosomen im Innern desselben. £. = Epithel. M.= Muskellage. P.= Pig- mentzellen. A, = Kerne. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 15 Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. Von Dr. J. Sobotta, Assistenten am I. anat. Institut zu Berlin. Hierzu Tafel II—VI. Einleitung. Die nachfolgenden Mittheilungen sind die Ergebnisse einer vor mehr als 5 Jahren begonnenen Untersuchung, über die ich bereits zweimal kurz berichtet habe. (43, 44.) Sie betreffen im wesentlichen die Vorgänge bei der Befruchtung und Furchung (des Mäuse-Eies. Von den Reifungserscheinungen des Eies soll nur die Riehtungskörperbildung genauer beschrieben werden. Die früheren Stadien der Eireifung, die ebenfalls ausser den erwähnten kürzlich von Holl (31) behandelt worden sind, sowie die Bil- dung der Eier und Graaf’schen Follikel bei der Maus über- haupt, beabsichtigte ich ursprünglich nieht zum Gegenstand einer eingehenderen Untersuchung zu machen. Indess brachten mich erstlich mehrere eigenthümliche Befunde bei diesen Untersuchungen, zweitens aber die merkwürdigen, mit den meinigen fast in keinem Punkte übereinstimmenden Befunde Holls zu dem Entschluss, auch diese Erscheinungen in einer späteren Arbeit eingehender zu berücksichtigen. e Die Erscheinungen, welche zur Berstung des Follikels führen, sowie das Verhalten nicht geplatzter Follikel, also die sogen. Follikelatresie, sollen in den ersten Stadien hier bereits kurz be- schrieben werden. Das Schicksal der geplatzten Follikel, die Bildung des Cor- pus lJuteum bei der Maus, soll in einer demnächst erscheinenden Veröffentlichung genaugr behandelt werden. 16 J. Sobotta: Inhaltsangabe. Cap. IHnlsteratur.. . % LE N Cap. II. Material und Methode BEE REZEN see ARAA Cap: AH Die Brunst,deri-Mausif, Zur - ort rsa er Bae E Gapan IV. Oyulation, u... Ss. 2 ARE ln Eee Be Er Cap? -2y.XCopulation * . „ee ne... 0. Cap. VI. Der Bau der Tuba Fallopiae und die an derselben durch die Brunst und Copulation a Verän- derungen .7 2%, ER Cap. VII. Das Overialei zur "Zeit NR Follikelsprungs, hs unbe- fruchtete Tubenei und der Modus der Richtungskörper- bildung’ 77 - 41 Cap. VIII. Das Schicksal dr ui in ungeplatzten Follikeln dd die Follikelatresie . . . 97 Cap. IX. Das Eindringen des SEN. ins Ei die Bildung der Vorkerne . . . a Cap. X. Weitere Schicksale der keine w% BE: Cap. XI. Bildung der Chromosomen in den vor De rung an die erste Furchungsspindel, die erste Theilung des befruchteten Eies . . . IR en EEE Cap. XII. Stadium von 2 len enlenpllır ae: 7 Cap. XIII. Die spätere Furchung bis zum Eintritt des Kies in ae Uterusmem 5 : RTV Cap. XIV. Das Schicksal ruhiger Bier in eh "Tube N Ra Cap. XV. Einige interessante Fälle von Ueberfruchtung . . . 87 I. Literatur. Die Literatur über die Bench des thierischen Eies ist zu einer so umfangreichen geworden, dass von einer auch nur annähernd ausführlichen Berücksichtigung derselben hier gänzlich abgesehen werden muss. Ich kann das um so eher thun, als ausser der bekannten zusammenfassenden Arbeit von Waldeyer über die karyokinetischen Erschemungen bei der 3efruchtung neuerdings von einem auf diesem Gebiet selbst in hervorragender Weise thätigen Forscher (20) ein ebenso über; sichtliches wie vollkommenes Referat erstattet worden ist, auf das ich in allen Punkten hiermit verweise. Seitdem sind eine Reihe von Arbeiten erschienen, welche den Befruchtungsvorgang auch bei Wirbelthiereiern behandeln. Auch auf diese Arbeiten hier näher einzugehen verzichte ich, da sie nur zum Theil für die nachfolgenden Mittheilungen in Betracht kommen. Soweit sie das thun, werden sie an Ort und Stelle genügend berücksichtigt werden. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 17 Es wird im wesentlichen meine Aufgabe sein, in diesem Capitel einen kurzen Abriss über die bisher bei Säugethieren be- obachteten Befruchtungs- und Furchungsstadien zu geben. Ich will dieselben nach der Zeit geordnet hier anführen. Wohl die ältesten Angaben über Furchungen von Säuge- thiereiern stammen von R. de Graaf; nächstdem hat K. E. von Baer, der Entdecker des Ovarialeis der Säugethiere Be- obachtungen auch über gefurchte Eier des Kaninchens, Hundes und Schweins gemacht. Barry (1) hat 1839 Furchungsstadien des Säugethiereis, sowie Spermatozoen innerhalb der Zona pel- lucida gesehen. Die übrigen älteren, sehr zerstreuten Angaben finden sich nm Bischoff’s Entwickelungsgeschichte des Men- schen und der Säugethiere übersichtlich zusammengestellt. Die ersten genaueren in der späteren Literatur vielfach nur gering angeschlagenen Beobachtungen sind die schönen Untersuchungen Bischoffs (6—12) an einer Reihe von Säugethiereiern. 18542 bei seinen Studien über die Entwicklung des Ka- nincheneies giebt Bischoff bereits an, dass die Befruch- tung in einer materiellen Einwirkung der Samenfäden auf das Ei bestehe; die Wirkung erstrecke sich zuerst nur auf das Keim- bläschen. Unter anderm bemerkt Bischoff, dass sich die „Bildung des gelben Körpers aus der dem Follikel eigenthüm- lichen Haut“ schon vor dem Bersten des Follikels anzeige, eine Angabe, die Reichert (34) zwar bestreitet, die aber vielleicht doch nicht jeder thatsächlichen Grundlage entbehrt (s. u. p. 32). Bischoff sah die Eier 9—10 Stunden nach der. Begattung im oberen Theil des Eileiters mit dem umgebenden Discus proligerus, sah in der Mitte der Tube die Bildung der Eiweisshülle und be- obachtete eine grosse Reihe von Furehungsstadien. Die Eier gelangen am Ende des 3. oder Anfang des 4. Tages in den Uterus. 1845 untersuchte Bischoff das Hundeei. Er machte die fundamentale Beobachtung, dass die Eier zur Brunstzeit in den Eileiter gelangen, gleichgültig, ob eine Begattung stattge- funden hat oder nicht. Werden sie nicht befruchtet, so „lösen sie sich unbemerkt auf“. Die Begattung kann nach Bischoff beim Hunde schon erfolgen, wenn das Ei noch im Eierstock ist. Angeblich sah Bischoff Spermatozoen in lebhafter Bewegung auf dem Eierstock. Das Hundeei bildet keine Eiweissschicht Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 2 18 3. Sohotta: und furcht sich ähnlich wie das Kaninchenei. Es braucht beim Hunde 8—10 Tage (!) bis es in den Uterus gelangt und wird theils durch die Flimmerbewegung, theils durch die Contraktion der Tubenmusculatur fortbewegt. Bei den 1852 veröffentlichten Untersuchungen über das Meerschweinchenei machte Bischoff die wichtige Be- obachtung, dass die Reifung der Eier gleich nach der Geburt erfolgt. Das Ei nimmt kein Eiweiss im Eileiter an, wo es drei Tage verweilt, und sich bis zum 8- oder 16zelligen Stadium furcht. Im Uterus geht die Furchung am 4. und 5. Tage noch weiter vor sich. Bischoff bildet sehr viele Furchungsstadien mit den Richtungskörpern ab. Endlich liegen einige Beobachtungen Bischoff’s über die Furchung des Reheies vor. Die Stadien, die hier beobachtet wurden, waren indess nur spärliche. 1861 machte Reichert der Berliner Akademie Mitthei- lungen über die Entwicklung des Meerschweincheneies. Reichert verlegt die Zeit des Berstens der Follikel auf die 9. bis 10. Stunde nach der Begattung. Letztere soll stets vor dem Austritt des Eies erfolgen. Die erste Furche tritt 22—24 Stun- den nach der Begattung auf, zwischen dem 3. und 4. Tage sind 4, zwischen dem 4. und 5. Tage 8 Furchungskugeln gebildet. Im Lauf des 5. Tages findet man 12—16. Bestimmte Anord- nungen zeigen die Furchungskugeln nicht. Im wesentlichen ent- halten die Untersuchungen Reichert s nichts neues, weichen aber namentlich betreffs der Zeitangaben etwas von Bischoff ab. Die nächsten Untersuchungen stammen von Weil (49) 1873. Er hatte von Kaninchenzüchtern erfahren, dass die weib- liehen Thiere unmittelbar nach dem Wurf sich begatten lassen, eine Thatsache, die Bischoff längst bekannt war. Weil sah lebende (?) Spermatozoen auch an gefurchten Eiern zwischen diesen und der Zona pellueida, angeblich auch im „Dotter“. Er scheint die beiden Vorkerne beobachtet zu haben; betreffs der Furehung ergaben seine Untersuchungen nichts neues. Der erste Autor, der in systematischer Weise eine grössere Anzahl Säugethiereier einer eingehenden, auch histologischen Untersuchung unterzog, und der nicht allein die Furchung, son- dern auch die eigentliche Befruchtung und die dieser voraus- gehenden Reifungserscheinungen berücksichtigte, war E. van Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 19 Beneden (3). Der Schwerpunkt von van Beneden’s Unter- suchungen liegt darin, dass er das Wesen der Befruchtung am Kaninchenei studirte und, wenn auch nicht gleich zu dem that- sächlich richtigen, so doch zu einem diesem nicht fernstehenden Resultat kam. In seiner vorläufigen Mittheilung aus dem Jahre 1875 giebt uns van Beneden die erste sorgfältige und ausführliche Schil- derung dieser Vorgänge am Kaninchenei. Er konstatirt das Verschwinden des Keimbläschens und erklärt die Bildung der Riehtungskörper als einen von der Befruchtung unabhängigen Reifezustand.. van Beneden sah Spermatozoen mit ihren Köpfen an der Oberfläche des „Dotters“ und kam zu der An- schauung, dass die Befruchtung in einer Vermengung der Sub- stanz der Spermatozoen mit der oberflächlichen Schicht der Dotter- kugel bestehe ?). Vor allem fand van Beneden 2 Kerne im Ei (ca. 13 Stunden p. coitum), die er als centralen und peripherischen Vor- kern beschrieb. Der letztere sollte wenigstens zum Theil aus den mit der oberflächlichen Eischicht verschmolzenen Sperma- tozoen hervorgehen. Der andere Vorkern sollte sich aus Bestand- theilen des Eis bilden, also weiblichen Ursprungs sein. 70 Stunden lang bleibt das Ei des Kaninchens nach van Beneden in der Tube, wo es sich furcht. Derselbe sah den aus der Verschmelzung der Vorkerne hervorgegangenen „Em- bryonalkern“ (Furchungskern O. Hertwig’s); die Furchung in 2, 4, 8, 12, 16 und 24 Zellen. Er vermuthet, dass die Kerne der ersten beiden Furchungskugeln durch Karyokinese des ersten Embryonalkerns entstehen. Die nächste Untersuchung stammt von Hensen (29). Er bestätigt die alten Angaben Bischoff’s betreffs Eintritt der Brunst unmittelbar nach dem Partus bei Kaninchen und Meerschweinchen, findet aber, dass die Ovulation nicht stets eintritt. Eine periodische Brunstzeit konnte Hensen beim Meerschwein nicht konstatiren. Hensen beobachtete leb- hafte Bewegungen der Fimbrien und sah das Eindringen von Spermatozoen durch die unverletzte Zona. Die übrigen Beobach- tungen schliessen sich im wesentlichen an die Bischoff’s und van Beneden's an. » 1) Erst im nächsten Jahre machte O0. Hertwig seine fundamen- talen Untersuchungen am Seeigelei. 20 J. Sobotta: Ebenfalls auf eigenen Untersuchungen beruhen die Angaben von Koelliker in seinem Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere über die Furehung beim Kaninchen. Es folgen nun wieder 2 Arbeiten van Beneden'’s (4. 5) aus dem gleichen Jahre (1880). Die erste behandelt wieder das Kaninchenei, besonders die späteren Stadien (Gastrnlation ete.), enthält indess auch ergänzende Mittheilung über Befruchtung und Furchung. Insbesondere konstatirt van Beneden hier, dass der weibliche (centrale) Vorkern vom Purkinjeschen Keimbläs- chen stammt und mindestens zum Theil auch die Richtungskörper aus derselben Quelle. In der zweiten Arbeit zusammen mit Julin behandelt er das Chiropterenei, über das er bereits 1875 kurz berichtet hatte. Diese ersten Mittheilungen van Beneden’s hatten bereits eine Nachuntersuchung des eigenthümlichen Ver- haltens des Chiroptereneies während des Winterschlafs veranlasst und. zwar. von Benecke (2), Eimer (22) und Fries (25). van Beneden fand nämlich damals Eier von verschiedenen Fledermäusen während des Winterschlafs im Stadium der beiden Vorkerne im Ovidukt und nahm einen ähnlichen Stillstand der Entwicklung an, wie ein solcher nach Bischoff’s Untersuchun- gen beim Rehei sich findet. Die drei deutschen Autoren fanden den Uterus, theils auch die Tuben bei verschiedenen Chiropteren während des Winter- schlafs voller lebender Spermatozoen, jedoch keine Eier in der Tube. Die Follikel sollen nach Beneeke vielmehr erst im Frühjahr zur Reife gelangen und platzen, und dann soll die Be- fruchtung erfolgen. van Beneden und Julin halten in der erwähnten aus- führlichen Veröffentlichung an ihrer Auffassung fest, dass nor- malerweise die Eier im Winter (Dezember bis Februar) aus dem Ovarium entleert und in der Tube befruchtet werden, sich aber erst im März oder April zu furchen anfangen. Die Autoren fan- den meist drei Richtungskörperchen, sahen die beiden Vorkerne zum Theil nahe aneinanderliegend und gegeneinander abgeplattet. In Furchung befindlieh fanden sie nur Eier aus zwei Furchungs- kugeln von ungleicher Grösse, von drei (eine grosse und zwei kleine) und von vier (zwei grössere und zwei kleinere). Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 21 Die folgenden Untersuchungen betreffen das Kaninchen- und Meerschweinchenei und stammen von Rein (35). Derselbe beobachtet die Vorkerne in verschiedenen Entwicklungs- stadien und die Conjugation nach dem Schema van Beneden’s (Umarmung eines Kerns durch den anderen). Fälschlich verlegt er die Bildung beider Richtungskörperchen ins Ovarium, ja selbst die Bildung des Eikerns. Er sah lebhaft amöboide Bewegungen der Vorkerne. Beobachtungen über die Reifung und Befruchtung des Maulwurfeies finden wir bei Heape (28). Heape konnte die Bildung der Richtungskörper nicht verfolgen, beobachtete aber die beiden Vorkerne, 2 und 4zellige Stadien und die spätere Furchung bis zur Bildung der Keimblase. Nur spärliche Angaben existiren über die Furchung des Masurpialier- eies von Selenka (41). Er fand beim Opossum im oberen Theil des Uterus gefurchte Eier aus 2 bis 18 Zellen. Eine kurze Angabe über 2 in Furchung gefundene Eier vom Igel macht 1888 Keibel (la). Die neuesten und zugleich genauesten Untersuchungen sind die von Tafani (45—47) über die Befruchtung des Mäuse- eies. Tafani hat die Bildung der Richtungsspindeln und Ab- stossung der Richtungskörper beobachtet, vor allem als erster das thatsächliche Eindringen von Spermatozoen in die Eisub- stanz selbst gesehen, die Vorkerne und die erste Furchungs- spindel beobachtet und die Hauptstadien der späteren Furchung untersucht. Auch die ausführlichste seiner Mittheilungen ist in- dess in Bezug auf die thatsächlichen Befunde sehr kurz gehalten, behandelt einzelne Kapitel nur aphoristisch, enthält so gut wie gar keine histologischen Detailbeschreibungen und nur wenige flüchtig skizzirte Abbildungen. Anscheinend hat den Autor sein früher Tod an einer ausführlichen Veröffentlichung seiner ent- schieden sehr verdienstvollen Arbeit gehindert !). 1) Meine eigenen Untersuchungen wurden ursprünglich ohne Kenntniss der damals soeben erschienenen Arbeiten Tafani’s im Som- mer 1889 begonnen, dann erst nach Unterbrechung von fast 1 Jahr wieder aufgenommen. Herr Geh.-Rath Waldeyer hatte mich in- zwischen auf die Arbeiten Tafani’s aufmerksam gemacht. Ich be- schloss die Untersuchungen trotzdem fortzusetzen, weil ich gleich im Anfang einige Stadien beobachtete, die Tafani gefehlt haben und ich 22 J. Sobotta: Ausser den oben erwähnten Arbeiten kommen aus der Literatur für diese Mittheilungen noch folgende Veröffentlichungen in Betracht, welche theils die Follikel-Atresie, theils die Ei- reifung bei den Säugethieren behandeln. Es sind die Arbeiten vonFlemming (24,Schottländer(38,39), Henneguy (29a) und insbesondere die von Gerlach (26) und Holl (31). Die Resultate dieser Untersuchungen werden, soweit sie über- haupt diese Arbeit berrühren, sogleich in den nächsten Kapiteln berücksichtigt werden. Ich sehe daher von einer ausführlichen Inhaltsangabe hier ab. Il. Material und Methode. Als Material diente die gewöhnliche weisse Maus, in einigen wenigen Fällen die sogen. Tanzmaus und Eine graue Maus. Das Material, welches mir zur Verfügung stand, war ein recht grosses. Es wurden zum Zweck dieser Arbeit fast 750 Thiere getötet, und zwar in den letzten 3 Jahren (1892, 95 und 94) allein 658. Von letzteren sämmtlich, von den übrigen zum grossen Theil kannte ich Zeit der Ovulation und Begattung. Das Material von nicht ganz 40 Thieren blieb unverarbeitet. Alles übrige wurde zur Untersuchung verwandt. Eine grössere Reihe von Thieren wurde getödtet, um die letzten Stadien der Eireifung im Ovarium und die Vorgänge der Ovulation zu beobachten; die übrigen dienten zum Studium des Richtungskörperbildung, Befruchtung und Furchung in der Tube. Die Zahl der von mir im Eileiter der Maus gefundenen Eier ist eine sehr hohe, nämlich 1459. Davon entfielen auf das Stadium des Riehtungskörperbildung vor der Befruchtung 262 Eier, auf dasselbe Stadium mit gleichzeitig eingedrungenen Sper- matozoenköpfehen 36 Eier. Eier mit den beiden Vorkernen wurden 520 mal beobachtet. "Das Stadium der Verschmelzung der Vor- kerne, das der ersten Furchungsspindel bis zur Bildung fertiger Tochterknäuel 74 mal. Im Stadium von 2 Furchungskugeln (mit ruhenden Kernen) standen mir 303 Eier zur Verfügung, im selben Stadium mit Mitose in einer (respective auch in beiden) der ersten Furehungskugeln 15. In der späteren Furchung betroffen mir von einer eingehenden und möglichst umfangreichen Untersuchung weitere Resultate versprach, wie ich sie thatsächlich nun vorzulegen im Stande bin. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 23 (soweit dieselbe in der Tube verläuft) wurden 192 Eier, zusam- men 1402 normale oder anscheinend normale Eier, dazu kommen 57 unbefruchtete oder degenirende Eier. Ich führe die betreffenden Zahlen hier an, um zu zeigen, dass die nachfolgenden Untersuchungen sich nicht auf einzelne zufällige Beobachtungen stützen. So gross auch, anscheinend übertrieben gross, die Anzahl der von mir gefundenen Eier ist — ich hätte gerne beim Ab- schluss dieser Arbeit noch mehr Material zur Verfügung gehabt, um einige schnell verlaufende Stadien in allen Phasen mit der- selben Sicherheit beobachten zu können, wie ich es bei den meisten anderen gethan habe. Die hohe Zahl der Eier, welche mit Vorkernen gefunden wurden und ähnlich auch die der Eier aus 2 Furchungskugeln erklärt sich daraus, dass sowohl das Stadium der Bildung der Vorkerne, als das ihrer Vereinigung ungemein schnell verläuft (für letzteres wurden allein im letzten Jahre 80 Mäuse geopfert), und daher zahlreiche Thiere die zur Ge- winnung dieser Stadien getötet wurden, ausserdem noch oder auch allein Eier mit Vorkernen lieferten. Bisher wurde von allen Untersuchern so verfahren, dass man die weiblichen Thiere unmittelbar nach dem Wurf belegen liess und dann in verschiedenen Zeitabständen nach der Be- gattung tötete. Die Erfahrung, dass die Thiere unmittelbar nach dem Wurf den Bock zur Begattung zulassen, machte schon Bischoff beim Hund und Meerschwein. Weil theilte seine diesbezüglichen Erfahrungen vom Kaninchen mit. So haben van Beneden und Hensen Kaninchen und Meerschweincheneier, Tafani Mäuseeier gewonnen. Auch ich habe mich überzeugt, dass man auf diese Weise leicht Eier erhalten kann. Trotzdem zog ich eine eine andere Methode vor, welche auf der Kenntniss eines neuen Ovulationstermins beruht, und die ich einem glück- lichen Zufall verdanke. (Ich werde im Kapitel „Brunst“ Näheres darüber mittheilen). Dieser Termin liegt bei der Maus 21 Tage post partum. Muss man die Thiere unmittelbar nach dem Wurf töten, so verliert man natürlich die Jungen. Es ist das bei der Maus ja kein sehr schmerzlicher Verlust, indess wenn man mit vielem Material ar- beiten muss, insbesonder@’wenn man ein erprobtes und zuverlässiges Versuchsmaterial braucht, so wird die Erhaltung der Jungen be- 24 J.=S0%brotta® hufs späterer Verwendung als Zuchtthiere werthvoll. Durehaus nicht jede Maus ist zu brauchen und es vergehen oft viele Mo- nate, ehe frisch in &ine Zucht eingesetzte Thiere trächtig werden. Die betreffenden Mäuse wurden theils mit Chloroform, meist durch schnelle Durchtrennung der Medulla oblongata getödtet. Noch während der Todeszuckungen wurde die Bauchhöhle er- öffnet!) und stets kamen die ganzen Ovarien mitsammt der Ova- rialkapsel, den Eileitern und dem obersten Ende des Uterus lebenswarm in die Fixirungsflüssigkeit. Als solehe dienten Kleinberg’sche Pikrinschwefelsäure, konzentrirte wässerige Sublimatlösung (mit und ohne Kochsalz), Pikrinsublimat nach Rabl, insbesondere aber Osmiumgemische, speziell das Flemming’sche. Pikrinschwefelsäure ergab schlechte Resultate und wurde deshalb schon nach den ersten Versuchungen verworfen. Sublimat konservirt das Ovarium meist gut, auch die Eier in der Tube sehen leidlich erhalten aus, indess schrumpfen doch alle Theile, namentlich auch die Tubeneier, nieht unerheblich. Da die Anwendung von reinem Sublimat sonst keine Vortheile ergab, wurde auch von dieser Methode Abstand genommen. Weit bessere Resultate gibt Pi- krinsublimat, insbesondere die Tubeneier konservirt es gut und mit nur geringer Schrumpfung. Die Eier behalten stets ihre Kugelform, namentlich die Zona pellueida wird so gut wie kaum von einem anderen der angewandten Mittel fixirt. Die Präparate färben sich leicht und schön, können auch vortheilhaft durchgefärbt werden. Indess bei Beurtheilung der feineren Kern-, namentlich aber Kerntheilungsstrukturen konnte auch Pi- krinsublimat mit den Osmiumgemischen nicht konkurriren. Ich habe daher diese im vergangenen Jahr, wo ich besonders Präpa- rate für die feineren karyokinetischen Vorgänge zu erhalten suchte, einzig und allein angewandt, während ich in den vor- hergehenden Jahren daneben auch Pikrinsublimat, wenn auch in beschränktem Maasse benutzte. Von Osmiumgemischen wurden angewandt: Flemming’sche Flüssigkeit mit stärkerem und schwächerem Osmiumgehalt und Hermann’sche Flüssigkeit. Alle drei konserviren Tuben- 1) Natürlich wurde alles makroskopisch Wahrzunehmende am ganzen Genitaltraktus, namentlich am Ovarium und den Tuben genau besichtigt und bei jedem Thier nach der Fixirung protokollirt. oO ko) [2 Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 25 eier meist sehr schön. Dagegen wurden die Ovarialeier wie die ÖOvarien überhaupt von dem schwächeren Flemming'schen Ge- misch weit besser konservirt als von den beiden andern, die fast regelmässig kleinere oder grössere Schrumpfungen, namentlich auch der Zonae pellueidae verursachten. Dazu kommt, dass bei Anwendung der schwächeren Gemische die Färbbarkeit der Prä- parate eine entschieden leichtere ist!). Aus diesen Gründen habe ich die schwächer osmiumhaltige Chromosmium-Essigsäure seit 2—3 Jahren einzig und allein benutzt und zuletzt mit ausnahmslos gutem Erfolge. Die Objeete blieben in der Fixirungsflüssigkeit 24 Stunden oder auch etwas länger, wurden in Wasser ausgewaschen und in 60-70 /, Alkohol gebracht. Von da kamen sie am nächsten Tag in 90prozentigen und wurden dann meist unmittelbar zur Paraffineinbettung vorbereitet. Eingebettet wurde stets mit Hülfe von Chloroform. Der Sehmelzpunkt des Paraffins (stets eine Mischung von hartem und weiehem) schwankte je nach der Jahreszeit zwischen 53° und 55° C. Es wurde stets mit schrägem Messer geschnitten (Mikrotom Sehanze) ?).. Die Scehnittdieke schwankte zwischen 5 und 15 u, betrug in der Regel 10 u. Die Dieke von 10 u genügt für alle Details. Bei 5 u werden die grossen karyokinetischen Figuren zu oft durehschnitten, was für die Beurtheilung sehr störend ist. Die Scehnittriehtung war eine horizontale (vom Ovarium zur Tube hin), so dass der Uterus schliesslich ‚quer getroffen wurde. Die Schnitte wurden fast ausnahmslos mit Eiweiss aufgeklebt. Die Klebemasse (Eiweiss-Glycerin) wurde in möglichst dünner Schieht aufgetragen und die Sehnitte nieht direkt auf diese, sondern erst auf eine Schicht destillirten Wassers aufgelegt. Die so beschiekten Objektträger kamen dann auf 12—14 Stunden in den Wärmschrank. Die Anwendung von Wasser 1) Bei Anwendung von Hermann ’scher Flüssigkeit braucht man allerdings gar nicht zu färben, da die Präparate im Licht (oder event. in Holzessig) genug redueirt werden. 2) Bei Schneiden mit querem Messer erhält man wegen der sehr ungleichen Beschaffenheit der verschiedenen Gewebe (Ovarium, Binde- gewebe, glatte Muskulasur) hier besonders leicht starke Schnittver- schiebungen, wodurch die Tubeneier oft ausder Zona herausgequetscht werden. (Ich schneide überhaupt stets mit schrägem Messer.) 26 J. Sobotta: ausser Eiweiss hat den Vorzug, dass kleine Faltungen der Schnitte sich stets ausgleichen. Diese Aufklebemethode, richtig angewandt, leistet das denkbar - beste (destilirtes Wasser allein hält viel weniger sicher, insbesondere osmiirtes Fett löst sich leicht ab und verunreinigt in unangenehmer Weise die Präparate). | Stets wurden die ganzen Ovarien, die Eileiter und der Anfangstheil des Uterus in Serie geschnitten, was bei über 700 Thieren, also über 1400 ÖOvarien, natürlich eine kleine Gedulds- probe gewesen ist. Dieses Verfahren ist indess unerlässlich noth- wendig sowohl behufs einer genauen Orientirung über das Ova- rum, wenn befruchtete Eier in der Tube liegen, als auch über den Zustand der Tube bei Beurtheilung der Reifezustände der Follikel und insbesondere bei Untersuchung der Follikel-Atresie. Zur Färbung dienten Boraxkarmin, Alaunceoche- nille, Böhmer’sehes Hämatoxylin, meist mit Eosin combinirt, Delafield’sehes Hämatoxylin, Saffranin und und vor allem Kupfer- und Eisen-Hämatoxylin. Borax- karmin und Alauneochenille wurden zum Durchfärben von Sub- limat- und Pikrinsublimat-Präparaten in geringem Maasse verwandt und ergaben gute Uebersichtspräparate. Böhmer’sches Häma- toxylin mit und ohne Eosin wurde bei derselben Conservirungs- methode verwandt, aber zur Schnittfärbung. Das Resultat sind schöne Uebersichts- und auch leidliche Detailpräparate. Dela- field’sches Hämatoxylin wurde nach Behandlung mit Flemming- scher Flüssigkeit ohne wesentlichen Erfolg angewandt. Die letzteren Objekte wurden vielmehr anfangs in einer von Benda zuerst angegebenen Weise mit Kupfer-Hämatoxylin, später mit Eisen-Hämatoxylin gefärbt, da die letztere Färbung sich als be- ständiger und schöner erwies. Die Objektträger kamen mit den aufgeklebten Schnitten in Lig. ferri sulf. oxyd. ein Theil, destillirtes Wasser zwei Theile auf 12—20 Stunden, wurden längere Zeit in destillirtem und gewöhnlichem Wasser gewaschen (alle Proceduren vertragen die in oben angegebener Weise aufgeklebten Schnitte vorzüglich). Dann wurden dieselben mit Weigert’schem Hämatoxylin (alkoho- lisch wässerige Lösung mit Lithionzusatz) schwarzblau gefärbt (ea. 1 Minute), in stark verdünnter Salzsäure (1:500—1000) ent- färbt, die letztere durch schnelles Eintauchen in schwach ammo- niakalisches Wasser neutralisirt. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 27 Dann wurde wieder sorgfältig gewaschen. Den geeigneten Grad der Entfärbung lernt man leicht durch Erfahrung kennen. Die Kerne, besonders die chromatische Substanz, wird auf diese Weise dunkelblau gefärbt (wie die Markscheiden der Nerven- faseın bei der Weigert-Pal’schen Methode), das Protoplasma je nach dem Grade der Entfärbung graublau bis rein grau, die achromatische Substanz der Kerntheilungsfiguren und die Cen- trosomen graublau, aber immer dunkler als das Protoplasma (namentlich die Centrosomen färben sich meist recht stark). Die Sehnitte wurden mit 95procentigem Alkohol und Carbol-Xylol behandelt und in Canadabalsam eingelegt. Präparate, die genau nach den angegebenen Vorschriften behandelt wurden, insbesondere nach der Säurebehandlung gut ‚neutralisirt und gewaschen, haben sich sehr gut gehalten. Man muss jedoch die Präparate in gut trocknenden Canadabalsam einschliessen und nicht zu nahe an den Deckglasrand bringen, sonst blassen sie trotz aller Vorsichtsmassregeln langsam aus. Von der Untersuchung frischer Eier und von einer Conser- virung in toto wurde fast ganz abgesehen. Man kann solche Objekte fast nur dann erhalten, wenn die Tube ausgedehnt ist, also kurz vor oder kurz nach der Befruchtung. Aber gerade in diesem Stadium sind Durchsehnitte einzig und allein verwerth- bar. Im Verlauf der Furchung liegen die Eier meist in den ganz eng contrahirten Schlingen der Tube, die man wohl wegen ihrer Kleinheit überhaupt schwerlich, jedenfalls nur unter Ver- letzung der Eier aufschneiden kann. Ausspritzen der Eier aus der Tube vom Uterus her misslang mehrmals gänzlich, obwohl nachher die Eier auf den Schnitten gefunden wurden. Anscheinend contrahirt die Tube sich bei diesen Versuchen noch stärker und umschliesst die Eier erst recht fest. Indess dürfte es viel- leicht mit anderen Mitteln gelingen, Eier aus der Tube in toto zu erhalten. III. Die Brunst der Maus. Die Brunst tritt bei der Maus wie beim Kaninchen, Meer- schweinchen, Hund und wahrscheinlich allen Säugern unmittel- bar nach dem Wurf auf, wie von den verschiedensten Unter- suchern gefunden wurde. Auch ist von Bischoff sicher fest- gestellt worden, dass Tier unabhängig von der Copulation aus dem Ovarium ausgestossen werden. Auch Tafani hat diese 23 J. Sobotta: Beobachtungen anscheinend bei der Maus gemacht, wenigstens muss man das nach seinen Angaben entnehmen. Ich kann voll- auf bestätigen, dass noch am Tage des Wurfes normaler Weise in jedem Ovarium mehrere Follikel platzen und die Eier der- selben in die Tube aufgenommen werden, ohne dass eine Begat- tung stattgefunden hat. Dasselbe erfolgt nun aber auch bei der Maus am 21. Tage nach dem Wurf (im Durchsehnitt 21x24 Stunden post partum). Ich verdanke die Kenntniss dieser Thatsache einem glücklichen Zufalle. Vor nunmehr fast sechs Jahren tödtete ich eine Maus, welche ich im Beginn ihrer Trächtigkeit erhalten hatte und die bei mir vor wie nach dem Wurfe sorgfältig isolirt gehalten wurde, am 21. Tage nach dem Partus. Ich fand damals in den stark erweiterten Anfangstheilen der Tuben im ganzen 12 Eier mit - Riehtungsfiguren. Dasselbe Experiment machte ich dann mehr- mals und zwar stets mit demselben Erfolg, so dass ich auf diese Thatsache hin weitere Versuche anstellen konnte, mit Hülfe deren die Resultate dieser Arbeit gewonnen sind. Dass zwischen dem ersten und 21. Tage post partum noch ein oder mehrere Ovulationstermine liegen, kann ich nicht mit Bestimmtheit bestreiten, möchte es indess auf Grund einiger da- raufhin angestellter Untersuchungen vorläufig in Abrede stellen. Dass die Mäuse nieht nur unmittelbar nach dem Wurf brünstig werden, sondern auch 21 Tage danach, ist an und für sich nieht wunderbar. Nimmt man an, dass die Maus am Tage des Wurfs respektive 24 Stunden nach dem Wurf begattet wird, so wird sie, da die Trächtigkeitsdauer fast 20 Tage beträgt, am 20. oder 21. Tage nach dem Partus wieder werfen, und auch an diesem Tage wieder brünstig sein. Dasselbe erfolgt nun auch, wenn die Maus nach dem ersten Partus nicht wieder begattet wird. Auch dann tritt die Brunst am 21. Tage ein, wie wenn das Thier inzwischen getragen hätte. Diese Einrichtung ist, vom teleologischen Standpunkt aus betrachtet, sehr zweekmässig. Die junge Maus wird fast drei Wochen von der Mutter gesäugt; vom Ende der dritten Woche an ist sie im Stande, selbständig zu fressen. Vom 20. oder 21. Tage an thut sie das spontan, auch wenn das Mutterthier noch säugt. Wird nun also eine Maus unmittelbar nach dem Partus begattet, so wirft sie gerade um die Zeit, wo die erste Dle Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 29 Generation ihrer Jungen im stande ist, sich selbst zu ernähren und die Mutter verlässt, so dass die letztere nun den neuen Wurf zu säugen im Stande ist'!). Die Brunstzeit der Maus erstreckt sich auf den grössten Theil des Jahres. Nach Rein dauert die Brunst der Kanin- chen in Strassburg nur von Ende März bis Mitte Juli. Die Brunstzeit der Maus beginnt spätesten Anfang März und er- streckt sieh bis gegen Ende November; auch im Dezember, Januar und Februar erlischt sie nie ganz, besonders wenn die Thiere leidlieh warm gehalten werden, doch scheint sie in diesen Monaten nieht so regelmässig aufzutreten. Die Zeit des regesten Geschleehtslebens fällt in die Monate April und Mai und von Mitte August bis Ende September. Ich glaube dureh die oben angeführten Thatsachen mit Sicherheit bewiesen zu haben, dass eine Ovulation ohne Copu- lation stattfinden kann, ja in der Regel stattfindet. Reichert und Hensen, der sich mit dieser Frage besonders beschäftigt hat, nehmen das Gegentheil an. Zur Zeit, wo die Eier der Maus das Ovarium verlassen, respektive, wo die Graaf’schen Follikel sprungreif werden, spielen sich am Genitaltraktus der Maus eine Reihe von Veränderungen ab, welche den Vorgang ausmachen, den man gewöhnlich Brunst nennt. Betroffen wird in erster Linie natürlich das Ovarium, nächstdem die Tube. Aber auch am Uterus und an der Va- sina sind deutliche Veränderungen zu konstatiren. Die Vaginalöffnung ist bei nicht brünstigen Thieren fest verschlossen, die Wände epithelial verklebt. Zur Zeit der Brunst nun klafft die Vagina, ihre Ränder sind geröthet und (oft stark) geschwollen. Ein geringes, zahlreiche Epithelien enthal- 1) Eine Maus kann also alle 3 Wochen werfen; da die höchst beobachtete Zahl (es wurde der Wurf von über 1100;Mäusen registrirt) 12 Junge beträgt, so kann sich ein Thier in enornıer Weise vermehren. Indess liegen die Bedingungen wohl nie so günstig und es scheint auch, als ob die Thiere eine so angestrengte Geschlechtsthätigkeit nicht lange aushalten. Im allgemeinen dürfte die Begattung unmittel- bar post partum nicht die Regel in der Natur sein, denn die Mutter- thiere verlassen ihre Jungen sofort nach dem Wurf gewöhnlich nur wenige Augenblicke und» müssten in dieser kurzen Zeit gleich den Bock zur Begattung zulassen. Auch vernachlässigen sie, wenn sie wieder trächtig werden, in der Regel ihre Nachkommenschatft, 30 J. Sobotta: tendes Sekret bedeckt die Wände der Scheide. Der Uterus be- steht vor der Brunst bei nicht trächtigen Thieren aus 2 ge- raden, dünnen Hörnern, die sich zu einem ganz kurzen, gemein- samen Stücke vereinigen. Die beiden Hörmer sind alsdann noch nicht streichholzdiek, das Lumen so gut wie leer. Zur Zeit der Brunst ist der ganze Uterus schlaff, die Hörner ungefähr gänse- federkieldiek, das Lumen mit einer trüben, abgestossene Epi- thelien und aufgequollene Leukocyten enthaltenden Flüssigkeit gefüllt. Ueber den Bau der Tuben der Maus und über die Ver- änderungen, denen sie während der Brunst und Copulation unter- liegen, soll in einem eigenen Kapitel unten gehandelt werden. Was das Ovarium der Maus betrifft, so ist dasselbe wie das vieler Säuger von einer vollständigen bindegewebigen Kapsel umgeben, in die das Infundibulum Tubae einmündet. Der Raum zwischen der Kapsel und der Oberfläche des Eierstocks ist bei nieht brünstigen Thieren gering und von einer serösen Flüssig- keit erfüllt. Zur Zeit der Brunst ist die Kapsel fast ausnahms- los ausgedehnt, so dass das kleine Organ in einem mehrfach so grossen hellen Bläschen liegt: Die Flüssigkeit ist meist völlig klar. Im Eierstock selbst werden zur Zeit der Brunst die bereits vorher stark ausgedehnten Graaf’schen Follikel sprungreif und platzen, d. h. es kommt zur 1V. Ovulation. Die Ovulationsvorgänge der Maus sind vor einigen Jahren in ausführlicherer Weise von L. Gerlach behandelt worden. Die Beobachtungen Gerlacehs stimmen im wesent- liehen mit den meinigen überein, nur scheint derselbe anzu- nehmen, dass die Bildung des Riehtungskörpers (denn gewöhnlich bildet die Maus nur einen) im Ovarium vor sich gehe, und zweitens scheint Gerlach die vollständige Loslösung des Eis mit dem Diseus vom Follikelepithel für den charakteristischen Vorgang bei der Reifung des Follikels zu halten. Er legt hier besonders Gewicht auf die fortschreitende Vacuolisirung in der Umgebung des Discus, während gerade nach meinen Erfahrungen eine vollständige Loslösung an solchen Follikeln sich findet, die nicht geplatzt sind, nämlich am atretischen. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Mans. 31 Es ist unbedingt nothwendig, bei der Beurtheilung der Reife- zustände der Follikel einerseits beide Eierstöcke zn kennen, andererseits den Zustand der betreffenden Eileiter zu untersuchen, insbesondere aber, ob sich in den letzteren etwa schon Eier finden und in welchem Stadium der Entwicklung. Diese Rücksicht hat, scheint es, keiner der bisherigen Unter- sucher genommen und daher kommt es, dass insbesondere bei Be- urtheilung der Reife der Follikel und der Follikel- Atresie alle bis- herigen Behauptungen auf unbewiesene Thatsachen sich stützen. Ich will mit wenig Worten meine eigenen Erfahrungen hier anführen und an einem konkreten Beispiel erläutern. Fig. 1 auf Tafel III stellt einen reifen Follikel dar, welcher sich unmittelbar vor dem Platzen befindet, 2 andere Follikel desselben Ovariums sind gleichfalls noch nieht geplatzt und befinden sich in ganz demselben Zustand, Ein Follikel desselben Eierstocks ist bereits geplatzt und das Ei lag wahrscheinlich im Periovarialraum). Im anderseitigen Ovarium desselben Thiers befand sich ein Follikel gerade am Platzen, Fig. 3 Tafel III, ein zweiter und dritter waren bereits geplatzt und die Eier befanden sich im Anfangstheil des Eileiters respektive ebenfalls noch innerhalb der Ovarialkapsel. Ich darf also wohl behaupten, dass der in Fig. 1 abgebildete Follikel sprungreif ist. Er zeigt eharakteristische Unterschiede von eben so grossen, aber nicht ganz sprungreifen Follikeln und von solehen, die reif geworden, aber nicht geplatzt sind?). Der ganze Follikel ragt beträchtlich über die Oberfläche des Eierstocks hervor, das Follikelepithel ist an der am meisten ausgebuchteten Seite des Follikels auf eine kaum noch kontinuir- liche Zelllage reduzirt, dagegen ist an der der Rissstelle gegen- überliegenden Seite die Granulosa verdickt und die Zellen zeigen oft eine eigenthümlich reihenförmige Anordnung. Ganz ähnliche Zustände bestehen an der Theca follieuli. Dieses Verhalten des Follikelepithels wurde stets an völlig 1) Die Kapsel wurde bei der Conservirung leider angeschnitten und das Ei ging daher verloren. 2) Es platzen also, wie ich das mehrfach habe constatiren können, nicht alle Follikel auf einmal; indess wahrscheinlich unmittelbar nach einander (soweit sie das überhaupt thun und nicht etwa atretisch werden). 32 J. Sobotta: reifen Follikeln beobachtet und ich möchte es für charakteristisch für die Sprungreife halten, zumal es die erste Andeutung der Bildung des Corpus luteum bezeichnet!). Das Ei des Follikels in Fig. 1 Tafel III hängt nur noch mit wenigen Zellen des Discus (links unten in der Figur) mit dem übrigen Follikelepithel zusammen, es hat also durch ver- mehrte Ausscheidung von Follikelflüssigkeit eime starke Los- trennung (Vaeuolisirung im Sinne Gerlach's) stattgefunden. Zu einer vollständigen Loslösung aber kommt es nach meinen Erfahrungen erst beim Platzen des Follikels auf rein mechani- schem Wege. Der Grad der Auflockerung des Epithels kann, wie Gerlach ganz richtig angiebt, ein recht verschiedener sein ; die Auflockerung kann einerseits so stark sein wie bei dem platzenden Follikel in Fig. 3, andererseits kann das Ei noch von vielen hundert Zellen umgeben in den Eileiter gelangen. Jaich habe Fälle gesehen, wo noch lange nach erfolgter Befruchtuug mehr als 100 Zellen um das Ei in Gestalt des Discus proligerus herumlagen. Die Lage des Eies im reifen Follikel ist nach meinen Er- fahrungen eine sehr willkürliche; genau vor der Rissstelle aber liegt es sehr selten, jedenfalls wurde dies nie beobachtet. Der Liquor gerinnt bei der Konservirung in völlig sprungreifen Follikeln meist fadenförmig, nicht körnig?). Besonders deutlich war das an den in Fig. 1 und 3 Tafel III abgebildeten Präparaten. Dureh fortsehreitende Flüssigkeitsausscheidung kommt es nun an der sehon vorher dünnen Stelle des Follikels zum Riss und durch den Druck des umgebenden Ovarialgewebes wird das Ei mitsammt den ansitzenden Zellen des Diseus, dem grössten Theil des Liquor follieuli und einigen freigewordenen Folikelepithelien entleert. Ein solehes Stadium zeigt Fig. 3 Tatel III. Die Gründe für den Follikelsprung sind rein mechanische ; irgend eine Veränderung, Degeneration ete. des Epithels, tritt, 1) Etwas ähnliches scheint Bischoff am Kaninchenei beob- achtet zu haben, indem er angiebt, dass an ganz reifen Follikeln sich schon die Bildung des gelben Körpers in seinen ersten Anfängen er- kennen lasse. . 2) Vor der völligen Reife, wahrscheinlich also ehe eine Druck- spannung im Follikel vorhanden ist, findet man ebenfalls körnige Ge- rinnungen des Liquor (s. darüber u. p. 60). + Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 3" vw wie unten noch gezeigt werden wird, nicht ein. Die Entleerung der Eier in den Periovarialraum und in die Tube geschieht zur Zeit der Brunst, auch ohne dass die Thiere begattet werden. Ueber das Verhalten der Eier zur Zeit des Follikelsprungs, über das Schicksal nicht geplatzter Follikel und über den Mecha- nismus der Aufnahme der Eier in die Tube wird unten ausführ- lieh: berichtet werden. Barry gibt eine eigenthümliche Abbildung eines Ovariums mit platzendem Follikel, die aber nicht anf thatsächlicher ‚Beob- achtung beruht. Gerlach hat 2 mal Eier in der Rissöffnung des Follikels gesehen, scheint aber selbst nicht anzunehmen, dass es sich um normale Verhältnisse gehandelt hat. V. Die Copulation. Die Begattung kann bei der Maus nur zur Zeit der Brunst vor sich gehen, da die Vagina sonst fest verklebt ist. Sie er- folgt bald früher bald später nach Eintritt der Brunst, fast aus- nahmslos erst, wenn sich die Eier schon in der Tube befinden, mitunter allerdings bereits, wenn die Follikel noch nicht geplatzt sind. Vielleicht fällt in einer Reihe von Fällen beides zusammen. Was die Art und Weise der Begattung betrifft, so be- kommt man sehr häufig Begattungsversuche zu sehen, be- sonders wenn viele männliche Thiere vorhanden sind; die eigentliche Begattung aber wird selten beobachtet. Sie er- folgt fast ausnahmslos in der Nacht meist gegen Morgen. Selbst die zahmsten Mäuse werden oft durch die Beobachtung an der Ausführung des Aktes verhindert, insbesondere scheint das brünstige Weibehen alsdann den Bock nicht anzunehmen. Ich habe die Begattung selbst nur wenige Male beobachtet und habe auch auf weitere Beobachtungen Verzicht geleistet, weil ich, auch ohne die Thiere zu stören, stets die erfolgte Be- gattung festzustellen im Stande war. Die Begattung erfolgt in der Regel in ähnlicher Weise wie beim Kaninchen und Meerschweinchen, indess ist sie stets nur eine einmalige. Der Bock fällt am Ende des Aktes auf die Seite, das Weibehen mit sich ziehend und beide Thiere verharren dann einige Augenblicke in dieser Lage wie in Erstarrung. Der ganze Begattungsakt völlzieht sich in kaum 1 Minute. Das männliche Thier ist nach der Begattung sehr erschöpft Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 3 v- 34 J. Sobotta: und nach meinen Erfahrungen längere Zeit (wenigstens 12—24 Stunden) nieht zu einer zweiten Begattung fähig. Am weiblichen Thier sind unmittelbar nach der Co- pulation höchst charakteristische Veränderungen wahrnehmbar. Zunächst die Vagina: Es ist schon seit langem vom Meer- schweinchen bekannt, dass nach der Ejakulation des Samens eine Ejakulation des sofort erstarrenden Sekrets der Samenblasen erfolgt. Das Sekret der letzteren stellt dann eine weisse, ziem- lich harte, meist homogene Masse dar. Bischoff und Hensen haben’ diesen Vaginalpfropf beobachtet und beschrieben, merkwürdigerweise leugnet Reichert sein Vorkommen beim Meerschwein. Lataste hat den „Bouchon vaginal* zuerst bei Pachyuromys!), dann bei fast allen Nagern gefunden. Auch Tafani beobachtete ihn richtig bei der Maus. Bei derselben stellt das Gebilde eine rein weisse oder leicht gelbweisse, unmittelbar nach der Ejakulation harte Masse dar, welche einen genauen Ausguss der ziemlick kurzen Vagina mit ihren sämmtlichen Falten darstellt. Die Grösse des Gebildes ist erheblichen Schwankungen unterworfen. Bald ist der Propf kurz und füllt nur den oberen Theil der Vagina aus, bald ragt er bis an, ja bis über die äussere Vaginalöffnung. In letzterem Falle ist er dann da, wo er von aussen sichtbar ist, besonders hart und trocken. Immer ist der Propf sehr diek und dehnt die Vagina sehr stark aus. Da die Substanz des Gebildes aus dem erhärteten Sekret der Samenblasen besteht, so ist die (Grösse natürlich von dem männlichen Thier abhängig und zwar wiederum von der Grösse desselben und von der Zeit, wo (dasselbe zum letzten Mal copulirt hatte. Mikroskopisch untersucht erweist sich der Vaginalpfropf als eine homogene Sekretmasse; aussen sitzen ihm Vaginalepi- thelien an, an seinem oberen Ende, wo er den Uterus verschliesst, findet man meist einige Spermatozoen. Für gewöhnlich füllt der Propf nur die Vagina selbst aus, indess ragt mitunter auch ein spitzer Zapfen durch den Mutter- mund in den kurzen, unpaaren Abschnitt des Uterus. Einmal wurde ein Propf beobachtet, der dureh den Muttermund hindurch bis zur Uterus-Tubengrenze reichte. 1) Bei demselben fand ihn auch Heron-Royer. Die Befruchtung und. Furchung des Eies der Maus. 35 Was die Schicksale des Vaginalpfropfes anlangt, so sind dieselben richtig von Tafani bei des Maus bobachtet worden. Es tritt zunächst eine Erweichung in der peripherischen Schicht ein, die sich allmählich in das Innere erstreckt. Hat die Er- weichung einen gewissen Grad erreicht, so fällt der Propf aus der Vagina heraus. Es erfolgt das bei der Maus frühestens 20, spätestens 30 Stunden nach der Begattung. (Beim Meerschwein erhält derselbe sich nur 4—9!/, Stunden.) Wenn der Vaginalpfropf aus der Vagina entleert wird, so ist dieselbe noch weit und das Thier kann von einem ungestümen Bock nochmals begattet werden, während die Eier schon be- fruchtet sind. Es wurden solche Fälle beobachtet und ihre eigen- thümlichen Consequenzen werden unten beschrieben werden. Für gewöhnlich erfolgt eine Begattung alsdann nicht, und die Va- gina wird wieder eng. Fast noch charakteristischere Veränderungen erleidet der Uterus durch die Begattung. Die vor der Brunstzeit eng kon- trahirten, schon während derselben leicht ausgedehnten Hörner des Organs stellen unmittelbar nach der Begattung 2 prall ge- füllte Schläuche dar, deren Wandungen durch die- Ausdehnung stark verdünnt und vollkommen durchsichtig geworden sind. Das Lumen enthält eine trübe Flüssigkeit mit zahlreichen kleinen und grossen gelbweissen Brocken. Die letzteren bestehen aus unzähligen lebenden Spermatozoen, die mit den Köpfen gegen- einander gekehrt sind, während sie mit den Schwanzfäden peitschenartige Bewegungen ausführen. Ausserdem schwimmen einzelne Spermatozoen lebhaft in der Flüssigkeit umher. Diese pralle Füllung des Uterus dauert eine Reihe von Stunden und nimmt dann allmählich ab. Nach 10—12 Stunden hat das Organ bereits wieder die Grösse erreicht, die es vor der Begattung hatte. Die Spermatozoen bleiben nur wenige Stunden lebend, liegen aber auch, wenn sie abgestorben sind, noch meist in Klumpen zusammen. Zum Theil werden sie durch die Vagina neben dem schon weich gewordenen Vaginalpfropf entleert; zum Theil zerfallen sie wohl auch im Uterus zu kör- nigem Detritus. In die Tuben und zu den Eiern gelangen, wie wir unten sehen werden, nur sehr wenige Spermatozoen. 24— 36 Stunden nach der Begattung befindet sich der Uterus wieder in demselben Contractionszustande wie vor der Brunst. 36 J. Sobotta: Das Sperma wird also bei der Maus stets direct in den Uterus ejakulirt, während den Raum der Vagina der Propf einnimmt. Beim Kaninchen, wo die Vagina sehr lang ist, scheint das Sperma in diese selbst injieirt zu werden (auch fehlt hier anscheinend der Vaginalpfropf (??)). Beim Meerschweinchen wird nach den Beobachtungen Bischoff 'sund Hensen’s das Sperma direkt in den Uterus ejaculirt und dieser ausgedehnt. Hensen sah auch Samenfadenklumpen mit verklebten Köpfen; van Beneden und Julin sowie Benecke fanden bei Fledermäusen der Uterus ebenfalls stark ausgedehnt und voll Sperma. Besonders die Beob- achtungen Benecke's betreffs des Verhaltens der Tuben (s. u.) stimmen mit meinen Befunden bei der Maus überein. Die starke Ausdehnung des Uterus bei der Begattung, welehe oft das Organ ad maximum füllt, mag nicht ohne Ein- fluss auf die Lösung der Eier sein. Wie ich oben gezeigt habe und wie man bei der Maus sehr leicht constatiren kann, platzen die Follikel völlig unabhängig von der Copulation. Meist liegen also die Eier zur Zeit der Begattung schon in der Tube; indess findet man, wenn auch nicht häufig, unmittelbar nach der Be- gattung oft"noch Eier theils im Periovarialraum, theils noch im Ovarium. Es mag in solchen Fällen die durch die Begattung hervorgerufene starke Ausdehnung des Uterus, an dessen Enden ja fast unmittelbar die Ovarien sitzen, einen mechanischen Ein- fluss auf die Follikel ausüben können. Jedoch der Umstand, dass auch dann noch ungeplatzte Follikel vorhanden sein können, unterstützt nicht gerade diese Anschauung. Da die Spermatozoen im Uterus nur wenige Stunden lebend bleiben, so werden Eier aus Follikeln, die erst einige Zeit nach der Begattung platzen, wohl meist unbefruchtet bleiben. Dem entspricht auch die Erfahrung, dass häufig Eier in der Tube trotz erfolgter Begattung unbefruchtet zu Grunde gehen. Vi. Der Bau der Tuba Fallopiae und die an derselben durch die Brunst und Gopulation erzeugten Veränderungen, Der Eileiter der Maus ist ein ziemlich langer, sehr enger und vielfach gewundener Kanal, der an der Spitze des Uterushorns beginnt und nach mehrfachen unregelmässigen und wechselnden Krümmungen mittels des Infundibulum ausmündet. Die mittleren Schlingen der Tuben liegen der Ovarialkapsel dicht Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 37 an, die untersten vermitteln den Uebergang in den Uterus; die oberste Schlinge, welche in das Infundibulum ausläuft, durch- bohrt die Ovarialkapsel, so dass die Fimbrien des Infundibulums innerhalb der Kapsel im Periovarialraum liegen. Die gewöhnliche Anschauung, soweit ich aus der Literatur ersehen kann, ist die, dass die gesammte Tube Flimmerepithel habe. Das ist nun hei der Maus durchaus nicht der Fall. Es flimmert nur das Epithel der Fimbrien und des Infundibulum, sowie des Anfangstheils der Tube. Fig. 5 Tafel III stellt einen Durchschnitt durch die Tuben- schlingen einer Maus dar, so wie man ihn bei der oben ange- gebenen Schnittrichtung oft zu Gesicht bekommt. Man kann hier nach dem Charakter des Epithels, der Art der Faltenbildungen und der Stärke der Muskulatur vier Abschnitte an der Tube unterscheiden. Den ersten Abschnitt sehen wir bei « im Durch- schnitt. Er geht unmittelbar in das Infundibulum über, zeigt hohe Falten mit Flimmerepithel und schwache Ringmuskulatur. Die Falten werden eigentlich nur durch eine Capillare (Fig. 5a, bei c) und durch eine doppelte Epithellage gebildet‘). Das Epithel dieses Tubenabschnitts und auch das des Infundibulums und der Fimbrien zeigt ein höchst eharakteristisches Aussehen (Fig. 5a). Es ist ziemlich niedrig-eylindrisch, zeigt einen deut- liehen dunklen Cutieularsaum und sehr deutliche lange und dicke Flimmerhaare. Es ist mit das schönste Flimmerepithel, das ich Je bei Säugern gesehen habe. Das Protoplasma der Zellen ist sehr feinkörnig und bleibt immer mit Eisenhämatoxylin (auch mit anderen Farbstoffen) hell gefärbt. Die Kerne sind länglich rund. Ein eigenthümliches Aussehen erhält das Epithel nun durch Kerngebilde, welche man in ganz regelmässigen Abständen zwischen den Epithelzellen findet. Sie sitzen theils völlig im Epithel, theils ganz auf der Oberfläche zwischen den Flimmer- haaren; oft liegt ein Theil des Kerns schon ausserhalb des Epithels und ein langer fadenförmiger Fortsatz ragt noch zwischen die Epithelzellen hinein. Auf den ersten Blick hält man diese Gebilde für auswan- dernde farblose Blutzellen; indess man sieht immer nur einen 1) Ich habe auf diesen Bau der Tubenfalten bereits früher ein- mal aufmerksam gemacht (42). 38 J. Sobotta: Kern, nie auch nur eine Spur eines Protoplasmaleibes. Nun be- sitzen auch die grosskernigen Leukocyten mit einfachem Kern oft nur eime dünne, leicht zu übersehende Protoplasmaschicht, indess gerade die durch das Epithel z. B. der Tonsillen wan- dernden Leukocyten sind meist mehrkernig. Ich kann die in Frage kommenden Gebilde daher eigentlich nur für freigewordene und ausgequetschte Kerne halten. Sonderbar ist die Regel- mässigkeit ihres Vorkommens. Sie fehlen nie, ja sie geben dem Epithel namentlich bei schwachen Vergrösserungen ein ganz cha- rakteristisches Aussehen. Der zweite Abschnitt der Tube (Fig. 5 bei b, Tafel III) besitzt noch nahezu ebenso hohe Falten wie Abschnitt a, indess flimmert er nicht mehr. Sein Epithel neigt sich vielmehr schon der Form zu, welehe die mit c bezeichneten Eileiterabschnitte führen. Die letzteren sind muskelstark, haben Quer- und Längs- muskulatur, gewöhnlich ein sehr enges Lumen und niedrige oder so gut wie gar keine Falten. Ihr Epithel zeigt Fig. 5c. Es sind hohe, unregelmässig-eylindrische, ziemlich dunkelkörnige Zellen ohne eigentlichen Cutieularsamen. Die letzten Tubenabschnitte (bei d in Fig. 5, Taf. III) sind diejenigen, welche unmittelbar in den Uterus überleiten. In Bezug auf Epithel und Falten ist gegen die Schlingen ec kein Unterschied; dagegen ist das Lumen ge- wöhnlich weiter, die Muskulatur stärker. Der letzte Abschnitt der Tube (t in Fig. 8) hat besonders starke Ringmuskulatur und besitzt: mit dem Uterus zusammen eine gemeinschaftliche Längs- muskulatur !). Uebrigens flimmert auch das Epithel des Uterus nicht. Bei der Brunst erleiden nun die verschiedenen Abschnitte der Tube eine sehr verschiedene Veränderung. Die Abschnitte t und d bleiben gänzlich unbeeinflusst, Abschnitt e zeigt meist eine geringe Erweiterung (wie in Fig. 7). Dagegen wird der Abschnitt b und zwar die Stelle, wo er an a grenzt, und oft auch noch ein Theil von a mit, bei der Brunst enorm ausgedehnt, so dass bei der makroskopischen Betrachtung die Tube ein helles, ganz dünnwandiges mit Flüssigkeit gefülltes Bläschen zu ent- halten scheint. Den so ausgedehnten Tubenabschnitt zeigt im Querschnitt Fig. 6. Die Falten verschwinden fast ganz oder ganz, 1) Siehe darüber meine frühere Arbeit (42). Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 39 das Epithel wird vollkommen abgeplattet (wenn noch ein Theil des Flimmerepithels betroffen wird, so gehen die Flimmerhaare zu Grunde). In diesen Abschnitt der Tube nun gelangen die Eier bei der Ovulation, bleiben bis zur Begattung und werden hier be- fruchtet. Die Ausdehnung der Tube kann eine ganz enorme sein, doppelt so stark, wie sie die Fig. 6 zeigt. Die Eier sind gewöhnlich vom ganzen Diseus proligerus umgeben und liegen in Gruppen zu zwei oder drei zusammen. Je nachdem, wie weit die Lockerung des Epithels im reifenden Follikel vor sich ge- gangen war, werden die Eier innerhalb eines kleinen oder grossen Haufens von Zellen gefunden. Völlig nackt liegen sie um diese Zeit nach meinen Erfahrungen nie. Diese auffällige Erscheinung ist bisher, so weit ich sehen kann, in der Literatur noch gar nicht beschrieben worden. Sie tritt wie gesagt, zur Brunstzeit ein, völlig unabhängig von der Copulation. Durch die Copulation werden an der Tube selbst eigent- lich gar keine Veränderungen hervorgerufen. Während der Uterus mit Spermaklumpen prall angefüllt ist, ist die Tube leer ohne Spermatozoen. Es findet, so scheint es, anfangs ein vollständiger Verschluss des Ostium uterinum tubae statt. Die Spermatozoen dringen dann nach einiger Zeit einzeln zu den Eiern vor und zwar wahrscheinlich nicht mehr, ja manchmal weniger als Eier in die Tube gelangt sind (denn man findet neben befruchteten Eiern solche, die unbefruchtet geblieben sind). Selbst in Stadien wie sie Fig. 11a und b, Tafel IV darstellen, findet man in der ganzen Umgebung der Eier, ja in der ganzen Tube keine weiter en Spermatozoen !). Auch Benecke hat bei Fledermäusen den Uterus prall mit Sperma angefüllt gefunden, die Tuben aber völlig leer. Beim Kaninchen finden sich nach der Begattung zahlreiche Sper- matozoen auch in den Tuben, beim Meerschweinchen er- heblich weniger (Hensen). Was nun den Mechanismus betrifft, wie die Eier in den erweiterten Tubenabschnitt gelangen, so existiren darüber ein- 1) Nur mal unter „den vielen Fällen wurden, und noch dazu in älteren Stadien der Entwicklung, Spermatozoen ausserhalb der Eier in der Tube gefunden. 40 J.HSoibreittar: gehendere Angaben über die Maus auch von L. Gerlach. Gerlach seheimt die Ausdehnung der Tube nicht beobachtet zu haben, wenigstens hebt er sie nicht hervor; ebenso wenig be- schreibt er die Erweiterung der Ovarialkapseln. Er nimmt an, dass die Fimbrien innerhalb der Ovarialkapsel einen Flüssigkeits- strom erzeugen, so das Ei erfassen und durch Flimmerung in die Tube schaffen. Hensen sah beim Meerschwein Eigenbewegungen der Fimbrien, denen er den Hauptantheil zuschreibt, während die Flimmerbewegung nur nebensächlich wirken soll. Wie weit die Fimbrien der Maus Eigenbewegungen be- sitzen, weiss ich nicht anzugeben. Jedenfalls sind sie viel zu kurz um über das ganze Ovarium gleiten zu können, wie sie das beim Meerschwein thun. Was die Auffassung Gerlach's betrifft, dass die Eier direkt durch einen Flimmerstrom in die Tube gebracht werden, so kann ich derselben nur zustimmen; indess für sich allein halte ich denselben nicht für genügend und ich glaube, es kommt nöch ein zweites Moment hinzu. Im Beginn der Brunstzeit ist, wie oben angegeben, die Ovarialkapsel meist stark mit Flüssigkeit gefüllt, fast immer, wenn die Eier im Ovarium der Reife nahe sind; in viel geringerem Maasse jedoch oder gar nicht mehr, wenn sich die Eier schon in der Tube befinden. Die Annahme liegt daher nahe, dass die Flüssigkeit des Periovarialraums von der Tube mitsammt den Eiern angesaugt wird. Diese Auffassung wird dadurch bekräf- tigt, dass ich mehrmals Eier im Periovarialraum gefunden habe. Dieselben scheinen sich hier also eme Zeit lang aufzuhalten, was bei kontinuirlicher Wirkung eines Flimmerstroms nicht recht verständlich wäre. Ich habe die Anschauung, die ich natürlich nicht beweisen kann, dass die Follikel in kurzen Zwischenräumen bersten (oft wohl auch mehrere auf einmal), die Eier in den Periovarialraum entleert werden und nun durch eine einmalige oder auch mehr- malige Contraktion der Tubenmuskulatur mit nachfolgender Er- schlaffung, event. unter Unterstützung des Flimmerstroms ange- saugt werden. Die Flüssigkeit, welche vorher die Ovarialkapsel ausdehnte, gelangt nun mit den Eiern in den ausgedehnten An- fangstheil der Tube. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 4 VII. Das Ovarialei zur Zeit des Follikelsprungs. Das un- befruchtete Tubenei und der Modus der Richtungskörper- bildung. Wenn der Follikel unmittelbar vor dem Sprunge steht (wie in Fig. 1), so enthält er in °/,, der Fälle ein Keimbläschen, an dem eben die Kernmembran undeutlich wird und in ‚dem sich eine Reihe von ehromatischen Klumpen bilden, die zu den Chro- mosomen der Richtungsspindel werden. Die Maus stösst nämlich in ®/,, der Fälle nur einen Richtungskörper ab. In dem Rest der Fälle enthält das Follikelei schon einen abgestossenen Rich- tungskörper und die Abstossung des zweiten bereitet sich, wie unten beschrieben wird, vor. Bei weitem die meisten Eier trifft man also im Ovarium zur Zeit der Sprungreife der Follikel ohne Richtungskörper mit nicht mehr völlig im Ruhezustand befindlichen Keimbläschen. Meist ist noch eine achromatische Kernmembran sichtbar. Das reife Ovarialei der Maus unterscheidet \sich in Bezug auf Grösse, Gestalt und Hüllen nieht von dem befruch- tungsfähigen Ei in der Tube. Es ist stets kugelrund, seine Grösse schwankt innerhalb ziemlich enger Grenzen. Im Durch- schnitt beträgt der Durchmesser 59 u. Das Ei der Maus dürfte das kleinste bekannte Säugethierei sein.‘ Die meisten Eier von Säugern, soweit Messungen über- haupt von wirklich reifen resp. befruchteten Eiern vorliegen, sind doppelt oder mehrfach so gross. Auch das Meerschwein- chenei, das Bischoff zu den kleinsten Säugethiereiern rechnet, ist noch um die Hälfte grösser, als das Ei der Maus (Bischoff, Reichert, Rein). Das Ei des Kaninchen und Hundes ist mehr als drei Mal so gross, das kleinere Ei des Rehes im- mer noch gut doppelt so gross als das Mäuseei. Die Eier der von van Beneden untersuchten Fledermäuse differiren in der Grösse (bei verschiedenen Species), dürften aber im Durch- schnitt doppelt so gross sein als das Mausei. Das Ei des Igels muss nach Keibel’s Angaben (nur Stad. aus 2 Furchungskugeln wurden beobachtet) ungefähr so gross sein wie das des Meer- schweinehens. Ueber die Grösse des Maulwurfseies habe ich aus Heape’s Angaben keine Meinung gewinnen können. Die grosse Maasstabelle des Autors enthält keine Angabe, in welchem 42 J. Sobotta: Maassstab gerechnet worden ist. Um u kann es sich nicht han- deln, denn dann würde das Maulwurfsei nur halb so gross sein wie das Mäuseei und das entspricht nicht den Angaben Heape's, der es mit dem Hunde- und Kaninchenei gleichstellt, es auch grösser abbildet, als ein Meerschweinchenei. Das Ei der Maus wird umgeben von der dünnen, überall gleich starken Zona pellueida. Dieselbe ist 1,2 höchstens 1,5 u diek. Auf dieser sitzen dann (Fig. 2 Tafel III) die Follikel- epithelien in der bekannten Gestalt des Disceus proligerus. Beide Zona und Discus werden, wie oben schon angegeben, mit dem Ei in den Eileiter entleert. Die Zona ist an conservirten Präparaten völlig homogen ohne irgend welche Streifung. Sie liegt dem Ei ganz eng an und erscheint an gut fixirten Präparaten auf dem Durchschnitt kreisrund ohne jede Unregelmässigkeit. Ein perivitellärer Spalt- raum wie ein solcher bei den meisten Säugethiereiern theils vor, theils nach der Befruchtung beschrieben worden ist, existirt nicht. Die Zona der Maus dürfte bei weitem die dünnste aller Säugethiereier sein und zwar ist sie das nicht blos relativ, son- dern auch absolut. So hat selbst das kleine Meerschweinchen- Ei!) eine ca. 20fach so dieke Zona wie das Mäuseei. Dem Ei der Maus am nächsten kommt das Ei des Igels (&—11u) und des Rehs, dessen Zona indess fast noch 10 Mal so diek ist. Fledermäuse, Hund, Kaninchen, Opossum, sicher auch Maulwurf haben eine ebenfalls vielfach so dicke Zona. Die Zona des Opossums scheint in der Tube mit der Eiweiss- schicht zu verschmelzen und ist dann gegen 100 Mal so dick als die der Maus (Maasse fehlen). Die dünne Hülle giebt dem Mäuseei eine charakteristische Form, durch die es von den Eiern aller bisher untersuchten Säuger abweicht; denn die Zona passt sich dem Ei auch während der Furehung vollkommen an. Was den Zellleib des Eies betrifft, so besteht derselbe aus einer grossen protoplasmatischen Kugel, die sich gegen die Zona hin zu einer membranähnlichen Aussenschicht verdichtet. Die Existenz dieser Zellenmembran ist für gewöhnlich nieht zu konstatiren, da sie der Zona fest anliegt. Indess nach Abstossung 1) Das reife Tubenei. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 43 eines Riehtungskörpers, welcher die Zona vorbuchtet, und ebenso bei künstlicher Abhebung der letzteren wird die nackte Eiober- fläche sichtbar und alsdann lässt sich die Existenz des Eimembran sicher nachweisen. Was die Struktur des Protoplasmas betrifft, so möchte ich hier keine definitive Auffassung über dieselbe aus- sprechen; die Untersuchung der Protoplasmastrukturen gehört sicherlich zu den schwierigsten histologischen Aufgaben und er- fordert theilweise die Anwendung besonderer Methoden, die für diese Arbeit nicht in Betracht kamen. Ich habe deswegen vor- läufig auch kein Urtheil über dieselbe an meinem Objekt ge- winnen können. Ziemlich gleichmässig durch das ganze Bi oarlae ver- theilt, findet man deutoplasmatische „Dotterbestandtheile“. Ein Theil derselben und sicherlich der allergrösste, wird durch Osmiumsäure geschwärzt, ist also Fett oder eine fettähnliche Substanz. Die Dotterelemente der Maus sind an Zahl und Grösse ungemein gering. Sie erscheinen in Gestalt von Conglomeraten feinster Körnchen, welche nach dem Centrum des Eies zu etwas grösser sind als in der Peripherie. Ausser den mit Osmium- säure sich schwärzenden Bestandttheilen scheint es noch andere zu geben, welche ziemlich grosse, kreisrunde Schollen oder Kugeln darstellen und sich etwas lebhafter färben als das Protoplasma. Sie kommen in geringer und sehr wechselnder Anzahl (ca. 20 bis 60) in den Eiern vor und liegen stets ganz regellos vertheilt, oft auch in der Nähe der Kermntheilungsfiguren, wo sie auf den ersten Blick Centrosomen vortäuschen können. Die übrigen Säugethiere haben alle mehr, zum Theil auch erheblich grössere Dotterbestandtheile; besonders grosse haben einige Fledermäuse und das Opossum, während andere z.B. emigeChiropteren wieder recht kleine haben. Hund, Kaninchen und Maulwurf haben mehr kleinere, aber sehr dicht liegende Dotterbestandtheile, Reh und Meerschwein wieder weniger, aber grössere. Was nun den wichtigsten Theil der Eizelle betrifft, das Keimbläschen, so findet man dasselbe an ganz reifen Fol- likeln im Uebergangsstadium zu einer Mitose, die die Bildung des Ricehtungskörpers einleitet. Man findet Eier in Follikeln, die unmittelbar vor dem Sprunge stehen, mit noch ruhendem Keimbläschen. Ob im Augenblick des Follikelsprungs die Kern- 44 J. Sobotta: membran in der Regel noch erhalten ist, oder ob sich das Ei schon in der Prophase der Richtungsmitose befindet, weiss ich nicht genau anzugeben; denn dazu war in der [hat mein Material zu gering. Die im Periovarialraum und dem Anfangstheil der Tube befindlichen Eier zeigen in der Regel ein Stadium, wie es in Fig. 9 und 9a, Tafel IV abgebildet ist. Die Kernmembran ist ge- schwunden und es bildet sich soeben ein aus unregelmässig ge- stalteten Elementen bestehender Chromosomenknänel. Die diesem Stadium voraufgehenden Entwiecklungszustände des Keimbläschens sollen in dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden. Ich möchte hier nur bemerken, dass die Chromosomen der späteren Richtungsspindel sich nicht aus den Nucleolen allein, sondern selbstverständlich aus der ganzen chromatischen Sub- stanz des Keimbläschens bilden. Ich erwähne das, weil Holl die höchst eigenthümliche Ansicht geäussert hat, dass die Chro- mosomen nur aus den Nuecleolen des Kerns entständen und der übrige Theil des Kerns als „Kernrest* an die Oberfläche des Eies rückte. Was aus diesem Gebilde nachher wird, theilt Holl leider nicht mit. Der „Kernrest“ Holl’s ist nämlich ein bereits abgestossenes, aber — wie anscheinend Holl’s Präparate sämmt- lich — durch schlechte Conservirung ') entstelltes Richtungs- körperchen. Ich komme darauf unten noch einmal zurück. Die Chromosomen, welche in die erste Riehtungsmitose eingehen, sind, bevor sie sich zur Aequatorialplatte sammeln, von unregelmässiger Gestalt, wie das Fig. 9a Tafel IV zeigt. Sie liegen in einem hellen Hof, der fast genau dem Umfang des ehemaligen Keimbläschens entspricht und in der That in etwas früheren Stadien erkennt man ja am Rande des Hofs noch den achromatischen Rest der Kernmembran. Die Zahl der Chromo- somen ist in diesem Stadium noch nicht zu bestimmen; denn anscheinend hängen oft mehrere Chromosomen (noch) zusammen, respektive andere sind leicht gekniekt. Nie sind die Chromo- somen dieser Richtungsmitose bei der Maus Schleifen oder auch nur schleifenähnlich. Holl spricht immer von Schleifen und 1) Präparate, die auch nur annähernd die Zeichen einer so mangelnden Conservirung trugen, wie sie in Holl’s Abbildungen zu Tage tritt, wurden für diese Arbeit einfach unberücksichtigt gelassen. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 45 sucht auch solehe in seinen Figuren zur Darstellung zu bringen. Wirkliche Schleifen dürfte auch Holl nicht gesehen haben, viel- mehr scheinen ihm die unregelmässig gestalteten Chromosomen der ersten Riehtungsspindel (in den Fällen, wo zwei Richtungs- körper gebildet werden) als Schleifen imponirt zu haben. Denn es ist anzunehmen, dass ein Theil der Bilder, die er zu sehen bekommen hat, der letzt erwähnten Mitose angehörte }). Aus dem unregelmässig gestalteten Knäuel in Jer Prophase der ersten Mitose wird nun gewöhnlich recht schnell das Stadium der Aequatorialplatte (Fig. 10a, Tafel IV). Es bildet sich zunächst eine achromatische Spindel und zwar, wie ich elaube mit Sicherheit annehmen zu dürfen, aus dem achroma- tischen Antheil des Kerns ohne oder ohne wesentliche Betheili- sung des Eiprotoplasmas. Diese Spindel steht zunächst (und überhaupt in der grössten Zahl der Fälle, die zur Beobachtung gelangen) mit ihrer Achse senkrecht zum Radius des Eies, tan- sential, wie diese Stellung, in der Litteratur gewöhnlich bezeichnet wird. (Besser vielleicht paratangential.) Die Spindel besteht aus sehr deutlichen und dicken achromati- schen Fasern, die unzweifelhaft von einem Ende der Spindel bis zum anderen durchlaufen; sie repräsentirt also eine Centralspindel. Der Character als Centralspindel besteht von Anfang an und ist schon an geeigneten Präparaten im Stadium der Aequatorial- platte sehr deutlich; noch deutlicher werden die Verhältnisse nach Eintritt der Metakinese. Die Spindel besitzt keine Pole, ja die Faserenden konvergiren gewöhnlich nieht einmal nach einem bestimmten Punkte. Oft laufen die Fasern fast parallel, mit nur geringer Winkelneigung gegeneinander nach den Enden der Figur hin. Es zeigt dies deutlich Fig. 10a, Tafel IV. Vor allem fehlt jede Spur eines Polkörperehen oder Centrosoma, ebensowenig existirt auch nur eine Andeutung von Polstrahlung. 1) Es scheint Holl nicht bekannt zu sein, dass nicht allein beim Pferdespulwurm, sondern fast bei allen untersuchten Eiern bis zu den Wirbelthieren hinauf ein scharf ausgeprägter Unterschied in der Form der Chromosomen der Richtungsspindeln und der ersten und folgenden Furchungsspindeln besteht; dass erstere gewöhnlich von der Form kurzer Stäbehen oder Körner sind, während letztere lange Schleifen darstellen. Ein solcher Unterschied besteht nun auch in eklatanter Weise bei der Maus. 46 J. Sobotta: Die Spindel ist meist sehr schlank und schmal, doch findet man auch etwas breitere. Die freien Enden der Spindelfasern sind oft ganz leicht verdickt. Die Chromosomen sind im Sta- dium der Aequatorialplatte kurze runde Stäbchen, die wegen der Schmalheit der Spindel. einen meist ziemlich engen Kranz bilden. Sie liegen sämmtlich genau im Aequator, Abweichungen sind sehr selten. Was die Zahl der Chromosomen betrifft, so ist die Beant- wortung dieser Frage eine etwas heikle. Tafani giebt 20 an, Holl zählt 18, vermuthet 24. Jeder Untersucher, der sich mit Chromosomenzählen abgegeben hat, weiss, wie schwer diese, im ersten Augenblick oft leicht erscheinende Aufgabe ist. Ich habe meine gesammten Präparate (es sind mehrere hundert gewesen) auf diesen Zweck hin genau untersucht. Von diesen habe ich nur solehe Fälle ausgewählt, die zur Zählung günstig waren und diese mehrmals in Abständen von Tagen oder Wochen ge- zählt und die Resultate der unabhängigen Zählungen verglichen. Es ergab sich schliesslich beinahe eonstant genau — oder annähernd genau — diejenige Zahl, welche mir die richtige zu sein scheint, nämlich 12. Wird diese Anzahl, welche ich zwar nicht mit ganz voller Sicherheit, aber doch mit grosser Wahrscheinlichkeit behaupten kann, überstiegen, so sind es höchstens 14 oder 15. Die Zählung ist emerseits leicht wegen der gleichmässigen und geraden Form der Chromosomen, andererseits schwer, weil die Spindeln schmal sind und die Theilung der Chromosomen in einer Reihe von Fällen anscheinend nicht an allen gleichzeitig erfolgt. Wir werden unten noch sehen, dass die Annahme der Zahl 12 auch durch andere Befunde gestützt wird. An den Chromosomen tritt nun die Theilung ein. Ich ver- muthete in meiner ersten Veröffentlichung (43) eine Längstheilung; indess ich habe mich nun mit Sicherheit überzeugt, dass es sich um eine Quertheilung handelt. Fig. 10b stellt dieses Stadium dar. Die stäbchenförmigen Chromosomen theilen sich in der Mitte durch und werden dadurch zu ganz kurzen, fast ebenso breiten wie langen (also fast kugeligen) Elementen. Man sieht oft die beiden Theilstücke noch zusammenhängen, anscheinend mit Hilfe eines feinen Chromatin-Fadens.. Die Quertheilung scheint häufig, aber nicht immer gleichzeitig zu erfolgen. Die getheilten Chromosomen bleiben längere Zeit in der Aequatorial- Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 47 platte liegen, ohne auseinander zu rücken. Die Spindelachse steht jetzt immer noch tangential. Ist die Spindel sehr schmal, so liegen die getheilten Chromosomen eng neben einander und man erhält auf den ersten Bliek Bilder, die entfernt an die bei Ascaris und Copepoden beobachteten Vierergruppen erinnern, mit diesen aber selbstverständlich nichts zu thun haben. Was die Zahl der achromatischen Centralspindelfasern be- trifft, so ist die Zählung derselben noch schwerer als die der Chromosomen; denn anscheinend existiren daneben auch ganz feine Zugfasern, die zu den Chromosomen ziehen. Zählungen an gecigneten Objekten (namentlich im nächsten Stadium) er- gaben immer ungefähr 12, so dass die Zahl mit der der Chromo- somen wohl übereinstimmen dürfte. Diese Form, die tangential stehende Richtungspindel, beob- achtet man unter allen Phasen der Richtungskörpermitose bei weitem am häufigsten. In diesem Stadium findet man die los- gelösten Eier zur Zeit der Brunst in dem erweiterten Theil der Tube. Anscheinend verharren die Eier in dieser Entwick- lungsstufe ‚sehr lange, mindestens bis zum Eintreten der Sperma- tozoen ; wenn sie unbefruchtet bleiben, noch länger. Aus der ursprünglich tangentialen Lage dreht sich die Spindel nun in eine schräge, wie es in typischer Weise Fig. 10c Tafel IV zeigt. Das Stadium ist sehr selten und ich bin glück- lich, dass ich dasselbe 3 mal in meinem Besitz habe, 2 mal allerdings trefflich konservirt. Die Chromosomen sind stark nach beiden Seiten auf den Centralspindelfasern entlang geglitten, so dass die Fasern der ziemlich breiten Centralspindel in der Mitte völlig frei liegen. An jeder der (wahrscheinlich 12) Fasern sieht man nun sehr deutlich eine längliche, allmählich nach beiden Seiten sich verlierende Anschwellung genau in der Mitte. Die Enden der Centralspindel sind ganz breit, von einem Convergiren nach einem Pol ist keine Rede. Zwischen den Chromosomen und den Enden der Centralspindel-Fasern sind nun die Fäden viel diehter und ich darf wohl annehmen, dass dies durch die retrahirten Zugfasern hervorgebracht wird. Die Zugfasern finden ihren Stützpunkt in diesem Falle wohl an den leicht verdiekten Enden der Centralspindelfasern. An jedem Ende der Spindel liegen natürlich 12 kurze 45 JS onbıoibt.a: Chromosomen, die indess schon ein wenig länger geworden zu sein scheinen, als sie es in der Aequatorialplatte waren. Aus diesem Stadium der Metakinese geht das des Dyasters und Dyspirems unmittelbar hervor. Die letzteren beobachtet man wieder häufiger, denn sie fallen mit den eigentlichen Be- fruchtungsstadien zusammen. Fig. 11 und 1le und f Tafel IV stellen solche Stadien dar. Die Chromosomen sitzen an den Enden der nahezu parallel verlaufenden Centralspindelfasern dicht nebeneinander gelagert in Form einer: Kappe. Die Drehung der Spindel aus der tangentialen in die radiäre Stellung ist nun vollendet. Zugleich hat das Eiprotoplasma sich zu einer Kuppe erhoben, der auch die Zona pellueida mit ihrem Contur folgt. Diese Protoplasmakuppe ist gewöhnlich heller als die übrige Eisubstanz, enthält meist nur wenige deutoplasmatische Bestand- theile und fängt bald von den Seiten her an, sich von der Ei- zelle selbst abzuschnüren. In der Mitte der Centralspindel, genau in der Verlängerung der Trennungslinie beider Zellen, ist es zur Bildung von Zwischenkörperchen oder wie man hier wohl sagen kann, Centralspindel-Körperchen gekommen. Dieselben entwickeln sich, wie auch aus einigen mir zur Verfügung stehenden Zwischen- stadien evident hervorgeht, aus den im vorigen Stadium beschrie- benen Verdiekungen der Centralspindelfasern. Sie sitzen im Dyaster- und: Dyspiremstadium als rundliche sehr eireumskripte, intensiv sich färbende Gebilde in der Mitte der Oentralspindelfasern (genau an jeder Faser ein Körperchen). Sie geben der ganzen mitotischen Figur ein charakteristisches Aussehen. Bei schwächeren Vergrösserungen hat es sogar deu Anschein, als hätte man eine Kerntheilungsfigur vor sich, an der Chromosomen an beiden Enden und in der Mitte liegen. An der Stelle der Centralspindel- körperehen sind die Fasern oft wie zusammengeschnürt, siehe Fig. 11/f Tafel IV. Auch ist die Spindelfigur an dieser Stelle oft leicht winklig geknickt. Wenn die Theilungsebene völlig durehschneidet, kommen diese Körperehen (ob immer, muss ich wegen Mangel an geeig- netem Material unentschieden lassen) in das eben gebildete Rich- tungskörperchen zu liegen (Fig. 11 f Tafel IV). Wo sie hier bleiben, kann ich nieht angeben. Die Bildung von so deutlichen Centralspindelkörperchen im Dyaster-Stadium der Riehtungskörper- mitose ist nicht ganz konstant, aber anscheinend doch die Regel. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 49 Fig. 11eund f (Tafel IV) stellen prägnante aber doch nicht seltene Fälle dar. Oft sind die Körperchen kleiner und weniger intensiv gefärbt, immer aber regelmässig angeordnet. In einer Reihe von Fällen fehlen sie anscheinend ganz. Diese zuerst von Flemming beobachteten, dann von verschiedenen Autoren, ins- besondere von Kostanecki beschriebenen Gebilde sind wohl nirgends in so typischer Weise in ihrer Bildung beobachtet worden, wie man es an diesem Objekt kann). Jedenfalls entstehen sie hier sicherlich an den Centralspindel- fasern, nicht an den übrigen Verbindungsfasern, wie neuerdings behauptet worden ist. DerAusgang des oben beschriebenen Pro- zesses ist die Abstossung des Richtungskörperchens; auf dessen fertige Charactere werde ich näher erst am Schluss des Folgen- den eingehen. Der oben beschriebene Vorgang ist bei weitem der häufigste bei der Maus. Nun findet man aber in !/,, der Fälle 2 Rich- tungskörperehen, sehr selten auch 3. Zunächst ist dieses Ver- halten an und für sich ein sehr auffälliges, da die Eier mit einem und die mit zwei Richtungskörperchen absolut nicht in ihrer Entwicklung von einander verschieden sind. (Ich hebe gleich hervor, dass da, wo 2 Richtungskörper zur Erscheinung kommen, dieselben nicht etwa durch Theilung aus dem für gewöhn- lich vorhandenen einen entstanden sind.) Fast überall auch bei allen beobachteten Säugethiereiern mit Ausnahme der Maus (Tafani), eines Fledermauseies (van Beneden) und eines Igeleies (Keibel) sind zwei Richtungskörperchen gefunden worden. Zuerst durch die Untersuchungen Weismann’s und Bloch- mann’s haben wir erfahren, dass zur Befruchtung kommende Eier zwei Richtungskörperchen abstossen, parthenogenetisch sich ent- wickelnde nur eins. Allerdings hat diese Regel Ausnahmen: es sind (auch bei Wirbelthieren) befruchtete Eier mit einem Rich- tungskörperchen beschrieben worden und bei (namentlich fakul- tativ) parthenogenetischen Eiern 2. Insbesondere bei einer Reihe von Wirbelthieren fehlen bis jetzt genauere Untersuchungen über die Zahl der Richtungs- 1) In einem atretischen Follikel der Ratte hat Henneguy (29a) ein ähnliches Stadium ebenfalls mit deutlichen Centralspindelkörperchen beobachtet und abgebildet (Fig. 11 Tafel D. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 4 4 50 J.’S o0:bro.t. bar körperchen. In späteren Stadien der Entwicklung sind sie bei den dotterreichen Eiern wegen ihrer meist minimalen Grösse schwer anfzufinden und anscheinend gehen sie hier auch schnell verloren. Daher sind nur Angaben, welche sich auf die Bildung direkt beziehen, von Werth. Bei der Maus liegen die Verhält- nisse ungemein günstig, denn die Richtungskörper sind gross, grösser als Gewebszellen, nicht so erheblich viel kleiner als das Ei selbst. Die Zahl lässt sich infolge dessen stets auch während der Furchung, so lange die Zona noch intakt ist, mit Sicherheit feststellen und ein Irrthum betreffs der Zahl ist daher ausge- schlossen. Da auch bereits zwei Beobachtungen bei Säugern (ausser der Maus) über ein einziges Richtungskörperchen vorliegen, bei mehreren der überhaupt untersuchten Säugethiereier genaueres über die Zahl der Richtungskörperchen noch gar nicht bekannt ist, so ist es nicht ausgeschlossen, dass die letzteren oder die noch gar nicht untersuchten anderen Säugethiereier, z. B. das der Ratte, auch nur einen Richtungskörper bilden. Ich hatte Anfangs die Vorstellung, dass alle Eier 2 Rich- tungskörper bilden könnten, indess, wenn der Samenfaden schon während der Bildung des ersten in das Ei eindränge, nur eines abgestossen würde. Diese Anschauung ist entschieden nicht richtig. %/,, der Eier bilden nur 1 Richtungskörperehen und sind nicht im Stande, ein zweites zu bilden. Werden sie nicht befruchtet, so gehen sie mit der ersten Riehtungsspindel zu Grunde, ohne dass es überhaupt zur Bildung eines zweiten Richtungskörpers kommt. t/,, der Eier stösst immer 2 Richtungskörper ab; die- selben können nicht während der Abstossung des ersten Rich- tungskörpers befruchtet werden, weil dieser Vorgang schon im Ovarium sich vollzieht. Gehen’' solche Eier im Ovarium oder in der Tube unbefruchtet zu Grunde, so haben sie stets bereits ein fertig gebildetes Richtungskörperchen und besitzen schon die zweite Richtungsspindel. Sie gehen also ebenfalls mit einer Richtungsspindel zu Grunde aber mit der zweiten. Die Erscheinung ist eine höchst eigenthümliche, und alle Versuche, eine Erklärung für dieselbe zu finden, scheiterten bis- her. Ich kann somit nur die nackte Thatsache constatiren. Die Bildung des ersten Riehtungskörperchen bei der relativ geringen Anzahl von Eiern, die überhaupt 2 bilden, vollzieht sich Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 51 stets im Ovarium und zwar in einer etwas anderen Weise als die des einzigen Richtungskörperchen der meisten Eier. Man findet in den Eiern von Follikeln, die der Reife sehr nahe sind, ‘ aber auch in Bezug auf ihre Grösse noch nicht völlig reif er- scheinen, karyokinetische Figuren fast immer im Stadium einer sehr grossen nicht genau im Centrum des Eies, sondern etwas näher der Oberfläche gelegenen tangentialen Spindel. Die be- treffenden Eier haben ihre definitive Grösse bereits erreicht, be- sitzen auch eine vollkommen fertige Zona, dagegen gewöhnlich noch gar keine deutoplasmatische (mit OsO, sich schwärzende) Be- standtheile (Fig. 4a, Taf. II). Die Aequatorialplatte besteht aus unregelmässig geformten, häufig ungleich grossen Chromosomen (Fig. 4 u. 4a, Taf. III). Die letzteren liegen fast ausnahmslos nicht genau im Aequator, sondern locker an den Spindelfäden vertheilt. Sie besitzen häufig eine unregelmässige T- oder V-Form!) und erinnern sehr an die von Born (16) und Fick (23) beschriebenen Chromosomen der Riehtungsspindeln der Amphibien. Die Zahl der Chromosomen ist hier viel leichter festzustellen als an den oben beschriebenen schmalen Richtungsspindeln. Hinderlich ist nur der Umstand, dass die Figur meist auf mehrere Schnitte fällt und die ziemlich grossen sehr unregelmässig gestalteten Chromosomen dann leicht ebenfalls durchsehnitten und doppelt gezählt werden können. In 3 Fällen wurde jedoch hier mit absoluter Sicherheit die Zahl 12 gezählt, in vielen Fällen approximativ 12. Die achromatische Spindel dieser Richtungsmitose ist viel grösser (oft mehr als doppelt so gross) als die der oben beschrie- benen. Sie ist ebenfalls wesentlich eine Centralspindel, die Fasern aber verlaufen wellig und sind anscheinend verzweigt (Fig. 4 und 4a, Taf. III). Sie bilden eine ziemlich bauschige Figur und laufen nach beiden Enden meist ganz scharf zusammen. Indess fehlt auch hier jede Spur von Polkörperchen. Ich glaubte an den scharfen Spindelenden solche vermuthen zu müssen, aber alle Versuche (mir standen über 50 solcher Figuren zur Verfügung) schlugen gänzlich fehl. Ebensowenig existirt eine Polstrahlung. 1) Diese Chromosomenform hat auch Holl anscheinend gesehen und als typische Schleifen gedeutet und abgebildet. 52 J. Sobotta: Die Chromosomen verdoppeln sich gleichfalls durch eine etwas unregelmässige Quertheilung, indem die Schenkel des V seitlich auseinander weichen, aber noch sehr lange durch chro- matische Brücken zusammenhängen. Die eben beschriebene Form der Mitose unterscheidet sich in typischen Fällen (wie in den abgebildeten Figuren 4 und 4a) recht sehr von den oben beschriebenen kleinen Richtungsspindeln. Die Grössendifferenz ist immer eine sehr erhebliche, wenn sie auch oft weniger evident ist wie in den abgebildeten Fällen. Das Stadium der Metakinese und des Dyasters ‚sind wahr- scheinlich bei dieser Figur recht selten. Ich habe sie nur drei- mal gesehen. Anscheinend findet dabei eine Verkleinerung der Figur statt!), jedenfalls auch eine Axendrehung. Auch Zwischen- körper wurden in der Dyasterphase beobachtet. Gleichzeitig bilden sich auch im Eiprotoplasma die Fettkörnchen aus. Dieser Process beginnt wenigstens 24 Stunden, vielleicht auch noch länger, vor dem Follikelsprung, und wenige Stunden oder auch Minuten vor demselben ist das fertige Richtungs- körperchen gebildet. Dieses erste Richtungskörperehen kommt also stets schon im Ovarium (vor Eintritt des Spermatozoon) zur Abstossung. Es stellt eine ziemlich grosse Zelle dar von länglich-ellipsoider, selten mehr runder Gestalt. Sein grösster Durchmesser beträgt 16—17 u, sein kleinster ungefähr 9u. Es ist namentlich in Bezug auf die Protoplasmamenge erheblich grösser als gewöhnliche Gewebs- zellen, sogar mehrfach so gross als die meisten. Es besitzt eine deutliche Zellmembran wie die Eizelle, ein Protoplasma, welches dem des Eies völlig gleicht und selbst, wenn auch nur spärlich, kleine Dotterbestandtheile enthält. Es ist also eine vollkommene sogar gut ausgestattete Zelle, die auch sehr bald nach der Bil- dung einen deutlichen vollentwickelten Kern erhält. Ummittelbar nach Vollendung der Zelltheilung enthält das umgebildete Riehtungskörperchen noch keinen ruhenden Kern, sondern einzelne unregelmässige, häufig zu längeren oder auch einem einzigen langen Faden vereinigte Chromosomen, die inner- halb eines hellen Hofs oder auch durch die ganze Zelle vertheilt 1) Eine Verkleinerung der Richtungsspindel in der Dyasterphase hat auch Boveri (17) bei Ascaris beschrieben. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 53 liegen!). Das hat auch Holl gesehen und, weil er die spätern Stadien anscheinend nicht berücksichtigt hat, nicht erkannt, dass diese Chromosomen später einen vollkommen ruhenden Kern bilden. Er hält daher das ganze abgestossene Richtungskörper- chen für den schon erwähnten „Kernrest“. Merkwürdig, dass der Kernrest selbst auf Holl’s Figur Zellmembran und Proto- plasma hat, je grösser ist also das ganze ehemalige Keimbläschen, von dem er ja nur einen unnützen Theil darstellen soll. Das zuerst gebildete Richtungskörperchen ist mitunter etwas grösser (um höchstens 2—3 u im längsten Durchmesser) als das später gebildete. Die Riehtungskörperchen der Maus sind relativ recht gross. Es besitzen zwar andere Säuger, soweit Maasse vorliegen oder aus den Figuren der Autoren zu entnehmen sind, noch grössere Rich- tungskörper (z. B. 20 u im grössten Durchmesser bei einigen Fleder- mäusen und Hund), indess sind dann auch die Eier doppelt und mehrfach so gross. Die meisten Säugethiereier haben sogar trotz doppelter und dreifacher Grösse kleinere Richtungskörper als die Maus (Igel 11 u). Nach Bildung des ersten Riehtungskörperchens kommt es wie bei allen Thieren nicht zu einem Ruhestadium des Kerns, sondern gleich bildet sich eine tangential oder von Anfang an etwas schräg stehende (Fig. 10d, Taf. IV) zweite Richtungs- spindel. Die Vorgänge an dieser, die Zahl, Form und Anordnung der Chromosomen, die Spindelfasern, die ganze Grösse der Figur und ihre Stellung im Ei geben ein getreues Ebenbild der oben beschriebenen Richtungsmitose des einzigen gewöhnlich zur Er- scheinung kommenden Richtungskörperchen, so dass ich in Bezug auf den Bildungsmodus auf das oben Gesagte verweisen kann?). Diese Uebereinstimmung hat natürlich etwas sehr auffälliges und man wird annehmen können, dass nach dem ganzen Habitus der Mitose ete. das Riehtungskörperehen, welches man bei vielen Eiern allein findet, dem zweiten Richtungskörperchen von Eiern, 1) Auch Fick giebt vom Axolotl an, dass die umgebildeten Richtungskörperchen erst allmählich einen ruhenden Kern erhalten, sich fast absolut genau so verhalten wie die der Maus. 2) Ich brauche wohl nicht erst zu erwähnen, dass die hier mit- getheilten Befunde in eklatanter Weise für dieBütschli-Boveri’sche Hypothese sprechen. 54 J.-S:oibo,thıt a; die überhaupt 2 bilden, homolog ist. Vielleicht ist im erstern Falle die Richtungsmitose des ersten Körperchens verloren ge- gangen und in Resten womöglich noch in früheren Entwicklungs- stadien zu entdecken. Vorläufig kann ich darüber keinen Auf- schluss geben. Das erstgebildete von 2 Richtungskörperchen kann sich nun auch noch theilen, wie das auch sonst beobachtet ist. Die Zahl der Richtungskörperchen schwankt also auch bei der Maus zwi- schen 1 und3. Fälle von 3 Riehtungskörperchen wurden zweimal bei der weissen Maus gesehen und zwar einmal im zweizelligen, einmal im vierzelligen Furchungsstadium. Die Theilung selbst wurde einmal bei der oben erwähnten grauen Maus beobachtet. Leider waren die Theile nicht völlig lebenswarm, sondern erst kurze Zeit nach dem Tode in die Konservirungsflüssigkeit ge- kommen und den interessanten Befund könnte man vielleicht deswegen (wenn auch wohl völlig mit Unrecht) anzweifeln. Die Theilung erfolgt nämlich mittelst Mitose und die Chromosomen der Mitose — es wurde ein Dyasterstadium mit beginnender Abschnürung beobachtet — sind ziemlich lange Schleifen, keine kurzen Stäbehen wie bei der Richtungsmitose. Die Riehtungskörperchen sind nicht blos wohl ausgebildete Zellen, sondern sogar reife Geschlechtszellen mit reduzirter Chro- mosomenzahl. Ich halte es durchaus nicht für ausgeschlossen, dass auch mal ein Riehtungskörperchen befruchtet wird!). Leider habe ich das nie beobachten können. Der eben beschriebene Abschnitt dieser Untersuchungen weicht in mancherlei Beziehungen von den bei anderen Thieren gemachten Erfahrungen ab, in vielen Punkten aber bestätigt er allbekanntes und kann vielleicht zur Bekräftigung der an früheren Objekten gewonnenen Anschauungen dienen. Ueber das auffällige Verhalten der Richtungskörperchen betreffs ihrer Zahl ist oben bereits gesprochen worden. Tafani hat bei der Maus in */, der Fälle einen, in !/, der Fälle 2 Rich- tungskörper gefunden. Einen Unterschied in der Bildung hat er nicht beobachtet, die Bildung des ersten Richtungskörpers im 1) Es kann sich natürlich dann bei Annahme einer einmaligen Begattung nur um ein erstes Richtungskörperehen handeln, da beim Eintritt der Spermatozoen dieses allein fertig gebildet ist. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. BB) Ovarium anscheinend überhaupt nicht gesehen. Auch von der in der Tube ablaufenden Riehtungsmitose haben ihm anscheinend nur spärliche, nicht sehr charakteristische Präparate vorgelegen. Von den Erscheinungen, die mit den bei anderen Eiern be- schriebenen harmoniren, habe ich einige Punkte betreffs der Chro- mosomenform ete. bereits hervorgehoben. Sehr typisch ist ferner, wie konstant sich die ursprünglich tangentiale Lage der Rich- tungsspindel und ihre Achsendrehung verhält. Ausdrücklich ge- würdigt worden sind diese Verhältnisse wohl zuerst von Weis- mann und Isehikawa bei Copepoden, besonders von O. Schultze (40) und Fick (23) beim Axolotl. Boveri (17) findet tangen- tiale Richtungsspindeln bei Ascaris nur selten. Neuerdings hat Brauer (21) wieder bei Artemia darauf aufmerksam gemacht. Auch Blane (13) beschreibt den Vorgang bei der zweiten Richtungsspindel der Forelle. Ich glaube, die Erscheinung dürfte sich überall finden, nur hat ein Theil der Autoren hierauf kein Gewicht gelegt, ein anderer Theil derselben stellt die Verhältnisse mehr oder weniger deutlich erkennbar in den Abbildungen scheinbar unbewusst dar. Die Deutung des Prozesses ist versucht, aber bisher kaum geglückt. Brauer scheint an seiner wenig einleuchtenden mecha- nischen Erklärung in seiner neuen Arbeit über Artemia nicht mehr festzuhalten, zumal er jetzt bereits im Ovarium tangential und radiär stehende Spindeln findet. Mit der Erklärung von OÖ. Schultze kann ich mich ebenso wenig einverstanden er- klären wie Fick (23, p. 597), zumal sie auf das dotterarme Ei der Maus keine Anwendung finden kann. Auch Fick’s Er- klärungsversuch befriedigt mich nicht. Ich habe mir die Sache immer etwas anders vorgestellt. Wir müssen annehmen und thun das jetzt auch meist, dass die Richtungskörpermitosen echte Zell- theilungsvorgänge sind. Ein solcher liefert im allgemeinen gleich- grosse Kern- und Zellprodukte. Bei der Richtungsmitose, nament- lieh dotterreicher Eier, tritt nun zwar eine Kernhalbirung ein, aber eine sehr ungleiche Theilung der Eizelle, weil das Rich- tungskörperchen im allgemeinen nicht dazu bestimmt ist, be- fruchtet zu werden und sich zu entwickeln. Bei einem ideellen, sehr kleinen und völlig dotterfreien Ei könnte man sich vor- stellen, dass die Richtungsmitose noch gleiche Theilstücke liefere. Bilden ja doch die dotterarmen Eier der Maus Richtungskörper, 56 I. So bootet: die in keinem grossen Missverhältniss zur Eizelle stehen. Die Richtungsspindel müsste dann im Centrum des Eies liegen !). Das thut sie nun bei der Maus von Anfang an nicht mehr, son- dern bei den grossen ersten Richtungsmitosen liegt sie bereits excentrisch, bei der zweiten ganz nahe der Eioberfläche. Es hat also den Anschein, als ob die Spindel allmählich aus einer cen- tralen Lage in eine immer mehr peripherische rücke und sich dabei parallel zur Tangente der Eikugel verschiebe. Dadurch wird es erreicht, dass es nicht zu einer gleichen, sondern zu einer ungleichen Theilung des Eiprotoplasmas kommt. Man kann gegen diese Anschauung einwenden, dass es viel einfacher wäre, wenn die ursprünglich central gelegene Spindel mit ihrer Achse im Eiradius gegen die Peripherie rücke. Da- gegen sprechen indess, so scheint es mir, die oben angeführten Thatsachen ?), und zweitens scheint es, als ob auf diese schein- bar einfachste Weis& doch eine ungleiche Theilung nicht so leicht erzielt werden kann, als wenn die Spindel an der Eioberfläche liegt und zunächst nur die in ihrer Achse gelegenen geringen Mengen Eiprotoplasmas beeinflusst. Erfolgt nun langsam eine Drehung, so wird sich auf der einen Seite — da wo das Rich- tungskörperchen sich bildet — der Einfluss der Spindel auf eine grössere Menge Protoplasmas nicht mehr erstrecken können, d.h. es wird sich an diesem Spindelpol ein nur kleines Zelltheilungs- produkt bilden. An dem andern Pole der Spindel aber erstreckt sich nun bei der Achsendrehung der Einfluss allmählig auf die ganze Zelle. Von weiterer Uebereinstimmung in der Bildung der Rich- tungskörper bei der Maus mit anderen Objekten sei hier zunächst nochmals auf das vollständige Fehlen eines Centrosoma und einer Polstrahlung hingewiesen. Dieselben hat zuerst wohl Boveri (19) bei Ascaris ausdrücklich vermisst, dann bei Sagitta und anderen von ihm untersuchten Wirbellosen. Zugleich mit Boveri hat Vejdowsky (48) bei Rynchhelmis das Fehlen der Centro- somen ausdrücklich konstatirt. Dasselbe haben fast alle späteren Autoren (z. B. auch Henking bei Insekteneiern) gethan, insbe- 1) Thatsächlich sind von Häcker (27) bei 2 Cyelopsarten im Centrum des Eies gelegene Richtungsspindeln beobachtet worden. 2) Bei Cyclopiden stellt sich ja die ursprünglich centrale Spindel später auch tangential unter die Eioberfläche. Die Befruchtung und Furchung des Eies des Maus. 97 sondere wieder Fiek beim Axolotl und Brauer bei Artemia. Bei einem grossen Theil der Autoren fehlen die Gebilde in den Abbildungen, so bei Henneguy (29a), Born (16), eigentlich auch bei Herfort (30), Böhm (14), Holl!) (31), [Flemming (24) und Schottländer (38)]. Blane (13) bildet zwar an dem- selben Objekt wie Böhm Pohlstrahlungen ab, indess doch keine eigentlichen Centrosomen. Sehr deutliche Centrosomen wie Strah- lungen dagegen fand Platner bei der ersten Richtungsspindel von Aulastomum. Fick beobachtete Anheftung des einen Pols der Riehtungs- spindel an die Eimembran beim Axolotl. Auch ich habe das bei einer schräg stehenden zweiten Richtungsspindel der Maus zu beobachten Gelegenheit gehabt. Die Spindelfasern bewirkten eine deutliche Einziehung der Eimembran. Die zweite Richtungs- spindel ist auch beim Axolote bedeutend schlanker als die erste und dadurch von dieser zu unterscheiden. Die Bildung so deutlicher Centralspindelkörperchen wie bei den Richtungsspindem der Maus dürfte wohl bei keinem Ei beobachtet sein. - Fick giebt an, dass bei der zweiten Rich- tungsspindel des Axolotl eime Andeutung einer Zellplatte vor- komme. Da die Centralspindelkörperchen wohl mit Recht als Rest einer solehen aufgefasst werden, so liegt auch hier wohl eine Analogie vor. Ueber die, weiteren Schicksale der Richtungskörperchen wird unten berichtet werden. VIII. Das Schicksal der Eier in ungeplatzten Follikeln und die Follikel-Atresie. Es ist seit langem bekannt, dass im Ovarium aller Wirbel- thiere Eier in verschiedenen Stadien der Reifung zu Grunde gehen. Eine zusammenfassende Darstellung darüber gibt G.Ruge. Flemming (24) fand 1880 beim Kaninchen eine neue Art der Degeneration von Eiern in reifen nicht geplatzten Follikeln unter Bildung von Richtungsfiguren. Flemming suchte im Ova- rium nach den mitotischen Figuren, welche zur Bildung der 1) Die runden glänzenden Körper, welche Holl einmal an dem Pol einer Richtungsspindel gesehen hat, sind für Centrosomen viel zu gross und dürften mit den oben beschriebenen Dotterschollen iden- tisch sein. 58 Jd. Sobott2: Richtungskörper führen, anscheinend angeregt durch die Be- schreibung dieses Vorgangs bei Ascaris durch van Beneden. Er fand Follikel verschiedener Grösse, darunter auch ganz grosse (von der Grösse reifer) mit starker ehromatolytischer Veränderung des Epithels. In den Eiern fand er Richtungsspindeln, zum Theil auch schon abgestossene Richtungskörper. Richtungskörper und Richtungsspindeln scheinen weit weniger deutlich zu sein als bei der Maus und dementspreehend stehen die Bilder Flemming's denen an Schönheit erheblich nach, welehe man bei meinem Unter- suchungsobjeet erhält. Im Allgemeinen halte ich Flemming’s Betrachtungen für richtig, nur die Eier, an denen er Anklänge an die „-Figur van Beneden’s zu erkennen glaubt, scheinen mir künstlieh verändert zu sein, wenigstens findet man derartiges bei der Maus nicht. Auf Veranlassung Flemming’s dehnte 1889 Schott- länder (38) die Untersuchungen über die Follikelatresie auch auf andere Säuger aus. Er fand bei der Maus 2 atretische er- heblich geschrumpfte Follikel mit starker Chromatolyse und deut- lichen Richtungsspindeln. In einer weiteren Arbeit setzt Schottländer 39 seine Untersuchungen fort. Er kommt im Gegensatz zu seinen früheren Angaben zu der Anschauung, dass die Chromatolyse im Epithel des Follikels normal sei, vor der Reifung sich finde und zur Bil- dung des Liquor follieuli beitrage. Dieser Anschauung schliesst sich Holl an. Er hält des- wegen auch die von Flemming beobachteten grossen Follikel mit der starken Chromatolyse und den Richtungsspindeln für ganz normale. Die Riehtungskörper Flemming'’s hält er für seinen „emporgerückten Kernrest“. Holl hat indess auch grosse Follikel ohne jede Spur von Chromatolyse gesehen und nimmt an, dass dieselbe bald intensiver, bald weniger intensiv, bald gar nicht auftrete. Im letzten Jahr hat Henneguy (29a) dieselben und ähn- liche Fragen insbesondere bei der Ratte, aber auch bei andern Säugern studirt. Er findet in zahlreichen Fällen Richtungsspindeln in zu Grunde gehenden Follikeln, auch bereits abgestossene Rich- tungskörperehen. Mit diesen Abschnitten der Arbeit Henneguy’s kann ich mich vollständig einverstanden erklären, soweit sie über- haupt für diese Mittheilungen in Betracht kommen. Höchst merk- Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 59 würdig erscheint mir nur die Darstellung der Eiprotoplasmastruk- tur bei der Ratte. Ganz irrig ist die Auffassung einer partheno- genetischen Segmentation der degenerirenden Ovarialeier. Als solche deutet Henneguy den in späteren Stadien der Dege- neration eintretenden Zerfall der Eizelle. Das Ei der Maus fureht sich nie, wenn es nicht befruchtet wird, auch nicht ein- mal in der Tube (s. u. p. 86) an dem normalen Ort seiner Ent- wieklung, geschweige denn im Ovarium. Das gleiche ist sicher- lich auch bei der Ratte der Fall. Die bisherigen diesen Gegenstand betreffenden Untersuchun- gen haben eigentlich alle nicht zu einem sichern Resultat be- treffs der Follikelatresie geführt und nicht führen können. Schott- länder insbesondere hat nach Charakteren atretischer Follikel gesucht, ohne zu einer bestimmten Ansicht gelangt zu sein resp. hat er seine früheren Ansichten neuerdings geändert. In der That, dem Follikel anzusehen ob derselbe noch platzen will oder nicht, ist schwer, ja unmöglich. Ebenso wenig giebt es ein ab- solut sicheres Kriterium an den Follikeln, ob dieselben normal oder atretisch sind. Der einzige Weg, diese Frage zu entscheiden, ist der, dass man, wenn man einen Follikel trifft, von dem man vermuthet, er sei atre- tisch !), versucht, das Schicksal der Eier zu bestimmen, welche aus den übrigen zur selben Zeit gereiften Follikeln stammen. Ich bin der Angelegenheit in dieser Fragestellung ursprünglich nicht nachgegangen, sondern ich bin durch die Verhältnisse selbst auf diesen Punkt gebracht worden. Ich will die Darstellung des Vorgangs hier so geben, wie sie sich nach meinen Untersuchungen wenigstens für die Maus als einzig richtig gezeigt hat. Ich glaube ein Material in den Händen zu haben, mit dem ich im stande bin, diese Fragen zu entscheiden; ein Material, das allen Vor- untersuchern gefehlt hat. In einer grossen Reihe von Fällen platzen bei der Ovula- tion nicht alle Follikel, sondern in einem oder auch beiden Ovarien bleibt einer der reif gewordenen Follikel ungeplatzt. Der Grund, warum der Follikel nicht zum Platzen kommt, ist, soweit ich er- 1) Die Vermuthung stützt sich darauf, dass es der einzige Fol- likel im Ovarium ist, welcher sich im Zustand der Reife befindet und zweitens, dass ausser ihm geplatzte Follikel vorhanden sind. 60 J. Sobotta: sehen kann, immer der, dass er nicht unmittelbar unter der Ober- fläche des Ovariums zur Reifung kommt, sondern mehr oder weniger in der Tiefe des Organs, so dass es thatsächlich bei noch so praller Füllung. mit Follikelflüssigkeit nicht zum Bersten der Wand kommen kann. Während die meisten Eier sich nun ' sehon in der Tube befinden, ist das Schwesterei im Ovarium ge- blieben. Dieses im Eierstock zurückgebliebene Ei macht nun aber dieselben Veränderungen durch wie die Tubeneier, d.h. es bildet eine Richtungsspindel. Handelt es sich um Fälle, wo zwei Richtungskörper abgestossen werden, so hatte auch das Ei des Follikels, der später nicht zum Platzen kommt, seinen ersten Rich- tungskörper bereits abgestossen, ebenso wie die an der Eier der Fol- likel, welehe zum Bersten gekommen sind. Die Eier der letzteren zeigen in der Tube die zweite Riehtungsspindel und ebenso das Ei des atretischen Follikels. Weitere Entwieklungsstadien durch- laufen die Eizellen soleher Follikel nicht. Wenn die Schwester- eier in der Tube befruchtet werden und sich furchen, bleibt das Ei im Ovarium mit der Richtungspindel unverändert und geht mit dieser zu Grunde. Der atretische Follikel unterscheidet sich vom sprung- reifen Follikel zunächst nur dadurch, dass er, wie gesagt, mehr oder weniger weit von der Oberfläche des Ovariums entfernt liegt. Aus demselben Grunde kommt es auch natürlich meist nicht zur einseitigen Verdiekung und anderseitigen Verdünnung der Granu- losa. Dieselbe stellt vielmehr gewöhnlich eine ringsum ungefähr gleich dieke Membran dar (Fig. 2 Taf. III). Sind die übrigen Follikel geborsten, so findet man den Liquor follieuli in artretischen Follikeln immer körnig!) geronnen, während er in den sprung- reifen Follikeln (anscheinend immer) fadenförmig conservirt wird (vergl. Fig. 1 mit Fig. 2 auf Taf. III). Das Ei wurde in atre- tischen Follikeln, die sich 1 bis 24 Stunden nach der Ovulation befanden, meist frei im Liquor schwimmend gefunden (s. Fig. 2 Taf. II); sonst zeigt der atretische Follikel 24 Stunden nach 1) Auch in Follikeln mittleren Alters und in älteren noch nicht sprungreifen wird die Follikelflüssigkeit nach der Conservirung als körniges Gerinnsel getroffen; indess sind die Körnchen in diesem Sta- dium ausserordentlich fein und von den grobkörnigen Gerinnseln atre- tischer Follikel sehr verschieden. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 6 der Ovulation (oder auch noch länger) keine weiteren Verän- derungen. Von Flemming ist Chromatolyse des Follikelepithels für charakteristisch bei der Atresie gehalten worden. Auch Schott- länder hat dies bei seiner ersten Arbeit angenommen, während er neuerdings und mit ihm Holl denselben Vorgang für normal hält und denselben für die Bildung des Liquors follieuli verant- wortlich macht. Ich habe über 50 atretische Follikel in den ersten Stadien (denn diese berücksichtige ich ja hier nur allein) gesehen, da- runter auch einen von der schon erwähnten grauen Maus. Der letztere war ca. 12 Stunden atretisch, zeigte noch keine Spur von Chromatolyse, ja noch zahlreiche Mitosen im Epithel. Selbst nach 24—48 stündiger Dauer der Atresie findet man die Chroma- tolyse oft noch gar nieht oder erst in Spuren. Bei normalen sprungreifen Follikeln habe ich Chromatolyse nie beob- achtet. Dagegen findet man bei halbreifen Follikeln mitunter runde Körner (m geringer Anzahl), die sich mit gewissen Kernfarb- stoffen, z. B. Saffranin, intensiv färben, mit andern, z. B. Eisen- hämatoxylin fast gar nicht. Diese Gebilde halte ich nieht für Produkte der Chromatolyse, sie finden sich auch dann, wenn die stärkste Liquorbildung vor sich geht, fast gar nicht mehr!). Die betreffenden Gebilde sind den Graaf’schen Follikeln nicht eigen, sie finden sich z. B. auch im Hoden der Säugethiere, wo sie neben Fettkörnern in den Spermatoblasten vorkommen und von v. Ebner wohl zuerst beschrieben worden sind. Sie sind z. B. constant in schnell wachsenden Geschwülsten wie Carei- nomen zu finden, wo man sie für Parasiten gehalten hat. Es sind amorphe Substanzen, die als Nährmaterial dienen. Nach meiner Ansicht findet eine wirkliche Chromatolyse an normalen Follikeln nicht statt, vor allem aber trägt sie nicht zur” Bildung“des Liquors follieuli bei. Schottländer nimmt einmal an, dass vor der Reifung des Follikels die Chromatolyse Follikelflüssigkeit erzeugen solle, und ein anderes Mal, dass bei 1) Man findet auch in halbreiferen und kleineren Follikeln mit unreifen Eiern wirkliche Chromatolyse (oft sogar in erheblichem Maasse). Solche Follikel, die übrigens nicht sehr häufig sind, kann ich nicht für normale halten. 62 J.Sob'ottLa: atretischen Follikeln derselbe Vorgang den Schwund des Epithels herbeiführt. Das letztere kann ich bestätigen: ich sehe aber nicht ein, wieso beim atretischen Follikel nicht auch durch die Chromatolyse eine Liquorbildung hervorgerufen werden müsste, wenn das vor der Reifung des Follikels geschieht. Gerade an atretischen Follikeln kommt es ja (trotz der Chromatolyse) zur allmählichen Resorption der Flüssigkeit. Da Holl angiebt, dass die Follikel, an denen er seine Untersuchungen machte, bald starke, bald gar keine Chromatolyse zeigten, so darf ich wohl annehmen, dass dieselben theils normale, theils atretische gewesen sind. Hol] begeht ausserdem noch einen entschiedenen Irrthum bei dieser Gelegenheit. Wenn nämlich die Atresie fortschreitet, kommt es zum völligen“ Schwund des Liquor follieuli und des Epithels und das Ei liegt nun nackt im Stroma Ovarii. Es enthält immer noch seine Richtungsspindel, deren achromatische Theile sich lange halten, während die Chromosomen mehr oder weniger zer- fallen. Solche Bilder erhält man fast bei jeder Maus, die mehr- mals ovulirthat. Holl hält nun diese aus zu Grunde gegangenen Follikeln übrig gebliebenen Eizellen für normal entwickelte und gereifte Eier, um die sich (aus Versehen) kein Follikel ge- bildet hat. Weiter soll in dieser Arbeit namentlich auf die späteren Stadien der Follikelatresie nicht eingegangen werden. IX. Das Eindringen der Spermatozoen ins Ei und die Bildung der Vorkerne. | Wie oben schon angegeben, treten von den Spermatozoen, welche nach der Begattung zu Millionen sich im Uterus finden, nur wenige wahrscheinlich einzeln in die Tube zu den Eiern. Sie treffen die letzteren von einem mehr oder weniger dichten Diseus proligerus umgeben, den sie wahrscheinlich ohne weiteres durchsetzen. Ich habe nie ein Spermatozoon innerhalb des Discus gesehen. An jedes Ei tritt wahrscheinlich überhaupt nur Ein Samen- faden heran ; denn unmittelbar nach oder sogar beim Eintritt eines solchen ist in weiter Umgebung kein zweiter zu entdecken. Bei allen andern Säugethieren sind grosse Mengen von Sper- matozoen während und nach der Befruchtung theils in der Zona, be- sonders aber zwischen Zona und Ei beobachtet worden. Nur die Eier einiger Chiropteren scheinen sich ähnlich wie die der Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 63 Maus zu verhalten. Das stimmt auch vollkommen mit der An- gabe Benecke’s, dass während der Uterus voller Spermatozoen ist, die Tube leer gefunden wird. Das Eindringen der Spermatozoen ist ungemein schwer bei der Maus zu beobachten. Das einzige, was ich in diesem Punkte beibringen kayn, ist in Fig. 11 a, Taf. IV abgebildet. Es er- folgt das ungefähr 6—10 Stunden nach der Begattung'). Um diese Zeit ist die grösste Menge der Spermatozoen im Uterus bereits bewegungslos. Der Samenfaden durchsetzt mit dem Kopf die unverletzte Zona pellueida; der Schwanzfaden erscheint in Fig. 11 a stark gekrümmt und zugleich auffällig dick. Der Kopf war, wie auch auf der ganz naturgetreuen Figur zu sehen ist, in dem Präparat in Seitenansicht und verdeckte anscheinend das Mittelstück. Das vordere Kopfende steckte bereits im Eiprotoplasma. Das nächste beobachtete Stadium zeigt Fig. 115, Taf. IV. Der Samenfadenkopf befindet sich im Eiprotoplasma mitsammt einem Theil des Schwanzfadens ; mitten in der Zona war der letztere unterbrochen; der ausserhalb derselben sitzende grösste Theil desselben ist stark zusammengeklumpt. Der im Eiproto- plasma steckende Kopf ist bereits etwas aufgequollen. Beide Stadien wurden nur je einmal beobachtet; in beiden war von einem Empfängnisshügel nichts zu sehen. Im ersten Falle schien der Samenfaden die Zona genau senkrecht, im letzten etwas schräg durchsetzt zu haben. In den nun folgenden Stadien, bei weitem den häufigsten, die zur Beobachtung kommen, findet man den Spermatozoenkopf stark aufgequollen, er erinnert aber durch seine längliche, an einem Ende zugespitzte Gestalt immer noch an die ursprüngliche Form. Er färbt sich intensiv und scheint eine reine Chromatin- masse darzustellen. Immer liegt er in einem ziemlich grossen, hellen Hof. Vom Schwanzfaden ist in diesem Stadium nichts mehr zu sehen. Man trifft jetzt den Spermatozoenkopf stets mit seiner Längsachse parallel oder schräg zur Eioberfläche, nie radiär, 1) Die Zeit ist eine sehr wechselnde, weil die Begattung erfolgen kann, wenn die Follikel noch ungeplatzt oder eben erst geplatzt sind, und auch wenn die Eier sich bereits in der Tube befinden, 64 J. Sobotta: wie man es vermuthen sollte. Ob der Samenfaden nun auch in schräger oder tangentialer Richtung die Zona durchsetzt, weiss ich nieht anzugeben. Die einzigen beiden Präparate, welche ich beobachtete und oben beschrieb, zeigten allerdings das entgegen- gesetzte Verhalten. Indess bei einem so kleinen Material können Zufälligkeiten eime grosse Rolle spielen, so dass ich es nicht wage, Schlüsse daraus zu ziehen. Ich lasse die "Frage also un- entschieden, glaube aber, dass die Wahrheit in der Mitte liegt und dass der Samenfaden die Zona meist schräg durchsetzt. Die Samenfadenköpfe im aufgequollenen Zustand, wie man sie gewöhnlich findet, liegen in selteneren Fällen direckt unter der Zona ohne Erhebung des Protoplasmas. Meist findet man einen mehr (Fig. 11d, Taf. IV) oder weniger (Fig. 11, Taf. IV) starken Buckel. Ob man dabei an einen Empfängnisshügel denken soll, ist zweifelhaft. In den beiden Stadien, in denen eben ein- gedrungene Spermatozoen beobachtet wurden, fand sich keine Erhebung. Die beiden Fälle beweisen allerdings nichts, sie können eben Ausnahmefälle sein. Indess kann man auch der Vorstellung Raum geben, dass der Hügel durch Quellung des Spermatozoen- kopfes sekundär entsteht. In das Eiprotoplasma dringt also im Wesentlichen der Kopf des Spermatozoon ein, der Schwanzfaden geht wohl zum grössten Theil oder auch ganz verloren. Der Kopf quillt schnell auf und ist dann sofort von einem hellen Hof umgeben. Von dem Verbleibe des Mittelstücks weiss ich nichts zu sagen. In dem Hof um den Spermatozoenkopf findet man nach einer ge- wissen Zeit deutlich ein punktförmiges rundes, ziemlich intensiv sich färbendes Gebilde, das sich in Bezug auf Färbung wie ein Centrosoma verhält (Fig. 12 a, Taf. IV). Eine eigentliche Strah- Inng habe ich von demselben nie ausgehen sehen. Indess wurde ein noch eharakteristischerer Fall als der in Fig. 12 a abgebildete beobachtet. Er eignete sich wegen ungünstiger Schnittführung zur Darstellung sehr wenig. Der Kopf war länglich rund, zeigte bereits (bei Anwendung ganz starker Vergrösserungen) einige wenige intensiv gefärbte Partien und lag an dem einen Ende eines hellen ovoiden Feldes. Am andern Ende desselben lag ein sehr deutliches Centrosoma ; zwischen beiden schienen äusserst feine Fäden zu verlaufen. Der Spermatozoenkopf war gegen ne u Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 65 das Centrum des Eies gekehrt, das Centrosoma gegen die Peri- pherie. - Woher das Centrosoma stammt, habe ich nicht direet beob- achten können ; daaber Fick in so schöner Weise den Ursprung des Centrosoms vom Mittelstück des zu diesen Untersuchungen ungleich viel günstigeren Axolot1-Spermatozoons nachgewiesen hat, darf ich wohl annehmen, dass das Centrosoma auch bei der Maus gleichen Ursprungs ist. Vielleicht ist der helle Hof mit der Strahlung als Archiplasma zu deuten. Wenn die Spermatozoen an das Ei herantreten, liegt das- selbe, wie oben angegeben, in dem erweiterten Tubenabschnitt. An den Richtungsspindeln hat die Quertheilung der Chromosomen stattgefunden, oft beginnt auch schon die Metakinese, und die Richtungsspindel steht leicht schräg. Gleich nach dem Eintreten des Spermatozoon bildet sich die Dyasterphase. Das Ei scheint also lange mit tangential stehender Spindel zu verharren, dann sehr plötzlich in die Metakinese und die Dyasterphase überzu- gehen. Deswegen beobachtet man auch so selten die Zwischen- stadien. 4 Zeigt das Ei die zweite Richtungsspindel, so verhält es sich genau so, wie wenn es die einzige wäre. In die Eier, denen die Fig. 11 eund f entnommen sind, war ebenfalls bereits ein Samenfadenkopf eingedrungen. Ungefähr zu der Zeit, wo der Samenfadenkopf stark aufge- quollen ist und oft schon leichte Differenzen in seiner Färb- barkeit zeigt, kommt es zur völligen Abschnürung des Richtungs- körpers (event. des zweiten). Derselbe liegt dann dem Ei dicht an, in einer kleinen Delle desselben, wölbt die Zona kugelig vor und enthält die Hälfte der Chromosomen der Richtungsspindel, die sich, wie oben schon angegeben, jetzt noch nicht sogleich zum ruhenden Kern sammeln. Unter dem so abgestossenen Richtungskörper liegt (Fig. 12 a, Taf. IV) die andere Hälfte der Chromosomen der Richtungsspindel in Gestalt eines diehten chro- matischen Kranzes, meist mit undeutlichen Resten der ehemaligen Spindel. An Menge ist die Chromatinmasse ungefähr gleich der des Spermatozoenkopfes. Nun kommt es zur Bildung der Vorkerne, und zwar anschei- nend recht schnell. Fig. 13 und 13 a auf Taf. IV zeigen das nur wenige Male beobachtete folgende Stadium: Dicht unter der Ei- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 5 66 3. 'Sobotta: peripherie liegt ein kleiner, dicht unter dem Richtungskörperchen ein grösserer Kern. Beide sind auf dem Querschnitt rund, in ‘ihrer Textur ungemein ähnlich. Sie enthalten sehr dichtes Chro- 'matin (bei schwachen Vergrösserungen erscheinen sie als dunkle Flecke), das zu unregelmässig dieken Strängen mit leicht knoten- artigen Verdiekungen angeordnet ist. Am besten illustrirt das Verhalten die Fig. 13a. Das ÜOentrosoma des Spermatozoen- kopfes ist jetzt nicht mehr zu entdecken, anscheinend ist das- selbe in die Bildung des Spermakerns spurlos aufgegangen und ‘entzieht sich so der Beobachtung. Das Riehtungskörperchen hat allmählich aus seinen Chromo- somen einen ellipsoiden oder auch runden Kern gebildet. Der- ‚selbe zeigt seltener distinkte Kernkörperchen im Centrum, meist starke Chromatinanhäufung an der Kernmembran und im Innern srösstentheils nur Kernsaft. Das Eindringen des Spermatozoon und die Veränderungen, die dasselbe im Ei erleidet, sind bei Säugethieren anscheinend sehr schwer zu beobachten. Viel geeigneter sind hier andere Eier wegen der erheblich grösseren und deutlicheren Structurver- 'hältnisse der Samenfäden. Von Wirbelthiereiern sind auf diesen Punkt hin wohl am genauesten die Neunaugen von Böhm und der Axolotlvon Fick untersucht worden. Bei Säugethieren haben viele Untersucher todte Spermatozoen zwischen Zona und Ei während der ganzen Furchung, ja zum Theil noch später ge- sehen (Kaninchen, Meerschweinchen, Maulwurf, Opossum, eimige Fledermäuse u.a... van Beneden nahm an, dass mehrere Spermatozoen mit der oberflächlichen Eischicht verschmelzen, Hensen sah lebende Samenfäden beim Meerschweinchen innerhalb der Zona, wirklich in der Eisubstanz hat er wohl kaum einen gesehen. Der einzige, der einige der oben angegebenen Stadien kurz und im wesentlichen richtig beschreibt, itTafani gewesen. Nach Hensen erfolgt beim Meerschwein das Ein- dringen der Spermatozoen 13 Stunden post ’coitum. (Um die- selbe Zeit fand Rein aber bereits Vorkerne zum Theil schon in Conjugation.) Bei der Maus erfolgt das Eindringen von Samenfäden 6—10 Stunden nach der Begattung, die Pronuclei sind ungefähr 1 Stunde später fertig gebildet. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 67 X. Weitere Schicksale der Vorkerne. Alsbald entwickelt sich nun aus den kleinen oben beschrie- benen Vorkernen ein Stadium, in welchem dieselben ein höchst charakteristisches Aussehen zeigen und das sehr oft zur Beob- achtung kommt. Es wurde an mehr als 200 Eiern gesehen. Die gesammte Chromatinmasse vertheilt sich nämlich nun auf die Nucleolen. Der männliche Vorkern hat stets nur einen grossen kugeligen Nucleolus, der weibliche entweder auch nur einen (Fig. 15 a) oder (Fig 15, Taf. V), was häufiger ist, mehrere entsprechend kleinere bis zu einem Dutzend ungefähr. Die enorm grossen, anscheinend genau kugeligen Kernkörperchen lassen auch bei den stärksten Vergrösserungen keine Structur erkennen und bestehen aus reinem Chromatin. Der ganze übrige Kern repräsentirt nur ein achromatisches Kerngerüst, das ein sehr dichtes Netzwerk bildet. Selbst die Kernmembran scheint rein achromatisch zu sein. Beide Kerne, Ei- wie Spermakern, sind nun um das Mehr- fache ihres ursprünglichen Volumens gewachsen, wie das z. B. auch beim Axolotl der Fall ist. Der Eikern ist jetzt noch erheblich grösser als der Spermakern. Die Masse des Chromatins ist gegen das vorige Stadium ausserordentlich vermehrt. Während die Vorkerne sich bilden, kommt es ganz all- mählich zur Contraction des erweiterten Tu ben abschnittes, und derselbe nimmt nach und nach seine gewöhnliche Weite wieder an. Zugleich werden die Eier, die ihren Diseus meist schon ganz !) verloren haben, durch die Peristaltik der Tube weiter befördert. Nunmehr beginnt an den Vorkernen eine allmähliche Ver- theilung des in den Nucleolen angehäuften Chromatins auf den übrigen Kern. Die Nucleolen fangen an sich heller zu färben, während sich auf den achromatischen Gerüststrängen Chromatin- theile in feinster, unregelmässiger Form vertheilen. Es kommt mehr und mehr zur Bildung von Vaeuolen ?) in den Kernkörpern 1) In einigen Fällen wurde auch nach Bildung der Vorkerne das Ei von einem vollständigen Discus proligerus umgeben gefunden ; indess sind das Ausnahmefälle. 2) Holl nennt die Vacuolen des Keimbläschens Schrön’'sche Körner, weil die Gebilde nicht Vaeuolen im strengen Sinne des Wortes, 68 J. Sobotta: und damit zu einer vollständig gleichmässigen Vertheilung der chromatischen Substanz auf den ganzen Kerm. Die Nucleolen sind dann schliesslich vollständig mit Kernsaft erfüllt und nur ihre Conturen sind noch auf dem Querschnitt als etwas unregelmässige ehromatische Ringe übrig geblieben. Die Kerne erreichen alsdann eine Gestalt und Grösse wie in Figur 15. Allmählich wird die Kernmembran unregelmässig und es kommt zu einem Stadium, wie es Figur 15a zeigt. Das Chromatin ist in allerfeinsten Flocken auf dem ganzen achromatischen Kerngerüst vertheilt. Wenn die Vorkerne soeben gebildet sind, liegt der Sperma- kern (Pronueleus peripherique van Benedens) stets nahe der Eioberfläche, der andere stets nahe dem abgestossenen Richtungs- körper.: Bald aber geben sie diese Lagebeziehungen auf und rücken mehr ins Centrum des Eies. Im Stadium der grossen Nucleolen sind sie durch ungleiche Grösse noch 'zu unterscheiden. Allmählich wächst nun der Spermakern und wird ebenso gross wie der Eikern (Fig. 15, Tafel IV). Sie lassen sich jetzt fast immer noch durch die Reste der ehemaligen Nucleolen unterscheiden, indem der Eikern (Fig. 15a, Tafel IV) mehrere, der Sperma- kern nur einen enthält; dann folgt ein höchst interessantes Entwieklungsstadium, in dem die Unterscheidung beider Kerne aufhört. Es ist schwer zu beobachten und wurde in typischer Weise nur 2 mal gesehen. Es bildet sich nämlich aus dem fein vertheilten Chromatin in jedem Keru ein einziger langer und — soweit es möglich war zu constatiren, allseitig zum Ring ge- schlossener vielfach gewundener chromatischer Faden, und damit wird die im nächsten Capitel zur Besprechung kommende Ver- einigung der aus dem Vorkern hervorgehenden Chromosomen zur ersten Furchungsspindel eingeleitet. Zwischen den beiden zuletzt beschriebenen Entwicklungs- stadien der Vorkerne, dem der feinsten Chromatinvertheilung und dem des einfachen Chromatinfadens besitze ich einige Zwischenstadien. Dieselben sind indess ausserordentlich un- d. h. mit Luft gefüllte Bläschen seien. Im strengen Sinne des Wortes heisst Vacuole ein luftleeres Bläschen und im weniger strengen Sinne des Wortes sicherlich mit demselben Recht ein mit Flüssigkeit wie ein mit Luft gefülltes Bläschen. Der Name Vacuole ist jedenfalls ein er- heblich viel besserer als die Bezeichnung „Korn“. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 69 günstig für die bildliche Darstellung, so dass ich auf eine solche verzichte. Es verdichtet sich streekenweise das fein vertheilte Chromatin zu anfangs sehr wunregelmässig gestalteten krausen Fadenabschnitten. | Das Verdienst, die Vorkerne zuerst beim Säugethier — und zwar am Kaninchen — gesehen und gedeutet zu haben, gebührt van Beneden. Er erkannte in dem peripherischen Pronueleus den männlichen Vorkern und leitete ihn von den mit der Ei- oberfläche verschmolzenen Spermatozoen her. Den weiblichen eentralen Vorkern leitete er von der Eisubstanz — anfangs aller- dings nicht vom Keimbläsehen ab. Bei den Fledermäusen haben van Beneden und Julin das Vorkommen der Vor- kerne zu beobachten Gelegenheit gehabt; auch bilden sie ein Ei im Stadium der grossen Nucleolen ab. Beim Kanichen und Meersehweinchenhat Rein Ei- und Spermakern mehr- fach beobachtet, auch Heape hat dieselben beim Maulwurf in einem Falle gesehen. Tafani hat sie bei der Maus an- scheinend nur in wenigen und nicht charakteristischen Fällen beobachtet; denn von den Veränderungen, die sie durchmachen, schreibt er so gut wie nichts. Die Vorkerne bleiben ziemlich lange bei der Maus bestehen. Wenn sich der lange Chromatinfaden bildet, existiren sie wenigstens schon 12 Stunden. Es findet das also 18—22 Stunden nach der Begattung statt. Rein fand Vorkerne 14 Stunden nach der Begattung beim Kaninchen, 12 Stunden nach der Begattung beim Meerschweinchen. XI. Bildung der Chromosomen in den Vorkernen. Anla- gerung an die 1. Furchungsspindel, die erste Theilung des befruchteten Eies. Das Material für diesen Abschnitt bildeten 73 Eier. Mit Ausnahme des Stadiums der fertigen ersten Furchungsspindel, welches über 30 Mal beobachtet wurde, war die Gewinnung des Materials sehr schwierig und kostete die allergrösste Mühe. Die Arbeit des letzten Jahres war im wesentlichen Theil auf diesen Gegenstand gerichtet und zur Gewinnung: des Materials mussten beinahe 100 erfolgreich begattete Thiere geopfert werden. Indess hoffe ich nun auch eine Darstellung zu geben, die so geringe Lücken aufweist, dass dieselben durch die einfachsten 70 J. Sobotta: und verbreitetsten Vorstellungen über den karyokinetischen Zell- theilungsvorgang ausgefüllt werden. Die ganze Reihe von Vorgängen, die hier beschrieben werden, spielen sich innerhalb kurzer Zeit ab, ich vermuthe, in höchstens 1!/;—2 Stunden, so dass gewöhnlich 24 Stunden nach dem Coitus die Dyaster- oder Dyspiremphase der ersten Furchungsmitose er- reicht ist. Das erste Stadium der Reihe stellt Fig. 16 und 16a, Tafel V dar. Es schliesst sich unmittelbar an das in Fig. 155 abgebildete an und wurde ungefähr 8mal beobachtet. Es um- fasst anscheinend einen längeren Zeitraum. Aus den langen Chromatinfäden der beiden Vorkerne: ist je ein Fadenknäuel ge- worden mit mannigfach durchflochtenen Schleifen. Zum Theil, namentlich an einem der beiden Kerne — ob Ei- oder Spermakern, lässt sich jetzt nicht mehr fest- stellen —, ist es sicherlich bereits zur Bildung von freien Schleifen gekommen. Die Kernmembran ist noch erhalten, aber zusammengeschrumpft, überhaupt hat sich der ganze Kern verkleinert. Das im vorigen Stadium so ungemein zierliche achro- matische Kerngerüst ist unregelmässig und undeutlich geworden. Die (achromatische) Kernmembran des einen Kernes, der fast immer etwas weiter vorgeschritten gefunden wurde, beginnt an einer Stelle undeutlich zu werden. In einigen Fällen wurde jetzt schon zwischen beiden Kernen ein, wenn auch undeutliches, Centroesoma bemerkt. Unmittelbar daran schliesst sich das Stadium der Figur 17, Tafel V. Es entstammt einem ausserordentlich gut konservirten Präparat und war sehr deutlich. Die aus den Vorkernen stam- menden Fadenknäuel sind ganz eng kontrahirt, nehmen einen nur sehr kleinen Raum ein und liegen jeder innerhalb eines hellen Hofes der in der Grösse ungefähr der Contur des Kernes im vorigen Stadium entspricht. Zwischen beiden Kernen findet sich ein einziges punktförmiges Centrosoma mit einer zwar zarten, aber doch sehr deutlichen und dichten Strahlung Das Stadium wurde einige Male beobachtet und immer war das Centrosoma einfach. Ob die Schleifen der Knäuel, von denen der eine etwas länglich und mehr locker war, alle schon ge- trennt waren, liess sich nicht eruiren. Das folgende Stadium zeigt Figur 18 und 18a, Tafel V. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 71 Es kam nur einmal zur Beobachtung. Die beiden Knäuel sind erheblich grösser als im vorigen Stadium. Der eine enthält be- reits vollständig abgelöste, zum Theil etwas versprengte, lange schleifenförmige Chromosomen. Beide Knäuel liegen innerhalb eines gemeinsamen Hofes, der rings um sich eine feine radiäre Anordnung des Protoplasmas zeigt. In der Mitte zwischen beiden Knäueln liegen zwei sehr feine Centrosomen in geringer Ent- fernung von einander und zwischen beiden laufen einige ganz zarte Fasern!) (Fig. 18a). Anscheinend hat sich also das Cen- trosoma getheilt und es ist zur ersten Anlage der Furchungs- spindel gekommen und zwar des Centralspindeltheiles derselben, Die Knäuel zerfallen nun in einzelne vollständig getrennte Schleifen — soweit dies nicht schon vorher geschehen war — und zeigen eine deutliche polare Anordnung (mit den Schleifen- kniekungen gegen die Centrosomen hin). Die letztere ist besonders deutlich zu erkennen, wenn die Eier in einer zur Richtung der Figur 18 a senkrechten Ebene durchschnitten werden. Es fallen dann die Knäuel auf verschiedene Schnitte, die allerdings für das Studium der Centrosomen gar nicht verwerthbar sind. Es folgt nun das Stadium der Figur 19 und 19a, Tafel V, das dreimal in sehr schöner und typischer Weise beobachtet wurde. Die Furchungsspindel ist erheblich gewachsen. Sie zeigt an ihren beiden Polen je ein deutliches Centrosoma und eine eben angedeutete Polstrahlung. Die achromatischen Spindelfasern sind sehr dünn und ausserordentlich zahlreich, Zu beiden Seiten der noch schmalen Spindel liegen in dichten Klumpen die langen Schleifen der beiden Vorkerne, auf jeder Seite in gleicher Anordnung die gleiche Anzahl, Ein Unterschied zwischen beiden Schleifenhaufen ist nicht zu machen. Die Schleifen sind alle gegen die Spindel hin ziemlich spitz- winklig_gekniekt und ragen mit ihren freien Enden gegen die Eiperipherie. Der mittlere Theil der Spindel ist völlig frei von Chromosomen. Nun folgt das Stadium der Aequatorialplatte Es wurde relativ am häufigsten beobachtet. Figur 20 und 20a, Tafel V geben typische Bilder desselben. Die achromatische 1) Die letzteren waren auch bei Anwendung der besten Systeme und stärksten Vergrösserungen eben nur angedeutet. 12 J. Sobotta: Spindel ist sehr gross und bauschig und gegen die des vorigen Stadiums nieht unerheblich gewachsen. Sie wird daher auch meistens auf 10 u dieken Schnitten mehrmals durchschnitten. Sie liegt genau im Centrum des Eies, zeigt an jedem Pol ein kleines, aber scharfes Centrosom und eine zarte, aber deutliche Polstrahlung. Die ganze Figur liegt innerhalb eines helleren, von deutoplasmatischen Bestandtheilen ganz freien Hofes. Die achromatischen Spindelfasern sind ungemein zart; an eine auch nur annähernde Zählung ist bei ihrer grossen Menge nicht zu denken. Ausser Centralspindelfasern existiren sicherlich viele Zugfasern. Die Chromosomen liegen um den weiten Aequator der Spindel in Gestalt spitz- oder stumpfwinklig geknickter langer Schleifen. Sie sind von den Chromosomen der Richtungsspindel so different wie nur irgend möglich. Die Chromatinmasse jeder Schleife beträgt sicher das vielfache eines Chromosoms der Richtungsspindel. Was ihre Zahl betrifft, so ist mir eine wirklich genaue Zählung’ weder jetzt noch in den späteren Stadien der Furchungs- mitosen mit Sicherheit gelungen. Die grosse Länge und starke Krümmung der Schleifen, der Umstand, dass sie gewöhnlich auf mehrere Schnitte zu liegen kommen und dabei einzelne Schleifen äurchschnitten werden, erschwert die Zählung ungeheuer. Indess ich kann soviel sagen, dass es nicht mehr als 24 sind. Wir hatten gesehen, dass bei der ersten Richtungsspindel sicher 12 Chromosomen sich finden, dass die Zahl bei der zweiten resp. der allein auftretenden mit ziemlicher Sicherheit eben- falls 12 ist. Es besitzt also, wie das mit den Angaben fast aller Autoren bei andern Eiern übereinstimmt, bereits die erste Riehtungsspindel die redueirte Chromosomenzahl. Die Spermatoeyten des Mäusehodens nun besitzen vor der Theilung anscheinend ebenfalls 12 Chromosomen, obwohl die Zählung auch hier schwer ist. Es würden also aus jedem Vor- kern 12 Chromosomen hervorgehen müssen, und damit würde sich die Normalzahl 24 ergeben. Das stimmt mit den oben ange- führten Beobachtungen völlig überein. Dieselbe Zahl scheint sich auch in den Gewebsmitosen der Maus zu finden, obwohl die Zählungen auch hier nur approximative sein können. Es kommt also bei der Maus für gewöhnlich nicht zur Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 73 Conjugation der Vorkerne und zur Bildung eines Furchungskerns; indess wurde auch in 2 Fällen ein unzweifelhafter Furchungs- kern beobachtet. Da ich diese Präparate gleich im Anfang meiner Untersuchungen fand, hielt ich den Vorgang der Conju- gation für die Norm, zumal derselbe auch bei Kaninchen, Meer- schweinchen und Fledermäusen beschrieben worden ist. Die beiden beobachteten Furchungskerne wurden ca. 22 Stunden nach der Begattung gefunden neben andern Eiern, die zum Theil noch die Vorkerne besassen, zum Theil schon die erste Furchungs- spindel zeigten. Der Kern war sehr gross, noch erheblich grösser als der Eikern zur Zeit seines grössten Umfanges. Er lag genau im Centrum des Eies und verhielt sich in Bezug auf Struktur ete. fast genau wie die Vorkerne in Figur 15u.15 a TafelV. Dass ein Furchungskern neben getrennter Schleifenbildung existirt, ist nichts unerhörtes. Derselbe Fall kommt bei Ascaris vor, wo der Furchungskern ausnahmsweise sich bildet, der umge- kehrte Fall bei Eehinus (Boveri [19)). Die Längsspaltung der Chromosomen, die sicherlich in der Aequatorialplatte stattfindet, habe ich nicht direkt be- obachten können. Das nächste auch nur einmal beobachtete Stadium stellt Figur 205, Tafel V dar. Es zeigt die beginnende Metakinese nach Längsspaltung der Chromosomen. Die achromatische Spindel ist länger, aber schmäler geworden ; jederseits liegen ihr 24 Chro- mosomen an, die mit ihren Enden nach dem Äquator zu sehen. Sonst erläutert sich die Figur wohl von selbst. Das Stadium des Dyasters in Fig. 21 wurde mehrmals be- ohachtet; das ganze Ei ist aus seiner ursprünglichen Kugelform (Fig. A, Taf. V) in die eines Ellipsoids (Fig. B) übergegangen. Zugleich zeigt es wie auch schon im Stadium der Aequatorial- platte, eine deutlich hellere Färbung als vorher. Auch an Grösse hat das Ei ein wenig zugenommen. Die achromatischen Ver- bindungsfäden der mitotischen Figur sind sehr lang; Zwischen- körper oder ähnliche Gebilde wurden nicht beobachtet. Nun fängt das stark ellipsoide Ei an, sich zu furchen, indem von beiden Seiten her die Theilungsebene durch- schneidet. Die Verbindungsfäden sind in diesem Stadium nicht mehr zu erkennen. (Fig.21 und 21a, Tafel V). Die Chromo- somen jeder Hälfte der ursprünglichen karyokinetischen Figur 74 28.0. bios a bilden sich zum Kern der beiden ersten Furchungskugeln um« Sie stellen jetzt ziemlich dichte Knäuel dar, die lebhaft an die Knäuel der Vorkerne in Fig. 17 erinnern. Neben jedem Knäuel findet sich ein heller Fleck ohne erkennbare Struktur. Rings- herum um die ganze Figur bemerkt man in jeder der in Bil- dung begriffenen Tochterzellen eine deutliche Strahlung des Protoplasmas. Die Theilungsebene schneidet allmählich von aussen nach innen durch und hat in diesem Stadium dieht nnter der Zona bereits die vollständige Trennung der beiden Furchungs- kugeln bewirkt, während in der Mitte des Eies die Trennungs- linie noch nicht sichtbar ist. Wir haben bei unsern Betrachtungen zur Zeit der Schleifen- bildung in den Vorkernen zunächst ein Centrosoma auftreten sehen, erst in späteren Stadien zwei, anscheinend durch Theilung aus dem ersten hervorgegangene. Es fragt sich nun, woher stammt dieses Centrosoma. Die Richtungsspindeln zeigten beide keine Centrosomen, insbesondere war das völlige Fehlen soleher bei derjenigen Richtungsspindel als eine äusserst auffällige Er- scheinung zu beobachten, welche zur Zeit des Eindringens des Spermatozoons im Ei sich findet. Von dieser Richtungsspindel stammt der Eikern, der also ebenfalls kein Centrosoma ent- halten dürfte, zumal bei seiner Bildung ein solches nicht beob- achtet wurde. Dagegen sehen wir an dem in Bildung be- griffenen Spermakern ein deutliches Centrosona, das ın die Bildung des männlichen", Vorkerns aufgeht. Alle bisherigen Beobachter haben das Vorhandensein von Centrosomen und Sphären am Sper- matozoon resp. Spermakern gesehen. Die meisten Untersucher, insbesondere Fiek , haben angenommen oder direct bewiesen, dass diese Gebilde von dem Samenfaden in das Ei gebracht werden. Die Existenz eines männlichen Centrosoma ist daher auch niemals angezweifelt worden. Anders steht es mit dem weiblichen. Fol ist es gewesen, der bei Echiniden ein deut- liches Centrosoma auch am Eikern beobachtete, ja die Theilung des Ei- und Spermacentrosoma beschrieb und sie die Quadrille aufführen liess, der er eine entschieden viel zu hohe Bedeutung für die Befruchtung beilegte, die indess eine Zeit lang die vor- her herrschenden Anschauungen zu alteriren schien. Nun ist die Centrenquadrille nieht wieder gefunden worden, ja die meisten Untersucher haben dieselbe und das weibliche Centrosoma direct Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. [b) vermisst. Boveri (17) macht: ausdrücklich auf das Fehlen der Centrosomen bei den Richtungsspindeln, auf das Fehlen einer weiblichen Sphäre auch bei Eiern aufmerksam, bei denen das männliche Centrosoma evident deutlich ist (z. B. bei Ascaris). Bei Wirbelthieren hat kürzlich Fick ein weibliches Centrosoma beim Axolotl vergeblich gesucht, dagegen ein sehr deutliches männliches direct aus dem Spermatozoon abzuleiten vermocht. Die einzige neuere Beobachtung, die für die Existenz eines männ- lichen und weiblichen Centrosoms spricht, ist die von Blanc am Forellenei, indess findet auch hier keine Quadrille statt. Blane sah nur 2 Sphären und leitet eine vom Ei, die andere vom Spermatozoon her. An der Existenz zweier Sphären beim Forellenei kann wohl kaum gezweifelt werden, da auch Böhm (15) an demselben Object 2 Sphären fand und dieselben auch während der Furchung, wo ich sie aus eigener Anschauung kenne, so massige Gebilde darstellen, dass sie sofort ins Auge fallen. Indess möchte ich mich doch mehr der älteren Deutung Böhm’s anschliessen; dass die beiden Sphären aus der Theilung einer ursprünglich einfachen männlichen hervorgegangen sind; denn Böhm hat solche Stadien ja auch direet beobachtet, und das Untersuchungsmaterial von Blane ist nach seinen eigenen Angaben kein so kontinuirliches gewesen, dass ihm das Stadium der ungetheilten Sphäre nicht hätte entgehen können. Auch scheint mir die Auffassung Blane’s etwas sonderbar, dass die männliche Sphäre an den einen, die weibliche an den andern Pol der Furehungsspindel rücken solle. Damit würde ja jeg- liche Betheiligung der Centrosomen an dem Wesen des Be- fruchtungsvorganges ausgeschlossen werden und es würde die eine der beiden Tochterzellen die männliche, die andere die weibliche Sphäre erhalten. In letzter Zeit hat man sich nun mehr und mehr daran gewöhnt, die Centrosomen für konstante Gebilde der Zellen zu halten und die Erfahrungen, welche das bestätigen, mehren sich von Tag zu Tag. Es muss daher wunderbar erscheinen, dass die Eizelle kein Centrosoma besitzen sollte. Boveri hat dieses etwas auf- fällige Verhalten damit zu erklären versucht, dass er annimmt, die Eizelle hätte ihr Centrosoma vorloren und bei der Befruchtung käme insofern ein Ausgleich zu Stande, als das Ei Kern und Protoplasma, der Samenfaden Kerm und Sphäre liefere. 716 J. Sobotta: Auch ich muss nach meinen Befunden dafür halten, dass nur ein Spermacentrosoma besteht, dass die Eizelle schon bei der Bildung der ersten Richtungsspindel kein Centrosoma mehr hat. Dafür spricht das völlige Fehlen von Polkörperchen an den Spindeln der Richtungsmitosen, das Fehlen einer Sphäre neben dem sich bildenden Eikern, das Auftreten nur eines Cen- trosoma nach der Schleiferbildung in den Vorkernen. Man könnte hiergegen einwenden, dass ich bei der Rich- tungsmitose deutliche Centralspindeln beobachtet habe und dass man, wenn man mitHerrmann die Bildung der Centralspindel durch Theilung des Centrosoma aus diesem selbst entstehen lässt, die Centralspindel der Richtungsmitose für das Centrosoma !) an- sehen könnte. Indess hat Herrmann an den Polen dieser Centralspindeln stets noch Centrosomen gefunden und es scheint, dass die Spindel nicht eigentlich aus diesen, sondern aus der umgeben- den Archiplasmamasse entsteht. Ich glaube also doch, mich auch für die Maus in dem Sinne Boveri’s aussprechen zu müssen: die reife Eizelle der Maus hat kein Centrosoma, sie erhält ein solches bei der Befruchtung durch das Spermatozoon, dieses theilt sich und liefert die Centrosomen der ersten Furchungsspindel. Bei allen übrigen Säugern sind nur Conjugationen von Vorkernen beobachtet worden und zwar zuerst von van Be- neden beim Kaninchen. Es war das überhaupt die erste dies- bezügliche Beobachtung. Erst im nächsten Jahre fand O.Hert- wig das gleiche beim Seeigelei. Die Annahme, dass überall eine Conjugation der Vorkerne stattfinde, war eine ganz ver- breitete, bis 1880 van Beneden zeigte, dass beim Pferde- spulwurm die Schleifen getrennt in den Vorkernen entstehen und sich direet an die erste Furchungsspindel anlegen. Seit- dem sind die meisten Beobachtungen im Sinne der freien Schleifen- bildung ausgefallen. So verhalten sich u. a. von Wirbellosen Ascaris, Sagitta (selten Echinus), eine Reihe Mollusken (Boveri [19]); von Wirbelthieren Selachier (Rück ert [36]), Forelle (Blane [13]), Reptilien (Oppel [33]) Maus (Tafani [45—47]). Eine 1) Centrosomen brauchen bekanntlich nicht immer rund zu sein. Hermann hat fadenförmige Centrosomen bei Helix, K. W. Zimmer. mann netzförmige Centrosomen an Pigmentzellen von Knochenfischen beobachtet. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 717 Conjugation findet statt bei Echiniden (Hertwig, Fol, Boveri) [selten Ascaris], Tiara (Boveri), von Wirbelthieren Petromyzon (Böhm [14]), Kaninchen (van Beneden[3]), Meerschweinchen (Rein [35]), Fledermäusen (?) (van Beneden und Julin [5]). Während der oben abgehandelten Vorgänge am Ei hat das resp. die Richtungskörpercehen sich nicht verändert. Sie liegen an ganz beliebiger Stelle des Eies (die ursprüngliebe Beziehung zumEikern geht ganz verloren) in einer kleinen Delle desselben und wölben die dünne Zona hervor. In dem Winkel zwischen Ei und Richtungskörperchen bleiben oft kleine Lücken, wo die Zona vom Ei etwas abgehoben ist. Es sind das die _ einzigen Stellen, wo der bei den meisten übrigen befruchteten Säugethiereiern beobachtete perivitelläre Raum sich findet. An diesen Stellen kann man sich deutlich überzeugen, dass Ei wie Richtungskörperchen eine Zellmembran besitzen. Dass die Lage des Richtungskörperchens gar keine Be- ziehungen zur Stelle der ersten Furche hat, geht z. B. auf das deutlichste aus Figur 2, Tafel V hervor. Existiren zwei oder mehr Richtungskörperchen, so liegen sie fast immer neben einander. Ueber eine einzige beobachtete Ausnahme s. u. Bei fast allen andern Säugern liegen die beiden Richtungskörperehen oft weit von einander getrennt. XI. Stadium von 2 Furchungskugeln. Wenn im Ei der Maus die erste Furche ganz durch- schneidet, was ca. 26 Std. nach der Begattung erfolgt, so sind die beiden ersten Furchungskugeln völlig gleich gross, gewöhn- lich ziemlich dunkel gefärbt. Das Richtungskörperchen liegt nun jetzt ausnahmslos in der Furche unterhalb der Zona und verursacht an beiden Furchungskugeln eine kleine Delle (Fig 23 u. ff., Tafel VI). Es liegt an dieser Stelle lediglich, weil es hier am meisten Platz hat. Ebenso verhält sich das zweite resp. dritte Richtungskörperchen, die dann dieht nebeneinander liegen. Nur ein einziges Mal wurden die beiden Richtungskörperchen an ent- gegengesetzten Polen des Eies gefunden, wie das beim Meer- schweinchen, Maulwurf und einigen Fledermäusen von den betr. Autoren beschrieben und abgebildet worden ist. Die Form der ersten beiden Furchungskugeln ist von Anfang an keine kuge- lige; sie sind gleich nach der Bildung ziemlich stark abgeplattet, 78 JASo ih om ar aber nicht so stark, dass sie halbkugelig werden. Zugleich sind sie auch etwas mehr länglich (s. Fig. ©, Tafel I). Um diese Zeit enthalten die beiden ersten Furchungskugeln noch keine ruhenden Kerne, sondern je einen dichten Fadenknäuel (Fig. 23 und 23a, Taf. VI). Neben jedem Knäuel fand sich wieder der vor. dem Dwurchschneiden der Furche beschriebene helle Hof. Das Protoplasma der Eizelle, sowie die deutoplasmatischen Be- standtheile vertheilen sich in gleicher Weise auf die beiden ersten Furchungskugeln. Ein Unterschied in der Grösse und Färbbarkeit ete. ist daher auch zuerst nicht zu konstatiren. Aus diesem Zustand bildet sich der in Fig. 23 d, Taf. VI dargestellte. Aus den dichten Fadenknäueln entwickelt sich zunächst ein recht kleiner Kern von meist ovaler Form und sehr diehtem Chromatin. Mitunter ist der Kern kurz nach der Bil- dung auch rund (Fig. 24a). Er wächst sehr schnell zu seiner definitiven Grösse. Recht häufig findet man bald nach vollendeter Theilung eine sehr deutliche spindelförmige helle protoplasma- tische (?) Zone zwischen beiden Furchungskugeln, mit einem oder mehreren dunkel sich färbenden Punkten oder Strichen (Fig. 24 a, auch in Fig. 23 a angedeutet auf Taf. VN). Ob das Gebilde et- was mit Sphären oder Centrosomen zu thun hat, weiss ich nicht. Im allgemeinen dürfte es wohl mit dem von Flemming eben- falls noch längere Zeit nach vollendeter Theilung beschriebenen Zwischenkörper identisch sein. Die meist gleich nach der Bildung länglichen Kerne der ersten beiden Furchungskugeln sind ziemlich gross und zeigen häufig unregelmässige Conturen, vielleicht wenn sie, in amöboider !) Bewegung befindlich, fixirt werden. Sie enthalten seltner einen, meist zwei bis drei nicht sehr intensiv färbbare Nucleolen, ausser- dem auf das Kerngerüst und die Kernmembran vertheiltes Chro- matin. Mit ihrer Längsachse liegen sie natürlich in der Längs- achse der Furchungskugeln. Während die letzteren ursprünglich in Bezug auf Grösse, Färbbarkeit, Dottergehalt, Aussehen der Kerme ete. völlig gleich sind, nimmt in der Regel im Verlauf der Entwicklung die eine 1) Amöboide Bewegungen der Vorkerne sowohl wie der Kerne der Furchungskugeln sind von den meisten Autoren am lebenden Objekte beobachtet worden. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 9 der beiden Furchungskugeln allein an Grösse zu und zeigt dabei eine deutlich hellere Färbung (Fig. 25, Taf. VI). Der Unter- schied in der Grösse wird oft ziemlich bedeutend. Zugleich nun ändert sich im der wachsenden Zelle der Habitus des Kerns. Er wird rund, verliert seine Nucleolen (indem ähnlich wie bei den Vorkernen Vacuolen in diesen auftreten) und es resultirt daraus ein Studium, wie es die Vorkerne in Fig. 15, Taf. VI zeigen. Schliesslich geht aus dem Kern eine mitotische Theilungsfigur hervor, die mit ihrer Achse in der grössten Ausdehnung der Furchungskugel, also parallel der ersten Furche steht. Die karyo- kinetische Figur (Fig. 26a, Taf. VI) ist kleiner als die erste Furchungsspindel, wiederholt aber sonst genau den Typus der- selben. Das Resultat dieser eigenthümlichen Erscheinung ist ein Stadium von drei Furchungskugeln. Von diesen ist eine natür- lich erheblich grösser als jede der beiden anderen, die letzteren sind gleich gross. Die grössere Zelle färbt sich jetzt regelmässig heller als die beiden andern; sie wird, wenn die Theilung ihrer Schwesterzelle vollendet ist, nicht mehr mit ruhendem Kern an- getroffen, sondern bereits in Mitose. Ein Stadium von drei Fur- chungskugeln mit ruhenden Kernen wurde nicht beobachtet. Die drei Furchungskugeln liegen in derselben Ebene (Fig. X, Taf. II). Die Achse der Furchungsspindeln in der zu zweit sich theilenden der ersten beiden Furchungskugeln steht nicht, wie man es erwarten sollte, im ursprünglich grössten Durchmesser der Zelle, also ebenfalls parallel zur ersten Furche, sondern senk- recht zu dieser. Es erklärt sich das daraus, dass die Furchungs- kugel wahrscheinlich durch den Druck der Zona pellueida einer- seits, zweitens durch den nun fehlenden Druck der ehemals dieht angelagerten, gleichgestalteten Schwesterzelle in eine mehr kuge- lige Form übergeht, wie überhaupt das ganze Ei, so lange die Zona !) noch besteht, seine ursprünglich kugelige Form auch während der Furchung noch zu bewahren. Immerhin dürfte sich auch so die Theilungsfigur kaum in der grössten Achse einstellen, denn diese liegt sicherlich auch jetzt noch parallel der ersten 1) Die Zona passt sich zwar, wie schon oben angegeben und auch weiter unten erläutert werden wird, der durch die Furchung hervorgerufenen Form des Eies einigermaassen an, indess scheint sie noch immerhin das Bestreben zu haben, ihre ursprünglich kugelige Form zu bewahren. 80 J. Sobotta: 1 Furehe, wenn auch die senkrecht darauf stehende Achse nur wenig kleiner ist (Fig. Z, Taf. II). Nicht immer findet man, während die eine der beiden Furchungskugeln sich theilt, die andere noch mit ruhendem Kern; aber doch bei weitem in den meisten Fällen. 3 mal wurden beide Zellen in Theilung beobachtet, aber stets in verschiedener Phase derselben, einmal auch beide Zellen in anscheinend gleicher Phase. Im letzteren Falle (dem einzigen!) fehlte auch jeder Grössenunterschied. Das Stadium der 2 Furchungskugeln er- hält sich bei der Maus fast einen Tag lang, ungefähr von der 25.—- 48. Stunde nach der Begattung. Das Stadium von 3 Furehungskugeln ist begreiflicher Weise ein schnell vorüber- sehendes. 2 Furchungskugeln sind beifast allen untersuchten Säugethieren beobachtet worden: beim Kaninchen, Meerschweinchen, Hund, mehreren Fledermäusen, Maulwurf, Maus, Opossum, Igel. Grössen- unterschiede haben einige der Autoren deutlich gesehen, andere (Tafani, Keibel ete.) direet geleugnet, einige haben diese Frage nieht berücksichtigt. Zuerst fand van Beneden beim Kaninchen ungleiche Furchungskugeln, eine grössere hellere und eine kleinere dunklere, die er durch ungleiche Theilung ent- stehen lässt. Er nennt die grosse helle Zelle Globe eetodermique, die kleine dunkle Globe endodermique. Ferner fand van Beneden bei einer Fledermausart (Vespertilio dasyenemus.) 2 ungleiche Furehungskugeln, Heap e stets solche beim Maulwurf. Tafani hat bei der Maus nur gleich grosse Furchungskugeln in diesem Sta- dium gesehen, also nur soeben gebildete, in der weitern Entwicklung hat er sie, wie auch aus andern Angaben hervorgeht, nicht beobachtet. Das Ei aus 2 Furehungskugeln vom Opossum, welches Se- lenka abbildet, halte ich für ein abgestorbenes, da es erstlich neben Eiern von zum Theil viel weiter vorgeschrittener Ent- wiekelung lag und zweitens, nach den Figuren zu urtheilen, in Bezug auf Öonservirung den übrigen Eiern erheblich nachzu- stehen schien... Auch die eigenthümlich kreuzweise Lage der Furchungskugeln dürfte dafür sprechen. 3 Furehungskugeln sind ebenfalls bereits mehrfach bei andern Säugern beobachtet worden. Bischoff bildet vom Reh ein Stadium aus einer grossen und zwei kleinen Furchungs- kugeln ab, scheint auch ein solehes Stadium beim Hund gesehen Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. si zu haben. In typischer Weise ist dasselbe von van Beneden bei einer Fledermaus gefunden worden. Seine Abbildung (Pl. 2, Fig. 25) entspricht genau dem bei der Maus beobachteten Ver- halten. Die beiden kleinen Furchungskugeln enthalten ruhende (eigenthümlich gezeichnete) Kerne, die grössere einen hellen Hof mit 2 Sonnen an beiden Enden, also eine Theilungsfigur, und zwar mit der Achse senkrecht zur 1. Furche, genau wie bei der Maus. Der oben als typisch beschriebene Furchungsvorgang bei der Maus scheint also auch bei andern Säugern vorzukommen. Was nun die Deutung der ersten Furchungsstadien betrifft, so erlaube ich mir darüber vorläufig kein Urtheil, so lange ich nicht die Resultate der Furchung kennen gelernt habe und von da aus rückwärts zu schliessen im Stande bin. Die eben angeführte Auffassung vanBeneden ’s dürfte sich kaum bestätigen, ebensowenig dürfte die 1. Furche mit der späteren Symmetrieebene des Embryo zusammenfallen, wie das zuerst von Roux für das Froschei behauptet worden ist und trotz aller Angriffe gegen diese Ansicht sich doch zu bestätigen scheint. Die Verhältnisse liegen beim Säugethierei völlig anders, vor allem weil dasselbe kein primärholoblastisches, son- dern ein redueirtes meroblastisches ist. Wahrscheinlich hat die Lage der ersten Furche beim Ei der Maus überhaupt keine konstanten topographischen Beziehungen. Was die Zeit betrifft, m der andere Säugethiereier das gleiche Entwicklungsstadium erreichen, so ist folgendes in der Literatur angegeben: beim Kaninchen die 21. Stunde (Hensen), beim Meerschwein die 22.—24. Stunde. Wenn das Ei der Maus das Stadium von 2 Furehungs- kugeln erreicht hat, sitzen auf der Zona niemals mehr Granulosa- zellen auf, es liegt jetzt ganz nackt in den mittleren wenig oder gar nicht ausgedehnten Tubenabschnitten (Fig. 5c, Tafel III). Beim Kaninchenei finden sich nach Kölliker um diese Zeit noch Reste des Diseus proligerus auf dem Ei, beim Igel (Keibel) sogar noch eine dieke Granulosa. Die Dicke der Zona ist un- verändert geblieben; sie liegt dem Ei mit dem resp. den Riehtungs- körperchen ganz eng an. Bei den meisten andern Säugern nimmt die Zona anscheinend an Dicke in der Tube erheblich zu. Archiv f, mikrosk. Anat. Bd. 45 6b 82 J. Sobotta: XIII. Die spätere Furchung bis zum Eintritt des Eies in den Uterus. Die spätere Furchung verläuft nicht gerade in einer sehr typischen Weise, und das ist nach Angabe fast aller Autoren bei den andern Säugern ebenso. Auf das 3zellige Stadium folgt ein 4zelliges, in dem die grosse noch aus der ersten Furchungsphase stammende Zelle sich theilt. Ihr Theilungsprodukt sind 2 kleine, dunkel sich färbende Zellen; die beiden erstgebildeten der 4 Furchungskugeln sind unterdess ein wenig gewachsen und bereits heller in der Färbung. Die Lage der 4 Furchungskugeln ist so, wie sie Figur F, Tafel II angiebt; 3 liegen nahezu in einer Ebene, die 4. über den 3 andern, doch so, dass je 2 zugleich gebildete noch immer durch Form und Lage ihre Zusammengehörigkeit erkennen lassen. Die beiden früher gebildeten Zellen theilen sich nun zuerst und zwar in zwei senkrecht auf einander stehenden Ebenen. Es resultirt daraus ein Stadium von 6 Furchungskugeln, 2 grossen und 2 kleinen (Fig. @, Tafel II). Dann theilen sich die beiden grossen aus dem 4zelligen Stadium übrig gebliebenen Furchungs- kugeln gleichzeitig, und es entsteht ein Stadium von 8 Furchungs- kugeln, die keine sehr wesentlichen Grössenunterschiede zeigen (Fig. H, Tafel II und Fig. 28, Tafel II). Von den Elementen des 4zelligen Stadiums sind die beiden erstgebildeten mehr ovoid, die beiden zuletzt gebildeten fast kugelig. Aehnlich ist das Verhalten im 6zelligen Stadium. Im Szelligen Stadium sind fast alle Furchungskugeln unregelmässig kugelig. Die Kerne der Furchungskugeln zeigen nichts besonderes, sind rund und besitzen einen, selten mehrere grössere Nucleolen. Alle Furehungskugeln besitzen Membranen, wie die unbefruchtete und befruchtete Eizelle. Das Protoplasma enthält in allen gleich- mässig vertheilte Dotterkörner, die sich in ihrer Anordnung wie in der ungetheilten Eizelle verhalten, indess nur noch ganz kleine Conglomerate bilden. Der resp. die Richtungskörper haben sich in Gestalt und Aussehen nicht verändert; sie machen den Ein- druck wohl erhaltener Zellen und unterscheiden sich von den Furchungszellen im wesentlichen nur durch geringere Grösse. Nachdem das Ei das Szellige Stadium überschritten hat, geht die Zona pellueida verloren; da man an ihr vorher keine Zer- Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 83 fallserscheinungen bemerkt, so ist es wahrscheinlich, dass sie ge- dehnt wird und platzt. Die Dehnung erfolgt erstlich, weil die einzelnen Furchungskugeln jedesmal vor der Theilung etwas grösser werden — wenn auch die Gesammtvergrösserung der Ei- substanz dabei keine erhebliche wird —, zweitens dadurch, dass zwischen den Furchungskugeln gerade um diese Zeit Spalträume sieh bilden, weil die letzteren das Bestreben haben, Kugelform anzunehmen. Die Furchungskugeln, die sich zur Theilung vorbereiten oder in Theilung stehen, färben sich, wie mehrfach schon ange- geben, regelmässig heller, eine Erscheinung, die schon an der ungetheilten Eizelle auftritt und sich in typischer Weise während der ganzen Furchung erhält. Soeben aus der Theilung hervor- gegangene Zellen dagegen färben sich ziemlich intensiv dunkel (man kann das am besten beobachten, wenn man Eier in der ersten Furchungsmitose findet neben solchen, bei denen die erste Furche eben durchschneidet; der Unterschied ist dann ein un- gemein auffälliger). Die folgenden Furchungsstadien bieten ein sehr wechselndes Aussehen dar. Von den 8 Furchungszellen theilt sich ein Theil, meist 2 oder mehr, aufeinmal, und es kommt zu einem Stadium zwischen 8 und 16 Zellen (Fig. 29 Tafel VI). Das Ei hat keine Zona mehr, die in Theilung befindlichen oder vor der Theilung stehenden Zellen sind hell, die andern dunkel. Gewöhnlich theilen sich direet nebeneinander gelegene Zellen gleichzeitig. Die Mitosen der Zellen nehmen jetzt schon mehr den Charakter der Gewebsmitosen an. Die Spindel ist weniger bauschig und hat mehr die Form eines Doppelkegels, die Chromosomen stellen kürzere Schleifen dar als anfangs (Fig. 29a, Tafel V]). Es folgt nun ein l6zelliges Stadium (Fig. J, Tafel II) — genau 16 Zellen werden selten gezählt. -— Figur X, Tafel II und Figur 30, Tafel VI stellt ein solches zwischen 16 und 32 Zellen dar. Die höchste beobachtete Zahl war 25 (Fig. Ä). In diesem Stadium tritt das Ei aus der Tube in den Uterus. Nach Zugrundegehen der Zona pellueida weicht das Ei oft erheblich von der Kugelform ab, der Druck der engen Tube scheint es bei der Peristaltik häufig in eine mehr länglich-ovoide Form zu bringen. Die Richtungskörper sind auch in diesem Stadium noch 4 J. Sobotta: deutlich zu erkennen, nehmen nach Verlust der Zona oft eine mehr rundliche Gestalt an und sind jetzt fast ebenso gross wie die kleinsten Furchungskugeln des Eies. Die Eier lagen zur Zeit der Vorkerne und des zweizelligen Stadiums meist getrennt von einander in der Tube, oft durch erhebliche Zwischenräume. Gegen das Ende der Furchung, wenn das Ei die letzten muskelstarken Abschnitte der Tube be- tritt (Fig. 5 bei d, wenn aus 4 Furchungskugeln, Fig. 8 bei t, wenn aus ca. 16), liegen die Eier wieder dichter zusammen. Das Ei der Maus verweilt in der Tube bis zum Anfang des 4. Tages nach der Begattung (ungefähr 80 Std.). Das Stadium von 4 Furchungskugeln wird ca. 50 Stunden post coitum erreicht, das von 8 in 60, von 16 Zellen in 72 Stunden. Bis zur Bildung von 3 Furchungskugeln vergehen also 2 Tage; der Rest der Furchung vollzieht sich in wenig mehr als 1 Tag (30 Stunden). Wie lange sich das Ei im Uterus noch furcht, habe ich bisher nicht untersucht. | Das Kanincehen- und Meerschweinchenei bleibt ungefähr ebenso lange in der Tube wie das Ei der Maus. Das Hundeei braucht 8—10 Tage, ehe es in den Uterus gelangt. Beim Opossum beginnt erst 5X 24 Stunden nach der Begattung die Furehung (Selenka). Nur die Befruchtung findet hier in der Tube statt, die Furchung erfolgt im oberen zugespitzten Ende des Uterushorns. | Das Tubenei der Maus während der Furchung unterscheidet sich in seinem Aeussern sehr erheblich von den Eiern der andern untersuchten Säuger. Ausser der geringen Grösse des Mäuse- eies, welehe durch die so ungemein dünne Zona pellueida noch weit auffälliger wird, ist das -Fehlen eines grossen perivitellären !) Raumes zwischen letzterer und den Furchungskugeln zu konsta- tieren. Am allerauffälligsten dürfte es vielleicht sein, dass die Zona des Mäuseeies schon in einem so frühen Stadium gänzlich verloren geht, während die meisten andern Säugethiereier diese Hülle während der ganzen Furchung, ja selbst noch im Stadium der Keimblase, erhalten. Der Furchungsprozess verläuft bei den meisten andern Säugern in der Tube weniger weit als bei der. Maus, nur beim Maulwurf scheint die Furchung ebenso weit 1) Ganz ungeheuer gross ist dieser Raum beim Ei des Opossunıi. Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 85 noch innerhalb des Eileiters fortzuschreiten. Beim Igel fand Keibel Eier aus 2 Furchungskugeln bereits im Endabschnitt des Eileiters kurz vor dem Uterus. Die unregelmässige, häufig längliche Form des Mäuseeies scheint ebenfalls bei dieser allein vorzukommen und hängt mit dem frühen Verlust der Zona pellueida zusammen. Nur Bischoff beobachtete einige längliche Reheier gegen Ende der Furchung, kurz bevor dieselben in den Winterschlaf verfallen. Beim Kaninchen bildet sich auf der an und für sich schon dieken Zona eine noch diekere Eiweisshülle in der Tube. Auch die kolossale Eiweissschicht des Opossumeies entsteht dort erst. vanBeneden deutete die kleineren dunkleren Furchungs- kugeln des 4zelligen Stadiums wieder als Globules endodermiques, die grossen als globules ectodermiques. 4 Furchungskugeln in der Lage, wie ich sie bei der Maus oben für typisch beschrieben habe, bildet schon Bischoff beim Kaninchen ab, auch Kölliker beschreibt eine gleiche Lageanordnung neben einer kreuzweisen. Bei der späteren Furchung beobachtete Bischoff un- gleiche Furchungskugeln, giebt auch an, dass grosse und kleine zu mehreren neben einander gefunden werden. van Beneden beobachtete 8, 12, 16, 24 ete. Furchungskugeln. Die Grössen- unterschiede führt er auch während der späteren Furchung auf die Abstammung von den beiden ersten ungleich grossen Zellen zurück. Beim Hund und namentlich beim Reh beobachtete Bischoff nur eine kleine Reihe von Furchungsstadien ; beim Meerschwein fand er ausser 2 und 4 Furchungskugeln 8, zwischen 8 und 16, 16, zwischen 16 und 32. Die Anordnung war eine ganz unregelmässige. Bei den Fledermäusen beobachteten van Beneden und Julin nur 2, 5 und 4 Furchungskugeln. Heape schildert fast alle Furchungsstadien des Maulwurfs, nennt aber die Lage- rungsverhältnisse im Gegensatz zu van Beneden ganz un- regelmässige. Tafani sah 4 Furchungskugeln bei der Maus in der- selben typischen Lage wie oben beschrieben. Ueber die spätere Furchung macht Tafani wenig Angaben. Die Furchungskugeln aller andern Säuger sind bei gleicher Zahl grösser, z. Th. erheblich grösser als bei der Maus. Da- 86 J2Stonbiottas mit hängt es wohl auch zusammen, dass die Eier der letzteren sich langsamer furchen als das Mäuseei. XIV.. Das Schicksal unbefruchteter Eier in der Tube. Die Spermatozoen treten an das Ei heran, wenn dasselbe eine Richtungsspindel enthält, sei es nun die einzige, die es bildet, oder die zweite. Wird das Ei nicht befruchtet, sei es nun, dass kein Spermatozoon zu dem betreffenden Ei tritt, was durch- aus nicht so selten ist, oder dass das betreffende Thier nach der Ovulation nicht begattet wird, so geschieht in beiden Fällen dasselbe: das Ei geht ohne jede Spur von Furchung mit seiner Rich- tungsspindel zu Grunde. Die achromatische Spindel erhält sich da- bei sehr gut, die Ohromosomen zerfallen nach einigen Tagen zu cehromatischen Klumpen. War ein Richtungskörperchen bereits ausgestossen, so erhält sich auch dieses innerhalb der Zona, die ungefähr um dieselbe Zeit zu Grunde zu gehen scheint, wie an befruchteten Eiern. Das Ei selbst zeigt eine Veränderung, wie sie Figur 31, Tafel VI illustrirt. Man findet im Centrum desselben unregel- mässige Klumpen einer Substanz angehäuft, die sich etwas dunkler färbt, als das übrige Protoplasma und wohl mit den oben bereits erwähnten Dotterschollen identisch ist. Das be- treffende Ei lag in der Tube neben andern, die sich im Stadium von 4—6 Zellen befanden. Es war also der 3. Tag nach der Ovulation. Unbefruchtete Eier mit gleichem Aussehen wurden bis zum 4. Tag nach der Loslösung beobachtet. Sie zeigten immer Richtungsspindeln, nie eine Spur von Furchung. Einmal waren die Eier (am Anfang des 4. Tages) nicht mehr rund und hatten auch keine Zona mehr, aber noch die Richtungsspindel. Hensen hat 100 Kanincheneier in einer abgeschnürten Tube gesehen und die Zerfallserscheinungen, die später an- scheinend — ebenso wie im Ovarium — auftreten, für eine parthenogenetische Furchung gehalten. Bei der Maus tritt eine parthenogenetische Furchung auch dann noch nicht ein, wenn be- fruchtete Eier sich bereits im Stadium zwischen 16 und 32 Zellen befinden. Ich halte daher auch die Deutung Hensen’s für irrig und glaube, dass eine parthenogenetische Entwicklung bei Säugethieren nie vorkommt. Zmmnsmae -- Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 87 XV. Einige interessante Fälle von Ueberfruchtung. Wie oben schon angegeben ist, kann es vorkomnien, dass nach Ausstossung des erweichten Vaginalpfropfes (eirca 20 bis 24 Stunden) nach der ersten Begattung eine zweite erfolgt. Die Erscheinungen, welche die letztere mit sich bringt, sind genau dieselben, wie bei der ersten. Der Uterus wird prall mit Sperma angefüllt, einzelne Spermatozoen dringen auch in die Tube. Die vorher befruchteten Eier befinden sich im Stadium der Vorkerne oder bereits im zweizelligen Stadium. Es wurde nun bei zwei Thieren Folgendes beobachtet: Bei dem einen, das ungefähr 18 Stunden nach der ersten Copulation zum zweiten Mal begattet wurde, war in einem Ei, das Ei- und Spermakern zeigte, deutlich ein Samenfadenkopf eingedrungen; in einem andern fand sich neben den beiden grossen Vorkernen ein kleiner dritter Kern im Stadium des Vorkerns in Figur 13a, Tafel-VF. // Bei dem andern Thier, welches 24 bis 26 Stunden nach der ersten Copulation zum zweiten Mal begattet wurde, waren die Eier schon im zweizelligen Stadium. An einem Ei waren nun in eine der beiden Furchungskugeln zwei Spermatozoen einge- drungen, von denen der Kopf des einen sehr stark gequollen war, während der andere eben in die Eisubstanz eingedrungen zu sein schien. In einem andern Ei fand sich ausser dem läng- lich runden Kern der einen Furchungskugel ein bereits ziemlich grosser, runder Kern mit grossen Kernkörperchen, wahrscheinlich also ein Spermakern. Literaturverzeichniss. 1. 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Bezeichnungen für Tafel III und IV: E=Ei, ke=Kel epithel, ef= Follikelepithel, tr} f=theca follieuli, ce = Capillare, I Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 91 Lumen uteri, 2= Tube, gl. w = Glandul. uterinae, fk = Fettkörner, zp=Zona pellucida, rk = Richtungskörper, rk, rk,= J. Riehtungs- körper, 2. R.-K., spk = Spermatocoenkopf resp. Spermakern, ek =Ei- kern, schwf = Schwanzfaden, C= Centrosoma. Sämmtliche Präparate wurden in bestimmter Vergrösserung mit Zeiehenapparat gezeichnet. Die Figuren sind also direkt zur Messung verwendbar. Die 50fach vergrösserten Präparate wurden mit Objekt Zeiss a,, die 100fach vergrösserten mit Obj. Klönne und Müller No. 3, die 500fach vergrösserten mit Obj. Klönne und Müller No. 7 gezeichnet. Bei 1500facher Vergrösserung wurde Aproch. Zeiss Homog. Immers. 2,0 Apert. 1,40 Compens. Oc. 8 resp. 12 und Zeichen- apparat nach Abbe benutzt. Einige Figuren wurden aus mehreren Schnitten combinirt. Fig. 1. Sprungreifer Follikel. 100 x. Fig. 2. Follikel im Anfangsstadium der Atresie. 100 x. Fig. 2a.Ei desselben Follikels mit dem Diseus. Im Ei Richtungs- spindel. 500 x. Fig. 3. Platzende Follikel. 100 x. Fig. 4. Ovarialei mit umgebendem Discus und grosser 1. Richtungs- ‚spindel. 500 x. Fig. 4a.1. Richtungsspindel aus einem Ovarialei. 1500 x. Fig. 5. Durchschnitt durch die Schlingen der Tube. 50 x. (Erklärung im Text pag. 36 ff.) Fig. 5a.Längsschnitt einer Falte aus dem Anfangstheil des Eileiters mit Flimmerepithel. 500 x. Fig. 5c. Epithel der mittleren und unteren Tubenabschnitte. Fig. 6. 2 Eier mit den umgebenden Granulosazellen im erweiterten Anfangstheil der Tube. 50 x. Fig. 7. Ei aus 2 Furchungskugeln im mittleren Theil der Tube. Fig. 8. Querschnitt der letzten Tubenschlinge kurz vor ihrer Mündung in den Uterus, und des obern Endes des Uterushorns. In der Tube Ei aus ca. 20 Zellen. Tafel IV. Fig. 9. Tubenei in Prophase der Richtungsmitose. 500 x. Fig. 9a.Dasselbe Ei. 1500 x. Fig. 10. Tubenei mit tangentialer Richtungsspindel (Chromosomen un- getheilt). 500 x. Fig. 10a.Die Richtungsspindel desselben Eies. 1500 x. Fig. 10b. Tangentiale Richtungsspindel mit getheilten Chromosomen. 1500 x. Fig. 10e. Richtungsspindel im Beginn der Metakinese. Fig. 10d.2. Richtungsspindel, schräg stehend. Chromosomen ungetheilt; abgestossenes Richtungskörperchen mit einzelnen Chromoso- men, noch kein ruhender Kern. 1500 x. Fig. 11. Ei in der Dyasterphase der ersten Richtungsmitose. Einge- drungener Spermatozoenkopf. 500 x. J. Sobotta: ‚. 11a. Eben eingedrungener Samenfaden. 1500 x. :. 11b.Eingedrungener Samenfaden mit bereits aufgequollenem Kopf. 1500 x. '. 11ec. Stark aufgequollener länglicher Spermatozoenkopf in tangen- tialer Lage. 1500 x. .11d.Ein gleiches Stadium, aber mit starkem „Empfängnisshügel“. 1500 x. '. 11e. Dispiremstadium der 1. Richtungsmitose mit Centralspindel- körperchen. 1500 x. . 11f. Dasselbe Stadium bei der 2. Richtungsmitose. 1500 x. .12. Ei mit eben abgestossenem Richtungskörper. Beginn der Bildung der Vorkerne. 500 x. Fig. 12a. Die Vorkerne desselben Stadiums. 1500 x. Fig Fig Fig Fig Fig Fig Fig Fig Fig Fig Fig Fig Fig Fig Fig Fig Fig Fig Fig Fig Fig .13. Ei mit soeben gebildeten Vorkernen. 500 x. .13a.Die Vorkerne desselben Eies. 1500 x. .14. Ein Spermakern mit grossen Nucleolen. 500 x. . 14a.Die Vorkerne desselben Eies. 1500 X. Tafel V. .15. Ei mit gleich grossen Vorkernen 500x. . 15a. Die Vorkerne in etwas späterer Entwicklung. 1500 x. .15b.Bildung der Chromatinfäden in den Vorkernen. 1500 x. .16. Ei mit Schleifenbildung in den Vorkernen. 500 x. . 16a. Die Kerne 1500 x. .17. Schleifenknäuel mit dem Centrosoma. 500 x. . 17a. Dasselbe 1500 x. . 18. Schleifenknäuel und erste Anlage der 1. Furchungsspindel. 500 x. . 18a. Dasselbe 1500 x. .19. Anlagerung der Schleifen an die Furchungsspindel. 500 x. . 19a. Dasselbe 1500 X. .20. Ei mit erster Furchungsmitose. 500 x. .20a2.Die Mitose desselben Eies. 1500 x. .20b.Die beginnende Metakinese der ersten Furchungsmitose. .21. Ei im Dyasterstadium der ersten Furchungsmitose. 500 x. .21a.Die Mitose desselben Eies. 1500 x. Tafel VI. .22. Ei im Dispiremstadium der ersten Furchungsmitose. 500 x. Fig. 222.Ein Theil desselben Eies 1500 x. Fig. 23. Eben durchgeschnittene Theilungsebene zwischen beiden Fur- chungskugeln. 500 x. Fig. 23a. Theil desselben Eies 1500 x. Fig. 23b.Soeben gebildete Tochterkerne. 1500 x. Fig Fig Fig “24. Ei aus 2 Furchungskugeln mit ruhenden Kernen. 500 x. . 24a. Helle Zone mit Zwischenkörper, zwischen beiden Tochterzellen runde Tochterkerne. 1500 x. .25. Ei aus 2 ungleich grossen Furchungskugeln mit ruhenden Kernen. 500 x. en = Die Befruchtung und Furchung des Eies der Maus. 98 Fig. 26. Ei aus 2 Furchungskugeln, wovon eine in Mitose. 500 x. Fig. 26a. Mitose der einen Furchungskugel, 1500 x. Fig. 27. Ei aus 4 Furchungskugeln, 3 im Schnitt getroffen. 500 x. Fig. 28. Ei aus 8 Furchungskugeln, 5 im Schnitt getroffen. 500 x. Fig. 29. Ei aus 12 Furchungskugeln, Mitose in 2 der Furchungskugeln. 500 x. Fig. 29a.Die Mitose der einen der beiden Furchungskugeln. 1500 x. Fig. 30. Ei aus 20 Zellen; ungleich grosse und helle Furchungskugeln. 500 x. Fig. 31. Unbefruchtetes Tubenei am 3. Tag nach der Ovulation. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslan.) ° Zur Histologie der Speicheldrüsen. Die Speicheldrüsen des Igels. Von Dr. Rudolf Krause. Hierzu Tafel VII und VII. Seit längerer Zeit mit Untersuchungen über den Bau der Speicheldrüsen beschäftigt, erhielt ich auch zufällig solehe vom Igel (Erinaceus europaeus) zur Untersuchung; dieselben zeigten mir so eigenthümliche und interessante Bauverhältnisse, dass ich mich entschloss, sie eingehend zu studiren. Die voluminöseste dieser Drüsen weist eine so merkwürdige Zusammensetzung und Gruppirung ihres secernirenden Epithels auf, dass ihre genaue Beschreibung allein mir schon von grossem Interesse erscheint. Andererseits bot sich mir in der Glandula retrolingualis des Thieres eine reine Schleimdrüse ohne Halbmonde dar, welche in Folge ihrer relativen Grösse dem physiologischen Experinent leicht zugänglich war. Ich habe nur diejenigen Speicheldrüsen des Igels in den Kreis meiner Untersuchung gezogen, deren Secret ich auch rein auffangen und chemisch untersuchen konnte. Von diesem Ge- 94 Rudolf Krause: sichtspunkte aus blieb die Glandula sublingualis gänzlich unbe- rücksichtigt. Bei Durchsicht der Literatur konnte ich mich über- zeugen, dass eine Anzahl von Autoren, welche diese Vorsicht ausser Acht gelassen haben, zu ganz irrigen Schlüssen gelangt sind. Die mikrochemischen Reactionen genügen nicht, wenn es sich um die Frage nach der Natur eines von den Drüsenzellen gelieferten Secrets handelt, sie können höchstens die Diagnose stützen, unerlässlich aber wird immer die chemische Untersuchung des Secretes selbst sein. In der Literatur fand ich ausser einigen ganz unwesentlichen Angaben von Ranvier (34), Hoyer (14), Löwenthal (23) und Mayer (24) über den histologischen Bau dieser Drüsen nur die Arbeit von Kultschizky (17) vor. Wenn der Autor auch eine ganze Anzahl richtiger Beobachtungen mittheilt, so stehen denselben doch ebensoviel ungenaue oder unrichtige Be- merkungen gegenüber. Ueber Veränderungen während der 'Thätig- keit der Drüsen berichtet er gar nichts. Ich habe mich des- halb entschlossen, den ganzen Gegenstand ausführlich und im Zusammenhang zu behandeln. | Ueber die Methode der histologischen Untersuchung kann ich mich kurz fassen, da ich mit wenigen, gleich zu erwähnen- den Abänderungen mich der Technik bediente, welche ich in einer früheren Publieation (16) ausführlich besprochen habe. Ich will nur bemerken, dass ich in der letzten Zeit die nach der Eisenalaun-Hämatoxylinmethode von M. Heidenhain (12, 15) behandelten Präparate mit Rubin S nachfärbe und zwar ein- fach so, dass ich dem zur Entwässerung dienenden Alkohol eine Spur des Farbstoffes zusetze, auf 30 cem 90 proe. Alkohol einen Tropfen einer concentrirten, wässerigen Rubinlösung. Die Präparate verweilen darin einige Minuten und gelangen dann behufs definitiver Entwässerung in absoluten Alkohol. Man er- hält so für meinen Geschmack schönere und prägnantere Bilder, als dureh Vor- oder Nachfärbung mittelst Bordeaux, wenigstens für den vorliegenden Zweck. Ein weiterer Vortheil besteht noch darin, dass das Rubin vor allem ganz intensiv die binde- gewebigen Elemente färbt, welche sich dann in grosser Klar- heit und Präcision hervorheben. | Ferner erscheint es mir sehr empfehlenswerth, der wässe- rigen Hämatoxylinlösung 3—5 Proe. einer 1proc. Lösung von ns _ Zur Histologie der Speicheldrüsen. 95 übermangansaurem Kali zuzusetzen; die Färbung gewinnt dadurch bedeutend an Schärfe. Ausser der Eisenalaun-Hämatoxylinmethode und der gerade für die Untersuchung der Speicheldrüsen sich sehr gut eig- nenden Biondifärbung habe ich dann noch ausgedehnten Ge- brauch gemacht von dem durch Hoyer (14) in die histologische Technik eingeführten Thionin. Ich verfuhr anfangs ganz nach der Vorschrift des genannten Autors, musste aber dabei die unangenehme Erfahrung.machen, dass sich solche Präparate nicht eonserviren liessen weder in Balsam, noch in Glycerin. Weder Hoyer (14), noch Seidenmann (39), welcher nach der- selben Methode arbeitete, thun dieses fatalen Umstandes Er- wähnung. Die prächtige metachromatische Färbung, welche unter anderm auch die Schleimzellen zeigen, verschwindet so- fort, wenn man die Präparate in Alkohol behufs Entwässerung bringt oder sie in Glycerin montirt. Nicoglu (27), welcher denselben Missstand zu beklagen hatte, suchte sich so zu helfen, dass er die Schnitte direet in der Färbeflüssigkeit untersuchte. Nach längerem Probiren ist es mir dann gelungen, eine ge- eignete Conservirungsmethode zu finden. Etwas leidet dabei allerdings die Schönheit und Eleganz der Färbung, aber es ist dadurch doch möglich, auch noch nach längerer Zeit den charakte- ristischen Unterschied zwischen dem blassblaugefärbten Proto- plasma nnd dem rothvioletten Schleim zu demonstriren. Die Schnitte, welehe von in Sublimat fixirten Stücken stammen müssen, ‚gelangen in eine dünne Thioninlösung, 15 bis 20 Tropfen der concentrirten, wässerigen Lösung des Farbstoffs auf 25—30 eem Wasser; hier verbleiben sie so lange, bis die Färbung die gewünschte Intensität angenommen hat, was nach 10—15 Minuten einzutreten pflegt. Dann werden sie für 2—3 Minuten in eine concentrirte, wässerige Lösung von Ferrocyan- kalium gebracht, in Wasser abgespült und in bekannter Weise in Alkohol entwässert und in Balsam montirt. In der Forroeyan- kaliumlösung verwandelt sich das Rothviolett der Schleimzellen mehr in reines Roth; bei der nachfolgenden Alkoholbehandlung geht ein Theil des Farbstoffes verloren, und man beschränke deshalb den Aufenthalt im Alkohol soviel als möglich. Auch die Behandlung mittels der Golgi’schen, raschen Metliode habe ich vielfach verwendet und dadurch häufig, wenig- 95 Rudolf Krause: stens was die Verbreitung der Seeretionscapillaren und der Nerven anbetrifft, recht instructive Bilder erhalten. Topographie der Drüsen. Ranvier (34) beschreibt in seiner anatomischen Dar- stellung der Unterkieferdrüsen auch die des Igels. Er fand hier zwei Drüsen, von denen er die äussere, etwas kleinere Schleim- drüse als Glandula retrolingualis, die innere, grössere, seröse Drüse als Glandula submaxillaris bezeichnet. Jede der beiden Drüsen hat ihren eigenen Ausführungsgang; beide Gänge legen sich eng aneinander und ziehen zusammen über den Muse. diga- strieus und mylohyoideus hin zum Boden der Mundhöhle. Zum- stein (42) hat sich im seiner Monographie diesen Angaben völlig angeschlossen. Ganz anders dagegen ist die Darstellung Löwenthal’s (23). In einer vor Kurzem erschienenen Arbeit spricht er nur von einer Drüse, welche aus einem kleineren, wesentlich mucösen und einem grösseren Lappen von gemischtem Bau bestehen soll; beide haben nur einen einzigen Ausführungs- gang. Kultschizky beschreibt zwei Drüsen, welche sich jedoch grob anatomisch nicht trennen lassen; von den Ausführungs- gängen erwähnt er nichts. Obgleich ich überzeugt bin, dass man mit der rein topogra- phisch-anatomischen Benennung der Speicheldrüsen einen Fehl- griff gethan hat, will ich mich doch der von Ranvier (34) eingeführten Nomenelatur anschliessen und für die mucöse Drüse den Namen der Glandula retrolingualis acceptiren, nur kann ich mich mit der anatomischen Darstellung des berühmten Forschers nicht in allen Stücken einverstanden erklären; ich habe ungefähr 20 Thiere untersucht und niemals die Ranvier sche Be- schreibung bestätigen können. Wenn man die Unterkieferdrüsen freigelegt hat, so sieht man zunächst nur eine einzige Drüse, die Glandula submaxillaris vor sich; erst dann, wenn man ihren inneren Rand etwas nach aussen schlägt, gewahrt man die Glandula retrolingualis. Die- selbe ist wesentlich kleiner, meist nur halb so gross, als die Glandula submaxillaris und liegt niemals lateral, sondern immer median, dorsal und etwas caudal von der letzteren. Sie lässt sich durch grob anatomische Präparation mit Leichtigkeit von jener trennen und zeigt im Gegensatz zu.ihr ein mehr opakgraues Aussehen. Zur Histologie der Speicheldrüsen. 97 Jede der beiden Drüsen hat, wie man unschwer erkennen kann, ihren eigenen Ausführungsgang. Nach aussen an die Submaxillaris stösst die Parotis, welche in der Grösse der ersteren gleichkommt, oder sie sogar um ein Geringes übertrifft. Sie stellt beim Igel zum Unterschied von den meisten mir bekannten Thieren eine compaete, einheitliche Drüsenmasse dar. Ihr Ausführungsgang, gewöhnlich von einem lang ausgezogenen Zipfel der Drüse begleitet, tritt an dem hinteren Drüsenende hervor und verläuft quer über dem Muse. masseter. Figur 1 ist nach einem frischen Präparat gezeichnet, an dem nichts von dem ursprünglichen Drüsensitus geändert ist, Lymphdrüse. nur der innere Rand der N Submaxillaris musste et- Fee was nach aussen gelegt werden, um die Lage der a Retrolingualis zur An- schauung zu bringen. Nach diesen einlei- tenden Bemerkungen ge- he ich zur histologischen Beschreibung der drei Drüsen über. Glandula retrolingualis. Die Retrolingualis des Igels ist eine reine Schleimdrüse, welche niemals halbmondartige Bildungen enthält, wie schon von Kultschizky (17) angegeben worden it. Mayer (24) scheint sie zwar zu den Schleimdrüsen mit Halbmonden zu rechnen, Jedoch ohne allen Grund. Es können sich ja nicht selten proto- plasmatische Zellen, von welchen später noch eingehend gehandelt werden soll, an dem Endstück eines Tubulus zusammendrängen und bei oberflächlicher Beobachtung einen Halbmond vortäuschen; mit den echten Lunulis jedoch, wie wir sie z. B. in der Sub- maxillaris des Hundes finden, können derartige zufällige Bildungen nicht verglichen werden. Die Drüse ist im Wesentlichen eine verzweigt tubulöse, doch ist dieser Typus durchaus nicht streng durchgeführt. Nicht Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 7 98 Rudolf Krause: selten sieht man, dass das Endstück eines Tubulus ein erheblich erweitertes Lumen hat. Ja ich habe zu wiederholten Malen beobachten können, dass einem kleinen Ausführungsgang seitlich direct ein Schleimalveolus ansass, genau so, wie die Lungen- alveole seitlich an dem Alveolargang sitzt. Die gröberen Ausführungsgänge und in Sonderheit der Ductus retrolingualis sind ausgekleidet mit einem mehrschichtigen Cylinderepithel, unter den hohen Cylinderzellen finden sich ein oder zwei Lager eubischer oder platter Zellen. Zwischen den eylindrischen Epithelzellen trifft man, vor allem in dem Hauptausführungsgang zahlreiche Becherzellen. Die Schleimhaut dieses Ganges bildet stark in das Lumen vorspringende Falten und Leisten, deren Gipfel fast immer von Becherzellen eingenommen wird. Das Ganglumen wird dadurch in einer für das physiologische Experiment recht unangenehmen Weise stark verengt. Dieses mehrschiehtige Epithel geht innerhalb der Drüse selbst sehr bald in ein einschichtiges Stäbchenepithel über. Seine Zellen besitzen einen dem Lumen zugekehrten, anscheinend homo- genen Abschnitt und eine peripher gelegene Schicht, welche selbst bei schwächeren Vergrösserungen schon eine deutliche radiäre Streifung erkennen lässt. Untersucht man diese Zellen genauer mit guten Immersionssystemen, so sicht man, dass die radiäre Streifung herrührt von Körnchen, welche perlschnur- artig aneinander gereiht sind. Am besten kann man diese distineten Körnehen erkennen in Präparaten, welche mit Eisen- alaun-Hämatoxylin behandelt sind, während die Biondifärbung viel seltener eine so feine Differenzirung zu Stande bringt. Die Körnehen können auch so dicht liegen, dass sie in ihrer Ge- sammtheit, besonders an nicht allzu dünnen Schnitten, den Ein- druck homogener Stäbehen machen. Unter gewissen Bedingungen scheint es sogar zu einer wirklichen Verschmelzung zu kommen, so dass sich jedes Stäbchen aus länglichen Theilstücken zu- sammensetzt. Da, wo die Körnchen nicht so dicht liegen, kann man ausser ihnen noch ein Netzwerk feinster Protoplasmafäden er- kennen, dessen Maschen in radiärer Richtung in die Länge ge- zogen sind und in dessen Knotenpunkten immer je ein Körn- chen liegt. Ich habe die Structur dieser Stäbehenepithelien auch in den Speicheldrüsen anderer Thiere untersucht, so bei Hund, Zur Histologie der Speicheldrüsen. 99 Katze, Kaninchen, Meerschweinchen, Ratte und Maulwurf, und habe immer den gleichen Bau vorgefunden. Am schönsten lassen sich die Verhältnisse in der Submaxillaris vom Meerschweinchen und der Ratte und der später noch zu erwähnenden Parotis des Igels demonstriren, nur müssen die Schnitte recht fein, höchstens 5 u diek sein. Etwas ähnliches ist übrigens früher schon von Rothstein (37) für die Stäbchenepithelien der Niere nach- gewiesen worden. Der gut ausgebildete grosse Kern liegt immer an dem Uebergang der Stäbchenzone in die mehr homogene oder fein granulirt erscheinende Innenschicht. Je enger die Gänge, desto niederer werden die sie aus- kleidenden Zellen, bis schliesslich die Stäbehenzellen in die ein- fachen eubischen Zellen des Sehaltstücks übergehen. Die Zellen dieses Abschnitts lassen besondere, erwähnenswerthe Merkmale kaum erkennen, sie besitzen einen verhältnissmässig grossen Kern, der nicht selten den grössten Theil der Zelle einnimmt; das Protoplasma erscheint entweder ganz homogen oder fein granulirtt. Das Schaltstück ist in der Retrolingualis ziemlich kurz, das Lumen eng und mündet direet in den mit Schleim- zellen ausgekleideten Tubulus. Die letzten Zellen schieben sich constant über die ersten Schleimzellen hinaus; immer ist die letzte Zelle stark in die Länge gezogen und ragt mit einem feinen Zipfel ziemlich weit in den Schleimtubulus hinein. Den Zellen des Schaltstücks in der Submaxillaris des Hundes schreibt Merkel (25) eine secretorische Funetion zu, sie sollen die Wasserabsonderung besorgen. Abgesehen davon, dass der Autor für jene Hypothese auch nicht den Schatten eines Be- weises beibringt, habe ich niemals, weder in der Retrolingualis des Igels, noch in der Submaxillaris des Hundes bei meinen zahlreichen Versuchen die Spur einer secretorischen Verände- rung an diesen Zellen entdecken können, welche ja im übrigen auch völlig den Typus eines indifferenten Uebergangsepithels re- präsentiren. Die ersten Zellen des Schleimtubulus zeigen niemals einen ausgeprägt schleimigen Charakter, sondern enthalten immer noch in grösserer Menge. normal färbbares Protoplasma. Es findet erst allmählich ein Uebergang in die ausgebildeten Schleimzellen statt und man hat den Eindruck, als ob von hier aus ein Nach- 100 Rudolf Kraüse: schub für die etwa bei der Seeretion zu Grunde gehenden Zellen stattfinde. Die Schleimzellen der Retrolingualis haben im Allgemeinen eine eylindrische oder kegelförmige Gestalt, im letzteren Fall sieht dann das breitere Ende meist nach dem Lumen, das schmalere liegt der Membrana propria an. An dem letzteren kann ein flügelförmiger Fortsatz sitzen, der oft in rechtem Winkel von der Axe des Zellkörpers abbiegt. Derselbe ist niemals ver- schleimt, sondern enthält färbbares Protoplasma, in welches der Kern eingelagert ist. Der Kern zeigt die ja schon so oft beschriebenen Eigen- thümlichkeiten des Schleimzellenkerns. Er ist klein, von un- regelmässiger Gestalt, oft zackig ausgezogen oder stark abge- plattet, im Durchschnitt strichförmig. Durch die starke Volum- reduction nimmt das Chromatin nahezu oder vollständig den Kernraum ein, sodass in guten Kernfarben die ganze Masse des Kerns intensiv gefärbt erscheint, ohne dass sich eine Differen- zirung seiner chromatischen Substanz erzielen lässt. Jede Schleimzelle zeigt ein ausserordentlich deutliches Netz- werk, welches in basischen Anilinfarben und Hämatoxylin leicht darstellbar ist, ausserdem aber auch in der frischen Zelle ohne jede Zusatzflüssigkeit zu schen ist. Sehr elegant präsentirt es sich an isolirten Zellen, welche in Jodserum macerirt und mit ganz dünner Lösung von Böhmer ’schem oder Delafield- schem Hämatoxylin gefärbt wurden. Ich muss mich ganz ent- schieden gegen die Anschauung von Beermann (1), Rawitz (36) und Anderen wenden, welche dieses Netzwerk kurzer Hand für ein Gerinnungsprodukt des Schleims erklären. Es zeigt sich nicht nur in der seeretgefüllten, sondern auch in der seeret- leeren Zelle, nur sind die Färbungsverhältnisse in beiden Fällen verschieden. Es handelt sich im beiden Fällen in der Haupt- sache um weiter nichts, als das den Zellkörper durchziehende Protoplasmanetz. Hat die Zelle in den Maschen ihres Proto- plasmas Schleim aufgespeichert, so ändert sich dadureh das Färbungsvermögen des ersteren so, dass es sich nım energisch in basischen Farbstoffen färbt. Auf diesen Punkt werde ich noch einmal bei der Besprechung des Secretionsvorganges in der Retrolingualis zurückzukommen haben. Einen Porus für den Austritt des Schleims, wie ihn Lav- Zur Histologie der Speicheldrüsen. 101 dowsky (20) undSchiefferdeeker (38) in den Speichel- drüsen des Hundes beschrieben haben, konnte ich an den Schleim- zellen der Retrolingualis des Igels niemals beobachten. Ausser diesen exquisiten Schleimzellen enthalten die secer- nirenden Tubuli jedoch auch noch Zellen von ganz anderem Charakter. Häufig kann man beobachten, dass mitten zwischen die Schleimzellen sich andere Zellen einschieben, ihr Körper wird gebildet von einem gut gefärbten protoplasmatischen Netz- werk, in dessen Maschen sich intensiv tingirende Granula liegen. Zahl und Grösse dieser Körnehen sind sehr verschieden. In ihrem Aussehen erinnern diese Gebilde an die vonNussbaum (30) in den Pylorusdrüsen beschriebenen Zellen, deren Granula sich durch Osmiumbehandlung schwärzen. Andere Zellen ent- halten wohl ein gut gefärbtes Protoplasmanetz, aber keine Körn- chen. Wieder andere Zellen zeigen nur im ihrem peripheren Theil normal gefärbtes Protoplasma, während der centrale Theil schleimigen Charakter erkennen lässt. In allen diesen Fällen enthält der periphere Abschnitt der Zellen einen ovalen oder rundlichen Kern mit gut entwickeltem Chromatingerüst. Es war a priori höchst wahrscheinlich, dass zwischen diesen Zellen und den reinen Schleimzellen funetionelle Be- ziehungen bestehen. Um denselben näher zu kommen, wurde eine grössere Anzahl von Reizungs-, Fütterungs- und Hungerver- suchen angestellt. Durch Nahrungsentziehung eine Drüse in völlige Unthätig- keit zu versetzen, wird schwer oder ganz unmöglich sem; beim Igel scheint das aber ganz besonders schwer zu sen. Brehm erwähnt gelegentlich seiner Beschreibung der Lebensweise un- seres Thieres, dass der Igel beim Umherlaufen fortwährend Speichel lasse, um seine Fährte wieder zu finden. Ohne irgend- wie für die Richtigkeit dieser Angabe eintreten zu wollen, konnte ich doch bemerken, dass die Thiere selbst nach fünf- bis sechs- tägigem Hungern noch speichelten und deutliche Spuren davon auf dem Boden des Käfigs hinterliessen. Durch Hungern allein war also hier nicht weiter zu kommen. Bessere Resultate schon erhielt ich durch subeutane Applieation von Atropin. Die völlige Ruhestellung der Drüse gelang jedoch erst dadurch, dass ich Thiere, welche ich im Spätherbst erhielt, künstlich in Winterschlaf versetzte, indem ich sie in einer Kiste, gut in Heu 102 Rudolf Krause: verpackt, in den Eisschrank brachte. Nachdem die Thiere hier 14 Tage bis drei Wochen verweilt, schien die Secretion voll- ständig zu stoeken, die Mundhöhle war völlig trocken. In diesem Zustand ist das T'hier ausserordentlich resistent gegen Chloro- form, es kann stundenlang unter einer Glocke in Chloroform- dämpfen liegen, ohne dass eine Erschlaffung der Muskulatur oder gar der Tod eintritt. Zur Operation musste das zusammenge- kugelte Thier mit grösster Kraftanstrengung gestreckt werden. Dagegen erträgt der Igel die Dämpfe von reinem Chioroform unter normalen Umständen nicht lange ohne bedenkliche Er- scheinungen. Die Retrolingualis eines solehen winterschlafenden Thieres zeigte nun mikroskopisch fast ausschliesslich reine Schleimzellen; die protoplasmatischen Zellen waren vollständig oder doch bis auf ein Minimum verschwunden. Im einer grossen Anzahl von Schnitten fanden sie sich überhaupt nicht. Füttert man dagegen ein Thier reichlich mit zähem, sehnigem Fleisch und tötet es noch während oder kurz nach dem Fressen, so findet man die beregten Zellen ganz ausserordentlich häufig; nicht selten sieht man ganze Complexe von Tubulis aus proto- plasmatischen, theilweise körnchenhaltigen Zellen zusammenge- setzt. Alle Uebergänge zwischen ihnen und den reinen Schleim- zellen lassen sich leicht beobachten. Es konnte demnach keinem Zweifel unterliegen, dass wir es in den protoplasmatischen Zellen mit Schleimzellen zu thun haben, welche ihr Secretionsproduet, den Schleim, ganz oder theilweise entleert haben. Von hervorragendem Interesse muss nun für unsere Be- trachtung die Frage sein, welcher Natur sind die in den proto- plasmatischen Zellen gefundenen Körnchen und wie erklärt sich ihr Vorkommen in den einen, ihr Fehlen in den andern Zellen. In dieser Beziehung waren für mich die unlängst publieirten Untersuchungen von Fischer (4) ausserordentlich lehrreich; dieselben sind in unserm Institut von Herrn stud. Sauer nach- geprüft und auf eine grössere Anzahl von Fixationsmitteln aus- gedehnt worden und ergaben die volle Bestätigung der Fischer- schen Befunde. Jener Forscher imbibirte die Zellen des Hollunder- marks mit Lösungen von Eiweisskörpern verschiedener Zusammen- setzung und Concentration. Fixirte er nun die Stücke in dem Altmann ’schen Osmium-Bichromatgemisch, so zeigten sich die Zur Histologie der Speicheldrüsen. 103 Hollundermarkzellen je nach der Concentration der Eiweiss- lösung mit feineren oder gröberen Granulis angefüllt. Ganz denselben Effeet kann man, wie wir hier beobachtet haben, er- zielen dureh Fixation in Sublimat oder Salpetersäure. Wir haben natürlich in diesen Granulis nichts anderes zu schen als Kunst- producte, entstanden bei der Fällung der gelösten Eiweisskörper durch die Fixationsmittel. Je concentrirter die Eiweisslösung ist, desto dieker fallen die Granula aus, gar nicht selten auch sieht man sie durch feine Stränge mit einander verbunden. Diese Beob- achtungen müssen uns zur grössten Vorsicht ermahnen bei der Beurtheilung der Bilder, welehe fixirte Präparate liefern. Untersucht man die Zellen einer thätigen Retrolingualis frisch in Amnios- oder Glaskörperflüssigkeit, so sieht man von solehen körnehenhaltigen Zellen nichts, wohl aber in den Schleim- zellen überall an dünnen Schnitten ausser den zahlreichen Schleim- tropfen Netzstructuren; auch die Körnchen in den Stäbchenepi- thelien lassen sich frisch recht wohl beobachten und müssen dem- gemäss für präexistente Bildungen angesehen werden. Dasselbe Resultat liefert die Maceration in Jodserum. Das Zustande- kommen der Körnchenbilder nun glaube ich mir folgendermaassen erklären zu müssen. Wenn die Zelle während ihrer secretorischen Thätigkeit den Schleim ausgestossen hat, so rückt von dem an- grenzenden Lymphraum her ein eiweisshaltiges Seeretionsmaterial in die Maschen ihres Protoplasmas ‘ein und wird hier in Form feiner Granula durch Fixationsmittel ausgefällt. Durch die Thätigkeit des Zellprotoplasmas findet zunächst eine Eindiekung der Eiweisslösung statt, was sich durch Auftreten gröberer Granula manifestirt. Schliesslich erfolgt dann die Umwandlung in Schleim oder schleimartige Substanz, welche durch Fixations- mittel nieht mehr granulär ausgefällt wird. Diese Umwandlung könnte entweder in den Maschen selbst vor sich gehen oder das Protoplasma nimmt das Secretionsmaterial in seine Substanz selbst auf und stösst das umgewandelte Product in die Maschen aus. Beide Möglichkeiten sind denkbar. Dabei wird natür- lich ein Theil des Materials zur Ernährung des Protoplasmas selbst verbraucht werden. Sehr häufig trifft man die erwähnten feinen Granula in den Lymphräumen an, auch hier aus der eiweiss- haltigen Flüssigkeit ausgefällt. Wie man sieht, spielt bei diesem Bildungsprozess des Mueins 104 Rudolf Krause: das Protoplasma der Zelle eine rein active Rolle. Ich konnte bei der Durchsicht meiner Präparate wenigstens niemals die Ueberzeugung gewinnen, dass eine direete Umwandlung des Zellprotoplasmas in Schleim stattfinde; nach meiner Ueberzeugung geht dasselbe aus dem ganzen Secretionsprozess völlig intact hervor. Damit soll selbstverständlich nicht gesagt sein, dass es eine unbegrenzte Lebensdauer hat, auch die Schleimzelle wird, wie jede andere Zelle nach einer kürzeren oder längeren Thätig- keit dem Zelltod verfallen, und ihre Trümmer können dann auch, aus dem Zellverband ausgestossen, in das Secret übergehen. Hat die Zelle einmal ihre relative Ruhelage erreicht, d. h. sind die Maschen ihres Protoplasmas mit Schleim gefüllt, so be- sinnt unter gewissen äusseren Reizen die Ausstossung des Schleims, die ruhende Schleimzelle tritt in die secretorische Phase ein, sie wird thätig. Stöhr (40) hat in seiner Arbeit über Schleimdrüsen unter Benutzung sogen. speeifischer Schleimfärbungsmethoden folgende Umwandlungsstadien der Schleimzellen in der Submaxillaris des Hundes beschrieben: 1. Die seeretleere Zelle ist schmal, durchaus ungefärbt, hell, der Kern rundlich oval und so an der Basis der Zelle ge- lagert, dass seine Längsachse quer zur Längsachse der Zelle steht. 2. Die muceigenhaltige Zelle, ebenfalls ungefärbt, zeichnet sich aber durch grössere Breite aus und enthält einen mehr platten Kern. 3. Die mucinbildende Zelle, ebenso wie die vorige, nur hat sie einen leicht blauen Ton angenommen, der durch alle Ueber- gangsstufen hinüberführt zur 4. mueinhaltigen Zelle, die sich von der vorigen nur durch das intensiv gefärbte Schleimreticulum unterscheidet. 5. Die muceinentleerende Zelle, von tief dunkler Farbe, Kern platt. Gestalt der Zelle dreiseitig, wenn die Nachbarzellen sich in anderen Funetionsstadien befinden. Diese Reihenfolge der Secretionsstadien muss nach meinen Befunden, vorläufig wenigstens, nur für die Retrolingualis des Igels in folgender Weise modifieirt werden): 1) Ich beziehe mich dabei auf die Behandlung von in Sublimat fixirten Schnitten mit Biondilösung, welche eine ausgezeichnete Diffe- renzirung der einzelnen Stadien bewirkt. > E Zur Histologie der Speicheldrüsen. 105 1. Die secretleere, eiweisshaltige Zelle besitzt ein sehr deutliches, roth gefärbtes Protoplasmanetz, in dessen Maschen feine ebenfalls roth gefärbte Granula liegen. Der ovale oder rundliche Kern zeigt ein blaugrünes Chromatingerüst mit rothen Nueleolen, er liegt in der Nähe der Membr. propria. Die Grösse der Zellen ist sehr variabel, doch sind sie meist kleiner, als die reinen Schleimzellen. Ihre Form nähert sich am meisten der Cylinderzelle. 2. Die Mucigen oder eine andere Vorstufe des Schleims enthaltende Zelle besitzt genau dasselbe roth gefärbte Protoplasma- netz, wie die vorige, nur sind die in den Maschen enthaltenen Granula bedeutend grösser. Der Kern verhält sich in Bezug auf Form und Färbungsvermögen genau wie vorher; auch seine Lage ist im Grossen und Ganzen dieselbe geblieben, nicht selten jedoch findet er sich auch mitten in der Zelle. 3. Die mueinbildende Zelle charakterisirt sich vor allem durch das Fehlen der Granula. An einzelnen Stellen zeigt das im Uebrigen noch roth gefärbte Protoplasma deutliche Blaufärbung. Meistens beginnt die Schleimbildung an dem peripheren Ende der Zelle, in der Nähe des Kerns. Der letztere ist mehr oval geworden, seine Längsachse steht senkrecht zu der der Zelle; sein Chromatingerüst wird undeutlich, klumpig. 4. Die mueinhaltige Zelle besitzt ein blau gefärbtes Proto- plasmanetz, welches den ganzen Zellleib durchsetzt, seine Maschen sind in den meisten Fällen weiter geworden, was auf eine Zu- nahme der in sie eingelagerten Substanz schliessen lässt. Nur in dem Flügelfortsatz der Zelle und in der unmittelbaren Nähe des Kerns ist noch roth gefärbtes Protoplasma nachweissbar. Der Kern selbst zeigt eine völlig unregelmässige, zackige Form; nicht selten ist er im optischen Querschnitt strichförmig, unmittelbar der Membr. propria angelagert. In Folge der starken Volum- verkleinerung erfüllt das Chromatin den ganzen Kernraum als undiffereneirte Masse; Kernkörperchen sind nicht mehr zu er kennen. 5. Die mueinentleerende, thätige Zelle schliesst den Cirkel und bildet das Uebergangsstadium zu No 1. Die Menge des roth gefärbten Protoplasmas wächst von der Kerngegend aus nach dem Drüsenlumen zu fortschreitend, womit selbstverständlich eine entsprechende Abnahme des blau gefärbten Protoplasmas 106 Rudolf Krause: Hand in Hand geht. Der Kern nimmt eine mehr regelmässige, ovale Form an, sein Chromatingerüst differeneirt sich, die Nu- eleolen werden sichtbar. Man wird aus dem Vorstehenden ersehen, dass es uns nicht allein möglich ist, die einzelnen Phasen der seeretorischen Thätigkeit der Schleimzelle im mikroskopischen Präparat fixirt zu sehen, sondern auch die in der Zellruhe vor sich gehenden Prozesse der Aufnahme und Umbildung des Seeretionsmaterials, bis zu einem gewissen Grade wenigstens, aus dem geeignet be- handelten mikroskopischen Präparat abzulesen. Bei der Schilderung der seeretorischen Veränderungen der Schleimzellen habe ich mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass man in dem Kern der Mueinzelle nichts mehr von den Nucleolen entdecken kann. Das kann man sich ja ohne weiteres dadurch erklären, dass das sich zusammenballende Chromatin die Kern- körperchen einschliesst und verdeckt. Doch lässt sich auch noch eine andere Erklärung für dieses Verschwinden geben. In neuerer Zeit mehren sich die Beobachtungen von der Ausstossung der Nucleolen aus dem Kern; dieser den Botanikern geläufige Vorgang wurde von Gaule (9) und Ogata (31) zuerst bei der seceretorischen Thätigkeit der Pankreaszelle beobachtet und beschrieben, ist aber dann später von Platner (32) angegriffen worden. Nach den kürzlich erschienenen Untersuchungen von Ver Ecke (4) scheint aller- dings ein derartiger Vorgang sich in gewissen Zellen unzweifelhaft abzuspielen; auch ich konnte. dasselbe in der Parotis des Hundes beobachten. Dass in den Schleimdrüsen etwas ähnliches vorkommt, erscheint mir sehr unwahrscheinlich, doch lässt sich auf Grund einzelner Beobachtungen die Möglichkeit nicht ganz von der Hand weisen. Für das Verschwinden der Nucleolen allein genügt ja die oben gegebene Erklärung vollständig. Wie Heidenhain(11) und Lavdowsky (20) schon vor Jahren beobachtet und beschrieben, undFrenkel(7) kürzlich als etwas ganz Neues wieder berichtet hat, findet man in den Lymph- räumen und dem interlobulären Bindegewebe der gereizten Speichel- drüsen massenhaft Leueoeyten, deren Zellleib mit zahlreichen Körnchen durehsetzt ist. Die letzteren färben sich intensiv mit sauren Farbstoffen. Ich habe solche Zellen auch in den Speichel- drüsen des Igels beobachtet und kann folgendes darüber berichten. Färbt man Schnitte einer ruhenden Retrolingualis mit Thionin, ‚Zur Histologie der Speicheldrüsen. 107 so findet man ziemlich häufig in dem die Tubuli und besonders die stärkeren Ausführungsgänge umgebenden Bindegewebe, dann aber auch in den Lymphräumen, eng den Schleimtubulis ange- schmiegt, Zellen mit grossen blauen Kernen, deren ganz leicht blau gefärbter Zellleib eine grössere Anzahl feinerer oder gröberer, intensiv metachromatisch roth gefärbter Granulis enthält. Nicht selten findet man in dem interlobulären Gewebe eine ganze An- zahl soleher Zellen in Form eines längeren Streifen hinter ein- ander gelagert. Am häufigsten kommen sie vor in der ruhenden Parotis, weniger zahlreich in der Submaxillaris und Retrolin- gualis. Die Körnehen dieser Zellen färben sich metachromatisch in Thionin und zeigen überhaupt eine starke Affinität zu basi- schen Farbstoffen, vor allem zu Dahlia. Wenn wir der Nomen- elatur von Ehrlich (5) folgen, so müssen wir sie also ihrem färberischen Verhalten nach als Mastzellen bezeichnen. In gereizten Drüsen dagegen findet man diese Mastzellen ausserordentlich selten, man kann oft mehrere Schnitte durch- mustern, ohne eine einzige zu entdecken. Dagegen trifft man, besonders in der Retrolingualis, in den Lymphräumen und dem interlobulären Bindegewebe massenhaft Zellen, welche in Bezug auf Grösse und Form von Kern und Zellleib den vorigen recht ähnlich sind, aber keine basophilen Granula enthalten. Der Zell- körper färbt sich in Thionin unregelmässig blau. Behandelt man dagegen die Sehnitte mit Biondilösung, so kommen intensiv roth gefärbte Granula zum Vorschein, dieselben haben also aus dem Farbgemisch den rothen Farbstoff aufgenommen. Wir müssen dieselben als acidophile Leueocyten bezeichnen. Ob zwischen den beiden Zellarten ein Zusammenhang besteht, vermag ich nicht zu sagen. Möglich ist, dass die acidophilen Leueocyten bei der secretorischen Thätigkeit der Drüsen eine Rolle spielen. Ich traf sie am häufigsten in der Nähe soleher Tubuli, deren Zellen entweder im Begriff waren ihren Schleim auszustossen, oder mit der Aufnahme und Umbildung von Seeretionsmaterial beschäftigt waren. Gar oft konnte man beobachten, wie sie sich in die zwischen den Endstücken eines Tubulus gelegenen engen Lymphspalten förmlich hineinpressten. Zu meinem Bedauern muss ich gestehen, dass es mir bis jetzt nicht möglich war, etwas Näheres über das Schieksal dieser höchst interessanten Gebilde zu ermitteln! 108 Rudolf Krause: Ich wende mich nun zur Besprechung eines noch sehr strittigen Punktes, nämlich der des Netzes in den Schleimzellen. Dasselbe, zuerst von v. Ebner (3) beschrieben, hat bei den verschiedenen Beobachtern eine sehr verschiedene Beurtheilung erfahren. Während Klein (15) und List (22) das Netzwerk als reine Filarmasse auffassen, bezeichnet Schiefferdeceker (38) dasselbe als Modification des früheren Netzwerks der Zelle und giebt ihm den Namen der „retieulären Substanz“. Stöhr (40) hat dann, um der Confusion auf diesem Gebiete vorzubeugen, einen weiteren neuen Namen eingeführt. Er adoptirt für das in der fixirten Zelle mit schleimfärbenden Mitteln darstellbare Netzwerk den AusdruckSchiefferdecker’'s, retieuläre Sub- stanz, das in der frischen Zelle sichtbare Netzwerk dagegen be- zeichnet er als „Zellsubstanznetz“. „Das Netz der frischen Becher- zelle besteht aus Zellsubstanz und diese färbt sich bekanntlich wenig oder gar nicht; das Netz der fixirten Becherzellen dagegen ist Zellsubstanz und Secret, Schleim, welcher durch die, eine Gerinnung bewirkenden Reagentien sich an dem Zellsubstanznetz niedergeschlagen hat und sich lebhaft färbt. Der gefärbte Schleim deckt aber die Balken des ungefärbten Zellsubstanznetzes derart, dass sie nicht mehr wahrgenommen werden können.“ Rawitz (36) hat dann in letzter Zeit seine Ansicht über den fraglichen Streitpunkt in folgenden Worten zusammengefasst: „Die muein- haltige Zelle erscheint ganz durchsichtig und leicht glänzend, in dem vom Secret eingenommenen Theile ist eine Struetur bei gut fixirtem Materiale nieht zu sehen. Die vielfach beschriebenen, netzförmigen Zeichnungen in solchen Drüsenzellen sind durchaus artificieller Natur, sie stellen nichts weiter als ungleichmässige Gerinnungen des Zellinhalts dar.“ Dass die hier mitgetheilten Anschauungen des letztgenannten Autors durchaus unhaltbar sind und den thätsächlichen Ver- hältnissen nicht im mindesten entsprechen, wird ohne weiteres Jeder zugeben, der sich auch uur vorübergehend mit diesem Gegen- stand beschäftigt hat. Ich kann mich im Allgemeinen der von Stöhr gegebenen Darstellung anschliessen. Färbt man gut fixirte Schnitte mit Dahlia, Anilingrün oder Thionin, so erhält man ein die ganze Zelle durchziehendes sehr grobbalkiges und engmaschiges Netzwerk, welches besteht aus dem ursprünglichen Protoplasmanetz und dem auf die Protoplasmafäden niederge- Zur Histologie der Speicheldrüsen. 169 schlagenen Schleim. Dass dem wirklich so ist, kann man erkennen, wenn man Schnitte von unthätigen Schleimdrüsen in Biondi- lösung färbt. Hier sieht man, wie das roth gefärbte Proto- plasma der peripheren Zellabsehnitte unmittelbar übergeht in das blau gefärbte Netzwerk des verschleimten Theils. Die Balken des letzteren fallen hier niemals so diek aus, als wenn man z.B. in Dahlia färbt und das rührt daher, dass das Methylgrün nicht die auf das Protoplasmanetzwerk niedergeschlagenen Schleim- massen färbt, sondern nur das erstere allein. Ich will hier nochmals betonen, was schon früher hervorgehoben wurde, dass es mir niemals möglich gewesen ist zu beobachten, dass proto- plasmatische Theile der Zelle ausgestossen werden und sich erst später in Schleim verwandeln. Das Protoplasma der Schleim- zellen in der Retrolingualis bleibt bei dem ganzen Secretions- vorgang intact. Die in dem Lumen der Gänge anzutreffenden netz- oder fadenförmigen Massen bestehen nur aus Schleim, welcher auch hier ganz ähnliche Gerinnungsbilder liefert, wie in den Zellen selbst. Ueber den Seeretionsvorgang äussert sich Stöhr (40) fol- gendermaassen : „Die Seeretbildung geht bei vielen Drüsenzellen, besonders bei den Schleimdrüsenzellen, in der Weise vor sich, dass viele Vacuolen entstehen, welche mit einer schleimwerdenden (mueigenen) oder schon schleimigen (muecösen) Flüssigkeit ge- füllt sind. Durch diese Vacuolen wird die Zellsubstanz, indem sie den Raum zwischen den Vacuolen ausfüllt, gezwungen, die Form eines Netzes anzunehmen.“ Es ist in letzter Zeit eine in vieler Beziehung einen ähnlichen Standpunkt vertretende Ar- beit von Ranvier (35) erschienen. Der berühmte Histologe beschreibt darin gleichfalls Vaeuolen, sie sollen aber nur Wasser enthalten. Bei der Seeretion platzen die Vaeuolen, und ihr In- halt bildet mit dem in der Drüsenzelle enthaltenen Mueigen das Muein. Ich habe niemals, weder in frischen noch in gut conser- virten Schleimzellen Vacuolen beobachten können und muss ihr Zustandekommen nur auf mangelhafte Untersuchungsmethoden zurückführen. Untersucht man die Zellen frisch in Glaskörper- flüssigkeit, so sieht man sie erfüllt mit Schleimtropfen, welche ‚bei Druck auf das Deckglas austreten und das protoplasmatische Netzwerk dann hervortreten lassen. Untersucht man die Schnitte einer thätigen Retrolingualis 110 Rudolf Krause: genau mit starken Immersionssystemen, so findet man, dass gar nicht selten von dem Lumen des Drüsentubulus feine Canälchen abzweigen und in die Drüsenzellen selbst eindringen, sie be- sitzen eine distinet gefärbte Wand, welche mit dem Protoplasma- netz der Zellen in Verbindung’ steht, d. h. die Protoplasmastränge gchen in die Wand des Canälchens über und helfen sie formiren. Ihr Verhalten innerhalb der Zellen zeigt nur geringe Verschieden- heiten, oft laufen sie fast gradlinig von dem Drüsenlumen aus bis in die nächste Nähe des Kerns; in den meisten Fällen je- doch durchsetzen sie den Zellkörper in vielfachen Windungen und Krümmungen. Immer endigen sie blind in der Zelle selbst. Zuerst fielen mir diese Canälchen auf in den protoplasma- tischen Zellen gereizter Retrolingualisdrüsen und zwar in Prä- paraten, welche mit Eisenalaun-Hämatoxylin behandelt und mit Bordeaux vorgefärbt waren. Und das hatte seinen Grund darin, dass das helle Canälchen hier sehr gut von dem roth gefärbten Protoplasma der Zellen abhob. Es musste ja damals für mich sehr nahe liegen diese protoplasmatischen Zellen mit den Halb- mondzellen der Hundesubmaxillaris in Parallele zu stellen. In ihnen und den serösen Speicheldrüsen sind ja bekanntlich zuerst durch Ramon y Cajal (2), Fusari und Panasei (8), Retzius (43), Langendorf und Laserstein (19) solehe sogen. Seeretionscapillaren mittelst der Go lg iimethode !) nachgewiesen worden. Dieser Gedanke musste jedoch aufgegeben werden, da es mir sehr bald gelang, ganz dieselben Canälchen auch in den reinen Schleimzellen aufzufinden. Ganz ähnliche Verhältnisse scheinen in Bezug auf das Vorkommen dieser Canälchen in den Schleimdrüsen mit Halbmonden vorzuliegen; es würde damit ein wichtiger Unterschied zwischen den beiden Zellarten wegfallen. Dennoch kann ich mich, aus hier nicht näher zu erörternden Gründen, bis jetzt der Ansicht von Stöhr (40) nieht anschliessen, 1) Man kann diese Secretionscanälehen in den Halbmonden übrigens viel schöner zur Darstellung bringen mittelst der Eisenalaun- Hämatoxylinmethode und dabei aufs Bestimmteste nachweisen, dass sie in die Halbmondzellen selbst eindringen. Auch die Biondifärbung giebt in dieser Beziehung ganz ausgezeichneteBilder. Ich bin gegen- wärtig noch mit Untersuchungen über das Schicksal dieser Canälchen in der Submaxillaris von Hund und Katze während der Seeretion be- schäftigt und behalte mir vor, darüber demnächst ausführlich zu be- richten. “ Zur Histologie der Speicheldrüsen. 111 dass die Halbmondzellen weiter nichts als protoplasmatische Ruhestadien der Schleimzellen darstellen. Das Vorkommen der Canälehen ist nicht constant, sie finden sich sowohl in den protoplasmatischen, als auch in den Schleim enthaltenden Zellen. Häufiger kann man sie in den thätigen, als in den ruhenden Drüsen beobachten. Man könnte ja daran denken, das dieses relativ sparsame Vorkommen seinen Grund darin habe, dass durch die dünnen Sehnitte (3—5 u) die relativ grossen Schleimzellen in mehrere Stücke zerlegt werden, doch zeigten auch diekere Schnitte (10 u) diese intracellulären Canälchen nicht in wesentlich grösserer Anzahl. Der Umstand jedoch, dass die thätige Drüse sie immer in grösserer Anzahl zeigt, als die ruhende, bringt mich auf die Vermuthung, dass diese Abzugs- canälchen des Schleims sieh erst während der Secretion öffnen. In dem Füllungszustand der Zellen dagegen presst der den grössten Theil des Zellraums oceupirende Schleim ihre Wandungen auf- einander und lässt so ihr Lumen verschwinden. Dass es sich hier nicht um einfache Secretstrassen handelt, welche während der Seeretion entstehen und später wieder ver- schwinden, das geht ja einfach aus der Thatsache hervor, dass sich die fraglichen Gebilde auch in Zellen finden, welche be- reits wieder in der Aufnahme und Umbildung von Seeretions- material begriffen sind. Es wäre ja denkbar, dass sie einmal als unmittelbare Folge der secretorischen Thätigkeit entstanden sind, aber dann müssen sie stabil geworden sein. Constant scheinen sie mir nur in der Endzelle eines jeden Tubulus als unmittelbare Fortsetzung des Drüsenlumens aufzutreten. In der letzten Zeit mehren sich die Beobachtungen über die Endigung der Drüseneanälchen innerhalb der Drüsenzellen bei den höheren Thieren. Ich erinnere nur an die von Kupffer (18) und Pfeiffer (33) heschriebenen Secretvacuolen der Leberzellen, an die Endigung der Gallencapillaren in den Leber- zellen von Salamandra und Siredon, an das Eindringen der Speichel- capillaren in die Zellen der Halbmonde; ich werde selbst später noch ein Gleiches zu berichten haben von den Zellen der Sub- maxillaris und Parotis des Igels'). Angesichts solcher unbe- 1) Ausserordentlich schön auch lässt sich das Eindringen der Seeretionsceanälchen in die Drüsenzellen demonstriren in der Submaxil- laris und Parotis vom Kaninchen und Meerschweinchen, 113 Rudolf Kraüse: streitbaren Thatsachen dürfte wohl das, was die Zoologen z. B. für die Drüsen der Arthropoden schon lange nachgewiesen haben, für die grosse Mehrzahl der echten, Secret selbst bereitenden Drüsen allgemeine Geltung finden: Der Drüsenausführungsgang nimmt seinen Ursprung in der secernirenden Drüsenzelle selbst. Ich komme nun zu dem letzten Punkt in meiner Beschreibung der Gl. retrolingualis und ihrer secretorischen Thätigkeit, welcher 3ezug zu nehmen hat auf das Verhalten der Stäbchenepithelien in den Ausführungsgängen während der Seeretion. Nach den Untersuchungen Merkel’s (25) soll diesen Theilen in der Sub- maxillaris des Hundes die wichtige Aufgabe zufallen, die Salze des Speichels, vor allem die Kalksalze abzusondern. Die Ver- änderung während der Thätigkeit der Drüse soll darin bestehen, dass die Stäbehen auseinander rücken, höckeriger und knorriger werden. Merkel hat dieses Verhalten nur bei einem einzigen Thier untersucht. Ich halte es nicht für unbedenklich, aus dem Resultat eines einzigen Versuchs, welchen der Autor noch nicht einmal selbst ausgeführt oder überwacht hat, irgend welche all- gemein gültige Schlüsse zu ziehen. Der erste Theil der Merk el’schen Behauptung, dass näm- lich die Stäbehenepithelien die Absonderungsstellen der Kalk- salze bilden, ist schon bald nach dem Erscheinen jener Arbeit von Werther (41) durch vergleichende chemische Untersuchung des Secrets verschiedener Drüsen widerlegt worden. Doch auch die Beobachtung von der Veränderung der Stäbehenepithelien während der Seeretion scheint mir nieht unanfechtbar zu sein. Dasvon Merkel in Figur 5, Tafel I seiner Abhandlung ab- gebildete Präparat macht ganz den Eindruck eines Kunstproducts, welches man sehr leicht erhalten kann, wenn der Abfluss des Secrets einer gereizten Submaxillaris für kurze Zeit künstlich behindert wird. Und dass ähnliche Zufälle gegen den Willen des Experimentirenden bei dem physiologischen Versuch durch Verlagerung der Canüle, Abknickung des Drüsengangs ete. ausser: ordentlich leicht sich einstellen können, weiss Jeder, der sieh mit solehen Dingen praetisch beschäftigt hat. Einer meiner Vor- gänger, Herr Dr. Weinhold, hat seiner Zeit eine ganze Reihe von Versuchen angestellt, in welchen er bei Reizung der Drüsen- nerven den Abfluss des Secrets künstlich hemmte (21). Es er- gab sich dann, dass durch die Stauung immer solche Bilder an Zur Histologie der Speicheldrüsen. 113 dem Epithel der Speichelröhren erzielt wurden, wie sie Merkel als normale seeretorische Veränderungen beschreibt. Ich selbst habe bei meinen Reizungsversuchen an der Re- trolingualis niemals ähnliche Bilder erhalten. Ich kann auch nicht sagen, dass ich bestimmte, constant zu beobachtende Ver- änderungen der Stäbchenzellen gesehen hätte. Man bemerkt ja wohl, das hier und da einmal die in den Fäden liegenden Körn- chen in einer gereizten Drüse etwas weniger dieht stehen, wie in einer ungereizten, oder dass im ersteren Falle die centrale, mehr homogene Zone etwas breiter ist, als im letzteren, aber im Grossen und Ganzen sind diese Unterschiede doch so vager Natur, dass ich sie nicht als feststehende, secretorische Verände- rungen gelten lassen kann. Darin bin ich allerdings mit Merkel völlig einverstanden, dass den Speichelröhren eine bestimmte, wahrscheinlich doch secretorische Function zukommt. Zu welchem Zweck sollte auch die Natur sonst solche eigenartige und complieirt gebaute Zellen geschaffen haben? Im übrigen werden wir uns noch des Näheren mit functionellen Veränderungen dieser Stäbchen- zellen bei der Parotis zu beschäftigen haben. Das Seeret der Retrolingualis ist ausserordentlich reich an Schleim, sodass es kaum aus der, für diesen Zweck allerdings recht fein zu wählenden Canüle ausfliesst; man kann es in langen Fäden aus derselben herausziehen. Die Reaction des Secrets ist stark alkalisch. Glandula parotis. In der Parotis des Igels haben wir eine rein seröse Drüse vor uns, ohne irgend welche fremdartige Elemente. Ich betone diesen Umstand gerade besonders, da man in denselben Drüsen anderer Thiere, wie z. B. Hund und Meerschweinchen gar nicht selten kleine, eingesprengte Läppcehen von Schleimzellen antrifft. Bei dem letzterwähnten Thier finden sich übrigens auch im den grossen Speichelgängen überaus häufig echte Becherzellen im Epithel zwischen den gewöhnlichen Cylinderzellen. Die ganz groben Speichelgänge der Igelparotis besitzen ein geschichtetes Cylinderepithel, in dem Duetus parotideus findet man ab und zu auch einmal eine Becherzelle, doch recht selten. Auf- fallend ist der ausserordentliche Reiehtum der Drüse an starken Nervenstämmen und Speichelgängen mittleren Calibers, welche Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 8 114 Rudolf Kraüse: dureh ihr ganz charateristisches Epithel sofort in die Augen springen. Die in den weiten Gängen wenigstens ziemlich hohen eylindrischen Zellen setzen sich aus zwei ganz differenten Ab- schnitten zusammen, einem peripheren, welcher mit intensiv sich färbenden Körnehen erfüllt ist und einem eentralen, der ein ziem- lich weitmaschiges und grobbalkiges Protoplasmanetz enthält. Das letztere ist selbst bei schwacher Vergrösserung schon recht gut siehtbar. An der Grenze beider Zonen liegt ein runder oder ovaler, grosser Kern mit gut ausgebildetem Chromatingerüst. Sowohl die Körnehen der peripheren, als das Protoplasmanetz der centralen Zone färben sich in Biondilösung roth. Die ersteren werden bei Behandlung mit Eisenalaun-Hämatoxylin intensiv schwarz tingirt. Färbt man die Schnitte mit Thionin, so nehmen die Zellen nur eine leichte Blaufärbung an. Die Mächtigkeit der peripheren Körnchenzone ist in Präpa- raten von verschiedenen Thieren und auch an den verschiedenen Stellen desselben Präparats recht variabel. Ist die Zone nur sehr schmal und wenig mächtig, so liegen die Körnchen ganz regellos, von einer Stäbehenstructur ist nichts zu erkennen. Bei Untersuchung mit starken Immersionssystemen kann man ein gerade hier sehr schön entwickeltes Protoplasmanetz erkennen, in dessen Knotenpunkt die Körnchen eingeschaltet sind. Ist die periphere Zone dagegen stark ausgebildet, so ist die stäbehenförmige Anordnung auf den ersten Blick zu erkennen. Jedes Stäbehen setzt sich zusammen aus hintereinander gestellten Körnehen, welche, wie die Perlen eines Rosenkranzes, auf einem feinen Faden aufgereiht sind. An feinen Schnitten erkennt man dann aber auch unschwer die die Körnchen benachbarter Stäb- chen mit einander verbindenden Fäden. Wir haben also hier ganz dasselbe, wie dort, ein Protoplasmanetzwerk, in dessen Knotenpunkten Körnchen eingeschaltet sind, nur dass sich hier die Protoplasmamaschen stark in der Riehtung der Längsachse der Zellen ausgezogen baben und die dicht hintereinander auf- marschirten Körnehen die Stäbehenstructur vortäuschen. Eine Verschmelzung einzelner Körnchen zur Formirung wirklicher Stäb- chen oder wenigstens von Theilstücken solcher konnte ich hier niemals beobachten. Mislawsky und Smirnow (26) haben in letzter Zeit das Epithel der Speichelröhren in der Parotis des Hundes be- Zur Histologie der Speicheldrüsen. 115 schrieben und bei Verwendung der Altmann’schen Fixirungs- und Färbungsmethode ebenfalls die Zusammensetzung der Stäb- chen aus hintereinander gereihten Granulis beobachtet, jedoch sollen die Granula einer jeden Reihe in eine homogene Masse eingebettet sein. Nach meinen Präparaten von der Hundeparotis zu schliessen, scheint mir jedoch der Bau der Epithelzellen hier ganz ähnlich zu sein, wie beim Igel. Es findet sich auch hier ein protoplasmatisches Netzwerk, in dessen Knotenpunkte die Körnchen eingelagert sind. Das charakteristische Aussehen des Epithels der Speichel- röhren in der Parotis des Igels wird aber hauptsächlich erzeugt durch die eentrale Zone seiner Zellen, welche in Folge ihres verhältniss- mässig sehr weitmaschigen Protoplasmanetzes ein sehr helles Aussehen gewährt. Dieses prägnante Bild ist auch schon von Kultsehizky gesehen worden, nur hält jener Autor die Zellen für Schleimzellen und hebt die hohe Bedeutung dieses Befundes hervor, durch welchen zum ersten Mal nachgewiesen worden sei, dass die Ausführungsgänge einer grösseren Drüse ein reines Schleimepithel enthielten und also unzweifelhafte secre- torische Elemente darstellten. Seine Behauptung stützt sich hauptsächlich auf das Verhalten der fraglichen Zellen gegen Carmin- und Hämatoxylinlösungen. Die Thatsache, dass sich das Protoplasma einer Zelle weder mit Carmin, noch mit Häma- toxylin färbt, genügt aber doch wahrlich noch lange nicht, um eine solche Zelle zu einer Schleimzelle zu stempeln. Wie schon oben bemerkt, zeigt schon die centrale Zone der Zellen bei Behandlung mit Thionin keine metachromatische Färbung; nachdem ich jedoch einmal erkannt hatte, dass das Thionin durchaus kein specifisches Färbungsmittel für muein- haltige Zellen ist, konnte dieser Gegenbeweis wenig in die Waag- schale fallen. Die striete Widerlegung jedoch wurde dadurch geliefert, dass das aus der Canüle aufgefangene Seeret keine nachweisbaren Spuren von Muecin enthielt). Bei dem ausser- 1) Die Probe auf Schleim wurde nach einer von Herrn Geheim- rath Heidenhain geübten Methode so ausgeführt, dass man in ein mit verdünnter Essigsäure gefülltes Reagensglas einen Tropfen Secret fallen lässt, die ausfallenden Eiweisskörnchen zerstieben sofort, wäh- rend bei Anwesenheit auch nur geringer Mucinmengen sich sofort die characteristischen fädigen und häutigen Füllungsproducte bilden, 116 Rudolt Krause: ordentlichen Reichthum der Drüse an Speichelgängen müsste der Schleimgehalt jedoch ein recht augenfälliger werden. Kultschizky (17) erwähnt ferner noch eine dritte proto- plasmatische Zone, welche zwischen der Körnchen- und der een- tralen Protoplasmazone liegen und in die der Kern eingebettet sein soll. Sie nimmt in seinen Abbildungen fast ein Drittel der ganzen Zelle ein. Ich habe von der Existenz einer solchen nie- mals etwas sehen können, höchstens lässt sich hier und da beob- achten, dass die Protoplasmamaschen in der Gegend des Kerns etwas enger werden, als in der Nähe des Lumens. Es kommt auch vor, dass einige Körnchen bis über den Kern hinaus ver- sprengt sind, aber von einer besonderen, abgrenzbaren, proto- plasmatischen Zone kann man nach diesem gelegentlichen Ver- halten allein doch nicht sprechen. Das von diesen Epithelzellen der Speichelröhren zu den eigentlichen, secernirenden Tubulis hinüberleitende Schaltstück ist meist relativ lang. Seine niedrig cubischen, indifferenten Zellen bieten nichts besonders Bemerkenswerthes dar. Wie an vielen derartigen Uebergangsepithelien lassen sich auch hier die Zellgrenzen nur sehr schwer erkennen. Die letzten Zellen des Schaltstücks zeigen niemals solche lang ausgezogene, in den Tubulus weit hineinragende Zipfel, wie ich sie von der Retro- lingualis beschrieben habe. Die die secernirenden Tubuli zusammensetzenden Zellen zeigen in mit Sublimat fixirten Schnitten ein sehr verschiedenes Aussehen, je nachdem man die Randparthien oder die centralen Theile eines Schnittes untersucht. In den ersteren erscheinen nämlich die Zellen vollgepfropft mit Körnchen von den verschieden- sten Dimensionen, welche sich in dem Biondigemisch intensiv roth, bei der Eisenalaun -Hämatoxylinmethode stark schwarz färben. Je weiter man nun nach der Mitte des Schnittes vordringt, desto mehr liehten sich die Massen dieser Körnehen und in den centralen Theilen sind sie nur noch ganz sparsam vorhanden oder ganz verschwunden. Fixirt man dagegen die Stückchen in Osmiumgemischen oder in Salpetersäure, oder wählt man sie für Sublimatfixation nur recht dünn, so erscheinen die Zellen durch die ganze Dieke des Schnittes hindurch gleichmässig dicht mit Körnehen erfüllt. In den Schnitten von frischen Drüsen, Zur Histologie der Speicheldrüsen. 117 untersucht in einem indifferenten Zusatzmittel, sieht man von den Körnchen nichts. Wenn wir die oben erwähnten Untersuchungen von Fischer (6) und die von uns an den ruhenden Zellen der Retrolingualis gemachten Befunde in Betracht ziehen, so kann es gar keinem Zweifel unterliegen, dass wir in diesen Granulabildern wiederum nichts anderes als Kunstproducte zu sehen haben. In den Rand- parthien der Stücke kommt es zu einer raschen, energischen Fällung der in den Maschen des Protoplasmas in gelöster Form enthaltenen Eiweisskörper, in die Mitte der Stücke dringt die Fixationsflüssig- keit dagegen nur langsam ein; diese Parthien werden auch fixirt durch das Reagenz in viel schwächerer Concentration, und dieses vermag dann aus der Eiweisslösung jene Granula nur noch un- vollständig oder gar nicht mehr zu fällen. Man könnte mir ja einwenden, dass die Granula dennoch präexistirende Gebilde seien ‘und an der Peripherie der Stücke durch die rasch eindringende Fixationsflüssigkeit nur gut conservirt würden. Dagegen spricht Jedoch der Befund am frischen Präparat, und der muss doch immer als vornehmstes Criterium für die Existenz soleher Bil- dungen angesehen werden. Ganz anders die Körnchen in den Epithelzellen der Speichelgänge, sie finden sich gleichmässig durch den ganzen Schnitt hindurch und können auch an frischen, recht dünnen Schnitten beobachtet werden. Form und Lage der Kerne in den Drüsenzellen zeigen in demselben Schnitt die manigfachsten Unterschiede. Einmal liegt der Kern dicht an der Membr. propria an und ist dann von länglich ovaler, nicht selten unregelmässiger, eekiger Form. Sein Chromatin ist klumpig, es färbt sich in Kermfärbungsmitteln als Ganzes ohne wesentliche Differenzirung in chromatische und achromatische Substanz. Nucleolen sind selten nachzuweisen. Zu so hohen Graden der Deformation und Volumreduetion, wie wir sie ganz allgemein an den Kernen der mit Schleim ge- füllten Zellen der Retrolingualis beobachten konnten, kommt es hier allerdings nicht. In anderen Tubulis dagegen ist der Kern mehr von der Membr. propria ab nach der Mitte der Drüsen- zelle bin: verlagert; er ist dann mehr rund, gut entwickelt und besitzt ein hübsch differenzirtes Chromatingerüst mit einem oder mehreren Nucleolen. Wieder andere, in ihrer Form und Lage den vorigen ähnliche Kerne färben sich in Hämatoxylin völlig 118 Rudolf’Krause: schwarz ohne jede Differenzirung. Hier dürfte es sich, ähnlich wie in den Leberzellen, m denen das ein ganz gewöhnliches Vorkommniss ist, um absterbende Kerne handeln. Ausser den beschriebenen Kermformen und ihren Zwischen- stadien kann man nun noch recht häufig eine weitere Art von Kernen erkennen. Sie liegen immer dieht am Drüsenlumen, oft in dasselbe vorspringend und unterscheiden sich von den vorigen durch ihre grösseren Dimensionen und ihre ganz exquisit schöne Differenzirung. Um diese Kerne herum liegt ein fast homogener Protoplasmahof, welcher niemals Einlagerung von Granulis er- kennen lässt. Wir haben es hier mit den sogenannten centro- acinären Zellen zu thun, welche auch Kultschizky (17) ge- sehen und abgebildet hat. Es sind langgestreckte Zellen, welche hier und da das Lumen der Drüsentubuli auskleiden und als eine Fortsetzung des Schaltstückepithels angesehen werden müssen. Der Zellkörper der Drüsenzellen wird gebildet von einem ziemlich engmaschigen Protoplasmanetz; dasselbe ist natürlich da am besten zu beobachten, wo die Körnchen wenig dieht liegen oder gar nicht vorhanden sind. Doch gelingt sein Nachweis auch in den peripheren Theilen der Schnitte mittelst der Eisen- alaun-Hämatoxylinmethode und Nachfärbung in Bordeaux oder Rubin, nur müssen dann die Schnitte recht dünn sein (5 u und darunter) oder man muss die Entfärbung so weit treiben, dass auch die Körnchen ihren Farbstoff ganz oder theilweise abgeben. Wenn ich bei der Beschreibung der Retrolingualis erwähnt habe, dass das Lumen der Drüsentubuli nicht selten blind endi- gende Ausläufer in die Drüsenzellen hineinsendet, so ist dieses Verhalten in der Parotis des Igels als ein ganz allgemeines zu bezeichnen. Man kann wohl behaupten, dass hier kaum eine Zelle ohne Seeretionseanälechen ist. Obgleich diese Gebilde auch bei Färbung in der Biondimischung zu sehen sind, so zeigt sie uns die Behandlung mit Eisenalaun-Hämatoxylin doch erst in ihrer ganzen Ausdehnung und Schönheit. Zunächst laufen sie meist zwischen den Zellen, um von da erst ihre Seitenzweige in die Drüsenzellen hineinzusenden. Häufig theilen sie sich gahlig, nicht selten auch läuft ein Canälehen direet vom Lumen aus ungetheilt bis in die Mitte der Zelle, um dann, nach einer oder Zur Histologie der Speicheldrüsen. 119 der anderen Seite abbiegend, sich in Form eines Hirschgeweihes aufzulösen. Immer endigen die Canälchen blind, niemals konnte ich beobachten, dass sie die Zellen völlig durchsetzen oder mit benachbarten Canälchen anastomosiren. Die Canälchen erscheinen von dieken, schwarzen Linien eingefasst, in welche überall die Balken des Protoplasmas übergehen. Die Wandung ist hier immer um ein Beträchtliches dieker, als bei den Canälchen der Retrolingualis. Dass diese Gebilde wirklich innerhalb der Zellen endigen, ist ausser allem Zweifel; nieht nur, dass sie häufig mit einzelnen Abschnitten in der Ebene des Kerns liegen, man kann sich auch durch Heben und Senken des Tubus leicht überzeugen, dass über und unter ihnen das Protoplasma derselben Zelle liegt. Wenn man diese, mit ihren dieken Conturen dem Beob- achter so stark in die Augen springenden Gebilde betrachtet, so drängt sich einem unwillkürlich die Frage auf, kommt diesen Seeretionseapillaren eine eigene Wandung zu? Ich glaube, diese Frage mit ziemlicher Bestimmtheit verneinen zu müssen. Nach meiner Ansicht handelt es sich hier um etwas ganz ähnliches, wie bei der Wandung der Gallencapillaren.. Auch hier sind unter dem Einfluss des strömenden Secrets die anstossenden Theile des Zellprotoplasmas nur in einer ganz eigenthümlichen Weise modifieirt worden. Im Uebrigen gilt in Bezug auf das Zustande- kommen der Canälchen ganz dasselbe, was bei Besprechung der Retrolingualdrüse erörtert wurde. Wenn wir uns nun zu den Veränderungen wenden, welche die Drüse während ihrer seeretorischen Thätigkeit erleidet, so muss ich zuerst einige Bemerkungen über die in die Drüse eintreten- den Nerven hier einschalten. Ich habe von denselben durch ma- kroskopische Präparation zwei feststellen können. Der am vor- deren Umfang der Drüse vorbeiziehende Nerv. facialis sendet ein ziemlich starkes Aestchen in das Organ hinein. Reizt man dasselbe nach Abtrennung vom Hauptstamm, so erhält man Zuckungen in verschiedenen Muskeln des Gesichts. Am hintern Ende der Drüse tritt ausserdem ein starker Nervenstamm in sie ein, welcher aus dem Cervicalgeflecht kommt; bei seiner Reizung macht das schwach narkotisirte Thier lebhafte Schmerzäusse- rungen. Trotz mehrfacher Versuche ist es mir niemals ge- lungen, von einem Nerven aus Secretion zu erhalten; ebenso liess mich die Reizung des Nerv. sympathicus völlig im Stich. Es 120 Bund ol teRirianusie: ist das, wie ich zu memem Bedauern gestehen muss, eine em- pfindliche Lücke in meinen Beobachtungen. Ich musste mich auf die Anwendung des Pilocarpins beschränken. Die Einführung einer feinen Glascanüle in den Ausführungs- gang der Parotis während seines Verlaufs quer über den Muse. masseter bietet keine besonderen Schwierigkeiten. Nach sub- cutaner Applieation von 0,01—0,02 gr Pilocarpin erhielt ich im Verlauf von 2—3 Stunden für die chemische Untersuchung hinreichende Mengen von Secret, in einem Falle 12 cem. Das aus der Canüle fliessende Secret ist wasserhell, leicht tropfbar- flüssig und zeigt alkalische Reaction. Die Untersuchung auf Schleim fiel völlig negativ aus, ebensowenig liess sich eine sac- charifieirende Wirkung des Secrets nachweisen. Die Analyse ergab einen Trockenrückstand von 0,95—0,6 Procent, von dem ca. 60 Procent organischer, der Rest anor- ganischer Natur sind. Beim Veraschen entwickelte sich der charakteristischeGeruch, welchen verkohlende Eiweisskörper liefern. Der anorganische Rückstand setzt sich wesentlich aus kohlen- saurem Natron und Chlornatrium zusammen, während Kalksalze nur in geringer Menge nachzuweisen waren, Phosphorsäure fehlte vollständig. Die Veränderungen der Drüse während der Secretion sind nicht sehr hochgradig, jedoch in jedem Falle deutlich nachzu- weisen. Sie decken sich übrigens völlig mit denen, welche man nach intensiver Fütterung beobachten kann. Zunächst erkennt man, dass die die Zellen erfüllenden Körnchen sowohl an Zahl, als auch an Volum beträchtlich abnehmen. Während in der ruhenden Drüsenzelle der Kern klein und auch öfter deformirt erscheint und direet der Membr. propria angelagert ist, rückt er während der secretorischen Thätigkeit mehr nach der Mitte der Zelle und präsentirt ein wohl differenzirtes Chromatingerüst. Es zeigen sich hier also im Wesentlichen alle die Veränderungen, welche von Heidenhain (11) in den gereizten Eiweissdrüsen beschrieben worden sind. Dazu kommt aber hier noch ein andrer Factor, nämlich eine deutliche Veränderung innerhalb der Gang- epithelien. Wie ich schon oben erwähnt habe, bieten die Zellen der Speichelröhren an den verschiedenen Stellen der Schnitte ein differentes Aussehen dar in Bezug auf die Entwicklung ihrer peripheren Körnchenzone. In der gereizten Drüse nun erreicht Zur Histologie der Speicheldrüsen. 121 das Wachsthum dieser Zone seinen Höhepunkt, so dass sie nicht selten über die Hälfte der ganzen Zelle einnimmt. Dabei haben sich die Körnehen überall zur Formirung von Stäbchen hinter einander aufgereiht. In der Anordnung und Ausdehnung der Seeretionscapillaren liess sich eine Aenderung während der Reizung nicht nachweisen. Glandula submaxillaris. Das ganz eigenartige Bild, welches die Drüse, vielleicht einzig in ihrer Art, liefert, ist schon Kultschizky (17) auf- gefallen, jedoch von ihm nicht zutreffend beschrieben und in mancher Beziehung auch falsch gedeutet worden. Ich beginne mit der Beschreibung der Ausführungsgänge. Das Epithel des Duetus submaxillaris und der gröberen Aus- führungsgänge gleicht völlig dem der Parotis. In den Speichel- röhren mittleren und feineren Calibers findet sich wiederum ein sehr gut entwickeltes Stäbehenepithel. Der centrale Theil der Epithelzellen, dessen Mächtigkeit nur ganz geringen Schwankungen unterliegt, nimmt höchstens den dritten Theil der Zelle ein, er erscheint hell, gleichmässig granulirt; selbst mit den besten und stärksten Systemen konnte ich einen netzförmigen Bau seines Protoplasmas nicht erkennen. Die mit Stäbchenepithel ausge- kleideten Speichelröhren zeigen in der Submaxillaris eine sehr reiche Entfaltung, fast ebenso, wie in der Parotis und ungleich reicher, als in der Retrolingualis. In Bezug auf die Structur der Stäbehenzone kann ich völlig auf das verweisen, was ich bei Besprechung der Retrolingualis in dieser Beziehung ausge- führt habe. Auf das Stäbchenepithel folgt, wie gewöhnlich, ein als Schaltstück zu bezeichnender Canalabschnitt mit niedrig cubi- schen Zellen, welcher zu dem eigentlichen Drüsentubulis hinüber- leitet. Die letzteren setzen sich zusammen aus cubischen Zellen mit einem sehr deutlichen Protoplasmanetz, dessen Maschen an- gefüllt sind mit Granulis der verschiedensten Grösse. Sowohl das protoplasmatische Netzwerk, als die innerhalb seiner Maschen enthaltenen Granula färben sich in dem Biondigemisch intensiv roth. Da wo die Körnchen recht dicht liegen, können sie die Protoplasmafäden völlig verdecken. Am besten sind die Granula in Sublimatpräparaten wiederum in den peripheren Theilen der Schnitte zu sehen, hier sind sie am grössten und liegen am dichtesten, wäh- 122 Rudolf Krause: rend sie nach dem Innern zu sparsamer werden. In der Mitte der Schnitte sind die Zellen häufig ganz frei von ihnen, so dass hier nur das Protoplasmanetz zur Anschauung kommt. Fixirt man in Salpetersäure oder in Osmiumsäure, oder wählt man die Stücke für die Sublimatfixation recht klein, so zeigen sich die Granula in allen diesen Zellen gleichmässig vertheilt. Der Kern ist meist gut entwickelt, rund oder oval und liegt in der Nähe der Membr. propria. Seltener dagegen ist er eckig und deformirt. An diese mit Körnchenzellen ausgekleideten Tubuli schliessen sich nun andere, deren Epithel ein wesentlich differentes Aus- sehen darbietet. Die es zusammensetzenden Zellen färben sich nämlich in Biondilösung ausschliesslich mit dem basischen Farb- stoff und erscheinen deshalb blau. Das gibt dann das eigen- thümliche buntscheekige Aussehen, welches die Schnitte einer solchen Submaxillaris im mikroskopischen Bilde darbieten. Das Protoplasma dieser Zellen zeigt ebenfalls einen ganz exquisit netzförmigen Bau, doch finden sich niemals in seine Maschen Körnchen eingelagert. Der Kern ist gar nicht selten eckig und der Membr. propria dieht angelagert. Die mit den, nennen wir sie einmal kurz blauen Zellen, ausgekleideten Tubuli bilden die direete Fortsetzung derjenigen Tubuli, welche sich aus rothen, granulirten Zellen zusammen- setzen. Es lag natürlich sehr nahe, einen Vergleich zu ziehen mit der Submaxillaris des Kaninchens, in welcher, wie Nuss- baum (28, 29) zuerst beschrieben hat, die Endstücke der Aus- führungsgänge zahlreiche sich in Osmiumsäure intensiv schwär- zende Granula enthalten, welche der erwähnte Autor für Fer- mentkörnchen hält). Dieser Vergleich musste jedoch, wie die Folge lehren wird, bald als ganz unzutreffend aufgegeben werden. Kultschizky (17), weleher die beiden verschiedenen Zellarten beschrieben hat, scheint über die gegenseitige Lagerung beider nieht recht ins Klare gekommen zu sein. Er sagt=darüber folgendes: „Die gegenseitige Lage ‚der serösen und mueinoiden Zellen ist so verwickelt, dass es kaum möglich ist, davon eine 1) Nach den Untersuchungen von Grützner (10) hat das Sub- maxillarseeret des Kaninchens jedoch keine nennenswerthe saccharifi- eirende Wirkung. Zur Histologie der Speicheldrüsen. 123 genaue Beschreibung zu geben; ich halte es daher für zweck- mässiger auf Fig. 5 hinzuweisen, welche ein deutliches Bild der gegenseitigen Lage der beiden Zellarten in der gemischten Drüse des Igels giebt.“ Die angezogene Fig. 5 seiner Tafel sagt nun in dieser Beziehung recht wenig oder gar nichts. Alle Tu- buli erscheinen stark geschrumpft, die Zellen retrahirt. Ein Zu- sammenhang zwischen den mit serösen und den mit mucinoiden Zellen ausgekleideten Tubulis lässt sich nirgends erkennen. Der Autor macht dann noch auf folgende Punkte aufmerksam: „a) Die Zellen der einen und der andern Art zeigen kein unregelmässiges Gewirr, sondern liegen in Gruppen. b) Die serösen Zellen erscheinen nieht in Form von Halb- monden, wie in den gemischten Drüsen anderer Thiere, sondern nehmen einen bisweilen ziemlich grossen Theil des Drüsenröhrchens ein. @) Anscheinend liegen sowohl die einen, als die anderen Zellen mit ihrer Basis an der Membr. propria und be- srenzen mit ihren Spitzen das Lumen des Drüsenröhr- chens. So lässt sich dieses wenigstens annehmen auf Grund derjenigen Stellen des Präparats, wo der Schnitt durch das Lumen des Röhrchens ging. In die Zusam- mensetzung des Drüsenröhrehens können auch echte Schleimzellen eingehen!), doch gelingt dies nur äusserst selten zu beobachten.“ Nun, das gegenseitige Lagerungsverhältniss der beiden Zell- arten ist ein ausserordentlich einfaches; der mit rothen Zellen ausgekleidete Drüsentubulus verzweigt sich mehrfach und seine Endstücke sind mit blauen Zellen ausgekleidet. Die letzteren lagern sich dabei um die ersteren herum, so dass häufig die Mitte eines kleineren Drüsenläppchens nur rothe Zellen enthält, welche von einem Kranze blauer Zellen umgeben sind. Von dem Zu- sammenhang der beiden Arten von Tubuli, wie ich ihn hier ge- schildert habe, kann man sich an gut conservirten und gefärbten Präparaten ohne Weiteres überzeugen, ich habe aber ausserdem noch in mehreren Fällen Injectionen der Drüse mit Berliner Blau 1) Ich habe etwas ähnliches niemals beobachten können und muss das Vorkommen von echten Schleimzellen in den Tubulis der Submaxillaris auf Grund meiner ausserordentlich zahlreichen Präparate entschieden bestreiten. 124 Rudolf Krause: vom Ductus submaxillaris aus gemacht, welche gleichfalls dasselbe Resultat ergaben. Behandelt man Schnitte einer ruhenden Submaxillaris mit Thionin, so färben sich die Ausführungsgänge und die rothe Zellen enthaltenden Tubuli schwach hellblau, während die blauen Zellen nun eine hübsche, metachromatische Rothfärbung anneh- men. In Dahlia erscheinen die letzteren tiefblau gefärbt. Bei Be- handlung mit Eisenalaun-Hämatoxylin und Vorfärbung in Borffeaux tingirt sich das Protoplasma und die Granula der ersteren Zellen zart roth resp. schwarz, während die Zellen der ersteren Art einen gelblichen Ton annehmen mit schwarzem Protoplasmanetz. Secretionscanälchen finden sich in beiden Zellarten, nur sind sie in den blauen Zellen viel häufiger anzutreffen, als in den rothen, auch haben sie dort viel stärker gefärbte Begrenzungs- linien als hier. Von dem Verlauf dieser Canälchen im Inneren der Zellen gilt das, was ich bei der Parotis erwähnt habe. Nicht selten findet man das Lumen der Tubuli und zwar ausschliesslich in den rothen Abschnitten ausgekleidet von langen, spindelförmigen Zellen; ihr Protoplasma erscheint homogen oder ganz fein granulirt, der Kern ist gross, bläschenformig. Es han- delt sich auch hier um die schon in der Parotis beschriebenen centro-acinären Zellen, Fortsetzung der Schaltstückzellen in die Drüsentubuli hinein. Ich hebe ihr Vorkommen hier ausdrücklich hervor, da sich nach Kultschizky in der Submaxillaris keine centro-acinären Zellen finden sollen. Ueberblicken wir nun einmal die bis jetzt von der Sub- maxillaris des Igels beigebrachten histologischen Daten, so kann uns die auffallende Aehnlichkeit nicht entgehen, welche der eine und zwar der Anfangstheil des secernirenden Epithels mit dem der Parotis desselben Thieres zeigt. Beide unterscheiden sich im wesentlichen eigentlich nur durch das etwas modifieirte Epithel der Stäbchencanälchen. Hierzu kommt nun in der Sub- maxillaris noch ein zweiter Abschnitt, der sich im seinem färberi- schen Verhalten von dem ersten scharf unterscheidet. Seine Zellen geben, wie wir sahen, mit verschiedenen Farbstoffen die- selben Reactionen wie Schleimzellen. Sie unterscheiden sich von denselben durch ihr Verhalten gegen Carminlösungen, in welchen sich ihr Protoplasma energisch tingirt. Kultschizky (17), dem dieses Verhalten auffiel, bezeichnet die Zellen deshalb als mu- Zur Histologie der Speicheldrüse. 125 einoide. Er will wohl damit sagen, irgend etwas näheres wird darüber leider nicht mitgetheilt, dass die Zellen nicht den Schleim selbst, sondern eine Vorstufe desselben enthalten. Es musste unter solehen Umständen von höchstem Interesse sein, das Secret dieser eigenartig gebauten Drüse rein zu erhal- ten. Nach einigen vergeblichen Versuchen gelang es mir auch bald, und nachdem ich mich erst einmal in die immerhin recht subtile Technik eingearbeitet hatte, später in einer grösseren Anzahl von Versuchen eine Canüle in den Drüsenausführungs- gang einzubinden. Um die für die Untersuchung nöthige Menge von Secret zu erhalten, versuchte ich zuerst die eleetrische Reizung der in die Drüse eintretenden Nerven. Dieselben zweigen sich als drei bis vier sehr feine Stämmehen vom Nerv. lingualis ab und ge- langen, dem Ausführungsgang ganz dicht angelagert, in den Drüsenhilus. Leider ist es mir auf diesem Wege niemals ge- lungen Secret zu erhalten. Ich glaube diesen Misserfolg auf die bei dem Einführen der Canüle gar nicht zu ungehende Zer- rung und Läsion der so sehr feinen Nerveustämmchen schieben zu müssen. Dagegen kam ich zu besseren Resultaten wiederum dureh die Anwendung von Pilocarpin. Das Secret der Submaxillaris fliesst niemals so reichlich, wie das der Parotis; doch konnte ich immerhin innerhalb zwei bis drei Stunden bis zu 10 cem erhalten. Ich war einigermaassen erstaunt, als sich aus der Canüle ein völlig klarer, leicht fliessender, absolut nicht fadenziehender Speichel entleerte. Die chemische Untersuchung ergab demge- mäss, dass bei stark alkalischer Reaetion das Secret keine nach- weissbaren Spuren von Mucin enthielt, wie man nach der mikros- kopischen Untersuchung doch hätte vermuthen sollen. Der Trockenrückstand betrug 0,4—0,5 Procent, davon waren 30 Pro- cent organischer, der Rest anorganischer Natur, also, verglichen mit dem Parotidensecret, ein ausserordentlich hoher Gehalt an anorganischen Salzen. Unter den letzteren nahmen die erste Stelle ein die kohlensauren Salze und vor Allem der kohlensaure Kalk. Das Ueberwiegen dieses Körpers zeigte sich auch in folgender Beob- achtung. Die ersten Tropfen des Secrets flossen völlig klar ab. Dann aber bildete sich rasch zunehmend ein feinkörniger Nieder- schlag, der fast ausschliesslich aus kohlensaurem Kalk bestand. Beim Stehen im Tiegel zeigte die Flüssigkeit auf ihrer Oberfläche 126 RudolfKrause. ein mattglänzendes Häutchen. Fermentative Eigenschaften konnten von dem Secret nicht nachgewiesen werden. Nachdem nun einmal der hole Gehalt des Submaxillar- secrets an Kalksalzen constatirt war, lag es ja auch sehr nahe, die seiner Zeit von Merkel (25) angegebene Behandlung der Drüsen mit Pyrogallussäure in Anwendung zu bringen. Der ge- nannte Autor fand bekamntlich, dass sich das Stäbchenepithel der Hundesubmaxillaris lebhaft bräunt, wenn man Stückchen dieser Drüse mit einer 1—2 proe. Pyrogallollösung schüttelt. Er schloss daraus, dass dem Epithel der Speichelröhren die Aufgabe zu- komme, die Kalksalze des Speichels zu secermiren. . Behandelt man die Submaxillaris des Igels in gleicher Weise, so findet man dieselbe Reaction an den Epithelien der Stäbehencanälehen und den rothen Zelleomplexen, dagegen zeigen die blauen Zellen ab- solut keine Bräunung. In der Parotis ergab die gleiche Be- handlung nur eine leichte Bräunung der Stäbchenzellen. Diesen Unterschied in dem Verhalten der sonst so gleichartigen rothen Zellen der Submaxillaris und Parotis kann ich mir nur dadurch erklären, dass das Submaxillarseeret eben so viel mehr Kalksalze enthält als das Parotidensecret. Fragen wir uns nun, welche Bedeutung für die Bildung der einzelnen Seeretbestandtheile haben die beiden, die Drüsen- substanz der Submaxillaris des Igels zusammensetzenden Epithel- arten. Zum Vergleich müssen wir die Parotis des Thieres heran- ziehen. Hier wird das Epithel der secernirenden Tubuli nur von einer einzigen Zellart gebildet, welche fast genau dasselbe Ver- halten zeigt, wie die rothen Zellen der Submaxillaris, nur durch die Pyrogallolreaction liess sich ein erheblicher Unterschied zwischen beiden nachweisen. Dazu kommt in der Submaxillaris noch eine zweite Zellart, welche tinetoriell und mikrochemisch die folgenden Eigenschaften aufweist. Sie nimmt in Biondi- lösung begierig den basischen Farbstoff auf, in Thionin zeigt sie metachromatische Färbung und in Pyrogallussäure bräunen sich ihre Elemente nieht. Der Trockenrückstand des Parotidensecerets enthält nur die Hälfte der anorganischen Salze und nur ganz geringe Spuren von Kalksalzen im Vergleich zu dem Submaxil- larsecret, dagegen erreicht der organische Rückstand das doppelte Gewicht. Fassen wir alle diese Momente zusammen, so werden wir Zur Histologie dar Speicheldrüse. 127 zu dem Schluss geführt, dass die überwiegende Menge der an- organischen Salze, in Sonderheit das kohlensaure Natron seine Absonderung in der Submaxillaris den Endstücken der Tubuli ver- dankt, deren Zellen die oben erwähnten Reactionen zeigen. Den rothen Zellen dagegen müssen wir die Absonderung des Ei- weisses und der Kalksalze zuschreiben. Ich will damit nicht behaupten, dass nicht auch die blauen Zellen kohlensauren Kalk absondern, hier kann aber die Pyrogallolreaction nicht zu Stande kommen, weil ihr Secret keine oder doch nicht genügende Mengen von Eiweiss enthält. Noch einige Worte möchte ich anfügen über die von mir vielfach angezogene Thioninreaction. Nach Hoyer (14) soll die metachromatische Färbung, welche das Thionin an gewissen Orten liefert, ein sicherer Beweis dafür sein, dass an diesen Stellen sich Muein oder ein mueinähnlieher Körper findet. Diese Be- hauptung ist, wie ich glaube, durch das Vorstehende, wenigstens in ihrer allgemeinen Fassung, widerlegt. Es giebt aber auch noch eine ganze Anzahl anderer Beobachtungen, welche gegen jene Angaben sprechen. So färbt sich, wie schon Hoyer an- gegeben hat, die Grundsubstanz des hyalinen Knorpels rothviolett!), und von der Ansicht, dass dieselbe Muein enthält, ist man doch wohl jetzt zurückgekommen. Auch das Epithel der Gallenblase und des Ductus eystieus gibt eine sehr intensive Rothfärbung; das sogen. Gallenmuein scheint jedoch mit dem echten Muein gar nichts zu tıun zu haben und muss den Nucleoalbuminen zu- gezählt werden. Am Oberflächenepithel des Magens und vor allem in der Tiefe der Pylorusdrüsen trifft man manchmal eine sehr schöne metachromatische, in andern Fällen jedoch eine reine Blaufärbung. Eine Beziehung zu der Verdauungsthätigkeit des Organs scheint hier vorzuliegen. Aus alle dem geht aber her- vor, dass wir die metachromatische Färbung nach Behandlung mit Thionin nicht als eine specifische Reaction auf Muein auf- fassen dürfen. Die secretorischen Veränderungen, welehe sich in der Sub- maxillaris nach Pilocarpininjection oder intensiver Fütteruug 1) Die schönste und intensivste Rothfärbung zeigen übrigens immer die Knorpelkapseln, manchmal ist sie sogar auf diese beschränkt und die übrige Grundsubstanz erscheint ungefärbt. 128 “ Rudolf Krause: beobachten lassen, erstrecken sich hauptsächlich auf. das Epithel der eigentlichen secernirenden Tubuli. Man kann ja auch hier und da Veränderungen der Stäbchenepithelien sehen, bestehend in einer Verschmälerung der centralen, homogenen Zone der Zellen, doch sind dieselben so inconstant, dass ich darauf keinen Werth legen möchte. Anffallend dagegen ändert sich das ganze Bild des Drüsenepithels. Während wir in der ruhenden Drüse die beiden Arten von Zelleomplexen scharf von einander ge- schieden sahen, die einen mit tief roth gefärbten Granulis erfüllt, die anderen mit intensiv blauem Protoplasma, so ver- schwindet dieser Unterschied mehr und mehr in der gereizten Drüse. Das ganze Bild wird verschwommen. Die rothen Zellen stossen zum Theil ihre Granula aus und färben sich dann hell- roth, die blauen dagegen zeigen keine rein blaue Farbe mehr, sondern nehmen eine mehr ins Rothe spielende Nüaneirung an. Unzweifelhaft rührt das daher, dass die letzteren ihren alkalischen Zellinhalt ausstossen und nun den basischen Farbstoff nieht mehr so intensiv aufnehmen, wie früher. Die Protoplasmafäden beider Zellarten erscheinen aufgelockert. An den Kernen kann man ganz allgemein eine Vergrösserung beobachten, sie rücken auch mehr in die Mitte der Zellen. Das geschilderte Verhalten zeigt uns deutlich, dass wir es in den beiden, auf den ersten Blick so verschiedenartig aus- sehenden Zelleomplexen der Submaxillaris im Grunde genommen doch nur mit denselben Zellen zu thun haben. Dadurch, dass jede Zellart die Absonderung eines bestimmten Theiles des fertigen Se- erets übernimmt, erhält sie ihr eigenthümliches Gepräge. Wird dieses Seeret aber ausgestossen, so bieten beide Zellarten wieder ungefähr das gleiche Bild dar. Literaturverzeiehniss. 1. Beermann, J. Ueber die Zusammensetzung der Glandula sub- maxillaris aus verschiedenen Drüsenformen und deren functionelle Structurveränderungen. Würzburg 1878. 2. Ramon y Cajal und Sala, Terminacion de los nervios y tubos glandulares del pancreas de los vertebrados. Barcelona 1891. 3. v. 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Uebergang des Schaltstücks (Sch) in den Schleim- tubulus, dessen erste Zellen (PZ) ganz oder zum Theil proto- plasmatisch sind. Die letzte Zelle (E) des Schaltstücks ist stark in die Länge gezogen und ragt mit einem Zipfel in den Schleimtubulus hinein. Bg kleines Blutgefäss mit rothen Blutkörperchen. Gl. retrolingualis.. Sublimat. Thioninfärbung. Zeiss Oe. 4. Apochr. 2 mm. Epithel des Ductus retrolingualis; zwischen den Cylinderzellen eine Becherzelle (BZ). Fig. 4. Gl. retrolingualis. Sublimat. Biondifärbung. Zeiss Oe. 2. Obj. !/is-, Injection von 0,02 gr Pilocarpin. Zwischen den Schleimzellen protoplasmatische Zellen (PZ) ohne Körnchen. Im angrenzenden Lymphraum acidophile Zellen (AZ). Fig. 5. Gl. retrolingualis. Sublimat. Biondifärbung. Zeiss Oe. 2 Fig. (SS) Obj. !/j., Injection von 0,02 gr Pilocarpin. Schräg durch- schnittener Tubulus, bei SZ Schleimzellen im Begriff ihren Schleim auszustossen, XZ protoplasmatische Zellen mit Körn- chen in den Maschen. Im Lymphraum Z acidophile Zellen und freie Körnchen, aus dem Lymphserum gefällt. Fig. 6. Gl. retrolingualis. Sublimat. Biondifärbung. Zeiss Oe. 2. Obj. Y/ı. Das Thier wurde kurz nach intensiver Fütterung getödtet. Schleimtubulus mit einer Körnchenzelle (KZ) und zwei theilweise protoplasmatischen Zellen. Bei BZ eine Zelle der Membrana propria mit Kern. Fig. Fig. ig. 10. ll ie. 13. ig. 14. ig. 15. ©. 16. Rudolf Krause: Gl. retrolingualis. Sublimat. Bordeaux - Eisenalaun - Häma- toxylin. Zeiss Oc. 4 Apochr. 2 mm. PZ, Schleimzellen in Thätigkeit. In zwei Schleimzellen sind Secretionscanälchen (SC) zu sehen. Gl. retrolingualis. Sublimat. Bordeaux-Eisenalaun-Häma- toxylin. Zeiss Oc. 4. Apochr. 2 mm. Am Ende des Tubulus zwei protoplasmatische Zellen in halbmondförmiger Anordnung; in der einen ein sich gabelförmig theilendes Secretionscanälchen (SC), in der andern (PZ) spärliche Körnchen. Gl. parotis. Sublimat. Biondifärbung. Zeiss Oc. 2. Obj. D. Uebersichtsbild der Parotis. Zwischen den secernirenden Tu- bulis die mächtig entwickelten Speichelröhren (Spr) mit ihrem charakteristischen Epithel. Gl. parotis. Sublimat. Eisenalaun-Hämatoxylin-Bordeaux. Zeiss Oc. 2. Obj. Yıs- Uebergang des Schaltstücks (Sch) in den secernirenden Tubulus. In den Protoplasmamaschen der Zellen zahlreiche schwarz gefärbte Körnchen. Bei SC Se- eretionscapillaren in den Zellen. Gl. parotis. Sublimat. Biondifärbung. Zeiss Oc. 2. Obj. !/ıs- Das Thier hatte 10 Tage gehungert im Eisschranke. Epithel eines Speichelrohrs, der periphere Theil des Epithel zeigt die Körnchen unregelmässig gelagert in den Knotenpunkten des Protoplasmanetzes. . Gl. parotis. Sublimat. Biondifärbung. Zeiss Oc.2. Obj. Y/ıs- Das Thier wurde kurz nach reichlicher Fütterung getötet. Epithel eines Speichelrohrs. Die periphere Zone der Epithel- zelle ist bedeutend mächtiger geworden, ihre Körnchen haben sich zur Bildung von Stäbchen hintereinander geordnet. Tafel VIII. Gl. parotis. Sublimat. Bordeaux-Eisenalaun - Hämatoxylin. Zeiss Oc. 2. Obj. !/,. Verbreitung der Secretionscapillaren in den Zellen der secernirenden Tubuli. Spr Stück eines Speichelrohrs. Gl. parotis. Sublimat. Thioninfärbung. Zeiss Oe. 4. Apochr. 2 mm. Das Thier hatte 5 Tage gehungert. Epithel eines grossen Ausführungsganges mit einer vereinzelten Becher- zelle (BZ). In dem umgebenden Gewebe und zwischen den Tubulis Mastzellen mit starken metachromatisch gefärbten Granulis (MZ und MZ!). Gl. submaxillaris. Sublimat. Biondifärbung. Zeiss Oc. 2. Obj. D. In der Mitte des Präparats ein sich verästelndes Speichelrohr. (Spr), zu beiden Seiten blaue und rothe Tubuli. Gl. submaxillaris. Sublimat. Biondifärbung. Zeiss Oc. 2. Obj. Y/s. Zwei schräg geschnittene Tubuli mit der charak- teristischen Anordnung der beiden Epithelarten. Zur Histologie der Sdeicheldrüsen. 133 Fig. 17. Gl. submaxillaris. Sublimat. Eisenalaun - Hämatoxylin - Bor- deaux. Das Präparat ist stark entfärbt, so dass nur die Kerne und das Protoplasma der Endtubuli schwarz gefärbt er- scheinen. Uebergang eines kleinen Speichelrohres (Spr) in das Schaltstück (Sch) und den secernirenden Tubulus. CZ centro-acinäre Zellen. Bei RZ und BZ die verschiedenartigen Epithelzellen. Fig. 18. Isolirte Zellen der Gl. retrolingualis. Maceration in Jodserum. Böhmer’sches Hämatoxylin. Zeiss Oc. 4 Obj. !/ıs., Das Thier wurde kurz nach reichlicher Fütterung getötet. Bei SC eine Zelle mit Secretionscanälchen. Fig. 19. Gl. submaxillaris. Sublimat. Bordeaux - Eisenalaun- Häma- toxylin. Zeiss Oec. 2. Obj. !/. Uebergang des Schaltstückes (Sch) in den mit Körnchenzellen ausgekleideten Tubulus und Zusammenhang (X) dieses letzteren mit dem mit Zellen der zweiten Art ausgekleideten Endstück. In den letzteren sieht man zahlreiche Secretionscanälchen. CZ centroacinäre Zelle. (Aus dem anatomischen Institut in Kiel.) Ueber die Zellen des Sesambeins in der Achillessehne des Frosches (Rana temporaria) und über ihre Centralkörper. Von Dr. Fr. Meves, Assistenten am anatomischen Institut in Kiel. ‚ Hierzu Tafel IX. Hinsichtlich der Centralkörper wird augenblicklich vielfach die Frage erörtert, ob dieselben als permanente Organe der Zelle (van Beneden) oder als entweder dem Kern (0. Hertwig Julin, Brauer) oder auch der Zellsubstanz (Watase, Reinke) zugehörig zu betrachten sind. Die Autoren, welche ihre Zugehörigkeit zum Kern vertre- ten, nehmen an, dass, wo Centralkörper ausserhalb der Mitose nachweisbar sind, es sich um Fälle bevorstehender oder kurz vorhergegangener Thheilung handelt. 134 Fr. Meves: Dem gegenüber weist Flemming (7, pag. 78 u. folg.) darauf hin, dass vor allem die Befunde Solgers und Zimmer- mann's bei den Pigmentzellen der Fische eine Verallgemeinerung in dieser Richtung nicht zulassen; bei dem genannten Object werden Sphären mit ihren Centralkörpern ständig ausserhalb des Kerns gefunden, obwohl hier von häufig wiederholten Theilungen nicht die Rede sein kann. Im Folgenden theile ich einen weiteren Befund mit, aus dem ebenfalls in einwurfsfreier Weise hervorgeht, dass die Cen- tralkörper persistirende Bestandtheile des Zellenleibes sein kön- nen, „auch vorausgesetzt, dass dies nicht allgemeiner der Fall ist“ (Flemming). Es handelt sich um die Zellen des Sesambeins in der Achilles- sehne des Frosches. Die Längsfasern dieser Sehne werden durch die Einlage- rung eines Sesambeins so auseinander gedrängt, dass sie eine „äussere fibröse Kapsel“ desselben (Lehmann) darstellen; jedoch hält sich (Lehmann) die überwiegend grösste Menge der Längs- fasern auf der hintern Sehnenfläche, während die nach vorn ge- kehrte viel weniger Fasern hat. Das Sesambein selbst setzt sich aus grossen bläschenförmigen Zellen, Bindegewebsfasern und einer Intercellularsubstanz zusam- men. Die Bindegewebszüge gehen senkrecht zur Längsfaserung der Sehne von der durch die Sehnenfasern gebildeten Kapsel ab und durchsetzen das Sesambein vorwiegend in frontaler Richtung. Das Vorhandensein einer Intercellularsubstanz, welches bereits von Gegenbaur 1866 behauptet ist, lässt sich nach Sublimät- fixirung, wenn man mit Biondi’scher Lösung färbt, leicht nach- weisen. Die Intercellularsubstanz des Sesambeins, welche sich nicht überall, sondern stets nur stellenweise und in spärlicher Menge zwischen den Zellen findet, nimmt bei dieser Behandlung einen grünlichen Ton an. Die Zellen des Sesambeins des erwachsenen Thieres (Fig. 5—8) sind grosse bläschenförmige Elemente mit einem Zellkörper, der abgesehen von einem gleich zu besehreibenden Gebilde völlig homogen erscheint (in den Figuren weiss gelassen). Der rund- liche oder ovale Kern zeigt häufig Einbuchtungen der Wandung; er ist in der Regel mit einem oder auch zwei Nucleolen versehen, Ueb. d. Zellen d. Sesambeins in d. Achillessehne d. Frosches ete. 135 die sich an Sublimatpräparaten bei Färbung mit Biondi’scher Lösung roth tingiren. In der Nähe des Kerns liegt an einer Stelle ein Körper, dessen zuerst Boll als einer kleinen Menge körniger Substanz Erwähnung thut. Ranvier (16, pag. 339) beschreibt ihn als einen „granulirten Körper, der sich mit Jod gelbbraun färbt“; in der von ihm bei- gegebenen Zeichnung (Fig. 124; 16, pag. 340) ist er als ein Haufen von isolirten Körnern dargestellt. Ich vermag dagegen, wenigstens in vielen Fällen, deutlich eine mehr homogen aussehende Mitte an dem Körper zu erkennen (Fig. 5, 6); diese wird ihrerseits von einer geringen Menge gra- nulirter Substanz umlagert, von welcher aus häufig (Fig. 6) ver- einzelte körnige Fäden in ungefähr radiärer Richtung gegen die Aussenwand der Zelle zu ziehen. Jedoch kommt es gar nicht selten vor, dass die körnigen Bestandtheile nur in ganz geringer Menge vorhanden sind oder überhaupt vollständig fehlen, so dass dann die Mitte als ein homogenes Scheibchen allein übrig bleibt (Fig. 7, 8). Verfolgt man die Entstehung dieser Zellen, so findet man in der Peripherie des Knötchens in den Lücken zwischen den hier diekern und vielfach mit einander verflochtenen Bindegewebs- fasern vereinzelt kleinere Zellen, deren Zellkörper ein gleich- mässig feingranulirtes Aussehen zeigt, und andere, beidenen diese dichte Beschaffenheit der Filarmasse in der Peripherie der Zelle einer grösseren Lockerheit Platz gemacht hat (Fig. 1, 2). Diese Zellen, welche nach Renaut ihrerseits herangewachsene Sehnen- körperchen darstellen, wandeln sich unter Volumzunahme und fast vollständigem Schwund der Structurtheile in die oben beschrie- benen bläschenförmigen Zellen des Sesambeins um. Als Uebergangsstadien zwischen beiden Formen trifft man beim erwachsenen Frosch, ebenfalls an der Peripherie des Knöt- chens, Zellen von mittlerer Grösse, in welchen die peripheren Theile ein gänzlich homogenes Aussehen zeigen. Die Filarmasse ist an einer Seite neben dem Kern lokalisirt; beide zusammen nehmen die Mitte der Zelle ein. In diesem Zwischenstadium, das beim erwachsenen Frosch nur in sehr wenigen peripheren Zellen anzutreffen ist, befinden sich noch sämmtliche Zellen beim halbausgewachsenen Thier 136 Fr. Meves: (Fig. 3. 4); auch die centralsten Zellen haben hier das Ende der Umwandlung noch nicht erreicht. In den Zellen des erwachsenen Frosches dagegen hat ein weiterer Schwund der Zellstrueturen bis auf jenen oben beschrie- benen Rest (den „granulirten Körper“ Ranvier’s) stattgefunden). Ob es sich bei dem geschilderten Vorgang um eine Zu- nahme der Interfilarsubstanz auf Kosten der Filarmasse, oder, wie Boll meint, um eine Umwandlung des Protoplasmas in eine specifische Substanz handelt, „die mit der der elastischen Häute und Scheiden eine grosse Aehnlichkeit zeigt“, will ich dahin ge- stellt sein lassen. Mitosen habe ich beim erwachsenen Frosch niemals angetroffen?), und ist es mir auf Grund der Veränderung, die die Zellen erlitten haben, wahrschemlich, dass sie die Fähig- keit, sich auf mitotischem Wege zu theilen, überhaupt vollständig eingebüsst haben. Beim jungen wachsenden Thier erh werden in Zellen vom Habitus der Fig. 3, 4, in denen bereits in den peripheren Theilen ein Schwund der Filarmasse eingetreten ist, Mitosen gar nicht selten gefunden. Einen eigenthümlichen Befund an diesen, als ich am deut- lichsten an Sublimatpräparaten, die nach dem M. Heidenhain- schen Eisenhaematoxylinverfahren behandelt waren, zu machen Gelegenheit hatte, habe ich in Fig. 9 abgebildet. Im Stadium des Muttersterns, dessen Chromosomen in Folge der Sublimat- fixirung stets mehr oder weniger vollständig mit einander ver- klumpt sind, fand ich an den Polen der achromatischen Spindel häufig unregelmässig rundliche oder stäbchenförmige, intensiv schwarz gefärbte Gebilde, welche bei verlängerter Extraction das Haematoxylin meistens länger zurückhalten als das Chromatin; bei Färbung mit Biondi’scher Lösung tingiren sie sich roth, 1) Die Transformation dieser Zellen ist von Renaut (18, pag. 287) bereits einmal, aber unzutreffend beschrieben worden. Renaut lässt im Widerspruch mit seinen Figuren (pl. 14, fg. 1) das Homogen- werden der Zellsubstanz im Centrum der Zelle beginnen (le proto- plasma forme un anneau granuleux tr&s-mince autour d’un globe cen- tral refringent, clair transparent), während das umgekehrte der Fall ist. 2) Ich bemerke übrigens, dass es sich bei den meisten der unter- suchten erwachsenen Thiere um Winterfrösche handelt, deren Sesam- - beine um Weihnachten zur Fixirung eingelegt waren, Ueb. d. Zellen d. Sesambeins in d. Achillessehne d. Frosches ete. 137 treten aber bei weitem nicht so deutlich wie bei dem Eisen- haematoxylinverfahren hervor. Nach diesem Verhalten können Chromatinkörner nicht in Frage kommen; dass essich um Kunst- produkte, etwa um verbackene Zellmierosomen, handeln sollte, kann ich ebenfalls nieht wahrscheinlich finden. Vielmehr möchte ich glauben, dass es sich um Gebilde sui generis handelt, über deren Deutung ich mich jedoch einstweilen einer Vermuthung enthalten will. In den Zellen des Sesambeins ist es mir nun gelungen, an meinem mit Sublimat fixirten Material mit Hilfe der M. Heiden- hain’schen Methodik (Eisenhaematoxylinverfahren und Färbung mit Biondi’seher Lösung) die Centralkörper nachzuweisen (Fig. 1—8). Sie nehmen in der Regel die Mitte der noch nicht homo- gen gewordenen Zellsubstanz ein. Man sieht sie bei Thieren jeden Alters, an gelungenen Präparaten in allen Zellen. Ihre Form ist, soviel ich sehen kann, rundlich. Sie werden nicht nur in den Zellen des jungen Thieres (Fig. 1, 3, 4), sondern auch in denen des alten (Figur 2, 5—8), welche letzteren sich wahr- scheinlich nieht mehr mitotisch theilen, ebenso wie bei den Binde- gewebszellen der Salamanderlarve (Flemming) und den Leuco- eyten (M. Heidenhain), in mehr als der Hälfte der Fälle dop- pelt und häufig einer grösser als der andere angetroffen. Nicht selten konnte ich auch, besonders beim jungen Frosch, in Bestä- tigung einer von M. Heidenhain bei den Leuceoeyten gemach- ten Beobachtung die Anwesenheit von drei (ef. Fig. 6, aus dem Sesambein des erwachsenen Frosches) und ausnahmsweise auch von vier, ungleich grossen Centralkörpern feststellen. Wo eine besonders beschaffene Sphäre um die Centralkörper zur Wahrnehmung kommt, erschemt sie in der Regel als ein rundliches oder auch unregelmässig geformtes, homogenes Scheib- chen, welches meistens durch stärkere Färbung vor der Umge- bung hervortritt und zuweilen auch durch einen unscharfen, höckerigen Kontur eingefasst ist. . Die homogene Mitte jenes oben in den Zellen des erwach- senen Frosches beschriebenen Zellstructurrestes („granulirten Kör- pers“, Ranvier) ist nichts anderes als die Sphäre; dieselbe bleibt in manchen Fällen allein nach dem vollständigen Unter- gang der Filarmasse in der Zelle zurück. Nicht von einer 138 Fr. Meves: Sphäre umhüllte Centralkörper, nackt in der gänzlich homogen gewordenen Zellsubstanz liegend, sind mir bisher niemals zu Gesicht gekommen. Die Zellen des Sesambeins des erwachsenen Frosches büssen also ungeachtet des in einigen Fällen vollständigen Untergangs der Zellstrueturen und trotzdem mitotische Theilungen bei ihnen nicht beobachtet werden und sie wahrscheinlich überhaupt nicht mehr fähig sind, sich mitotisch zu vermehren, dennoch weder die Centralkörper noch die Sphären ein. Was die Persistenz auch der Sphäre anlangt, so kann dieser Umstand wohl kaum als ein Beweis für eine specifische Beschaffenheit ihrer Substanz angesehen werden; eine Beschaffenheit, die ich auf Grund frühe- rer Untersuchungen an den Spermatogonien von Salamandra maculosa (14) wenigstens für die Geschlechtszellen mit Boveri annehmen möchte. In der Umgebung der Sphäre beobachtete ich in den peripheren Zellen (Fig. 2) des alten und in sämmtlichen des jun- gen Thieres (Fig. 3, 4, 10—14), in denen noch eine grössere Menge Filarmasse vorhanden ist, bisher niemals etwas von einer radiären Anordnung; dagegen zeigt die Zellsubstanz, soweit sie noch nicht homogen geworden ist (mit Ausnahme derjenigen der allerjüngsten Zellen, wie Fig. 1), eine zur Oberfläche der Sphäre konzentrische Schiehtung, die bei jungen Thieren mehr oder min- der deutlich in sämtlichen Zellen zu konstatiren ist. Die Schichten haben entweder die Form von Kreisen (Fig. 2—4, 10, 13), welche letzteren den optischen Querschnitten von Kugelschaalen entsprechen müssen, oder sie zeigen eine von der Kreisform in geringerem oder höherem Grade abweichende un- regelmässige Gestalt (Fig. 12, 14). Die einzelnen Schichten sind häufig unvollständig oder unterbrochen; vielfach gehen sie inein- ander über oder stehen durch schräge oder quere Brücken mit ein’ ander in Zusammenhang. Der Zellstructurrest in den Zellen des erwachsenen Thieres besteht zuweilen aus einem einzigen, zur Sphärenoberfläche konzentrisch verlaufenden Kreisbogen, lässt jedoch meistens eine derartige Anordnung vermissen. Bei den Leucoeyten des Salamanders konnte M. Heiden- hain, „allerdingsnur in sehr seltenen Fällen“, zur Sphäre konzen- Ueb. d. Zellen d. Sesambeins in d. Achillessehne d. Frosches etc. 139 triseche Kreisbogen beobachten, welche quer über die Radiär- fäden hinweglaufen; diese als „Phänomen der konzentrischen Kreise“ bezeichnete Erscheinung kommt nach ihm dadurch zu Stande, dass die in den Radiärfäden liegenden Mierosomen von der Oberfläche der Sphäre den gleichen Abstand inne halten. Ich vermochte dagegen bei meinem Object, wie schon ge- sagt, von einer radiären Anordnung um. die Sphäre nichts zu konstatiren und bin daher nicht im Stande zu sagen, ob die Sehiehtung auch hier auf einer Quergliederung centrirter Fäden beruht; was ich sehe, sind konzentrische Schichten, die von Reihen undeutlich hervortretender Körner oder von verwaschenen Fäden von körnigem Aussehen gebildet werden, welche letzteren als der Ausdruck von membranartigen Bildungen zu betrachten sein würden. Eine distinete Darstellung von Zellmisrosomen ist mir bisher noch nicht gelungen. Auch um die Pole der mitotischen Figuren beobachtete ich zuweilen konzentrische Kreise, ohne dass es mir bisher auch an diesen Stellen möglich gewesen wäre, radiäre Anordnungen dane- ben nachzuweisen. Unter den Zellen des Sesambeins findet man sodann ver- einzelt, aber beim jungen wachsenden Frosch ziemlich häufig, selten beim ausgewachsenen Thier, solche, welehe sich durch ein bedeutenderes (gewöhnlich drei- bis viermal so grosses) Volumen sowohl des Zellleibes wie des Kerns vor den übrigen auszeichnen ; beim alten Thier weist der Kern, ebenso wie derjenige in den Zellen von Durchschnittsgrösse, häufig ziemlich starke Einfaltungen der Wandung auf. In diesen Zellen!) hat nun meistens eine Vermehrung der Centralkörper stattgefunden, ohne dass, wie bei den Riesenzellen des Knochenmarks, bei denen M. Heidenhain weit über 100 Centralkörper fand, eine rückläufig gewordene Mitose dafür verantwortlich gemacht werden könnte. Meistens liegen die Centralkörper so dicht neben- und über- einander, dass eine Feststellung ihrer Zahl nicht möglich ist; in andern Fällen zählte ich 6—8 oder 9 derselben (Fig. 10; vergl. auch Figur 14). In der in Fig. 10 abgebildeten Zelle, in welcher sie über einen grössern Raum verbreitet lagen, konstatirte 1) Die folgenden Angaben beziehen sich auf junge Thiere. 140 Fr. Meves: ich 6 Centralkörper, von denen 4 paarweise zu je zweien ange- ordnet waren. Ein kleines schwach gefärbtes Körperchen lag abseits von den übrigen; in derselben Weise werden nicht ganz selten ein oder auch zwei meistens kleinere Centralkörper abseits von der Hauptgruppe liegend aufgefunden. | Die Kerne dieser grossen Zellen theilen sich durch Ami- tose (Fig. 11—14); Mitosen derselben sind mir niemals zu Gesicht gekommen. Die einzelnen Stadien des Fragmentirungs- processes, bei welchem häufig eine längere Verbindungsbrücke zwischen den Tochterkernen ausgezogen wird (Fig. 11), sind im Sesambein des jungen Frosches leicht aufzufinden. Die Tochter- kerne überragen in Folge des bedeutenden Volumens des Mutter- kerns in der Regel noch die Kerne der umliegenden Zellen an Grösse. Die Zelltheilung scheint sich meistens längere Zeit zu verzögern, da man grosse zweikernige Zellen (Fig. 13, 14) beim Jungen Thier besonders häufig findet. Die Sphäre, innerhalb welcher eine Vermehrung der Cen- tralkörper, wie ich eben beschrieben habe, in der Regel bereits vor Eintritt der Kernzerlegung stattgefunden hat, liegt während des Fragmentirungsprocesses, wie bei den amitotisch sich theilen- den Kernen der Leucoeyten (Flemming) fast ausnahmslos den Abschnürungsbrücken gegenüber, ohne eine nähere Beziehung zu diesen zu zeigen. Nach vollzogener Theilung bildet sie mit den beiden Kernen ein gleichschenkliges Dreieck oder liegt auf der Verbindungslinie zwischen ihnen (Fig. 15, 14). Nicht selten sieht man zweikernige Zellen mit doppelten Sphären. Ueber die Art, wie die Theilung der Sphäre und des Microcentrums (M. Heidenhain) in diesen Fällen vor sich gegangen ist, habe ich bisher keine Beobachtungen machen können und muss ich diese Frage, die an dem vorliegenden Objeet ohne grosse Schwierigkeit auszumachen sein würde, für's erste unentschieden lassen, weil mir junge Frösche um diese Jahreszeit nicht mehr zur Verfü- gung stehen. Einstweilen beschränke ich mich auf eine Erörtung, inwie- weit den Ermittelungen M. Heidenhains über die Ausbildung einer „Art von Spindelfigur* bei der direeten Zelltheilung ein Werth beizumessen ist. Nach M. Heidenhain (9, pag. 145 u. folg.) geht die di- recte Zelltheilung der Leucocyten mitunter mit Ausbildung einer Ueb. d. Zellen d. Sesambeins in d. Achillessehne d. Frosches ete, 141 Spindelfigur einher, welche er als ein Analogon einer Central- spindel bezeichnet. Heidenhain sagt: ... . „es würde ihn nicht erstaunen, wenn eine solche Oentralspindel sich noch als ein typischer Bestandtheil bei der direeten Zelltheilung ergeben würde ; denn es sei nicht abzusehen, warum die Centralspindel hier fehlen sollte, da sie lediglich Beziehungen zur Protoplasmatheilung habe. In seiner letzten Arbeit (10, pag. 695) sprieht Heidenhain von den Rudimenten einer Centralspindel, von denen es zweifel- haft sei, ob sie sich überall bei Gelegenheit der direeten Zellthei- lung würden nachweisen lassen. Ich glaube, es bedarf Heidenhain gegenüber kaum einer Auseinandersetzung, dass die Spindelfiguren, welche er (9, Taf. X) in den Figg. 10 u. 17, auf welche er sich beruft, abbildet, mit Centralspindeln oder Rudimenten von solchen morphologisch nichts zu thun haben. Die Centralspindel bildet sich auf Kosten der Sphäre, in Folge dessen diese, bei den meisten Zellen wenigstens, als solche gänzlich zu bestehen aufhört. Heidenhain, dersich mit Bezug auf die Entstehung der ersteren die Vorstellung gebildet hat, dass sie sich aus der Substanz der Centralkörper ausspinnt, konstatirt selbst ebenfalls, dass während der Mitose der Gewebszellen an den Polen der Centralspindel eine abgegrenzte Sphäre gänzlich fehlt; die van Beneden sche sphere attraetive ist „beim Leueo- cyten nur während der Zellenruhe, nicht aber während des Ab- laufs (ler Mitose vorhanden“. Betrachtet man aber die in den Figg. 10 u. 17, Taf. X von Heidenhain abgebildeten Spindelfiguren, welehe nach ihm Centralspindeln analog zu setzen sind, so findet man hier an den Polen derselben wohl abgegrenzte Sphären, welche ein van Beneden’sches Körnerstratum (M. Heidenhain) in grösster Deutlichkeit zeigen. Schon aus diesem Grunde haben Heiden- hain’s Spindeln nichts mit Centralspindeln zu thun; dazu kommt noch, dass die Fäden, welche sich zwischen den beiden Sphären ausspannen, von gewöhnlichen Zellfäden, wie Heidenhain selbst betont, durchaus nieht verschieden sind und die den Centralspindel- fasern eigenthümliche Beschaffenheit völlig vermissen lassen. Nach meiner Meinung kommt den eitirten Figuren Heiden- hain’s eine besondere Bedeutung überhaupt nicht zu. Dass nach Ablauf der Kernzerschnürung im Anschluss an die Verdoppelung 149 Fr. Meves: _ der Sphären anstatt des ursprünglich vorhandenen einen Radiär- systems deren zwei sich ausbilden werden, bedarf als selbst- verständlich kaum einer Erörterung. Sind nun, wie in den Figuren Heidenhain’s, zwei von Strahlungen umgebene Sphären in der Zelle vorhanden, so kann ich wenigstens es nicht auffal- lend finden, wenn die zwischen den Sphären verlaufenden Zellfäden beiden Radiärsystemen gemeinsam sind; ich kann mir sogar kaum vorstellen, wie dieses anders sein sollte. Die auf diese Weise entstehende Spindelfigur aber mit einer Centralspindel in Beziehung zu setzen, ist nicht angängig; denn die Centralspindel fürhrt zur Entstehung zweier neuer Sphären, Heidenhain’s Spindelfiguren aber setzen das Vorhandensein derselben voraus. Figuren, wie diese, könnten sich ebenso gut im Anschluss an eine Mitose, nach welcher die Zelltheilung ausgeblieben ist, inner- halb der Zellsubstanz ausgebildet haben. Wenn schliesslich Heidenhain (10, pag. 619, Anm.) auch die von Moore gefundenen Spindelfiguren bei ruhendem Kern (15, pag. 190, Geschlechtszellen der Genitalleiste von Salamander- larven) heranzieht und meint, dass hier vielleicht amitotische Zelltheilung nachfolge, so ist darauf zu erwidern, dass es sich bei diesen Spindeln allerdings im Gegensatz zu Heidenhain’s Figuren um echte Centralspindeln handelt, dass aber die von Heidenhain an das Vorkommen derselben bei ruhendem Kern angeknüpfte Vermuthung, es möchte eine Amitose nachfolgen, einstweilen in keiner Weise begründet ist. Kiel, 27. Januar 1895. Literaturverzeichniss. 1. van Beneden, Ed. et A. Neyt: Nouvelles recherches sur la fecondation et la division mitosique chez l’Ascaride m&galoce£phale. Bull. de l’Acad. de Belgique, ser. 3, t. 14, 1887. 2. Boll, Fr.: Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 7, 1871. 3. Boveri, Th.: Zellenstudien, Heft 2; Jena 1888. 4. Brauer, A.: Zur Kenntniss der Spermatogenese von Ascaris megalocephala. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 42, 1893. 5. Flemming, W.: Ueber Theilung und Kernformen bei Leuco- ceyten und über deren Attractionssphären; Arch. f. mikr. Anat., Bd. 37, 4891 (1890 dat.). Ueb. d. Zellen d. Sesambeins in d. Achillessehne d. Frosches ete. 143 6. Derselbe: Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle, Theil II; ‘_ Arch. f. mikr. Anat., Bd. 37, 1891. 7. Derselbe: Zelle, Referat in den Ergebnissen der Anatomie und Entwicklungsgeschichte, Bd. 3, 1894. 8 Gegenbaur, C.: Ueber einige Formelemente im Bindegewebe. Jenaische Zeitschr. f. Med. u. Naturw., Bd. 3, 1866. 9. Heidenhain, M. Ueber Kern und Protoplasma ; Festschrift für A. v. Kölliker, Leipzig 1892. 10. Derselbe: Neue Untersuchungen über die Centralkörper und ihre Beziehungen zum Kern und Zellprotoplasma. Arch. f. mikr, Anat., Bd. 43, 1894. 11. Hertwig, O.: Die Zelle und die Gewebe, Jena 1893. 12. Julin, Ch.: Le corps vitellin de Balbiani et les &l&ments de la cellule des Mötazoaires, qui correspondent au Macronucleus des Infusoires eilies. Bull. scientif. de la France et de la Belgique, t. 25, 1893. 13. Lehmann, J. Chr.: Ueber den Knorpel in der Achillessehne des Frosches. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 14., 1864. 14. Meves, Fr.: Ueber eine Metamorphose der Attraktionssphäre in den Spermatogonien von Salamandra maculosa ; Arch. f. mikr. Anat., Bd. 44, 1894. 15. Moore, JohnE.S.: On the relationships and the röle of the archoplasm during mitosis in larval salamander; Quart. Journ. of microse. sc., vol. 34, 1893. 16. Ranvier, L.: Technisches Lehrbuch der Histologie, übersetzt von W. Nicati u.H. v. Wyss, Leipzig 1888. 17. Reinke,Fr.:Zellstudien, Theil II; Arch. f. mikr. Anat., Bd. 44, 1894. 15. Renaut, J.: Recherches sur la transformation v6esiculeuse des elements cellulaires des tendons; Arch. de Physiologie, t. 4, 1871. 19 Solger, B.: Ueber pigmentirte Zellen und deren Centralmasse; Mittheil. des naturw. Ver. v. Neuvorpommern und Rügen. Jahrg. 22, 1890. 20. Watase, Sho: Homology of the centrosome; Journ. of Mor- phologie, vol. 8, 2, Boston 1893. 21. Zimmermann, K. W.: Studien über Pigmentzellen; Arch. f. mikr. Anat., Bd. 41, 1893. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX. Die Abbildungen sind mit Zeiss’ homogener Immersion 3,0 (Apert. 1,3) und Ocular 12 unter Benutzung des Ab be’schen Zeichen- apparates (Projection auf den Tisch) entworfen; sie stammen sämmt- lich von Objecten, die in Sublimat fixirt und theils nach dem Eisen- hämatoxylinverfahren von M.Heidenhain (mit oder ohne Bordeaux- vorbehandlung), theils mit Biondi’scher Lösung gefärbt wurden, 144 Fig. Fig. Fig. Fr. Meves: Ueb. d. Zell. d. Sesamb. in d. Achilless. d. Frosch. ete. Fig. 1—8 zeigen die verschiedenen Stadien in der Umwandlung der Sesambeinzellen und das allmähliche Schwinden der Zellstrueturen in ihnen. 1. Periphere Zelle; von einem jungen Frosch. Zellsubstanz fein 92 . granulirt; Sphäre als heller Fleck kenntlich. Centralkörper doppelt. Bordeaux-Eisenhämatoxylin. Ebenfalls periphere Zelle; vom alten Thier. Zellstructuren in der Peripherie gelockert. Concentrische Schichtung um die Sphäre wie auch in Figur 3 u. 4. Eisenhämatoxylin. 3 u. 4. Periphere Theile der Zellen von homogenem Aussehen; > in 3 doppelte, in 4 nur ein einfacher Centralkörper. Vom jungen Thier. Bordeaux-Eisenhämatoxylin. Fig. 5-8. Aus dem Sesambein des erwachsenen Frosches. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 5. 8. Aus der Nähe der Peripherie. Die Sphäre ist als ein homo- genes, deutlich abgesetztes Scheibchen inmitten des Zellstruc- turrestes kenntlich. Bordeaux-Eisenhämatoxylin. Peripherie der Sphäre von einer geringen Menge granulirter Substanz umlagert, von welcher körnige Fäden in ungefähr radiärer Richtung abgehen. Drei Centralkörper. Eisenhäma- toxylin. Oberhalb der Sphäre liegen noch einige wenige Körnchen als einzige Ueberreste der Zellstrueturen. Doppelte Centralkörper, von denen der linke deutlich grösser ist als der rechte. Eisen- hämatoxylin. Sphäre allein in der völlig homogen gewordenen Zellsubstanz übrig geblieben. Eisenhämatoxylin. 9—14. Sämmtlich aus dem Sesambein des jungen Thieres. 9. 10. Mitose im Stadium des Muttersterns. Chromosomen verklumpt; an den Polen der Spindel eigenthümliche, intensiv schwarz gefärbte Gebilde, mit Bezug auf welche Text pag. 136 zu ver- gleichen ist. Riesenzelle des Sesambeins; Centralkörper vermehrt. Text pag. 139. Kernstructur in der Zeichnung nicht ausgeführt. Eisenhämatoxylin. 11 und 12. Amitosen von Riesenzellen. Centralkörper nur in 12 1 [2 } Ds kenntlich. In Figur 11 gehen von dem die Sphäre umge- benden Zellstructurrest feine, homogen aussehende Fäden nach oben und unten ab. Biondi’sche Lösung. Zweikernige Riesenzelle mit schöner eoncentrischer Schichtung der Zellsubstanz um die Sphäre. Die Centralkörper, die schärfer als gewöhnlich durch Biondi 'sche Lösung dargestelt sind, sind in diesem Fall anscheinend nicht vermehrt; sie werden inner- halb der Sphäre noch von einem hellen Hof umgeben. Fig. 14. Zweikernige Riesenzelle, deren Mierocentrum sich aus min- destens 8—9 Centralkörpern zusammensetzt. Bordeaux-Eisen- hämatoxylin. Ueber Degeneration im normalen peripheren Nerven. 145 Ueber Degeneration im normalen peripheren Nerven. Von Dr. Hammer, . pract. Arzt in Heidelberg. Hierzu Tafel X. Die Thatsache, dass im normalen peripheren Nerven Ner- venfasern vorkommen, welche sich im Zustand der Degeneration befinden, wird heutigen Tages von Niemand mehr bestritten wer- den. Es ist das Verdienst von S. Mayer, diese Degenerations- vorgänge im unversehrten peripheren Nerven zuerst als solche erkannt und charakterisirt zu haben. Wenn auch diese Erschei- nungen schon vor ihm von verschiedenen Forschern beobachtet worden sind, so gingen doch die Meinungen über die Bedeutung dieser Fasern sehr weit auseinander; mögen auch wohl viele der Wahrheit sehr nahe gewesen sein, so konnte doch keiner von ihnen auf Grund eines genauen und systematischen Studiums diese Erscheinungen ihrem Charakter nach richtig erkennen und würdigen. Nachdem S. Mayer schon vor mehr als 2 Decennien in einer vorläufigen Mittheilung seiner Untersuchungen betreffend die Struetur der Spinalganglien und der peripherischen Nerven den Satz aufstellen konnte „man stösst in übrigens normalen Nerven hie und da auf Fasern, die ganz die verschiedenen Stadien des Degenerationsprocesses bieten, der nach Durchschneidung eines Nerven im peripherischen Stumpf sich ausbildet“, veröffent- lichte er wenige Jahre später eine ausführlichere Arbeit über Degenerations- und Regenerationsvorgänge im normalen peripheri- schen Nerven. Das Resultat dieser wissenschaftlichen Unter- suchung konnte er dahin zusammenfassen, dass „die Fasern des peripherischen Nerven an mehr oder weniger ausgedehnten Strecken ihres Verlaufs keine perennirende, sondern nur eine -eyklische Lebensdauer haben“. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 10 146 Hammer: Dem Wunsche, den S. Mayer zum Schluss dieser Arbeit aussprach, dass die allseitige Erforschung des angeregten Gegen- standes von bewährter Seite gefördert und Unterstützung finden möge, hat er selbst am meisten entsprochen, indem er unab- lässig weiter bemüht war, in diese schwierigen Verhältnisse tiefer einzudringen und das Wesen dieser Dinge von Grund aus kennen zu lernen. Wie sehr ihm das gelungen ist, beweisen die Erfolge seiner eingehenden Studien, die er schon im Jahr 1881 in einer um- fangreichen Arbeit, welche die Resultate seiner gesammten diese Erscheinungen behandelnden Abhandlungen zusammenfasst, nieder- legen konnte, - Seine erschöpfenden Untersuchungen haben die Lehre, die er bereits im’ seiner. zweiten Arbeit aufstellen konnte, nämlich, dass die Nervenfasern im normalen peripheren Nerven keine perennirende, sondern nur eine eyklische Lebensdauer besitzen, immer wieder bestätigt; des Weiteren aber hat er seine Auf- gabe hauptsächlich darin gesucht, ‘die einzelnen Phasen der Degeneration und Regeneration zu erkennen und zu unterscheiden und hat dann noch viele andere hochwichtige Fragen in einge- hendster Weise erörtert. Zu seinen Untersuchungen verwandte er anfänglich haupt- sächlich Frösche und Ratten, und zwar die kleinen Rückenhaut- nerven und den Ischiadieus des Frosches und den Ischiadieus und seine Aeste sowie andere Cerebrospinalnerven der Ratte. Späterhin dehnte er die Untersuchungen aus auf eine ganze Reihe anderer Thiere, Säugethiere, Vögel, Amphibien und Fische und auf den Menschen. Die Nerven wurden entweder frisch in phy- siologischer Kochsalzlösung oder nach vorheriger Behandlung mit Osmium und ev. Nachfärbung mit Pikrocarmin oder Fuchsin zer- zupft und untersucht. Die Methode des Zerzupfens ist gewiss in hohem Grade geeignet, um den Process der De- resp. Regeneration an der ein- zelnen Faser zu studiren, sie hat aber den grossen Nachtheil, dass es niemals möglich ist, einen sicheren Aufschluss über die: Aus- breitung des Degenerationsprocesses, über die Zahl der in einem als normal zu betrachtenden peripheren Nerven vorkommenden in De- resp. Regeneration begriffenen Fasern zu gewinnen. Von diesem Gesichtspunkt ausgehend, hat auch wohl P. Ueber Degeneration im normalen peripheren Nerven. 147 Teuscher!) in seiner Arbeit über Degeneration am normalen peripheren Nerven, in welcher er. den Nachweis: zu führen sucht, ob allgemeine Körperkachexie den Bestand an degenerirenden Fasern erhöht, zu seinen Untersuchungen eine andere Methode benutzt, welche in hervorragender Weise geeignet ist, an Schnit- ten jede degenerirte Faser kenntlich zu :machen, nämlich die von Münzer und Singer?) wieder eingeführte Marchi’sche ‚Methode. | | Teuscher hat periphere Nerven (meist den . Cruralis, Genitocruralis, Radialis, manehmal auch den ’Medianus, :Ulnaris und Hautnerven) untersucht: von D an: Tubereulose, 4 an Careinom, l an Melanosarcom, 2 an Dementia paralytica, 1 an Dysenterie u. Pachymeningitis, 1 an Nephritis chronica Gestorbenen, von 2 wegen Caries amputirten Extremitäten und ‘zum Vergleich die Nerven eines Neugeborenen und eines wegen complieirter Fraetur amputirten Unterarms von einem 56jährigen Manne.' Das Resultat seiner Untersuchungen fasst er selbst dahin zusammen, dass sich bei den höchsten Graden von Kachexie und Inanition ‚durchaus nicht immer auffallendere Mengen von de- generirten Fasern finden, dass also diese Zustände nieht direct als ätiologisches Moment anzuschuldigen sind. Wenn sich ‚auch in der Teuscher’sehen Arbeit für die Entscheidung der aufgewor- fenen Frage keine sichere Antwort ergeben: hat, so ist die :Zahl der degenerirten Fasern in einzelnen Fällen eine auffallend grosse. So fand er No. 3 beiseiner 14j. Tubereulose in 49 Cruralis-Längssehnitten 69.d. F. „12 Radialis- Y 124, „1% No. 6 bei einer 57j. Tubereulose in 43 Cruralis-Längsschnitten Ka No. 7 bei einer 55). Tubereulose in 36 Radialis-Längsschnitten Binlyatly, „82 Genitocruralis-Längssehnitten 19 1) Archiv für mikrosk. Anat. Bd 36. 2) LV.Bd. der Denkschriften der Mathem.-Naturwissensch.-Cl. der kais. Acad. der Wissenschaften. Ze 148 Hammer: No. 8 bei einer 60j. Carein. perit. in 20 Cruralis-Längsschnitten 14 d. F. „ 36 Radialis- Y Yu DES FE No. 11 bei einer 41j. Carein. oesoph. in 67 Cruralis-Längsschnitten 156 „ „ No. 14 bei einer 50j. Dement. paral. in 22 Cruralis-Längsschnitten u u Diese Zahlen, die ich hier aus Teuscher’s et angeführt habe, sind alle ahnt gross, zum Theil aber so beträchtlich wie in Fall 3 und Fall 11, dass sie mn den Rahmen einer physiologischen De- resp. Regeneration kaum hineinpassen dürften. Allerdings lässt sich ein triftiger Grund für eine solche Annahme vorläufig nicht anführen, zumal sich in einigen von den vornherein als normal zu betrachtenden Nerven der frisch amputirten Extremität ebenfalls ge viele degenerirte Fasern fanden, nämlich in 43 Rad.-Längsschnitten 24, in 56 Med.-Längsschnitten 28. Die angeführten interessanten Befunde Teuscher’s sind auf jeden Fall noch sehr widersprechend und gestatten keine sicheren Schlussfolgerungen, die May er’schen Untersuchungen bieten eben- falls keine sicheren Anhaltspunkte für die Ausdehnung des degenerativen Processes im einzelnen Nerven, so dass es entschie- den als eine sehr wichtige Aufgabe betrachtet werden muss, die quantitative Ausbreitung der alsnormal zu betrachtenden Degene- ration in einer bestimmten Thierspeeies zu erforschen, um so die Grenze zwischen einer noch als physiologisch und einer schon als pathologisch aufzufassenden Degeneration kennen zu lernen. Dass die Erreichung dieses Zieles auf enorme Schwierigkeiten stossen wird, dass es vielleicht überhaupt unerreichbar bleiben wird, geht ‚schon aus dem Umstande hervor, dass die physiolo- gische Degeneration nach den Darlegungen von S. Mayer in derselben Weise und in derselben Form abläuft wie die durch ein Trauma erzeugte; es wird also durch die Qualität des Pro- cesses absolut kein ceharakteristisches Merkmal für das Erkennen einer normalen oder krankhaften Degeneration geboten. Demnach ist man vorläufig unbedingt darauf angewiesen, nur die quantitative Ausbreitung des Degenerationsprocesses zur Beurtheilung von physiologischer oder pathologischer Degene- Ueber Degeneration im normalen peripheren Nerven. 149 ration heranzuziehen. Dass aber auch dieses Verfahren auf grosse Schwierigkeiten stossen und uns vielleicht ebenfalls im Stiche lassen wird, dürfte zur Genüge erhellen aus den folgenden Untersuchungen, welehe ich auf Anregung von Herrn Prof. Vierordt im hiesigen patholog. Institut ausführte. Zu den Untersuchungen wurden stets beide Ischiadiei und zwar hauptsächlich von Ratten, Fröschen und Mäusen benutzt, Thieren, die nach S. Mayer besonders ausgezeichnet sind durch ein reichliches Vorkommen degenerirter Fasern. Die Frösche waren sämmtlich im Frühjahr frisch eingefan- gen und, soweit es sich ihrem Aussehen und sonstigen Verhalten nach beurtheilen liess, vollkommen gesund. Die Nerven wurden nach erfolgter Decapitation sofort mit aller Vorsicht entnommen. Auch die Ratten und Mäuse waren frisch in grossen Fallen gefangen und durchaus gesund, soweit es sich eben beurtheilen lässt. Sie wurden mit Chloroform getödtet und die Nerven sofort nach dem Tode exeidirt. Die Nerven sind dann nach der jetzt wohl allgemein wieder bekannten -und angewandten Marchi’schen Methode behandelt, in Celloidin eingebettet und dann ganz, mög- lichst parallel der Längsaxe, geschnitten. Sämmtliche Schnitte sind sorgfällig durchmikrokospirt und auf jede degenerirte Faser ist genau geachtet. Rationeller wäre es wohl gewesen, Serien- schnitte anzulegen; aber es würde sich die an und fürsich schon zeitraubende und eintönige Arbeit des Schneidens und Anfertigens der Präparate noch zeitraubender und eintöniger gestaltet haben, und der Gewinn wäre wohl auch kein grosser gewesen. — Denn in denjenigen Nerven, in welchen Degenerationen selten vor- kommen, kann man auch ohne Serienschnitte eine Wiederholung derselben degenerirten Fasern auf anderen Schnitten, also eine Doppelzählung, fast immer ausschliessen, und in denjenigen Nerven, in welchen. degenerative Processe sehr häufig sind, ist man auch in Serienschnitten vor einer Doppelzählung nicht sicher. Ich lasse die Resultate der Zählung hier folgen, indem ich noch darauf aufmerksam mache, dass nur solche Fasern, die einen Zweifel nicht aufkommen liessen, als degenerirte gezählt worden sind. Ausserdem möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass ich durch frühere Untersuchungen sowohl experimenteller wie patho- logischer Degenerationen, die ebenfalls nach der Marehi’schen 150 Hammer: “Methode behandelt worden sind, der :Beurtheilung von degenerirten Fasern erworben zu haben glaube; auch haben sowohl Herr Geh.-Rath Arnold wie Herr Prof. Vierordt die Güte gehabt, die wichtigeren Präparate einer Controlle zu unterziehen. .." Froseh I. Linker und rechter Ischiadieus = 37 Doppel- eine genügende' Erfahrung in ‚längsschnitte = 0 = keine degenerirte Faser. Frosch IH. L. u. r. Isch. = 58 Doppelsch. = 1. Frosch II. L. u. r. Isch..= 57 Doppelsch. = 5. Frosch IV. L. u. r. Isch. =: 48 Doppelsch. = 3. Frosch. V. L. ur. Isch. = 47 Doppelsch. = 0. Frosch VI. L. u.'r. Isch. = 51 Doppelsch. = 0. Frosch VII. L. u. r.. Isch. = 47 Doppelsch. = 0. Frosch VIII L. u. r. Isch. = 50 Doppelsch. = 0. Frosch IX. L. u. r. Isch. = 42 Doppelsch. = 7. Frosch X. L. u. r. Isch.. = 50 Doppelsch. = 0. Frosch XI. L. u. r. Isch. = 38 Doppelsch. = 8. h Ratte I. Linker und rechter Ischiadieus = 65° Doppel- längsschnitte = 28 degenerirte Fasern. Ratte IL. L. w"r. ‚Isch...=' 82 Doppelsch. =' 37 .d. F. Ratte III. 'L. u. r. Isch. = 86 Doppelsch. = 44 d. F. Ratte IV. L. ur. Isch. = 52 Doppelsch."= 74 d. FE. Ratte Va vr oL.iapvr. #Isch.; == '69 Doppelsch)'= 70 dur Ratte VII. L. u. r. Isch. = 84 Doppelsch. = 15 d. F. Ratte VIII. L. u. r. Isch. = 41 Doppelsch. = 8d.F. Ratte VI und Ratte IX weisen in jedem einzelnen Schnitt so zahlreiche Degenerationen auf, ‘dass eine Zählung überhaupt unmöglich ist, und zwar sind die degenerirten Fasern über beide Ischiadiei ganz gleichmässig vertheilt. Maus I. Linker und rechter Ischiadieus = 40 Schnitte — 7 degenerirte Fasern. Maus II. L.: Maus IH. L. u. L: Maus IV. Maus V. L. u. „zanlsch. >= r. Iseh. „nisch. r. Isch. 30 Sehn. 42 Sehn. 594. M, 561Schn.“=inp-di F: 50 Sehn. = 2:d. F. = 19 dis! . 1) Beide Nerven sind immer parallel nebeneinander in derselben Ebene in Celloidin eingebettet und so geschnitten, dass ein Doppel- längsschnitt jedesinal je einem Schnitt des linken und rechten Ischia- dicus entspricht. Ueber Degeneration im normalen peripheren Nerven. 151 Hund). Linker Peroneus = 39 Längsschnitte = 7 d. F. Linker Ulnaris = 53 4 . Rechter Peroneus = " a2 di, F. Rechter Ulnaris = 42 % Fr3nd. FE} Die Nerven der untersuchten 11 Frösche zeigen bezüglich ihres Gehaltes an degenerirten Fasern keine sehr grossen Schwan- kungen. Die Zahl der degenerirten Nervenfasern ist eine so geringe, dass für den Fall, dass es erlaubt ist, schon aus dem Verhalten dieser 11 Thiere für die ganze Thierspecies einen Schluss zu ziehen, die Möglichkeit, diese physiologische Degene- ration mit einer pathologischen zu verwechseln, gar nicht in Be- tracht zu ziehen ist. Die höchste Zahl degenerirter Fasern beträgt 8 auf 38 Doppel- schnitte, also 4 auf 38 einfache — das ist ausserordentlich wenig: Man muss bei einem derartig geringen Gehalt an degenerirten Fasern schon mit grosser Sorgfalt die Präparate durchsuchen, . wenn man überhaupt eine finden will. In 6 Fällen liess sich nicht eine einzige finden. Dieser Befund an Fröschen scheint. mir. nicht ganz übereinzustimmen mit demjenigen von S. Mayer. Der- selbe bezeichnet Frösche als sehr geeignet für das Studium degenerirter Fasern im normalen Nerven und hat seine ersten Beobachtungen an Froschnerven gemacht. Es lässt sich kaum denken, dass es bei einem derartig geringen Gehalt an degenerirten Fasern S. Mayer mittelst der Zerzupfungs- methode so häufig gelungen sein sollte, degenerirte Fasern zu sehen. Es ist demnach wohl nur anzunehmen, dass das Untersuchungs- material sieh verschieden verhalten hat; eine Ursache für diese Ver- schiedenheit lässt sich aber nicht finden. Auf die Möglichkeit, dass dureh ein langes Halten in der Gefangenschaft oder während der Zeit des Winterschlafes der Gehalt an degenerirten Fasern erhöht sein möchte, hat schon Mayer geachtet, und er hat nachweisen können, dass dadurch keine wesentlichen Verschiedenheiten be- dingt werden. Die Methode kann auch nicht die Ursache dieser Differenz sein, denn diese Nerven sind genau in gleicher Weise behandelt wie diejenigen der Ratte, in welchen sich so zahlreiche Degenerationen vorfanden. Die Frösche, die von mir untersucht worden sind, wurden 1) Ich hätte gern auch mehr Hunde untersucht; aber es standen mir gesunde frisch getödtete Hunde leider nicht zur Verfügung. 152 Hammer: sämmtlieh, wie schon vorher bemerkt, im Frühjahr frisch eingefan- gen und nur wenige Tage in Gefangenschaft gehalten, haben also - alle unter Bedingungen gestanden, wie sie der Norm am meisten entsprechen. Wenn man nun nicht geneigt ist, die genannten Zustände für das Vorkommen zahlreicherer Degenerationen verantwortlich zu machen, so entziehen sich die Gründe für die wohl zweifel- los bestehenden Differenzen vorläufig einer sicheren Beurtheilung. Es wurde übrigens auch versucht, die kleinen sehr feinen Rückenhautnerven des Frosches nach der Marchi’'schen Methode zu untersuchen. Diese kleinen zarten Nerven ziehen sich aber nach der Herausnahme so enorm zusammen, dass sich für eine Zählung brauchbare Längsschnitte nicht anfertigen liessen. Auch wenn die Nerven, nachdem nur die Rückenhaut vom Kopf bis zum Schwanzende durchschnitten war, in situ belassen und so gehärtet wurden, liessen sich keine für eine Zählung verwerth- baren Resultate erzielen. Soviel lässt sich jedoch nach den angefertigten Präparaten sagen, dass Degenerationsvorgänge in diesen Nerven im Verhältniss zahlreicher waren als in den Nn. ischiadici. Ganz anders dagegen als bei den Fröschen verhält sich der bei den Ratten erhobene Befund. Die Ratten nehmen nach diesen Versuchen, einen Ueberblick über die Quantität der in einem als normal zu betrachtenden Ner- ven vorkommenden degenerirten Fasern zu gewinnen, wie es scheint, eine exceptionelle Stellung ein. Wenn man auch nach den Angaben von S. Mayer auf ein verhältnissmässig zahlreiches Vorkommen von degenerirten Fa- sern im Nerven der Ratte gefasst sein musste, so übertreffen doch die hier gefundenen Resultate entschieden jede Erwartung. Die geringste Zahl beträgt 8 auf 41 Doppelschnitte (= 4 auf 41 einfache Schnitte), die höchste, soweit eine Zählung, noch mög- lich war, 74 auf 52 Doppelschnitte (= 37 auf 52 einfache Schnitte), also nahezu in jedem Schnitt eine degenerirte Faser. Wenn diese zum Theil schon sehr hohen Zahlen sich noch in gewissen Grenzen bewegen und ganz gut harmoniren mit dem von S. Mayer geschilderten Befund, so gewähren die Präparate von 2 Ratten ein Bild, welches zunächst unbedingt eine krank- hafte Affeetion der Nerven vermuthen lässt. Ich habe Nerven von Kindern, welche an postdiphtherischer Lähmung erkrankt und zu Ueber Degeneration im normalen peripheren Nerven. 153 Grunde gegangen waren, nach der gleichen Methode untersucht — ihr Gehalt an degenerirten Fasern war sicherlich kein grösserer, und doch hatten intra vitam ausgesprochene Lähmungserschei- nungen bestanden. Dass auch bei diesen Ratten der Zustand im Nerven als ein pathologischer aufgefasst werden muss, dafür, scheint mir, liegt durchaus kein Anhaltspunkt vor. Die Ratten boten während des Lebens keine Lähmungs- erscheinungen dar; es konnte bei Herausnahme der Nerven anatomisch nichts eruirt werden, was den Gedanken an irgend eine Krankheit, sei es des Nerven selbst oder des umliegenden Gewebes, nahegelegt hätte; insbesondere machte die zum Ischiadicus gehörige Muskulatur durchaus nicht den Eindruck einer bestehenden Atrophie, wie sievon S. Mayer bei einem Kaninchen und in ähnlicher Weise auch bei einer Ratte beobachtet wurde®); weiter ist die Degeneration über beide Nerven gleichmässig ver- theilt, was ebenfalls eine pathologische Affeetion unwahrscheinlicher erscheinen lässt. Den Einwand, dass das Alter als ätiologisches Moment anzuschuldigen sei, hat schon S. Mayer widerlegt. Er konnte Degenerationsvorgänge auch bei ganz jungen Thieren nach- weisen und gelangte zu der Ansicht, dass Degenerationsvorgänge bei ganz jungen Thieren zwar seltener sind, aber sicherlich nicht fehlen. Dem möchte ich hinzufügen, dass ich zweifellose Degene- rationsvorgänge bei ganz jungen Ratten, die höchstens einige Tage alt sein mochten und das Nest selbstständig noch nicht ver- lassen konnten in ziemlich reichlichem Maasse constatiren konnte. Ebenso haben einige von S. Mayer angestellte Inanitionsversuche für das Vorkommen zahlreicherer Degenerationen keine Anhalts- punkte ergeben; desgleichen lehnt er eine Abhängigkeit des degenerativen Processes im Nerven von den besonders bei Ratte und Maus häufig vorkommenden Muskelparasiten auf Grund eines reichhaltigen Materials entschieden ab. Schliesslich scheint mir der hochgradige Degenerations- process, wie er sich bei 2 Exemplaren gefunden hat, nur eine 1) In diesem Fall von S. Mayer boten auch die Nerven den Zustand einer totalen Degeneration dar, als wären sie vorher durch- schnitten worden. Von einer so starken Degeneration kann hier keine Rede sein. 154 Hammer: _graduelle Steigerung des Entartungsvorganges, welcher auch in den übrigen Rattennerven constatirt werden konnte, zu bedeuten. So bleibt vorläufig nur die Annahme übrig, dass auch diese hochgradige Degeneration noch im Bereich des Normalen liegt,‘ dass sie noch als physiologisch aufzufassen ist. Es mag hier noch an die Versuche von Münzer und Singer erinnert werden, welche normale Nerven nach der Blosslegung in situ beliessen und mit einer eigens construirten Pincette sekundenlang quetschten. „Bei der Behandlung dieser Nerven mit der Marchi’schen Methode zeigte sich auf Längsschnitten, dass zu beiden Seiten der Quetschstelle, welehe kenntlich war durch den ziekzaekförmigen Verlauf der Nervenfaser und nur wenig Schwärzung aufwies, die Markscheide etwa auf !/,;, mm durchsetzt war mit schwarzen Schöllchen und Tröpfchen. „Diese erscheinen zum Theil innerhalb der Markscheide bei stärkerer Vergrösserung ziekzackförmig angeordnet, zum Theil als ausge- dehnter, die ganze Markscheide gleichmässig betreffender Nie- derschlag.* Sie wiederholten diese Versuche um zu entscheiden, ob es sich dabei um eine Lebenserscheinung handle an Nerven, welche seit längerer Zeit (bis zu 3 Tagen) abgestorben waren und fanden hier das gleiche Resultat mit unwesentlichen Differenzen. Aus den Versuchen ergiebt sich, dass man durch eine wenn auch nur momentan einwirkende mechanische Irritation des lebenden wie des abgestorbenen Nerven Zustände im Nerven herbeiführen kann, welehe sich von einer Degeneration kaum unterscheiden lassen dürften. Wie es scheint, muss aber die einwirkende Gewalt ziemlich heftig sein, und es ist kaum zu befürchten, dass man bei einigermaassen vorsichtiger Präparation und Herausnahme des zu untersuchenden Nerven eine solehe Art von Degeneration bekommt. Einige von mir in dieser Hinsicht angestellte Versuche leichterer Art blieben ohne jeden Einfluss auf den Nerven. Einigemale wurde ein Stückchen des Ischiadieus mit kräftigem Druck zwischen Daumen und Zeigefinger vielleicht 10—15 Sek. lang hin und her gezwirbelt; dann liess ich ein Stückchen Nerv, bevor es in Müller’sche Lösung kam, etwa 15 Minuten lang austrocknen. Es ergab sich, dass beide Insulte auf die Nervenfaser vollkommen ohne Einfluss geblieben waren. Bei den gezwirbelten Nerven konnte man eine etwas unregelmässige Ueber Degeneration im normalen peripheren Nerven. 155 Contour der Fasern beobachten ; sicherlich war. nirgends eine Andeutung einer Degeneration vorhanden. Hiernach Kann man wohl annehmen, dass leichtere mechanische Irritationen, wie sie bei ‘einer Nervenpräparation unvermeidlich sind, einer echten Degeneration ähnliche Zustände, wie sie von Münzer und Singer geschildert sind, nieht herbeiführen können. Auch in den Nerven der Mäuse lassen sich immer degenerirte Fasern nachweisen, aber'auch hier sehen wir in der Zahl keine grossen Schwankungen: 1: degenerirte Faser als Minimum — 9 degenerirte Fasern als Maximum, ein Verhältniss, wie es einer physiologischen Degeneration durchaus entsprechen dürfte. Ein gleiches Verhalten zeigen die Nerven des einen untersuchten Hundes. Die vorliegenden Untersuehungen haben demnach, um es kurz zu resumiren, ergeben, dass bei Fröschen ‘und Mäusen die Quantität der degenerirten Fasern in einem normalen Nerven nur 'eine- geringe, zwischen engen Grenzen sich bewegende ist, sodass sie mit der Auffassung einer physiologischen Degeneration wohl vereinbar ist, und zu einer Verwechslung kaum Veranlas- sung bieten kann, dass dagegen die Quantität der degenerirten Fasern bei der Ratte eine wesentlich grössere ist, ja dass dieselbe eine so hohe Zahl erreichen kann, dass Verwechslungen mit pathologischen Zuständen wohl nieht ganz ausgeschlossen werden können. Wir sehen also, dass diese Möglichkeit, auf welche vor- her schon aufmerksam gemacht wurde, bei der Ratte entschieden vorhanden ist. ‘Nach den Angaben von S. Mayer ist eine solche Verwechs- lung kaum zu befürchten, „denn da die De- und Regeneration im unversehrten Nerven die Fasern gewöhnlich nur ganz vereinzelt treffen, Conglomerate von 2 und mehr Fasern bei Säugethieren zu den allergrössten Seltenheiten gehören, so sind die Unter- sehiede zwischen den Nervenveränderungen, die Gegenstand seiner Abhandlung waren, und denen, die zweifellos pathisch sind, sehr bedeutend.“ | Diese von S. Mayer auf Grund sehr umfassender Untersuchun- gen geäusserte Ansicht trifft zweifellos das Richtige und entspricht ganz unserem bei Fröschen und Mäusen ergebenen Befund. Der Ratte aber werden wir, ‚so lange es nicht gelungen ist eine genügende Erklärung für die umfangreichen Degenerationen beizubringen, eine Sonderstellung zugestehen müssen; auf keinen 156 Hammer: Fall scheint es mir erlaubt, von dieser Thierklasse auf eine andere oder gar auf den Menschen einen Schluss zu ziehen. Zur besseren Veranschaulichung der geschilderten Befunde habe ich einige Nerven zeichnen lassen. In der Hauptsache ist mir daran gelegen, die hochgradige Degeneration, wie sie sich bei 2 Ratten fand, zur Ansicht zu bringen und auf diese Weise eine möglichst genaue und anschauliche Darstellung zu geben. Figur la und b stellt zwei neben einander gebettete Ischiadiei derselben Ratte dar. (Vergrösserung = Zeiss A. O0. 3.) Wie ersichtlich, ist die in den Schnitten sich darbietende hoch- gradige Degeneration über beide Schnitte gleichmässig vertheilt, es sind also beide Ischiadiei in gleicher Stärke von dem Degene- rationsprocess betroffen. Dieser Zustand findet sich in gleicher Weise insämmtlichen Schnitten der Ischiadiei von 2 Ratten. Die anderen Zeichnungen, in welchen einzelne degenerirte Fasern von der Ratte (Fig. 2), Frosch (Fig. 3) und Hund (Fig. 4) dar- gestellt sind, sollen als Anhaltspunkte dienen für das Aussehen der Fasern, die wir als degenerirt aufgefasst und gezählt haben. Sowie die hier gezeichneten verhielten sich auch alle übrigen als degenerirt bezeichneten, abgesehen von unwesentlichen und uncharakteristischen Differenzen. Neben diesen ausgesprochenen Degenerationen finden sich ziemlich häufig, fast in allen Schnit- ten zerstreute, schwarze, meist rundliche Schollen, wie es ange- deutet ist in Fig. 3und Fig. 4, über deren Lagerung, ob innerhalb oder ausserhalb der Nervenfaser, sich kein sicheres Urtheil gewinnen liess. Nach Münzer und Singer!), welche schon auf dieses Verhalten aufmerksam gemacht haben, „erscheinen in verschiedenen Nerven zwischen der Markscheide und der Schwann’schen Scheide eingelagert in wechselnder Anzahl, doch niemals sehr reichlich, vereinzelte rundliche schwarze Tröpfehen, welche höchst selten zu Gruppen vereint liegen, immer nur der Markscheide aufgelagert erscheinen und niemals dieselbe etwader Dicke nach durchsetzen.“ In dem Nerven einer Maus waren merkwürdiger Weise die Kerne der Sehwann’schen Scheide ziemlich intensiv gefärbt, sodass die Schnitte bei der ersten Betrachtung mit schwacher Vergrösserung den Eindruck einer ausgedehnten Degene- 1) Beiträge zur Kenntniss der Sehnervenkreuzung von Singeru. Münzer, Sonderabdruck aus dem LV. Bd. der Denkschriften der mathemat.-naturw. Classe der kais. Acad. der Wissensch. Ueber Degeneration im normalen peripheren Nerven. 157 ration, gleichmässig über den ganzen Nerven, machten. Normaler Weise treten die Kerne der Schwann’schen Scheide, die in die- sem Fall intensiv schwärzlich-braun gefärbt waren, bei der ange- wandten Methode gar nicht hervor. Ob diesem Verhalten der Kerne eine besondere Bedeutung beigemessen werden muss oder ob es nur als eine zufällige Erscheinung aufzufassen ist, liess sich nicht entscheiden. Es ist bis jetzt nur von in Degeneration begriffenen Fasern die Rede gewesen. Ausdem von S, Mayer aufgestellten Satz, dass die Nervenfaser im normalen peripheren Nerven keine perennirende, sondern nur eine eyklische Lebensdauer besitze, geht aber her- vor, dass neben der Degeneration auch eine Regeneration statt- haben muss, und thatsächlich glaubt S. Mayer beide Processe dem mikroskopischen Bild nach genau erkennen und ziemlich streng trennen zu können; er hat sogar sowohl in der De- wie in der Regeneration noch verschiedene Grade unterschieden. Ueber die Richtigkeit dieser Beobachtungen kann ich mir kein Urtheil erlauben, denn da es mir in erster Linie darauf ankam, die Quantität des Processes zu bestimmen, so habe ich stets den ganzen Nerven nach derselben (Marchi’schen) Methode untersucht. Dieselbe scheint mir, ein so vorzügliches Reagens sie für jede noch so unbedeutende Degeneration darstellt, zum Studium des feineren qualitativen Processes der De- und Regeneration weniger geeignet; vielleicht, dass es gelingt, sie durch zweckmässige Doppelfärbungen auch in diesem Sinne zu verwerthen. Zum Studium der verschiedenen Formen der De- und Regeneration in ihren feinsten Unterschieden dürfte die Zerzupfungsmethode und die Untersuchung des ungefärbten Präparates wohl noch das Beste leisten. Nach den vorliegenden Präparaten ist es entschieden unmöglich, an den Fasern, die eine Veränderung darboten, ähn- liche oder gleiche charakteristische Merkmale, wie sie von S. Mayer geschildert sind, aufzufinden, sodass sich weder eine in Degeneration von einer in Regeneration begriffenen Faser unter- scheiden liess, noch viel weniger verschiedene Stadien beider Pro- cesse erkannt werden konnten. 158 nr ‘Edward Flataüu: Aus dem Laboratorium von Prof. Mendel in Berlin, Ueber die zweckmässige Anwendung der Golgi’schen Sublimatmethode für die Unter- suchung des Gehirns des erwachsenen Menschen. } Von Dr. Edward Flatau. Die Golgi'sche Methode, die vor ungefähr 20. Jahren in ‚die Wissenschaft eingeführt worden ist, hat, in kurzer Zeit unsere Ansichten über die feinere Structur des Nervensystems wesentlich geändert und gefördert. Bekanntlich kommt diese Methode in verschiedener Weise zur Anwendung. Während Golgi selbst früher. sehr. viel die Sublimatimprägnationsme- thode brauchte, ist im Laufe der Zeit, diese Art von Impräg- nation immer mehr in den Hintergrund getreten und hat der Silberimprägnation in ihrer, verschiedenartigen Anwendung: (lang- sames, rasches und gemischtes Verfahren) Platz gemacht). Dieser Umsehwung zu Gunsten ‚des Silbernitrats ist theilweise der Ursache zuzuschreiben, dass der spanische Forscher Ramon y Cajal auf die Idee kam, die Golgi’sche Silbermethode bei der Untersuchung des Nervensystems von Embryonen und Neu- geborenen, eventuell jungen Thieren anzuwenden. Und da gerade erwies sich ‚die. Silberimprägnation als ein ganz vorzügliches Mittel, welches zu Resultaten führte, die 'niemals. vorher mit einer anderen Methode erreicht worden sind. In allen Beschreibungen der technischen Ausführung ı der Golgi’schen Methode findet man die Erwähnung, dass dieselbe hauptsächlich zum Studium des noch nicht entwickelten Nerven- systems angewandt werden, soll, während sie sich weniger eignet zur Darstellung des schon ausgebildeten Nervensystems. Weun wir auch die Entdeckungen im Gebiete. der Histo- 1) Die. Beschreibung der Golgi’schen Methode s. Sala, Zur feineren Anatomie des grossen Seepferdefusses. Ztschr. f. wiss. Zool. Ba. 52, 1891, S.23. Lenhosscek, Der feinere Bau des Nervensystems 1893, 8.3. Ramön y Cajal, Les nouvelles idees sur la structure du cerveau. Paris, 1894, p. 175. _ De&j@rine, Anatomie des centres nerveux. Paris, 1895, p. #1. Ueb. d. zweckm. Anwend. der Golgi’schen Sublimatmethode ete. 159 logie des Nervensystems hauptsächlich den Untersuchungen von Embryonen verdanken, 'so ist es doch aus verschiedenen Gründen wünschenswerth, diese Methode auch an das entwickelte menschliche Gehirn viel mehr in Anwendung zu bringen, als es bis jetzt der Fall war. Besonders aber wichtig ist die Einführung der Golgi’'schen Methode in das dunkle Gebiet der Nervenpathologie. Hier reichten unsere bisherigen. Untersuchungsmethoden meistens nicht aus und zwar deshalb, weil die beste derselben (die Niss1’sche Methode) uns zur Erkenntniss derstrueturellen Veränderungen des Zellkörpers führten, während die Alterationen in den Fortsätzen der Nerven- zelle (in Dendriten und im Neuriten) weniger und nicht in gewünsch- ter Ausdehnung zur Anschauung gebracht werden konnten. Und gerade nach unseren modernen Anschauungen ist es sehr wahr- scheinlich, dass die Fortsätze der Nervenzellen, die die Neurome in mannigfaltigste kontaktartige. Verbindung miteinander bringen, eine wichtige Rolle bei der Abspielung der physiologischen eventuell psychischen Funktionen spielen. Dies gab die Veran- Jlassung, eime Reihe von Versuchen anzustellen, welche die Anwen- dung der Golgi’schen Methode an das entwickelte menschliche Gehirn zu einer brauchbareren gestalteten, als es bis jetzt der Fall gewesen ist. Im Laufe der letzten 2 Jahre kam ich zu einer Her- stellungsart von Präparaten, die diese Forderung befriedigend erfüllt haben. Die Präparate von verschiedenen Zelltypen der Grosshirnrinde und Klembhirnrinde, von einem entwickelten nicht pathologischen menschlichen Gehim, habe ich in der Berliner Ge- sellschaft für Phyehiatrie und Nervenheilkunde und im Verein für innere Mediein demonstrirt; dieselben wurden in folgender Weise hergestellt: Das Gehirn (1—2 Tage post mortem, also nieht sanz frisch) wurde in toto in 3—4°/, Kalii biehromiei Lösung während 2—3 Monate gehärtet. Dann wurden aus verschiedenen Stellen desselben eirca 30 Stücke entnommen. Die Stücke waren 5-6 mm dick und 1—2 [Tem gross. Sie wurden in eine 1 : 1000. Sublimatlösung eingelegt, so dass auf jedes Stück 30 cem Flüssigkeit genommen wurden. Die Flüssigkeit wurde in den ersten 2—3 Wochen alle 2—3 Tage gewechselt, bis keine gelbe Farbe mehr abgegeben wurde. Das Glas wurde während dieser (auch später) Zeit im Dunklen aufbewahrt, bei Zimmertemperatur. In der zuletzt gewechselten Lösung blieben die Stücke Ye 160 Edward Flatau: ° 9-12 Monate liegen. Nach Verlauf dieser Zeit wurden dieselben (ohne in destillirttem Wasser durchgespült zu sein) in 80°/, Alkohol (1 Tag), in 96°/, Alkohol (1—2 Tage) und in absoluten Alkohol (1 Tag) eingelegt; dann kamen sie in dünnes Celloidin (3—4 Tage), und in diekes Celloidin (1—2 Tage). Ferner wur- den die Stücke auf den Korken aufgeklebt, auf 1—2 Tage in 80°/, Alkohol eingelegt und unter 96°/, Alkohol mit dem Mi- krotom geschnitten. Die Schnitte kamen in 96°/, und absoluten Alkohol, sie wurden dann in Carbolxylol aufgehellt, mit Canada- balsam und mit einem Deckglas bedeckt. Die Schnitte waren 0,1—0,15 mm dick geschnitten (10—-15 Mikrotomtheile). Die ersten Präparate, die in dieser Weise verfertigt worden sind (im October 1895), wurden nicht mit Deckglas bedeckt; sie haben sich von der Zeit ab ganz gut gehalten und zeigen auch jetzt ‘lie Bestandtheile der Neurone ebenso klar, wie die frischen Präparate, die vom November 1894 stammen. Die letz- teren wurden stets mit Deckglas bedeckt, und nur zum Vergleich wurden auch einige ohne Deckglas in Canadabalsam eingebettet. Diese Präparate (mit Deckglas) haben sich von jener Zeit ab bis heute (mehr als 3 Monate) sehr gut gehalten. Auch die Präpa- rate, die mit Deckglas bedeckt, einer dauernden Einwirkung des Lichts ausgesetzt wurden, haben an Klarheit nichts eingebüsst. In der Grosshirnrinde imprägnirten sich die kleinen und die grossen Pyramidenzellen, die polymorphen Zellen und die Neurogliazellen sehr gut. Die Protoplasmafortsätze und die Nervenfortsätze zeigen die feinsten Verästelungen klar. Auffallend ist die gleichmässige Imprägnation der Neurone. Man gewinnt an vielen Stellen den Eindruck, als ob alle hier befindlichen Zellen sich imprägnirt haben. Der Niederschlag, besonders in den Rindenschichten, ist gering, etwas grösser ist er m dem Marklager. Die Neurogliazellen haben sich hauptsächlich im Marklager im- prägnirt. Es sei hierbei bemerkt, das die Neurone der Moleeular- schicht (besonders die Ramön y Cajal’schen Zellen) sehr spärlich zum Vorschein kamen. Was die Kleinhirnrinde betrifft, so fielen besonders auf die Purkinje’schen Zellen, die mit ihren ausser- ordentlich zahlreichen Dendriten und mit dem meistens aus dem entgegengesetzten Pol entspringenden Neuriten, einem vielfach ver- zweigten Baum mit einer Wurzel ähnlich erschien. Auch die kleinen Zellen der Rindenschieht und die Korbzellen (Köllikers) Ueb. d. zweckm. Anwend. der Golgi’schen Sublimatmethode etc. 161 mit den Neuriten, die ihre absteigenden Collateralen zu den Pur- kin) e’schen Zellen senden, waren klar und deutlich zu sehen. Die Zellen der Körnerschicht waren weniger imprägnirt, obgleich man auch in dieser Schicht an jedem Präparate einige gute Typen fand). Die Golgi’sche Methode hat man, wie gesagt, bis jetzt ver- hältnissmässig wenig für das Studium des entwickelten und noch weniger für das Studium des pathologischen Gehirns angewandt. Die Ursache lag in den häufigen Misserfolgen, die man bei dem pathologischen Material mit vollem Recht zu vermeiden suchte, ferner in der ungleichmässigen Imprägnation) die mehrfach nur sehr spärliche Neurone zur Anschauung brachte, und auch hier wenige Gebilde oft mit Niederschlag bedeckt waren. Ferner ging man ungern an eine Methode heran, von der man glaubte, dass dieselbe eine specielle technische Vorbereitung erfordere und noch ausser dem eine besondere sorgfältige Aufbewahrung (ohne Deckglas) verlange. Da durch die Anwendung der oben beschriebenen Her- stellungsart (langdauernde Einwirkung grosser Mengen schwacher Sublimatlösung) diese Uebelstände wesentlich vermieden werden konnten, so habe ich für zweckmässig gehalten, die Präparate in den bezeichneten wissenschaftlichen Gesellschaften zu demonstriren, um damit einen Anlass zu weiteren Untersuchungen in dem Gebiete der Morphologie und Pathologie des Nervensystems zu geben. Auch jetzt liegen schon Untersuchungen vor, die mit der Golgi’schen Methode angestellt worden sind. Dies sind haupt- sächlich die Untersuchungen von Greppin?), Collela?), Golgit), Klippel und Azoulay°) und Andriezen®). Die meisten Autoren untersuchten Gehirne von Paralytikern, und fanden dabei varicöse Anschwellungen ‘an den Dendriten und Neuriten der Neurone, degenerative Zustände an dem Zellkörper, die oft zur Atrophie 1) Die Veröffentlichung des speciellen, mit dieser Methode erlangten Befundes behalte ich mir für eine spätere Publication vor. 2) Greppin, Beitrag zur Golgi’schen Färbungsmethode des nervösen Centralorgans. Arch. f. Psych. Bd. XX. 3) Colella, Sur les alterations hystologiques de l’&corce cere- brale dans quelques maladies mentales.. Comptes rendus, 1893, No. 8. 4) Golgi, Ueber die patholog. Histologie der Rabies experimen- talis. Berl. klin. Wochenschrift, 1894, No. 14. 5) Klippel et Azoulay, Des lesions histologiques de la Paralysie generale etudices d’apres la methode de Golgi. Archives de Neurologie, 1894, No. 90. 6) Andriezen, On some oft he newer aspects of the Pathology of Insanity. Brain. Winter 189. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 11 162 EdwardFlatau:Ueb.d. zweckm.Anw.d.Golgi’sch.Sublimatın. ete. des Zellleibes und der aus ihm entspringenden Fortsätze führ- ten. Diese Untersuchungen sind aber sehr spärlich und meistens nieht mit genügender Sorgfalt ausgeführt. Es fällt besonders auf der Mangel an topographischen Angaben der Veränderungen in der Hirnrinde. Auch das was die Autoren als pathologisch bezeichnen, scheint nicht ganz einwandsfrei zu sein. Besonders was die vari- cösen Anschwellungen betrifft, so muss ich bemerken, dass ich die- selben oft an meinen normalen Präparaten gesehen habe; allerdings wenn man die Varicositäten mit starken Vergrösserungen betrach- tete, so erwiesen sich dieselben als aus einem feinkörnigen Nieder- schlag bestehend, welcher an einer Stelle den Fortsatz bedeckt hat. Dies habe ich auch an solchen Neuronen gesehen, deren Umgebung von Niederschlag ganz frei war. Um zu sicheren Resultaten zu kommen, muss man an die Möglichkeit der Kunstprodukte immerfort denken, die cadaverösen Veränderungen ausschliessen und die gewonnenen Präparate nicht nur mit normalen vergleichen, sondern’auch (was für die Pathologie von besonderem Werthe ist) die Präparate aus ganz verschiedenen Stellen einer und derselben Hemisphäre und aus symmetrischen Gebieten beider Hemisphären mit einander in Vergleich ziehen. Ueber die Wirkung von Chromosmiumessig- säure auf Zellkerne. Von Prof. W. Flemming in Kiel. {Die römischen Ziffern im Text beziehen sich auf die Citate in Anm. 5.) In seiner soeben in diesem Archiv erschienenen Arbeit !) hat B. Rawitz in einem besonderen Nachtrag einer Erscheinung gedacht, die wohl Jedem auffallen muss, der mit Chromosmium- essigsäure behandelte Präparate genauer untersucht, und die mir deshalb bekannt gewesen ist, seit ich dieses Reagens einführte?): 1) Bernhard Rawitz, Centrosoma und Attractionssphäre in der ruhenden Zelle des Salamanderhodens. Dies Arch. Bd. 44, 1895, H. 4 S. 555. 2) Seit 1892 zeige ich in der Histologie alljährlich Präparate vom Salamanderhoden, wie die in Rede stehenden, um durch Ver- Ueber die Wirkung von Chromosmiumessigsäure auf Zellkerne. 163 dass nämlich an damit fixirten Stücken die Kerne in der Peri- pherie ein ganz anderes Aussehen haben als im Inneren, indem sie an ersterer Stelle nur ‚die Nucleolen, an letzterer nur die Chromatingerüste deutlich zeigen. Eine speeielle Beschreibung dieses ‚Verhaltens habe ich deswegen für unnöthig gehalten, weil von vornherein klar war — was ja auch Rawitz annimmt — dass es sich dabei in der Peripherie um eine reine oder fast reine Osmiumsäurewirkung handelt, und weil ich das dafür in Betracht kommende Verhalten dieser Säure (und anderer ähnlich wirkender Reagentien) gegen den Zellkern schon vor längerer Zeit an mehreren Orten?) ausführlich besprochen hatte. Da aber Rawitz jetzt die Osmiumwirkung auf die Kerne als eine „Zerstö- rung und Zertrümmerung des Kerngerüstes* durch Osmiumsäure auffasst, möchte ich hier kurz darlegen, weshalb eine solche Deutung ausgeschlossen werden muss, und damit zugleich die Chromosmiumessigsäure gegen einen Vorwurf in Schutz nehmen, den sie nicht verdient. Reine Osmiumsäurelösung macht, wie ich an den eitirten Stellen gezeigt habe und wie es seitdem wohl allgemeiner be- kannt sein wird, in den Kernen der meisten Zellenarten*) ledig- gleich der peripher und central gelegenen Kerne zu demonstriren, dass im Kern durch die eine Reagentienwirkung nur die Nucleolen, durch die andere nur die Gerüste deutlich gemacht werden, während doch in beiden Fällen beide zugleich vorhanden sind. Denn dies ist der Sachverhalt. 3) 1. Dies Archiv Bd. 16, 1879, S. 323—334, s. Abbildungen. II. Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung, 1882, S. 141, 100 und 116, Fig. C im Text, Fig. 29 Taf. Ip. III. Dies Archiv Bd. 31, 1887, S. 84, Fig. 9. IV. Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte von Merkelmund Bonnet, 1894, Bericht üb. Lit. 1892 —94, Zelle, S. 87. V. Mittheilungen zur Färbetechnik, Zeitschr. f. wissensch. Mikroskopie, 1884, S. 349, in welcher Arbeit die Wirkungen des stärkeren Osmiumgemisches zuerst näher mitgetheilt sind; mit Bezug auf die „Nucleolenwirkung“ besonders S. 352—353. 4) Es giebt Kernarten, bei denen es anders ist: als eine dieser Ausnahmen erwähne ich hier nur die Kerne der Säugethier-Ovarial- eier, bei denen Osmiumsäure ausser den Nucleolen auch die Kern- gerüste sichtbar lässt, und bei denen auch das Kalibichromat diese nicht so wie gewöhnlich schädigt. Für Beides siehe in Nr. II (Anm. 3 hier), S. 34 und 108. 164 W. Flemming: lich die Nucleolen deutlich und zwar in grosser Schärfe, wäh- rend die Kerngerüste nach ihrer Einwirkung ganz unkenntlich oder doch äusserst blass erscheinen und den meisten Chromatin- färbungen Widerstand leisten. Dass es sich aber hierbei keines- weges um eine Lösung, oder um irgendwelche sonstige Zerstö- rung der Kerngerüste handelt, habe ich schon 1882 bewiesen 3); es wurde dort ausführlich gezeigt, dass man durch Farbstoffe wie Hämatoxylin auch an solchen osmirten Kernen, die ohne Färbung nichts als die Nucleolen darbieten, zugleich auch noch srossentheils die Gerüste in blassem Ton sichtbar machen kann, welche sieh bei anderer Fixirung wiederum in den gleichen Kernen ganz scharf darstellen. Alle Uebergänge zwischen den Bildern letzterer Art und den reinen Osmiumbildern findet man nun auch auf das Schönste, schichtweise geordnet, an Querschnit- ten der Peripherie von Salamanderhoden, die mit meinem starken Osmium-Gemisch behandelt und mit Kernfarbstoffen tingirt sind, und deshalb sind solehe Präparate, wie ich hier im Anfang an- merkte, so instruetiv dafür, dass Nucleolen und Gerüste im Kern eoexistiren, auch wo einer oderder andere dieser beiden Bestand- theile durch die Behandlung unsichtbar gemacht worden ist. An einigen Objeeten kann man den Beweis auch ohne Färbung führen, so z. B. bei den eigenthümlichen zeitweiligen Structuren der reifenden Eier von Amphibien, die ich in Nr. IL, S. 135 ff. Fig. G, S. 134, beschrieb und die neuerdings mehrfach, von Rückert, Born u. A. näher untersucht sind; bei Osmiumfixirung oder soleher mit Osmiumgemisch stärkeren Grades sehen die Kerne auf den ersten Anschein hin ganz homogen aus, aber bei sehr gutem Licht und sorgfältigster Ausnutzung der Blende kann ein geübter Mikroskopiker ‘darin, in zartester Zeichnung, noch wohl das Bild der quergebauten Chromosomenstränge erkennen. Von einer Zerstörung des Kerngerüstes durch die Os- miumsäure haben wir also ganz abzusehen®). Die Frage, wes- 5) Nr. I, $. 141-142, Fig. 29 a, b, c, Taf. IIb. Es ist dort an drei nebeneinandergestellten Bildern von Kernen ganz gleicher Art, bei verschiedener Behandlung, einerseits die reine „Gerüstwirkung“, andererseits die reine „Nucleolenwirkung“ (Ösmiumsäure), und drittens zwischen beiden die zarte aber ganz deutliche Darstellung der Kern- gerüste gezeigt, die man an Präparaten letzterer Art noch durch Hämatoxylin (und auch andere Färbungen) erzielen kann. 6) Rawitz bezieht auf eine solche auch die Bilder der Sperma- togonienkerne von Salamandra, die Meves gegeben hat und die Ueber die Wirkung :von Chromosmiumessigsäure auf Zellkerne. 165 halb es durch diese Säure unkenntlich oder undeutlich gemacht wird, habe ich schon an einer der citirten Stellen näher erörtert ). Die Erscheinung wird danach zunächst darauf zu beziehen sein, dass der übrige Kerninhalt („Kernsaft, Kern- grundsubstanz“) durch diese Säure einen gleichen oder ähnlichen Brechungsindex bekommt, wie die Kerngerüste, und ich habe dort und später ®) ja auch schon angegeben, dass diese Kerngrund- substanz durch die Osmiumsäure (und auch durch manche an- dere Reagentien, so bei gewissen Chromsäurewirkungen) eine gleiehmässig-feinkörnige Beschaffenheit erhält, habe kürzlich ®) die Beziehungen dieser Körnung zu den später von Altmann angenommenen „Kerngranula“ erörtert, und darf für das Nähere wohl auf die angezogenen Stellen verweisen. Ob nun diese Körnung auf einer rein künstlichen Ausfällung, oder auf ‚der Sichtbarmachung feinster Granula und Netze in der Kern- grundsubstanz beruht, habe ich offen gelassen, und wie mir scheint muss man dies auch jetzt thun ®), so sehr auch die Be- funde Carnoy’s, M.Heidenhain’'s, Reinke’s und zum Theil auch diejenigen Altmann ’s!®) es nahe legen können, eine Structur und die Präexistenz von Körnehen in der Grund- masse des Kerns anzunehmen ; es ist trotzdem wohl noch nicht zu entscheiden, was in den Reagentien- und Färbungsbildern dieser Substanz in natura geformt war und was vielleicht erst durch die Behandlung erzeugt ist. nichts von Kerngerüsten zeigen. Mit diesen verhält es sich jedoch ganz anders, wie ich aus eigener näherer Kenntniss dieser Objecte sagen kann: diese Kerne der Spermatogonien haben in der That, im Gegensatz zu denen der Spermatocyten, in der betreffenden Rei- fungsphase Gerüststructuren, welche zu zart sind, um bei Osmiumbe- handlung erkennbar zu sein. Jeder Verdacht, dass es sich dabei um ein Artefact der Fixirung handeln könnte, wird dadurch beseitigt, dass an Präparaten, wie denen vonMeves, die Kerne der Spermatocyten sowie auch die der Bindesubtanzzellen, die doch dicht an den Sper- matogonien und mit ihnen bunt durcheinander liegen, also derselben Ösmiumwirkung ausgesetzt waren, die deutlichsten Kerngerüste zeigen. 7) Nr. 1, S. 331 oben, s. auch S. 328—330; Nr. II, 176. 8) Nr. IV, S. 87 und die dort erwähnten Stellen. : 9) Am eben eitirten Orte. Es ist dort versehentlich in Anm. 1 auf S. 88 „erstere“ statt „letztere“ gedruckt. Ich erinnere hierfür auch an die interessanten Versuche von Alfred Fischer (künstliche Ausfällung von Körnchen aus Eiweiss- lösungen durch Reagentien; Anatom. Anzeiger Bd. 9, 1894, S. 678). 10) Besprochen an den eben eitirten Orten. 166 W.Flemming: Ueb. d. Wirkung v. Chromosmiumessigsäure ete. Die verschiedenartige Kernwirkung der Chromosmiumessig- säure an der Oberfläche und in der Tiefe eingelegter Stücke habe ich mir von jeher in folgender einfachen Weise erklärt '!): An der Peripherie giebt es reine Osmiumwirkung der oben gekenn- zeichneten Art; durch diese zuerst gehärtete Schicht geht von der Osmiumsäure, die ja bekanntlich überhaupt schwer eindringt, nur ein geringer Theil mit den beiden andern Säuren in’s Innere weiter und diese Combination erzeugt dort die bekannten, schönen und scharfen Darstellungen der chromatinhaltigen Kernstructuren 2). Will man diese letzteren möglichst durchweg haben, so wird man natürlich besser die schwächeren, schon in meinem Buch S. 381 angegebenen Gemische wählen, muss aber berücksichtigen, dass diese in grössere oder festere Stücke nicht hinreichend eindringen. So sehr Recht Rawitz hat, wenn er das Kalibichromat ein „kernfeindliches“ Mittel nennt!?), so wenig verdient nach dem Ge-. sagten die Osmiumsäure diesen Namen; es müsste denn sein, dass jene durch sie bedingte feine Granulirung der Zwischenmasse im Kern, von der oben die Rede war, sich als eine künstliche Ausfäl- lung nachweisen liesse. Auch dann aber würde die Osmiumsäure den übrigen Bestandtheilen des Kerns, den Gerüsten und Nucleolen, nicht feindlich zu nennen sein, denn ihnen thut sie materiell kein Leid an !®). Kiel, 8. April 159. 11) Vergl. dazu auch Nr. V S. 352—354. Ich habe hier natür- lich die starken (stark osmiumhaltigen) Gemische im Auge. 12) Dass hierbei auch Osmiumsäure mit betheiligt sein muss, folgt daraus, dass ja diese Bilder nicht identisch mit denjenigen sind, welche man durch blosse Chromessigsäure erhält. 13) S. in No. I S. 334 ff. und das dort Citirte. 14) Auch für die Substanzen des Zellenleibes ist irgend ein formzerstörender Einfluss der Ösmiumsäure wohl nicht erwiesen. Ich habe früher (Nr. II S. 24 ff., speciell S. 28) angenommen, dass bei den eigenthümlichen dort besprochenen, von v. Kupffer und mir beschriebenen Osmiumbildern der Leberzellen eine Contraction und Zusammenballung (keineswegs aber Zerstörung!) der Filarmasse im Spiel ist, und halte das auch jetzt nicht für ausgeschlossen, gebe aber . Altmann (Elementarorganismen 1. Aufl. S. 56 ff.) völlig zu, dass es sich bei den stark „fadenleeren“ Bildern der Froschleberzellen nicht bloss hierum, sondern um besondere physiologische Zustände dieser Zellen handelt. — Dass durch Osmiumsäure Quellungen in der Interfilar- masse bewirkt werden könnten, soll hiermit nicht ausgeschlossen sein. 167 Die fötale Entwicklung der menschlichen Tuben. Von Dr. Paul Wendeler, Assistent der Prof. A. Martin’schen Anstalt, früher Assistent am pathologischen Institut der königlichen Universität zu Kiel. Hierzu Tafel XI, XII und XII. a) Geschichtliches!) Die Anfänge einer richtigen Erkenntniss von der Entstehung der Eileiter reichen nur in das erste Drittel unseres Jahrhunderts zurück. Jm Jahre 1830 schilderte Johannes Müller?) als erster die seinen Namen tragenden Gänge genauer und wies nach, dass beim Vogel aus ihnen der Ausführungsgang der weiblichen Sexualdrüse entsteht, während die Samenleiter aus den Wolff'- schen Gängen ihren Ursprung nehmen. Auch für die niederen Amnioten vermuthete derselbe For- scher eine ebensolche Entwicklung der Geschlechtsgänge, für die Säugethiere hingegen nahm er irrthümlich an, dass beide, Ei- und Samenleiter, dem Müller'schen Faden ihre Entstehung ver- dankten. 1) Es liegt nicht im Plane dieser Arbeit, eine erschöpfende histo- tische Darstellung zu geben. Es sollen hauptsächlich diejenigen Au- toren in Kürze erwähnt werden, deren Forschungen zu einer durch- greifenden Aenderung und Richtigstellung früherer Anschauungen auf diesem Gebiete beitrugen, oder bisher unbekannte oder strittige Verhältnisse desselben klarlegten. Eine grosse Anzahl ausgezeichneter Arbeiten musste in Folge dessen unerwähnt bleiben. Wer sich ein- gehender mit diesen Untersuchungen beschäftigen will, findet in fast allen einschlägigen grösseren Arbeiten ziemlich vollständige Literatur angegeben. 2) Bildungsgeschichte der Genitalien aus anatomischen Unter- suchungen an Embryonen der Menschen und Thiere. Düsseldorf 1830. Archiv f. mikrosk. Anat. Bid. 45 12 168 Paul Wendeler: Kobelt!) und H. Meckel?) wiesen alsdann nach, dass auch beim Säugethier die Wolff’schen Gänge zu den Ausführungs- gängen der männlichen, die Müller’schen zu denen der weib- lichen Geschlechtsdrüsen werden. Während bis dahin allgemein angenommen wurde, dass die Müller’schen Gänge sich aus den Wolff’schen durch eine Art Abspaltung entwickeln, legte Bornhaupt°) im Jahre 1867 am Hühnchen klar, dass ihre allererste Anlage als eine Falten- bildung und triehterförmige Einstülpung des verdickten Cölom- epithels am vorderen Ende der Urnieren entsteht. Die weitere Entwicklung des Organes schildert dieser Forscher richtig so, dass das blinde zugespitzte distale Ende des Triehters zwischen der lateralen Wand des Wolff’schen Ganges und dem Ober- flächenepithel der Urniere immer weiter nach hinten wächst, bis es mit der Kloake in Verbindung steht. (Vergl. Waldeyer, Eierstock und Ei. Leipzig 1870.) Dureh Untersuchungen am Kaninchen wurde alsdann von Eglit) ein gleicher Vorgang für die Entstehung der Müller’- schen Gänge beim Säugethier nachgewiesen. In neuester Zeit haben sich besonders v. Mihälkovies?) und Nagel‘) sehr eingehend mit der Entwicklung des Urogenital- systems befasst. Nagel wies auch beim menschlichen Embryo einen analogen Hergang der Anlage und Ausbildung der Müller’- schen Gänge, wie ihn Bornhaupt zuerst beim Hühnchen fest- stellte, nach. Doch war es auch ihm, der über ein besonders reiches Untersuchungsmaterial verfügte, nicht vergönnt, den Vor- gang beim Menschen in seinen allerersten Anfangsstadien zu sehen. Um die Klarlegung der Verhältnisse bei der Entwicklung 1) Der Nebeneierstock des Weibes. Heidelberg 1847. 2) Zur Morphologie der Haru- und Geschlechtswerkzeuge der Wirbelthiere. 1848. Ä 3) Untersuchungen über die Entwicklung des Urogenitalsystems beim Hühnchen. Inauguraldissertation in Dorpat. Riga 1867. 4) Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Genital- organe. Dissertation. Zürich 1876. 5) Untersuchungen über die Entwicklung des Harn- und Ge- schlechtsapparates der Amnioten. Internationale Monatsschrift für Ana- tomie und Histologie Bd. II, 1885. 6) Ueber die Entwicklung des Urogenitalsystems des Menschen. Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. 34, 1889. — Ueber die Ent- wicklung der äussern und innern Genitalien beim menschlichen Weibe. Arch. f. Gynäkologie Bd. 45, 1894. Die fötale Entwicklung der menschlichen Tuben. 169 des distalen Abschnittes der Müller’schen Gänge, sowie der damit zusammenhängenden Bildung des Genitalstranges haben sich besonders Thiersch!), Leuckart?), von Kölliker?) und Dohrn®), sowie in neuester Zeit von Mihälkovies und Nagel verdient gemacht. Die Einmündung derselben in den Sinus urogenitalis hat Bierfreund’) zum Gegenstand eingehender Untersuchung gewählt. Während so die Entstehung der Müller’schen Gänge schon seit 2 Menschenaltern die Forscher andauernd interessirt hat, fand die weitere Entwicklung ihrer oberen Abschnitte zu dem fertigen Eileiter weniger Beachtung, obwohl das Material für solche Untersuchungen erheblich leichter zu beschaffen ist. Erst in der Literatur der neuesten Zeit finden sich bei v. Michälkovies, Nagel und anderen einige Bemerkungen hierüber. Angeregt durch eine Arbeit von W.A.Freund?®) hat als- dann Popoff?) einen Beitrag zur Entwicklung der Schleimhaut und der Muskulatur der Tuben vom ersten Drittel der Fötalzeit bis zur Geschlechtsreife geliefert. Jedenfalls bedarf die Entstehung der Eileiter von der voll- endeten Bildung der Müller’schen Gänge bis zur Geschlechts- reife, so wie auch die nach der letzteren erfolgende senile Invo- lution weiterer eingehender Bearbeitung. b) Die Müller’schen Gänge. Die Ergebnisse der Untersuchungen über die erste Anlage der Eileiter lassen sich etwa folgendermaassen wiedergeben. 1) Bildungsfehler der Harn- und Geschlechtswerkzeuge eines Mannes. Illustrirte medieinische Zeitung. 1852. Bd. I, H. 1. 2) Das Weber ’scheOrgan und seine Metamorphosen. Illustrirte medicinische Zeitung. 1852. Bd. I, H. 2. 3) Grundriss der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höhern Thiere. 4) Sitzungsberichte der Gesellschaft zur Beförderung der ge- sammten Naturwissenschaften zu Marburg. 1869. No. II. 5) Ueber die Einmündungsweise der Müller’schen Gänge in den Sinus urogenitalis bei dem menschlichen Embryo. Zeitschrift für Geburtshülfe und Gynäkologie. Bd. XVII. 1889. 6) Ueber die Indieationen zur operativen Behandlung der er- krankten Tuben. Sammlung klinischer Vorträge No. 323. 7) Zur Morphologie und Histologie der Tuben und des Paro- varium beim Menschen während des intra- und extrauterinen Lebens bis zur Pubertät. Archiv f. Gynäkologie Bd. 44, 170 Paul Wendeler: Den Boden für die Entwicklung der Müller’schen Gänge, welche die Uranlage der Tuben sind, liefert der Wolff’sche Körper jederseits, das Material zu ihrer Bildung giebt das seine Cölomfläche bekleidende Epithel her. Der Beginn ihrer Entwicklung fällt in die 5. Woche des Embryonallebens. Hans Meyer!) fand bei seinem Embryo von 8mm, dessen Alter er auf 23—31 Tage schätzte, noch keine Spur von den Müller ’schen Gängen. His?) erwähnt, dass bei seinen Embryonen A und B von 7—7!/, mm, die einem Alter von 28—29 Tagen entsprechen, der Müller’sche Gang noch nicht vorhanden ist, dass aber in der Rinne lateralwärts von der Urnierenleiste das Epithel beinahe um das Doppelte verdickt ist und dass sich so schon die Stelle auszeichnet, an welcher später der Müller’sche Gang sich bil- den wird. Die jüngsten menschlichen Früchte, bei welchen die Anlage der Eileiter bisher eingehend beschrieben wurde, sind die Em- bryonen F und M von Nagel, die mit einer Länge von 12 und 13 mm etwa einem Alter von 33—35 Tagen entsprechen?). Bei ihnen fand sich der Müller'sche Gang schon in der obern Hälfte der Urniere als kurzer Kanal angelegt, der proximalwärts in eine sich deutlich abflachende Rinne, distalwärts in eine solide nagelförmige Spitze ausläuft. Bei einem aus derA.Martin’schen Poliklinik stammenden Embryo, der frisch 13, gehärtet 12!/, mm maass, fand sich das erste Anfangsstadium der Entwicklung des Müller’schen Ganges ebenfalls schon überschritten. Der Beginn des Einstülpungsprocesses, der die Anlage der Tube” einleitet, scheint demnach beim Menschen noch nicht gesehen zu sein. Diese kleine Lücke beeinträchtigt unsere Kennt- 1) Die Entwicklung der Urniere beim Menschen. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. 36. 2) Anatomie menschlicher Embryonen. Leipzig 1880—1885. 3) In seiner Arbeit „Ueber die Entwicklung der äussern und innern Genitalien beim menschlichen Weibe“, Archiv für Gynäkologie Ba.45, 1894, erwähnt Nagel, dass aus seinen Untersuchungen hervor- geht, dass der Müller’sche Gang bei menschlichen Embryonen von 8-13 mm angelegt wird. Auf welchen Entwicklungsstufen er den- selben beizwischen 8 und 11 mm langen Embryonen fand, konnte ich aus seinen Veröffentlichungen nicht ersehen. Die fötale Entwicklung der menschlichen Tuben. 171 niss der ganzen Vorgänge nicht wesentlich, da wir sie bei der grossen Aehnlichkeit dieses Entwicklungsprocesses zwischen Mensch und andern Säugethieren mit Hülfe der vergleichenden Anatomie leicht überbrücken können. Ohne Zweifel steht fest, wie aus obigen Ausführungen sich ergibt, dass die Einstülpung des Urnierenepithels zur Bildung des Müller’'schen Trichters beim Menschen meist an Früchten von wenig über 8 mm, jedenfalls unter 12 mm Länge ihren Anfang nimmt, also etwa in der Zeit vom 29.—34. Schwangerschaftstage'!). 1) Die Altersbestimmung der von mir untersuchten menschlichen Embryonen ist nach den Angaben von His uud Kölliker gemacht worden. Da dieselben vielleicht nicht jedem mühelos zur Hand sind, füge ich sie hier an: Alterstabelle menschlicherEmbryonen nach His. 12—)4 Tage (2 Wochen) = 2,1—2,2 mm 20—23 „ (3 „yes 824. | 29 » (4 b) ) 751 7,5 „ 32 4 — 10 P 33 Ri — 11 R 35—36 „ — 13-136 „ Ende des II. Monats = 2) em oder 2—21/, Wochen = 22-3 mm 3—3 Ua „ = 9 eh „ 31/g „ mr 5—6 „ 4 ” = 71-3 „ 41/o ”„ = 10-11 ” B) a „ Nach Kölliker: 1. Monat: 3. Woche —= 0,45 em 4. h N se 2. Monat: 5. Woche = 0,81—1,1 em 6. since Re, T.—8. Pu 22 Ze Scheitel-Steisslänge: Scheitel-Fersenlänge: III. Monat 2,1— 6,8 cm 6—11 cm IV. 00 a, 14—16 ,, Va NOTEN 19—28 „, VENEN ES ZI8T 26—37 „ VIA, 015.018 22,8 7, 35—38 „ VII. „ 124-275 „ 41—42 „, BR 2730 ©, 42—65 „, so; 45—67 „ 17 Paul Wendeler: Die hier in Frage kommenden Vorgänge haben wir uns folgendermaassen vorzustellen. Wenn der Wolff’sche Körper bald seine grösste Ausdeh- nung erreicht hat und als Längswulst seitlich von der Mesen- terialplatte in die Leibeshöhle hineinragt, zeigt sich das ihn gegen das Cölom begrenzende Epithel besonders über der lateralwärts und etwas ventral vorspringenden Kante verdickt. Diese zu- nächst hauptsächlich am proximalen Ende der Urniere auffallende Verdiekung besteht theils aus einer Verlängerung der einzelnen Epithelzellen, zum kleinen Theil scheint sie auch aus einer nicht ganz regelmässigen Verdoppelung derselben zu Stande zu kommen!). In der Nähe des proximalen Endes der Urniere beginnt alsdann das lebhaft wuchernde Epithel in Form einer länglichen Delle sich in das darunter liegende Gewebe hineinzudrängen. Des weitern gestaltet sich dieser Wucherungsprocess in der Art 1) Für die sicherlich in innigem Zusammenhang mit der sich un- mittelbar an sie anschliessenden Einstülpung des Müller ’schen Ganges stehende Verdickung des Urnierenepithels über der „Tubenfalte‘ des W olff’schen Körpers scheint mir folgendes die einfachste Erklärung: Der Entwicklungsreiz, welcher die Bildung des Müller’schen Trichters in Gang setzt, trifft zuerst die Stelle, wo die Einstülpung beginnen soll. Es findet hier eine erhöhte Zufuhr von Nährmaterial statt, die natürlich in etwas weitere Bezirke der nächsten Umgebung abklingen muss. Diese Ueberernährung lässt das Epithel in Wucherung gerathen, die besonders in einer Höhenzunahme ihren Ausdruck findet. Im Centrum der Wucherungszone findet zugleich eine starke Ver- mehrung des Epithels statt, in Folge deren die Einstülpung vor sich geht. Der Gang wächst an seiner Spitze schwanzwärts vor. Dem Vorwachsen geht nothwendig eine erhöhte Nahrungszufuhr auf eine gewisse Strecke voraus, die auch auf das in unmittelbarster Nähe liegende Cölomepithel der Urniere ihren Einfluss geltend macht und dasselbe zur Wucherung bringt. Dass gerade das Cölomepithel besonders der Einwirkung dieser Nahrungszufuhr zugänglich ist, ist leicht zu verstehen, da es ja denselben histologischen Werth hat, als das Material des Müller’schen Ganges, der soeben aus ihm hervor- gegangen ist und zu dessen Ausbildung die erhöhte Zufuhr von Nähr- material stattfindet. So können wir auch leicht begreifen, weshalb das verdickte Cö- lomepithel, sobald der Müller’sche Gang vollendet ist, wieder niedriger wird. Wenn der Gang fertig ist, hört eben die erhöhte Nahrungs- zufuhr auf und die normale reicht für die Unterhaltung eines so hohen Epithels an dieser Stelle nicht aus, wodurch nothwendig sein Niedrig- werden bedingt wird. Die fötale Entwicklung der menschlichen Tuben. 173 ungleich, dass aus der flachen Einstülpung eine solche von Rinnen- form wird und nun das etwas distalwärts von der Mitte der Rinne gelegene Zellmaterial in Form eines schräg abgeschnittenen Trichters, dessen scharf auslaufende Spitze ohne Lichtung: ist, steisswärts wächst. In diesem Stadium lässt sich die Anlage des Ganges treffend mit einem auf der Spitze stehenden Pantoffel (von Mihälkovics), oder einer Düte (Waldeyer, Nagel) ver- gleichen, deren Oeffnung lateralwärts in die Bauchhöhle sieht. Der weitere Verlauf des Entwicklungsprocesses ist auch beim Menschen beobachtet. Langsam schwanzwärts wachsend, schiebt sich der Müller’- sche Gang mit seiner soliden Spitze (Taf. XI, Fig. 2—-5 m) in der lateralwärts und nach vorne vorspringenden Urnierenkante, der „Tubenfalte“ (Taf. XI, Fig. 1—6 «), zwischen den Wolff’schen Gang (Taf. XI, Fig. 1—6 w) und das verdickte Oberflächenepithel des Wolff’schen Körpers (Taf. XI, Fig. 1—6 v), hinein. Das Wachsen des Ganges geschieht hauptsächlich an der führenden soliden Spitze und zwar durch Vermehrung seiner specifischen Elemente. Weder das Zellmaterial des Wolffschen Ganges, noch das Oberflächen- epithel und die Bildungszellen des Wolffschen Körpersnehmenirgend welchen Antheilhieran (vergl. Fig. 1—6). Selbstverständlich findet auch ein intermediäres Wachsthum der Müller’schen Gänge statt, doch nur in so weit, als der Längenzunahme der sie umschliessenden Gebilde der Wolff- schen Körper bei zunehmendem Alter des ganzen Embryo ent- spricht. Ein stärkeres intermediäres Wachsthum würde weniger ein Vorwärtsschieben der Spitze des Ganges, als vielmehr eine Schlängelung und Faltenbildung seiner Wand zur Folge haben und ähnliche Bilder erzeugen, wie wir sie später in den Win- dungen der Tube durch Wachsthumsdifferenz zwischen dieser und dem Ligamentum‘latum entstehen sehen. Mit dem Vorrücken der) soliden Spitze hält die weiter pro- ximalwärts erfolgende Lumenbildung im Müller'schen Gange annähernd gleichen Schritt. Dieselbe scheint in der Weise vor sich zu gehen, dass die zunächst ungleichmässig polygonal ange- legten und unregelmässig gruppirten Zellen eine mehr länglich eylindrische oder keilförmige Gestalt annehmen und sich radiär 174 Paul Wendeler: anordnen, wobei die alsdann analog umgeformten Zellkerne die Tendenz zeigen, sich mehr in die Nähe der nach aussen gerichteten Basis der Zellen zu lagern. Im Zusammenhang hiermit scheint als- bald eine centrifugale Retraktion des Zellleibes gegen den Zellkern hin stattzufinden, in Folge deren die Zellen an ihrer centralen Berührungsstelle unter Bildung eines feinsten Lumen auseinander weichen. Die so stattfindende Entwicklung einer Lichtung im Müller’schen Gange wird durch fortlaufende Vermehrung der Zellen gefördert, welche, nachdem einmal ein Lumen vorhanden ist, durch Einschiebung neuer Epithelien in die Wand des Roh- res eine Erweiterung desselben bewirken. Während der Müller'sche Gang im Bereich der Urniere langsam fusswärts wächst, ändert letztere an ihrem distalen Ende ihre Gestalt derart, dass die bisher mehr nach lateral und ventral vorspringende Kante sich allmählich weiter medianwärts wendet. In ähnlicher Weise gestalten sich auch die Plieae uro- genitales, die gewissermaassen eine Fortsetzung der Urnieren bilden und deren Ausführungsgang zum Sinus urogenitalis geleiten, um. Sie werden zu Falten, deren Kanten nunmehr medianwärts einander entgegenwachsen, bis sie schliesslich weiter distalwärts beide mit einander in einer die Leibeshöhle vor dem Mastdarm frontal durchsetzenden Platte zum Genitalstrang verschmelzen. Inzwischen hat ein bemerkenswerther Wechsel in der Lage der sich entwickelnden Müller’schen zu den Wolff’schen Gängen stattgefunden. Bereits am untern Abschnitt der Urniere finden wir die ersteren mehr nach vome und schliesslich genau vor die Wolff’schen Gänge gerückt. Verfolgen wir alsdann beide, nachdem sie aus den Wolff’schen Körpern in die Plicae urogenitales eingetreten sind, so kommen wir bald zu einer Stelle, wo sie nicht mehr in den weit medianwärts vorspringenden Kanten der W olff’schen Falten, sondern weiter lateral zu suchen sind. Um ein Geringes weiter distalwärts gehen die Müller'- schen Gänge aus ihrem bisher annähernd vertikalen Verlauf in einen mehr senkrecht zur Axe des Embryo nach innen gerich- teten über, bis sie in den eben erwähnten medialen Kanten der Plieae urogenitales angelangt sind. Von nun an verlaufen sie beide in der Medianlinie dicht neben einanderliegend, wieder annähernd parallel zur Längsaxe der Frucht. Schon zuvor hat, von der Stelle aus, wo sie mit dem Sinus Die fötale Entwicklung der menschlichen Tuben. 175 urogenitalis zusammenhängen proximalwärts fortschreitend, die Verschmelzung der Wolff’schen Falten zum Genitalstrang begonnen. In diesem berühren alsdann die medialen Wände der beidenM üller’schen Gänge einander. Auch die W olff’schen Gänge nähern sich um ein Weniges weiter fusswärts, als die Müller’schen in derselben Weise der Mittellinie, doch kommen sie hier nicht wieder dorsal, sondern lateral von ihnen zu liegen. In dieser Anordnung wachsen alsdann die Ausführungsgänge der weibliehen Geschlechtsdrüsen längs den schon lange vorher angelegten der männlichen zum Sinus urogenitalis, dessen Wand die beiden Müller’schen Gänge entweder vereint, oder gablig auseinanderweichend mit ihrer soliden Spitze durchsetzen). 1) Dohrn (a. a. O.) kommt zu dem Resultat, dass die Müller’- schen Gänge mit getrennten Mündungen in den Sinus urogenitalis einmünden. Auch Bierfreund (a. a. O.) stellte durch sorgfältige Unter- suchungen fest, dass diese Art der Mündung die häufigere ist. Wann alsdann nachträglich die Verschmelzung der zunächst getrennten Mün- dungen stattfindet, ist bisher nicht klargelegt worden. Bei einem meiner Embryonen von 6 cm Scheitel-Steisslänge und 9 cm Gesammtlänge, dessen Alter dem Ende des dritten Monats entspricht, fand ich das distale Ende des dureh die Verschmelzung der beiden Müller’schen Gänge im Bereich des Geschlechtsstranges entstandenen Genital- schlauches noch gablig gespalten den Sinus urogenitalis erreichen. Zwischen den Epithelmassen der beiden soliden Endzapfen und den sie mit einander verbindenden Epithelstreifen des Sinus urogenitalis fand sich ein keilförmiges, aus Bildungszellen des Geschlechtsstranges be- stehendes Gewebsstück. Durch ein abnormes Bestehenbleiben dieser gablig getheilten Einmündung kommt der Hymen septus oder die Vagina partim septa zu Stande. In neuester Zeit hatte ich in der A. Martin'schen Anstalt Gelegenheit, bei einem jungen Mädchen _ einen diese Verhältnisse sehr schön illustrirenden Fall von Hymen sep- tus zu sehen. Der Hymen schloss als dünne Membran die ganze Scheide ab. Genau in der Mittellinie war diese Menbran durch eine starke auf dem Durchnitt keilförmige Leiste verdickt. Im obersten (dem der Harnröhre zunächst liegenden) Abschnitt fand sich jederseits neben der Leiste eine feine, für eine Sonde soeben durchgängige Oeffnung. Es gelang leicht, in die eine Oeffnung der Scheidenklappe eine Sonde hinein und zur andern wieder hinauszuführen, so dass von einer Va- gina septa, wenigstens für den untern Abschnitt der Scheide, nicht die Rede sein konnte. Der durch die Mittelleiste besonders resistente Hymen hatte zwar die Immissio Penis, nicht aber die Conception ver- hindert. 176 Paul Wendeler: Wie sich aus dieser Schilderung ergiebt, wachsen die Müller’schen Gänge um die Wolff’schen in ihrem ganzen Verlauf von proximal lateral nach distal medial in einer langge- streckten, unregelmässigen Halbspirale herum, ein Vorgang, der zuerst von Thiersch (a. a. O.) beschrieben wurde!). Sobald die soliden Spitzen der Mü ller’schen Gänge den Sinus urogenitalis erreicht haben, scheint mit dem Längswachsthum auch die Lumenbildung in denselben zum Stillstand zu kommen, so dass für die nächste Zeit eine Communication zwischen dem Sinus urogenitalis und der weiter proximal gelegenen Lichtung der Müller’schen Gänge nicht statt hat. Die als flacher Zapfen in den Sinus urogenitalis hineinreichende Einmündungsstelle wurde von v.Mihälkovics passendals „Müller'scher Hügel“ bezeichnet. Beim Embryo von 25—30 mm, also am Ende des zweiten oder Anfang des dritten Schwangerschaftsmonats hat das solide Ende des Müller’schen Ganges den Sinus urogenitalis bereits erreicht. Bei Früchten unter 22 mm fand v. Mihälkovies denselben niemals über die Urnieren hinaus entwickelt. Bei meinem Embryo von 13 mm?) erstreckte sich der M üller’sche Gang rechts über 73, links über 72 Serienschnitte, die mit einem Mikrotom von Becker bei Einstellung auf 7 Mikren für den Schnitt angefertigt wurden. Es fallen hiervon auf die distale solide Spitze rechts 11, links 8 Schnitte; auf den röhrenförmigen Abschnitt rechts 42, links 49 Schnitte, auf die Rinne am proximalen Ende rechts 13, links 7 Schnitte. Weiter proximalwärts lief die Rinne rechts über 7, links über 8 Schnitte in eigenthümliche Lappenbildungen aus, in denen ich die erste Anlage der Fimbrien- bildung, speciell der äussern Spitze der Fimbria ovariea er- 1) Andem in Tafe) XIII, Figur 21 abgebildeten Präparate der innern Genitalien eines Embryo von 51/, em Scheitel-Steisslänge sind diese Lageverhältnisse der Organe noch recht gut zu ersehen. 2) Eine sehr instructive, von Coste entnommene makroskopische Abbildung eines Embryo von 35 Tagen, der nur um ein ganz Geringes weiter entwickelt zu sein scheint als mein Embryo von 13 mm, findet sich bei von Kölliker, Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höhern Thiere, II. Aufl. Seite 317. Man sieht an derselben sehr deut- lich den Wolff’schen Körper mit der median an demselben liegenden Keimdrüsenanlage, nebst der die laterale Kante bildenden Tubenfalte, in welcher man Wolff’schen und Müller’schen Gang erkennt. Die fötale Entwicklung der menschlichen Tuben. 177 kenne. Der Wolff’sche Körper erstreckt sich rechts über 184, links über 180 Schnitte. Es hatte also in der Zeit des 33.—35. Schwangerschaftstages der Müllersche Gang das proximale Drittel der Urniere bereits überschritten. Bei diesem Embryo findet sich eine deutliche Asymmetrie in den beiderseitigen Ur- nierenanlagen; die linke reicht um 10 Schnitte weiter proximal- wärts und endet caudalwärts um 14 Schnitte früher, als die rechte. Entsprechend verhalten sich auch die Müller’schen Gänge zu einander. Diese Ungleichheit der beiderseitigen Eileiteranlagen ist nicht etwa durch eine nieht ganz senkrecht zur Längsaxe des Objekts fallende Schnittriehtung vorgetäuscht, sondern sie ist die entwicklungsgeschichtliche Vorstufe für eine geringgradige Asymmetrie der innern weiblichen Genitalien, von deren ausser- ordentlich häufigem Vorhandensein bei ganz gesunden normal gebildeten Geschlechtsorganen ich mich in meiner früheren Thätig- keit an zahlreichen weiblichen Leichen jeden Alters überzeugen konnte. Es scheint, dass auch geringfügige Anomalien nicht so ganz selten bei der Anlage des Müller’schen Ganges vorkommen. Besonders interessant war mir die Bildung eines accessorischen Müller’schen Ganges, den ich einmal fand. Es handelt sich um die rechte Seite des schon mehrfach erwähnten Embryo von 13mm. Die Rinne des normalen Müller’schen Ganges sieht hier nach vorne und innen, die des accessorischen nach hinten und aussen. Letztere schliesst sich zum röhrenförmigen Abschnitt um 3 Schnitte weiter distal, als erstere. Das so entstandene sehr dünne, mit feinstem Lumen versehene Nebenrohr liegt in dem nach hinten und aussen sehenden Theil der Wand des Haupt- ganges und erstreckt sich über 10 Schnitte. In den alsdann folgenden 2 Schnitten repräsentirt eine geringe Verdiekung in der Wand des eigentlichen Ganges seine solide Spitze. Eine Communikation der Lumina beider Gänge, also ein Einmünden des einen in den anderen findet distal nicht statt. Auch die Entwicklung eines accessorischen abdominalen Tubenostium hatte ich einmal bei einer Frucht vom Ende des 4. Monats (10 em Scheitel-Steiss- und 16 em Scheitel-Fersenlänge) zu sehen Gelegenheit. 178 Paul Wendeler: e) Die Entstehung der Tuben aus den Muüller- schen Gängen und ihre Entwieklung bis zum Ende der Fötalzeit. Aus den proximalen Abschnitten der Müller’schen Gänge, deren Entstehung und Vollendung wir soeben kennen gelernt haben, entwickeln sich beim weiblichen Geschlecht die Tuben, während ihre distalen Enden im weitern Verlauf des Intrauterinlebens zur einroh- rigen epithelialen Grundlage des Utero-Vaginalkanals verschmelzen. Für die Erforschung der Entwicklung der Tuben aus den Müller’- schen Gängen ist es daher zunächst von Bedeutung, die Grenze zwischen Eileiter- und Gebärmutter-Scheidenanlage festzustellen. Dieselbe wird durch das Leistenband der Urniere (die Vorstufe des Ligamentum rotundum (Taf. XIII, Fig. 21—26r) und des Ligamen- tum Ovarii beim weiblichen und des Gubernakulum Hunteri beim männlichen Geschlecht!) gegeben (Kölliker a. a. O.). Diejeni- gen Abschnitte des Müller’schen Ganges, welche distalwärts von der Stelle gelegen sind, wo das Leistenband der Urniere in seinem Verlauf vom Wolff’schen Körper zur Gegend des Leistenkanals den Müller’schen Gang kreuzt, liefern die epithe- liale Grundlage zur Entwicklung des Utero-Vaginalkanals. Es entstehen also Gebärmutter und Scheide aus den Theilen der Müller'sschen Gänge, welche dem Geschlechtsstrange ange- hören, sowie aus einem kurzen, sich kopfwärts unmittelbar an jeden dieser im Bereich der Plica urogenitalis anschliessenden Abschnitt. Dieser letztere, in der Wolff’schen Falte gelegene Abschnitt wird jederseits zum Uteruskorn und ist als solches noch lange Zeit deutlich vom übrigen Uteruskörper abzugrenzen (vergl. Taf. XIH, Fig. 21—26), bis er schliesslich durch die fortschreitende Entwicklung der Uteruswandung in der Gesammtanlage des Uteruskörpers aufgeht. Die Uterushöhle zeigt in ihrer oben zwei- zipfligen Gestalt dauernd ein Merkmal dieser Entstehungsweise. Kopfwärts von seiner Kreuzungsstelle mit dem Leistenband der Urniere finden wir diejenigen Partien des Müller’schen Ganges, welche die Uranlage der Tube sind und mit deren wei- 1) G. Wieger, Ueber die Entstehung und die Entwicklung der Bänder des weiblichen Genitalapparates beim Menschen. Ein Beitrag zur Lehre vom Descensus Ovariorum. Archiv für Anatomie und Phy- siologie, anatomische Abtheilung. 1885. Die fötale Entwicklung der menschlichen Tuben. 179 terer Ausbildung wir uns nunmehr ausschliesslich zu beschäf- tigen haben. Es handelt sieh also für unsere folgenden Untersuchungen um die fernern Schicksale der Abschnitte des Müller’schen Ganges, welche im proximalen Theil der Pliea urogenitalis sowie in der Tubenfalte der Urniere gelegen sind. Um dieselbe Zeit, wo die Müller’schen Gänge den Sinus urogenitalis erreichen, also etwa am Anfang des dritten Schwangerschaftsmonates und bei einer Länge des Embryo von 25—30 mm wird die Differenzirung zwischen Eileiter- und Gebärmutteranlage eingeleitet, und zwar geschieht dies durch den Beginn der Verschmelzung der beiden eng aneinander- liegenden Müller’schen Gänge im Bereich des Geschlechts- stranges zu einem einheitlichen Geschlechtskanal. Am Ende des dritten Monats ist diese Verschmelzung und mit ihr die Differen- zirung meist vollendet!). Die für die fernere Gestaltung der Eileiter hauptsächlich in Frage kommenden, zeitlich nebeneinander verlaufenden Vor- gänge bestehen einmal in der Bildung der äusseren Tubenwand einschliesslich des in ihr enthaltenen Muskelapparates, ferner in der Entwicklung der ausserordentlich stark gegliederten, falten- reichen Tubenschleimhaut, deren wunderbar complieirt gestaltete Epithelialbedeckung aus dem einfachen einschichtigen Epithelrohr des Müller'schen Ganges hervorgeht, endlich in denjenigen Lage- veränderungen der innern weiblichen Geschlechtsorgane, die man "gemeinhin unter der Bezeichnung „Descensus Ovariorum“ zusammen- zufassen pflegt. Unmittelbar nachdem die Entwicklung des Müller'schen Ganges in der oben beschriebenen Weise mit dem Einwucherungs- process des verdickten Cölomepithels in den Wolff’schen Körper begonnen hat, grenzt das so neu entstandene Epithelialrohr (oder Epithelzapfen) in der Nähe seines proximalen Endes zunächst-lateral- wärts unmittelbar an die Basis des Peritonealepithels (Taf. XI, Fig. 4 und 5), an der medialen Seite an den Urnierengang (Taf. XI, Fig. 4 u. 5 w). Nach vorne innen (ventral-medial) und nach 1) Vergl. unter andern schon citirten Autoren auch: Rös- ger, Zur fötalen Entwicklung des menschlichen Uterus, insbesondere seiner Muskulatur. Festschrift zur Feier des 50jährigen Jubiläums der Gesellschaft fürGeburtshülfe und Gynäkologie in Berlin. -Wien 1894. 180 Paul Wendeler: hinten (dorsal) hingegen wird es von den Bildungszellen desjenigen Theils der Urniere umgeben, der leistenförmig in das Cölom vor- springt und als Tubenfalte bezeichnet wird. Sehr bald beginnen alsdann einzelne zarte meist kurz spindelförmige Elemente, die von den embryonalen Bildungszellen der Tubenfalte und somit des Wolff’schen Körpers abstammen, von vorne (ventral) und hinten (dorsal) zwischen den Müller’schen Gang und das Peritonealepithel der Urniere, sowie zwischen den Wolff’schen und Müller’schen Gang hineinzuwuchern (Taf. XI, Fig. 6a u. b). Dem steisswärts vorwachsenden Gange folgen diese Entwicklungsvorgänge, welche die erste Anlage des nicht epithelialen Theiles der Tubenwand sind, langsam nach. So sieht man bei meinem Embryo von 13 mm einige Sehnitte distalwärts von der dütenförmigen Einmündung in die Cö- lomhöhle den Müller’schen Gang bereits auf eine kurze Strecke von einer mehrfachen, wenn auch noch sehr dünnen Schicht von Bildungszellen umgeben; weiter distal wird dieselbe einfach (Taf. XI, Fig. 6), noch weiter fusswärts grenzen wieder W olff’scher und Müller’scher Gang unvermittelt aneinander. Kurz vor Beginn der soliden Spitze und im Bereich derselben findet sich auch zwischen Cölomepithel und Müller’schem Gang keinerlei Zell- material mehr eingelagert (Taf. XI, Fig. 2—5). So folgt der weiter vorwärtsschreitenden Entwicklung der Müller’schen Gänge alsbald auch die Bildung der ersten Anlage der nicht epithelialen Tubenwand nach. Zur Zeit, wo dieselben den Sinus urogenitalis erreichen, also beim Embryo von 25 bis 30 mm hat sieh bereits um die ganze Länge der Tubenanlagen eine deutliche Wand aus im Grossen und Ganzen eirculär ange- ordneten mehrschichtigen kurzen Spindelzellen entwickelt, die proximal erheblich dicker ist, als in der Nähe des Genitalstranges. Im Verlauf der nächstfolgenden Wochen gleicht sich der Unterschied zwischen der Stärke der Wand des proximalen und der des distalen Endes der Eileiteranlage durch Diekenzunahme am letzteren aus, während gleichzeitignoch andauernd eine gleich- mässige Zunahme in ihrer gesammten Wandstärke erfolgt. Schon um diese Zeit beginnt die Wand sich in drei verschiedene Schich- ten zu differenziren. Sofand ich bei Embryonen aus der zweiten Hälfte des dritten Monats, also bei 5—6 em Scheitel-Steiss- länge und bei 81/,—10 cm Scheitel-Fersenlänge, welchen meine Abbildungen Taf. XI, Fig. 7, 8, 9, und Taf. XIII, Fig.21 entsprechen, Die fötale Entwicklung der menschlichen Tuben. 181 bei genügend starker Vergrösserung drei allmählich ineinander über- gehende Lagen derWand. Unter dem Cölomepithel, das schon un- mittelbar nach der Beendigung der Entwicklung des Müller’schen Ganges wieder zum flachen Pflasterepithel der übrigen Peritoneal- höhle zurückgebildet wurde (Taf. XI, Fig. 7, 8,9; e) findet sich eine Lage lockeren, hauptsächlich eireulär angeordneten embryonalen Bindegewebes, dessen ziemlich grosse ovale Kerne in einem sehr dürftig entwickelten, mit langen, faserigen, oft unregelmässig gewun- ‘denen, bisweilen gespaltenen Ausläufern versehenem Zellkörper liegen. Das Gewebe ähnelt einem jungen meist fasrigen, theils re- tieulären Bindegewebe. Nach innen zu geht dasselbe in eine diehtere Schieht über, deren Elemente ausgesprochener kreisförmig gela- gert sind. Diese setzt sich aus mässig langen, mit einem längs- ovalen, bisweilen schon mehr stäbehenförmigen Kern versehenen Spindelzellen zusammen. Schon jetzt finden sich hier verein- zelte Elemente, die sowohl in der Form ihres Körpers als auch in der des Kernes eine unverkennbare Aehnlichkeit mit jungen embryonalen Glattmuskelzellen haben. Die innerste Schicht besteht aus mehr rundlichen, kurzovalen ‚oder unregelmässig geformten, verschieden grossen Zellen, die eng aneinander gelagert sind und sich auch durch intensivere Fär- bung ihrer Kerne von der Nachbarschaft abheben. Das von einer einfachen Schicht hoher Cylinderepithelien umsäumte Lumen ist am uterinen Ende der Tubenanlage länglich rund (Taf. XI, Fig. 7), am abdominalen und im Bereich der späteren Ampulle dreieckig (Taf. XI, Fig. 9) und in der Mitte zwischen beiden oval (Taf. XI, Fig. 8). In dem dreieckigen Abschnitt des Lumen sind die je in der Mitte der drei Seiten des Dreiecks gelegenen Epithelien höher und erwecken den Eindruck, als wenn sie doppelt bis dreifach geschichtet wären, so dass das Lumen durch drei Kreisabschnitte, deren Convexität nach innen sieht, begrenzt wird und mit einem Blutegelstich eine gewisse Aehnlichkeit hat (Taf. XI, Fig. 9). Es ist dies die erste Andeutung der beginnenden Faltenbildung der Tubenschleimhaut. Bei der weiter fortschreitenden Entwicklung der Eileiter fällt in der nächstfolgenden Zeit besonders die erhebliche Erweite- rung ihres Lumen in die Augen, sowie die damit Hand in Hand gehende, vom abdominalen zum uterinen Ende fortschreitende 182 Paul Wendeler; Bildung von leistenförmig in die Lichtung vorspringenden Längs- falten. Ferner wird auch der Unterschied von Form. und An- ordnung der in den oben geschilderten Wandschichten gelegenen Elemente auffallender, so dass man die drei verschiedenen Lagen schon bei schwacher Vergrösserung voneinander unterscheiden kann. Fassen wir beim Embryo von 10 em Scheitel-Steiss und 16 em Scheitel-Fersenlänge, welcher dem Ende des vierten Schwangerschaftsmonats entspricht, diese Verhältnisse näher ins Auge so finden wir, dass die äussere Wandschicht im Grossen und Ganzen dieselben Elemente und dieselbe Anordnung zeigt, (Taf. XI, Fig. 10 und 11; g), wie früher, nur findet sich zwischen den einzelnen Zellen eine eiweissreichere und festere Inter- cellularsubstanz eingelagert, so dass das Gewebe ein wenig dichter erscheint. In der Mittelschicht (Taf. XI, Fig.10 und 11; p) unterscheiden wir jetzt bei stärkerer Vergrösserung zweierlei annähernd gleich zahl- reich vorhandene Zellformen, einmal längere spindelförmige Zellen, mit längsovalen, annähernd stäbchenförmigen Kernen, dann ferner kürzere unregelmässiger geformte Elemente mit runden oder ovalen Kernen. Der innerste Theil der Wand steht in engem Zusammenhang mit der Faltenbildung in der Tube, deren Gerüst er abgiebt. Je nachdem eine grössere oder kleinere Falte sich in die Lich- tung des Eileiters eingestülpt hat, ist auch das Material der innersten Schicht entsprechend mehr oder weniger massig ent- wickelt. Zwischen den Falten ist die innere Schicht nur sehr spärlich vorhanden, sodass das Epithel sogar stellenweise direkt an die mittlere zu grenzen scheint (Taf. XI, Fig. 11). In das Lumen der Tube schieben sich in der Nähe des abdominalen Endes, symmetrisch einander gegenüberliegend, zwei höhere mit breitem und zwei niedrigere mit spitzem Kamme ausgestattete Leisten vor (Taf. XI, Fig. 11). Verfolgt man dieselben uterinwärts, so werden beide Faltenpaare allmählich flacher und schmaler. Das kleinere verschwindet bald ganz, während das grössere sich bis nahe an das Gebärmutterende der Eileiter er- streekt, um sich dort ebenfalls zu verlieren. Es ist also das mediane Tubenende in diesem Alter noch von einfach längsovaler Lichtung (Taf. XI, Fig. 10). Während in der folgenden Zeit die peripheren Partien der Die fötale Entwieklung der menschlichen Tuben. 183 Tubenwand wesentliche Veränderungen nieht zeigen, bildet sich die mittlere Schicht ihrer ganzen Beschaffenheit nach immer mehr zur eireulären Muskelschieht um. Doch ist es meines Erachtens unmöglich, für den Beginn oder für die Vollendung dieses Entwicklungsprocesses einen bestimmten Zeitpunkt festzu- stellen, da die Aehnlichkeit zwischen der eireulär gelagerten em- bryonalen Bildungszelle und der jungen embryonalen Glattmuskel- zelle eine ausserordentlich grosse sein kann, um so grösser, als die letztere durch allmähliche Umbildung aus der ersteren her- vorzugehen scheint. In den Vordergrund der Erscheinungen tritt jetzt andauernd die Entwicklung der Tubenschleimhaut. In dem subepithelial gelegenen Bindegewebe, der dritten und zugleich innersten Schicht der Tubenwand, macht sich eine ausserordentlich starke Zellvermehrung geltend, durch welche die schon angelegten Falten tiefer in das sich gleichzeitig erweiternde Lumen vorge- trieben werden und ausserdem immer mehr kleine Falten, sowohl an den schon vorhandenen grösseren, als auch an den zwischen denselben gelegenen Partien der Tubenwand entstehen. Wie bei der ganzen Anlage und Entwicklung der Eileiter, so macht sich auch bei diesen Bildungen ein Fortschreiten vom abdominalen zum uterinen Ende bemerkbar. So sehen wir an dem sich nach der Bauchhöhle öffnenden Ende der Tubenanlage einer Frucht aus den letzten Wochen des 5. Monats, die 13 em Scheitel- Steiss- und 21 em Scheitel-Fersenlänge misst (Taf. XII, Fig. 13, vergleiche auch Taf. XIII, Figur 23), zwei einander gegenüber- liegende grosse Leisten (Taf. XII, Fig. 13 d; d), die auf dem Quer- schnitt als pilzähnliche Gebilde mit schmalem basalen Stiel und sich stark verbreiterndem Gipfelin die Lichtung des Eileiters vorspringen. An ihrer Oberfläche tragen dieselben schon je drei verschieden ge- staltete kleine secundäre Falten. Zwischen den Hauptfalten liegen einander gegenüber zwei schwächer ausgebildete (x, x), zwischen diesen und den Hauptfalten wieder kleinere und so fort. Wenngleich in dieser Weise die Anlage zunächst eine durchaus symmetrische ist, so machen sich doch schon jetzt in der Entwicklung Unregelmässigkeiten deutlich bemerkbar. So sehen wir zum Beispiel in unserer Abbildung die eine Hauptfalte mit ihren sekundären Falten schon weiter ausgebildet, als die andere und die gesammte Schleimhaut an der einen Seite zwischen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 13 184 Paul Wendeler: “ihnen beiden bereits wesentlich stärker gegliedert, als an der anderen. Sehr bemerkenswerth ist die mit diesen Vorgängen Hand in Hand gehende Entwieklung eines ausgedehnten Capillarnetzes in der Tubenschleimhaut. An der schmalen Basis der grösseren Falten treten stärkere, nur von einem einfachen Endothelrohr umwandete Stämmehen in dieselben ein, um sich alsbald in ein ausgedehntes Netzwerk kleiner und kleinster Haargefässe auf- zulösen. Verfolgt man die Tubenlichtung uterinwärts, so schwinden allmählich die kleinsten Falten, während die grösseren niedriger werden und das Lumen sich verengt, bis wir am Gebärmutterende nur ein Paar grösserer und ebenso viel kleinerer Leisten einander gegenüber liegend finden (Taf. XII, Fig. 12). In dieser Weise schreitet die Ausbildung der Tubenschleim- haut immer weiter fort. Gegen Ende des 6. Monats, beim Embryo von 18 em Scheitel-Steisslänge und 29 em Scheitel-Fersenlänge (vergl. auch Taf. XIII, Fig. 24), ist das Lumen erheblich weiter geworden und dementsprechend haben die Hauptfalten, deren 2 —3 von verschiedener Grösse und mit verschiedenen zahlreichen seeundären Falten am abdominalen Ende vorhanden sind, erheblich an Grösse zugenommen (Taf. XII, Fig. 15). Die Zahl der Nebenfalten ist jetzt auf 18—20 gestiegen, dieselben sind verhältnissmässig klein, so dass ihre Entwicklung bisher hauptsächlich im Sinne einer Vermehrung ihrer Zahl weiter fortgeschritten ist. Entsprechend dem stärkeren Wachsthum der Scehleimhautschieht ist auch die Vascularisation derselben hier eine auffallend starke. Die Veränderungen in der Nähe des uterinen Tubenostiums sind erheblich geringere (Taf. XII, Fig. 14). Das Bild des Quer- schnittes ähnelt noch sehr dem vorher gezeichneten (Taf. XII, Fig. 12) und geschilderten Stadium aus den letzten Wochen des 5. Monats, nur sind die beiden Faltenpaare im Einklang mit der Erweiterung des Lumen etwas höher geworden. Die mittlere Schicht (p) hat sich jetzt deutlich zur Cireulär- muskelschieht differenzirt, ihr Zellmaterial besteht in der Haupt- sache aus langen Spindelzellen mit längsovalen bis stäbchenför- migen Kernen, zwischen welchen nur spärliche Bindegewebs- elemente eingelagert sind. Jedoch möchte ich hier ausdrücklich Die fötale Entwicklung der menschlichen Tuben. 185 hervorheben, dass diese embryonalen Muskelfasern sich von den postfötalen noch wesentlich unterscheiden. Die Muskelschicht umgiebt das Tubenlumen als schmaler Ring, überall unmittelbar an die Basis der Falten und zwischen denselben an die Basis des einreihigen Cylinderepithels angrenzend. Nur in der Nähe des Ostium uterinum ist auch in der Gegend der Zwischenräume zwischen den Falten ein verhältnissmässig breiter Ring von Bindegewebe um das Lumen gelagert (Taf. XII, Fig. 14; i), während die Muskelschicht (p) sich auf Kosten des subperitonealen Bindegewebes verbreitet hat. Im Uebrigen zeigt letzteres, die Subserosa, ausser den sich stärker entwickelnden Blutgefässen, keine erheblichen Veränderungen. Im 7. Monat, welchem Alter meine Abbildungen (Taf. XII, Fig. 16, 17 und 18) entsprechen, ist die Zahl der Falten wieder vermehrt, wodurch das weiter gewordene Lumen eine complieirtere Ge- staltung angenommen hat. Diese Veränderungen erstrecken sich in geringerem Grade auch bis zum uterinen Ende, in dessen Lieh- tung wir jetzt 5 grössere und einige kleinere Falten hervorragen sehen (Taf. XII, Fig. 16). Die eirculäre Muskelschicht ist breiter ent- wickelt (p). Sie besteht zum grössten Theil aus den zuletzt geschil- derten embryonalen Glattmuskelzellen, während Bindegewebsele- mente in ihr jetzt in viel geringerer Menge vorhanden sind. In der äusersten Schicht der Tubenwand, die sonst wesentliche Aenderungen nicht zeigt, fällt besonders am abdominalen Ende (Taf. XII, Fig.18) die stärkere Entwicklung grösserer Blutgefässe auf. In den letzten Monaten des intrauterinen Lebens ist die Entwicklung der Tubenlichtung und des sie ausfüllenden Falten- apparates eine besonders starke. Aus der Wand spriessen immer neue Nebenfalten hervor, während die bereits vorhandenen ein starkes Höhenwachsthum und die Entwicklung zahlreicher seeundärer Falten zeigen. Die Hauptfalten gliedern sich durch starke Entwicklung ihrer secundären und durch die Entstehung tertiärer und quartärer Falten zu überaus complieirten Gebilden. Am stärksten machen sich diese Vorgänge am abdominalen Ende geltend (Fig. 20, Taf. XIII), weniger in der Mitte, während in unmittelbarer Nähe der Einmündung in den Uterus im Grossen und Ganzen die Verhältnisse so bestehen bleiben, wie sie gegen Ende des 7. Monats ausgebildet sind (Taf. XIII, Fig. 19). Die Abbildungen Taf. XIII, Fig. 19und20, welehe voneinem am 186 Paul Wendeler: normalen Ende der Schwangerschaft unter der Geburt verstorbenen Mädchen entstammen, werden die Ergebnisse, welche die Ausbil- dung der Tubenschleimhaut in den letzten Monaten der Fötalzeit erzielen kann, besser veranschaulichen, als viele Worte (vergl. auch Taf. XIII, Fig. 25 und 26). Im Gebiete der mittleren Wandschicht macht sich gegen Ende der Schwangerschaft neben dem Stärkerwerden der Cireulär- muskelschicht und der weitern Ausbildung ihrer Zellelemente besonders das Vorhandensein von spärlichen längs oder schräg verlaufenden glatten Muskelbündeln bemerkbar, deren erste Spuren bereits etwa um die Mitte des 5. Monats nachzuweisen sind und wahrscheinlich noch weiter zurückreichen. Dieselben bestehen meist aus einer geringen Zahl von glatten Muskelfasern, die hier und da zwischen den Zügen der Cireulärschicht an deren äuserem Rande so wie im Bereich der angrenzenden Partien der Subserosa sich entwickelt haben. Meist fand ich sie in unmittelbarer Nähe von Gefässen, so dass ich geneigt bin, ihre Entwicklung mit den- selben in Zusammenhang zu bringen, wie dies Rösger (a.a. 0.) für die Bildung der gesammten Uterusmuskulatur gethan hat. Oft werden die Bündel der Cireulärmuskulatur durch mehr oder weniger weite zwischen ihnen hindurchverlaufende Blut- gefässe auseinandergedrängt, besonders im Bereich der Ampulle. Die subserose Schicht erleidet, ausser der auch in ihr statt- findenden, schon erwähnten Entwicklung sehr spärlicher längs und schräg verlaufender Muskelbündel in den an die mittlere Schieht angrenzenden Partien, keine wesentlichen Veränderungen. Sie besteht aus fibrillärem und reticulärem Bindegewebe, in welches, besonders an der Seite der Mesosalpinx, zahlreiche, zum Theil recht weite Blutgefässe eingelagert sind (Taf. XIII, Fig.19 und 20). Das die Tubenoberfläche auf dem grösseren Theil ihres Um- fanges deckende Pflasterepithel ist überaus dünn und seit der Vollendung der Bildung des Müller’schen Ganges unverändert geblieben. Ueber das erste Auftreten der Flimmerhaare an dem Deck- epithel der Tubenschleimhaut vermag ich keine sichere Auskunft zu geben. In der Literatur fand ich nur vereinzelte überaus dürftige Notizen hierüber. Eigene Untersuchungen babe ich bisher über diesen Gegenstand nicht angestellt. Besser bin ich über die Anlage und Entwicklung des Die fötale Entwicklung der menschlichen Tuben. 187 Fimbrienapparates unterrichtet. Schon bei meinem Embryo von 13 mm, also bald nach Beginn der ersten Anlage des Müller’schen Ganges, zeigen sich proximalwärts von der obern Spitze der dütenförmigen Einstülpung eigenthümliche lappenförmige zerklüf- tete Gebilde, die mit demselben Epithel bekleidet sind wie der Müller’sche Trichter und sich über 7—8 Sehnitte erstrecken. Die Grundlage dieser Lappen wird von einem noch weiter kopfwärts ziehenden bindegewenigen Strange, dem Zwerchfell- bande der Urniere (von Kölliker) gebildet, der seinerseits die Fort- setzung der aus Bindegewebszellen bestehenden Grundsubstanz des Wollff’schen Körpers ist. Dieser Strang tritt in der Höhe der obern Grenze des rinnenförmigen Abschnittes des Müller- schen Ganges, bis wohin ihre drüsigen Bestandtheile (Glomeruli und Kanälchen) sich erstrecken, aus der Urniere heraus. Die soeben beschriebenen, mit höherem Epithel bekleideten Lappen- bildungen sind die erste Anlage der Fimbria ovariea oder richtiger ihrer dem Ovarium zunächst liegenden Abschnitte. In der Folgezeit wächst der Müller’sche Gang bald stärker in die Länge, als seine allernächste Umgebung, wodurch sein proximales Ende sich weiter kopfwärts verschiebt, als die im Waehsthum zurück- bleibende Urniere mit ihrem Zwerchfellbande und die an ihrer medianen Seite fast bis zur Höhe des Müller’schen Trichters reichende Anlage des Ovarium. Es liegt auf der Hand, dass es hierdurch bald dahin kommt, dass die Anlage der Fimbria ova- rica, zu welcher auch der rinnenförmige Abschnitt des Müller’- schen Ganges zum grössten Theil verbraucht wird, nieht mehr vom Abdominalostium des röhrenförmigen Abschnittes der Tuben- anlage kopfwärts, sondern von da aus medianwärts oder gar schwanzwärts verläuft in der Richtung zum proximalen Pol des Ovarium und bis nahe an denselben heran }). Die weitere Entwieklung der Fimbria ovarica und des ge- sammten Fimbrienapparates geht mit der Faltenbildung in der Eileiteranlage, die sich bis in die einzelnen Fimbrien hinein 1) Nachträglich ersehe ich, dass von Mihälkovies (a. a. O.) die Entstehung der Fimbria Ovarica in ganz anderer Weise beschrie- ben hat. Meine Schilderung wurde auf Grund sorgfältiger Beob- bachtungen gemacht. Nach nochmaliger Durchmusterung meiner Präparate muss ich dieselben auch gegen einen so vorzüglichen Em- bryologen, wie von Mihälkovies ist, aufrecht erhalten. 188 Paul Wendeler; + _ erstreckt, Hand in Hand. So sehen wir am Ende des dritten Monats beim Embryo von 6 cm Scheitel-Steiss- und 10 cm Scheitel-Fersenlänge die Fimbria ovarica als tiefe Rinne mit leicht gelappten Rändern vom abdominalen Tubenostium medial und distalwärts zur proximalen Spitze der Eierstocksanlage verlaufen. Am Ende des 4. Monats, beim Embryo von 10 cm Scheitel- Steiss- und 16 em Scheitel-Fersenlänge sind die Lappen der Fimbria ovariea zahlreicher und länger geworden und auch der laterale Rand des Müller’schen Trichters zeigt bereits wulstige Verdiekungen und dazwichen liegende seichte Einkerbungen. Diese wulstförmigen Verdickungen wachsen alsdann in der Folgezeit im gleichen Schritt mit den Tubenfalten aus und gliedern sich zu immer complieirteren Bildungen, bis wir schliesslich gegen Ende des intrauterinen Lebens das bekannte wohl ausgebildete Fimbrienende finden. Die gelegentlich an den Fimbrien beob- achtete Oesenbildung ist wohl, sofern sie nicht auf nachträglichen ent- zündlichen Verklebungen beruht, sehr einfach so zu erklären, dass der Wucherungsprocess, welcher die Fimbrienbildung einleitet, die Epithelien nieht von der Kante der Tubenrinne, sondern von ihrer Fläche gegen das Gewebe vordringen liess, so dass an Stelle einer Einkerbung eine schlitzförmige Durchlochung entstand. d) Der Descensus ovariorum und die Entstehung der Tubenwindungen. Wenden wir uns nun den mit dem „Descensus ovariorum“ im Zusammenhang stehenden Lageveränderungen der Eileiter zu, im Anschluss an welehe auch die Entstehung der Tubenwindun- gen zur Erörterung kommen soll. Ich glaube, dass heute fast alle Forscher darüber einig sind, dass es sich beim „Descensus“ der Ovarien und Eileiter nicht um ein wirkliches Herabsteigen, Heruntersinken oder Herunter- gezogenwerden handelt, sondern um solche Lageveränderungen, welche einerseits durch Wachsthumsdifferenzen verschiedener Körpertheile, andrerseits durch theilweise Fixirung der in Frage kommenden Gebilde zu Stande kommen. Alle Autoren, die sich eingehender mit diesen Vorgängen be- schäftigt haben, stimmen, so viel ich aus der Literatur ersehen konnte, darin überein, dass dieselben noch in einiges Dunkel gehüllt sind. Ich bin der Meinung, dass die Klärung dieser Frage nicht auf unüberwindliche Schwierigkeiten stösst. Die fötale Entwicklung der menschlichen Tuben. 189 Um die Zeit, wo die Anlage des Mülle r’schen Ganges sich vollzieht, beispielsweise bei meinem Embryo von 13 mm, reicht das proximale Ende der Urniere mit dem Müller'schen Trichter bis über das distale Ende der Lungenanlage und über die Herzspitze hinauf. (Vergl. auch die oben erwähnte Abbildung bei vonKölliker.) Beim Embryo von 30 mm finden wir das obere Ende des Wolff’schen Körpers und des Müller’schen Ganges bereits sehr weit distalwärts von diesen Organen entfernt. Es kann also keinem Zweifel unterliegen, dass eine sehr grosse Differenz zwischen dem Längswachsthum der Körperwand des Embryo und dem seiner Geschlechtsanführungsgänge nebst den mit ihnen zusammenhängenden Gebilden statt fand, welche eine gewaltige Verschiebung der ersteren zu den letzteren zur Folge hatte. Die hintere Leibeswand hat sich durch dieselbe gewisser- massen hinten den Ausführungsgängen der Geschlechtsdrüsen in die Höhe geschoben. Begünstigt wurde dieser Vorgang einer- seits durch die Fixirung der Müller’schen Gänge vermittelst des Thiersch’schen Geschlechtsstranges an den Gebilden des späteren Beckenbodens, andrerseits durch das Schwinden des Zwerchfell- bandes der Urniere sowie durch die Atrophie des W olff’schen Körpers bis zur Rolle eines Mesenterium, vermittelst dessen die Eierstocks- und Tubenanlage nur überaus locker an die hintere Leibeswand angeheftet ist. Dass es sich nicht etwa nur um ein relativ stärkeres Wachs- thum des Kopfendes der Frucht handelt, können wir aus dem Ver- halten der Nierenanlage in diesem Zeitraum (von etwa 4 Wochen) ersehen. Beim Embryo von 13 mm hat dieselbe soeben am proximalen Ende des Nierenganges sich zu entwickeln begonnen und zwarin der Gegend des obern Abschnittes der Plica urogenitalis, genau bisan das distale Ende des W olff’schen Körpers reichend. Beim Embryo von 30 mm liegt sie in der Höhe des proximalen Theiles der Eileiteranlage und medianwärts von derselben, diese lateralwärts von ihrer ursprünglichen Lage neben der Wirbel- säule verdrängend. Da die Nierenanlage nicht in der Falte des Wolff’schenStranges, sondern dorsal von derselben in der Masse der derzeitigen Leibeswand angelegt wurde, ist sie mit der stärker wachsenden Leibeswand hinter der Urniere in die Höhe ge- schoben worden, wobei natürlich der Ureter in demselben Tempo sich entwickeln musste. 190 Paul Wendeler; ‘ Beim Embryo von 3,5 em ist die Niere wieder dicker ge- worden und hat den obern Abschnitt der Anlage der Geschlechts- drüsen und Gänge wieder etwas weiter lateralwärts verschoben, während sie selbst höher hinauf gerückt ist. Beim Embryo von etwa 4 em liegt ihr tiefster Pol in gleieher Höhe mit dem höchsten Punkt der Anlage der innern Geschlechtsorgane. Bei Früchten von 7 em sind beide bereits 3—D mm von einander entfernt. In der nächstfolgenden Zeit scheint die Entwicklung des Embryo in die Breite mehr in den Vordergrund zu treten und der dureh die Entwicklung der Niere in der soeben erwähnten Weise bereits eingeleitete Process der scheinbaren Seitwärts- und Abwärts- wanderung der Tuben- und Ovarienanlage macht sich bemerkbar. Meine Abbildungen Taf. XIII, Fig. 21, 22 u. 23 umfassen den Entwicklungsabschnitt, in welchem sich der am meisten in die Augen fallende, am schwersten verständliche Theil des sogenannten Descensus vollzieht. Dieselben sind nach Situspräparaten bei der gleichen (3 fachen) Vergrösserung angefertigt. - Legt man eine Linie durch beide uterine Eileitermündungen und zieht von der Spitze des abdominalen Tubenendes eine Senkrechte zu dieser Linie, so erhält man die senkrechte Ent- fernung der beiden Ostien von einander. Bei den drei Präparaten Taf. XIII, Fig. 21, 22 und 23 ist diese Entfernung fast die gleiche. Es hat also ein wesentliches Herunterrücken des Fimbrienendes überhaupt nicht stattgefunden. Die nichtsdestoweniger überaus deutlich sichtbare Lageveränderung hat sich in ganz anderer Weise vollzogen. Das Wachsthum der Leibeswand können wir in zwei Hauptriehtungen zerlegen, in ein Wachsthum in die Höhe und in ein solches in die Breite. Durch Verschmelzung der distalen Abschnitte der beiden Müller’schen Gänge in der Mittellinie innerhalb des Genitalstranges ist das uterine Ende der Tube fixirt. Sie kann in Folge dessen an dieser Stelle bei der Fortentwicklung der Leibeswand in die Breite nicht lateral- wärts verschoben werden. Anders liegt die Sache am abdominalen Ende, wo solehe Hindernisse nieht im Wege stehen, sondern mit der oben erwähnten Verschiebung der Geschlechtsdrüse und ihres Ausführungsganges durch die sich entwickelnde Niere sogar hierfür günstige Verhältnisse geschaffen wurden. In der zwischen abdominaler und uteriner Mündung gelegenen ganzen Länge der Tube findet ein allmählicher Uebergang von ihrer vollkommenen Ze Eu Die fötale Entwicklung der menschlichen Tuben. 191 Fixirung in der Mittellinie bis zur fast vollkommenen Beweglichkeit zu derselben statt. Das Ergebniss dieser Verhältnisse ist eine verschieden weite Entfernung der verschiedenen Tubenabschnitte von der Mittellinie in Folge des Breitenwachsthums der Leibeswand. Um eine solehe Lagerung der Tuben zu ermöglichen, ist ein stärkeres Längenwachsthum des Organes erforderlich, das in so ausgiebiger Weise erfolgt, dass noch gewissermassen über- schüssiges Material entsteht und dadurch eine Schlängelung der Eileiter zu Stande kommt. Da nun der Embryo nicht nur in die Breite, sondern gleich- zeitig auch in die Länge wächst, würde die senkrechte Entfernung des abdominalen vom uterinen Tubenostium grösser werden müssen, wenn nicht gleichzeitig durch ein erhebliches Längen- wachsthum der mit ihrem distalen Ende auf dem Beckenboden feststehenden Uterovaginalanlage der spätere Fundus uteri erheb- lich in die Höhe stiege. Durch das Zusammenwirken dieser Wachsthumsverschiebun- gen erklärt sich auch die Erhaltung oder gar stärkere Ausbil- dung der schon zur Zeit der ersten Anlage der Müller’schen Gänge theilweise vorgebildeten, mit der Convexität nach imnen gerichteten Krümmung des Gesammtverlaufs der Eileiter (Taf. XIII, Fig. 21 bis 23). Der entwicklungsgeschichtlich begründete innige anatomische Zusammenhang zwischen Ovarium und Tube an der Mesosalpinx macht es begreiflich, dass die Eierstöcke in demselben Sinne, wie die Eileiter eine scheinbare, einem Kreisabschnitt ähnliche Wanderung ausführen. Es bleibt mir nun noch zu erwähnen, wie die weiblichen Geschleehtsdrüsen nebst ihren Ausführungsgängen im Verlauf der intrauterinen Entwieklung allmählich ins grosse Becken, dann in demselben immer tiefer zu liegen kommen, und wie sie schliesslich in der ersten Zeit des postfötalen Lebens bis ins kleine Becken gelangen. Auch hierbei kann von einem „Heruntergleiten“ oder „Herabsinken“ nieht die Rede sein. Es handelt sich vielmehr um ein in die Höhewachsen des Beckens, das sich in dem zunächst völlig aus Weichtheilen bestehenden Schwanzende der Frucht um das Ende des zweiten Schwangerschaftsmonats zu entwickeln beginnt. Da das Becken schneller wächst, als die Genitalorgane, so überragt es dieselben allmählich etwa wie ein schnell wach- 192 Paul Wendeler: sender Baum einen langsam wachsenden überholt. So kommen die Organe zunächst von der Lumbalgegend ins grosse Becken hinein und dann immer tiefer in dasselbe und das umsomehr, als der Tubentheil der Geschlechtsgänge, wie wir soeben gesehen, bald mit seiner Längsaxe nicht mehr senkrecht, sondern mehr und mehr horizontal gerichtet ist und sein Längenwachsthum dementsprechend in dieser Richtung sich geltend macht. Verfolgen wir nun den „Descensus“ bei verschiedenaltrigen Früchten, so finden wir bei dem 35 Tage alten Embryo von Coste (vergl. oben) den Müller’schen Gang zum grossen Theil angelegt. Er verläuft mit dem-ihm medianwärts anliegenden W olff’schen Gange in der Tubenfalte der Urmiere annähernd parallel der Mittel- linie. Nach innen und hinten schliesst sich an den W olff’schen Gang der W olff’sche Körper an, an dessen freier Medianfläche sich be- reits die neben der Mittellinie liegende erste Keimdrüsenanlage gebildet hat. Proximalwärts reicht das dütenförmige Ende des Müller’- schen Ganges noch etwas hinter und seitlich vom untern Ende der Lungenanlage hinauf. Bei meinem fast gleichaltrigen (wohl nur um ein geringes Jüngeren) Embryo von 13 mm reicht auch die Spitze der Herzanlage ein wenig tiefer, als das oberste Ende des Ganges. Im Anfang des dritten Monats, bei etwa 3 cm Scheitel- steisslänge reichen die Müller'schen Gänge kopfwärts noch bis etwa zur Mitte der Lendenwirbelsäule und liegen schon in einem allerdings sehr kleinen Winkel zur Fruchtaxe. Gegen Ende des dritten Monats bei 5—6 cm Scheitelsteiss- länge (Taf. XIII, Fig. 21) ist der Winkel der Tubenanlagen zur Mittellinie schon etwas grösser geworden. Kopfwärts schneidet ihr Fimbrienende bereits mit der Crista ossis Ilii ab, auch sehen wir bereits 2 flache Windungen an den Tuben. Die W olff’schen Gänge, wennschon im Wachsthum bereits etwas zurückgeblieben, sind noch sehr deutlich zu erkennen (Taf. XIII, Fig. 21; w), ebenso ihre früher beschriebene Lagerung zu den Müller’schen Gängen (m), von denen sie in einer Halbspirale umgriffen werden. Unter- halb der Umgreifungsstelle ist das Leistenband der Urniere (r), welches hier die Organe der Plica urogenitalis kreuzt, mit dem Wolff’schen Gange verwachsen. Im Anfang des vierten Monats (Taf. XIII, Fig.22) überragt der Darmbeinkamm das abdominale Tubenostium bereits erheblich, Die fötale Entwicklung der menschlichen Tuben. 193 der Winkel, in welchem der Eileiter zur Wirbelsäule gelagert ist, ist grösser geworden. Die Tube (m) bildet einen langge- streekten medianeoneaven Bogen und ist durch flache Windungen leicht gewellt. Im Verhältniss zu diesem jetzt schon mächtig entwickelten Organ tritt der Urnierengang (w), der im Wachs- thum erheblich zurückgeblieben ist, schon völlig in den Hinter- grund. In der Mitte des fünften Monats liegen Tuben und Ovarien bereits tief im grossen Becken, etwas oberhalb der Eingangsebne ins kleine Becken. Aus ihrer früher annähernd zur Längsaxe der Frucht parallelen Richtung ist jetzt eine mehr senkrechte geworden (Taf. XIII, Fig. 23). Sie zeigen eine Anzahl zierlicher eng an einander liegender Windungen. Der Wolff’sche Gang (w) ist nur noch bei sorgfältiger Besichtigung zu erkennen. Vom 6. Schwangerschaftsmonat an verlaufen Tuben und Ova- rien annähernd parallel zur Beckeneingangsebne (Taf. XIII, Fig.24). Gegen Ende der Fötalperiode und in der ersten Zeit des extra- uterinen Lebens pflegt der uterine Abschnitt etwas höher zu liegen als die mittleren Tubenpartien, während das laterale Ende der Eileiter eine nach aussen und hinten etwas ansteigende Lage einnimmt. Zur Zeit der Geburt befinden sich Eileiter und Ovarien stets noch oberhalb der Eingangsebne des kleinen Beckens, nach Ahlauf des ersten Lebensjahres hingegen liegen sie unterhalb derselben. Wie verschieden der Entwicklungsgrad bei derselben Alters- stufe sein kann, zeigen Fig. 25 u.26, Taf. XIII, die beide von Neu- gebornen entnommen sind, welche am normalen Ende der Schwan- gerschaft gut entwickelt zur Welt kamen. Doch ist eine so kräftige Ausbildung der innern Genitalien, wie Fig. 26 sie zeigt, nicht das Gewöhnliche. Durch die Untersuchungen von W. A. Freund (a. a. O.) sind die Windungen der Eileiter neuerdings mehr in den Vorder- grund des Interesses gerückt worden. Dieser Autor schildert die Entstehung derselben so, das die Tubenanlage bei ihrer Wanderung ab- und lateralwärts ins grosse, dann ins kleine Becken sich gesetzmässig spiralig in bestimmter Richtung dreht. Die Windungen werden als korkzieherartig und als Spiral- 194 Paul Wendeler: drehungen bezeichnet und mit den Drehungen einer Schnur und mit denen des Nabelstranges verglichen. Nachdem der Process ge&en Ende der 32. Woche seinen Höhepunkt erreicht hat, soll eine Entfaltung der Spiraldrehungen wiederum in durchaus gesetzmässiger Weise vor sich gehen und zwar lediglich durch Streckung der Spirale, nicht durch. Wieder- aufrollung. Popoff’s Beobachtungen (a. a. O.) scheinen mir zwar von denen Freund's erheblich abzuweichen, aber dennoch konnte er sich an dem ihm zu Gebote stehenden Material, wie er wörtlich sagt, von den wesentlichen Angaben Freund’s über- zeugen. Soweit ieh die Literatur übersehen kann, ist Nagel der einzige, der gegen diese Lehren, die schon in die Lehrbücher überzugehen beginnen, Widerspruch erhebt (a. a. O.). Er weist darauf hin, dass wegen der Fixirung der Eileiteranlage in ihrer ganzen Ausdehnung an die Leibeswand durch diejenigen Organe, aus welchen sich die Mesosalpinx entwickelt, eine derartige Spiraldrehuug nach vollendeter Anlage der Müller’schen Gänge ausgeschlossen ist. Derselbe Forscher spricht sich dann weiter dahin aus, dass die Bildung der Tubenwindungen lediglich durch eine erhebliche Differenz zwischen dem Wachsthum der Eileiter und dem ihres Mesenterium stattfindet und dass diese Falten- bildungen erst in den letzten beiden Schwangerschaftsmonaten ihren Höhepunkt erreichen. Nach meinen Untersuchungen stimme ich diesen Angaben Nagel's völlig bei. Ich möchte nur noch hinzufügen, dass die Bandapparate, welche gewissermaassen als eine Verstärkung desselben im Ligamentum latum liegen und bisweilen erheblich hemmend auf die Längsentwieklung dieses einwirken, dadurch indirekt von grossem Einfluss auf die Bildung der Tubenwindungen, besonders aber auch aufihre spätere Entwicklung werden können. Es handelt sich um das Ligamentum Ovarii proprium und um das Ligamentum Infundibulo-Ovariecum, sowie um die beide mit- einander verbindenden, durch den Hilus Ovarii verlaufenden Bindegewebszüge (vergl. Wieger a. a. O.). Bei Früchten aus den letzten Sehwangerschaftsmonaten, bei Neugeborenen und im Kindesalter bis zur Pubertät kann man sich von der angedeuteten Wirkung dieses Bandapparates besonders deutlich überzeugen, Die fötale Entwicklung der menschlichen Tuben. 195 ebenso von dem wichtigen Einfluss, den ihre oft an beiden Sei- ten ungleiche Entwicklung im Verein mit der der Ligamenta rotunda auf die Entstehung der überaus häufigen geringen Asymmetrie in der Lagerung der innern Genitalien ausübt. Verfolgen wir nun die Entstehung der Windungen, so sehen wir, dass dieselben zunächst nicht nur in der Ebene des Ligamentum latum (Taf. XIII, Fig. 25), sondern auch senkrecht zu derselben sowie in allen nur denkbaren Ebenen angelegt werden können (Taf. XIII, Fig.23,24 und 26). Mit der Zunahme des Missverhältnisses zwischen Wachsthum der Tube und Längsausdehnung des breiten Mutter- bandes werden die Windungen immer grösser und enger. Die- jenigen, die in der Ebene des Ligamentum latum liegen, können sich zunächst ungehindert weiter ausdehnen, alle andern aber, die sich im Winkel zu dessen Ebene bildeten, erfahren, sobald sie die Entfernung zwischen dem vördern und dem hintern Blatt der Mesosalpinx ausgefüllt haben, Widerstand, der sie mehr in dessen Ebene hinein ablenkt. Es liegt auf der Hand, dass hierbei in Folge der weitern Entwicklung schliesslich die mannigfaltigsten Bilder zu Stande kommen können. Immer aber kann man deut- lich erkennen, dass die Raumbeschränkung des Ligamentum latum, die durch den oben geschilderten Bindegewebsstrang zum grossen Theil verursacht wird, zu den Faltenbildungen der Tuben Veran- lassung giebt. Auch wenn die Windungen als rein „mäandrische“ sämmt- lich genau in der Ebene des breiten Mutterbandes gelegen sind (Taf. XIII, Fig.25), was nicht selten der Fall ist, kann es zur Bildung wunderlicher Formen kommen. Zur Erläuterung dieser Vorgänge habe ich beistehende Schemata zeichnen lassen. Bei (a) sehen wir die einfache „mäandrische* Windung, die wir uns in der Ebene des Ligamentum latum gelegen vor- stellen wollen. Wächst diese Windung nun noch weiter in die Länge, so kommt ihr Bogen (1) in solehe Partien der Mesosalpinx, wo deren Blätter durch dichteres Gewebe fester miteinander 196 Paul Wendeler: verbunden sind und sich ihrem weiteren Vordringen Hindernisse in den Weg stellen. Die vorausgeschobene Umbiegungsstelle (1) wird aufgehalten und bei weiterem Wachsthum wird die Windung, wie ohne weiteres ersichtlich ist, die bei ß gezeichnete Form annehmen können. In der That finden sich solche und ähnliche Formen nicht selten (Taf. XIII, Fig. 26;$). Wächst die Windung noch weiter, so kann eszu derin y gezeichneten Doppelschlingen- oder Brezelform kommen, die auch des öftern beobachtet wird. Popoff (a. a. O.) hateinen solchen Fall abgebildet. Liegt die Windung von vorneherein nicht genau in der Ebene des Ligamentum latum, sondern etwa im Sinne von d im Winkel zu ihr, so wird das Wachsthum in der Gegend der beiden Schen- kel 2 und 3 allmählich die bei e abgebildete Schlingenbildung erzeugen können. Auch diese Form kommt oft genug vor. Es ergiebt sich ohne Weiteres, dass durch ähnliche Entwicklung zweier neben einander liegender Windungen auch das Bild r zu Stande kommen kann. Häufig findet man den Typus a an sämmtlichen Windungen derselben Tube (Taf. XIII, Fig. 25). Alle andern Formen kommen gewöhnlich nicht rein an demselben Eileiter, sondern in sehr verschiedenen Combinationen zur Beobachtung. Durch diese geschilderten Bildungsmechanismen lassen sich auch die complieirtesten Tubenwindungen, natürlich auch die gelegentlich an kurzen Abschnitten vorkommenden korkzieheratigen zwanglos erklären. Das hier Erörterte bezieht sich selbstredend nur auf ge- sunde Tuben. Als Beweis für die wirklichen Spiraldrehungen der Tube führt Freund unter andern den nach der Streckung derselben im spätern Alter bestehenden klar angedeuteten Spiralverlauf der Sehleimhautlängsfalten an, den er mit dem „einfachen Mikro- skop“ nachgewiesen hat. Er sieht hierin auch den Beweis, dass es sich beim spätern Verzchwinden der von ihm angenom- menen Spiraldrehungen nicht um eine eigentliche Aufdrehung oder Aufrollung handelt. Ich habe eine grössere Anzahl Tuben der Länge nach auf- geschnitten und niemals einen spiraligen, sondern stets einen vollkommen geraden Verlauf der Schleimhautfalten gefunden. Ich bin auch der Meinung, dass dies der einzig richtige Weg ist, sich über den Verlauf der Falten zu orientiren. Freilich m Die fötale Entwicklung der menschlichen Tuben. 197 könnte man sich auch nach fortlaufenden Serienschnitten die Tubenschleimhaut körperlich reconstruiren; aber, wer die- selbe an dem aufgeschnittenen Organ einmal näher besichtigt hat, wird mit mir der Ueberzeugung sein, dass die Lücken in der Serie der alsdann zu modellirenden Schnitte nicht gross sein dürfen, wenn man wirklich ein getreues Bild des Faltenverlaufs erhalten will. Es wäre dazu eine enorme Arbeit nöthig, die um so zweckloser wäre, als man mindestens dasselbe durch ein- fache Betrachtung der längs aufgeschnittenen Tube in wenigen Minuten erreichen kann. | Wie schon früher angedeutet, bin auch ich im Gegensatz zu W. A. Freund aus meinen Untersuchungen zu der Ansicht gekommen, dass die Entwicklung der Tubenwindungen erst in den letzten Schwangerschaftsmonaten ihren Höhepunkt erreicht und dass ihre Entfaltung erst in der postfötalen Zeit beginnt und vor sich geht. Natürlich schliesst das nicht aus, dass in vereinzelten Fällen diese Entfaltung schon in den letzten Abschnitten des Intrauterinlebens ihren Anfang nimmt (vgl. auch die uterinen Tubenenden in Taf. XIII, Fig. 26). Das gesammte Material menschlicher Embryonen, welches dieser Arbeit zu Grunde liegt, stammt aus der Poliklinik meines hochverehrten Chefs, des Herın Prof. A. Martin, dem ich für die freundliche Ueberlassung desselben auch hier meinen Dank ausspreche. Erläuterung der Abbildungen. Sämmtliche Abbildungen wurden nach meinen Präparaten von Fräulein Paula Günther angefertigt. Figur 1—6 wurden bei der Vergrösserung von Zeiss Ocular II Objectiv E frei vom Ocular gezeichnet. Figur 7—20 wurden mit Hülfe des Abb&@’'schen Zeichen- apparates bei derselben Tischhöhe und bei der Vergrösserung von Zeiss Ocular II Objectiv A angefertigt; sie können bei der Schwäche der Vergrösserung nur als Uebersichtsbilder dienen. A. Tafel X1. Fig. 1-6 geben das Bild der Tubenfalte der rechtsseitigen Urniere eines Embryo von 13 mm aus Serienschnitten. 1. 250. Serienschnitt vom Steiss aus gerechnet. Vom Müller’- schen Gang ist noch keine Spur zu sehen, 198 Fig. 2 Fig. 3 Fig. 4 Fig. 5 Pie 6 a = DIE k= m = WEN, ar — I == Kies A Fig. 8. Eig! 9: Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13. Paul Wendeler: . 251. Serienschnitt. Bei m ist das distalste Ende der soliden Spitze des Müller’schen Ganges getroffen. (Der dem Cölom- epithel zunächst liegende Kern hört einer Wanderzelle an, wie solche, durch intensivere Kernfärbung kenntlich, auch zwischen den Bildungszellen des Stromagewebes der Urnieren- falte zahlreich zu finden sind.) . 252. Serienschnitt. Die 3 Zellen der soliden Spitze des Mül- ler’schen Ganges liegen anscheinend nicht ganz fest anein- ander. . 254. Serienschnitt. Die solide Spitze des Müller’schen Ganges und der Wolff’sche Gang sind gegen einander deutlich ab- geplattet. (Die Abplattung des W olff’schen Ganges ist schon in den beiden vorhergehenden Schnitten sichtbar.) . 259. Serienschnitt: . 290. Serienschnitt. Der Müller’sche Gang ist von einer ein- fachen Schicht spindelförmiger Bildungszellen a und b (der ersten Anlage der nicht epithelialen Tubenwand) umgeben. Vom Stroma der Tubenfalte zwischen Müller’schem Gang und Cölomepithel einwuchernde Bildungszellen. Zwischen W olff’schem und Müller ’schem Gang einwuchernde Bildungszellen. Urnierencanälchen in den Wolff’schen Gang einmündend. Nicht das Lumen, sondern nur die Wand ist getroffen und zwar im Schrägschnitt. Müller’scher Gang (bezw. dessen solide Spitze). Tubenfalte der Urniere. Verdicktes Cölomepithel der Tubenfalte. Wolff’scher Gang. B. Tafel XI. Schnitt vom uterinen Ende der Tubenanlage eines Embryo Schnitt aus der Mitte von 6 cm Scheitel-Steiss- und Schnitt vom abdoıninalen Ende | 9 em Scheitel - Fersenlänge. (Aus der 2. Hälfte des III. Monats.) Schnitt vom uterinen ) Ende der Tubenanlage eines Em- Sehnitt vom abdominalen | bryo von 10 cm Scheitel-Steiss- und 16 em Scheitel-Fersenlänge. (Vom Ende des IV. Monats.) Tafel XII. Schnitt vom uterinen |) Ende der Tubenanlage eines Em- Schnitt vom abdominalen | bryo von 13 cm Scheitel-Steiss- und 21 cm Scheitel-Fersenlänge. (Aus der Il. Hälfte des V. Monats.) Fig. Fig. 14. 15. 16. INTE 18. 19: 29. I I I | | I Die fötale Entwicklung der menschlichen Tuben. 199 Schnitt vom uterinen | Ende der Tubenanlage eines Em- Schnitt vom abdominalen | bryo von 18 cm Scheitel-Steiss und 29 cm Scheitel-Fersenlänge (gegen Ende des VI. Monats). Schnitt vom uterinen Ende | der Tubenanlage eines Em- Schnitt aus der Mitte | bryo von 55 em Scheitel- Schnitt vom abdominalen Ende | Fersenlänge. (Aus dem VII. Monat.) Tafel XII. Schnitt vom uterinen Ende i : R der Tube einer Neugeborenen. Sehnitt vom abdominalen Ende D zu Hauptfalten der Tubenschleimhaut. Peritonealepithel der Tubenanlage. Aeussere (subseröse) Schieht der Tubenanlage. Iınere Schicht der Tubenwand (Stroma der Schleimhaut). Urnierencanälchen. | Mittlere (Muskel-) Schicht der Tubenwand. Tubenanlage. Wolff’scher Gang. Mittelgrosse Falten der Tubenschleimhaut. Fimbria ovarica. C. Tafel XIII. Innere Genitalien eines weiblichen Embryo von 51/, em Scheitel- Steisslänge. (Aus der 2. Hälfte des III. Monats.) Nach einem Situspräparat gezeichnet. 3fach vergrössert. Innere Genitalien eines weiblichen Embryo von 7 em Scheitel- Steisslänge... (Anfang des IV. Monats.) Nach einem Situs- präparat gezeichnet. Sfach vergrössert. . Innere Genitalien eines weiblichen Embryo von 13 cm Scheitel- Steiss- und 19 em Scheitel-Fersenlänge. (Mitte des V. Monats.) Nach einem Situspräparat gezeichnet. 3fach vergrössert. . Innere Genitalien eines weiblichen Embryo von 30 em Scheitel- Fersenlänge. (Mitte des VI. Monats). 1!/;fach vergrössert. 25. u. 26. Innere Genitalien zweier Mädchen, die am normalen Ende der Schwangerschaft bei der Geburt starben. Fig, 25 l!/afach vergrössert. Fig. 26 11/, fach vergrössert. m — Müller’scher Gang (bezw. Tube). o = Anlage der Geschleehtsdrüse (bezw. Ovarium). r = Ligamentum rotundum. w — W olff’scher Gang. y = Mastdarm. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 14 200 Die Vorstadien der Eireifung. (Zusammenfassende Untersuchungen über die Bildung der Vierer- gruppen und das Verhalten der Keimbläschen-Nucleolen.) Von Dr. Valentin Häcker, Privatdocent und Assistent am zoologischen Institut der Universität Freiburg i. Brsg. Hierzu Tafel XIV— XVII. Das reifende Copepoden-Ei, welches längere Zeit hindurch den Gegenstand meiner Untersuchungen gebildet hat, ist nun auch von Rückert (13 ce) einem eingehenden Studium unter- zogen worden. Rückert hat sich dabei auf die Frage eoneentrirt: Wie entstehen die Vierergruppen? Kann diese Frage beantwortet werden, so ist damit nach seiner Ansicht — und dies ist auch von mir und von vom Rath wiederholt betont worden — der Schlüssel zur Lösung des Reduktionsproblems gegeben. Rückert gelangt in Uebereinstimmung mit mir und vom Rath zunächst zu dem Ergebniss, dass bei den von ihm unter- suchten Copepoden die Theilungen der Reifungsphase nur durch eine einmalige und nicht durch eine zweimalige Längsspaltung des Chromatinfadens eingeleitet werden und dass demnach die zu Beginn der Reifungsphase auftretenden Vierergruppen dem Schema Ar > entsprechen, in welchem gleichnamige Buchstaben die durch Längs- spaltung entstandenen Schwesterelemente, ungleichnamige die im ursprünglichen Faden hintereinander gelegenen Nachbarelemente darstellen. Die Reduktion kommt, wie Rückert — gleichfalls im Einklang mit uns — erschlossen hat, dadurch zu Stande, dass bei der zweiten Theilung die beiden Nachbarelemente (a b) durch Quertheilung getrennt und auf die Enkelkerne vertheilt werden. Die thatsächliche Uebereinstimmnng, welehe nunmehr all- mählich in der Reduktionsfrage, wenigstens auf zoologischem Ge- Die Vorstadien der Eireifung. 201 biete, erreicht zu werden scheint, würde eine noch vollkommenere sein, wenn Rückert sich bezüglich der Verwendung des Ausdrucks „Reduktion“ innerhalb der von uns vorgeschlagenen Grenzen gehalten hätte. Das Zustandekommen einer Herabsetzung der Chromosomen- zahl stellt sich für unsere heutige Gesammtanschauung nur unter der Voraussetzung als ein wirklich bedeutsamer Vorgang dar, wenn die chromatische Substanz des Kernes die Tendenz besitzt, vor jeder Theilung durch Segmentirung (Quertheilung) in eine für die Spezies charakteristische, konstante Anzahl (Normal- zahl) von Theilungselementen zu zerfallen '). Unter dieser letzteren Voraussetzung, deren Richtigkeit schon durch die Untersuchungen Flemming’, Rabl’s und Boveri’s nahezu erwiesen worden ist, kann es aber zu einer wirklichen oder zu einer schein- baren Herabsetzung der Anzahl der Chromosomen kommen. Das Zustandekommen einer wirklichenHerabsetzung kann von vormherein in verschiedener Weise gedacht werden. Es könnte eine Anzahl der Chromosomen im Kern zu Grunde gehen, oder aus demselben entfernt werden, oder die Herab- setzung kann dadurch erreicht werden, dass die vorhandene Zahl ohne vorhergehende, durch Längsspaltung erzielte Verdopplung auf die beiden Schwesterkerne vertheilt wird (Reduktions- theilung im Sinne Weismann'’s)?. Dieser letztere Modus findet aber, wie vom Rath’s, meine eigenen und Rückert's Untersuchungen gezeigt haben, bei der zweiten Reifungstheilung der thierischen Keimzellen statt. Es würde zweckmässig sein, für diesen Fall einer wirkliehen Herabsetzung der Chromosomen- zahl auf die Hälfte den Ausdruck Reduktion (echte Reduktion) zu reserviren. Eine seheinbare Herabsetzung kann stattfinden, wenn in Folge unvollkommener oder verlangsamter Segmentirung (Quertheilung) des Fadens nicht die sogenannte Normalzahl von Elementen aus dem Gerüst des ruhenden Kernes herausgesondert un lo 1) Von dieser Auffassung führt ein kleiner Schritt zu der so- genannten „Individualitätshypothese“, welcher zufolge es immer wieder dieselben chromatischen Individuen sind, die sich in den aufeinander folgenden Theilungen aus den ruhenden Kernen heraussondern. Vrgl. hierzu auch Strasburger (14). 2) A. Weismann, Ueber die Zahl der Richtungskörper und über ihre Bedeutung für die Vererbung, Jena 1887, p. 431. 202 Valentin Häcker: wird, wenn also die Normalzahl gewissermaassen latent bleibt. Auf die Existenz derartiger Theilungen habe ich schon vor längerer Zeit (7 b, 7 e) aufmerksam gemacht. Da sich bei den- selben mehrere Chromosomen zu Theilungselementen höherer Ordnung verbinden, so können sie als Theilungen mit plurivalenten Elementen oder kurz als plurivalente Mitosen bezeichnet werden. Rückert hat nun neuerdings (15 d, p. 541) für diese schein- bare Reduktion den Ausdruck „Pseudoreduktion“ vorge- schlagen : ich nehme diese Bezeichnung sehr gerne an, da sich der Begriff inhaltlieh vollkommen mit dem von mir aufgestellten deekt und also nieht zu befürchten ist, dass durch eine doppelte Nomenelatur ein Missverständuniss hervorgerufen werde. Hält man an der obigen Definition des Ausdrucks „Re: duktion“ fest, so wird man es für nieht ganz zweckmässig er- klären müssen, wenn Rückert, wenigstens in seiner ersten: Arbeit (13 e), wiederholt davon spricht, dass die Vierer- sruppen in reduzirter Anzahl auftreten. Diese Ausdrucks- weise ist schon deswegen nicht angebracht, »weil es weder auf einem der vorhergehenden Theilungsschritte Vierergruppen gegeben hat, noch solehe auf einem der folgenden wieder vorkommen. Wenn dieselben aber vorher nicht vorhanden sind, so können sie nicht wohl plötzlich in reduzirter Anzahl auftreten. -. Es könnte überhaupt nur dann von einer Reduktion der Vierergruppen ge- sprochen werden, wenn dieselben im Sinne Boveri’'s je einem einzigen, zweimal gespaltenen Chromosom entsprechen würden. Dies ist aber, wie auch aus Rückert's Beobachtungen deutlich hervorgeht und wie er selbst betont, gerade nieht der Fall. Auf die Kritik, welehe Rückert an meinen Befunden bei Cyelops ausübt, werde ich später zurückkommen. Es wird dann auch der merkwürdige Umstand wenigstens theilweise seine Er- klärung finden, dass Rückert auf der einen Seite meinen that- sächlichen Befunden gegenübertritt, während er doch auf der andern meinen theoretischen Anschauungen beipflichten muss (13 d, p. 545). - I. Die Eireifung bei Canthocamptus staphylinus Jur. Indem ich im Folgenden die Eireifung bei dem Copepoden Canthocamptus auf Grund eines beträchtlich erweiterten Materials Die Vorstadien der Eireifung. 203 einer abermaligen Besprechung unterziehe, hoffe ich eine neue Stütze für unsere Auffassung liefern zu können. Meine, vor mehreren Jahren am Canthocamptus-Ei gewonnenen Resultate liessen sich bisher in keiner Weise mit den Beobachtungen an anderen Objekten in Einklang bringen, und doch schienen gerade die bei Canthocamptus yorliegenden Verhältnisse in mancher Hin- sicht vielversprechend zu sein, wie denn z. B. das frühzeitige Auftreten und der Fortbestand der Doppelfadenstruktur eben bei Canthocamptus zuerst festgestellt werden konnte. Ich benutzte (laher nieht ungern die Gelegenheit, eine Nachuntersuchung vor- zunehmen, als in diesem Herbst einer unsrer Tümpel in ganz be- sonders reichlicher Menge diesen kleinen, sonst nur sparsam auf- tretenden Copepoden lieferte. Nachdem sich dann herausgestellt hatte, dass die Bildung des Eisackes in der Regel zu einer bestimmten Tageszeit, nämlich in der ersten Vormittagshälfte, stattfindet, gelang es mir diesmal auch, die entscheidenden Stadien kurz vor und kurz nach der Ei- ablage in beliebiger Anzahl zu bekommen. Ich verfuhr dabei in der Weise, dass ich im Laufe des Nachmittags eine grössere Anzahl von solehen Weibchen, deren Ovidukteier das Keimbläschen nicht mehr deutlich hervortreten liessen, absonderte. In den frühen Vormittagstunden des nächsten Tages, im November zwischen 7 und 10 Uhr, waren dann regelmässig einige Weibchen mit einem frisch gebildeten Eisack vorhanden, dessen Eier in der Regel noch ungefurcht waren. Wollte ich mir die Stadien un- mittelbar vor der Eiablage verschaffen, so behielt ich den Rest jener Weibchen, welche also noch Ovidukteier führten, bis zum nächstfolgenden Morgen zurück. Wenn dann dieser Rest in mög- liehst früher Morgenstunde konservirt wurde, so waren sicher einige Individuen darunter, deren Eier unmittelbar vor der Ablage standen. Konservirt wurde zumeist mit der von vom Rath empfohlenen Platinchlorid - Osmiumessigpikrinsäure (500 cbem concentrirte wässrige Pikrinsäurelösung, 3 ebem Essigsäure, 2 g Osmiumsäure, 5 g Platinchlorid). Die Dauer der Einwirkung betrug in der Regel etwa 15 Minuten. Centrosomen und achromatische Struk- turen traten bei dieser Behandlung allerdings nicht oder kaum her- vor, aber die cehromatischen Elemente lassen ihren feineren Bau auf’s Deutlichste erkennen. 204 Valentin Häcker: Die Keimbläschen von Canthocamptus dürfen daher vielleicht als ein nie versagendes und fast das ganze Jahr hindurch leicht erhältliches Objekt für die Demonstration der persistirenden Doppelfadenstruktur und derDoppelstäbchen vorgeschlagen werden. Für die Darstellung der Ringbildungen und der Vierergruppen, wie sie später in der Aequatorialplatte der fertigen ersten Richtungsspindel hervortreten, empfiehlt sich da- gegen, wie ich mich selbst überzeugte, der von Rückert unter- suchte Diaptomus graeilis. Aus einem Klumpen pelagisch ge- fischten Materials sind die betreffenden Stadien in beliebiger An- zahl zu erhalten. Es ist auch für das weniger geübte Auge mit keinerlei Schwierigkeit verbunden, besagte Strukturen des Cantho- camptus- und Diaptomus-Eies in den verschiedenen Phasen ihrer Metamorphose zu verfolgen. Der Uebersichtlichkeit halber werde ich bei der folgenden Darstellung im Text selber auf meine früheren Untersuchungen im Allgemeinen nicht Bezug nehmen, dagegen sollen dieselben in den Anmerkungen zum Vergleich herangezogen werden. Ich möchte bier nur bemerken, dass ich mit ganz wenigen Ausnahmen alle meine früheren Bilder bis in kleine Einzelheiten als richtig anerkennen kann. Dass ich damals nicht zum Ziele gelangte, hat seinen Grund hauptsächlich darin, dass ich die letzten entscheidenden Stadien, vor Allem diejenigen, welche die definitiven Vierergruppen zeigen, nicht in die Hand bekam !). rereizellen und Eimutterzellen Die Fig. 1 gibt einen nahe der Medianlinie gelegenen Schnitt durch den weiblichen Geschlechtsapparat von Cantho- camıptus wieder. Das blinde Ende (kp) des eigentlichen Ovariums ist zweizipflig (vergl. den Querschnitt Fig. 2) und liegt, von grossen Blutlacunen umgeben, dicht vor dem Gelenk, welches den Cephalothorax und das erste freie Brustsegment verbindet. 1) Die Vierergruppen waren damals noch nicht als typische Er- scheinungen der Reifungstheilungen erkannt worden, wie denn überhaupt eine so weit gehende Uebereinstimmung der Reifungs- vorgänge bei verschiedenen Formen nicht vorausgesetzt werden konnte. Die Vorstadien der Eireifung. 205 Bei geschlechtsreifen Weibehen erstreckt sich das Ovarium von hier aus nach vorne bis in die Nähe des oberen Schlundganglions und gibt dann jederseits einen einfachen Oviduktast nach hinten ab, der sich in der Höhe des erwähnten Gelenkes an die Darm- wandung (dw) anschmiegt. Bei Weibehen mit unreifen Ovidukteiern vertheilen sich die einzelnen Phasen der Geschlechtszellenentwicklung in folgender Weise. Jeder der beiden Anfangszipfel des Ovariums enthält ein Keimpolster (kp) von etwa einem halben Dutzend kleiner, sehr chromatinreicher Kerne, welche als unmittelbare Abkömmlinge der Kerne der beiden Urgeschlechtszellen (Fig. 65 ug) zu be- trachten sind. Bei ihrer geringen Grösse und der dichten Anord- nung ihrer chromatischen Substanz lässt sich schwer entscheiden, auf welchem Stadium der Theilung sie begriffen sind. Häufig zeigen sie nur die Form von Bläschen, deren Wand das Chromatin in unregelmässiger Vertheilung angelagert ist. Eine derartige Beschaffenheit der Kerne tritt z. B. auf dem Querschnitt Fig. 2 hervor, welcher die beiden durch grosse Blutlacunen getrennten Keimpolster getroffen hat. Unmittelbar hinter den Keimpolstern, da,wo diebeiden Endzipfel sich zu dem unpaaren Ovarialschlauch vereinigen (Fig. 1, 1/, 2), ist mit Regelmässigkeit eine grössere Anzahl von Kernen zu be- obachten, deren Durchmesser zwei- bis dreimal so gross ist als derjenige der Keimpolsterkerne. Ich will diese Kerne, welche noch in einem gemeinschaftlichen Syneytium eingebettet sind, als vorletzte Generation der Ureikerne (wei) be- zeichnen. Bemerkenswerth ist, dass dieselben, im Gegensatz zu den Keimbläschen, ein typisches Ruhestadium mit tingirbarem Kernsaft, einem feinen netzartigen Chromatingerüst und einzelnen unregelmässigen, wandständigen Nucleolen aufweisen (Fig. 3 a). An’ diese Gruppe von Kernen schliesst sich ein zweiter Ver- mehrungsherd (kz) an. Es ist derjenige Abschnitt des Ovariums, welchen ich in meiner ersten Arbeit als Keimzone beschrieben habe und der in der That zusammen mit dem vorhin be- sprochenen Anfangstheil die „Keimzone“, d. h. die Bildungsstätte der Ureizellen, bezw. ihrer letzten Generation, der Eimutterzellen, 206 Valentin Häcker: “ausmacht '). Es ist natürlich nicht mit vollkommener Sicherheit zu entscheiden, wie oft sich jedes einzelne Element in dieser Zone theilt, ehe es zum Eimutterzell-Kern (Keimbläschen) wird. Aber die Lage der- Dispireme und der wenigen zur Beobachtung kommenden Aequatorialplatten mitten zwischen einer ge- schlossenen Gruppe von Prophasen einerseits und einer ebensolchen von Metaphasen andrerseits (vergl. Fig. 1 und 1°) scheint mir keine andere Annahme zuzulassen, als die, dass jene „vorletzte“ Generation von Ureikernen sich in diesem zweiten Theilungs- herd nur noch ein einziges Mal theilt und dass sich also die folgende Generation sofort zu den Keimbläschen umbildet. Der Kern-Ersatz würde daher vor Allem auf Rechnung der Theilungen der Keimpolsterkerne selber zu setzen sein und die aus den- selben hervorgehende vorletzte Generation der Ureikerne würde sich, nachdem . letztere zu einer erheblichen Grösse heran- gewachsen sind, überhaupt nurnoch ein einziges Mal theilen ?). Es würde in verschiedener Hinsicht interessant sein, zu ermitteln, ob auch bei der Ovogenese andrer Formen diese dem Doppel- fadenstadium unmittelbar vorangehende Theilung (d. h. die dritt- letzte der ganzen Ovogenese) sich in ähnlicher Weise zeitlich und örtlich hervorhebt. In den Fig. 3b—3f sind die einzelnen in diesem zweiten Theilungsherd auftretenden Kerntheilungsphasen vergrössert dar- gestellt. Wie gesagt, sind die verschiedenen Phasen innerhalb des Theilungsherdes regelmässig so angeordnet, dass die Prophasen stets den hintersten (caudalen) Abschnitt, die Aequatorialplatten und Dispireme den mittleren einnehmen, während die im vorderen Abschnitt gelegenen Anaphasen in ganz allmählichem Uebergang zu den typischen Keimbläschenbildern hinführen. Sehr zahlreich ist zunächst das loekere Spirem vertreten (Fig. 3b, vergl. auch Fig. 1°). Der bereits längsgespaltene Chromatinfaden ist in 1) In 7a stellt die Fig. 1 einen Horizontalschnitt durch das Ova- rium dar, welcher nur die erwähnte zweite Theilungsregion enthält. Ein Blick auf die hier gegebene Figur 1 lässt es verstehen, auf welche Weise ich damals zu der Auffassung kam, „dass der ganze Complex der noch in Theilung befindlichen Ureizellen linsenförmig in die Masse der Mutterzellen hereinragt“ (7a, p. 214). 2) Schon bei meiner ersten Untersuchung hatte ich den Ein- druck gewonnen, dass jedenfalls zwei, wahrscheinlich aber auch nicht mehr als zwei Generationen von Ureizellen existiren (7a, p. 214). Die Vorstadien der Eireifung. 207 vielfachen Windungen der Kernmembran mehr oder weniger an- gelagert und stellt sich demnach bei fester Einstellung m der in Fig. 3b wiedergegebenen Weise dar. Das diehte Spirem ist viel seltener (vergl. Fig. 1 bei*) und ebenso das Asterstadium oder die Aequatorialplatte (vergl. Fig. 17 und 3e). Typische Dyaster habe ieh nicht gefunden, dagegen in sehr grosser Zahl die früheren und späteren Phasen des Dispiremstadiums, welche bereits sehr frühe die Längsspaltung erkennen lassen (Fig. 3d und 3e). Im lockeren Spirem tritt frühzeitig der Nucleolus auf (Fig. 3e) und man gelangt so in allmählichem Uebergang zu Kernen, in welchen die Doppelfadenzüge und der Nucleolus die später zu beschreibende charakteristische Anordnung zeigen. (Fig. 3f). Aus dem eben geschilderten zweiten Theilungsherd gehen also, wie erwähnt, die Kerne der Eimutterzellen, die „Keim- bläschen“, hervor. Der, wie erwähnt, schon frühzeitig längs- gespaltene Chromatinfaden durchzieht in mehrfachen, der Kern- membran parallelen Windungen den Kernraum und umgibt so, annähernd in einer Kugelflläche ausgebreitet, den allmählich wachsenden Hauptnucleolus (Fig. 3f; Fig. 4a Anschnitt, Fig 4b Durehsehnitt desselben Kernes). Im optischen Durchschnitt tritt der Querschnitt der Doppelfadenzüge in Form von zwei dunklen Pünktehen hervor, welche bei Veränderung der Einstellung am Faden auf- und abgleiten !). Bei solehen Weibehen, welehe bei schwacher Vergrösserung die Keimbläschen noch deutlich erkennen lassen, finden sich dieselben Bilder häufig auch in den Ovidukteiern (Fig. 1). Im besonderen tritt kein Unterschied hervor zwischen denjenigen Eizellen, welche im vorderen, umgebogenen Oviduktabsechnitt (v od) liegen und noch keimen Dotter abgeschieden haben und denjenigen, welche sich in den eigentlichen, der Darmwandung angeschmiegten Oviduktschenkeln befinden und im Zellleib Dotter gespeichert haben. Die Dotterabscheidung setzt in demjenigen Moment ganz unvermittelt ein, in welchem die Eizellen in unmittelbare Nach- 1) Dieses Verhalten veranlasste mich früher zu der Auffassung, dass die Kernsubstanz in diesem Stadium ein zusammenhängendes System von chromatischen Doppelpünktchen und von Linin-Doppel- fäden darstelle (7a p. 216 f.). 208 Valentin Häcker: barschaft des Darms gelangen. Dies findet an einer Stelle des Mitteldarmes statt, welehe nur durch einen kurzen Abschnitt von der Einmündung des Oesophagus (oe) getrennt ist. Dieser Ab- schnitt des Darmepithels ist dadurch charakterisirt, dass in dem- selben fast regelmässig Mitosen anzutreffen sind (rAR) !). Alle bisher beschriebenen Verhältnisse wiederholen sich mit ausserordentlicher Regelmässigkeit bei allen Weibchen, welche noch sehr junge Ovidukteier führen. In Fig. 17 ist ein Theil eines Längsschnittes durch ein anderes Weibchen abgebildet. Die Anordnung der Elemente im blinden Ende des Ovarialschlauches, die Lagebeziehungen der Eizellen zum Mitteldarm treten hier genau in der Weise, wie dies oben beschrieben worden ist, hervor, und nur die etwas bedeutendere Grösse der Ovidukteizellen bringt gewisse Verschiedenheiten in der Anordung der Organe mit sich. Es fragt sich nun, ob der Doppelfaden in diesen Stadien (Fig. 3f, 4a und b) eine zusammenhängende Schlinge darstellt oder ob er bereits in eine Anzahl von Segmenten gegliedert ist? In den Kernen derjenigen Eizellen, in welchen die Dotter- abscheidung noch nicht begonnen hat, lässt sich in Folge der Kleinheit der Verhältnisse in diesen Stadien nichts bestimmtes aussagen, dagegen konnte ich in den Fällen, in welchen die ge- schilderte Doppelfadenstruktur auch noch in den Kernen der dotterhaltigen Zellen auftritt, vielfach konstatiren, dass zum mindesten sehr grosse Abschnitte des Fadens, ohne jede Seg- mentirung, mit einander im Zusammenhange stehen müssen. So zeigte sich z. B. bei den Kernen, welche in Fig. 5 und 6 im optischen Durchschnitt dargestellt sind, mit Deutlichkeit, dass die Segmentirung, wenn überhaupt, jedenfalls nur in sehr geringem Umfang Platz gegriffen hat. Es ist mir aber auf’s äusserste wahrscheinlich, dass auch in den in Fig. 4, 5 und 6 wiedergegebenen Phasen eine voll- kommen zusammenhängende Fadenschlinge besteht, denn inetwas älteren Stadien, in welchen die später zu beschreibende Con- centrirung und Verdichtung des Fadens beginnt, kann in vielen Fällen der ununterbrochene Zusammenhang der Doppelfaden- 1) Es handelt sich hier vermuthlich um einen Regenerationsherd im Sinne Ziegler’s und vom Rath’s. Vrgl. deren Befunde bei Isopoden und Amphipoden (H. E. Ziegler und O. vom Rath, Die amitotische Kerntheilung bei den Arthropoden. Biol. C. 11. Bd. 1891). Die Vorstadien der Eireifung. 209 schlinge in unzweifelhafter Weise festgestellt werden. Die be- treffenden Stadien (Fig. 16 und 17) lassen sich aber durch viel- fache Uebergänge mit den eben erwähnten (Fig. 4, 5 und 6) in Verbindung bringen und es wird dadurch wahrscheinlich gemacht, dass in den jungen Ovidukteiern vor Beginn und zur Zeit der Dotterabscheidung das Auftreten einer einzigen zusammenhängenden Fadenschlinge die Regel ist. Ich halte also auch jetzt noch daran fest, dass bei Canthocamptus die chromatische Substanz vorüber- gehend auf eine vollständig zusammenhängende Doppel- fadenschlinge vertheilt ist. Was den Bau dieser Schlinge anbelangt, so liegen hier in Folge der Kleinheit des Objektes weniger klare Verhältnisse vor, als dies beispielsweise für die Chromatinstruktur im Amphibien- und Selachier-Keimbläschen gilt. Es kann nur soviel gesagt werden, dass in diesen früheren Stadien die Einzelfäden des Doppelfadensystems noch nicht die „homogene“ Beschaffenheit haben, wie sie später bei der Verdichtung des Fadens hervortritt, sondern dass sie eher einen körnigen Habitus zeigen. Im Quer- schnitt erscheinen sie, wie erwähnt, als zwei dunkle Pünktchen. 2. Segmentirung und Concentrirung des Dop- pelfadens. Um die im Folgenden zu schildernden, die Reifung ein- leitenden Vorgänge übersichtlicher zu machen, ist es vielleicht zweckmässig, von vornherein einige Worte über den Eintritt der Segmentirung des Doppelfadens vorauszuschicken. Der Zeitpunkt, in welchem die Segmentirung des Fadens ein- setzt, ist bei Canthocamptus ganz ausserordentlichen Schwankungen ausgesetzt. Es ist mir bisher nicht gelungen, äussere Lebens- verhältnisse, etwa die Beschaffenheit des Wassers, dafür verant- wortlich zu machen. Denn es zeigten sich solche Schwankungen ebensowohl bei ganz frisch dem Tümpel entnommenen Individuen, als auch bei solchen, welche augenscheinlich unter abnormen Lebensbedingungen sich befinden. Ich habe mehrfach absichtlich die Aquarien so lange stehen lassen, bis das Wasser durch die zahlreichen absterbenden Thiere (Planorbis, Planaria) im höchsten Grade verdorben war und die ziemlich zählebigen Canthocamptus durch den Sauerstoffmangel gezwungen waren, sich an der Ober- 210 Valentin Häcker: fläche des Wassers zusammenzuscharen. Aber die Weibehen, welehe kurz vor dem Untergang der ganzen Thier-Kolonie eonser- virt worden waren, liessen im Wesentlichen die nämliehen Fr- scheinungen in den Keimbläschen erkennen, wie die frisch dem Tümpel entnommenen und nur die in den Eisäcken enthaltenen Eier zeigten vielfach Abnormitäten. Es besteht also hier eine unverkennbare Tendenz des Doppelfadens, sich in eine bestimmte Anzahl von Elementen — 24 — zu zerlegen, aber dieser Tendenz wirkt die andere entgegen, die Segmentirung überhaupt zu unterdrücken, bis die Verdiehtung der chromatischen Substanz beinahe ihren Höhepunkt erreicht hat. Ötfenbar wirken hier zwei Faktoren gegeneinander, von denen einer als der ursprüngliche, der andere als der sekundär hinzu- gekommene betrachtet werden muss. Unter Berücksichtigung dieser Verhältnisse können im All- gemeinen zwei Entwicklungsmodi unterschieden werden. Ent- weder kann die Segmentirung des Fadens bereits eintreten zu einer Zeit, wenn der Doppelfaden noch eme feinfadigkörnige Beschaffenheit aufweist und seine Concentrirung in die Kernmitte noch nicht ihren Anfang genommen hat. Im andern extremen Fall setzt die Segmentirung erst ein, nachdem der Doppelfaden sich in der Mitte des Kernraums zu einer einfachen Schlinge ver- diehtet und zusammengezogen hat. Erster Entwieklungsmodus. Der erste Fall wird dureh die Fig. 7—15 dargestellt. In dem Stadium der Fig. T—11 hat bereits eine Zerlegung des körnigfeinfädigen Doppelfadens in eine Anzahl annähernd gleich langer Segmente stattgefunden. Die einzelnen Segmente zeigen aber die Neigung, mit einander im Zu- sammenhang zu bleiben, beziehungsweise unter Verklebung ihrer Enden nachträglich eine Verbindung einzugehen. Dass es sich hier wirklich, wenigstens theilweise, um eine nachträgliche Ver- bindung handelt, wird wohl dadurch erwiesen, dass an einzelnen Stellen mehr als zwei (bis zu fünf) Fäden mit je einem Ende miteinander verbunden sind. Die so entstehenden Bilder (vergl. Fig. 7 und 10) erinnern an die OÖ. Hertwig’sche „Ophiuren- figur“, welehe seiner Zeit viel von sich reden machte und ihr Theil dazu beigetragen hat, dass den Vorstadien der Reifung eine grössere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Diese Tendenz zur Verklebung, welehe im Wesentlichen wohl auf ähnlichen Die Vorstadien der Eireifung. 2il Faktoren beruht, wie die anderwärts auftretende Ringbildung, hört nach einiger Zeit auf und die Fadensegmente sind in der Zwölfzahl gewöhnlich in der einen Hälfte des Kernraumes in unregelmässiger Weise zusammengruppirt (Fig. 11—12)!). Die Doppelfäden sind im Wesentlichen gleich lang und ihre Enden erscheinen, möglicherweise nur in Folge der Einwirkung der Keagentien, knötehenförmig verdiekt und dunkel tingirt, während die mittleren Abschnitte noch das frühere körnige An- sehen haben. Diese Bilder entsprechen ungefähr denjenigen, welche kückert für seinen Cyelops strenuus in Fig. 8 gegeben hat. Es ist zugleich dasjenige Stadium, in welchem es in anderen Fällen, so nach Rückert bei Heteroeope und Diaptomus, durch Verklebung der Fadenenden zur Ringbildung kommt). Im Folgenden findet dann eine allmähliche Verkürzung und Verdiehtung der Doppelfadensegmente statt (Fig. 13—15 ver- gliehen mit Fig. 12). Es entstehen in dieser Weise, wie Rückert es für seinen Cyelops strenuus beschrieben hat, zwölf Doppel- stäbehen?). An einzelnen dieser Doppelstäbehen (Fig. 13-15) ist deutlich zu erkennen, dass jeder Einzelstab aus zwei hinter- einander gelegenen Stäben zusammengesetzt ist. Die Doppel- stäbe entsprechen also ihrer Zusammensetzung nach der Formel 1) Fig. 11a und 11 b stellen zwei Schnitte durch denselben Kern dar. Zufälligerweise sind 3 von den 12 Doppelfäden vollständig in den einen, die übrigen 9 in den andern gefallen. In Fig. 12. kom- men alle Segmente in einem einzigen Schnitt (Fig. 12b) zur Dar- stellung. 2) Diese Verschiedenheiten zeigen, dass man wohl im Recht ist, wenn man (7e p. 484) die Endverklebung der Fäden nicht als wesent- liches Merkmal der sogenannten „plurivalenten“ Theilungen, zu wel- chen auch die erste Reifungstheilung gehört, betrachtet, sondern die- selbe, ebenso wie z.B. die eigenthümlichen Torsionen der Fäden, unter die Begleiterscheinungen, beziehungsweise seceundären Hinzuthaten rechnet. 3) Ich habe mein besonderes Augenmerk auf die Anzahl der Stäbehenpaare gerichtet, hauptsächlich mit Rücksicht auf die unge- wöhnliche Zahl „11%, welche Rückert für seinen Cyelops strenuus mittheilt und über welche er selbst, wie er angiebt, überrascht war. Ich konnte aber für Canthocamptus bei zahlreichen Zählungen immer wieder die Zahl „12“ feststellen (s unten S. 234). 212 Valentin Häcker: und es besteht also bis hierher eine fast vollkommene Ueberein- stimmung mit den Befunden Rückert’s bei Cyelops strenuus. Bemerkt sei im Uebrigen, dass auch jetzt noch einzelne Doppelfaden- segmente reihenförmig mit einander verbunden sind (Fig. 14); ob dies auf Grund des ursprünglichen Zusammenhangs oder einer nach- träglichen Verklebung der Fall ist, mag dahingestellt bleiben. Im Ovidukt selbst habe ich niemals Stadien dieses ersten Entwieklungsmodus gefunden, welche älter waren, als das in Fig. 15 abgebildete. Das Auftreten eines oder mehrerer kleiner Kernkörper neben dem ursprünglichen, allmählich sich verkleinernden Hauptnuceleolus weist übrigens, wie ein Vergleich mit dem zweiten Entwieklungsmodus zeigt, darauf hin, dass die zur Verkleinerung und zur „Auflösung“ des Keimbläschens führenden Processe be- reits ihren Anfang genommen haben. Zweiter Entwieklungsmodus. Ebenso oft, wenn nieht häufiger, als der eben geschilderte Modus kam mir bei meinen im Spätherbst vorgenommenen Untersuchungen ein zweiter. in die Hände. Es ist derjenige, welchen ich in meiner ersten Arbeit in seinen Hauptzügen beschrieben habe und dessen Schil- derung ich nunmehr zu vervollständigen und mit anderen Befunden in Einklang zu bringen vermag. Dieser Modus ist von dem vorigen vor Allem dadurch unterschieden, dass die Concentrirung und Verdiehtung des Fadens lange vor der Seg- mentirung desselben einsetzt. Allerdings tritt auch hier schon frühzeitig die Tendenz des Fadens, in Segmente zu zerfallen, hervor, aber die endgültige und vollständige Zerlegung desselben in seine Unterabtheilungen findet erst beim Austritt des Eies aus dem Ovidukte statt. Den Ausgangspunkt für diesen zweiten Modus liefern, soviel sich bei der vergleichenden Betrachtung aller Vorkommnisse fest- stellen lässt, Bilder, wie die in Fig. 16 und 17 dargestellten. Sie zeigen gegenüber dem Stadium der Fig. 5 und 6, von welchem sie sich ableiten lassen, bereits eine bedeutende Verkürzung und Verdichtung des Doppelfadens. Derselbe durchzieht zunächst noch in unregelmässigen Schlingen den grössten Theil des Kern- raumes !), im weiteren Verlauf des Concentrirungs- und Ver- diehtungsprocesses aber tritt deutlich das Bestreben hervor, eine I) rel. Ta, Bie.s: Die Vorstadien der Eireifung. 213 bestimmte ÖOrientirung innerhalb des Kernes anzunehmen. Es ist zunächst der mittlere Abschnitt des Doppelfadens, welcher die Tendenz zeigt, sich zu einer Art Hufeisenform zusammenzuschliessen, während die beiden Enden Anfangs eine noch mehr oder weniger unregelmässige Lagerung zeigen. Demgemäss sieht man den Faden häufig in Form eines Hufeisens oder einer Ellipse in der Längsriehtung des ovalen Kernes orientirt, während einzelne kleinere Abschnitte in das Innere des von der Hauptfigur ge- bildeten Raumes hereinspringen. Die Fig. 18 und 19 zeigen diese sehr in's Auge fallende Anordnung des Chromatins, wie sie bei fester Einstellung zur Ansicht kommt !). Bei wechselnder Einstellung zeigt sich, dass die in’s Innere der Ellipse herein- springenden Winkel den Fadenenden zugehören ?). Deutlich tritt dieses Verhältniss auch bei einer anderen Serie von Bildern (Fig. 20—23) hervor. Die Concentrirung und Ver- diehtung des Fadens ist hier noch weiter vorgeschritten, so dass der Durchmesser der chromatischen Figur nicht grösser ist als derjenige des Hauptnucleolus. Speziell in den Fig. 20 und 21 ist deutlich der mittlere winklig umgebogene Theil zu erkennen, an dessen Schenkel sich die Restabschnitte des Fadens anhängen. Auch in Fig. 22 ist unter Berücksichtigung der verschiedenen Niveaus die Anordnung des Fadens in Form einer einfachen Schleife wahrzunehmen und noch mehr vereinfachte Verhältnisse liegen in Fig. 23 vor. In Fig. 22 und 23 sind bereits „adventive“ Kernkörper zu bemerken, deren Auftreten, wie später gezeigt werden soll, die Auflösung des Keimbläschens einleitet. Ich komme nunmehr auf diejenigen Bilder zu sprechen, welche ich bereits in meiner früheren Arbeit als die der Riehtungs- körperbildung unmittelbar vorangehenden Phasen beschrieben habe 3). Bei Anwendung einer schwächeren Vergrösserung kommt die chromatische Figur im Allgemeinen in zweierlei Gestalt zur 1) Vrgl. 7a, Fig. 4—5. 2) Ich halte es auf Grund einiger Beobachtungen nicht für aus- geschlossen, dass auch von diesem Stadium aus noch eine Einlenkung in den ersten Eireifungsmodus stattfinden kann. 3) Wenn man, namentlich in den Morgenstunden, solche Weib- chen conservirt, bei denen die prall gefüllten Ovidukte bis zur Mitte des Abdomens reichen und die tief-dunkelbraunen Ovidukteier die Keimbläschen nicht mehr erkennen lassen, so darf man mit Sicherheit auf diese Stadien rechnen. * 914 Valentin Häcker: Ansicht: Da, wo das Kernplasma noch einen ovalen Umfang zeigt und noch der Rest des Hauptnucleolus, bezw. einige kleinere Kernkörper vorhanden sind (vergl. Fig. 24), besitzt das Chromatin die Form einer einfachen Schlinge oder eines Hufeisens, welches mit seinen beiden Schenkeln gewöhnlich dem einen der Kern- körper aufsitzt. Im zweiten Fall, wenn der Kern seine Conturen verloren hat und die Nucleolarsubstanz bis auf geringe Reste ver- schwunden ist (vergl. Fig. 30), stellt sich die chromatische Substanz zu- nächst als ein Stäbehenpaar dar, welches man einem jener Doppel- . stäbehen, wie sie sonst im Copepoden-Keimbläschen auftreten, homolog zu setzen geneigt ist. Dies entspricht aber, wie gleich gezeigt werden soll, nieht den wirklichen Verhältnissen. Sowohl die einfache Schlinge der ersten, als die beiden Stäb- chen der zweiten Phase haben nämlich die Gestalt breiter Bänder, etwa in der Weise, wie dies für die Chromatinschleifen der eopu- lirenden Kerne des Ascaris-Eies bekannt ist (vergl. z.B. Fig. 24 und 30; sowie Schema Fig. 66 A und B). Die Bänder zeigen jederzeit eine deutliche Längsspaltung, beziehungsweise die eigentliche färbbare Substanz nimmt vorzugsweise die Säume derselben ein. Unter Berücksichtigung dieser Thatsache ergibt sieh sofort die Genese und der Zusammenhang der einzelnen in Frage stehenden Chromatinfiguren !). Schon in dem noch intakten Keim- bläsehen trat, wie gezeigt wurde, die Tendenz des elıromatischen Doppelfadens hervor, sich inmitten des Kernraumes zu einer huf- eisenförmigen Schlinge zusammenzuziehen (Fig. 16 ff.). Dieser Zu- stand ist nun vollends erreicht (Fig. 24ff.): Der längsgespaltene Faden nimmt in Form eines Hufeisens die Mitte des Kernraumes ein und scheint, wie aus dem häufigen Vorkommen dieses Stadiums 1) Bei meiner ersten Untersuchung waren mir hauptsächlich zwei Umstände entgangen, einmal, dass in der ersten Phase (Fig. 24) die beiden Schenkel der Schleife nur an einem Ende bogenförmig in einander übergehen, am andern dagegen keinen Zusammenhang zeigen; und zweitens, dass sowohl in der ersten, als in der zweiten Phase das Chromatinband eine Längsspaltung zeigt, welche sich auf die Spaltung des Fadens im jungen Keimbläschen zurückführen lässt (eine solche fiel mir erst in den letzten Phasen auf, 7a, Fig. 17). Ich war daher im Hinblick auf die bandförmige Verbreiterung der chromatischen Ele- mente zu der Auffassung gekommen, dass die ganze Chromatinfigur eine in Spaltung begriffene Chromatinplatte darstelle. Die Vorstadien der Eireifung. 215 zu schliessen ist, einen verhältnissmässig langen Zeitraum hindurch in dieser Anordnung zu verharren. Bezeiehnend ist nun, dass schon während dieses Stadiums die mehrfach hervorgehobene Tendenz zur Segmentirung in der mannigfaltigsten Weise hervortritt, wenn auch die eigentliche Zerlegung erst später stattfindet. Vor allem scheint die Neigung zu bestehen, dass jeder der beiden Schenkel der Doppelfaden- schlinge sich in zwei Unterabschnitte zerlegt, ein Verhalten, welches anscheinend für den weiteren Verlauf der Vorgänge ohne Bedeutung ist. Der ganze längsgespaltene Faden ist also dann vorübergehend in vier Abschnitte zerlegt, die vier Segmente behalten aber ihre ursprüngliche Anordnung gewöhnlich nicht bei, sondern zeigen Verlagerungen und Ueberschiebungen ver- schiedener Art (Fig. 27—29). Gleichzeitig mit dem Schwund des Kerneonturs und der Nucleolen tritt nunmehr als normaler Vorgang der Durchbruch des Hufeisens an der Umbiegungsstelle ein. Es entsteht auf diese Weise eine Gruppe von vier Stäbehen, von denen je zwei sieh dureh ihre engere Nachbarschaft als Schwesterelemente ausweisen (Fig. 30ff.). Bei schwächerer Vergrösserung sind häufig alle vier Stäbehen auf einmal wahrnehmbar (Fig. 33b), für gewöhnlich kommen dagegen nur zwei oder drei gleichzeitig zur Ansicht (Fig. 33a). Am besten tritt übrigens ihre gegenseitige Lagerung auf Schnitten hervor, welche die chromatische Figur senkrecht zu ihrer Längsrichtung getroffen haben: auf solchen Querschnitts- bildern (Fig. 34) ist die paarweise Zusammengehörigkeit der Stäbehen oder besser Halbbänder auf’s Deutlichste zu erkennen. Wenn man das Schicksal der chromatischen Substanz bis hierher verfolgt hat, so könnte man auf den Gedanken kommen, dass es sich hier um Verdichtung. derselben zu einer einzigen Vierergruppe handle und dass die vier Einzelstäbchen derselben die eigentlichen Einheiten der beiden Theilungsprocesse darstellen. Dies letztere konnte nun allerdings, wie ich zeigen werde, in keinem Fall festgestellt werden. Immerhin ist die Möglichkeit, dass dies in gewissen Fällen eintritt, nach meinen Präparaten nicht vollkommen auszuschliessen und man ist zum mindesten bereehtigt, hier von einer Tendenz zur Bildung einer einzigen Vierergruppe zu sprechen. Ich möchte die vorliegende ehromatische Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45. 15 216 Valentin Häcker: Figur im Folgenden der Kürze halber als „provisorische Vierer- gruppe* oder auch als „Vierergruppengerüst“ bezeichnen. Was das Verhalten der Nueleolen während der eben ge- schilderten Phase anbelangt, so hat sieh (Fig. 24—29) der Haupt- nucleolus unter Vacuolenbildung allmählich verkleinert, während gleichzeitig einige unregelmässig geformte, meist weniger stark tingirbare Nebennucleolen auftreten (Fig. 26, 28; Ta, Fig.T, 8). Aus der grossen Zahl von Bildern, welehe mir aus den nun folgenden Stadien vorliegen, habe ich einige wenige aus- gewählt, welche den jetzt einsetzenden Segmentirungs- process in besonders instruktiver Weise vor Augen führen. Die früher hervortretende Neigung der vier Stäbe, in der Mitte durehzubrechen (Fig. 27— 29), scheint nunmehr aufgegeben zu sein und der Durchbruch erfolgt zunächst an ganz anderen Stellen. In zahlreiehen Bildern (vgl. Fig. 30 und 31, sowie Ta, Fig. 15) ist eine anfängliche Zerlegung der Stäbe in je drei Abschnitte zu bemerken, sehr bald aber zerfällt jeder derselben in zwei weitere Unterabtheilungen, und nunmehr sind auf jedem der vier Stäbe sechs höckerartige Chromatinansammlungen zu bemerken (oberstes Stäbehen in Fig. 31; Fig. 32). Bei Anwendung starker Systeme gewahrt man des ferneren, dass jeder dieser Chromatin- höcker später selbst wieder in zwei Unterelemente zerfällt (Fig. 35a)'!). Auch diese letzteren Verhältnisse sind mir schon bei meiner ersten Untersuchung zu Gesicht gekommen (7a, Fig. 16 und 18), ich konnte aber damals nicht zum richtigen Verständniss ihrer Bedeutung gelangen, da mir die Genese der provisorischen Vierergruppe unbekannt geblieben war. Die Bedeutung aller soeben beschriebenen Vorgänge tritt sofort aufs Unzweideutigste hervor, wenn man die Verhältnisse bei eben austretenden Eiern (Fig. 35) untersucht. Conservirt man Weibehen während der Bildung des Eisäckchens, so liefert der Rest der Ovidukteier Bilder, welche über das Schicksal der provisorischen Vierergruppe Aufschluss geben. Wir haben gesehen, dass jedes der vier Einzelstäbehen sechs Paar von Chromatin- höckern aufweist (Fig. 33a). Nun liegen aber je zwei Schwester- 1) Es darf der oben beschriebene Process wohl als ein typisches Beispiel für eine successive Segmentirung gelten. Bei den auf- einander folgenden Theilungsschritten treten, wie das Uebersichts- bild (Fig. 66) zeigt, der Reihe nach die Divisoren 2, 3, 2, 2 auf. Die Vorstadien der Eireifung. 217 stäbe dieht bei einander und von je zwei Stäbchen stehen also die Chromatinhöckerpaare, um einen bildlichen Ausdruck zu ge- brauchen, genau „auf Deckung“ (vgl. die schematische Fig. 66 D). Da ferner die beiden Schwesterstäbe durch Längsspaltung eines Myntterfadenabschnittes entstanden sind, so sind also auch Je zwei auf Deckung stehende Chromatinhöckerpaare „Schwester- elemente“ und bilden also miteinander eine Gruppe von vier Ein- heiten, welche in ihrer Zusammensetzung genau der Vierergruppe des ersten Eireifungsmodus entspricht. In der That sieht man an den im Austritt begriffenen Eiern, wie sich jeder Schenkel des ursprünglichen Hufeisensin jesechsVierer- gruppen auflöst (Fig. 35a und 36). Ich bin in der Lage, auch bezüglich dieser Phase auf ein früher gegebenes Bild 7a, Fig. 19a, verweisen zu können, in welchem freilich die Maass- verhältnisse nicht in vollkommen richtiger Weise zur Darstellung gelangt sind. | Neben solehen Bildern, welche den eben erwähnten Auf- lösungsprocess in seinen einzelnen Fortschritten zur Anschauung bringen, fehlen in den Ovidukteiern auch solche nicht, in welchen die Lösung des Verbandes eine endgültige geworden ist und die Vierergruppen in unregelmässiger Gruppirung in dem bedeutend reduzirten Kernplasma liegen. Freilich sind in Folge der diehten Zusammendrängung der Elemente und des hohen Grades von Tingirbarkeit, welcher in diesem Stadium dem Kernplasma zu- kommt, stets nur einzelne Vierergruppen als solche deutlich von ihren Nach barelementen zu unterscheiden (Fig. 37 und 38), aber an der Bedeutung des ganzen Bildes kann kein Zweifel sein, um- soweniger, als auch in den bereits abgelegten Eiern das Chromatin des Eikerns (Fig. 40) häufig noch dieselbe Beschaffenheit zeigt. Es schliesst also die ganze Reihe der im Ovidukt sich ab- spielenden Vorgänge mit der Bildung von zwölf Vierer- gruppen ab, welche in unregelmässiger Gruppirung in dem stark reduzirten Kernplasma gelagert sind. Das Resultat ist also schliesslich das nämliche, wie bei dem ersten Eireifungsmodus, nur wird dasselbe durch einen um- ständlicheren und, wie ich glaube aussprechen zu dürfen, längere Zeit in Anspruch nehmenden Process erzielt. Wie ich bereits oben angedeutet habe, kann man sich bei Betrachtung desselben dem Eindruck nicht entziehen, dass hier gewissermaassen der 218 Valentin Häcker: Versuch gemacht wird, das gesammte Chromatin m einer einzigen Vierergruppe zu concentriren. Wenn man berücksichtigt, dass das Auftreten einer einzigen Vierergruppe bereits in drei verschiedenen Ordnungen von Würmern, nämlich bei einem Nematoden (Ascaris megalocephala univalens), bei einem Acanthocephalen (Echinorhynehus) ') und bei einer Polychäte (Ophryotrocha) ?) beobachtet worden ist, so wird man wohl annehmen dürfen, dass in dieser Concentrirung irgend etwas Vortheilhaftes gelegen ist. Von diesem Gesichtspunkte aus liesse sich vielleieht die Bildung der „provisorischen Vierergruppe“ bei Canthocamptus als ein phylogenetischer Neuerwerb verstehen. 9 2.Bbıldune der.Richtuneskörper. Es wurde bereits erwähnt, dass das Stadium, in welchem die Reifungsvorgänge ihren Abschluss finden und die Copulation der. Geschlechtskerne vor sich geht, jeder Zeit und in beliebiger Anzahl zu erhalten ist. Wenn man nämlich eine Anzahl von Weibehen, deren Ovidukte ihre grösste Ausdehnung erlangt haben, absondert, so kann man aus einer solchen Zucht während der ersten Vormittagsstunden der folgenden Tage Weibchen mit frisch gebildeten Eisäcken mit Regelmässigkeit entnehmen. Trotzdem wird die Untersuchung der betreffenden Stadien durch einen Umstand bedeutend erschwert. In den Eiern von Canthocamptus spielen sich nämlich unmittelbar nach der Ablage gewisse chemische Veränderungen ab, welche einen charakteristischen Wechsel in dem Vermögen, Metallsalze zu reduziren und Farb- stoffe aufzunehmen, mit sich bringen. Diese Verhältnisse sollen an der Hand der Fig. 55, welche einen Schnitt durch ein in der Bildung des Eisackes begriffenes Weibchen darstellt, in Kurzem geschildert werden. Zur Conservirung meines Materials hatte ich schliesslich nur noch verschiedene Osmiumgemische angewandt, vor Allem Platin- ehlorid-Osmiumpikrinessigsäure in der Eingangs erwähnten Zu- sammensetzung. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass diese 1) J. Kaiser, Die Acanthocephalen und ihre Entwicklung. Bibl. Zool. 7. Heft, 1892. 2) E. Korschelt, Ueber Ophryotrocha puerilis u. s. w. Zeitschr. f. wiss. Zool. 54. Bd., 1893, p. 263. Die Vorstadien der Eireifung. 219 Mischung die feineren Strukturverhältnisse des Chromatins — und auf diese kam es mir vor allem an — viel besser und sicherer zu Tage brachte, als andere Flüssigkeiten, vor allem der bei meiner ersten Untersuchung angewandte heisse Sublimat-Alkohol. Zur Färbung der Schnitte wurden verschiedene Hämatoxyline angewandt (Böhmer’ und Delafield’'s Hämatoxylin, P. Mayer’s Hämalaun). Bei dieser Methode nehmen die in den Ovidukten befind- lichen Eier (Fig. 35, 0) eine dunkelblaue Gesammtfärbung an, welche auf einer bedeutenden Tinktionsfähigkeit der Dotterkörner und des Kernplasmas beruht. Das Grundplasma der Eizelle bleibt ungefärbt. Die jüngsten der ausgetretenen Eier (Fig. 35, j), welche bei ihrem Austritt eine bedeutende Grössenverminderung erfahren, weisen ein davon ganz verschiedenes Verhalten auf. Hier ist das Grundplasma je nach der relativen Dauer der Einwirkung einer- seits der Conservirungs-, andererseits der Färbungsmittel schwärzlieh- gelb (Fig. 35) bis dunkelviolett (Fig. 39) tingirt, dagegen bleiben die Dotterschollen ungefärbt !). Später tritt dann ein abermaliger Wechsel ein (Fig. 35, @): sobald die beiden Geschlechtskerne sich einander zu nähern be- ginnen, tritt wieder in beinahe unvermittelter Weise eine Blau- färbung der Dotterkörner und eine Wiederherstellung des ursprüng- lichen indifferenten Verhaltens des Grundplasmas ein, so dass die Eier als solche in jüngeren Stadien wieder einen dunkelblauen, in älteren einen lichtblauen Ton erhalten. Man könnte daran denken, diesen Wechsel im chemischen Ver- halten des austretenden Eies mit den Athmungsprocessen in Zusammen- hang zu bringen. Die eben ausgetretenen Eier, welche die Athmung noch nicht begonnen haben, würden darnach besonders sauerstoff- empfänglich sein und daher die Metallsalze in höherem Maasse redu- ziren. Bei eintretender Athmung würden dagegen die oxydations- bedürftigen Eisubstanzen durch den im Wasser befindiichen freien Sauerstoff gesättigt werden. Auch am lebenden Objekt lässt sich ein Wechsel der Färbung 1) Bei kräftiger Einwirkung der Osmiumgemische treten in vielen Fällen (Fig. 39) neben den weiss gebliebenen Dotterschollen in einer be- stimmten Zone des Eies schwarz gefärbte Kugeln auf, welche vermuth- lich als öl- oder fettartige Bestandtheile aufzufassen sind. In diesem Verhalten zeigen aber die Eisäcke der verschiedenen Individuen nicht unbeträchtliche Abweichungen. 220 Valentin Häcker: in den abgelegten Eiern beobachten. Jurinel) giebt darüber fol- gendes an: „Immediatement apres la ponte ces oeufs sont noirätres?); ils deviennent ensuite d’un gris bleuätre, et quand ils sont pres d’eclore ils prennent une teinte rose.“ Ich konnte dies in vielen Fällen be- stätigen, habe jedoch auch Abweichungen gefunden, deren biologische Bedeutung ich bis jetzt nicht ermitteln konnte. Dass übrigens dieser von Jurine geschilderte Färbungswechsel nicht mit dem eben be- sprochenen verschiedenen Verhalten gegenüber den Conservirungs- und Färbungsmitteln parallel läuft, geht schon daraus hervor, dass noch im Vier- und Achtzellenstadium die lebenden Eier häufig tief- schwarz sind. Die für unsere Frage entscheidenden Stadien, in welchen die Bildung der Riehtungskörper erfolgt, fallen nun gerade in die Zeit, in weleher gewöhnlich die Schwärzung der Eier durch die Metallsalze und ihre Färbung durch Hämatoxyline am intensivsten ist, und so war es in den meisten Fällen bei der Kleinheit der Objekte nicht möglich, sichere und zur Wiedergabe geeignete Bilder zu bekommen. Dennoch gelang es, die Stadien der Richtungskörperbildung mit wünschenswerther Klarheit zu erlangen. Dies war bei solchen Eisäcken der Fall, deren Eier — bei gleicher Behandlung — jene intensive Schwärzung nicht aufwiesen, sondern, trotzdem sie gleichfalls frisch ausgetreten waren, eine lichtblaue Färbung zeigten. Es liegt hier, namentlich auch im Hinblick auf den zweifachen Reifungsmodus und mit Rücksicht auf andere Verschiedenheiten der Verdacht sehr nahe, dass es sich hier um eine tiefgreifende biologische Verschiedenheit im Verhalten der Eier handle, aber ich möchte, da mir noch aus dem grössten Theil des Jahres das Vergleichsmaterial fehlt, in dieser Richtung noch keine Ver- muthung aufstellen. °) 1) Jurine, L., Histoire des Monocles. Geneve et Paris 1820, p. 80. 2) Im durchgehenden Licht. 3) Nach meinen bisherigen Erfahrungen würden vielleicht fol- gende Erscheinungen mit einander in Beziehung gebracht werden können: I. Direkter Eireifungsmodus (Bildung der zwölf Vierergruppen durch einfache Spaltung des Doppelfadens); geringes Reduktions- und Färbungsvermögen der eben austretenden Eier; häufiges Vorkom- men unbefruchteter Eier. I. Indirekter Eireifungsmodus (Bildung einer provisorischen Die Vorstadien der Eireifung. 221 Für unsere Zweeke kann diese Verschiedenheit zunächst ausser Betracht gelassen werden, da aus den Ausführungen des vorigen Kapitels hervorgeht, dass beide Eireifungsmodi, sowohl der direkte als der indirekte, zu demselben Endergebiss, nämlich zur Bildung von zwölf Vierergruppen führen. Es kann daher wohl auch nicht eim wesentlich verschiedenes Verhalten der chromatischen Substanz, wenigstens bei der Bildung desersten Riehtungskörpers, angenommen werden. Wenn sich daher für den einen Fall zeigen lässt, dass die Vierergruppen dabei die für andere Objekte festgestellte Rolle spielen, so wird dies zweifellos auch für den zweiten Fall Geltung haben. Die Figuren 43ff. stellen das Verhalten der ehromatischen Substanz während der Bildung des ersten Riechtungskörpers dar. Die Eier des in Figur 43 abgebildeten Eisacks enthalten ausser der Theilungsfigur einen runden, bläschenförmigen Körper, der sich in verschiedener Entfernung von der ersteren befindet (m). Obwohl nun das betreffende Weibchen einen Spermatophor führte und daher zu erwarten war, dass die Eier befruchtet sind, trage ich doch Bedenken, gerade diesen Körper als den Spermakern zu betrachten. Sein ganzer Habitus weist vielmehr darauf hin, dass hier eines jener vielfach be- schriebenen, mehr oder weniger räthselhaften paranucleären Gebilde vorliegt. Speziell mit der sogenannten „Paracopulationszelle“ im Win- terei der Daphniden besitzt dieser Körper eine grosse Aehnlichkeit, und so möchte ich ihn denn vorläufig als „Metanucleolus“ betrachten, d. h. als Residuum des Hauptnucleolus, welches aus irgend welchen Gründen in diesem Fall der Auflösung entgangen ist. Was den wirk- lichen Spermakern anbelangt, so ist anzunehmen, dass hier aus be- sonderen Gründen eine Befruchtung nicht stattgefunden hat oder aber dass derselbe in diesem Stadium eine so geringe Grösse und ein so geringes Färbungsvermögen besitzt, dass er sich dem Blicke entzieht. In dem betreffenden Eisack treten zunächst Bilder (Fig. 45 und 46) auf, welche sich an die zuletzt geschilderten Phasen des ersten Eireifungsmodus (Fig. 15—15) direkt anschliessen. Das Keimbläschen hat sich, wie die bei gleicher Vergrösserung gezeichneten Figuren 44a und b zeigen, bedeutend verkleinert, ein Kernkörper ist nicht mehr vorhanden. Ob der Hauptnueleolus schliesslich als „Metanueleolus“ ausgetreten ist, lässt sich nicht Vierergruppe); starkes Reduktions- und Färbungsvermögen der eben austretenden Eier; regelmässiges Eintreten der Befruchtung. 222 Valentin Häcker: mit Sicherheit ermitteln, jedenfalls habe ich bis jetzt in keinem andern Eisack Vorkommnisse gefunden, welche diese Annahme zu stützen im Stande wären. Im Keimbläschen bemerkt man (Fig. 45 und 46) zwölf quergetheilte Vierergruppen, welche sich von den in Fig. 13—15 dargestellten Gebilden ableiten lassen und an die von Rückert für Cyelops strenuus beschriebenen erinnern. Dieselben zeigen, ehe sie sich zur Aequatorialplatte zusammenschliessen, vielfach (vergl. Fig. 46) eine Anordnung in zwei Gruppen, in ähnlicher Weise, wie sie nach Rückert (13e, p. 303, Fig. 12—15) bei Cyelops strenuus vorkommt !). Die Aequatorialplatte der ersten Richtungsspindel ist in Polansicht in Fig. 47 und 48 dargestellt. Die zwölf Vierer- gruppen haben sich so eingestellt, dass die Verbindungsebene der vier nunmehr kugeligen Elemente im Allgemeinen senkrecht zur Aequatorebene steht. Von den Vierergruppen ist daher meistens nur je eine Kante in Gestalt von zwei nebeneinander- liegenden Pünktehen zu sehen, nnd nur einige wenige Elemente bieten sich in schiefer Ansicht dar (Fig. 47). Deutlich tritt da- gegen ihre Zusammensetzung bei der Seitenansicht der Aequatorial- platte hervor, namentlich in solchen Anschnittbildern, welche nur einen Theil der Aequatorialplatte enthalten (Fig. 49 und 50). 1) Im Hinblick auf diese übereinstimmenden Bilder möchte ich mich in einem Punkte mit Rückert's Kritik für einverstanden er- klären. Rückert hat meine von Cyclops signatus herrührenden Bilder, die ich als erste Richtungsspindel gedeutet habe, als Vor- stadien der Reifungstheilungen aufgefasst (13c, p. 330; 13d, p. 539). Ich glaube dieser Auffassung beipflichten zu sollen, muss aber be- merken, dass auf den mir vorliegenden Präparaten die zu erwartende Viertheiligkeit der Doppelstäbe noch nicht hervortritt (vgl. Rückert, 13c, p. 331 unten). Die Deutung meiner eigenen Befunde bei Cyclops strenuus wird im Uebrigen, wie ich unten zeigen werde, dadurch nicht alterirt. Man wird es vielleicht mit Rücksicht auf den damaligen Stand der ganzen Frage entschuldigen, dass ich bei meinen ersten Unter- suchungen die bei zwei verschiedenen Arten auftretenden Bilder ohne Weiteres vergleichen zu dürfen glaubte. Ich legte damals mehr Werth auf Uebereinstimmungen biologischer Natur (verzögerte oder beschleunigte Ovogenese), als auf die Artgleichheit. Nach den neuesten Ergebnissen ist aber die gemeinschaftliche Behandlung zweier, wenn auch noch so nahverwandter Species nicht mehr ausreichend, da so- gar innerhalb einer und derselben Species in Einzelheiten Verschieden- heiten auftreten. Die Vorstadien der Eireifung. 223 Der Verkleinerungsprocess, welcher die Viererstäbchen all- mählich in Viererkugeln umgewandelt hat (vgl. Fig. 46 und 47), scheint bis unmittelbar zum Beginn der dieentrischen Wanderung anzuhalten. Denn die auseinanderrückenden Zweiergruppen sind zu einer ausserordentlich geringen Grösse zusammengeschrumpft (Fig. 51 und 52), so dass ihre Zusammensetzung bei Seitenansicht der Spindel nieht immer hervortritt!). Dagegen ist ihre Zwölfzahl auch jetzt nachzuweisen: bei oberflächlieher Einstellung lässt nämlich jede der beiden Chromosomenreihen je sechs Zweiergruppen er- kennen (Fig. 51), unter welehen dann bei geringer Senkung des Tubus die übrigen von ihnen verdeckten Elemente hervortreten. Dass es sich hier wirklich um Zweiergruppen handelt, geht auch aus Polansichten hervor: so zeigt die einem andern Eisack ent- nommene Figur 55 einen etwas weiter fortgeschrittenen Dyaster, in welchem einzelne Elemente die typische Hantelform aufweisen. Während die Spindel aus der ovalen in eine mehr längliche Gestalt übergeht und eine Scheidewand zwischen den beiden Toehterkernen auftritt?), rücken die Chromosomen gegen die Pole der Spindel (Fig. 53), um dann später wieder, unter gleich- zeitiger Abrundung der Tochterkerne, in der Mitte derselben zur Bildung zweier neuer Aequatorialplatten zurückzukehren (Fig. 54). Schon beim Auseinanderrücken der Elemente liegt der längere Durchmesser derselben parallel zur Spindelaxe (Fig. 51—53.) An dieses Stadium, welches das älteste in dem in Fig. 43 abgebildeten Eisack ist, schliessen sich nun unmittelbar Bilder aus einem andern Säckchen an, dessen Eier, wie hier voraus- geschiekt werden soll, weder einen „Metanueleolus“, noch einen Spermakern zu enthalten scheinen. Die Fig. 56 gibt das eben beschriebene Doppel-Asterstadium unter besonders günstigen Ver- hältnissen wieder: Die Doppel-Asterfigur ist, was auch bei den später zu beschreibenden Doppeldyastern nicht selten der Fall ist, etwas gekrümmt, so dass die eine Aequatorialplatte in Polansicht, die andere fast ganz in Seitenansicht zu sehen ist. Beide Chromosomen- gruppen zeigen so deutlich, als dies überhaupt bei der Kleinheit 1) In den Fig. 51 und 52 sind die hantelförmigen Zweiergruppen etwas zu. gross ausgefallen (vergl. Fig. 53). 2) Der Zeitpunkt, in welchem die Kernscheidewand deutlich zu erkennen ist, ist augenscheinlich nicht immer der nämliche. Vergl. Fig. 51—52 mit 53. 294 Valentin Häcker: der Verhältnisse erwartet werden kann, dass die hantelförmigen Zweiergruppen mit ihrer Längsaxe senkrecht zum Aequator stehen. Die dem ersten Richtungskörper zugehörende Gruppe lässt ausser- dem die Zwölfzahl der Doppelelemente hervortreten. In den meisten andern Eiern dieses Säckchens treten Doppeldyasterfiguren in verschiedenen Phasen auf (Fig. 57—59). Dieselben leiten sich ohne Weiteres aus dem in Fig. 54 und 56 dargestellten Doppel- Asterstadium ab und wir sehen also, dass, während Eikern und erster Richtungskörper noch dieht nebeneinander gelagert sind, beide sich gleichzeitig und in vollkommen gleicher Weise theilen ?). Vielfach ist die ganze Figur so gelagert, dass ihre Längs- axe, d. h. die Verbindungslinie der vier Chromosomengruppen noch parallel zur Eioberfläche liegt (Fig. 57). Annähernd gleich oft steht aber die Längsaxe der Figur schief oder senkrecht zur Eioberfläche (Fig. 58) und es scheint also, dass hier die Drehung der Theilungsfigur aus der tangentialen in die radiäre Lage häufig erst im Doppeldyasterstadium erfolgt, also nicht, wie das bei andern Objekten Zu sein pflegt, schon während der ersten Theilung. In dem in Fig. 58 abgebildeten Fall ist, wenigstens in den beiden mittleren Chromosomengruppen, die Zwölfzahl der je zu einer Gruppe gehörigen Elemente auf's deutlichste zu erkennen: bei hoher Einstellung treten in jeder Reihe im Allgemeinen sechs Chromosomen hervor, welche beim Senken des Tubus sechs anderen Platz machen. Dieselben haben jetzt die Form kurzer Stäbehen, wodureh sie sich als einwerthige Elemente erweisen. Die Figur 59 zeigt sodann die endgültige Abschnürung des ersten Richtungskörpers. In den meisten Fällen dürften sich die beiden Abkömmlinge des letzteren später mit dem zweiten Rich- tnngskörper zu einem einzigen Gebilde vereimigen. Ich habe wenigstens im Copulationsstadium meistens nur einen einzigen Körper innerhalb der dünnen Eimembran liegen sehen und ebenso tritt in den späteren Furchungsstadien nur ein „Richtungskörper“ ins Innere des Eies. Ich erwähne hier noch ein in mehreren Eisäcken beob- achtetes Vorkommen. Es handelt sich um eine Art Hyper- trophie des aus drei Bestandtheilen zusammengesetzten Rich- 1) Ganz ähnliche Doppeldyaster hat Henking in den Eiern von Hymenopteren, nämlich von Rhodites rosae (8b, Fig. 205) und Lasius niger (Fig. 284) gefunden. Die Vorstadien der Eireifung. 225 tungskörpers und, offenbar im Zusammenhang damit, um eine verfrühte Wanderung desselben ins Innere des Eies. Die Fig. 61—63 illustriren diese Vorgänge: Der zusammengesetzte Rich- tungskörper zeigt im Verhältniss zu den beiden Geschleehtskernen ein starkes Färbungsvermögen, in seinem Innern tritt ein kug- liger, liehter gefärbter Fleck auf und um letzteren herum finden sich dunkle Körnehen vor, welche wohl nur als die Reste der Chromosomen gedeutet werden können. In Fig. 61 ist das Ge- bilde noch an der Peripherie des Eies zu sehen, in Fig. 62 und 63 hat es sich zwischen die beiden Geschlechtskerne hereingedrängt. Dieses nicht seltene Vorkommniss, welches im Uebrigen wohl schwerlich als ganz normal betrachtet werden darf, scheint mir desshalb von Interesse zu sein, weil es ein Beweis dafür ist, dass „paranucleäre* Körper von ganz verschiedener Abkunft dennoch ein annähernd gleiches Aussehen haben können. Ich habe schon früher auf diesen Umstand, welcher vielleicht bei der Aufstellung der verschiedenen Ansichten über die genannten Körper (Dotterkern, Nebenkern, Sphäre, Metanucleolus, Paracopulations- zelle) nicht immer genügend in Betracht gezogen worden ist, hingewiesen (Keimbläschen II, p. 300, Anm.). Hier scheint mir aber ein besonders bedeutsamer Fall vorzuliegen. Der eben be- schriebene hypertrophische „Richtungskörper“, dessen Deutung als solcher wohl nicht zweifelhaft sein kann, hat eine grosse Aehnlichkeit mit gewissen Erscheinungsformen der „Paracopulations- zelle* im Daphniden-Ei. Ich habe dieselbe früher !), in Er- gänzung der Angaben von Weismann und Ischikawa, in folgender Weise beschrieben: „Entweder besteht die Kugel zum grossen Theil aus färbbarer Substanz, welche eine grössere Anzahl von „Vakuolen“ in sich schliesst. Die Maschen der färb- baren Substanz, durch welche die Vakuolen von einander ge- trennt werden, sind häufig noch mit dunkleren Körnchen besetzt. Nicht selten tritt aber an Stelle der kleineren Vakuolen eine grosse, kuglig oder unregelmässig geformte auf, welche von einer aus färbbarer Substanz sich zusammensetzenden „Vakuolenrinde* umschlossen wird. Die dunklen Körnchen, welche in den Maschen der färbbaren Substanz lagen, scheinen nunmehr die Innenseite der Vakuolenrinde in mehr oder weniger naBevel, Die Furchung des Eies von Aequorea forskalea. Arch. f, mikr. Anat. 40. Bd. 1892. p. 257. 226 Valentin Häcker: kontinuirlicher Schicht zu bekleiden.“ An die zuletzt beschriebene Form der „Paracopulationszelle* (vgl. die Abbildungen bei Weismann und Iscehikawa) wird man bei Betrachtung des zusammengesetzten Richtungskörpers lebhaft erinnert und dennoch können die beiden Gebilde nieht homologisirt werden, denn die Paracopulationszelle tritt, wie schon Weismann und Ischikawa gezeigt haben, bereits während der Bildung der Riehtungskörper auf, steht also mit diesen in keinem näheren Zusammenhang. Blicken wir nunmehr auf die Vorgänge der Richtungskörper- bildung zurück, so stellt sich freilich heraus, dass das Material für die Frage nach der Vertheilungsart der Vierergruppen nur ein bedingt günstiges ist. Immerhin konnten in den Dyastern der ersten Theilung die Zweiergruppen nachgewiesen werden und ebenso trat auch ihre Einstellung senkrecht zu den Aequator- ebenen der zweiten Theilung hervor (Fig. 54). Wenn die Bilder also auch nicht die Vertheilung der Vierergruppen in allen Einzelheiten zur Anschauung bringen, so fügen sie sich doch sehr gut in das von günstigeren Objekten her bekannte Ver- theilungsschema ein und stellen in den genannten Punkten einen kleinen Fortschritt gegenüber den Ergebnissen von Rückert dar, der bei seinen Objekten nur bis zur Aequatorialplatte der ersten Richtungsspindel gelangte. Andrerseits gelang es mir freilich bei der Kleinheit der Verhältnisse nicht, den von Rückert für seine Objekte erbrachten Nachweis auch für Canthocamptus zu führen, dass in der ersten Theilungsfigur die Vierergruppen sich so einstellen, dass der Längsspalt in die Ebene des Aequators zu liegen kommt. Das Eindringen des Spermakerns muss erst während des Eiaustritts erfolgen und nicht, wie dies z. B. bei dem pelagischen Diaptomus graeilis der Fall ist, schon im Ovidukte. Bei dem eben erwähnten Calaniden, welcher in jedem der Ovidukte ge- wöhnlieh nur drei Eier führt, kommt das Spermatozoon dem Ei durch den ganzen Ovidukt entgegen, und es mag hier der Um- stand erwähnt werden, dass die befruchtete Eizelle bereits im Ovidukt eine Volumverminderung und kuglige Zusammenballung zeigt !). 1) Die Figur 42 stellt das Ovarium ov und einen der Ovidukte von Diaptomus gracilis in einer der Figur 1 entsprechenden Orien- Die Vorstadien der Eireifung. 227 Die eopulirenden Geschlechtskerne bieten bei Canthocamptus die gewöhnlichen Bilder dar (Fig. 41 (); Fig. 60; Fig. 61—63). Die erste Furchungsspindel ist mir bis jetzt nieht zu Gesicht gekommen, dagegen mehrfach die folgenden Theilungsschritte. Ich füge noch hinzu, dass ich bei letzteren wiederholt die Dyaster aufdieChromosomenzahl untersuchte. Ich konnte z.B. in dem Dyaster eines Vierzellenstadiums (Fig. 64) wenigstens auf der einen Seite zwölf Chromosomen zählen (vier davon treten in der Figur isolirt hervor). In vielen anderen Fällen konnte zum mindesten gesagt werden, dass es unmöglich sechs oder vierundzwanzig sein können, dass es sich also höchstwahrscheinlich um zwölf handeln muss. Es würde also hier scheinbar noch die „reduzirte* Anzahl von Chromosomen auftreten. Es konnte aber stets wenigstens für einige Chromosomen nachgewiesen werden, dass dieselben die Gestalt von Doppelstäbcehen besitzen. Ich möchte also annehmen, dass hier diejenige Form einer plurivalenten (bivalenten) Theilung vorliegt, bei welcher anfangs je zwei Elemente zu Doppelelementen vereinigt bleiben, die letzteren aber spätestens im Dyaster eine nach- trägliche Zerlegung (Metalyse) in ihre Einheiten erfahren (7b, 30). Es wäre mir sehr interessant gewesen, zu ermitteln, ob sich etwa dieser Kerntheilungstypus in direkter Descendenz biz zur Bildung der beiden Urgeschlechtszellen verfolgen liesse. Leider waren aber in allen Eisäcken, welche die Einwanderung der letzteren in der für das Copepoden-Ei bekannten Weise zeigten, die Kerne der beiden Zellen bereits im Ruhestadium (Fig. 65 ug). Sie zeichnen sich im Uebrigen in der für Cyelops beschriebenen Weise, vor Allem durch ihre Grösse, durch ihre geringe Tingir- barkeit und die lockere Beschaffenheit des Chromatingerüstes gegenüber den Blastodermkernen aus. II. Vergleich der Vorstadien der Eireifung bei Wirbellosen nnd Wirbelthieren. Schon in den früheren Phasen der Geschlechtszellen-Reifung wird die Bildung der spezifischen Elemente der ersten Reifungs- tirung dar. In allen drei Oivdukteiern erblickt man ausser der Aequa- torialplatte der ersten Richtungsspindel rsp den bläschenförmigen Spermakern sp, der ungefähr den gleichen Entwicklungsgrad zeigt, wie der in Figur 41 abgebildete Spermakern von Canthocamptus. An der Peripherie der drei Ovidukteier sind die Kerne des Ovidukt- epithels ep wahrzunehmen. 228 Valentin Häcker: theilung, der Vierergruppen, durch das besondere Verhalten der Kernsubstanzen eingeleitet. Es lohnt sich vielleicht, einen vor- läufigen Versuch zu machen, die in den verschiedenen Beob- achtungsreihen hervortretenden gemeinsamen Züge zusammenzu- fassen. Dabei möchte ich aber zunächst im Allgemeinen nur die auf die Ovogenese bezüglichen Angaben einer vergleichenden Betrachtung unterwerfen: die lange Dauer des Keimbläschen- stadiums, die lebhafte vegetative Thätigkeit der Eizelle während dieser Periode, die Wanderung des Kerns an die Ei- Oberfläche und die Ungleiehwerthigkeit der Theilprodukte verleihen der Ei- mutterzelle gegenüber der Samenmutterzelle ein besonderes Ge- präge, so dass trotz aller sonstigen kerngeschichtlichen Homo- logien eine vorläufige Auseinanderhaltung gerechtfertigt ist. Aus den älteren, für die Kenntniss der Reifungserschei- nungen grundlegenden Arbeiten von van Beneden, Garnoy, Boveri ist im dieser Richtung wenig zu entnehmen, da der Schwerpunkt dieser Untersuchungen in der Bildung der Rich- tungskörper selbst lag. Auch die zahlreichen anderen Arbeiten, welche speziell Ascaris zum Gegenstand haben, liefern schon aus dem Grunde nicht viel Vergleichspunkte, weil bei Ascaris, wie Boveri zugegeben und auch Rückert (für die Spermato- genese) neuestens betont hat, die Vorstadien im weniger günstiger und übersichtlicher Weise zur Darstellung kommen. Eine etwas reichere, wenn auch nicht eben leicht auszubeutende Fundgrube bilden die ausgedehnten Untersuchungen Henking's über die Ei- reifung der Insekten. Verhältnissmässig nur wenige Beobachtungsreihen liegen aber vor, in welchen die Veränderungen der chromatischen und nucleolären Substanz von den Theilungen der Ureizellen an bis zum Beginn der Reifungsphase Schritt für Schritt verfolgt worden sind. Ausser den an Copepoden angestellten Untersuchungen sind vor Allem die Angaben Rückert’s über das Selachier- Keimbläschen zu berücksichtigen und es zeigt sich dabei, dass auch bezüglich der Vorstadien der Reifung innerhalb weiter Ge- biete des Thierreichs ein enger Parallelismus besteht. Wichtig sind ferner die neuen Untersuchungen Born's über das Triton-Ei, denn auch sie sind ein Beweis dafür, dass die Grenze zwischen dem Gebiet der Wirbellosen und dem der Wirbelthiere, welche Die Vorstadien der Eireifung. 229 sich manche anatomische Autoren bezüglich kerngeschichtlicher Fragen stecken zu dürfen glauben, nur eine künstliche ist. 1. Doppelfadenstruktur des Keimbläschens. Aus der grossen Uebereinstimmung der Befunde emerseits bei Copepoden, andererseits bei Selachiern war schon mit grosser Wahrscheinlichkeit zu entnehmen, dass das frühzeitige Auftreten der Doppelfadenstruktur und ihr Fortbestand während des ganzen Keimbläschenstadiums jedenfalls eine weit verbreitete Erschei- nung sein müsse. Ich konnte denn auch bei anderen Entomo- straken, sowie bei Echimus (Te, p. 467) Bilder finden, welche, allerdings nicht mit der bei den Copepoden auftretenden Deut- lichkeit, auf eine frühzeitige Längsspaltung des Chromatinfadens hinweisen. Ob auch hier, wie dies bei den erstgenannten Formen der Fall ist, diese Längsspaltung bis auf die Dyaster bezw. die dichten Tochterknäuel der letzten Theilung der Ur- eizellen zurückgeht, konnte nicht ermittelt werden. Jedenfalls ist der Umstand, dass in den bisher genauer unter- suchten Fällen eine Vertheilung der chromatischen Substanz auf ein netzartiges Kerngerüst während des Keimbläschenstadiums nicht vorkommt, beachtenswerth und er scheint mir dies umsomehr zu sein, weil, wenigstens bei Canthocamptus, der letzten Theilung der Ureizellen ein wirkliches „Ruhestadium* vorangeht. Bei der Frage, ob in der Doppelfadenstruktur eine spezi- fische Struktur des Keimbläschenstadiums zu erbliecken ist, sind, so viel ich sehe, zwei Erscheinungen auseinanderzuhalten: der Fortbestand des Knäuels und die frühzeitige Längsspaltung. Erstere Erscheinung dürfte wohl nieht als eine Eigenthüm- lichkeit des Keimbläschens zu betrachten sein. Wenigstens sind uns durch die Untersuchungen von Balbiani, Gilson, van Ge- huchten an verschiedenen Insekten!) Bilder von secernirenden Zellen bekannt geworden, deren Kerne einen offenbar zusammen- 1) Balbiani, E. G., Sur la structure du noyau des cellules salivaires chez les larves de Chironomus. Zool. Anz. 4. Jhrg., 1881. Gilson G., Les glandes odoriferes du Blaps mortisaga et de quelques autres especes. La cellule T. V., 1889. Ders., La soie etles appareils s6rieigeres. La cellule T. VI, 1890. van Gehuchten, A. Recherches histologiques sur l’appareil digestif de la larve de la Ptychoptera contaminata. Ebenda, 230 Valentin Häcker: hängenden Fadenknäuel zeigen; und ich selbst habe in den grossen Kernen des Wimperreifes einer Polychätenlarve (Polyno&) eine Anordnung des Chromatins in langen Fadenzügen beobachtet. Da es sich in den eben genannten Fällen um Zellen von leb- hafter vegetativer Thätigkeit handelt, so muss wohl an die Mög- lichkeit gedacht werden, dass auch im Keimbläschen der Fort- bestand einer knäueligen Struktur des Chromatins in eimer ge- wissen Beziehung zu den vegetativen Leistungen der wachsenden und dotterspeichernden Eizelle steht. Gegen die Richtigkeit dieser Auffassung würde auch der Umstand nicht sprechen, dass zwischen dem Grad der Ausbil- dung der chromatischen Substanz und dem Beginn der Dotter- abscheidung anscheinend keine engeren zeitlichen Beziehungen bestehen. Schon früher (7a, p. 235) habe ich für Cyelops fest- stellen können, dass es für die Dotterabscheidung und das Wachs- thum des Eies unwesentlich ist, bis zu welchem Maasse die Ver- theilung der Chromatinsubstanz fortschreitet, und dass (Te, p. 457) die Dotterabscheidung unter allen Umständen erst beim Uebertritt der Eizellen aus dem Ovarium in die Ovidukte beginnt, einerlei, in welcher speziellen Stufe der Wachsthumsphase sich die Ei- kerne befinden. Auch bei Canthocamptus ist der Beginn der Dotterabscheidung an äussere Bedingungen, d. h. an die Nach- barschaft der Eizellen mit der Darmwandung geknüpft, eine direkte Abhängigkeit von einem bestimmten Zustand der chro- matischen Substanz tritt dagegen in keiner augenfälligen Weise hervor (Fig. 1). Endlich bemerkt auch Born (1, p. 21), dass im Triton-Ei die Ablagerung der Dotterkörner im Eiprotoplasma nur ganz im Allgemeinen der Ausbildung der Keimbläschen- struktur parallel geht. Ich glaube aber, dass dieser Mangel einer strengen zeitlichen Beziehung an und für sich durchaus kein Grund wäre, einen direkten ursächlichen Zusammenhang zwischen Chromatinstruktur und vegetativer Zellthätigkeit auszuschliessen, falls für einen solchen andere Gründe sprechen würden. Man könnte sich nämlich vorstellen, dass die mit der besonderen Chromatinstruktur zusammenhängenden inneren Leistungen der Zelle erst durch den Hinzutritt äusserer Bedingungen aktivirt werden, ebenso wie beispielsweise die definitive Abschnürung des ersten Richtungskörpers in gewissen Fällen zwei Bedingungen zur Voraussetzung hat, den innern Bereitschaftszustand der Kern- Die Vorstadien der Eireifung. 231 substanz und die Wirkung eines äusseren Reizes, welch’ letzterer bei einzelnen Formen durch das eindringende Spermatozoon repräsentirt zu werden scheint (s. unten). Während also der Fortbestand der knäueligen Struktur des Chromatins keine spezifische Eigenthümlichkeit des Keimbläschens zu sein scheint, dürfte das frühzeitige Auftreten der Längs- spaltung anders zu deuten sein. Hier liefert vielleicht die Sperma- togenese einen Schlüssel zum Verständniss.. Bei der Samen- bildung von Salamandra schliesst sich an die letzte Theilung der Ursamenzellen sofort die erste Theilung der Reifungsphase an und im Zusammenhang damit ist die Längsspaltung, welche die Reifungstheilungen einleitet, bereits im Dyaster der letzten Theilung der Ursamenzellen praeformirt (7b, p. 25). Bei solchen Formen aber, deren Samenmutterzellen bis zu einem gewissen Grad Dotter abscheiden, wird der bei Salamandra hervortretende enge Zusammenhang zwischen den beiden Theilungsschritten verwischt und so konnte denn z. B. Brauer (3 b) bei Asecaris eine Continuität der Längsspaltung nicht durchverfolgen !.. Im Hin- blick auf derartige, bei der Spermatogenese auftretende Ver- schiedenheiten könnte man sich vorstellen, dass in den Fällen, in welchen bei der Ovogenese die Längsspaltung auf die letzte Theilung der Ureizellen zurückgreift, gewissermaassen eine phylogenetische Reminiseenz vorliege und dass folglich dieses Vorkommniss auf solehe Formen zurückweise, bei welchen die drei letzten Theilungen auch bei der Eibildung unmittelbar auf einander folgten. 2. Ursprünglicher Zusammenhang der ehro- matischen Fadenschlinge des Keimbläschens. Es handelt sich hier weiter um die Frage, ob der Knäuel, dessen Fortbestand während des Keimbläschenstadiums vorhin er- örtert worden ist, aus einer einzigen zusammenhängenden Faden- schlinge oder aus selbständigen Chromatinportionen besteht. Be- züglich dieses Punktes weichen die Angaben der Autoren noch 1) Es gelten übrigens vielleicht auch hier die Bemerkungen, welche oben (8. 228) ‘bezüglich der Reifungsstadien bei Ascaris ge- macht worden sind. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 16 339 Valentin Häcker: ziemlich weit auseinander. Brauer a, p. 14) nimmt für das Branchipus-Ei an, dass sich in den ersten Stadien der Reifung aus dem Kerngerüst ein einziger zusammenhängender Faden her- vorbildet. Auch Born (1, p. 15) gelangt bezüglich der jungen Keimbläschen des Triton-Eies zu der Ansicht, „dass der Chromatin- faden, der den Knäuel zusammensetzt, vorläufig der Länge nach ungetheilt ist“. Dagegen findet Rückert bei Selachiern (13a, p-. 109) auch in den kleinsten Keimbläschen isolirte, verästelte Chromosomen und verhält sich auch bezüglich des Copepoden- Eies (13c, p.-294) zunächst noch reservirt gegenüber der An- nahme eines unsegmentirten Knäuels }). Dass Rückert bei seinen Copepoden den Zusammenhang der Fadenschlinge nicht feststellen konnte, hängt wohl damit zu- sammen, dass bei den von ihm untersuchten Formen der Seg- mentirungsprocess noch während der körnig-fenfädigen Phasen Platz greift, also in einem Stadium, welches, wie wir gesehen haben, auch bei Canthocamptus für die Entscheidung der Frage nicht geeignet ist. Bei Canthocamptus konnte nun aber beim zweiten Eireifungsmodus, bei welchem die Segmentirung erst nach der Verdiehtung des Fadens einsetzt, mit aller Sicherheit der Nachweis geliefert werden, dass mindestens zu Beginn und im Verlauf des Verdichtungsprocesses wirk- lich ein unsegmentirter Fadenknäuel besteht. Es liegt also der Wahrscheinlichkeitsschluss nahe, dass auch in noch früheren Stadien eine einheitliche Fadenschlinge auftritt, und dieser Schluss stützt sich vor Allem auf die T'hatsache, dass in Stadien, wie sie beispielsweise die Fig. 1 und 1° darstellen, das Bestehen freier Fadenenden mit Sicherheit nicht nachgewiesen werden Kann. 1) Verschiedene Verhältnisse weisen auf eine Homologie zwischen den thierischen Ei- und Samen-Mutterzellen einerseits und den Em- bryosack-Mutterzellen und Pollen-Mutterzellen andererseits hin. Es ist daher bezüglich der oben erörterten Frage von einem gewissen Interesse, dass Guignard in den zur Theilung sich anschiekenden Pollen-Mutterzellen eines Palmfarns (Ceratozamia) (6a), sowie von Lilium Martagon (6b, p. 173) keine freien Faden-Enden wahrnehmen konnte. Auch bei der Embryosack-Mutterzelle der letztgenannten Form „lVobservation donne ä penser qu'il n’y a r&ellement qu’un fila- ment unique“ (6b, p. 183). Die Vorstadien der Eireifung. 933 3. Suecessive Segmenrtirung der Faden- schlinge. N Es ist für die Entwicklung, welche unsere Kenntnisse von den Reifungserseheinungen in den letzten Jahren genommen haben, die Auffassung nicht ohne Einfluss gewesen, dass bei ver- schiedenen Kerntheilungsvorgängen der Segmentirungsprocess ein unvollständiger bleibt, dass es also bei denselben nicht zur Bildung der letzten „normalen“ Theilungseinheiten kommt. Damit hängt nahe die Frage zusammen, ob überhaupt die Segmentirung des Fadens eine gleichzeitige oder eine stufenweise ist. Auch Rückert hat sieh mit dieser Frage beschäftigt (13e, p. 315) und sieh dabei auf Befunde im Branchipus-Keim- bläschen bezogen, wo nach Brauer (3a, p. 14) der Chromatin- faden sich nicht direkt in die zwölf den Vierergruppen ent- sprechenden Segmente gliedert, sondern zuerst in sechs Stücke zerfällt. Es war mir schon bei meiner ersten Untersuchung über die Eireifung bei Canthocamptus aufgefallen, dass die Segmen- tirung der damals als „Platten“ aufgefassten Elemente nicht gleichmässig erfolgt: „man sieht manchmal auf der einen Platte alle drei Segmente, auf der andern erst das eine Drittel abge- grenzt; oder es sind einige der sechs Segmente bereits wieder halbirt, während die anderen noch ungetheilt sind“ (Ta, p. 223). Bei weiterer Untersuchung stellte sich nun in der That heraus, dass eine successive Segmentirung in der Weise vor sich geht, wie dies in der halb- schematischen Fig. 66 dargestellt ist. Die successiven Divisoren sind, wie aus dieser Figur, sowie aus Fig. 30—33 und 35—36 hervorgeht: 2, 3, 2, 2. Der erste Divisor „2“ bezieht sich dabei auf die Bildung der „provisorischen Vierergruppe“, der letzte auf diejenige der „definitiven Vierergruppen“. Bei den eiersacklosen Weibchen des tümpelbewohnenden Cyelops strenuus würden dieser Reihe noch zwei weitere Zweier bezw. ein Vierer voranzustellen sem -42,12972,8,725 2: Bei Canthoeamptus konnte ferner gezeigt werden, dass die eigenthümliche Einschaltung des Dreiers mit einer gewissen Schwierigkeit zu kämpfen hat. Es wird nämlich der ergebniss- lose Versuch gemacht, der Bildung der provisorischen Vierer- gruppen eine abermalige Zweitheilung folgen zu lassen (Fig.27— 29; Ta, Fig. 9, 10, 12). Dieses gegensätzliche Verhalten, dessen 234 Valentin Häcker: Bedeutung vorläufig noch vollkommen räthselhaft ist, wirft viel- ieicht ein Licht auf den Umstand, dass bei naheverwandten Formen die Zerlegung des Chromatinfadens ebensowohl nach dem Zweiersystem (2, 4, 8, 16...) als nach dem Sechsersystem (6, 12, 18, 24...) erfolgen kann!) Die hier berührten eigenthümlichen Zahlenverhältnisse dürften aber auch für die uns zunächst interessirende Frage nicht ohne Bedeutung sein, weil sie darauf hinweisen, dass die Bildung der Vierergruppen bei einer und derselben Art auf ver- schiedenen Segmentirungsschritten einsetzen beziehungsweise zur Durchführung gelangen kann. Es wird hier mit Theilungselementen ganz verschiedener Ordnung operirt und es scheint, wie bereits oben angedeutet worden ist, eher von einem gewissen Vortheil zu sein, bei der Bildung der spezifischen Formationen der Reifungstheilungen auf Theilungseinheiten möglichst hoher Ord- nung zurückzugreifen. Diese Verhältnisse zeigen endlich auch, wie tief sich im Metazoenreich die Bildung der Vierergruppen eingewurzelt hat und wie viel mehr es auf die Herstellung gerade dieser Gebilde, als auf die Festhaltung bestimmter Theilungsein- heiten anzukommen scheint. Auch für die Theorie der plurivalenten Theilungen liefert das Verhalten des Chromatinfadens bei den untersuchten Cope- poden ein lehrreiches Beispiel. Nieht bloss die letzte Segmentirung 1) Vgl. Die Furchung des Eies von Aequorea, p. 259,. Anm. 1 und 2. In rein hypothetischer Weise möchte ich hier eine Mög- lichkeit andeuten, Zahlen wie 14 und 22 auch ohne Annahme von abortirenden Chromosomen (vergl. Rückert, 7c, p. 312) zu erklären: Bei Canthocamptus besteht, wie gezeigt wurde, neben der Tendenz des Fadens, sich gemäss der Divisorenreihe 2, 3, 2, 2 (Fig. 66) succes- sive zu zerlegen, eine andere, welcher die Reihe 2,2... . zu Grunde liegt (Fig. 27—29.. Würde man nun annehmen dürfen, dass etwas derartiges auch in andern Fällen vorkommt, so liesse sich denken, dass aus irgend welchen Gründen nach der ersten Zweitheilung die eine Hälfte des Fadens sich nach dem ersten, die andere nach dem zweiten Segmentirungsmodus zerlege. So könnte beispielsweise‘ die Zahl „14“ bei folgender Theilungsweise zu Stande kommen: 9 | 32.2 56 22,2, Die Zahl „22“ dagegen nach der Formel: 3,3,2— 18 9,2,,2— 16 9 2,2 der 2 en Kap oder U = 6 Die Vorstadien der Eireifung. 235 kann danach unterbleiben, sondern es kann der Process auf einer viel früheren Stufe Halt machen und so zur Bildung nicht bloss doppelwerthiger , sondern überhaupt mehrwerthiger Ele- mente führen (vergl. Te, p. 484; 7d, p. 764, Anm. 1). Was freilich die Ursachen für das Auftreten mehrwerthiger Elemente anbelangt, so möchte ich noch nieht über das hinausgehen, was ich an anderer Stelle als Vermuthung aufgestellt habe. Danach (7d, p. 785) würde die Fähigkeit der chromatischen Substanz, sich in Einheiten niedrigerer Ordnung zu zerlegen, in einem gewissen Abhängigkeitsverhältniss zur Masse des Chromatins und damit zur Grösse des Kerns stehen. Je grösser der Kern und die Masse der ehromatischen Substanz ist, um so weniger leicht scheint eine endgültige Zerfällung der mehrwerthigen Ele- mente zu Stande zu kommen und damit steht wohl in Zusammen- hang, dass plurivalente Theilungen gerade in den Geschlechts- zellen aufzutreten pflegen. Auch Strasburger hat neuer- dings (14, p. 852) betont, dass die Zellkerne, in welchen sich die von ihm als „Reduktion“ bezeichnete, vermuthlich aber als Pseudoreduktion aufzufassende Verminderung der Chromo- somenzahl vollzieht, durch ihren Chromatinreichthum ausgezeich- net sind. 4. Verdiehtung und Concentrirung der Faden- schlinge, Verkleinerung und Auflösung des Keimbläschens. Sehen wir ab von dem Verhalten der ehromatischen Sub- stanz im Einzelnen, so nehmen die Umwandlungsvorgänge, wel- che die Kernsubstanzen im Ganzen genommen unmittelbar vor den Theilungen erfahren, bei den verschiedenen Formen nicht ganz den nämlichen Verlauf. Für eine Reihe von Formen ist gezeigt worden, dass im Keimbläschen gleichzeitig mit der Ver- diehtung der chromatischen Fäden eine Concentrirung derselben in die mittleren Kern-Parthieen und im Zusammenhang damit. die vorübergehende Ausbildung einer peripheren, chromatinfreien Kern- zone zu beobachten ist. So hat Rückert (13a) für das Se- lachier-Keimbläschen festgestellt, dass anfangs die Chromosomen noch einen den ganzen Kernraum erfüllenden Knäuel bilden, später aber, wenn das Keimbläschen sein grösstes Volumen erreicht hat, unter gleichzeitiger Verkürzung sich im Centrum 236 Valentin Häcker: desselben zusammenziehen. Während dann die Kernmembran sich auflöst und die Chromosomen sich zu den Elementen der Reifungstheilungen umbilden, verschwindet die periphere, chroma- tinfreie Zone und die Chromatinfigur liegt schliesslich frei in der Keimscheibensubstanz. Ganz ähnliche Wandlungen erfährt nach Born (1) das Keimbläschen des Triton-Eies und diese Ueber- einstimmung erstreckt sich, wie wir gesehen haben, auch auf die Wirbellosen. Auch bei Canthocamptus liefern nämlich, wenig- stens im zweiten Eireifungsmodus, die betreffenden Vorgänge, die Verdichtung der Chromatinfadenschlinge, ihre Coneentrirung in der Mitte des Keimbläschens, der Sehwund der Kernmembran und die schliessliche Reduktion der peripheren chromatinfreien Zone eine Reihe von Bildern (Fig. 16—34), welche an die im Wirbelthier-Keimbläschen zu beobachtenden Umwandlungspro- cesse erinnern, und dasselbe scheint nach Henking für ein- zelne Insekten, z. B. Rhodites (8b, 232—336), Geltung zu haben. Im Gegensatz zu diesem Verhalten, bei welchem die ein- zelnen Kernsubstanzen (Chromatin und Kernplasma) bezüglich der Volumverminderung nicht gleichen Schritt halten, geht beim ersten Eireifungsmodus von Canthocamptus die Verkürzurg der Chromosomen und die Verkleinerung des Keimbläschens in mehr gleichmässiger Weise vor sich. Wenigstens lassen sich die Bilder Fig. 45 und 46 ohne Weiteres von den Bildern Fig. 13—15 ab- leiten unter der Annahme, dass hier eine einfache Volumver- minderung des Keimbläschens ohne Schwund der Kernmembran und eine gleichzeitige Verkleinerung der chromatischen Elemente stattgefunden hat (Fig. 44a und b). Auch bei andern Arthro- poden scheint dieser einfachere Modus aufzutreten, so nach Hen- king (Sb, Fig. 56—59) bei Pyrrhoeoris. Eine dritte Art der Keimbläschen-Reduktion habe ich früher für eine Daphnide, Bythotrephes, beschrieben‘). Hier konnten allerdings die Veränderungen der cehromatischen Substanz nicht untersucht werden, aber es ging aus den Bildern mit Deutlich- keit hervor, dass während des Aufsteigens an die Ober- fläche das membranumhüllte Keimbläschen als solches sich ver- kleinert und dass gleichzeitig um dasselbe sich eine Plasmainsel ausbildet. 1) Das Keimbläschen, II. Theil. Arch. f. mikr. Anat. 42. Bd. 1893, p. 301, Figur 11 und 13. Die Vorstadien der Eireifung. 237 Bei dem letztgenannten Modus scheint eine engere Be- ziehung zwischen den beschriebenen Vorgängen und dem Auf- steigen des Keimbläschens zu bestehen. Wenn die mit dem Stoffaustausch zusammenhängenden Kräfte, welche das Keim- bläschen zur Zeit der vegetativen Zellthätigkeit im Centrum der Eizelle festhalten, bei der Vorbereitung zur Theilung zu wirken aufhören, so liesse sich denken, dass unter dem Einfluss der Schwerkraft eine Verschiebung der Eibestandtheile in der Weise erfolgt, dass die Plasmainsel und mit ihr das Keimbläschen an die Oberfläche des Eies zu liegen kommt. Ob auch in den andern angeführten Fällen derartige Be- ziehungen zwischen der Umbildung der Kernsubstanzen und ihrer Verlagerung im Ei bestehen, möchte ich dahin gestellt sein lassen. Es sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt, dass beim ersten Eireifungsmodus von Canthocamptus die Kernsubstanz noch wäh- rend des Doppeldyasterstadiuns ziemlich tief im Innern des Ei- plasmas liegt!) und dass beim zweiten Modus die in Fig. 24 bis 29 dargestellten Stadien mit Regelmässigkeit noch im Innern des Eies, diejenigen der Fig. 30—32 gewöhnlich schon dicht an der Oberfläche anzutreffen sind. 5..Die verschiedenen, Kormen der. Vierer- gruppenbildung. Ausgehend von einer Untersuchung über die Theilung der Urgeschlechtszelle von Cycelops, war ieh in einer früheren Arbeit (7 b) zu dem Schlusse gelangt, dass auch die erste Theilung der Reifungsphase als eine Theilung zu betrachten sei, in welcher je zwei benachbarte Elemente zunächst mit einander in Verband bleiben. Zur Stütze dieser so gewonnenen Anschauung über die Entstehung der Vierergruppen konnte ich die Befunde vom Rath’s über die Spermatogenese von Gryllotalpa (12 a)' heranziehen: „Während früher bei den Ursamenzellen, sagt vom Rath, durch Quer- theilungen (des Doppelfadens stets 12 Segmente hervorgingen, wird der Doppelfaden jetzt nur an 6 Stellen der Quere nach durehschnürt; es kann folglich jeder der jetzt entstandenen Ab- schnitte zwei Segmemten gleichgesetzt werden.“ Es gelang mir 1) Dabei ist vorausgesetzt, dass die Bilder Fig. 45 ff., welche die Richtungstheilungen darstellen, sich an den ersten Modus anschliessen. 238 Valentin Häcker: nun bei den folgenden an Copepoden vorgenommenen Unter- suchungen nicht, die Zusammensetzung der Vierergruppen nach der Formel \ in typischer und unanfechtbarer Weise festzu- stellen, so sehr auch eine Reihe von Vorkommnissen, z. B. die mit aller Sicherheit nachzuweisende einmalige Längsspaltung und die Winkelbildungen bei Cyclops strenuus, auf diesen Bil- dungsmodus hinwiesen. Erst Rückert, der an Stelle der von mir untersuchten tümpelbewohnenden Formen das in reichlicherer Weise zu beschaffende pelagische Material herangezogen hat, gelang es, die entscheidenden Bilder zur Darstellung zu bringen, nachdem schon vorher vom Rath (12 b) auf Grund einer kleineren, an marinen Formen angestellten Untersuchung die Ver- hältnisse der Hauptsache nach richtig erkannt hatte. In der vorliegenden Arbeit glaube ich nun in unzweideutiger Weise den Beweis geliefert zu haben, dass auch bei Cantho- camptus die Pildung der Vierergruppen in der von uns behaupteten Weise erfolgt. Der Fall scheint mir aber desswegen noch von besonderem Interesse zu sein, weil neben dem gewöhlichen Modus der Vierergruppenbildung gewissermaassen der Versuch gemacht wird, durch Concentration der chromatischen Substanz auf eine einzige Vierergruppe den Vertheilungsprocess zu vereinfachen. Wie ich schon oben erwähnte, möchte ich nämlich in dem zweiten bei Canthocamptus auftretenden Eireifungsmodus die Andeutung eines Vorganges sehen, der bei verschiedenen Würmern, Ascaris megalo- cephala univalens, Echinorhynehus und Ophryotrocha zur Bildung einer einzigeu Vierergruppe geführt hat. Dass die „provisorische Vierergruppe* bei Canthocamptus nicht in genau derselben Weise angelegt wird, wie die beim ersten Eireifungsmodus auftretenden definitiven Vierergruppen, darf um so weniger Wunder nehmen, als nach den bisher vorliegenden Untersuchungen, in welchen die Genese der Vierergruppen ins Auge gefasst worden war, bereits eine gewisse Mannigfaltigkeit in Einzelheiten in unzweifelhafter Weise feststeht. Man ist wohl berechtigt, vorläufig drei Haupt- Typen zu unterscheiden. I. Entstehung der Vierergruppen durch einfache Doppelstäbehenbildung (vgl. die halb- schematische Figur 67, mittlere Reihe I). In diesem einfachsten Fall findet eine Zerlegung des noch wenig verdichteten, körnig- Die Vorstadien der Eireifung. 239 fädigen Doppelfadens (I a) in eine Anzahl von Segmenten statt, deren Zahl der Hälfte einer für die Spezies anzunehmenden „Normalzahl“ entspricht (I 5). Bei eintretender Verdichtung der chromatischen Substanz tritt die Zweiwerthigheit der Einzel- fäden in der Weise hervor, dass in der Mitte der letzteren ein Querspalt sich bemerklich macht (I ce). Während der „Auflösung“ des Keimbläschens schreitet die Verdichtung so weit fort, dass schliesslich die vier stäbehenförmigen Fadenabschnitte sich zu kugelförmigen Elementen zusammenziehen (I d). Beispiele für diesen einfachen Eireifungsmodusfinden sich inder Ovogenese des pelagischen Cyelops strenuus nach Rückert, sowie in derjenigen von Canthocamptus nach den vorliegenden Untersuchungen (erster Entwieklungsmodus) }). I. Entstehung der Vierergruppen durch Ringbildung (Fig. 67, linke Reihe, II). Dieser Modus zeigt nur darin eine kleine Abweichung von dem erstgenannten, dass die Doppelfadensegmente sich unter Verklebung der Fadenenden zu ringförmigen Figuren zusammenschliessen (II db). Unter Ver- kürzung und Verdichtung der Viertelsbögen (II c) entstehen schliesslich die nämlichen Vierergruppen, wie im erstgenannten Fall. Zum Verständniss dieser Variante darf vielleicht darauf hinge- wiesen werden, dass eine Verklebung der Tochterfaden-Enden und eine damit zusammenhängende Ringbildung auch sonst bei Theilungen mit mehrwerthigen Elementen (plurivalenten Theilungen) auftritt, vor allem bei der heterotypischen Theilung im Salamanderhoden. Es dürften dabei, wie ich schon früher ausgeführt habe, die Ringbildung, ebenso wie die eigenthümlichen Torsionen der Fäden, als sekundäre Begleiterscheinungen der Plurivalenz der Elemente aufzufassen sein. Da nun die erste Theilung der Reifungsphase gleichfalls als plurivalente Theilung angesehen werden kann, so hat wohl auch hier das eben Gesagte Geltung. 1) Sollte sich meine an anderer Stelle ausgesprochene Ver- muthung bestätigen, dass die bei der ersten Theilung der Embryo- sack-Mutterzelle und Pollen-Mutterzelle der Phanerogamen auftretenden besonderen Theilungselemente mit den Vierergruppen in Beziehung zu setzen sind, so würde den Bildern Guignard’s zu Folge (6b, Fig. 12—14, 50—54) auch hier eine „Entstehung der Vierergruppen durch einfache Doppelstäbehenbildung“ vorliegen. Vgl. The reduction of the Chromosomes in the Sexual Cells as described by Botanists: A reply to Professor Strasburger. Ann. of Bot., Vol. 9, 189. 240 Valentin Häcker: Die Entstehung der Vierergruppen unter vorangehender Ringbildung tritt nach vom Rath bei der Spermatogenese von Gryllotalpa sowie bei der Ovogenese eines marinen Copepoden (Calaniden), Euchaeta, auf. Rückert hat diese Entstehungs- weise für zwei weitere Calaniden, Heterocope und Diaptomus, dureh lückenlose Beobachtungsreihen bestätigen können. Il. Entstehung der Vierergruppen durch Winkelbildung (Fig. 67, rechte Reihe, II). Ein, man möchte sagen, etwas umständlicherer Modus der Vierergruppen- bildung verläuft in der Weise, dass die ursprünglichen Doppel- fadensegmente in ihrer Mitte, also an der Stelle, an welcher die letzte Quertheilung präformirt ist, eine Umkniekung er- fahren, so dass also aus den Doppelfäden Doppelwinkel hervor- sehen (III 5). Normaler Weise scheint dann jeder Doppelwinkel, unter Durchbruch der Winkelecken, sich zunächst in ein Vierer- stäbehen umzubilden, welches aus vier parallel gelagerten Einzel- stäbehen, oder genauer gesagt, aus zwei Paaren von Schwester- stäbehen besteht. In einzelnen Fällen können sich dann wohl auch, vorder definitiven Verkürzung, die beiden Paare von Schwester- stäbehen mit ihren Enden gegeneinander krümmen, sodass eine Pseudo-Ringbildung zu Stande kommt (Canthocamptus, Carinaria). Beispiele: | a) Die im Salamanderhoden auftretenden, von Flemming als anomale Abweichungen beschriebenen Kerntheilungsbilder sind von mir (7 b) in der Weise gedeutet worden, dass es sich hier um Vierergruppen handelt, die durch Winkelbildung ent- standen sind. vom Rath hat dann (12 b) die Richtigkeit dieser Deutung auf Grund eigener Untersuchungen bestätigt. b) Der zweite Entwicklungsmodus bei Canthocamptus würde ein weiteres Beispiel für die Entstehung der Vierergruppen durch Winkelbildung sein, wenn nachgewiesen werden könnte, dass in gewissen Fällen die vier Stäbchen der provisorischen Vierer- gruppen wirklich auch die als Theilungseinheiten funktionirenden Elemente darstellen. c) Für eiersacklose („erstgebärende*) Weibehen des tümpel- bewohnenden Cyclops strenuus habeich gleichfalls die Entstehung der Elemente der Reifungstheilungen aus „Doppelwinkeln“ nachzuweisen versucht. Allerdings ist die Reihe der Beobachtungen keine voll- ständige, da mir die wirkliche erste Reifungstheilung fehlt, aber Die Vorstadien der Eireifung. 241 die hier vorliegenden Zahlenverhältnisse lassen nur eine einzige Deutung zu, und so möchte ich denn auch jetzt noch, trotz der Einwände Rückert’s, vollkommen an der Richtigkeit meiner Beobachtungen und ihrer Deutung festhalten. Gewisse Verhält- nisse lassen zwar die Vorkommnisse als nicht ganz normal er- scheinen, aber sie dürfen trotzdem als weitere Stütze für die hier vertretene Auffassung gelten, da auch bei Varianten abnormer Natur der Vorgang im Prinzip der gleiche sein muss. Es ist vor allem zu bemerken, dass Rückert über die un- zweideutigen Bilder, in welchen im Ganzen 4 Doppelwinkel auftreten (Ta, Fig. 21; Te, Fig. 8b und e), vielleicht doch etwas 'zu rasch hin- weggegangen ist (l3e, p. 315). Die genannten Gebilde können mit Rücksicht auf ihr regelmässiges Vorkommen, ihre Entstehungsweise und besonders die in den folgenden Stadien auftretenden Zahlenver- hältnisse, nur mit den Doppelwinkeln der Figur 67, IIIb verglichen werden und die vier Schenkel stellen also die definitiven Theilungs- einheiten dar. Die Deutung, welche ihnenRückert geben will, dass es sich hier nämlich um einen früheren Theilungsschritt handle, ist im Hinblick auf die genannten Umstände nicht zulässig. Eine Quertheilung der aus diesen Doppelwinkeln hervorgehen- den Doppelstäbe, welche ich nach Rückert übersehen haben soll (13e, p. 331; 13d, p. 545), ist, wie ich mich von neuem überzeugt habe, nicht vorhanden. Man könnte nun allerdings einwenden, dassauch bei andern Formen diese letzte Quertheilung in unregelmässiger und theilweise verspäteter Weise eintritt, aber dann müsste sie doch wenigstens in den spätern Stadien wahrzunehmen sein. Dies ist nun aber nicht der Fall, die Einzelstäbehen zeigen vielmehr stets nur jene gleichmässige Gliederung in sechs scheibenförmige Unterabtheilungen, die ich bereits in meiner ersten Arbeit abgebildet habe. Gerade diese Anordnung in sechs Unterabschnitten ist es aber, welche die Homologie der Elemente in den aufeinanderfolgenden Stadien deutlich hervor- treten lässt. Die von mir als zweite Richtungstheilungen beschriebenen Theilungen stellen thatsächlich den zweiten und nicht, wie Rückert annimmt (d3e, p. 331; 13d, p. 539), den ersten Theilungsschritt dar. Ich habe bei der Nachuntersuchung in mehreren Fällen die ehroma- tische Substanz des ersten Richtungskörpers in zweireihiger Anord- nung oder unregelmässiger Gruppirung in der in 7a, Fig. 24 abge- bildeten Weise gesehen und kann die Bilder direkt mit den für Can- thocamptus (Fig. 57—59) gesicherten Verhältnissen vergleichen. Die auffallende Lage der Spindel im Innern des Plasmas (7e, p. 468) findet bis zu einem gewissen Grad gleichfalls ein Analogon in dem für Canthocamptus hervorgehobenen Umstand, dass hier die Drehung des Doppeldyasters erst während des Auseinanderrückens der Elemente erfolgt. Die Zahlenverhältnisse sind vollkommen übersichtlich 242 Valentin Häcker: und lassen sich recht gut mit den Befunden an den Furchungstheilungen in Einklang bringen (vgl. 7a p. 237 gegen Rückert 13e p. 332). Ferner ist nicht zu übersehen, dass der ganze Habitus der Theilungen, der in einer grossen Anzahl von Bildern in regelmässiger Weise wiederkekrt, von vornherein auf eine zweite und nicht auf eine erste Theilung hinweist, insofern das typische Vorkommniss der ersten Theilung, die Vereinigung von je vier Elementen, in keiner Weise hervortritt. Ich möchte also Rück ert gegenüber feststellen, dass bei eiersacklosen Weibehen des tümpelbewohnenden Cyclops strenuus die Elemente der Reifungstheilungen in der Weise gebildet werden, dass der Doppelfaden sich in vier vierwerthige, winklig geknickte Segmente zerlegt. Wie die Vertheilung zunächst erfolgt, konnte nicht ermittelt werden, dagegen werden beim zweiten Theilungs- schritt je vier stäbehenförmige, gegliederte Elemente auf Eikern und zweiten Richtungskörper vertheilt. Rückert hat für seinen pelagischen Cyelops strenuus 11 Vierergruppen feststellen können. Nehmen wir mit Rückertan, dass die Zahl „ll“ in irgend einer Weise durch einen phylogene- tischen oder ontogenetischen Process (s. oben) aus der Zahl „12“ ent- standen ist, so würde sich also hier die Normalzahl 22, bezw. 24 vor- finden. Bei der tümpelbewohnenden Form dagegen treten 8 stäbchen- förmige Elemente auf. Dieser Unterschied, sowie gewisse andere Erscheinungen (Auftreten der zweiten Richtungsspindel im Ovidukt, Fehlen typischer Vierergruppen) deuten von vorneherein darauf hin, dass bei meinem Material der Eireifungsverlauf sich überhaupt in abweichender Weise gestaltet und dass also hier hinsichtlich des Werthes der Theilungseinheiten ähnliche Verschiedenheiten wie bei Canthocamptus vorliegen. Man gelangt so zu der Auffassung, dass bei der tümpelbewohnenden Form die Doppelwinkel ihrem morpholo- gischen Werthe nach der „provisorischen Vierergruppe“ oder dem „Vierergruppengerüst“ entsprechen und dass also hier ebenso, wie dies bei Canthocamptus der Fall ist, gewissermaassen eine Vierer- gruppenbildung en gros angestrebt wird. Dann müssen aber die- Jenigen Elemente, die den wirklichen Vierergruppen entsprechen, in dem Gerüst stecken. In der That setzt sich nun beim tümpelbe- wohnenden Cyelops strenuus jedes der Einzelstäbchen aus sechs „Pfitz- ner’schen Körnern“ zusammen, in der gleichen Weise, wie dies bei den Einzelstäbehen von Canthocamptus auf einer gewissen Seg- mentirungsstufe der Fall ist (vgl. Fig. 32 und 66c). Leider sind nun die Elemente bei Cyelops zu klein, um ermitteln zu können, ob jedes Pfitzner'sche Korn selbst wieder zweiwerthig ist, wie dies bei Cantho- camptus der Fall ist (Fig. 33 und 66D). Bei der sonstigen Ueberein- stimmung wird man aber mit der Annahme nicht fehlgehen, dass eine solche Zweiwerthigkeit auch bei Cyclops besteht und dass also, nach Die Vorstadien der Eireifung. 243 Analogie mit Canthocamptus, jeder „Doppelwinkel“ das Gerüst für 12 definitive Vierergruppen bildet. Es würden deren also beim tüm- pelbewohnenden Cyclops im ganzen 48 sein und die „Normalzahl“ der Elemente würde folglich 96 betragen. Im Gegensatz zu Canthocamp- tus werden aber jene 48 Vierergruppen nicht frei, ja, ihr Zusammen- hang wird schon vor den Theilungen dadurch bedeutend gelockert, dass die Einzelstäbcehen, d. h. die Träger der Zweiergruppen, ihre engere Verbindung frühzeitig aufgeben können. Der Unterschied, welcher zwischen den Be- funden von Rückert und mir bei eiersacklosen Weibchen von Cyelops strenuus besteht, deckt sich also im Wesentlichen mit dem Unterschied zwischen den beiden Eireifungsmodi bei Cantho- eamptus. Bei der pelagischen Form werden, wie dies beim ersten Eireifungsmodus von Canthocamptus der Fall ist, unter einfacher Zerlegung des Doppelfadens definitive Vierer- gruppen gebildet (welche allerdings gegenüber den hypothetischen „definitiven Vierergruppen“ der Tümpelform Elemente höherer Ordnung darstellen); bei der Tümpelform dagegen tritt ent- sprechend dem zweiten bei Canthocamptus auftretenden Modus die Bildung von Vierergruppen en gros oder „Vierergruppen- gerüsten“ in Form von Doppelwinkeln ein. Welehe biologische Verhältnisse bei diesen Verschieden- heiten wirksam sind, darüber wage ich, so wenig wie bei Canthocamptus, eine Vermuthung aufzustellen. d) Eine Entstehung von Viererstäbehen unter vorangehender Winkelbildung scheint, wie ich schon früher zu zeigen versucht habe (7 d, p. 766) und wie auch Rückert (13 ec, p. 340) an- zunehmen geneigt ist, in einem von Boveri beschriebenen Fall, nämlich bei dem Heteropoden Carinaria, vorzukommen (2, Tab. XI, Fig. 13). Einzelne der von Boveri gezeichneten Elemente stellen in unverkennbarer Weise Doppelwinkel dar, andere zeigen die Beschaffenheit des längsgespaltenen „Pseudorings“, der beim zweiten Entwieklungsmodus von Canthocamptus auftritt (siehe p. 240). e) Sollte sich herausstellen, dass die Beobachtungen Brauer’s (13 b) über die doppelte Längsspaltung des Chro- matinfadens in den Samenmutterzellen von Ascaris eine andere Erklärung, als die von Brauer gegebene gestatten, so würden einzelne seiner Bilder gleichfalls auf eine Entstehung der Vierer- 244 Valentin Häcker: ‚gruppen durch Winkelbildung hinweisen (vergl. 3b, Fig. 46ff.). Wie die unter b) und ec) genannten Fälle zeigen, scheint überhaupt "der II Papus der Vierersruppen- bildung, derin der Regelnicht zur Bildung von Viererkugeln führt, besonders dann sich gerne einzustellen, wenn Chromatinelemente höherer Ordnung als Theiumngsseinheiten tunktiVonvren. Als solehe sind aber die Stäbehen bei Asearis zu betrachten, denn wir wissen, dass bei dieser Form an andern Stellen, z. B. bei den Theilungen der Ursamenzellen, Elemente niedrigerer Ord- nung auftreten. Auch Rückert hat es auf Grund eigener Untersuchungen als möglich hingestellt, dass die Viererstäbe von Ascaris in der eben angedeuteten Weise ihre Entstehung nehmen (13 e, p. 343). Im Vorstehenden ist versucht worden, eine Uebersicht über die bei der Vierergruppenbildung auftretenden Varianten zu geben. Es wäre denkbar, dass sich in der Folge zu diesen drei Typen, welehe im Wesentlichen auch von vom Rath und Rückert anerkannt werden, noch weitere anreihen werden. Vielleicht ist der von mir für „mehrgebärende* Cyelops strenuus- Weibehen beschriebene Modus ein solches Beispiel. Ich gebe den Einwürfen Rückert's gegenüber zu, dass meine dies- bezügliehen Bilder für die angenommene Entstehungsweise der Vierergruppen nieht vollkommen beweiskräftig sind, da mir die späteren Reifungsstadien fehlen. Dass meine früher gegebenen Bilder jedoch im Wesentlichen richtig sind, kann ich auch heute bestätigen, ich möchte aber nieht eher auf eine Diskussion dieses eigenartigen Falls eingehen, ehe mir nicht Gelegenheit geboten ist, jene Lücke auszufüllen, oder sich irgendwo etwas Analoges aufgefunden hat. 6. Verhalten der Nueleolen desKeimbläschens. Sehon im Keimbläschen sehr junger Eizellen tritt bei Canthocamptus ein grosser runder Hauptnucleolus im der Einzahl auf (Fig. 1). Derselbe wächst während des Doppelfadenstadiums allmählich zu bedeutender Grösse heran, jedoch bleibt immerhin sein Wachsthum im Verhältniss zu demjenigen des Keimbläschens selbst etwas zurück. Gleichzeitig tauchen in seinem Innern Die Vorstadien der Eireifung. 245 Vacuolen auf, welche gegen Schluss des Keimbläschenstadiums immer deutlicher sich hervorheben, wobei dann eine derselben sich zu einer Hauptvacuole von beträchtlichem Umfang vergrössern kann. Zur Zeit, wenn eine grössere Verdichtung der chromatischen Elemente hervorzutreten beginnt, sind neben dem Hauptnucleolus, dessen Volumen sich bald verringert, kleinere Kernkörper zu be- obachten (vgl. Fig. 15 einerseits und Fig. 22—29 andererseits), und es ist bemerkenswerth, dass diese Erscheinung weniger zu dem Segmentirungsprocess, als eben zu der Verdichtung der chromatischen Substanz in zeitlicher Beziehung zu stehen scheint. Wenn endlich die Kernsubstanz auf das Minimum ihres Volumens zusammengedrängt ist, so fehlt in der Regel jede Spur von nucleolärer Substanz (Fig. 30—33). Die hier beschriebenen Verhältnisse stehen also im Wesent- lichen mit den sonst bekannten Befunden in solehen Keimbläschen in Einklang, welche den „Eehinodermen-Typus“ (7 e, p. 475) zeigen. Sie bieten also an und für sich nichts Neues, ich möchte aber doch die Gelegenheit benutzen, um an der Hand derselben meine früher ausgesprochenen Anschauungen über die Entstehung und Bedeutung der nucleolären Substanz auf’s Neue zu begründen. Es scheint, dass von sehr vielen Autoren angenommen wird, dass die Nucleolenfrage zur Zeit überhaupt noch nieht diskutirbar ist, und dementsprechend trägt auch ihre Behandlung in Lehr- büchern und zusammenfassenden Referaten einen durchaus vor- läufigen Charakter. In der That ist denn auch noch keine An- sicht über Entstehung und Bedeutung der Nueleolen bisher im Stande gewesen, sich in weiteren Kreisen Anerkennung zu ver- schaffen. Wie wenig sogar noch bezüglich einfacher Vorfragen Uebereinstimmung vorhanden ist, geht schon aus der Meinungs- verschiedenheit hervor, welche hinsichtlich der Frage herrscht: entstehen die kleinen Nucleolen durch Theilung grösserer Elemente oder gehen die letzteren aus einer Verschmelzung der ersteren hervor? In neuester Zeit scheint sich nun die Aufmerksamkeit der Autoren dem Gegenstand wieder mehr zuzuwenden. So haben in den letzten Jahren Rückert und Born die Veränderungen der nucleolären Substanz im Wirbelthier-Keimbläsehen, Rhumbler') l) L. Rhumbler, Ueber Entstehung und Bedentung der in den Kernen vieler Protozoen und im Keimbläschen von Metazoen 946 Valentin Häcker: das Verhalten der Binnenkörper der Foraminiferen-Kerne aus- führlich beschrieben, und es ist so zu hoffen, dass mit der Zeit auch in den Beobachtungen über die Nucleolen gemeinsame Züge in schärferer Weise hervortreten werden, als dies bisher der Fall war. Ich habe vor einiger Zeit den Versuch gemacht, die ver- schiedenartigen Bilder, welche die Nucleolen, speziell der Keim- bläschen, darbieten, zusammenzufassen und ich möchte glauben, dass sich dieselben mit Zuhilfenahme einiger weniger Voraus- setzungen wirklich auch deuten lassen. Die Nueleolen sind nach meiner Ansicht im &llgemeinen als nieht strukturirte Gebilde aufzufassen !). Sie stellen als solche nicht, wie mehrfach angenommen wird, eine Nähr- oder Reserve- substanz dar, welche bei den Veränderungen der chromatischen Substanz in dieselbe einbezogen wird, sondern im Gegentheil ein Abspaltungsprodukt ?), welehes während der vegetativen Thätig- vorkommenden Binnenkörper (Nucleolen).. Eine Theorie zur Erklä- rung der verschiedenartigen Gestalt dieser Gebilde. Zeitschr. f. wiss. Zool. 56. Bd. 1893. 1) Vgl. Rhumbler |. e. p. 361. 2) Ansichten, welche dieser Auffassung über die Entstehung der Nucleolen mehr oder weniger nahe stehen, sind schon von verschie- denen Autoren mitgetheilt worden. Vgl. Leukart (Artikel „Zeu- gung“ in Wagner’s Handwörterb. d. Physiol. 4 Bd. Braunschw. 1853, p. 815): „Der Keimfleck hat augenscheinlich nur eine unterge- ordnete architektonische Bedeutung. — Er entsteht (sonder Zweifel in Folge gewisser chemischer Umwandlungen) nach einiger Zeit im Innern des Keimbläschens.“ Eimer (Untersuchungen über d. Eier d. Reptil. Arch. f. mikr. Anat. 8. Bd., 1872, p. 219): „So scheinen die complieirt gebauten Keimflecke aus einfachen Körnchen herauszu- wachsen.“ Auerbach (Organolog. Studien 1. Heft, Breslau 1874, p- 83): „Es scheint (in den Furchungskernen des Froscheies), dass von allen Seiten her sehr feine Körnchen nach dem Centrum hinstreben, um hier zum Nueieolus zusammenzutreten. Am nächsten liegt, dass sie aus der Kernsubstanz selbst an vielen Punkten sich ausscheiden.“ Derselbe (Organol. Studien 2. Heft, Breslau 1874, p. 204): Wenn in den Geschlechtskernen von Ascaris nigrovenosa eine Mehrzahl von Kernkörperchen sich vorfindet, „so kommen sie nicht alle gleichzeitig sondern eins nach dem andern, in Intervallen von einer halben bis zu einigen Minuten zum Vorschein, und zwar in unregelmässigen, oft beträchtlichen Entfernungen von einander“. Flemming (Beitr. zur Kenntniss d. Zelle u. ihrer Lebensersch. II. Arch. f. mikr. Anat., 18. Bd., 1880, p. 197): Die Dinge, welche wir Nucleolen nennen, mögen viel- leicht gar keine morphologisch wichtigen Theile des Kerns sein, „son- Die Vorstadien der Eireifung. 247 keit der Zelle und des Kerns in oder an den chromatischen Elementen zur Abscheidung gelangt und zu Beginn der Mitose aus dem Kernraum entfernt wird. Wie bei allen organischen Wachs- thums- und Umbildungsprocessen, so würden also auch bei der vegetativen Thätigkeit der Kernsubstanzen und während der Ver- änderungen, welche dieselben erfahren, Sekret-Substanzen zur Abspaltung kommen, welche in Form eines Hauptnucleolus oder mehrerer Nebennucleolen auftreten. Unter dieser Annahme finden die verschiedenen Bilder, welche zumal die Nucleolen des Keimbläschens zeigen, darin ihre Erklärung, dass einerseits während der vegetativen Thätigkeit des Kernes und während der Vorbereitung zur Theilung der neu sich bildende Nachschub von nucleolärer Substanz quantitativ und vielleicht auch qualitativ ver- schieden ist, andererseits die Auflösung dieser Substanz und ihre Ent- fernung aus dem Kern während der Prophasen in erhöhtem Maasse Platz greift. Dieses erhöhte Auflösungsvermögen könnte dabei im Zu- sammenhang stehen mit einer veränderten Beschaffenheit des Kern- und Zellplasmas, wie eine solche während der Theilung auch in anderen Momenten (Veränderung im Tingirungsvermögen [Flemming!)], Auftreten der achromatischen Systeme) zum dern nur Ablagerungen von Substanzen, welche für den Stoffwechsel im Kern verbraucht und wieder neugebildet werden“. „Nach dem was wir über ihre Entstehung wissen, scheint ihr Auftreten in den Netz- bälkchen zu erfolgen oder doch von diesen auszugehen; es ist also der Ausdruck nicht so zu verstehen, als ob sie frei in der Zwischen- substanz anschössen.“ Derselbe (Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung, Jena 1882, p. 164): „Die Nucleolen scheinen immer in Verdiekungen (Knoten) der Netzbalken aufzutreten, so dass ihre Bildung aus dieser Substanz wahrscheinlich wird.“ Pfitzner (Beitr. z. Lehre vom Bau des Zellkerns und seiner Theilungsersch., Arch. f. mikr. An., 22. Bd., 1883, p. 654): Denkbar ist es auch, dass die Substanz der Nucleolen „als (minderwerthige) Abspaltung entsteht“. Leydig (Beiträge zur Kenntniss des thierischen Eies im unbefruchteten Zustande, Zool. Jahrb., Abth. f. An. u. Ont., 3. Bd., 1888—89, p. 344): Die Verhält- nisse im Triton-Ei führen zu der Auffassung, dass „in dem feinen Netz des Reticulums die Keimflecke als Knotenpunkte den Anfang nehmen, hierauf unter mannigfacher Gruppirung zur Peripherie rücken.“ 1) Vgl. Flemming, Neue Beiträge z. Kenntn. d. Zelle, II. Theil, Arch. f. mikr. An., 37. Bd., 1891, p. 697: „Es scheint mir bemerkens- werth, dass also in denjenigen Stadien, wo noch Nucleolen vorhanden, oder eben erst verschwunden sind, oder eben wieder auftreten, die Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45. 17 248 Valentin Häcker: Ausdruck kommt. Je nach dem Objekt erhält nun der zweite der genannten Faktoren, das Auflösungsvermögen, früher oder später das Uebergewicht, während auf der andern Seite die Neubildung der nucleolären Substanz zu Beginn der eigentlichen Kerntheilung vollkommen sistirt wird. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die nucleoläre Substanz bei Eintritt der Chromatinverdichtung eine geringere Färbung und ein verändertes Verdichtungsvermögen zu zeigen pflegt, wurde oben der Möglichkeit Ausdruck gegeben, dass der Nachschub an nucleolärer Substanz vielleicht auch in qualitativer Beziehung Aenderungen erleide. Diese Annahme ist für die Theorie nicht unerlässlich: man könnte sich nämlich auch vor- stellen, dass die abgeschiedene Substanz stets die nämliche ist, dass aber die erwähnte, vor der Theilung eintretende Veränderung in der Beschaffenheit des Kern- und Zellplasmas das Färbungs- und Verdiehtungsvermögen der Nucleolarsubstanz beeinflusst. Diese Auffassung vermag ich freilich auch jetzt noch nicht anders als in imdirekter Weise zu stützen. Nachdem ich aber nunmehr die weit vertheilte Literatur nach bester Möglichkeit zu Rathe gezogen und einen grossen Theil der beschriebenen Objekte aus eigener Anschauung kennen gelernt habe, so glaube ich, jetzt für die Theorie mit noch grösserem Vertrauen eintreten zu dürfen. Die Gründe, welche theils für die Auffassung der Nucle- olen als nicht organisirter Stoffwechselproducte sprechen, theils speciell darauf hinweisen, dass es im Kern entstandene und den Kern verlassende seeretartige Stoffe sind, lassen sich vielleicht in folgender Weise zusammenfassen. 1) Vorkommen der Nucleolen. Die bedeutende Ent- faltung der nucleolären Substanz in den Kernen solcher Zellen, für welche eine intensive vegetative Thätigkeit angenommen werden muss (Keim-Mutterzellen, Drüsenzellen, Ganglienzellen, Wimper- zellen), würde zum Mindesten dafür sprechen, dass die Nucleolar- substanz ein Stoffwechselprodukt darstellt, dessen Erzeugung in einem gewissen Abhängigkeitsverhältniss zur Intensität der vegetativen Leistungen von Kern und Zelle steht. Neigung zur Blaufärbung vorliegt, während die Formen, in welchen sie völlig deconstituirt sind, sich rein safraninophil verhalten, wie es ja die Nucleolen selbst sind,“ Die Vorstadien der Eireifung. 249 Dieser Zusammenhang tritt ganz besonders deutlich ‘hervor bei einem Vergleieh der Bilder, welche die unreifen Eizellen der verschiedenen Metazoen darbieten. Es stellt sich nämlich hier die Thatsache heraus, dass die Keimbläschen solcher Eizellen, welche vor der Ablage nur ein geringes Wachsthum zeigen und einen feinkörnigen Dotter abscheiden, anfänglich nur einen ein- zigen, allmählich grösser werdenden Hauptnucleolus aufweisen, dass dagegen in den Kernen solcher unreifer Eier, die innerhalb des mütterlichen Organismus sich bedeutend vergrössern und einen grobscholligen Dotter speichern, zahlreiche Nebennucleolen auftreten. Wir können uns kürzer in folgender Weise ausdrücken: Die Keimbläschen von kleinen, dotterarmen (total und im allgemeinen auch äqual sich furehenden) Eiern zeigen den Echinodermen-Typus, diejenigen von grossen, dotter- reichen (discoidal und superfieial sich furchenden) den Verte- braten-Typus. Ich führe bier nur einige Beispiele an, deren Zugehörig- keit zur Kategorie der dotterarmen beziehungsweise dotterreichen Eier nicht zweifelhaft sein kann. Die Eier der Spongien'), Hydromedusen?), Siphonophoren?), Acalephen®), Ctenophoren?), Ecehinodermen, ferner der pelagischen Anneliden (z. B. Tomop- teris) und Copepoden zeigen bezüglich des Keimbläschens den Echinodermen-Typus, die dotterreichen Eier der meisten Insekten ®) und vieler Crustaceen’), sowie diejenigen der niederen Wirbelthiere dagegen den Vertebraten-T'ypus. 1) Vgl. z.B. das Keimbläschen von Sycandra (F. E.Schulze, Zeitschr. f. wiss. Zool., 25. Bd., Suppl., 1875, Tab. XX, Fig. 1). 2) Vgl. die Keimbläschen von Cunina (s. Metschnikoff, Embryol. Studien an Medusen, Wien, 1886, Tab. XI) und Aequorea. 3) Vgl. das Keimbläschen von Diphyes (C. Gegenbaur, Zeitschr. f. wiss. Zool., 5. Bd., 1854, Tab. XV], Fig. 12). 4) Vergl. hiezu und zum Folgenden: R. Wagner, Prodromus historiae generationis hominis atque mammalium. Lips. 1836. Tab.I—II. 5) Vgl. Chun’s Monographie der Ctenophoren, Tab. VI, Fig. 1. 6) Vgl. die Keimbläschen von Ranatra (E. Korschelt, Zeitschr, f. wiss. Zool., 45. Bd., 1887, Tab. XVIIL, Fig. 5 und 8), Dytiseus (Der- selbe, Zool. Jahrb., Abth. f. An. und Ont., 4. Bd., 1889—-91, Tab. ], Fig. 20 ff.), Agelastica (H. Henking, Zeitsch. f. wiss. Zool., 54. Bd., 1892, Tab. IV, Fig. 106). 7) Z. B. die Keimbläschen der Wintereier der Daphniden ausser denjenigen von Sida und Bythotrephes, welche einen einzigen, aber 250 Valentin Häcket: Nun ist allerdings der Begriff des Dotterreiehthums ein relativer, und so ist denn von vornherein anzunehmen, dass auch bezüglich der Erscheinungen, für welche irgend welcher Zusam- menhang mit der Menge und Beschaffenheit des Dottermaterials angenommen werden muss, keine scharf geschiedenen Kategorien aufgestellt werden können. Es wurde bereits des Umstandes ge- dacht, dass bei Canthocamptus gegen Schluss der Eireifung, wenn die Verdichtung des Chromatins ihren Höhepunkt zu erreichen beginnt, neben dem verkleinerten Hauptnucleolus mehrere, meist weniger intensiv sich färbende Nebennucleolen auftreten (vgl. Fig. 15, 22—23, 26 ff.!)). Zur Erklärung dieser Erscheinung ist anzunehmen, dass irgend welche die ganze Eizelle betreffenden Veränderungen physiologischer Natur, die um diese Zeit eintreten, die weitere Appesition der neu sich bildenden Nucleolarsubstanz an den Hauptnucleolus verhindern und das Auftreten mehrerer Verdichtungscentren hervorrufen, welche häufig nicht mehr das Färbungsvermögen des ursprünglichen Hauptnucleolus erlangen. Welcher Art jene Veränderungen sind, lässt sich natürlich nicht entscheiden; vom rein morphologischen Standpunkt aus darf man aber wohl mit diesen in den Endstadien der Eibildung auftretenden Bildern jenen intermediären Keimbläschentypus vergleichen, welcher sich im Lamellibranchiaten-Ei vorfindet und bei dem schon in frühen Stadien der Eibildung zweierlei, in Be- zug auf ihr Verhalten gegen Reagentien einigermaassen ver- schiedene Nucleolarsubstanzen auftreten ?). Lassen wir aber zunächst diesen Zwischentypus bei Seite und halten wir an der vorhin aufgestellten Regel fest, dass in den Keimbläschen kleiner, dotterarmer Eizellen ein Haupt- nucleolus, in denjenigen von grossen und dotterreichen dagegen mehrere Nebennucleolen auftreten. Dies steht einigermaassen mit ausserordentlich mächtigen Nucleolus besitzen (vgl. Keimbl. I. Theil, Tab. XXVII, Fig. 18; Keimbl. II. Theil, Tab. XX, Fig. 13). 1) Dieselbe Erscheinung ist auch bei Cycelops-Arten zu beob- achten. Vgl. 7a, Fig. 22; 7c, Tab. XXVII, Fig. 8—9. 2) Die schon von Lacaze-Duthiers, Hessling und Leydig beschriebenen zusammengesetzten Keimflecke des Lamelli- branchiaten-Eies sind bekanntlich zuerst von Flemming in Bezug auf das Verhalten gegen Reagentien genauer untersucht worden. Vgl. Te past. Die Vorstadien der Eireifung. 251 der Erfahrung der Botaniker im Einklang, dass bei gewissen pflanzlichen Objekten, z. B. in wachsenden Siebröhren- und Ge- fässgliedern, ferner in wachsenden Epidermis- und Haarzellen gleichfalls die Vergrösserung des Kerns und die Vermehrung der Nucleolarmasse einerseits und das Zellwachsthum anderer- seits Hand in Hand gehen!). Mit Rücksicht auf diese Ueberein- stimmung könnte man geneigt sein, die mächtige Entfaltung der nucleolären Substanz mit den Wachsthumsvorgängen der Zelle in einen engeren Zusammenhang zu bringen. Diese Auffassung, so berechtigt sie auch im einzelnen Fall sein mag, würde aber nur einen Theil der Sache treffen, denn aus einer Reihe von Thatsachen geht hervor, dass die Bildung nucleolärer Substanz auch unabhängig vom Zellwachsthum in erheblichem Maasse stattfinden kann. Bekanntlich treten näm- lich auch in den zur Copulation sich anschiekenden Geschlechts- kernen (vgl. Fig. 41, 60, 61; Ta, Fig.26) Nucleolen auf, welche nicht selten beträchtliche Dimensionen annehmen, und dasselbe gilt für die Kerne der früheren Furchungsstadien (vrgl. Ta, Fig. 29?)). Hier ist von einem Zellwachsthum nicht die Rede, es ist vielmehr nur der Kern, welcher, besonders im Fall des männ- lichen Geschlechtskerns, eine beträchtliche und rasche Grössen- zunahme erfährt. So finden denn die verschiedenen Beobachtungen über das Vorkommen und die Quantität der Nucleolarsubstanz in der wachsenden und dotterspeichernden Eizelle, in dem sich ver- grössernden Spermakern, in den Furchungskernen, sowie in den Kernen der wachsenden Pflanzenzellen nur unter der erweiterten Annahme eine Erklärung, dass die Menge der nucleolären Substanz in einem direkten Verhältniss steht zur Intensität der Wechsel- beziehungen zwischen Kern und Zelle, mögen nun diese Wechselbeziehungen in besonderen ‚Leistungen des Zellplasmas (Sekretion, Wachsthum) oder in solehen des Kerns (Wachsthum) oder in beiden zugleich zum sichtbaren Ausdruck kommen. 1) Vrgl. E. Zacharias, Ueber Beziehungen des Zellenwachs- thums zur Beschaffenheit des Zellkerns. Ber. d. bot. Ges., 12. Bd., 1894, p. 104. 2) Letzteres ist bekanntlich nicht bei allen Formen der Fall. So finden sich in den Furchungskernen des Frosch-Eies, wie schon Berg- mann und Bischoff angegeben haben und wie von Auerbach bestätigt wurde, in den ersten Stadien keine Nucleolen vor. 252 Valentin Häcker: 2) Entstehungsweise der Nucleolen. Von ver- schiedenen Autoren, welche am lebenden Objekt beobachtet haben, wird das Auftauchen der Nucleolen an verschiedenen Punkten des Kernraumes beziehungsweise Kerngerüstes berichtet !). Mehrere Forseher sprechen auch ausdrücklich von einer am lebenden Objekt wahrgenommenen Vereinigung oder Verschmelzung der Kernkörper ?). Aber auch zahlreiche Beobachtungen an konservirtem Material weisen deutlich darauf hin, dass die Entstehung der Nucleolen in der hier angenommenen Weise erfolgt. So lassen sich die Veränderungen nach Masse und Anordnung, welche der Rückert’schen Beschreibung zufolge die Nucleolen des Selachier-Keimbläschens erfahren, recht gut unter der Annahme verstehen, dass die Kernkörper in Tröpfehenform an der Schleifen- figur sich abscheiden und auf ihrer Wanderung nach der Peri- pherie theils durch allmählige Apposition weiterer gelöster Substanz, theils unter Verschmelzung beträchtlich an Grösse zunehmen. Man vergleiche hier den folgenden Satz Rückert's (13a, p. 112): „Es gibt ausser den grossen Nucleolen, welche die eben erwähnte Lagerung (in einem bestimmten, meist der Oberfläche des Eies zugewandten Abschnitt des Keimbläschens) zeigen, kleine und kleinste, und diese liegen, wie Kastschenko richtig beschreibt, dem Haufen der grossen von innen an. Sie dehnen sich von da bis zu der Sehleifenfigur aus, welehe von ihnen, namentlich den kleinsten, reichlich durchsetzt wird.“ Ich möchte, wie gesagt, glauben, dass es sich um eine Abscheidung des kleinsten Nucleolen in oder an den Chromatinschleifen handelt und dass dieselben dann unter Grössenzunahme und eventuell Verschmelzung, ent- 1) Vgl. hierzu die oben eitirten Stellen bei Auerbach. 2) Ausser mehreren Beobachtungen Auerbach’'s vgl. z.B. die Angabe von la Valette St. George’s (Ueber den Keimfleck und die Deutung der Eitheile, Arch. f. mikr. An., 2. Bd., 1866), welcher bei Jodserum-Behandlung im Keimbläschen der Libellenlarve ein Zu- sammenfliessen der Nebennucleolen mit dem Hauptnucleolus beob- achtete. Ebenso fand E. Zacharias (Ueber den Nucleolus, Bot. Zeit., 1885) in lebenden, sich theilenden Zellen von Chara in jedem Tochter- kern vier Nucleoli, die in fünf Stunden sich zu einem einzigen ver- einigten. Weitere hierher gehörige Beobachtungen (an konservirtem Ma- terial) finden sich bei Rhumbler | ce, p. 348, aufgezählt. Die Vorstadien der Eireifung. 253 gegengesetzt der Richtung der Schwerkraft, in die Höhe steigen, wie Gasblasen im Wasser. Es soll unten der Versuch gemacht werden, auch die An- gaben Born’'s über Triton als Stütze der hier vertretenen Auf- fassung zu verwerthen. Hier möchte ich nur wiederholen, dass ich aus den verschiedenen Bildern eine Entstehung der Substanz der Nucleolen an oder in den Chromatinschleifen und die Mög- lichkeit einer Verschmelzung !) derselben ableiten und mich so entschieden gegen die Auffassung aussprechen möchte, dass die Kernkörper aus dem Zellplasma in den Kern hereingelangen und hier in die Bildung des Chromatins eingehen, sowie im Allgemeinen dagegen, dass die kleinen durch Theilung der grösseren entstehen. 3) Sekretcharakter der Nuceleolarsubstanz. Es wurde unter 1) der Nachweis zu führen versucht, dass die Nucleolen im Allgemeinen nieht strukturirte Stoffe darstellen, welehe bei besonders lebhafter Wechselwirkung zwischen Kern und Zellplasma in vermehrtem Maasse zur Bildung kommen. Unter 2) wurde sodann aus einer Reihe von Beobachtungen die Entstehung dieser Stoffe innerhalb des Kerns, speziell in und an den chromatischen Elementen abgeleitet. Schon dadurch wird aber die Annahme nahegelegt, dass sie wenigstens in ı Bezug auf den Kern Sekretstoffe darstellen. Ich werde versuchen, im Folgenden diese letztere Auffassung noch weiter zu begründen. In dem frisch abgelegten Eie mancher Hydromedusen (Aequorea, Mitrocoma) ist neben den Riehtungsspindeln ein runder, dunkel tingirbarer Körper zu beobachten, der mit Rücksicht auf seine äussere Beschaffenheit, seine Lagerung und sein zeitliches Auftreten als ein Residuum des Keimbläschen-Nucleolus (Meta- nucleolus) zu betrachten ist. Der Austritt des Nueleolus?) konnte 1) So sehr zahlreiche Beobachtungen für eine Aneinanderlegung successive gebildeter Nucleolen sprechen (Lamellibranchiaten - Keim- bläschen) und so wenig sich auch gegen die Möglichkeit umfassender Verschmelzungsvorgänge etwas sagen lässt (vgl. die Ausführungen Rhumbler’s, l. e.), so möchte ich doch die Vergrösserung der Nucleo- len, zu einem guten Theil wenigstens, durch Apposition und Ver- dichtung gelöster Stoffe erklären. 2) Neuerdings hat W. M. Wheeler, wie er mir freundlichst mittheilte, den Austritt am lebenden Ei von Myzostoma beobachtet. 254 Valentin Häcker: “num zwar bei den Hydromedusen nicht beobachtet werden, da- gegen stellte sich bei Untersuchung des Echinus-Eies heraus, dass hier der Nueleolus, über dessen Schicksal sich widersprechende Angaben vorlagen, bei Auflösung des Keimbläschens noch eine Zeit lang unter Abnahme der Tingirbarkeit fortbesteht. Mit diesen Befunden, mit welehen noch manche andere z00- logischen Vorkommnisse verglichen werden können, lassen sich einige neuere Beobachtungen auf botanischem Gebiet in Einklang bringen. So hat A. Zimmermann!) in verschiedenen Ge- weben vieler Pflanzen einen Austritt der verkleinerten Nucleolen während der Anfangsphasen der Mitose beobachtet. Ein’ Fort- bestand der Nucleolen während der Kerntheilung ist ferner nach den Untersuchungen Karsten’s und Guignard'’s?) in den Mutterzellen des Sporangiums eines Bärlapps (Psilotum) mit be- sonderer Deutlichkeit wahrzunehmen. Diese Beobachtungen, welche sich sehr gut mit der centri- fugalen Wanderung der Nucleolen im Wirbelthier-Keimbläschen vergleichen lassen, zeigen für gewisse Fälle deutlich, dass der 1) A. Zimmermann, Beiträge zur Morphologie und Physiologie der Pflanzenzellen, Bd. 2, Heft 1, Tüb., 1893. Vgl. Flemming, Ref., Zelle, in den Ergebnissen der Anatomie und Entwicklungsgeschichte: Bd. III, 1893, p. 101. A. Zimmermann nimmt einen Wiedereintritt der Körper in die Tochterkerne an. Ohne die Möglichkeit eines solchen Vorganges ganz in Abrede stellen zu wollen, möchte ich doch darauf hinweisen, dass das Bild einer Rückwanderung auch dadurch vorge- täuscht werden kann, dass die in die peripheren Zonen der Zelle aus- gewanderten älteren Körper sich auflösen, während gleichzeitig von dem neu konstruirten Fadenknäuel bezw. Kerngerüst aus ein Nach- schub neuer Substanzen erfolgt. Es sei hier darauf aufmerksam gemacht, dass nach einer weit verbreiteten Ansicht die Nucleolen vor der Theilung von der Kern- substanz, speziell vom Chromatin, wieder aufgenommen werden, wäh- rend nach A. Zimmermann ihr Rücktritt erst nach der Theilung stattfindet. Die Bilder, auf welche sich diese durchaus widersprechenden Angaben stützen, finden in der hier vertretenen Annahme eine ein- fache Erklärung, dass die Widerstandskraft der nucleolären Substanz gegenüber den auflösenden Faktoren bei ver- schiedenen Objekten eine verschiedene ist. 2) G. Karsten (Die Beziehungen der Nucleolen zu den Centro- somen bei Psilotum triquetrnm. Ber. der deutschen bot. Ges., 11. Jahrg., 1893) nimmt eine Identidät der Nucleolen und Centrosomen an. Vgl. dagegen die Richtigstellung der Karsten’'schen Befunde durch L. Guignard, L’origine des spheres directrices. Journ. de Bot., 1894. Die Vorstadien der Eireifung. 255 Kern die nucleoläre Substanz an das Zellplasma abgiebt!'), dass es sich also hier wohl kaum um Stoffe handelt, welche als Nähr- material dem Chromatin zugeführt werden, sondern um solche, die während der Veränderungen des letzteren zur Abspaltung und dann zur Ausscheidung aus dem Kerne kommen. Ein zweiter Punkt, weleher hier herangezogen werden kann, ist das Auftreten von Vaeuolen ?) in älteren Kernkörpern, ein Vorkommniss, welches allerdings zunächst nur auf einen allmähligen und unregelmässigen Zerfall dieser Gebilde hinweist. So haben Rückert und Born inden späteren Phasen der Keimbläschen- entwicklung die Bildung von Vacuolen in den grösseren Kern- körpern festgestellt und letzterer hat denn auch diese Erscheinung als Anzeichen des nahe bevorstehenden Untergangs dieser Gebilde gedeutet. Etwas weitgehendere Schlüsse lassen sich aus den Er- scheinungen in denjenigen Keimbläschen ziehen, welehe den Echi- nodermen-Typus zeigen. Bei Canthocamptus scheint sich während des ganzen Verlaufs der Eibildung im Allgemeinen nur einmal eine grosse Sammelvacuole im Innern des Kernkörpers zu bilden, welehe später unter Verkleinerung des letzteren ihre Flüssigkeit nach aussen abgiebt. Es kann dies aus Bildern, wie Fig. 1 entnommen werden, sowie daraus, dass eine einzige grosse Vacuole überhaupt erst in späteren Phasen, unmittelbar vor der Grössen- reduktion des Hauptnucleolus, dagegen niemals in jüngeren Stadien zu beobachten ist (vgl. Fig. 17, 18, 20; Ta, p. 220). Das eben Gesagte gilt jedoch nur im grossen Ganzen, denn im Einzelnen ist ein genauer Parallelismus zwischen der Entwicklung des Kernkörpers und derjenigen der chromatischen Substanz gerade bei Canthocamptus nicht wahrzunehmen, ein Umstand, welcher 1) In den oben angeführten Fällen würde die Abgabe der Nuc- leolarsubstanz noch in ungelöster Form stattfinden. Ein Vergleich der Kerntheilungsfiguren in verschiedenen Geweben von verschiedenen Formen zeigt überhaupt, dass auch da, wo die Auflösung der Nucleo- len schon vor der Mitose stattfindet, der Zeitpunkt nicht immer der nämliche ist. 2) Balbiani (Gazette medie. de Paris, 36. Jahrg., 3. Ser., 20. Bd., 1865 und Compt. eond., 61. Bd., 1865) und von la Valette St.George (Arch. f. mikr. An., 2 Bd., 1866) haben zuerst die sog. Schrön’'schen Körner als Flüssigkeitstropfen (Vacuolen) gedeutet. Ersterer hat in den Eizellen von Phalangium und später bei andern Objekten zuerst eine periodische Entleerung der Vacuolenflüssigkeit festgestellt. 256 Valentin Häcker: - verständlicher ist, wenn die Nucleolarsubstanz als ein für den Kern unbrauchbares Sekret betrachtet werden darf, als wenn dieselbe ein für die Entwicklung des Chromatins nothwendiges Baumaterial darstellt. In denjenigen Fällen endlich, in welchen eine periodische Zunahme und Abnahme der Vacuolen zu beobachten ist, wo also der Hauptnucleolus geradezu den Charakter eines pulsirenden Organulums zu zeigen scheint!), ist die Homologie mit dem excretorischen Apparat der Flagellaten und Ciliaten eine so nahe- liegende, dass man sich schwer dazu verstehen kann, die Nucleo- len als Nähr- oder Reservesubstanz zu betrachten. Ich möchte endlich noch in dritter Linie zur Bestärkung meiner Ansicht auf einen kürzlichen Befund vom Rath's in den Speicheldrüsen von Anilocra hinweisen. Bei Anwendung verschiedener Reagenzien zeigen hier die Nucleolen und das Zell- sekret stets- die gleiche Färbung, ein Umstand, der gleichfalls für die Sekretnatur der nucleolären Substanz spricht. Es muss nun freilich zugegeben werden, dass keins der hier angeführten Momente für sich allein beweisende Kraft hat. Ich denke aber, dass sie in ihrer Gesammtheit sehr wohl eine Stütze für die Kernsekret-Theorie bilden können, umsomehr, als keine der neueren Beobachtungsreihen der letzteren unüberbrück- bare Schwierigkeiten entgegenbringt. Wenn ich es nun in Folgendem versuche, auch den Born’schen Bildern, von deren Richtigkeit ich mich an eigenen Präparaten überzeugen konnte, eine andere Deutung zu geben, als von Seiten ihres Autors geschehen ist, so möchte ich dies im Sinne der Worte thun, welehe Born mit Bezug auf einen andern Punkt ausgesprochen hat (1, p. 76): „Zu mehr als zu Vermuthungen gelangen wir auf diesem schwankenden Gebiete nicht. Ich sehe aber den Schaden nicht ein, wenn solehe ausgesprochen werden, wenn sie sich selbst später als falsch erweisen sollten.“ Voraus- geschickt sei hier, dass die linke Seite der folgenden Zusammen- stellung einen Auszug der Born’schen Schilderung bezw. seine Deutung enthält, dass dagegen rechts die Auslegung der Bilder gemäss den hier vertretenen Anschauungen gegeben werden soll. 1) Vgl. Keimbl. II. Theil, p. 29. Die Vorstadien der Eireifung. 257 Befunde von Born am Ovarialei von Triton taeniatus. I. Stadium. Ureier. Typische Bilder von ruhenden Kernen. In- nerhalb der Maschen des Kern- gerüstes ein oder einige grössere, gleichmässig runde Kernkörper- chen, die sich (auf Chromsäure- präparaten) etwas schwächer wie die Fäden und Knoten des Kern- gerüstes färben. II. Stadium. Ausbildung eines Chromatinfadenknäuels und Rück- bildung desselben. Eier von 15 bis 200 u Durchmesser. 1. Stufe. Eier von 25>—60u. Um- wandlung des Netzwerks in einen Knäuel. * Die Nucleolen sind etwas zahlreicher, sie nehmen jetzt ihre (für das unreife Amphibienei charakteristischeStellungdicht an der Kernmembran ein. Es über- wiegen (im Vergleich zu späterhin) kleinere und kleinste Formen. 2. Stufe. Eier von 60—90 u. Uebergang der Dispireme der letzten Theilung der Ureizellen!) in das Keimbläschenstadium. Die Nucleolarsubstanz beginnt sich all- mählich an den Chromatinfäden in Tropfenform abzuscheiden und wird durch die centrifugal gerich- teten Diffusionsströmungen all- mählich gegen die Kernmembran getrieben ?). Der Uebergang des Kerns in 1) Man könnte zu der Annahme geneigt sein, dass die auch in andern Fällen (Canthocamptus) rasch sich abwickelnden Aster- und Dyasterstadien der letzten Theilung der Ureizellen dem Autor ent- gangen sind, und dass die von Born beschriebenen dickfadigen Sta- dien sich auf die lang andauernde Dispirem-Phase beziehen, welche dem eigentlichen Keimbläschenstadium vorangeht. Vgl. hier Fig. 1, sowie den Längsschnitt durch das Ovarium von Cyelops hrevicornis, 7a, Fig. 28. 2) Hierin zeigt sich ein Unterschied gegenüber dem Selachier- Keimbläschen. In letzterem scheinen nämlich die Nucleolen, entgegen- gesetzt der Richtung der Schwerkraft, in die Höhe zu steigen und sich demgemäss an einem bestimmten Abschnitt der Kernperipherie anzu- sammeln. Bei Triton überwiegt dagegen offenbar die nach allen Seiten wirksame Triebkraft der Diffusionsströmungen, so dass die Nucleolen gleichmässig nach allen Punkten der Keimbläschenperipherie geführt werden. Es scheint überhaupt hier die Wirkung der letzt- genannten Triebkräfte gegenüber der Schwerkraft bedeutend zu über- wiegen, wie denn auch Born (l. e., p. 40) erwähnt, dass bei Triton (im Gegensatz zu den Anuren) „das Aufsteigen des Keimbläschens ge- wöhnlich so allmählich stattfindet, dass es keine gröberen Spuren in den Dottermassen hinterlässt“. 258 Umwandlung des dichten, grob- fädigen Chromatinknäuels in einen lockeren dünnfädigen. Die Zahl und Grösse der peripheren Nucleo- len nimmt stetig zu. 3. Stufe. Eier von 90—200 u. Die von „Wolken“ einer körnigen Substanz umgebenen Chromatin- fäden werden immer undeutlicher. Mit zunehmender Häufigkeit treten centrale Nucleolen auf (1), die den peripheren an Grösse und Fär- bung gleichen. Die Zahl der peri- pheren hat nicht nur absolut, son- dern auch relativ (zur Kernver- grösserung) sehr erheblich zuge- nommen, häufig liegen sie zu zweit und dritt dicht bei einander (2). Es überwiegen mittelgrosse und kleine Formen (3). III. Stadium. Eier von 200 bis 350 u Durchmesser. Acusserst feine Vertheilung der chromatischen Sub- stanz. Die Nucleolen bieten im Wesentlichen noch dasselbe Bild. IV. Stadium. Eier von 350 bis 800 u Durchmeser. Bildung der Chromatinfadenstränge. Beginn der Dotterabscheidung im Ei- plasma. Allmähliche Annäherung des Keimbläschens an die Ober- fläche. 1. Stufe. Eier von 350-500 u. Die chromatischen Stränge be- stehen nunmehr aus äusserst fei- ValentinHäcker: das „Ruhestadium“, d.h. in das Stadium lebhafter vegetativer Thä- tigkeit, hat eine vermehrte Ab- scheidung nucleolärer Substanz zur Folge. Die bedeutende Oberflächenver- grösserung der chromatischen Substanz (Rückert) und die da- mit verbundene Steigerung der Stoffwechselthätigkeit bedingt eine bedeutende Zunahme der nucleo- lären Substanz. Während bis- her die Abscheidung der nucleo- lären Tropfen und ihre Wande- rung an die Oberfläche mehr vereinzelt stattfand, ist jetzt die- ser Vorgang so lebhaft ®worden, dass bei der Fixirung jederzeit einzelne Tropfen noch während ihrer Wanderung, also in den cen- tralen Partieen, angetroffen wer- den (). Die abgeschiedenen Tropfen sind in Folge der Inten- sität der Stoffwechselvorgänge theilweise schon an und für sich grösser als in frühern Phasen (5), ausserdem nehmen sie aber noch während ihrer Wanderung durch Apposition gelöster Substanz zu und zum Theil mag auch eine Verschmelzung kleinerer Körper zu grössern stattfinden (2). Während die Verdichtung der Chromatinfäden und ihre Concen- trirung in die Kernmitte ihren Die Vorstadien der Eireifung. nen, in allen möglichen Richtun- gen durcheinander gefilzten Chro- matinfäden. An der Peripherie des Keimbläschens (innerhalb der Membran) tritt eine körnchenfreie helle Zone auf, in welcher die pe- ripheren Nucleolen liegen. Da- neben immer noch centrale Nu- cleolen. 2. Stufe. Eier von 500—800 u. Die chromatische Substanz hat sich unter zunehmendem Deutlich- werden noch mehr gegen das Kerncentrum zurückgezogen („Centralkörper‘“). Die Zahl der peripheren Nucleolen nimmt an- fangs nöch zu, gegen das Ende des Stadiums dagegen ab (1). Im Centralkörper nehmen die Nu- cleolen an Zahl zu, dieselben er- scheinen jetzt gegenüber den pe- ripheren kleiner und abgeblasst (2). Auch in der chromatinfreien Zone zwischen dem Centralkörper und der peripheren Nucleolenzone zei- gen sich einzelne zerkleinerte und abgeblasste Nucleolen. Born denktsich, dass die peri- pheren Nucleolen während dieses Stadiums allmählich nach dem Centrum des Keimbläschens wan- dern, dabei ihre Tinktionsfähigkeit verlieren und sich mehr und mehr (vielleicht durch Zerfall) verklei- nern. V. Stadium. Umwandlung des Knäuels von Chromatinsträngen in einen Knäuel einfacher Chro- matinfäden. Eier von 800—1200 u. Die an die Keimbläschenmembran angelagerten grossen Nucleolen nehmen an Zahl erheblich ab. Da- für sieht man im Innern des Cen- tralkörpers eine immer grössere 259 Anfang nimmt, findet eine an- dauernde Neubildung der Nucleo- len und Wanderung derselben an die Peripherie statt. Gleichzeitig mit der Concen- trirung der chromatischen Sub- stanz beginnen die auflösenden Faktoren sich geltend zu machen. In Folge dessen findet eine all- mähliche Abnahme der peripher gelagerten nucleolären Substanz statt (1), ebenso wie z.B. bei Can- thocamptus in diesem Stadium der Hauptnucleolus sich zu ver- kleinern beginnt (vgl. Fig. 24, 26, 27). Der andauernde, vielleicht sogar in erhöhtem Maasse sich bildende Nachschub von nucleo- lärer Substanz erreicht, wie dies auch bei Canthocamptus (Fig. 26, 28) derFallist, vor seiner Auflösung nicht mehr das Tinktionsvermögen der älteren Gebilde (2). Die Auf- lösung der ältern Körper und die Bildung neuer (adventiver) Ver- diehtungscentren, welche nicht mehr das ursprüngliche Färbungs- vermögen erreichen, fällt also auch hier zeitlich mit dem Beginn der Chromatinverdichtung, d. h. mit dem Eintritt in die Prophasen der Theilung zusammen. Allmählich lösen sich die peri- pheren Nucleolen vollkommen auf (analog: vollkommener Schwund des Hauptnucleolus bei Cantho- camptus). Im Innern des Central- körpers bilden sich immer neue Nucleolen, die aber noch innerhalb der Chromatinfigur der Auflösung anheimfallen. 260 Valentin Häcker: Zahl feiner und feinster, abge- blasster, nucleolusartiger Körper. Hat das Keimbläschen die Ei- oberfläche erreicht, so sind die Nucleolen meist aus der Periphe- rie gänzlich verschwunden und umgeben dicht gedrängt peri- mitotisch den Chromatinfaden- knäuel. Die grossen Nucleolen erscheinen dabei wie aus mehre- ren Klumpen zusammengebacken oder sie sind von Vacuolen durch- setzt. Im Centralkörper findet sich immer noch eine grosse Zahl von abgeblassten und verkleiner- ten Nucleolen eingesprengt. VI. Stadium. Reduktion des Keimbläschens und Umwandlung in die erste Richtungsspindel. Die Nucleolen liegen Anfangs noch „perimitotisch“ in ungefähr zwei Reihen um den Centralkörper herum. Sie sind regelmässig va- euolisirt oder verklumpt, färben sich aber noch mit voller Inten- sität!). Im innern Raum des Cen- tralkörpers ist eine verschieden grosse Zahl kleiner und kleinster abgeblasster Körper eingestreut. Während der Grössenabnahme des Keimbläschens verlieren die perimitotischen Nucleolen ihr Fär- bungsvermögen und zwar alle auf einmal; gleichzeitig nehmen sie sehr rasch an Grösse ab. Bei Ausbildung der ersten Richtungs- spindelsind von diesenabgeblassten und verkleinerten Nucleolen nur ganz vereinzelte Spuren zu sehen. Der Auflösungsprozess schreitet fort, während andererseits bei Ein- tritt der Verkleinerung des Keim- bläschens allmählich die secer- nirende Thätigkeit der chroma- tischen Substanz überhaupt sistirt wird (vgl. die Bilder von Cantho- camptus, Fig. 32 ff.). 1) Diese Angabe lässt vielleicht einen Einwand gegen meine An- schauungen zu, indem sie auf die Identität der früher peripheren und jetzt perimitotischen Körper hinzuweisen scheint. Aber ein Vergleich der Born'schen Figuren 36, 38, 39 zeigt in deutlichster Weise, dass das Tinktionsvermögen der centralen und perimitotischen Körper in den einzelnen Fällen offenbar nicht immer gleich ist, so dass das Bild Fig. 41, welches allerdings sehr dunkle perimitotische Körper zeigt, nieht als Beweis für die Wanderungs-Hypothese gelten kann. Die Vorstadien der Eireifung. 261 Wie in der vorstehenden Zusammenstellung bereits an- gedeutet ist, lassen sich bei Triton einerseits, bei Canthocamptus andrerseits, trotz des scheinbar ganz verschiedenen Verhaltens der Nucleolarsubstanz und trotzdem es sich um zwei verschiedene Keimbläschen-Typen handelt, dennoch deutlich übereinstimmende Züge erkennen. Dies wird aus folgender Uebersicht noch klarer hervorgehen: Triton. Canthocamptus. I. Wachsthum des Andauernde Bildung Allmähliges Wachs- Keimbläschens.Reich- zahlreicher, centrifugal thum eines Hauptnucele- liche Abscheidung einer wandernder, intensiv olus durch Apposition dunkel tingirbaren Nu- cleolarsubstanz. IH. Verdichtung der ehromatischen Sub- stanz und Concentri- rung in die Kern- mitte. Beginn der Auf- Der neu sich bildende Nach- lösungsvorgänge. schub an nucleolärer Sub- stanz erlangt (auf Grund des zu Beginn der Mi- tose sich verändernden färbbarer Kernkörper. Allmählige Auflösung der ältern, peripher ge- lagerten Kernkörper. Die neugebildetenKör- per (adventive Nucleo- len) nicht mehr das Färbungsver- erreichen mögen der ältern und lösen sich noch während ihrer centrifugalen Wan- derung auf. gelöster Substanz. Vacuolenbildung und Grössenabnahme des Hauptnucleolus. DerneugebildeteNach- schub an nucleolärer Sub- stanz (adventive oder Nebennucleolen) bildet Verdichtungscentren von geringerem Färbungs- vermögen. Chemismus der Zelle) nicht mehr das ursprüng- licheFärbungsvermögen. III. Grössenreduc- des Keimbläs- VollständigerSchwund Vollständiger Schwund tion der Nucleolarsubstanz. der Nucleolarsubstanz. chens: Die chromati- sche Figur liegt unmit- telbar im Zellplasma. Als besonders bemerkenswerth wäre hier noch einmal her- vorzuheben, dass bei beiden Formen die Verdichtung und Con- centrirung der chromatischen Substanz zeitlich zusammenfällt mit dem Auftreten eines adventiven Schubs von nucleolärer Substanz, welcher sich durch geringeres Färbungsvermögen aus- zeichnet, sowie durch das Bestreben, sich unmittelbar nach der Entstehung und unabhängig von den bereits bestehenden Ver- dichtungsherden zusammenzuballen. Ich möchte zum Schluss noch auf die Fig. 68 und 69 ver- weisen, welche (in ähnlicher Art, wie Fig. 16 m 7e) halb- schematisch den Stoffwechsel zwischen Kern und Zelle darstellen, 563 Valentin Häckei: ‘wie er nach der vorstehenden Auffassung zu denken wäre. Die Fig. 68 repräsentirt dabei den Echinodermentypus und stellt un- gefähr das Stadium der Fig. 16—21 (Canthocamptus) dar, die Fig. 69, welche eine freie Wiedergabe der Born’schen Fig. 28 ist, veranschaulicht das Verhalten im Wirbelthierkeimbläschen. Die Querstriche durch die Pfeile sollen in beiden Figuren die Aufeinanderfolge der Umwandlungen chemischer und physika- lischer Natur andeuten, welche die in den Kern eintretenden Stoffe erfahren. III. Zusammenfassende Bemerkungen über die Bildung der Vierergruppen und die Zahlenreduktion der Chromosomen. Die vorstehenden Untersuchungen sind- mit der Absicht unternommen worden, den ganzen Verlauf der Ovogenese bei einer und derselben Form Schritt für Schritt zu verfolgen und, unter vergleichender Heranziehung anderer Beobachtungsreihen, diejenigen Punkte zu ermitteln und hervorzuheben, welche als wesentlich und charakteristisch für die Eireifung bezw. die Keim- zellenreifung überhaupt zu betrachten sind. Ich möchte nun im Fol- genden die Ergebnisse der Untersuchung insoweit kurz zusammen- fassen, als dieselben über meine eigenen früheren Resultate und die- jJenigen anderer Autoren hinausgehen oder zur Entscheidung strittiger Punkte beizutragen geeignet sind. Da ich jedoch glaube, hin- sichtlich der Nucleolenfrage nicht über einen vorläufigen Versuch hinausgekommen zu sein, so beschränke ich mich auf die über- sichtliehe Zusammenstellung der Veränderungen, welche die chromatische Substanz erfährt. Die für die Keimzellenreifung charakteristischen Umwand- lungen der chromatischen Substanz werden bei der Eibildung von Canthocamptus bereits sehr frühe, nämlich in den Tochter- knäueln der letzten Theilung der Ureizellen eingeleitet, insofern hier bereits eine Längsspaltung der Chromatinfäden wahrzunehmen ist (Fig. 3d und 3e). Von dieser Phase an persistirt die Doppel- fadenstruktur durch das ganze Keimbläschenstadium hindurch und es tritt so ein bemerkenswerther Unterschied hervor gegenüber der vorletzten Generation der Ureizellen, deren chromatische Substanz die für das „Ruhestadium“ anderer Kerne charakte- ristische Kerngerüst-Struktur zeigt (Fig. 1, wei). Die Vorstadien der Eireifung. 263 Der Fortbestand der Fadenstruktur darf wohl (im Hinblick auf anderweitige Befunde an secernirenden Zellen) mit der intensiven vegetativen Thätigkeit des Kerns, bezw. der wachsenden und dotter- speichernden Eizelle in Zusammenhang gebracht werden, das früh- zeitige Auftreten der Längsspaltung dagegen ist vermuthlich eine phylo genetische Reminiscenz, welche auf solche Formen hinweist, bei denen das Zellwachsthum und die Dotterspeicherung weniger Dbe- trächtlich war und bei welchen daher die beiden letzten Theilungen der Eibildung sich in unmittelbarer Weise an die drittletzte anschlossen. Während einer längeren oder kürzeren Periode ist die ehromatische Substanz auf eine einzige, längsgespaltene Faden- schlinge vertheilt, welche anfänglich in ihrem gesammten Verlauf eine gleichmässig körnige Beschaffenheit zeigt (Fig. 56). Dieser Fadenschlinge kommt die Tendenz zu, in 24 längsgespaltene Seg- mente (12 Vierergruppen) zu zerfallen. Es tritt nun bei Canthocamptus auch unter vollkommen normalen Verhältnissen eine Verschiedenheit im Eireifungsmodus auf, deren biologische Bedeutung bisher noch nicht sicher er- mittelt werden konnte. Bei dem ersten Modus stellt sich die Segmentirung des Doppelfadens vor der Verdichtung der chromatischen Substanz und vor ihrer Concentrirung in der Kernmitte em. Die Bildung der Vierergruppen (Fig. 7—15) erfolgt demgemäss in der von Rückert für Cyelops strenuus beschriebenen Weise dadurch, dass der längsgespaltene Faden sich in 12 Segmente zerlegt, deren jedes sich durch die Andeutung einer weiteren Quer- theilung als Anlage einer Vierergruppe erweist (Fig. 13—15). Die definitive Umbildung der stäbchenartigen Glieder in Kugelele- mente erfolgt erst nach der Eiablage, unmittelbar vor der ersten Theilung (Fig. 45-50). Bei dem zweiten Modus findet die Segmentirung erst nach der Verdiehtung und Concentrirung des Fadens statt. Die verdiehtete Chromatinfigur lagert zunächst in der Kernmitte in Gestalt eines -hufeisenförmig umgebogenen, längsgespaltenen Bandes, dessen Säume von der eigentlichen ehromatischen Substanz eingenommen werden (Fig. 24—26). Dieses Band bricht später an seiner Umbiegungsstelle durch und es entsteht so eine „provisorische Vierergruppe* oder ein „Vierergruppengerüst“ (Fig. 30—34), ein Gebilde, welches morphologisch betrachtet in die Kategorie derjenigen Abarten von Vierergruppen zu bringen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 15 264 Valentin Häcker: “ist, bei welehen sich die Einzelstäbehen auf Grund ihrer Gliederung in kugel- oder scheibenförmige Abschnitte (Pfitzner'sche Körner) als Theilungselemente höherer Ordnung erweisen (eiersacklose Weibchen des tümpelbewohnenden Cyclops strenuus; Ascaris). Bis jetzt konnte nicht ermittelt werden, ob unter bestimmten Verhältnissen die vier Elemente dieser provisorischen Vierer- gruppe die wirklichen Theilungseinheiten darstellen. Wenn auch diese Möglichkeit offen bleiben muss, so ist doch zunächst an- zunehmen, dass die Vertheilung des Chromatins auf vier parallel gelagerte Stäbehen bei Canthocamptus im Allgemeinen nur eine vorübergehende ist. Es nimmt nunmehr der Segmentirungsprocess seinen Weiter- sang und zwar schreitet derselbe allmählich und stufenweise von der Bildung grösserer Elemente zu derjenigen kleinerer fort. Dabei stellt sich heraus, dass jedes Einzelstäbchen sich zunächst zur Zweitheilung anschiekt (Fig. 27—29), dass aber diese Halbirung wieder unterdrückt wird, um einer Dreitheilung Platz zu machen. Die Chromatinsäume der Drittelssegmente zeigen dann eine weitere Zerlegung in zwei Theile und jeder dieser letzteren zerfällt seinerseits in zwei weitere Chromatinhöckerchen, welche die Elemente der definitiven Vierergruppen darstellen (Fig. 66). Während des Austrittes des Eies löst sich das Liningerüst, in welchem die Chromosomen aneinander gereiht sind, auf, so dass die Vierergruppen frei werden. Die geschilderten Verhältnisse liefern auch für Cantho- camptus den wohl kaum anfechtbaren Beweis, dass die Bildung A ab ’ er der Vierergruppen nach der Formel ' erfolgt. Der Fall dürfte ab ; aber um so bezeichnender sein, als zwei verschiedene Abarten des Entwicklungsverlaufs nebeneinander auftreten, welche aber beide auf dem nämlichen Prinzip der einmaligen Längsspaltung und der nachträglichen Zerfällung der doppelwerthigen Elemente in ihren Einheiten (Metalyse) beruhen. So liegt eine vollständige Uebereinstimmung mit den Rückert'schen Resultaten vor und es ist damit für die Ver- treter einer ganzen Reihe von Copepoden-Gattungen das nämliche Verhalten der chromatischen Substanz festgestellt worden. Die Abweichungen, welche namentlich in den Prophasen auftreten, Die Vorstadien der Eireifung. 265 die Bildung von einfachen Doppelstäbehen (Fig. 67, mittlere Reihe I: Canthoe., pelag. Cyel. str), von Ringen (Reihe II: Calaniden) oder Doppelwinkeln und Pseudoringen (Reihe II: Oyel. str. Tümpelform) finden innerhalb des Rahmens des Grund- schemas die beste Unterkunft und stehen theilweise vielleicht in einem gewissen Zusammenhang mit den zeitlichen Ver- schiebungen, welche hinsichtlich des Eintrittes des Seg- mentirungsprocesses einerseits und der Verdichtung der chroma- tischen Substanz andrerseits festgestellt werden konnten. Was das weitere Schieksal der Vierergruppen anbelangt, so konnte für Canthocamptus bei der ersten Theilung das Ausein- anderweichen von Zweiergruppen festgestellt werden. Ob dies wirklich die Gruppen ab sind, war bei der Kleinheit der Ver- hältnisse nicht zu vermitteln. Unter der Voraussetzung aber, dass die von Rückert bei andern Copepoden nachgewiesene Orientirung der Vierergruppen im Aequator der ersten Theilung auch hier Gültigkeit hat, würde also auch für Canthocamptus der Satz gelten, dass die erste Riehtungstheilung nach dem pluri- valenten Schema erfolgt, insofern zwei im ursprünglichen Spirem hintereinanderliegende Chromosomen zunächst noch in engerem Verband bleiben. Es konnte ferner gezeigt werden, dass bei der zweiten Theilung die Zweiergruppen sich mit ihrer Längsaxe senkrecht zum Aequator einstellen und dass die auseinanderweichenden Ele- mente nicht mehr hantelförmig sind, sondern die Gestalt kurzer Stäbehen besitzen. Daraus ist mit grösster Wahrscheinlicehkeit zu entnehmen, dass bei der zweiten Theilung eine Zerlegung der Zweiergruppen in ihre Einheiten erfolgt und dass also die zweite Reifungstheilung eine Reduktionstheilung im Sinne Weismann’s darstelle, d. h. eine solche, bei welcher die Vertheilung der vorhandenen Chromosomen ohne vorherge- hende Verdoppelung ihrer Zahl (dureh Längsspaltung) erfolge. Wie mir scheint, enthalten die Vorgänge, welche in die kurze Zeitspanne zwischen erster und zweiter Theilung fallen, den wichtigsten Punkt in der ganzen Reihe von Erscheinungen, und zwar nicht bloss bezüglich des Reduktionsproblems, sondern in ganz allgemein kerngeschichtlicher Hinsicht ; denn eine mitotische Kerntheiluing ohne vorhergegangene Längsspaltung der Chromo- 966 Välentin Häcker; _ somen kommt, so viel wir bis jetzt wissen, bei keinem anderen thierischen Zellvermehrungsprozesse vor. Dieser charakteristische Umstand tritt aber in der von Rückert gegebenen Zusammenfassung in keiner Weise hervor. Rückert sagt nämlich (13d, p. 582), dass die Zahlenreduktion der Chromosomen durch das Zusammenwirken zweier Vorgänge zu Stande komme: „1) Sie wird eingeleitet vor der Reifung durch den Ausfall einer Quertheilung des Chromatinknäuels, in Folge dessen je zwei Chromosomen mit einander verkettet bleiben. 2) Sie kommt zum Vollzug in der zweiten Richtungsspindel dadurch, dass diese beiden Chromosomen auf die Pole vertheilt werden.“ Ich gebe vollkommen zu, dass der Ausfall der Quertheilung ein wichtiges Moment ist, da, wie Rückert durchaus zutreffend bemerkt, im Aequator der zweiten Theilungsfigur die Chromo- somen nur dann zweireihig aufgestellt werden können, wenn sie paar- weise unter sich verbunden sind. Aber es ist doch daran zu erinnern, dass dieser Ausfall der Quertheilung keineswegs ein für die Reifungstheilungen charakteristisches Vorkommniss ist, sondern sich auch sonst, namentlich in generativen Zellen vorfindet, also auch da, wo ein Reduktionsvorgang nicht nach- folgt. Ich glaube daher mit Rückert, dass die anfängliche Unterdrückung der Quertheilung für den Mechanismus der zweiten Theilung von grosser Bedeutung ist, weil die gewöhnliche Me- thode, eine zweireihige Anordnung der Elemente im Aequator her- zustellen, in Folge des Ausfalls der Längsspaltung nicht zur An- wendung kommen kann. Der Aussfall der Quertheilung ist aber eben doch nur ein Moment, welches für den Mechanismus der Theilung von Bedeutung ist, während die eigentliche Ursache der Zahlenreduktion der Aussfall der Längsspaltung und der damit verbundenen Verdoppelung der Elementezahl ist. Ich vermag daher Rückert auch darin nicht zu folgen, wenn er meint, die Wahrheit liege wieder einmal in der Mitte, nämlich zwischen der Boverischen und Weismann’schen An- schauung, insofern die Reduktion bereits im Keimbläschen vorbe- reitet werde. Dieser Darstellung gegenüber ist vielmehr daran zu er- innern, dass nach Boveri die Reduktion schon während des Keimbläschenstadiums erfolge, auf Grund eines unbekannten Vor- Die Vorstadien der Eireifung. 367 gangs, welcher die Hälfte der Elemente verloren gehen lässt. Mit dieser Anschauung hat aber die Feststellung der Doppelwer- thigkeit der Elemente in keiner Weise etwas zu thun, ja sie steht vielmehr in vollkommenem Gegensatz zu der Grundannahme einer doppelten Längsspaltung der Elemente, auf welche Boveri seine Auffassung stützt. Andererseits hat aber Weismann keineswegs nur den letzten bei der zweiten Theilung sich abspielenden Akt im Auge gehabt, wie Rückert sagt, sondern den Vorstadien der _ Reifung, soweit über dieselben etwas bekannt war, die grösste Aufmerksamkeit geschenkt (Amphimixis, p. 722 ff.). Wenn irgendwo, so scheint mir in dieser Frage ein Di- iemma vorzuliegen, welches durch direkte Beobachtung und zahlenmässig entschieden werden kann. Bezüglich der Arthro- poden zum mindesten dürfte sich dieses Dilemma bereits zu Gunsten der Darlegung entschieden haben, durch welche Weis- mann (1887) das Reduktionsproblem in’s Leben gerufen hat: „wenn aber die postulirte Reduktionstheilung wirklich existirt, dann muss noch eine andere Art von Karyokinese vorkommen, bei welcher die primären Kernschleifen des Aequators nicht gespalten werden, sondern ungetheilt sich in zwei Gruppen scheiden, von denen jede einen der beiden, Kochterkerne bildet. Ich möche zum Schluss das, was über den Reduktionsvor- gang bei den Arthropoden und bei Salamandra bekannt ist, in folgenden Sätzen zusammenzufassen: 1) Die Constanz der Chromosomenzahl in den aufeinanderfolgenden mitotischen Theilungssehritten pflegt dadurch erreicht zu werden, dass vor der Vertheilung der Elemente auf die zwei Tochterkerne eine Verdoppelung ihrer Anzahl durch Längsspaltung eintritt. Bei der zweiten Theilung der Reifungs- phase dagegen findet eine Reduktion der Chromsomen- zahl dadurch statt, dass jene Längsspaltung und die damit ver- bundene Verdopplung der Elementezahl unterbleibt. 2) Die erste Theilung der Reifungsphase verläuft nach dem auch sonst bei generativen Zellen vorkommenden pluri- valenten Schema, d. h. es bleiben je zwei Nachbarelemente zu- nächst in näherem Verband miteinander (vom Rath, Häcker, Rückert). Diese „Pseudoreduktion“ steht zu dem eigentlichen 268 Valentin Häcker: durch die zweite Theilung bewirkten Reduktionsvorgang insofern in engerer Beziehung, als durch die Unterdrückung der letzten Quertheilung Elemente-Paare geschaffen werden. Es scheint nämlich (Rückert), dass der Mechanismus der Kern- theilung, im Speziellen die zweireihige Aufstellung der Elemente im Aequator, das Auftreten von Elemente - Paaren zur Voraus- setzung hat. Freiburg im Breisgau, den 17. Februar 1895. Verzeichniss der auf die Vorstadien der Reifungstheilungen, speciell die Bildung der Vierergruppen bezüglichen Literatur. 1. Born, G., Die Struktur des Keimbläschens im Ovarialei von Tri- ton taeniatus. Arch. f. mikr. An., 43. Bd., 1894. Boveri, Th., Zellen-Studien III. Jen. Zeitschr., 24. Bd., 1890. 3. Brauer, A. a) Ueber das Ei von Branchipus Grubii. Abhandl. d. preuss. Ak. d. Wiss., Berlin 1892. b) Zur Kenntniss der Sperma- togenese von Ascaris megalocephala. Arch. f. mikr. An., 42. Bd., 1895. ce) Zur Kenntniss der Reifung des parthenogenetisch sich entwickelnden Eies von Artemia salina. Arch. f, mikr. An., 43. Bd., 1394. 4. Carnoy, J. B, a) La Cytodierese chez les Arthropodes. La Cellule, T. I, 1885. b) La Cytodierese de l’oeuf. La vesicule ger- minative et les globules polaires chez quelques Nematodes. La Cellule, T. III, 18861). 5. Flemming, W., Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. Arch. f. mikr. Anat., 29. Bd., 1887. 6. Guignard, L., a) Observations sur la pollen des Cycadees. Journ. de Bot., 1889. b) Nouvelles &tudes sur la fecondation. Arch. se. nat. VIIme Ser. Bot., T. XIV, 1891. 7. Häcker, V., a) Die Eibildung bei Cyclops und Canthocamptus. Zool. Jahrb., Abth. f. Anat. u. Ontog., 5. Bd., 1892. b) Die hetero- typische Kerntheilung im Cycelus der generativen Zellen. Ber. x) 1) In zahlreichen Bildern dieser beiden umfangreichen Ar- beiten finden sich Anklänge an die bei andern Objekten untersuchten Verhältnisse. Jedenfalls werden spätere Untersucher in den Carnoy’- schen Arbeiten manchen wichtigen Hinweis auf günstiges Material finden. Schon aus diesem Grunde beanspruchen sie einen Platz in der Literatur über die Vierergruppen. 10. 11: 12. 13. Die Vorstadien der Eireifung. 269 Nat.-Ges. Freiburg, 6. Bd., 1892. ce) Das Keimbläschen, seine Ele- mente und Lageveränderungen, I. Theil. Arch. f. mikr. Anat., 41. Bd., 1893. d) Ueber generative und embryonale Mitosen, so- wie über pathologische Kerntheilungsbilder. Arch. f. mikr. Anat., 43. Bd., 1894. Henking, H., a) Untersuchungen über die ersten Entwicklungs- vorgänge in den Eiern der Insekten. II. Ueber Spermatogenese und deren Beziehung zur Eientwieklung bei Pyrrhocoris apterus L. Zeitschr. f. wiss: Zool., 51. Bd., 1891. b) Dasselbe. III. Spe- cielles und Allgemeines. Zeitschr. f. wiss. Zool., 54. Bd., 1892. Hertwig, OÖ. Vergleich der Ei- und Samenbildung bei Nema- toden. Eine Grundlage für celluläre Streitfragen. Arch. f. mikr. An., 36. Bd., 1890. Ischikawa, C., Studies of reproductive elements. I. Spermato- genesis, ovogenesis, and fertilization in Diaptomus sp. Jour. Coll. of Sc., Imp. Univ. Tökyö. Vol. 5, 1891. Platner, G., Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungs- erscheinungen. Arch. f. mikr. An., 33. Bd., 1889. vom Rath, OÖ. a) Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryl- lotalpa vulgaris Latr. Mit besonderer Berücksichtigung der Frage der Reduktionstheilung. Arch. f. mikr. An., 40. Bd., 1892. b) Bei- träge zur Kenntniss der Spermatogenese von Salamandra macu- losa. Zeitschr. f. wiss. Zool., 57. Bd., 1893. Rückert, J., a) Zur Entwicklungsgeschichte des Ovarialeies bei Selachiern. Anat. Anz., 7. Jahrg., 1892. b) Ueber die Verdoppe- lung der Chromosomen im Keimbläschen des Selachiereies. Anat. Anz., 8. Jahrg., 1893. ce) Zur Eireifung bei Copepoden. Anat. Hefte, 4. Bd., 1894. d) Referat: Die Chromatinreduktion bei der Reifung der Sexualzellen. Erg. d. An. und Entw., 3. Bd., 1893 (1894). Strasburger, E., Ueber periodische Reduktion der Chromosomen- zahl im Entwicklungsgang der Organismen. Biol. Cbl., 14. Bd., 1894. Toyama R., On the spermatogenesis of the silk-worm. Bull. Agric. Coll., Imp. Univ. Tökyö, Vol. II, 1894. . Weismann, A. Amphimixis oder die Vermischung der Indivi- ) © duen. Jena 1891. Wilcox, E. V„ Spermatogenesis of Caloptenus femur-rubrum. Prelim. notice. Anat. Anz., 10. Bd., 1894. Erklärung der Tafeln XIV—XVII. Sammtliche Figuren beziehen sich, soweit nichts anderes anee- > ’ fo) geben ist, auf Canthocamptus staphylinus Jur. (Ordn.: Copepoda, Fam.: Harpacticidae). 270 Valentin Häcker: Fig. 1. (Seib,, hom. Imm. 2 mm, 0Oe. 2, Vergr. 250.) Längsschnitt Fig 182 4. durch den weiblichen Geschlechtsapparat, nahe der Median- ebene. Dicht vor dem den Cephalothorax und das erste freie Thorakalsegment verbindenden Gelenk liegt, von Blut- lakunen umgeben, das blinde Ende des Ovariums. Eines der Keimpolster (kp) ist getroffen, vor demselben die ruhen- den Kerne der vorletzten Generation der Ureizellen (we?). Es folgen die Prophasen und Dispireme der letzten Theilung der Ureizellen (kz, bei * eines der seltenen Spireme). Weiter vorn, beim Uebergang des Ovariums in die vorderen Ovi- duktabsehnitte (vod), allmähliche Ausbildung des „Doppelfaden- stadiums“, gleichzeitig Differenzirung der Eizellen aus dem Syneytium. Vereinzelte Zwischenkerne, corpuscules residuels, häufig paarweise gelagert (zk, im Text nicht berücksichtigt). In den der Darmwand (dw) angelagerten Eizellen Dotterab- scheidung. Dicht hinter dem Uebergang aus dem Oesophagus (oe) in den Mitteldarm befindet sich in dessen dorsaler Wan- dung ein Regenerationsherd mit Mitosen (rh). Aus einer Längsschnittserie von einem andern Weibchen. Genau dieselben Verhältnisse wie in Fig. 1. In der Keim- zone (kz) eine der seltenen Aequatorialplatten. . Querschnitt durch die beiden Keimpolster (kp) kurz hinter der Vereinigung der beiden Endzipfel des Ovariums zu einem unpaaren Schlauch. Die Endzipfel liegen hier den ver- grösserten Ovidukteizellen unmittelbar auf. a—f. Die einzelnen Phasen der letzten Theilung der Urei- zellen. 3a Ruhestadium, 3b lockeres Spirem im optischen Durchschnitt, 3e Aequatorialplatte, 3d Dispirem, 3e und Sf Uebergang zum Doppelfadenknäuel. In 3d und 3e ist be- reits die Längsspaltung deutlich zu sehen. Kern aus dem vorderen Oviduktabschnitt (Fig.1 vod). 4a An- schnitt, 4b Durchschnitt. 5—6. (? Zusammenhängende) Doppelfadenschlinge im optischen Durehsehnitt. 7-15. Erster Eireifungsmodus. 7—11. Zerlegung des Doppelfadens in zwölf Segmente. Nach- trägliche Verklebungen der Segmentenden (ophiurenähnliche Bilder). g. 12—15. Verkürzung und Quertheilung der Doppelfadensegmente, Uebergang in die Vierergruppen. Auftreten der adventiven Nucleolen (Fig. 15). .. 16—34. Zweiter Eireifungsmodus. . 16—19. Verdichtung der Doppelfadenschlinge und allmähliche Concentrirung derselben auf die Kernmitte. Fig. 16—17 stellen die ganze Schlinge dar, Fig. 18—19 sind Bilder von optischen Durchschnitten. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. > Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Die Vorstadien der Eireifung. 271 20—23. Zunehmende Verkürzung. Es beginnen die adventiven Nucleolen aufzutreten. 24—26. Einfache, zur Hufeisenform orientirte Doppelfaden- schlinge. 27—29. Vorübergehende Tendenz zur Halbirung der beiden Schenkel. 30—33. Definitive Segmentirung. Das Hufeisen hat sich in zwei parallelle Schenkel zerlegt (provisorische Vierergruppe, Vierergruppengerüst). Fig. 30 und 31 (unterstes Stäbchen) zeigen die Dreitheilung der Schenkel, Fig. 31 (oberstes Stäb- chen) und Fig.32 die darauf folgende Zweitheilung der Schenkel- drittel. Fig. 33: jedes der 6 einem Einzelstäbchen (vgl. Fig. 33 b) aufsitzenden Chromatinhöckerchen zeigt eine abermalige Halbirung, wodurch die Elemente der definitiven Vierergruppen entstehen. 34. Querschnitt durch eine „provisorische Vierergruppe*. 35 (Seib. 4mm Oc.2, Vergr. 125.) Längsschnitt durch das Abdomen eines in der Eiablage begriffenen Weibehens. Ein Oviduktei (0) ist getroffen (die zugehörige Chromatinfigur ist vergrössert in Fig.35a dargestellt). Unter den ausgetretenen Eiern zeigen die jüngsten (j) Schwärzung des Plasmas durch Metallsalze, die älteren im Copulationsstadium stehenden (ä) Blaufärbung durch Hämatoxylin. 35a und 36. Zerlegung des Vierergruppengerüstes in die defini- tiven Vierergruppen. 37—38. Die auf engem Raum unregelmässig zusammengedrängten Vierergruppen der ältesten Ovidukteier. 39. Eben ausgetretenes Ei. Dunkel tingirtes Plasma, schwarz ge- färbte Oelkugeln. 40 und 41. Weiblicher und männlicher Geschlechtskern aus einem frisch abgelegten Ei. 42. Ovarium (ov) und Ovidukt von Diaptomus gracilis in der gleichen Orientirung wie Fig.1. Die drei im Ovidukt befind- lichen Eier zeigen die Aequatorialplatte der ersten Richtungs- spindel (rsp), das mittlere in Pol-, die beiden andern in seit- licher Ansicht, sowie den eingedrungenen Spermakern (sp) und die Kerne des Oviduktepithels (ep). Die Eier haben sich bereits im Ovidukt verdichtet und zusammengeballt. Fig. 43. (Seib. 4 mm, Oc. 2, 125.) Schnitt durch einen eben gebilde- ) + ten Eisack von Canthocamptus. Die Eier zeigen die erste Richtungstheilung in ihren verschiedenen Phasen, sowie einen vielleicht als „Metanucleolus“ zu deutenden Körper (m). Bei sp Schnitt durch die Samenpatrone. Fig. 44. (Seib.2 mm, Oe.2, 250). Grössenverhältnisse des Keimbläschens zu Beginn der Vierergruppenbildung (a), des Eikerns kurz vor der ersten Richtungstheilung (b) und des Dyasters der ersten Theilung (ce). 272 Valentin Häcker: Fig. 45—46. Prophasen der ersten Theilung. In Fig. 46 Anordnung der chromatischen Elemente in zwei Gruppen. Fig. 47’—54. Erste Richtungstheilung. Fig. 47—48 Aequatorial- platte in Polansicht, Fig. 49—50 dieselbe in Seitenansicht, Fig. 51—53 Dyaster in verschiedenen Phasen, Fig. 54 Doppel- asterstadium. Fig. 55. Dyaster der ersten Theilung in Polansicht (aus einem andern Eisack als die Figuren 43—54 entnommen). Fig. 56. Doppelaster: Aequatorialplatten des Eikerns und des ersten Richtungskörpers. Die ganze Theilungsfigur ist gekrümmt so dass die erstgenannte Aequatorialplatte in Seitenansicht, die zweite in Polansicht zur Darstellung kommt. Fig. 57—59. (Zeiss, Imm. 3,0 mm, Oe. 8, Vergr. 667.) Doppeldyaster der zweiten Theilung: Bildung des Eikerns und der drei Richtungskörper. Fig. 60 (dieselbe Vergr... Ei mit den beiden Geschlechtskernen und dem zusammengesetzten Richtungskörper (2 RR). Fig. 61—63 (dieselbe Vergr.). Copulationsstadium mit abnormer Ver- grösserung des zusammengesetzten Richtungskörpers (2 RK). Fig. 64 (dieselbe Vergr.). Uebergang aus dem Vierzellen- in das Acht- zellenstadium. Die Dyasterfigur zeigt die chromatischen Ele- mente in Form von Doppelstäbchen. Fig. 65 (dieselbe Vergr.). Blastodermstadium, die beiden eben einge- wanderten Urgenitalzellen (ug) und den zusammengesetzten Richtungskörper (2 RK) zeigend, letzteren an der Wand des Blastoeöls. Fig. 66. Halbschematische Darstellung des successiven Segmentirungs- processes. Die auf einanderfolgenden Divisoren sind: 2 (pro- visorische Vierergruppe), 3, 2, 2 (definitive Vierergruppen). Fig. 67. Die verschiedenen Typen der Vierergruppenbildung. Reihe I (mittl. R.); Entstehung der Vierergruppen mit einfacher Doppelstäbehenbildung. Beispiel: Canthocamptus, erster Mo- dus. Reihe II (links): E. d. V. durch Ringbildung. Beispiel: Diaptomus. Reihe III (rechts): E. d. V. durch Winkelbildung. Beispiel: tümpelbewohnende, eiersacklose Weibchen von Cy- celops strenuus. Die Horizontalreihe « zeigt das Doppelfaden- stadium, b die Segmentirung, c die Verkürzung der Elemente (in Reihe III Bildung von Pseudoringen), d die definitiven Vierergruppen. Fig. 68. Halbschematische. Figur, welche den Stoffwechsel in Keim- bläschen vom Echinodermen-Typus darstellt (dem Stadium Fig. 16—21 bei Canthocamptus entsprechend). Die in den Kern eintretenden Stoffe werden in der Chromatinfigur umge- setzt. Die hierbei gelieferten Abspaltungsprodukte verdichten sich im Hauptnucleolus, welcher unter Vacuolenbildung eine allmähliche Auflösung erfährt und seine physikalisch oder Die Vorstadien der Eireifung. 273 chemisch umgebildeten Substanzen an. das Zellplasma ab- gibt. Fig. 69. Stöffwechsel im Keimbläschen vom Wirbelthier-Typus (frei nach Born’s Figur 28). Die in oder an der Chromatinfigur abgeschiedenen Umsetzungsproducte werden in zahlreichen Verdichtungsherden (Nebennucleolen) condensirt. Letztere werden durch die Diffusionsströmungen centrifugal nach der Kernperipherie geführt, wo sie der allmählichen Auflösung entgegengehen. (Aus dem II. anatomischen Institut der Berliner Universität.) Transplantationsversuche mit Hydra. Von cand. med. «eorg Wetzel. Hierzu Tafel XVII. Trembley’s Untersuchungen über den Süsswasserpolypen sind in unserem Jahrhundert nach zwei Richtungen fortgesetzt worden. Bessere Methoden und vollkommenere Instrumente ha- ben zu einer genauen Kenntniss des feineren anatomischen Baues geführt, und auf diesem Gebiete hat die ältere Forschung eine bedeutende Umwandiung und Erweiterung erfahren. Doch auch für seine physiologischen Experimente ist das Interesse wieder lebhaft erwacht. Sie verlangen gleichfalls vom Standpunkt mo- derner Theorien aus eine Wiederholung und Ergänzung. Dabei kommen zwei Richtungen der gegenwärtigen For- schung in Betracht. Die Transplantation im Pflanzenreich ist in der Gartenkunst von praktischen Gesichtspunkten aus schon so lange bekannt, als überhaupt die Kunst der Veredlung unserer Obst- sorten geübt wird. In letzter Zeit sind diese Erscheinungen auch von wissenschaftlichen Gesichtspunkten aus eingehend studirt worden und haben zu interessanten Ergebnissen geführt. Es liegt nun nahe, auch im Thierreiche die entsprechenden Vorgänge zu untersuchen. Da die niedern Thierformen in ihren 274 Georg Wetzel: Wachsthumserscheinungen, ihrer Abhängigkeit von der Schwer- kraft und in manchem Anderen viele Analogien zu den Pflanzen bieten, wie das neuerdings besonders von Loeb betont worden ist, so muss es uns in erster Linie interessiren, welche Gesetze sich hier für die Transplantationsvorgänge ausfindig machen lassen. Das ist der eine Gesichtspunkt, von dem aus die vorliegen- den Untersuchungen vorgenommen wurden. Der andere steht in Zusammenhang mit den Problemen, die augenblicklich, man kann wohl sagen, im Vordergrunde der biologischen Forschungen stehen. Es handelt sich hier darum, ob ein Theil eines noch unentwickelten Organismus sich nur in einer bestimmten Rich- tung entwickeln oder unter veränderten Bedingungen zu einem anderen als dem typischen Organe werden kann, ob, wie O. Hert- wig es formulirt hat, Praeformation oder Epigenese die Organ- bildung beherrscht. Bei höheren Thieren kommen hier in erster Linie die Entwicklungsvorgänge des Eies in Betracht, bei niederen da- gegen auch die Erscheinungen der Regeneration. Kann bei ihnen ein verlorenes Organ nur durch ein gleiches ersetzt werden oder auch durch eines, das dem verlorenen morphologisch und physiologisch ungleich ist, kann für eine einfache Regeneration eine Heteromorphose eintreten? Diese Frage ist von Loeb!) aufgeworfen und für viele Hydroidpolypen bejahend beantwortet worden. Er hat zahlreiche Heteromorphosen bei ihnen erzeugen können. Um nun zu sehen, ob dasselbe auch bei Hydra möglich ist und um zu erfahren, wie die Transplantationserscheinungen sich bei diesem Thiere verhalten, bin ich an die folgenden Ex- perimente herangetreten. Herr Professor Oskar Hertwig, dem ich die Anregung zu dieser Arbeit verdanke, hat mich auch während ihres Ver- laufes vielfach unterstützt und gefördert; es ist mir daher eine angenehme Pflicht, ihm an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank dafür aussprechen zu können. Wie bekannt, ist es Trembley?) schon vor anderthalb Jahrhunderten gelungen, das abgeschnittene Vorderende einer 1) J. Loeb, Untersuchungen zur physiol. Morphologie der Thiere. Würzburg 1891. 2) A. Trembley, Memoires pour servir & l’histoire d’un genre de Polypes d’eau douce. Leide 1744, p. 290 ff. Transplantationsversuche mit Hydra. 275 Hydra mit der hinteren Hälfte eines anderen Exemplars derselben Art zu vereinigen. Es glückte ihm indess nur einige Male, und wenn man von einem kurzen brieflichen Bericht Reaumur's über einen ihm gelungenen Versuch absieht, fin- den sich in der Litteratur nur sehr mangelhafte Bestätigungen seiner Experimente. Henry Baker!) weiss nur über misslungene Versuche zu berichten, er vermochte nicht einmal die Hälften eines eben erst durchsehnittenen Polypen wieder zur Vereinigung zu bringen. Marshall?) konstatirte, dass die Hälften einer Hydra, die bei der Durchsehneidung nicht aus der Lage kamen und also nur einen kurzen Augenblick von einander getrennt wurden, sich wieder verbanden. Waren sie aber einmal aus ihrer Lage gewichen, so vermochte auch er ihre Vereinigung nicht wieder herbeizuführen. Ausser diesem Verfahren, Theilsticke auf einander zu pfropfen, hatte Trembley selbst die Verschmelzung zweier ganzer Exemplare durch Inemanderstecken erreicht. Lichtenberg?) band zwei Thiere mit einem Haare zusammen und beobachtete einmal, dass sie sich dauernd verbanden. Ischikawa®) endlich steckte zwei Exemplare mit einer Borste zusammen und erreichte es ebenfalls. Von diesen letzteren Verfahrungsweisen habe ich ganz ab- gesehen und mich auf das eigentliche Aufeinanderpfropfen be- beschränkt, worüber, soweit mir bekannt, nur bei Trembley ausführliche Beschreibungen gelungener Versuche vorliegen. Da- bei bin ich auf zweierlei Weise zu Werke gegangen. Im Anfang nach Trembley’s Methode. Ich schnitt mit einer feinen, scharfen Scheere zwei lang ausgestreckte Hydren etwa in der Körpermitte in zwei Hälften, und übertrug die vor- dere Hälfte der eimen und die hintere der andern in einige Tropfen Wasser, die sich auf emem hohlgeschliffenen Objektträger befan- den. Dort brachte ich die Wundflächen unter Kontrolle mit schwachen Vergrösserungen in möglichst genaue Berührung. Ent- 1) H. Baker, Essai sur l’'histoire naturelle du Polype. Paris 1744, p. 291. 2) W. Marshall, Ueber einige Lebenserscheinungen des Süss- wasserpolypen, Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie. Bd. 37. 1882. 3) Hannoverisches Magazin. XI. Jahrgg. 5. Stück. 1773. 4) C. Ischikawa, Trembley’s Umkehrungsversuche an llydra. Zeitschrift. f. wissenschaftl. Zoologie. Bd. 49. 1890. 276 Georg Wetzel: 'fernten sich die Stücke voneinander, so schob ich sie mit zwei Präparirnadeln oder mit Schweinsborsten wieder zusammen und fuhr damit fort, bis sie sich nicht wieder trennten oder bis dies langwierige Verfahren meine Geduld erschöpft hatte. Nur ein Theil der mühsamen Versuche gelang, und da ich für meinen Zweck viele gelungene Operationen brauchte, so ver- suchte ich im Vertrauen auf die Zähigkeit der Hydra ein anderes Verfahren, das sich auch als sehr geeignet erwies, und das ich in folgender Weise ausführe. Das vordere Ende eines Exemplars wird abgeschnitten und durch seinen Leibesraum eine Borste ge- führt. Einem andern wird die Vorderhälfte und die Fussscheibe abgetrennt, und das Thier, das nur noch eine an beiden Seiten offene Röhre darstellt, gleiehfalls auf die Borste geschoben, und zwar so, dass das hintere Ende des ersten und das vordere des zweiten T'hieres sich berühren. Diese Procedur nehme ich wie die vorige in wenigen Tropfen Wasser auf einem hohlgeschliffenen Objektträger vor. Die wie Perlen aufgereihten Stücke werden dureh die Borste gehindert, nach der Seite auszuweichen. In der Längsrichtung können sie sich auch nur schwierig entfernen; denn, durch die vorhergehenden Manipulationen gereizt, befinden sie sich in starker Kontraktion und beim Ausdehnen werden die Wundflächen um so fester aneinander gepresst. Erst wenn sie sich nach der Ausdehnung wiederum zusammenziehen, entfernen sie sich natürlich von einander. Diese zweite Zusammenziehung findet gewöhnlich nur dann statt, wenn sie irgendwie beunruhigt werden. Es muss daher die grösste Vorsicht walten, wenn man nieht auch bei diesem Verfahren die Thiere beständig überwachen und immer wieder an einander schieben will. Bei der nöthigen Vorsieht ist das zu umgehen. Das überschüssige Wasser wird mit Filtrirpapier soweit abgesaugt, dass die Thiere nur noch be- feuchtet sind und also auch der Wassermangel eine Entfernung von einander bedeutend erschwert. Zur Verhütung der Ver- ddunstung und Austrocknung kommen sie in eine feuchte Kammer und bleiben sich selbst überlassen. Nach Verlauf einer Viertelstunde haften sie meistens schon aneinander und nach einer halben Stunde kann man sie von der Borste abstreifen, ohne sie dabei wieder zu trennen. In der Regel lasse ich sie jedoch länger, bis zu mehreren Stunden, auf der Borste, um eine möglichst vollständige und ungestörte Verwachsung zu erreichen. Transplantationsversuche mit Hydra. 277 So ausgeführt, ist der Versuch wenig zeitraubend und gelingt zwar nicht ohne Ausnahme, aber doch in der grossen Mehrzahl der Fälle. Schwierig ist nur das Einführen der Borste. Miss- handelt man dabei die Stücke zu sehr, so gehen sie leicht zu Grunde. Ich kam am besten zum Ziele, wenn ich das stark kontrahirte Thier mit einer breiten glatten Pincette fixirte und durch den in Folge der starken, Kontraktion sehr kurzen Leibes- Kanal die Borste rasch hindurehsteckte. Ferner müssen kräftige und gut genährte Exemplare ausgewählt werden. Stark ver- kleinerte Individuen im Hungerzustande haben wenig Neigung zur Verwachsung und es ist auch schwerer mit ihnen zu operiren. Sämmtliche Versuche, die hier beschrieben werden sollen, sind mit dieser Methode angestellt wordeny und es wird daher bei ‚ihrer Beschreibung über die Technik hinweggegangen werden. Als Versuchsthbier diente die im Tegler See an Stratiotes zahlreiche Form der Hydra fusca, die Brauer!) beschrieben hat und die er als eine besondere Art zu betrachten geneigt ist. Sie hat nach ihm kugelrunde mit kurzen Fortsätzen versehene Eier, die an Pflanzentheilen festgeklebt werden. Die Eier von Fusca sind dagegen flach und stellen ein Kugelsegment dar. Dazu kommt die Getrenntgeschlechtigkeit der fraglichen Art, während fusca hermaphroditisch ist. In der äusseren Form zeigten meine Thhiere gar keine Unterschiede. Eine Anzahl von ihnen bildete Eier und Hoden und ich konnte beide Merkmale, das getrennte Ge- schlecht und die festgeklebten kugelrunden Eier mit kurzen Fort- sätzen an ihnen nachweisen. Diese Hydra ist vorzüglich zu den Versuchen geeignet. Sie erreieht eine ziemlich beträchtliche Grösse. Meine längsten Exemplare maassen ausgestreckt ohne Tentakel etwa 2 cm. Ferner ist es von Vortheil, dass die Abschnitte ihres Leibes scharf von einander geschieden sind. Gegen den weiten, volumi- nösen Magentheil, der eine bräunliche Färbung zeigt, setzt sich der helle durchsichtige Fuss von geringem Querschnitt und ver- hältnissmässig beträchtlicher Länge deutlich ab. An der Grenze von Fuss und Magen befindet sich die Knospungszone. Es wurde nun eine doppelte Versuchsreihe ausgeführt. Erstens wurden die Theile so vereinigt, dass sie gleichgerichtet 1) A. Brauer: Ueber die Entwieklung von Hydra. Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie. Bd. 52. 1891. 278 : Georg Wetzel: blieben, also ihre oralen Enden nach der einen Richtung sahen und ebenso die aboralen nach der entgegengesetzten. Dabei verbanden sich die oralen Wunden des einen Stücks mit den ab- oralen des andern, also immer die ungleichnamigen mit einander. Bei der zweiten Reihe wurden die Theile in entgegengesetztem Sinne orientirt. Il. Verheilung von Stücken iin gleicher Orientirung. 1) Vordere Theile wurden mit hinteren vereinigt, wobei die Schnittflächen zwischen Kopf und Knospungszone gelegen waren. Eine Einschnürung an der Vereinigung, wie Trembley sie beschreibt, war hier in Folge der Anwendung der Borste gar nicht oder nur in sehr geringem Grade vorhanden und ebenso kommunieirten natürlich beide Leibeshöhlen von vorn herein frei mit einander. Die Thiere unterschieden sich in keiner Weise von normalen. 2) Versuch vom 17. Januar 1895. Einem Exemplare wurde nur der äusserste Theil des Fusses, einem andern der Kopf abgeschnitten. Die beiden Wundflächen verwuchsen mit einander. Das hintere der beiden Tbiere war verhältnissmässig klein, in Folge dessen deckte sich sein Wund- rand zo ziemlich mit dem des Fusses vom vorderen Thiere. Sie verwuchsen im ganzen Umkreise mit emander. Es war ein Monstrum entstanden, das zwei Magentheile und zwei Füsse hatte und dessen einer Magen zwischen zwei Füssen eingeschlossen war. Dieser Magen begann stark zu knospen. In wenigen Tagen war seine ganze Masse zur Knospung aufgebraucht, die Knospen lösten sich ab und die beiden Fusstheile waren jetzt nur noch durch eine schmale Zone von etwas dunklerer Färbung getrennt, die sich auch allmählich verlor. 5) Versuch vom 17. Januar (Fig. 1—2). Ebenso wie beim zweiten Versuch wurden zwei Hydren auf- einander gepfropft, mit dem einzigen Unterschiede, dass der Wund- rand des vorderen Fusses sehr klein, der des hinteren Magens bedeutend grösser war. Der Fuss verband sich daher nur mit einem Theile des grossen Wundrandes. Dessen übriger Theil schloss sich provisorisch (Fig. 1 d) und sprang am 21. Januar noch als seitlicher Höcker vor. Am folgenden Tage hatten sich Transplantationsversuche mit Hydra. 279 an ihm zwei Tentakel entwickelt und wieder am folgenden war er zu einem vollständigen Kopf geworden. Nun sass der vordere Theilpolyp nicht mehr auf der Spitze des hinteren, sondern seit- lich neben dem neugebildeten Kopfe (Fig 2). Nach und nach rückte er noch tiefer herab, bis er an der Grenze von Körper und Fuss angelangt war (Fig. 3). Damit war er zu einer, aller- dings etwas ungefügen Knospe des unteren Theiles geworden und das Doppelthier hatte somit wieder eine typische, wenn auch etwas ungewöhnliche Gestalt angenommen. Il; Verheilung von, ‚Stücken in entgegen- gesetzter Örientürung. Man kann hier verschieden verfahren. Erstens so, dass zwei orale Wundflächen mit einander verwachsen und zwei aborale freie Enden entstehen oder zweitens so, dass zwei aborale Wunden verwachsen und zwei freie orale Enden entstehen. Drittens kann man mitten aus dem Körper ein Stück heraus- schneiden und umgekehrt wieder einsetzen. Wo zwei aborale Enden sich berühren, ergeben sich ausserdem noch zwei ver- schiedene Fälle, je nachdem sich an ihnen noch ein Theil des Fusses befindet oder die Durchschneidung über der Knospungs- zone mit Ausschluss des Fusses vorgenommen wird. 4) Versuch vom 22 Nov. 1894. Einem dunklen und einem hellen Exemplar wurde der hintere Theil des Fusses abgeschnitten und die beiden aboralen Schnittflächen in Berührung gebracht. Sie heilten schnell zu- sammen. Beiden Thieren wurden sodann die Köpfe abgeschnitten. Am 23 Nov. waren beide Enden geschlossen und das Fussstück in der Mitte zeigte weder eine Einschnürung, noch eine Aus- buchtung. Am 24. machte sich an ihm eine Einkerbung bemerk- bar. Zwei Tage darauf sassen die Thiere an einer gemeinsam gebildeten Fussscheibe fest, die Enden waren noch geschlossen und unverändert. Die gemeinsame Fussscheibe war biseuit- föürmig. Am 27. Nov. waren die beiden Thiere wieder getrennt, Jedes sass auf seinem eigenen Fusse und hatte an seinem oralen Ende Tentakel entwickelt. Einen etwas abweichenden Verlauf nahın derselbe Versuch, wenn er ganz ohne Betheiligung des Fusses vorgenommen wurde. 5) Versuch vom 13. Nov. (Fig. 4—6). Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 45 19 280 Georg Wetzel: Zwei Exemplaren wurden die Köpfe wenige Millimeter hinter dem Tentakelansatz abgeschnitten, so dass weder Fuss noch Knospungszone an ihnen vorhanden war (Fig. 4). Die beiden Köpfe verwuchsen mit den aboralen Wundflächen, und am 15 Nov. war die Stelle der Verwachsung nicht mehr zu er- kennen. Das Thier war eine gleiehförmige Röhre mit einem Tentakelkranze an beiden Enden. Es wurde in der ersten Zeit nicht gefüttert und veränderte dabei seine Gestalt nicht im mindesten. Später bekam es reichlich Daphnien zu fressen. Beide Mund- öffnungen verschlangen oft zu gleicher Zeit ihre Beute, die sich in der Mitte des Körpers anhäufte. Frass nur der eine Mund, so rutschte sie über die Mitte bis nahe an das andere Ende und blieb dort liegen. Es war also freie Kommunikation in der Mitte. So blieb das Thier bis zum 4. Januar 1895 und wuchs während dieser Zeit beträchtlich. Am 5. Jan. fanden sich in der Mitte zwei kleine Knospen angelegt, und die Tage darauf folgten ihnen noch mehrere in derselben Gegend (Fig.5). Am 10. Jan. waren die ersten Knospen soweit entwickelt, dass sich ein Fuss- theil an ihnen anzulegen begann. Zur selben Zeit verdünnte sich auch das Stück des Mutterthieres, an dem sie wuchsen, und wurde farblos, kurz, es bildete sich ebenfalls zu einem Fusse um, der, in der Mitte gelegen, die beiden unveränderten Magentheile verband (Fig. 6a). Von dieser Zeit an blieben die verschlungenen Daphnien jederseits vor der Mitte liegen und drangen nicht bis in das Fussstück ein. Die beiden zuerst gebildeten Knospen (Fig. 5a, ; und a,) sassen sehr dicht aneinander und ihr letzter Fusstheil wurde daher gemeinsam gebildet. Sie lösten sich auch ge- meinsam vom Mutterthiere los und begannen erst nach einigen Tagen sich zu trennen und auf eigenem Fusse zu leben. Es war also zufällig von einem zweiköpfigen Thiere ein ebenfalls zwei- köpfiges Tochterthier erzeugt worden. Ende Januar entstanden in der Mitte des Fusses der grossen Hydra eine etwas dunklere Färbung und etwas unregelmässige Konturen, die als die Andeutung der beginnenden Bildung einer Fussscheibe zu betrachten waren. Bald darauf zeigte sich auch ein physiologisches Anzeichen davon. Die Fussscheibe der Hydra sondert nämlich regelmässig einen klebrigen Schleim ab und es haften daher im Wasser schwimmende kleine Theile leicht an ihr fest. So sammelten sich hier in der Mitte dies Fusses allerhand thierische und pflanzliche Reste an. Am 31. Jan. Transplantationsversuche mit Hydra. 281 sass diese Stelle am Boden des Glases fest. Am 9. Febr. hatten sich die Thiere getrennt. Sie waren also rund drei Monate vereinigt gewesen. Zwei Versuche, bei denen ebenfalls die Köpfe ohne jeden Antheil an Fuss oder Knospungszone vereinigt wurden, ergaben ein abweichendes Resultat. Einer davon mag genauer erzählt werden. 6) Versuch vom 1. December (Fig. T—9). Zwei Köpfe wurden, wie in Versuch 5 angegeben, verheilt. Am 3. December war die Verwachsungsstelle nicht mehr zu erkennen. Das Thier war von zahlreichen thierischen Para- siten besetzt und sah etwas gelockert aus. Ich schüttelte es in einer Flasche mit viel Wasser, dabei gingen alle Parasiten ab und es konnte ganz gereinigt wieder herausgenommen werden. Diese Methode ist für die Thierchen wohl weniger angreifend, als wenn man, wie es Trembley that, sie mit einer Pincette abstreift oder sie mit der Pincette ergreift und in Wasser schüttelt. Nach der Befreiung von seinen Feinden gewann es bald wieder ein völlig gesundes Aussehen (Fig. 7). Am 5. December hatte es eine stark gekrümmte Gestalt angenommen und zwar war die konvexe Seite um ein mehrfaches länger als die konkave, an deren Enden die beiden Tentakelkränze sassen (Fig. 8). Diese waren also in der Richtung der Konkavität näher aneinander gekommen. Dabei umgaben sie ihre zugehörige Mundöffnung nur noch an der Aussenseite im Halbkreise, die andern, einander zugekehrten Seiten der Mundöffnungen waren frei von Tentakeln (Fig 9). In den nächsteu Tagen rückten sie immer näher an- einander.“ Die beiden Tentakelhalbkreise vereinigten sich zu einem einzigen Kreis, ebenso die beiden Mundöffnungen zu einer. Dass nur noch eine vorhanden war, zeigte sich deutlich, als das Thier am 6. Dee. eine grosse Daphnie verschlang und von ihr so ausgedehnt wurde, dass der Mund weit geöffnet blieb. Die Höhe der Konvexität des Thieres wurde zum Fussende. In Folge der Vereinigung zweier Tentakelkreise zu einem einzigen waren die Arme des Thieres sehr zahlreich. Einige von ihnen standen sehr nahe neben einander. Ich sah, wie sie eines Tages auf einer gemeinsamen kurzen Basis standen und zwar traf ich an zwei Stellen je zwei solcher Tentakel, an einer dritten sogar drei. Die gemeimsame Basis wurde immer länger, die Arme machten den Eindruck als hätten sie sich verzweigt, während ihrer Bildung doch der umgekehrte Process zu Grunde 282 Georg Wetzel: lag. Schliesslich waren sie bis zur Spitze einfach und von andern nicht zu unterscheiden. Wir wenden uns zu den Versuchen, wo zwei orale Flächen verwuchsen und zwei aborale freie Enden entstanden. 7) Versuch vom 22. Nov. (Fig. 10 und 11). Zwei Hydren wurden geköpft und ihre oralen Wundflächen in Berührung gebracht. Sie verbanden sich leicht und schnell. Darauf wurde der einen der Fuss abgeschnitten, an der andern blieb ein Stück des Fusses.. Am 24. Nov. bildete sich an der Verheilungsstelle eine Vorwölbung. Am 26. Noy. hatte das eine Thier, an dem noch ein Stück des Fusses war, eine Fussscheibe gebildet, an der es festsass.. An der Vorwölbung in der Mitte war an diesem Tage ein Tentakel entstanden, dem am folgenden noch zwei andere und eine Mundöffnung folgten. Am 29. Nov. erhielt auch der verkürzte Theil wieder eine Fussscheibe (Fig. 10). Beide Fussscheiben waren so weit von einander festgeheftet, dass das Thier bei mittlerer Kontraktion in grader Linie zwischen ihnen ausgespannt war und bei noch stärkerer Kontraktion eine Zerrung auftreten musste. Am 30. Nov. Mittags zeigte sich dem Kopfe gegenüber eine Einbuchtung mit unregelmässigen Konturen, die sich wie ein Einriss ausnahm (Fig. 10c). Als ich einige Stunden später das Thier wieder besichtigte, zog es sich, er- schreckt, energisch zusammen, und, da beide Saugscheiben fest angeheftet blieben, riss es auseinander. Der Kopf blieb an der einen Hälfte (Fig. 11a), die andere war ohne Kopf (11b). Sie entwickelte am 3. Dee. Tentakel und dann einen Mund. Von der Wunde an der anderen Hälfte war schon am folgenden Tage nichts mehr zu entdecken. Interessant ist bei dem Zerreissungs- process, dass die Thiere, obwohl verwachsen, dennoch jedes selbst- ständig handelten und keine gemeinsamen zweckmässigen Be- wegungen ausführten. Jeder Fuss heftete sich unbekümmert um das Schicksal des Ganzen fest und löste sich auch nicht, als eine Zerreissung als Folge davon drohte. Eine gewisse Analogie zu diesem Vorgang bietet folgende Erscheinung, die man an normalen Hydren beobachten kann. Berührt man ein knospenreiches Thier, so zieht es sich allein zusammen, während die Knospen in der Regel ausgestreckt bleiben. Nur wenn die Berührung so stark oder die Kontraktion so energisch ist, dass auch die Knospen mit erschüttert werden, Transplantationsversuche mit Hydra. 283 so ziehen sie sich ebenfalls zusammen. Dasselbe Verhältniss bei Ausübung von Reizen wie hier zwischen Knospe und Mutterthier, fand sich zuweilen auch zwischen verkehrt verwachsenen Individuen. 8) Versuch vom 27. Nov. Zwei Hydren wurden geköpft und die oralen Schnittflächen verheilt. Die beiden Fussenden, die noch daran geblieben waren, um eine Verwechslung des oralen und aboralen Endes zu ver- hüten, wurden vollständig entfernt. Vom 29. Nov. bis zum 4. Dee. entwickelten sich an der Verwachsungsstelle ein Mund und sieben Tentakel, die in Gruppen vertheilt waren. Vier standen um den Mund herum, zwei an der gegenüber liegenden Seite, ein einziger etwa zwischen beiden Gruppen, näher dem Munde. An diesen näherte sich der eine der beiden gegenüberliegenden und verwuchs dann allmählich von der Basis nach der Spitze zu mit ihm. Beide rückten während dessen in den grossen Tentakel- kreis ein. Ein Tentakel blieb dem Munde gegenüber stehen, verkleinerte sich und war nach einigen Tagen nicht mehr auf- zufinden. Da ich keine Zeichen von Zerfall jemals an ihm ent- decken konnte, ist es mir wahrscheinlicher, dass er wieder in das Körpermaterial eingezogen, als dass er zerfallen sei. Der in der Mitte neugebildete Kopf funktionirte ganz normal, er ergriff und verzehrte zweimal Daphnien. An einem Ende entwickelte sich eine Fussscheibe, an der das Thier festsass. Es gedieh aber nicht recht und starb Ende December, ohne seine normale Gestalt wiedererlangt zu haben, aus einer mir unbekannten Ursache. Ich unterbreche hier die Einzelbeschreibung, um im Anschluss an den letzten Versuch noch einiges über Tentakelanomalien an- zugeben. Trembley und Rösel beobachteten gegabelte Arme und bildeten sie ab. Baker sah sie ebenfalls, erklärte sie indess für ein Spiel der Natur. Ich beobachtete sie dreimal. Zwei meiner Beobachtungen sind im Versuch 6 und 8 mitgetheilt worden. Die dritte wurde an einem nichtoperirten Thier gemacht. An diesem entwickelte sich etwas ausserhalb des Tentakelkreises ein kleiner Arm, er rückte an den nächsten normal stehenden Tentakel heran und verschmolz mit ihm; während dieses Processes glichen beide einem einzigen verzweigten Tentakel. Bei Versuch 6 handelte es sich um Tentakel, die in Folge der Verschmelzung 284 Georg Wetzel: zweier Köpfe sehr dieht standen. Die andern beiden Male hatten sich ausserhalb des Tentakelkreises, jedoch in seiner Nähe, an ungewöhnlicher Stelle Tentakel gebildet. Unregelmässigkeiten in ihrer Bildung und Vertheilung führten also in allen Fällen zu verzweigten Tentakeln und ich darf wohl mit einiger Wahrschein- lichkeit behaupten, dass dieselbe Ursache auch die von älteren Forschern angegebenen Beobachtungen bedingt hat. Wie weit aus der Thatsache, dass Arme sich auch an andern Stellen als gewöhnlich bilden können und dass nach ihrem Er- scheinen ein Bestreben sich zeigt die gewöhnliche Ordnung wieder herzustellen, für die von verschiedenen Forschern behauptete Ge- setzmässigkeit der Tentakelbildung Folgerungen gezogen werden können, mag hier unerörtert bleiben. Kurz erwähnen will ich noch, dass ich einmal weit entfernt vom Munde, wenig oberhalb der eigentlichen, Knospungszone, die Entstehung eines Tentakels verfolgen konnte, der an seiner Basis sich etwas verbreiterte und dem langsam die Bildung einer Knospe nachfolgte, deren einer Tentakel dann sein schmalerer Theil wurde). Nach dieser gelegentlichen Abschweifung kehre ich zur Schilderung der einzelnen Versuche zurück. 9) Versuch vom 27. Nov. Fig. 12—14. Zwei Hydren wurde der Kopf abgeschnitten, dann wurden sie mit den oralen Enden verheilt. Darauf wurden beide Fuss- stücke vollständig entfernt. Das eine Thier war dunkel, das andere hell. Am 30.Nov. hatten sich zwei dunkle und ein heller Tentakel in der Mitte gebildet und zwischen ihnen eine Mundöffnung, an der ebenfalls ein heller und ein dunkler Theil zu unterscheiden war (Fig. 12). Am 4. December waren beide aboralen Enden noch glatt. Am 5. December waren an ihnen Tentakelanlagen vorhanden und in einiger Entfernung eine leichte Einschnürung (Fig. 15). Die Axe des einen Thieres ging von dem Mund in der Mitte in gerader Linie zu den Tentakeln am Ende, die des anderen war an der Einkerbung ein wenig geknickt. Ich schnitt beide Enden von der Einkerbung aus etwas nach der Mitte zu ab. Am T. Dec. hatte sich der eine tentakeltragende Theil von dem ihm anhängenden Stück getrennt und sass mit einem kleinen Fusse daneben fest, das tentakellose Stückchen entwickelte trotz seiner Kleinheit Tentakel. Das andere tentakeltragende Stück, 1) Vgl. hierzu Marshall: l. e. 8. 670 u. 69 u. £. Transplantationsversuche mit Hydra. 285 sagen wir, die andere Knospe, fand ich am 8. Dee. ebenfalls festsitzend. Das kleine Stück, das mit ihm verbunden gewesen war, konnte ich nicht auffinden. Das Mutterthier entwickelte im Laufe des December an beiden freien Enden einen Fuss und während dessen fand dicht neben dem Ende reichliehe Knospung statt. Während dieser Zeit verschlang das Thhier viele Daphnien. In den ersten Tagen des Januar verwuchsen beide Hälften der Länge nach mit einander (Fig. 14). Als die Verwachsung bis zur Grenze des Fusses vorgeschritten war, ging mir das Thhier leider durch einen Zufall verloren. Die Verwachsung kann auf zwei Arten vor sich gegangen sein. Erstens kann sich durch Verwachsung der betreffenden Leibeswände ein Septum gebildet haben, das darauf resorbirt wurde. Zweitens kann ohne Septenbildung und ohne vorhergehende Verschmelzung die dem Mund gegenüber- liegende Uebergangsstelle der einen Wand in die andere allmäh- lieh tiefer gerückt sein. Der letzte Process entspricht mehr allen den Vorgängen, die so vielen der Hydra eigenen Er- scheinungen ihr charakteristisches Gepräge verleihen. Ausser- dem dehnten die Daphnien, die das Thier verschlang, es stets gleichmässig nach allen Seiten aus. Bei Bestehen eines Septums hätte die Ausdehnung vorwiegend nach einer Seite stattfinden müssen. Was die Ursache des Abwärtsrückens der Uebergangs- stelle betrifft, so kann sie in starkem Wachsthume der oberen Hälfte zwischen Uebergangsstelle und Kopf und in einer Ver- minderung der unteren Hälfte durch Knospung bestanden haben. Aehnlich denke ich mir die schon besprochene Tentakel- verwachsung entstanden infolge Verkürzung der noch nicht ver- wachsenen Enden durch Abnützung an der Spitze und gleich- zeitigen Nachwachsens der einfachen Basis. Der dritte der zu dieser Gruppe gehörigen Verwachsungsvorgänge, der in Ver- such 6, verlangt eine andere Erklärung, da bei ihm weder Knospung bestanden hat noch von Abnutzung die Rede sein kann. Man muss hier wohl eine Verschiebung des Zellenmateriales als Ursache annehmen. 10) Versuch vom 24. November. Es wurde ein aus dem Magentheil einer Hydra herausge- schnittenes Stück umgekehrt wieder eingeheilt. Da an einem solchen Stücke das orale vom aboralen Ende nicht zu unter- scheiden, und diese Unterscheidung für unsern Zweck die Haupt- 286 Georg Wetzel: sache ist, verfuhr ich folgendermaassen. Ich schnitt einer Hydra den Kopf und einen Theil des Fusses ab. Das Stück, an dem noch der halbe Fuss war, schob ich zuerst auf die Borste. Als es sich lang darauf ausgestreckt hatte, durchschnitt ich mit der Scheere die Gegend etwas oberhalb der Knospungszone sammt der Borste, entfernte den abgeschnittenen Fusstheil und schob das Kopfstück auf dies Ende der Borste, so dass sein aborales Ende mit dem aboralen des Mittelstücks in Berührung kam. Nun durchschnitt ieh noch einen anderen Polypen in der Mitte, entfernte die Fussscheibe der untern Hälfte und schob letztere mit ihrem oralen Ende voran von der andern Seite her auf die Borste gegen das Mittelstück, so dass sich die oralen Flächen beider berührten. Die Verheilung ging in kurzer Zeit vor sich. Da die Wundränder alle gut auf einander passten, war von einer Einschnürung nirgends etwas zu erkennen und nur die aborale Wundstelle daran ungefähr zu bestimmen, dass der hintere Theil aus einem hellen Thiere genommen war und sich gegen das dunklere Mittelstück abhob. Danach war auch die Lage der Verheilung der beiden aboralen Enden ungefähr anzugeben. Hier entstand am 30. Nov. ein kleiner Höcker, der sich zur Knospe entwickelte und dem am 4. Dee. eine Knospe an der Grenze des Fusses und eine mittlere zwischen beiden nachfolgte. Alle drei in ungleicher Höhe entstandenen Knospen lösten sich vom 8. bis zum 10. Dee. ab. Das Thier war gesund und frass mehrere Daphnien. Es wurde bis zum 18. Dee. weiter beob- achtet, verhielt sich ganz normal und zeigte eine reichliche Knospung, die sich aber ganz auf die obere Grenze des Fusses, mitkin auf die typische Knospungszone beschränkte. Eine Anzahl von Versuchen, ein herausgeschnittenes Stück umgekehrt wieder einzusetzen, verlief abweichend von dem eben besprochenen, aber in Ueberstimmung mit einigen früheren. An der Stelle nämlich, wo die beiden aboralen Flächen verwachsen waren, bildete sich ein Fussstück mit nachfolgender Trennung des vordersten Drittels des zusammengesetzten Thieres vom Ganzen. An der Vereinigung der oralen Enden hingegen bildete sich ein Mund und die weitere Entwicklung verlief so, wie sie für diese Kombination schon beschrieben ist. Transplantationsversuche mit Hydra. 287 Wir haben an einer genügenden Anzahl von Beispielen die Folgen der normalen und der umgekehrten Pfropfung kennen gelernt und wollen uns nun einen klaren Ueberbliek über die Resultate verschaffen. Verbanden wir zwei Schnittstücke von Hydra in normaler Richtung, so stellte sich ein Unterschied heraus, je nachdem die beiden Schnittflächen innerhalb des Magens der Versuchsthiere gelegen waren oder nicht. Im ersten Falle bildete sich ohne weiteres ein Thier, das von einem normalen in keiner Weise zu unterscheiden war. Lag aber die Schnittfläche des vorderen Thieres innerhalb des Fusses, so wurde eines von beiden zur Knospe des andern und sie trennten sich nach anfänglicher Ver- wachsung wieder. — Es bleiben noch zwei Combinationen übrig, einen Fuss erstens an die hintere Schnittfläche eines Magens und zweitens an die eines andern Fusses anzusetzen. Es ist nicht zu vermuthen, dass diese Variirungen zu irgend welchen nachträglichen Veränderungen führen werden. Ich habe sie nicht ausgeführt. Bei der umgekehrten Pfropfung müssen wir zunächst alle die Versuche von den übrigen absondern, bei denen die Theile die künstlich erzeugte, entgegengesetzte Orientirung zu einander nieht beibehielten, sondern sie in eine parallele, gleichgerichtete verwandelten. Dazu zählen erstens die Fälle, in denen an der Vereinigung oraler Flächen ein Mund sich bildete und die beiden Körper mehr oder weniger der Länge nach sich verbanden. Auch wenn sich, was häufig vorkam, nur ein Kopf in der Mitte bildete, kann man kaum noch von entgegengesetzter Orientirung reden, da die beiden Polypen alsdann in einem ähnlichen Ver- hältniss stehen, wie zwei Zweige eines Baumes, die unter einem Winkel von etwa zwei Rechten sich vereinigen. Ferner sind die Fälle hierher zu rechnen, in denen die endständigen Köpfe zweier nıt den aboralen Enden vereinigter Thiere sich einander näherten und zu Einem verschmolzen, während ihnen gegenüber ein Fuss sich bildete. Eine eigenthümliche Stellung nehmen die Zerreissungsvor- gänge ein, wo trotz eines in der Mitte entstandenen gemeinsamen Mundes keine weitere Verschmelzung eintrat, sondern im Gegen- theil eine gewaltsame Trennung. Dabei ist es wichtig zu ent- scheiden, ob die ursprüngliche Wundstelle wieder auseinanderriss, 288 Georg Wetzel: oder eine andere Stelle, an der vorher keine Kontinuitätstrennung vorhanden war. Meine Beobachtung beweist wenigstens in einem Falle bestimmt die Richtigkeit der letzten Annahme. Ich hatte ein dunkles und ein helles Thier gewählt, und die Tentakel bildeten sich von beiden aus, wie ihre Färbung unzweideutig erkennen liess. Auch der Mund war halb dunkel und halb hell. Beim Zerreissen blieb der ganze Kopf an der einen Hälfte, die andere war ohne Kopf und Tentakel, also musste der Riss durch eine vorher nicht getrennte Stelle hindurch gegangen sein. Die ursprüngliche entgegengesetzte Orientirung wurde haupt- sächlich in den Fällen beibehalten, wo zwei aborale Enden sich verbanden. Lagen die Wundflächen im Fuss, so trat in kurzer Zeit wieder eine Trennung beider Theile ein. Lagen sie hin- gegen im Körper und zwar in den bemerkenswerthen Fällen nicht weit vom Munde entfernt, so blieben die Hydren sehr lange unverändert, dann entwickelte sich in der Mitte zwischen den Köpfen, vermuthlich der ursprünglichen Verbindungsstelle ent- sprechend, eine gemeinsame Knospungszone, mitten in der Knos- pungszone entstand alsdann ein gemeinsames Fussstück, dies schnürte sich in der Mitte ein und die beiden Theile lösten sich nun erst von einander. — Ferner wurde die umgekehrte Orientirung auch in den Versuchen beibehalten, wo ein verkehrt eingesetztes Stück das Ganze auf dem Wege der Knospung wieder verliess. Sämmtlichen Resultaten ist Eines gemeinsam: Ueberall zeigtsich ein deutliches Streben, die normale Gestalt wieder herzustellen und dies Ziel wird erreicht, ohne dass dabei eine Schädigung der Thiere stattfindet. Die Wege, die dazu führen, sind vollkommene Verschmelzung beider Theile nach Abänderung der entgegengesetzten Orientirung oder eine Reihe von Processen, die sich auf das deutlichste als Knospung darstellen. Wie sich bei der Knospung erst ein kleiner Höcker erhebt, der allmählich wächst, schliesslich ein Fussstück bildet und sich dann ablöst, so wachsen zwei mit den aboralen Enden verbundene Stücke eine Zeitlang, bilden dann einen Fuss und trennen sich. Jedes Thier ist dabei als die Knospe des andern zu betrachten. Ein umge- kehrt eingesetztes Stück verlässt sogar seinen Platz auf eine Weise, die von der Knospung sich in nichts anderem unter- scheidet, als in der Stelle, an der sie stattfindet. Selbst die Transplantationsversuche mit Hydra, 289 Zerreissung eines Doppelthieres mit zwei Füssen und einem Mund in der Mitte bietet insofern eine Analogie zur Knospung, als hier jede gemeinsame zweekmässige Wechselbeziehung ebenso fortfällt, wie es oben in Bezug auf die Fortpflanzung von Reiz- wirkungen von der Mutter auf die Knospe und umgekehrt ange- seben wurde. Das ist um so merkwürdiger als nach Bildung eines gemeinsamen Kopfes die entgegengesetzte Orientirung als mehr oder weniger aufgehoben betrachtet werden muss. Was nun die eigentliche Ursache und die theoretische Be- deutung der geschilderten Processe betrifft, so behalte ich mir ihre ausführliche Erörterung vor und beschränke mich hier auf folgende Erwägungen. Vöchting hat in einer Reihe von Arbeiten die Lehre von der Polarität der Pflanzenzellen ausführlich begründet und betrachtet zwei Erscheinungen des pflanzlichen Lebens als ihren Ausfluss. Die eine besteht darin, dass ein herausgeschnittenes Sprossstück an seinem vordern Ende stets eine neue Spitze, an seinem hinteren eine Wurzel regenerirt und nie umgekehrt. Die andere Erscheinung zeigt sich bei der Pfropfung. Ein vorderes Ende eines Theiles verwächst nur mit einem hinteren eines andern und nie zwei vordere und zwei hintere Enden mit einander. Es verbinden sich nur ungleichnamige Pole, während gleichnamige sich abstossen!). In ähnlicher Weise macht Nussbaum auf Grund seiner Experimente die Annahme, „dass die Zellen der Hydra in dem Aufbau ihrer kleinsten Theile hoch differenzirt seien, dass innen und aussen, vorn und hinten nicht allem an dem ganzen Indi- viduum ihre volle Geltung haben, sondern dass die axialen Orien- tirungen des Individuums in den Orientirungen seiner kleinsten Theile begründet seien. Es muss also in jeder Zelle ein Vorn und Hinten, ein Innen und Aussen geben, und da jede Zelle weiterhin theilbar gedacht werden muss, diese axiale Orientirung auch an den kleinsten Theilen der Zellen schon vorhanden sein. Dafür sprechen auch die Versuche der Botanik“?). Wollte man auf Grund dieser Ansichten eine Voraussage über die Möglich- 1) H. Vöchting, Ueber Transplantation am Pflanzenkörper. Tübingen 1892, S. 81f. und S. 149 f. 2) M. Nussbaum: Ueber die Theilbarkeit der lebendigen Ma- terie. Il. Mittheilung. 8.348. Arch. f. mikroskop. Anat., Bd. 20., 1887. 290 Georg Wetzel: "keit der umgekehrten Pfropfung machen, so würde diese anders lauten, als die ausgeführten Versuche es gezeigt haben. Man hätte eine ähnliche Abneigung gegen eine Verwachsung erwartet, wie sie Vöchting bei Pflanzen constatirte. Dieser Autor spricht sich selbst in seinen Bemerkungen zur Transplantation am Thierkörper folgendermassen aus: „Die nächste experimentelle Aufgabe wird sein, Trembley’s Versuche mit der Abweichung anzustellen, dass man die Theile nicht in normaler, sondern in verkehrter Stellung zusammenbringt. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden sie sich dann abstossen“!). Diesen Vermuthungen entgegen hat bei Hydra eine Verwachsung gleicher Pole statt- sefunden. Welcher Art diese Verwachsung ist, darüber muss allerdings erst die mikroskopische Analyse entscheiden und es ist wohl möglich, dass dadurch die Annahme einer wirklichen Verwachsung, die sich uns bei Betrachtung der mitgetheilten Thatsachen aufdrängt, eine gewisse Modifikation erfährt. Es war mir leider nicht möglich, die Untersuchung vorzunehmen, da mir in der ungünstigen Jahreszeit das Material ausging und ich zunächst das Studium der äussern Vorgänge für das wich- tigste hielt. Zu der anfänglichen Verwachsung stehen diex nachfolgenden .,Dboslösungsproecesse,. him Gegensatz. Denn wenn bei der Verwachsung sich kein Unterschied geltend machte, ob gleichnamige oder ungleichnamige Schnittflächen zusammengebracht wurden, so trat er nachher um so deutlicher hervor. Verwachsene Enden regenerirten an der Verwachsungsstelle, also in der Kontinuität des gemeinsamen Leibes, die Theile, zu denen sie sich auch ohne Verwachsung entwickelt hätten. In dieser Thatsache kann die Lehre von der Regenerationspolarität, wie sie von Allman, Nussbaum, Marshall und anderen begründet worden ist, nur eine Be- stätigung ihrer Ansichten erblieken. Ein ähnliches Verhältniss zwischen primärer Verwachsung und ihren seeundären Folgen fand sich zuweilen auch bei pflanz- lichen Transplantationen. Die Sprosse von Opuntia Labouretiana konnten umgekehrt zusammengeheilt werden und verwuchsen innig, später aber begannen beide zusammengeheilten Stücke 1) l.’e. 8.160; Transplantationsversnche mit Hydra. 291 zu kränkeln und starben ab!). Auch bei den pflanzlichen Um- kehrungsversuchen, bei denen keine vollkommene Verwachsung eonstatirt wurde, ging das umgekehrte Stück an krankhaften Processen zu Grunde. Hiervon unterscheiden sich indess die Vorgänge, die bei Hydra zur sekundären Trennung führten, wieder dadurch, dass sie nicht krankhafter Natur waren und ohne irgend welche Sehädigung der operirten Thiere abliefen. Meistens waren sie sogar mit der typischen Vermehrungsform der Hydra, der Knos- pung, identisch. Auch ist darauf hinzuweisen, dass in normaler Richtung vereinigte Hydren nieht immer zusammenblieben, sondern sich unter gewissen Versuchsbedingungen ebenfalls dureh Knospung wieder von einander trennten. Dies deutet darauf hin, dass vielleicht weniger polare Gegensätze, als überhaupt Abweichungen von der normalen Gestalt die beschriebenen Vorgänge bedingen. — Der einzige Trennungsvorgang, den man alskrankhaft bezeichnenkönnte, ist die Zerreissung. Sie ist schon ausführlich besprochen worden. Die pathologischen Erscheinungen in verkehrt stehenden Pflanzentheilen beruhen auf abnormer Anhäufung von Stoffen einerseits und andererseits auf Absperrung von der Zufuhr nor- maler Nahrungssäfte, die ihren Weg in den Gefässen nur in be- stimmter Richtung nehmen können. Diese Umstände fallen bei Hydra fort. Die Ernährung des Hydragewebes wird nicht durch Säfteströmungen in besonders dazu bestimmten Gefässen besorgt, sondern muss auf einer parenchymatösen Durchtränkung der Gewebe mit Nahrungsstoffen beruhen. Auch trägt jedes Stück einer Hydra seine ermährenden Entodermzellen bei sich und ist in seiner Ernährung überhaupt nicht auf Beziehungen zu andern Theilen angewiesen. Störungen des Stoffwechsels sind somit ausgeschlossen und die verkehrt stehenden Theile be- wahren daher ihren normalen Zustand. Anfangs hatte ich vermuthet, dass ein anderes Resultat aus der gelungenen umgekehrten Pfropfung hervorgehen würde, als nach- her thatsächlich der Fall war. Als die Verwachsung in umgekehrter Richtun gleicht erfolgte und sich zwei orale oder zwei aborale freie Endenbildeten, glaubte ich, nun müsse doch einesder beiden gleichen 1) Vöchting,l. ce. S. 62, 292 Georg Wetzel: Enden sich umwandeln. Ich glaubte, bei einem Thier mit 2 Füssen würde der eine zum Kopf, bei einem mit zwei Köpfen der eine zum Fuss werden. Um so eher erwartete ich das, wenn ich einem oder beiden Enden den Kopf oder den Fuss abgeschnitten hatte. Wie der Leser weiss, erwiesen sich diese Vermuthungen als irrig. In einem Falle habe ich ein abweichendes Resultat beobachtet. Wie sich jedoch schliesslich herausstellte, war es nur scheinbar so. Beim neunten Versuch bildeten sich an beiden aboralen freien Enden Tentakel. Nicht weit davon entstand eine Ein- schnürnng, die es erlaubte, den ganzen Prozess als Knospung aufzufassen. Ich hoffte, dadurch, dass ich etwas jenseits der Ein- schnürung die tentakeltragenden Stücke abschnitt, vielleicht noch das Verschwinden der Einschnürung und die Aufnahmen des kleinen anhängenden Stückes in die Knospe zu veranlassen. Damit wäre dann bewiesen worden, dass es sich wirklich um eine Tentakel- bildung am aboralen Ende handelte. Wie geschildert, schlug dies Verfahren fehl. — War der Vorgang nun eine einfache Knospung oder eine Heteromorphose mit nachfolgender Knospung ? Für Heteromorphose spricht die Lage der neugebildeten Tentakelanlagen. Sie befanden sich, auf der einen Seite we- nigstens, am einen Ende der graden Körperaxe, deren entgegen- gesetztes Ende der Hauptkopf bildete. Für reine Knospung spricht das Auftreten der Einschnürung gleichzeitig mit den Tentakel- anlagen. Doch auch die abnorme Lage der Knospe lässt eine naheliegende Erklärung zu. Der Schnitt, der den Fuss vom übrigen Körper trennte, fiel in die Knospungszone. Somit konnte die Knospung am unteren Ende nicht auffallen. Nimmt man an, dass der Schnitt, auf dessen Richtung nicht Acht gegeben wurde, die Knospungszone schräg durchtrennt hat, so legte sich bei der Wundheilung ein Theil der zur Knospung bestimmten Seitenwand vor die hintere Oeffnung, um ihren Schluss zu bilden. Ging nun dies Stück in Knospung über, so musste die Knospe die Ver- längerung der Körperaxe nach hinten bilden. Mit Rücksicht auf diesen Fall habe ich bei einer nicht operirten Hydra den Fuss so entfernt, dass der Schnitt schräg dureh die Knospungszone ging. Der Schluss des Defektes wurde von der stehen gebliebenen Wand der Knospungszone gebildet und es ging daraus eine Knospe hervor, die die gerade Fortsetzung Transplantationsversuche mit Hydra. 293 des Körpers nach hinten darstellte. Danach sehe ich mieh ge- zwungen den Vorgang als Knospnng aufzufassen !). Ausser den mitgetheilten Experimenten beabsichtigte ich noch die Frage zu entscheiden, ob sich Theile verschiedener Hydra- arten auf einander propfen lassen. Bisher verfügte ich nur über die geschilderte Varietät der Hydra fusea und über viridis. Die Versuche, diese beiden Arten zu verbinden, sind bisher negativ ausgefallen. Ich gedenke die Experimente im Sommer fortzusetzen, wenn mir auch grisea und die eigentliche fusca zu Gebote stehen wird. Erklärung der Tafel XVII. Fig. 1. Eine Doppelhydra, bestehend aus a und b, die in ce in natürlicher Richtung verwachsen sind. d der Theil des Mund- randes vond, der nicht mit dem Mundrand von a verwachsen ist. Fig. 2. Dieselbe Hydra 2 Tage später. Ind zwei Tentakel entwickelt. a sitzt seitlich an D. Fig. 3. Dieselbe Hydra nach weiteren 2 Tagen. In d ein vollständiger Kopf entwickelt. a hat sich noch weiter nach abwärts ver- schoben und sitzt auf der Knospungszone von b. Fig. 4. Zwei Kopfstücke von Hydra, zur Verheilung ihrer aboralen Enden auf die Borste © & geschoben. Fig. 5. Dieselben Hydratheile, verwachsen, nach 7 Wochen. aj,, ds, Az a, in ihrer Mitte entwickelte Knospen, a, und a, mit gemein- sam sich bildendem Fusstheil. Fig. 6. Dieselben nach weiteren 2 Tagen. a in ihrer Mitte entwickelter Fuss. Fig. 7. Eine Doppelhydra, entstanden durch Verwachsung zweier Kopfenden. Fig. 8. Dieselbe Hydra nach 2 Tagen. Die beiden Köpfe haben sich an der verkürzten Seite a genähert, die gegenüberliegende Seite bb ist stark gekrümmt. Fig. 9. Dieselbe von oben. aund d die beiden Mündöffnungen, dienur an ihrer Aussenseite im Halbkreise von Tentakeln umgeben sind. Fig. 10. Ein Monstrum mit zwei Füssen und einem Kopf in der Mitte, entstanden durch Verwachsung der oralen Enden von a und b. c ein Einriss dem Mund gegenüber. Fig. 11. @« und db dieselben Hydren nach freiwilliger Zerreissung. An a ist der Kopf geblieben, 5 ist ohne Kopf. 1) Wie ich nachträglich von Herrn Dr. Zoja erfahre, hat er einmal bei Hydra grisea einen eigenthümlichen Fall von Heteromor- phose beobachtet. R. Zoja: Aleune ricerche morfologiche e fisiolo- giche sull’ Hydra. Pavia 1890. S. 29. 294 Georg Wetzel: Transplantationsversuche mit Hydra. Fig. 12. Eine Doppelhydra, bestehend aus einem hellen Thiere a und einem dunklen db, die mit ihren oralen Enden verheilt wurden. c und d von b entwickelte Tentakel, e von a entwickelter Tentakel. Der Mund / ist halb dunkel und halb hell. Fig. 13. Dasselbe Thier nach 4 Tagen. Die Färbung beider Hälften ist nicht mehr verschieden. aan beiden Enden entstandene Ten- takelanlagen. b Einschnürungen in einiger Entfernung vom Ende. Fig. 14. Dieselbe Hydra. Beide Hälften sind zu einem Körper ver- wachsen. a und b die beiden nicht verwachsenen Füsse. Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes nebst Bemerkungen über intra- epitheliale Drüsen. Von Prof. Josef Schaffer in Wien. Hierzu Tafel XIX und XX, Bei den Untersuchungen über die branchiomeren Lymph- zellmassen bei Ammocoetes, welche ich der Thymus bei anderen Fischen vergleichbar erachtete, musste ich mich auch mit der epithelialen Auskleidung der verschiedenen Abschnitte des Re- spirationstraktes beschäftigen und stiess dabei auf so merk- würdige Verhältnisse, dass es mir von Interesse erschien etwas ausführlicher, als dies in einer Arbeit, die sich nur mit dem feineren Bau der Thymus beschäftigt, zulässig wäre, auf diese Verhältnisse einzugehen. Dies schien mir um so mehr geboten, als zur selben Zeit S. Mayer’'s „Adenologische Mittheilungen“!) erschienen, welche Fragen berührten, die zu den hier mitzu- theilenden Thatsachen in Beziehung stehen. I; Der Bau der Kiemenhöhle von Ammocoetes ist bekanntlich ein sehr eomplieirter und muss ich betreffs desselben auf die Untersuchungen von Rathke?) Dohrn?), Schneider*), 1) Anatom. Anz. X. Bd., Nr. 6, S. 177—191, 1894. 2) Bemerkungen über den innern Bau des Querders und des kleinen Neunauges. — Schriften d. naturf. Ges. zu Danzig 2. Bd., 1827. 3) Studien zur Urgeschichte des Wirbelthierkörpers Nr. V, VIII, XII und XIII. — Mittheilung. aus d.zool. Station zu Neapel 1884, 1885, 1887,1888. 4) Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Entwicklungsge- schichte der Wirbelthiere. Berlin 1879. Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes ete. 29 Julin!), Nestler?), sowie meine eigeuen Bemerkungen im Ver- laufe dieser Mittheilung verweisen. Hier sei zum Verständniss des folgenden nur so viel vorausgeschickt®): Die Kiemensäcke von Ammocoetes stehen nach innen mittelst weiter Oeffnungen in Verbindnng mit einem axialen Raume, dem Kiemendarm, der sich direkt in den Magen fortsetzt. Dorsal und ventral wird dieser Kiemendarm von einer in der Medianebene gelegenen Kante begrenzt oder vielmehr einge- engt, die man als dorsale und ventrale Kiemenkante bezeichnen kann. Ihr Epithel geht über in das der Kiemensäcke. Während die dorsale Kiemenkante ununterbrochen über die Kiemensäcke hinwegläuft und nur über jedem Kiemensack eine im Transver- salschnitt beutelförmige Anschwellung bildet, ist in die ventrale Kante der mächtige Drüsenkörper der Thyreoidea eingelagert, wodurch hier,die Kante mehr zu einem breiten Wulst abgeflacht erscheint; erst caudal*) von der Thyreoidea erhebt sich die ven- trale Kiemenkante wieder, um schliesslich am Ende des Kiemen- darms mittelst zweier steil aufsteigender Lippen den Eingang zum Oesophagus zu umschliessen. An die Wandungen der Kiemen- säcke sind die im Allgemeinen zur Transversalachse der Kiemen- säcke radiär gestellten Kiemenblätter angewachsen, welche wieder zierliche respiratorische Falten senkrecht zu ihrer Längsachse 1) Les deux premieres fentes branchiales des Poissons Cyelo- stomes sont-elles homologues respectivement ä l’event et ä la fente hyobranchiale des Selaciens? — Bull. de l’Acad. R. d. sc. de Belgique. 3. serie, T. XIH, 1887. — Recherches sur l’appareil vasculaire et le systeme nerveux peripherique de l’Ammocoetes (Petr. Plan.). Arch. de Biol. T. VII, fasc. 4, 1888. 2) Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte von Pe- tromyzon Planeri. — Diss. Leipzig, 1890. Auch in: Arch. f. Naturgesch. Jahrg. 46, Bd. 1, 1890. 3) Man vergleiche die schematischen Zeichnungen in meiner vor- läufigen Mittheilung: „ZurKenntniss des histologischen und anatomischen Baues von Ammocoetes“. — Anat. Anz. Bd. X, 1895, No. 22. 4) Da im folgenden wiederholt und oft gehäuft verschiedene Lagen und Richtungen bezeichnet werden müssen, ist es für das rich- tige Verständniss von Wichtigkeit, dass diese Bezeichnungen unzwei- deutig seien. Ich werde mich daher, so weit das deutsche Wort nicht treffend genug ist, der von F. E. Schulze (Verhdlgn. d. anat. Ges. in Göttingen, 7. Vers., 1893, S. 104) vorgeschlagenen Nomenklatur be- dienen, ohne jedoch eine prineipielle Durchführung derselben vor- führen zu wollen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 20 296 Josef Schaffer: tragen. Die Kiemenblätter der mittleren Region sind nur mittelst ihrer medialen Hälfte angewachsen, die laterale ist frei und endet stets mit einer blasen- oder eichelförmigen, von faltenlosem Epithel überzogenen Anschwellung. Auch die dem Kiemendarm zugewandten Ränder der Kiemensäcke sind faltenfrei und etwas nach vorne gebogen. Nach aussen münden die Kiemensäcke nicht direkt, sondern vermittelst eines von Epithel ausgekleideten Raumes, der sog. Vorkammer, welche zwischen Körperwand und den freien Enden der Kiemenblätter liegt und erst von dieser Vorkammer aus führt in ihrem caudalen Abschnitte schräg cau- dad und distad der enge, äussere Kiemengang, dessen äussere Mündung als Kiemenloch sichtbar ist. Was nun die epitheliale Auskleidung dieser verschiedenen Räumlichkeiten anlangt, so zeigt dieselbe eine solche Mannigfaltig- keit, dass wohl kaum bei einem anderen Thiere, ein solcher Formenreichthum von Epithelien auf so kleinem Raume vereinigt gefunden wird. Ich gehe in der Schilderung von den äusseren Kiemenöft- nungen aus. Diese münden, wie ich dies anderwärts beschrieben habe!), in eine Längsrinne, die äussere Kiemenrinne, und geht an den Rändern derselben das eigenthümliche Epithel der Ober- haut, dessen Bau durch die Untersuchungen von Kölliker?), M. Schultze?°), F. E. Schulze®) und Langerhans?) be- kannt geworden ist unter allmählicher Abflachung in ein niedri- ges Pflasterepithel über, welches den äusseren Kiemengang aus- kleidet und die Klappe in demselben überzieht (Fig. 1). Zunächst verschwinden aus der Epidermis die Körnerzellen (Kölliker) oder Zirkelkopfzellen (F. E. Schulze), dann die Kolben, während die oberflächliehe Cutieularschicht fast bis an die Wurzel der Klappe erhalten bleibt. An der Klappe selbst haben wir ein niedriges, höchstens aus zwei Schichten bestehendes 1) Ueber die Thymusanlage bei Petromyzon Planeri. Sitzungsber. d. k. Acad. d. Wiss. in Wien, Bd. 103, Abth. III, Mai 1894. 2) Ueber den Inhalt der Schleimsäcke der Myxinoiden und die Epidermis der Neunaugen. Würzburger naturw. Zeitschr., Bd. I, 1860. 3) Ueber die kolbenförmigen Gebilde in der Haut von Petro- myzon. Müller’s Arch. 1861, p. 284. 4) Epithel- und Drüsenzellen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 3, 1867. 5) Untersuchungen über Petromyzon-Planery. Verhdlgn.d. naturf. Ges. zu Freiburg i. B., Bd. 6, H. 3, 1876. Ueber das Epitheil des Kiemendarms von Ammocoetes ete. 297 Pflasterepithel, das sich in der Umgebung der inneren Mündung des äusseren Kiemenganges auch auf die Wandung der Vor- kammer fortsetzt. Besonders an jener dünnen Lamelle, mittelst welcher die Kiemenbogen mit der Körperwand verbunden sind, flacht sich das Epithel zu einer einzigen Lage platter Zellen ab. Während dieses flache Epithel in paramedianer Richtung von einer Kiemenöffnung zur nächst vorderen längs der lateralen Vorkammerwand allmählich an Höhe zunimmt, zeigt es dorsal und ventral von der Kiemenöffnung eine plötzliche und höchst eigen- thümliche Veränderung. Auf der einen Schicht flacher Zellen treten zunächst vereinzelte Deckzellen mit gewölbter Oberfläche und gestricheltem Saum auf (Fig. 1a) und plötzlich nimmt das Epithel bedeutend an Höhe zu (Fig. 1 bei D) und lässt nun im Allgemeinen drei Schichten erkennen, welche besonders an gut mit Hämalaun und Eosin doppelt gefärbten Präparaten hervor- treten: Die unterste kernreiche Schicht erscheint am imtensivsten violett, die mittlere blau-grau, die oberste roth gefärbt. In dem in Fig. 1 abgebildeten Falle, der einen 8,3 em langen Ammocoetes betraf, betrug die Höhe des niedrigen Epithels an der Klappen- wurzel XL 7,8 u, während sie an der Vorkammerwand plötzlich auf 30 u anstieg. Morphologisch besteht die tiefste Schieht aus kleinen ver- hältnissmässig protoplasmaarmen Zellen mit runden oder ovalen Kernen, die häufig nur ein grosses Kernkörperchen innerhalb der scharf gefärbt hervortretenden Kernmembran erkennen lassen. Ihre Gestalt ist spindel- oder kegelförmig; mit der breiten Basis sitzen sie dem Bindegewebe auf, mit ihren oft fadenförmig ver- längerten Spitzen schieben sie sich zwischen die Zellen der fol- genden Schicht ein und tragen so vollkommen den Charakter von Ersatzzellen, etwa wie die tiefste Schicht des Trachealepi- thels bei Säugethieren (Fig. 6 b). Zwischen und auf diesen Basalzellen erheben sich hohe, prismatische Zeilformen, welche unverkennbar das Aussehen von Drüsenzellen zeigen (Fig. 6 .d). Meistens besitzen sie eine abgerundete und verbreiterte Basis, während sie sich nach oben zu verschmächtigen und eben- falls mit leicht eonvexer Kuppe endigen (Fig. 6d und 2). In diesen Fällen ist der ganze Zellinhalt bis auf eine dünne Um- hüllungsmembran in die bekannte netzförmige Gerüstsubstanz um- 998 JosefSchaffer: gewandelt, in deren Knotenpunkten gröbere Körnchen gelegen erscheinen, während die Lücken homogen, aber mit Hämalaun leicht grau-blau gefärbt erscheinen. Im verbreiterten Basaltheil der Zelle liegt meist frei im Gerüstwerk der Kern, welcher nie rund oder oval, sondern wie sternförmig verschrumpft und in- tensiv gefärbt erscheint. An der Basis liegt der Hüllmembran manchmal ein grösseres, compactes Protoplasmaklümpchen, als Rest des ursprünglichen Zellkörpers, an (Fig. 6.d). Diese Zellen erscheinen nach oben zu, wie erwähnt, vielfach geschlossen, ja noch von anderen Zellen, wie wir sehen werden, überlagert, zeigen demnach, obwohl sie offenbar den Becherzellen ähnlich sind, kein Stoma. Dass es sich aber um funetionell den Becherzellen ähnliche Gebilde handelt, kann man an anderen Stellen mit wünschenswerther Sicherheit erkennen. Da zeigen diese Zellen dieselbe Form, aber eine offene Mündung, oder sie besitzen ausgesprochene Kelch- oder Becherform mit einem kurzen, protoplasmatischen Fuss, welcher durch die Einsenkung in die Basalzellen Druckfacetten zeigt und den geschrumpften oder flach- sedrückten, im Profil halbmondförmigen und quer gestellten Kern enthält. Nach oben zu mündet die Zelle frei mit weiter Oeffnung, vor welcher man noch oft das entleerte Sekret als geronnenes Fadenwerk oder in Form noch nicht zerflossener Körnchen, die sich leicht blau gefärbt haben, liegen sieht!) (Fig. 7). Diese Drüsenzellen treten im Epithel der lateralen Vor- kammerwand, dort wo es höher zu werden beginnt, einzeln auf, bald aber immer reichlicher, so dass sie ein geschlossenes Lager oder eigenthümliche Gruppen bilden. Bevor wir jedoch auf ihre nähere Anordnung eingehen, sei der dritten, oberflächlichsten 1) Diese Beobachtung betrifft Objeete, die in Pikrinsäure-Subli- matgremisch fixirt und sofort in Alkohol gebracht worden waren. Nach- behandlung mit Wasser bringt die Schleimkörnchen zur vollständigen Lösung. Ich will hier auf die interessanten Verhältnisse, besonders auf die Bedeutung der Schleimkörnchen für den Sekretionsvor- gang der Becherzellen und ihr Verhalten in vivo und gegenüber Reagentienbehandlung nicht näher eingehen, da demnächst eine ein- gehende Untersuchung über diesen Gegenstand von dem Demonstrator am hiesigen histologischen Institute, Herrn mag. pharm. und cand. med. Otto Jelinek erscheinen wird. Ich erwähne nur, dass die von mir an Schnittpräparaten von Ammocoetes gemachten Beobachtungen sich vollkommen mit den ausgedehnten Erfahrungen des genannten Beobachters decken. Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes etc. 299 Zelllage dieses Epithels gedacht. Dieselbe besteht aus polygo- nalen Formen mit gewölbter Oberfläche und Drucknischen an der Unterfläche, in welchen die oberen Enden der Drüsenzellen stecken; die Kanten zwischen den Nischen bilden kürzere oder längere flügelförmige Fortsätze, welche sich zwischen die Drüsenzellen nach abwärts schieben und so Scheidewände zwischen denselben bilden, aber die von unten her eingeschobenen Basalzellen nicht oder nur selten erreichen (Fig. 6a und a,). Diese Deckzellen färben sich mit Eosin lebhaft roth, be- sonders ihre freie Oberfläche, welche im Profil als glänzender, gestrichelter Saum erscheimt (Fig. 2 und 8a). In der Aufsicht erscheint eine distinete Punktirung als Ausdruck dieses euti- eularen Saumes (Fig. 6a). Die Kerne liegen ziemlich oberflächlich, so dass man bei scharfer Einstellung auf dieselben in Folge der gewölbten Ober- fläche die Peripherie des Polygons noch von der Fläche, also deutlich punetirt sieht (Fig. 6a). Ihre Form ist oval, sie be- sitzen meistens eine deutliche Kernmembram und ein spärliches Kerngerüst, in dem das Kernkörperehen besonders hervortritt. Daneben findet man Zellen, deren Kerne etwas kleiner erscheinen und eine starke, gleichmässige Färbung zeigen (Fig. 6a); dies sind zur Abstossung bestimmte Zellen, die man häufig ganz gelockert oder auch schon aus dem Zellverbande gelöst sehen kann. Diese oberflächlichste Zellschicht zeigt nämlich einen ziem- lieh lockeren Verband und unterliegt daher häufigem Wechsel seiner Elemente, ein Umstand, der durch die Anordnung und Be- deutung der darunter gelegenen Drüsenzellen verständlich wird, zu deren Besprechung wir nun zurückkehren. Die Drüsenzellen der mittleren Lage treten, wie erwähnt, zunächst einzeln im niedrigen Epithel auf, nehmen aber bald an Höhe und Zahl so zu, dass sie dicht aneinander gedrängt eine geschlossene, von den Deckzellen überlagerte Schichte bilden. An einem Flächenschnitt zeigt dann diese Schichte ein zierliches Mosaik polygonaler oder mannigfach gestalteter Felder, deren Grenzen die dieht aneinander stossenden Zellhüllen bilden (Fig. 5). Bei dieser Anordnung reichen die flügelförmigen Fortsätze der Deckzellen nicht sehr weit in die Tiefe zwischen die Drüsen- zellen und bilden die Deckzellen auf grössere Strecken hin zusammen- hängende Lagen, welche die darunter liegenden Drüsenzellen voll- 300 Josef Schaffer: ständig bedecken. Solehe Flächenschnittsbilder, wie das in Fig. 5 dargestellte, erhält man aber nur dort, wo dieses Epithel einer falten- freien Unterlage aufsitzt. Dies ist nicht stets der Fall; an der lateralen Wand der Vorkammer bildet es oft papillenartige Er- hebungen mit dazwischen gelegenen Buchten, wobei man Jedoch nicht mit Bestimmtheit sagen kann, ob dies nicht eine Folge der bei der Fixirung eintretenden Schrumpfung ist, da man in anderen Fällen auch hier ein vollkommen glattes Epithel vorfindet. An solehen faltentragenden Stellen bilden die Zellen der mittleren Lage oft drüsenähnliche Buchten, während die Deckzellen wie zersprengt erscheinen und oft einzeln, oft in Gruppen den Drüsen- zellen aufsitzen. Nicht immer jedoch sind die Drüsenzellen der mittleren Lage parallel wie Pallisaden nebeneinander gestellt; sehr häufig zeigen sie eigenthümliche und regelmässige Gruppirungen zu knospen- artigen Gebilden, auf welche fast Wort für Wort die Schilderung zutiäfft, welche F. E. Schulze!) von den im Epithel der hinteren Region desRachenhöhlendaches bei Larven von Pelobates gelegenen Drüsen gegeben hat. Diese Anordnung, welehe ein weiteres Beispiel vom Vor- kommen mehrzelliger Drüsen, die nicht in die bindegewebige rundlage eingebettet, sondern durchaus auf das Epithel beschränkt sind, bildet, wird ohne weiteres bei Betrachtung der Fig. 2 ver- ständlich. Zwischen je zwei solche Drüsenknospen, welche aus 5 bis 12 Drüsenzellen bestehen und Breitendurchmesser von 27 bis 40 u zeigen, schieben sich die Fortsätze der Deckzellen wie eine Scheidewand ziemlich weit in die Tiefe, während über den con- vergirenden Enden der Drüsenzellen, welche eine schwach dellen- förmig vertiefte, freie Endfläche bilden, die Deckzellen eine Lücke lassen. Daher erscheint auch dieses Epithel in der Flächenansicht, sowie an Flächendurchschnitten wesentlich anders, als in dem früher beschriebenen Falle. Von der Oberfläche her betrachtet bilden die Deekzellen ein Balkenwerk von unregelmässiger An- ordnung, mit oft nur einzelligen, oft mehrzelligen Zügen, die wieder durch grössere, zusammenhängende Gruppen verbunden 1) Ueber dieinnern Kiemen der Batrachierlarven. 1. Mittheilung. Ueber das Epithel der Lippen, der Mund-, Rachen- und Kiemenhöhle erwachsener Larven von Pelobates fuscus. Abhandlg. d. k. preuss. Acad. d. Wiss. zu Berlin, 1888, S. A. S. 46 u. £. Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes ete. 301 werden. In den Lücken dieses Maschenwerkes sind die optischen Querschnitte der convergirenden Drüsenzellenenden sichtbar (Fig. 3). An Horizontalschnitten sieht man, dass die Drüsenzellen nirgends ein Lumen umschliessen, vielmehr aus Prismen bestehen, „welche, dieht aneinander gedrängt, sich mit ihren Seitenflächen unmittelbar berühren“ 1). Zwischen den Gruppen der hellen, poly- gonalen Querschnittsfelder findet sich das dunklere, protoplasma- tische Netzwerk der Scheidewände, welche aus tiefer gelegenen Deckzellen bestehen; diese bilden hier, im Gegensatze zu der bei Fig. 5 besprochenen oberflächlichen Anordnung Zwickel von ge- schichteten Zellen, welehe die Zwischenräume zwischen den eon- vexen Begrenzungsflächen der Drüsenzellgruppen ausfüllen (Fig. 2 a und Fig. 4a,). Dieses eigenthümliche Drüsenzellenepithel gelangt in den rostralen Abschnitten der lateralen Vorkammerwand zur schönsten Ausbildung, füllt aber auch die Buchten zwischen den oberen, seitlichen und unteren Anwachsungsstellen der Kiemenblätter aus und geht endlich auch auf die faltenfreien lateralen Enden der Kiemenblätter über. Während Scehneider?) die gesammte Kiemenhöhle von einem mehrschichtigen Pflasterepithel bedeckt sein lässt, hat zuerstNestler?) eine kurze, aber theilweise zutreffende Schilderung der Epithelver- hältnisse in der Kiemenhöhle von Petromyzon und Ammocoetes ge- geben. Er beschreibt bei Petromyzon am faltenfreien Theil der Kiemen- blätter und am Grunde zwischen ihnen ein dreischichtiges Epithel: zu unterst kleine, kugelige, in der Mitte mehr weniger lang gestreckte und zu oberst dünne, plattenförmige Zellen, die durch tiefe Furchen von oben her in Zellterritorien geschieden sind. Alle zeigen deutlich Kern und Kernkörperchen. Die Zellen der mittleren Schicht erscheinen häufig nach oben verjüngt und in kegelförmige Gruppen zusammen- gestellt, an deren Spitze die oberste Schicht eine Lücke lässt. Bei Ammocoetes soll das Epithel am Grunde der Kiemenblätter nur zwei Schichten erkennen lassen und sollen die Drüsenzellen, entgegen meinen Beobachtungen, erst im Epithel der Vorkammern auftreten, ohne dassjedoch die „wahrscheinlich schleimbildenden Zellgruppen“ so scharf ausgeprägt wären. Auch soll hier nach Nestler das Epithel regelmässig papillenartige Erhebungen bilden. Ueber die Bedeutung der Drüsenzellen ist sich Nestler nicht ganz klar geworden, indem er nicht zu entscheiden wagt, ob der vorgefundene Schleim „einer allmählichen oberflächlichen Zerstörung der gesammten Oberhaut, oder nur der Absonderung gewisser Zellen seinen Ursprung verdankt“), 1) F. E. Schulze |. ec. S. 46. 2) 1. c. S. 84. 9) 1.’ cD. larust AS 170 302 JosefSchaffer: Darüber kann jedoch kein Zweifel sein, dass es sich um typische, regelmässig secernirende Schleimzellen handelt, welche in ihrer reich- lichen Entwicklung eine eminente Schutzvorrichtung für die Kiemen- höhle bilden, indem sie eine schützende Schleimhülle für die Schleim- haut liefern!). Dass in derselben zahlreiche abgestossene Deckzellen vorkommen, habe ich schon erwähnt; dasselbe ist ja auch im Schleim der Epidermis der Fall. Dieses eigenthümliche, an Drüsenzellen reiche Epithel geht nun einerseits in den Epithelüberzug der dorsalen und ventralen Kiemenkante, beziehungsweise des Kiemendarms, andererseits in das respiratorische Epithel der Kiemenfältehen über. Betrachtet man den letzteren Uebergang, so empfängt man den Eindruck, als ob sich die Deckzellschicht des Drüsenepithels ohne grosse Veränderung einfach auf der Oberfläche der Kiemenblattfalten fortsetzen würde; die Zellen werden nur stärker abgeplattet und ihr Cutieularsaum tritt deutlicher hervor, besonders durch die intensive Rothfärbung mit Eosin (Fig. 8a). Auch auf den respiratorischen Falten sieht man manche dieser Zellen in Ausstossung begriffen, was stets an der homo- genen und starken Färbbarkeit der betreffenden Kerne, sowie daran erkenntlich ist, dass sich die Zelle gegen die Nachbarzellen scharf abgrenzt, gleichsam retrahirt (Fig. 8 bei a,.. Nie konnte ich an den übrigen, die Falten bedeckenden Zellen jedoch Regenerationserscheinungen sehen, welche den Ersatz der aus- gefallenen Zellen verständlich gemacht hätten. Nachdem es sich an den freien Flächen der Fältchen durchwegs um ein ein- schichtiges Epithel handelt, zwischen dessen Elemente nirgends Ersatzzellen eingeschoben werden können, musste ich a priori voraussetzen, dass diese respiratorischen Zellen an einer anderen, als ihrer endlichen Lagerstätte erzeugt werden und von diesem Erzeugungsherd aus durch Nachschub an die freie Oberfläche der Fältechen gelangen; durch einen solchen Vorgang allein wäre auch der Verschluss der durch die abgestossenen Zellen ent- standenen Lücken im Epithelüberzug erklärlich gewesen. Bei näherer Durehforschung meiner Präparate konnte ich diese Vor- aussetzung auf das Schönste verwirklicht sehen. Die Fältehen stehen in parallelen Reihen unter nach aussen . 1) Vgl. betreffs der Bedeutung der Schleimseeretion im Bran- chialraum auch Dohrn, VIII. Studie, S. 63 u. XII. Studie, S. 320. Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes etc. 303 offenen Winkeln von beiläufig 45° auf den Kiemenblättern; an der Anwachsungsstelle zweier benachbarter Fältchen entsteht eine gegen die Basis des Kiemenblattes convexe Wölbung, die ich als Fornix bezeichnen will und an welcher das Epithel des einen Fältchens in das des andern übergeht (Fig. 8 FF). Dieses Epithel des Fornix bleibt aber nie einfach; es schiebt sich vielmehr, was bereits Nestler erkannt hat, unter die mit Cutieularsaum versehenen Elemente desselben stets eine zweite, oft auch dritte Lage von mehr protoplasmatischen Epithelzellen ein, unter welchen sich nun nicht selten eine oder.mehrere in Mitose befinden (Fig. 89. Nur hier findet Zellvermehrung statt; wir haben somit in dem ge- schichteten Epithel der Fornices den Regenerationsherd gefunden, von dem aus die Oberflächenbedeckung der Kiemenfältchen cellulär erneuert wird. Diese Beobachtung“ steht in voller Uebereinstimmung mit den zahlreichen Angaben von Bizzozero !) über die Regeneration von Oberflächenepithelien. Als zutreffenden Vergleich möchte ich auf die Regeneration des einschichtigen Epithels an den Darmschleimhautfalten vom Triton hinweisen, wie sie der genannte Autor beschrieben hat?). Auch hier tritt an den durch die Vereinigung der Grundflächen zweier benachbarter Falten gebildeten Wölbungen (Fornices) ein geschichtetes Epithel auf, in dessen tieferen Lagen sich reichlich Mitosen finden. Als Grund dieser Erscheinung möchte ich speziell nach den Beobachtungen an den Kiemenblättehen von Ammocoetes den Umstand namhaft machen, dass 1. die Stelle der Regeneration verhältnissmässig am besten geschützt ist und 2. auf diese Weise keine der bereits functionell differenzirten Oberflächenzellen ihrer Thätigkeit entzogen wird. Die freie Mittelrippe der Kiemenblätter, welche der Kiemen- höhle zugewendet ist (Fig. 16, R) wird ähnlich, wie die Fornices von einem‘ geschichteten Pflasterepithel überzogen, dessen ober- flächlichste Schichte einen dieken Cutieularsaum trägt. 1) Ueber die schlauchförnmigen Drüsen des Magendarmkanals und die Beziehungen ihres Epithels zum Oberflächenepithel. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 33, S. 216, 1889. — Zweite Mittheilung, ebendort, Bd. 40, S. 326, 1892. — Dritte Mittheilung, ebendort Bd. 42, S. 82, 189. 2) 1. e., Arch, f. mikr. Anat. Bd. 40, S. 370, 1892. 304 Josef Schaffer: Wir wenden uns nun zur Besprechung der epithelialen Auskleidung des Broncehus. Der Bronchus, weleher bei Ammocoetes Bronchus und Oesophagus zu gleicher Zeit ist, steht durch weite und hohe Spalten in Verbindung mit den Kiemensäcken. Ein geschlossenes, von den Kiemensäcken gesondertes Rohr stellt er nur an jenen Querschnitten dar, welehe durch die Verwachsungsstellen der Diaphragmensäume mit den Kiemenkanten, der dorsalen, wie der ventralen, fallen. Wie erwähnt, sind die kiemenblattfreien Diaphragmensäume rostral gerichtet, dass sie die Mündung des vor ihnen gelegenen Kiemensackes fast ganz bedecken (Fig. 16), so dass wir an medianen Sagittalschnitten nur einen schmalen, vorderen Saum der kiementragenden Wandung sehen. So kann man sich leicht vorstellen, dass zeitweise, beim Durchgange von Nahrung durch Contraetion der Längsmuskeln der vordere Rand eines Diaphragma an den hinteren Rand des nächst vorderen gedrängt wird und so der Bronchus vollkommen gegen die Kiemen- säcke abgeschlossen werden kann. So wird seine Innenwand vom Epithel der Kiemenkanten, welche in den Bronchus hineinragen, und dem der medialen Ober- fläche der Diaphragmensäume gebildet. Die laterale Fläche der Diaphragmensäume, sowie die laterale Fläche der dorsalen Kiemenkante bildet zugleich die Aussenfläche des Bronchus, welehe an jedem Kiemenbogen übergeht in die kiemenblatttragende Schleimhaut der Kiemensäcke, also eine geringe Selbständigkeit besitzt. Trotzdem ist sie histologisch durch ganz eigenthümliche Epithelverhältnisse ausgezeichnet, die sie mit den Seitenflächen der dorsalen Kiemenkante, auch dort, wo diese frei in die Kiemensäcke ragt, gemeinsam hat. Wir wollen daher im Folgenden zunächst den Epithelüberzug der dorsalen, dann den der ventralen Kiemenkante und schliesslich den der kiemenblattfreien Diaphragmensäume, die nichts anderes sind, als die inneren Ränder der Kiemenbogen, besprechen. An der Bedeekung der dorsalen Kiemenkante nehmen im Allgemeinen drei verschiedene Epithelformationen Antheil. An ihrer dorsalen Wurzel, welche die Aorta umschliesst, geht das Epithel der Kiemensäcke, also sowohl das geschichtete Epithel mit seinen Drüsenknospen (Fig. 9 D), als auch das einfache Plattenepithel der respiratorischen Fältchen direet oder vermittelst Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes etc. 305 eines niedrigen, zwei- bis dreischichtigen Pflasterepithels über in ein hohes (58—64 u beim 8,3 em langen Ammocoetes), mehrreihiges Cylinderepithel, auf dessen Oberfläche noch eine Reihe platter oder eubischer Zellen sitzt, die mit den darunterliegenden Cylinder- zellen so wenig fest verbunden ist, dass sie sich an Schnitten oft als zusammenhängende Lamelle abhebt (Fig. 9a,). Sie ist eine direkte Fortsetzung der Deckzellenschicht oder .des respiratorischen Epithels, welches nur insofern eine Modi- fieation erleidet, als der Cutieularsaum der Zellen niedriger wird. Häufig zeigt diese oberflächliche Deckzellenschicht auch eine Umwandlung in helle, blasenförmige Zellen, so dass man den überraschenden Eindruck empfängt, als ob auf einem hohen Cylinderepithel eine Reihe von Becherzellen sitzen würde (Fig. 9a, und 12a). Der niedrige Cutieularsaum dieser Deckzellen bleibt aber geschlossen, ganz ähnlich, wie bei den zu Becherzellen umge- wandelten oberflächlichen Epidermiszellen. Das darunter gelegene Cylinderepithel ist in mehrfacher Beziehung ausgezeichnet. Zunächst durch seine auffallende Höhe; es wird in dieser Bezeihung von keiner anderen Epithelformation von Ammocoetes erreicht. Bei alten Exemplaren (ca. 20 cmL.) betrug die Höhe des Epithels im Maximum 90 u, wovon 12 u auf die Deck- zellenschichte kommen. Weiters durch dichtgedrängte, ovale Kerne, deren jeder ein grosses, bläschenförmiges Kernkörperchen als hervortretendsten Bestandtheil besitzt. Neben dieser Art von Kernen findet sich spärlicher eine zweite Form, nämlich stab- förmige, stärker mit Hämalaun färbbare vertheilt. An manchen Stellen reichen die ovalen Kerne bis an die Oberfläche des Epithels, an andern wieder und zwar regelmässig dort, wo es seichte Buchten auskleidet (Fig. 9 FZ), ist das obere Drittel der Zellen kernfrei und durch ein streifiges Protoplasma ausgezeichnet, auf dem dann unmittelbar die Deckzellenschieht aufsitzt. Solche Buchten, deren eine sich regelmässig an der dorsalen Kiemen- kante und mehrere an den lateralen Flächen der Diaphragmen- säume finden, erinnern an Durchsehnitten einigermaassen an die knospenförmigen Gebilde in gewissen Sinnesepithelien, nur er- scheinen sie vom umgebenden Epithel nieht scharf abgegrenzt. Auffallend ist aber auch der Umstand, dass sich in diesem Epithel nach Behandlung mit der Golgi’schen Methode einzelne Zellen, 306 Josef Schaffer: die von der Basis bis zur Oberfläche reichen, oft reihenweise scharf imprägnirt zeigen, wie man dies an typischen Sinneszellen öfter wahrnimmt. Dieses Epithel bedeckt ungefähr die obere Hälfte der dor- salen Kante und geht unmittelbar über in ein mehrreihiges, flimmerndes Oylinderepithel, welehes den Durchschnitt eines an der ganzen Kante entlang laufenden Flimmerbandes, der von Schneider entdeckten Wimperschnur darstellt (Fig. 10 FE). Dasselbe besitzt (beim 8,3 em langen Ammoecoetes) durchschnittlich eine Höhe von 47 u und besteht aus ziemlich breiten mit Cutieularsaum und langen (3,9—6 u) Flimmerhaaren versehenen Zellen, zwischen denen Ersatzzellen eingeschaltet erscheinen, die noch nicht an die Oberfläche reichen. Ueber den Verlauf dieser Wimperschnüre im Besonderen sollen unten noch weitere Angaben folgen: Der ventrale, freie Rand der dorsalen Kiemenkante endlich, welcher von oben her in der Medianebene weit in den Bronchus hineinragt, wird von einem ziemlich hohen (48—51 u) geschichteten Pflasterepithel überzogen, dessen oberflächlichste Lage wieder durch einen ziemlich dieken Cutieularsaum ausgezeichnet ist und welches sich mit einer rinnenförmigen Einziehung gegen das Flimmer- epithel abgrenzt (Fig. 10 PE). Nur knapp vor der jedesmaligen Vereinigung eines Diaphragmenpaares mit der dorsalen Kiemen- kante rückt das Flimmerepithel bis an den freien Rand der- selben, so dass es mit dem der anderen Fläche vereinigt und auf kurze Strecke auch der ventrale freie Rand von Flimmer- epithel bedeekt erscheint. Die dorsale Kiemenkante kann dort, wo sie frei durch den Kiemensack zieht, durch Wirkung der Constriktionsmuskeln so eingezwängt werden, dass an der Begrenzung des Bronchus nur ihr ventraler Rand, der durch das eutieulatragende Pflaster- epithel geschützt ist, theilnimmt. Die Grenze zwischen Flimmer- und Pflasterepithel ist da- dureh besonders ausgezeichnet, dass hier fast regelmässig reich- liche, mit Eosin färbbare, homogene, kleinste und grössere Ein- schlüsse im Epithel und zwar hauptsächlich im angrenzenden Flimmerepithel gefunden werden, welehe manchmal an Dotter- plättehen erinnern (Fig. 10 üz). Da hier auch nicht selten Mitosen zur Beobachtung gelangen, Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes etc. 307 vermuthe ich, dass es sich um aufgespeichertes Nahrungsmaterial in einer Wachsthumszone des Epithels handelt. Die ventrale Kiemenkante ist von einem niedrigen, zwei- bis dreischiehtigen Pflasterepithel bekleidet und trägt vom Eingang in die Thyreoidea caudalwärts eine Flimmerrinne, deren Epithel verschieden ist von dem der dorsalen Wimperschnur. Es besteht aus einer einzigen Reihe niedriger (14—20 u) Flimmer- zellen (Fig. 13 FR). Das geschichtete Pflasterepithel mit Cuticularsaum setzt sich auch fort auf die mediale Fläche der Diaphrag- mensäume, so dass das Lumen des Bronchus allseitig von ge- schichtetem Pfilasterepithel begrenzt wird, in dem sich aber noch sehr eigenthümliche Differenzirungen finden, auf die weiter unten näher eingegangen werden soll. Unter bemerkenswerther Höhenzunahme setzt sich das ge- schiehtete Pflasterepithel bis an den Rand der lateralen Diaphragmenfiäche fort, stellenweise sogar auf diese übergreitend (Fig. 14 bei R). Dann geht es wieder direkt in flimmerndes Cylinderepithel (Fig. 14 FE) und dieses wieder in das eigenthümliche hohe Cylinderepithel mit Deckzellenschichte über, wie wir es am oberen Theil der dorsalen Kiemenkante beschrieben haben. So gleicht ein horizontaler Durchschnitt durch den kiemenblattfreien Diaphragmensaum (Fig. 14) in seiner Epithelbekleidung voll- kommen einem median halbirten Querschnitte der dorsalen Kiemen- kante. Sogar die Einlagerungen an der Grenze zwischen Pflaster- und Flimmerepithel finden sich hier wieder (Fig. 14 äz). Das Flimmerepithel auf der lateralen Fläche des Saumes stellt den Durchschnitt von Flimmerstreifen dar, welche vom Wimperbande der dorsalen Kiemenkante auf jeden Saum abzweigen und auch mit letzterem in der Struktur vollkommen überein- stimmen. Sehneider, der Entdecker dieses ganzen Wimper- systems hat im Allgemeinen die Anordnung desselben angegeben und in einem Schema dargestellt; jedoch hat er das Verhalten am Uebergang in den Magen, wo überhaupt die ganze epi- theliale Auskleidung sehr eigenthümliche Veränderungen erleidet, besonders aber beim Uebergang am vordersten Diaphragma nicht richtig erkannt, und soll auf diesen Punkt näher eingegangen werden, 308 Josef Schaffer: Nach Sehneider!) beginnt an der Bauchseite am Ein- gang des Magens in der Mittellinie eine wimpernde Rinne, welche bis zum Eingang der Thyreoidea zieht, sich hier theilt und zu beiden Seiten der ventralen Kante bis vor die erste Kiemenspalte läuft. Parallel mit dem vorderen Rande derselben steigen beide Rinnen bis zur Rückenlinie, dort werden dieselben flach und ziehen nun als Wimperschnüre zu beiden Seiten der dorsalen Kante, in geringer Entfernung von deren freiem Rande bis zum Eingange des Magens. An jedem Bogen zweigt sich von den oberen Wimperschnüren je eine Wimpersehnur ab, welehe auf dem vorderen Saume jedes Kiemenbogens nach unten zieht, ohne die ventrale Wimperrinne zu erreichen. Soweit die Darstellung Sehneider's. Gegen das caudale Ende des Kiemenraumes rücken die dor- salen Wimperschnüre immer tiefer an den freien Rand der dorsalen Kiemenkante, so dass sie nur mehr durch einen schmalen, nach hinten sieh zuspitzenden Keil des geschichteten Pflasterepithels getrennt werden (Fig. 10). Hinter der Spitze dieses Keiles vereinigen sich die beiden Wimperschnüre, in gleicher Weise, wie dies vor den Vereinigungs- stellen des 3.—7. Diaphragmenpaares mit der dorsalen Kiemen- kante geschieht, so dass die ganze freie Convexität der Kante von Flimmerepithel überzogen wird (Fig. 11). Dies geschieht knapp vor dem Eingang zum Magen. Vereinigt sich nun die dorsale Kante mit den steil aufsteigenden Schenkeln der ventralen Kiemenfalte zur Bildung des hohen, schlitzförmigen Einganges zum Magen, so wird auch der freie Rand der dorsalen Kiemenkante rinnenförmig eingebuchtet, zeigt also statt der früheren Convexität eine Concavität, welche noch immer von Flimmerepithel ausgekleidet wird. Alsbald schiebt sich aber zwischen die beiden vereinigten Wimperstreifen, nun aber rostralwärts, ein Keil von anders geartetem Epithel, nämlich hohes eylindrisches Magenepithel ein, welches durch den Mangel der oberflächlichen Deckzellenlage ausgezeichnet ist (Fig. 12 ME). Das Flimmerepithel setzt sich aber noch eine Strecke weit in den immer enger werdenden Magen hinein fort, so dass derselbe hier drei verschiedene Epithelformationen zeigt: in der Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes ete. 309 dorsalen Medianlinie einen Streifen hohen, mehrreihigen Cylinder- epithels (Fig. 12 ME), zu beiden Seiten desselben schmale Streifen von flimmeruden Cylinderepithel (ZZ), während der grösste Theil der seitlichen und die untere Wand von dem hohen eylindrischen Epithel mit Deckzellenschicht bedeckt wird, welche hier wie- der häufig die Umwandlung in becherzellenähnliche Gebilde zeigt (ZE). Wie gelangt diese letztere Epithelformation an Stelle des geschichteten Pflasterepithels, welches, wie wir gesehen haben, weiter vorne den Bronchus auskleidet? Das hängt mit den Veränderungen der ventralen Kiemenkante gegen das caudale Ende des Branchialraumes zusammen. Die ventrale Wimperrinne endet auf der Höhe der ventralen Kiemenkante entweder frei auslaufend, oder, wie ich es bei einem 4 cm langen Ammocoetes finde, indem sie sich als beiläufig 40 u langer, geschlossener Blindsack in das subepitheliale Binde- gewebe der Kante einsenkt. Dies geschieht bei jüngeren Exemplaren im 5., bei älteren im 6. Kiemensacke; sie reicht also bei letzeren weiter zurück. Von da ab nimmt die Kiemen- kante bedeutend an Höhe zu und wird zu einer schmalen, nur an ihrem dorsalen freien Rande verdiekten und mit höherem, ge- schichtetem Pflasterepithel bedeckten Lamelle, an deren unteren Partien sich Kiemenblättehen ansetzen. Im Bereiche des letzten Kiemensackes nimmt die ganze dorsale, in den Bronchus hineinragende Partie der Kante, welche am Querschnitt bisher die Form eines auf der langen Achse senkrecht stehenden Rhombus besessen, an Masse bedeutend zu und nimmt zugleich die Form eines rechtwinkeligen Prisma an, d. h. ihre convexe dorsale Fläche flacht sich zu einer horizon- talen ab, ja sie wird noch weiter caudad zu einer concaven. Die Kante gabelt sieh in zwei aufsteigende Lippen. Beim Be- ginne dieser Gabelung verschwindet das geschichtete Pflaster- epithel und macht dem bekannten hohen, mehrreihigen Cylinder- epithel mit oberflächlicher Deckzellenschicht Platz. Diese ganze Gabelung der ventralen Kiemenkante an ihrem analen Ende wird gewöhnlich als ein besonderer Process be- schrieben, ist aber eigentlich niehts anderes, als die an jeder vorde- ren und hinteren Begrenzung der Kiemensäcke sich wiederholende Vereinigung der ventralen Diaphragmenenden mit der ventralen Kie- menkante, nur ist dieses letzte, aclıte Diaphragma nicht frei, wie das 310 Josef Schaffer: 2.—7., sondern an seiner caudalen Fläche angewachsen, wie es das erste an seiner rostralen ist. Die Schenkel der Gabel ent- sprechen demnach einem achten Diaphragmapaare, wie dies Julin!) und Nestler?) bereits erkannt haben und tragen daher alle Charaktere derselben, wozu auch die Wimperschnur an ihrer Aussenfläche gehört, die Nestler zuerst gesehen hat. Nur ihre Innenfläche hat an Stelle des geschichteten Pflasterepithels das besprochene Cylinderepithel erhalten, entbehrt daher auch der spezifischen, im ersteren an den übrigen Diäaphragmen enthaltenen Differenzirungen. Im geschlossenen Magen verschwindet die Deckzellen- schicht bald und er wird ventral und dorsal von gewöhnlichem mehrreihigen Cylinderepithel ausgekleidet, während an seinen Seitenflächen die wieder getrennten Wimperschnüre noch lange fortziehen, ja wieder an Verbreitung’gewinnen, so dass im Be- reiche des Herzens und der Leber beim 8,5 em langen Ammocoetes das ganze Rohr von Flimmerepithel ausgekleidet ist. Noch interessanter und wesentlich anders, als dies bisher dargestellt wurde, gestalten sich die Verhältnisse der Wimper- schnüre am rostralen Ende der Kiemenhöhle. Zunächst vereinigen sich auch hier die Wimperschnüre der dorsalen Kiemenkante am freien Rande der letzteren, so dass die ganze Convexität der Kiemenkante von Flimmerepithel be- deekt wird. Dies geschieht in einer Paratransversalebene, vor den ersten Kiemenöffnungen. Die Nahtlinie, in welcher die Wimperschnüre median zu- sammenstossen, bleibt auch noch weiter nach vorne zu als seichte Einziehung sichtbar und zeigen die Flimmerzellen gegen diese Nahtlinie zu eine merkbare Höhenabnahme bis auf ca. 33 u. Noch weiter rostrad schiebt sich an dieser Nahtstelle caudal- wärts die Spitze eines Keiles von Flimmerzellen ein, welche einen anderen Charakter zeigen, als die der dorsalen Wimper- schnüre; sie stimmen vielmehr in ihrem histologischen Aussehen ganz mit den Zellen der ventralen Wimperrinne überein, sind auch niedriger als die Zellen der dorsalen Wimperschnüre. Dieser Keil, dessen Zellen auf einer vollkommen ebenen Unterlage aut- 1) Les deux premieres fentes branchiales des Poissons Cyclo- stomeszete. 1. 'e. p. 10. DI (CS TT2, Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes ete. 311 sitzen, verbreitert sich rostrad und alsbald verschwinden die durch ihn auseimandergehaltenen seitlichen Wimperschnüre, um dem eigen- thümlichen Cylinderepithel mit Deckzellenschichte Platz zu machen. Die Wimperschnüre der dorsalen Kiemen- kanteendigenalsoamrostralenEndederKiemen- höhle, ohnesichdirektventralwärtsfortzusetzen. Diese Fortsetzung besorgt vielmehr das erwähnte Band nie- driger Flimmerzellen, dessen rostrales, dorsales Ende sich keilförmig zwischen die Enden der dorsalen Wimperschnüre eingeschoben hat. Nachdem dasselbe eine ziemlich beträchtliche Breite erlangt hat, krümmt es sich zu einer ventrad offenen Rinne, in deren Tiefe sich in medianer Richtung bald eine von Pflasterepithel überzogene Leiste erhebt, wodurch das einheitliche Flimmerband in zwei convergente, ventrad offene Flimmerrinnen getrennt wird, die sich bald vertiefen und im Bogen an den vorderen Rändern des ersten Kiemensackes gegen die ventrale Medianlinie, beziehungsweise gegen den Ein- gang der Thyreoidea ziehen. Auf diesem Wege erleiden die Flimmerrinnen eine Art schraubenförmiger Drehung, welche von Dohrn in seiner XIII. Studie zutreffend geschildert worden ist!). Das Schema, welches Sehneider vom Wimpersystem gegeben hat, muss demnach eine wesentliche Abänderung erhalten und muss in demselben vor allem der wichtige Umstand zum Ausdruck kommen, dass das Wimpersystem aus zwei histologisch unterscheidkaren Theilen besteht: den dorsalen Wimperschnüren mit ihren Abzweigungen auf die Aussenfläche der Diaphragmensäume und den bogenförmig gegen den Schilddrüseneingang ziehenden und in denselben einmünden- den Wämperrinnen, mit denen im Baue die unpaarige ventrale Wimperrinne vom Eingang der Schilddrüse bis in den sechsten Kiemensack übereinstimmt. Ich habe versucht, in Fig. 23 alle diese Verhältnisse und die allgemeine Anordnung des Wimpersystems nach einer Pauskonstruktion darzustellen und das ganze Wimpersystem auf einen bestimmten Horizontalschnitt der Serie projieirt. Wenn auch diese Darstellung wegen der gedrängten Verhältnisse nicht so übersichtlich ist, als ein- einfaches Schema?), und einiges Studium erfordert, so wird dieser Mangel durch die Richtigkeit der topographischen Verhältnisse aufgehoben. 1) ,1.,.€./8.,242, 2) Ein solches habe ich in der oben angeführten vorläufigen Mittheilung gegeben. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45, 21 319 Josef Scehaffer: Ueberdies hoffe ich durch die farbige Darstellung des Wimpersystems die Verständlichkeit erhöht zu haben. Auf die Darstellung der oben beschriebenen Anastomosen der dorsalen Wimperschnüre (im Schema roth) musste verzichtet werden, um die Ansicht der ventralen Wimperrinnen nicht zu verdecken. Der Schnitt ist nicht genau horizontal, sondern trifft analwärts den Mageneingang, sowie die 5. und 6. äussere Kiemenöffnung ; kopf- wärts fällt er knapp ventral von den äussern Kiemenöffnungen. Die Wimperstreifen an den lateralen Flächen der dorsalen Kiemenkante sind roth dargestellt und zeigen über jedem Kiemensack (I—VII) die am Querschnitt beutelförmige Anschwellung der dorsalen Kiemenkante, sowie die Abzweigung der Wimverschnüre auf die laterale Fläche der Diaphragmensäume. An denselben ist der Querschnitt der Wimper- sehnur schwarz gestrichelt. Analwärts sieht man die Vereinigung der dorsalen Wimperschnüre am freien Rand der Kiemenkante und ihre abermalige Trennung nach der Vereinigung der beiden Schenkel der ventralen Kiemenkante (des achten Diaphragmenpaares, 8) mit der dorsalen Kiemenkante zum Eingang in den Magen. Kopfwärts ist ebenfalls die Vereinigung der dorsalen Wimperschnüre, sowie ihr Ende dargestellt. Die Fortsetzung des Wimpersystems wird nun von den zunächst ebenfalls zu einer spitzwinkelig-dreieckigen Platte vereinigten, bald aber getrennten Wimperrinnen besorgt, welche in der Zeichnung blau ausgezogen sind. Sie steigen im Bogen rostral und dorsal am Rande des vordersten Diaphragmas herab, wobei ihr Lumen zuerst ventral, dann medial, endlich, wenn sie convergirend an die Bauch- seite gelangt sind, dorsal gerichtet ist. Gegen den Eingang in die Thyreoidea vereinigen sie sich. Caudal finden sie ihre Fortsetzung, die aber nur scheinbar eine direkte ist, in der medianen, ventralen Wimperrinne (blau schraffirt), "welche im sechsten Kiemensacke auf der Höhe der ventralen Kiemenkante frei ausläuft oder blind endigt. Ihr rostrales Ende schiebt sich noch etwas über das caudale Ende der vereinigten Pseudobranchialrinne, wie dies Dohrn!) beschrieben hat. Die Thyreoidea ist in ihren Umrissen durch Punctirung dar- gestellt. Ich habe diese Verhältnisse so ausführlich dargestellt, weil die‘ histologische Ungleichartigkeit der Wimperstreifen und der Wimperrinnen ein besonderes Interesse besitzt angesichts der Contro- verse, welche in Bezug auf die morphologische und entwicklungs- geschichtliche Bedeutung der Wimperrinnen zwischen Dohrn einerseits, van Beneden und hauptsächlich Ch. Julin anderer- seits mit grosser Lebhaftigkeit geführt worden ist. Es würde zu weit führen, hier auf diese Streitfrage näher einzugehen und verweise ich auf die zahlreichen Mittheilungen 1) XIII. Studie 1. e. S. 243. Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes ete. 313 beider Parteien‘). Nur um die Beziehung der Controverse zu den hier erörterten histologischen Thatsache festzustellen, sei folgendes erwähnt: Bekanntlich ist Dohrn wiederholt und mit Nachdruck für die Anschauung eingetreten, dass die vor der Thyreoidea gelegenen Rinnenabschnitte eine Bildung sui generis sind und aus der Reduetion zweier vor den späteren definitiven ersten Kiemensäcken gelegenen Entodermausstülpungen hervor- gehen. Er hat sie als Pseudobranchialrinnen gegenüber den secundär entstehenden Flimmerstreifen an den freien Diaphragmen- säumen und der medianen Rinne hinter der Thyreoidea, welche secundäre Bildungen sein sollen, unterschieden. Dass diese genetische Verschiedenheit auch in histologischen Unterschieden ihren Ausdruck findet, ist gewiss interessant. Eine vollkommene Entscheidung im Sinne Dohrn’s ist vom Stand- punkte des Histologen aber deshalb nieht möglich, weil sich für die vonDohrn besonders betonte genetische Ungleichwerthigkeit der unpaaren ventralen Flimmerrinne und den vor der Ausmündung der Thyreoidea gelegenen Rinnen eine bestätigende histologische Differenz nicht ergiebt, vielmehr beide ventrale Rinnensysteme übereinstimmenden, vom Aussehen der dorsalen Wimperschnüre wohl unterscheidbaren Bau zeigen. Wir kehren nun nochmals zur Besprechung der Epithelver- hältnisse an der Innenfläche der Diagphragmensäume zurück. Während die äussere, einen Theil des Kiemensackes bildende Oberfläche der Diaphragmen durch das eingelagerte Flimmerepi- thel der „Wimperschnur“ ausgezeichnet ist, finden wir an der dem 1) Dohrn, Studien zur Urgeschichte des Wirbelthierkörpers, No. VII, XII, XIII, 1. ec. Besonders die XIII. Studie enthält eine aus- führliche Darstellung der Discussion. van Beneden et Ch. Julin, Recherches sur la morphologie des Tuniciers. Archiv de Biol. T. VI, 1886. Derselbe, Les Tuniciers sont-ils des poissons degeneres? Zool. Anz. 10 Jahrg., No. 257 und 258. Ch. Julin, Les deux premieres fentes branchiales des Poissons Cyelostomes etc. l. c. — Quelle est la valeur morphologique du corps thyroide des Vertebres? Ibidem, p. 293. — De la valeur morpholo- gique du nerf lateral du Petromyzon. Ibidem p.300. — Le systöme nerveux grand sympathique de l’Ammocoetes (Petromyzon-Planeri). Anat. Anz., 2. Jahrg., 1887, p. 192. — Des origines de l’aorte et des caro- tides chez les Poissons Cyclostomes. Ibidem, S. 228. — Recherches sur l’appareil vasculaire etc. 1. c. 314 Josef Schaffer: \ Bronchus zugewendeten Fläche Differenzirungen im geschichteten Pflasterepithel, welche grosses Interesse beanspruchen. An der angegebenen Stelle sitzen knapp vor dem Beginn der Kiemenblätter die von Schneider!) zuerst beschriebenen „warzenförmigen Anschwellungen“; sie sind, wie man an Quer- schnitten durch den Bronchus, welche knapp vor den Beginn der Kiemenblätter gefallen sind, sehen kann, in grösseren verticalen Abständen in das Epithel eingesenkt und zwar, wie der Vergleich von horizontalen Längsschnitten lehrt, nur in einer einzigen Reihe entlang der Wurzel der freien Diaphragmensäume (vgl. Fig. 1 bei Nestler). Schneider hielt diese Gebilde für Geschmacksknospen, da er auf den langen Zellen, welche sie zusammensetzen einzelne Haare zu sehen glaubte. Nestler?) fand die Zellen derselben etwas mehr zugespitzt und am freien Ende eigenthümlich ge- franzt, ohne jedoch Sinneshaare wahrnehmen zu können. Er ver- gleicht diese Gebilde mit den Drüsenknospen im Vorkammerepi- thel, welche ihnen „fast genau gleichen“ sollen und macht ferner die interessante Angabe, dass sie etwas kleiner „als kleine Halb- monde“ auch bei Uebergangsstadien und Petromyzon an denselben Stellen vorkommen. Der dritte Autor, welcher dieser Gebilde Erwähnung thut, Dohrn?), hat sie direkt für Drüsen erklärt. Er sagt in seiner XIII. Studie S. 241: „Beobachtet man ........ die Entwicklung der Kiemenbogen, so gewahrt man zur selben Zeit, wo die Pseudobranchialrinne bereits besteht, wenn auch nur als seichbte Rinne eine histologische Differenzirung aller Kiemen- bogen an ihrem am meisten nach innen vorspringenden Theile. Die dort befindlichen Epithelzellen vergrössern sich wesentlich, die Kerne rücken an die Basis der einzelnen Zellen, deren äussere Oberfläche eine schärfere,; cutieulaartige Begrenzung gewinnt. Die Zellen verlängern sich, eonvergiren etwas um einen ideellen Mittelpunkt, ihre nach dem Lumen des Darmes gerichtete Partie bekommt einen matten, sich wenig färbenden Inhalt und schliess- lich scheinen sie sich als übereinanderliegende, kleine Drüsen zu eonstituiren. Diese kleinen Drüsen bieten auf dem Querschnitte S. 84. Zul. 3) AR Nerven und Gefässe bei Ammocoetes und Petromyzon Planeri. Mitth. aus der zool. Station zu Neapel, VIII. Bd., 1888. Do en em Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes etc, 315 eine centrale, nicht tiefe Grube dar — ob sie irgend eine spezifische Absonderung liefern, ist natürlich schwer zu ent- scheiden. Vor diesen Drüsenbildungen differenziren sich die nach vorne gelegenen Zellen als Flimmerzellen, so dass bei späterem Wachsthum die Drüsen gegen die Sagittalmittelebene gerichtet sind, während die Flimmerbogen vielmehr gegen die Aussenseite sich finden.“ Damit glaubte ich die vorhandenen Angaben über diese knospenförmigen Gebilde erschöpft und hatte in diesem Glauben auch meine ziemlich eingehenden Untersuchungen über dieselben niedergeschrieben, als ich auf den kurzen, aber wichtigen Auf- satz vonRetzius „Ueber Geschmacksknospen bei Petromyzon“!) stiess, im welchem ich manche meiner Befunde bestätigt und be- sonders in Bezug auf das Verhalten der Nerven zu meiner Freude erweitert fand. Retzius hatte die Gebilde selbständig, ohne Kenntniss von den Angaben Schneider’s zu besitzen, aufgefunden und stiess erst später auf die kurze Notiz des letzteren; die Angaben von Dohrn und Nestler sind Retzius entgangen. Obwohl nun durch die Schilderungen von Retzius, besonders aber durch seine ausgezeichneten Abbildungen manche meiner Angaben über- flüssig geworden sind, glaubte ich sie doch nicht unterlassen zu sollen, einmal um die zusammenhängende Darstellung nicht zu stören und dann aus dem Grunde, weil meine Untersuchungen von einem anderen Gesichtspunkte aus und theilweise nach anderen Methoden unternonmmen nicht unwesentlich von der Darstellung, wie sie Retzius gegeben hat, abweichen. Sämmtliche Autoren, auch Retzius, haben ihre Angaben nach den Befunden an Schnittpräparaten gemacht, weshalb ihnen auch manche, nicht un- wichtige Einzelheiten entgangen sind?). Aber auch an Schnitten lässt sich schon mehr erkennen, als die angeführten Autoren ge- sehen haben. 1) Biolog. Untersuchungen, N. F., V. Bd., 1893, No. 10, S. 69, Taf. XXVII. 2)C. Kaensche hat in seinen „Beiträgen zur Kenntniss der Metamorphose des Ammocoetes branchialis in Petromyzon“, Breslau, 1889 (auch in: Zool. Beiträge v. A. Schneider, 2.Bd., p. 219, 1890) die Kiemenhöhle nicht berücksichtigt. — Bu,jor, Contribution a.l’etude de la m&tamorphose de l’ammocoetes branchialis en Petromyzon Planeri, Geneve, 1892, enthält ebenfalls nichts diese Frage Betreffendes, 316 Josef Schaffer: Die fraglichen Gebilde stellen, wie es Schneider (I. e. Fig. 5, Taf. ID) und Retzius (l. ce. Fig. 3, Taf. XXVII) darstellen, knospen- förmige Gruppen eylindrischer Zellen dar, welche in der That einigermaassen an die Drüsenknospen des Vorkammerepithels er- innern (vgl. Fig. 14 Kn und Fig. 9 D). Ihr feinerer Bau zeigt jedoch tiefgehende Unterschiede und lassen uns in denselben mit Sicherheit sogenannte Sinnesknospen erkennen. Zunächst fehlen an ihrer Basis, die eine leicht eonvexe Ab- rundung zeigt, Ersatzzellen und lagern die Cylinderzellen unmittelbar dem darunter gelegenen Bindegewebe auf, welches eine eigene, mem- branartige und kernhaltige Umhüllung’ der Basis und Seitentheile der Knospe emporsendet, wie dies Retzius vortrefflich dargestellt hat (Fig. 15 M R). Weiters sind jedoch die Cylinderzellen, welche sie zusammensetzen, durchaus nicht gleichartig, wie dies Schneider abbildet und Retzius behauptet, sondern lassen zwei gut unter- scheidbare Formen erkennen, was sich auch in der Fig. 15, Taf. X in der oben eitirten Abhandlung von Dohrn sowie in der Fig. 3, Taf. XXVII von Retzius angedeudet findet. Die einen besitzen die Form nach oben zu stark verschmäch- tigter Pfeiler, sitzen mit breitem, häufig wie ausgefranztem Fusse auf der Basalmembran auf und liegen auch ihre Kerne, welche sich durch stärkere Färbbarkeit und längliche Form auszeichnen, in diesem Fusse. Das ganze Gebilde färbt sich stärker, als die zweite Zellform (Fig. 1582). Diese stellt mehr prismatische Gebilde mit grossen ovalen Kernen dar, welche durch scharf hervortretende Kernmembran und Kernkörperchen, sowie durch ihre Lage in verschiedenen Höhen ausgezeichnet sind (Fig. 15 8$tZ). Dabei sind die Kerne so dieht aneinander gelagert und zahlreich, dass man diese zweite Zellform für vielfach stark abgeplattete, mit Drucknischen versehene Geblilde halten muss. Das obere Drittel aller Zellen ist aber im allgemeinen kernfrei und tritt dadurch an gefärbten Präparaten als eosinrothe Zone deutlich hervor. Die freien, zu einer Delle vereinigten Enden der Zellen tragen einen Cutieular- saum, über welchen sieh noch meist nicht sehr gut erhaltene Härchen erheben, die jedoch nicht frei über die Oberfläche em- porragen, sondern von einer eutieulaartigen Hülle überragt werden, die an’ einzelnen Schnitten oft wie eine über die Delle gespannte Membran erscheint (Fig. 15 DM). Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes etc. 317 Geht schon aus dieser Beschreibung die Uebereinstimmung der Gebilde mit Geschmacks- oder Sinnesknospen hervor, so wird ihre Beziehung zum Nervensystem unzweifelhaft durch den Um- stand, dass an die Basis jeder dieser Knospen ein Nervenbündel- chen herantritt, welches sich in ein Geflecht von feinsten Fäser- chen auflöst, von denen einige bis an die Basalmembram heran- treten (Fig. 15N). Die festere Verbindung des Sinneskegels mit der subepi- thelialen Grundlage findet an Schnitten meist auch darin ihren Ausdruck, dass die Knospe auf derselben sitzen geblieben ist, während sich das umgebende Epithel im Zusammenhang abge- hoben hat, ein Verhalten, welches auch Nestler in seiner.Fig. 1 bei @ dargestellt hat. Die vorstehende Beschreibung ist lediglich nach Befunden an Schritten entworfen. Ein klares Bild über den eigenthüm- lichen Bau dieser Endknospen kann aber erst durch die Ver- bindung der Schnittmethode mit anderen Untersuchungsmethoden gewonnen werden. Durehschneidet man den Kopf eines in Müller ’scher Flüssig- keit gut erhärteten Ammocoetes in der Medianebene, so erhält man an jeder Schnittfläche die Kiemenblattfreien Diaphragmen- säume zur Ansicht und zwar ihre den Kiemendarm oder Bronchus begrenzende Fläche (Fig. 16 8). Dorsal und ventral werden diese Säume von den dor- salen und ventralen Kiemenfalten begrenzt. Die Kiemenblätter kommen in leichter F-förmiger Krümmung auf der rostralen Wand jedes Kiemensackes verlaufend in sagittaler und senkrech- ter Richtung auf die freien Säume zu, soweit letztere sichtbar sind (Fig. 16 R); die rostrale Grenze der Kiemenblätter wird durch einen niederen Wulst markirt, weleher mit breiter, drei- ecekiger Wurzel von der ventralen Kiemenkante entspringt und an der Grenze zwischen Kiemenblättern und faltenfreiem inneren Dia- phragmasaum dorsal sich verschmächtigend emporzieht (Fig. 167). Auf diesem Wulst erheben sich in geringen Zwischenräumen kraterförmige Gebilde, die man leicht mit der Loupe, bei guter Beleuchtung aber auch eben noch mit freiem Auge wahrnimmt); sie werden von einem ringförmigen Epithelwall dargestellt, der in der Mitte eine ziemlich tiefe Delle erkennen lässt (Fig. 16. $K). 1) Sie finden sich bei Schneider in der Fig. 2, Taf. II, welche dann auch Kaensche wieder bringt, angedeutet. 318 Josef Schaffer: Diese Gebilde sind die von Schneider zuerst beschriebe- nen „warzenförmigen Anschwellungen“, die er als Geschmacks- knospen, Dohrn als Drüsen gedeutet hat. Ihre Anordnung zeigt eine gewisse Gesetzmässigkeit, indem meist je Eine solche Er- hebung zwischen den Enden oder Wurzeln zweier Kiemenblätter sitzt. Diese Regel erleidet insofern eine Störung, als nicht selten - dicht an einer grossen Erhebung eine ganz kleine sitzt (Fig. 18 NK, Fig. 20 @,). So schwankt ihre Zahl zwischen 5 und 10 an einem Saum. Die grössten sitzen meist an der dorsalen Hälfte der Säume, während sie ventralwärts an Grösse abnehmen. Auch an den einzelnen Diaphragmen nimmt ihre Grösse von den mittleren gegen die vordersten hin ab. Unter der Präparirloupe gelingt es leicht, einen dieser Hügel mit der Lanzennadel abzuheben und in einen Tropfen ver- dünnten Glycerins unter das Mikroskop zu bringen. Hat man darauf geachtet, dass seine Oberfläche nach oben gerichtet bleibt, so sieht man eine ringförmige oder manchmal auch ovale, wall- förmige Erhebung des Epithels, welche im ersten Falle eine, im letzteren Falle zwei bis drei dunkle, kegelförmige Zellmassen, den eigentlichen Sinneshügel, umschliessen. Wenn mehrere Kegel innerhalb eines Walles liegen, ragt immer einer derselben durch besondere Grösse hervor (Fig. 17 und 18). An der dunklen Zellmasse des Kegels nimmt man bei oberflächlicher Einstellung eine kleinste, zierliche Felderung wahr, als Ausdruck der opti- sehen Querschnitte der denselben zusammensetzenden Zellen. Bei richtigem Gebrauch der Mierometerschraube erkennt man auch, dass die peripheren Zellen des Hügels durch starke Convergenz gegen die Mitte fassdaubenartig gebogen erscheinen und in einem höheren Niveau enden, als die weiter nach innen gelegenen. So entsteht die besprochene Delle oder kraterförmige Einsenkung an der Spitze des Kegels. Häufig fällt jedoch der ganze centrale Zell-Kegel heraus und man sieht dann im Epithel ein kreisrundes Loch, dessen Ränder eine sehr eigenthümliche Beschaffenheit zeigen. Das ge- schichtete Epithel des Walles hört mit einem scharfen und glatten Rande an der Oeffnung auf; bei mittlerer Einstellung erscheint dieselbe von einem glänzenden, eutieulaartigen Saume begrenzt. Hebt man die Schraube bis zur Oberflächeneinstellung, so sieht man diesen Saum übergehen in ein äusserst dünnes Häutchen, welches leicht kuppelförmig gewölbt die Krateröffnung an ihrer Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes ete. 319 Peripherie überdeckt, also in der Mitte eine fast kreisrunde, kleinere oder grössere Oeffnung besitzt (Fig. 17 DM, Fig. 19). Oft erkennt man schon am ungefärbten Objekt, dass diese Deckmembran kein durchaus gleichmässiges Ansehen zeigt, son- dern Zellgrenzen und an der Basis der einzelnen Zellschüppehen auch Kernumrisse erkennen lässt. Beide Strukturen werden deutlicher an gefärbten Objekten. Um solehe zu erhalten, über- trägt man die abgetragenen Epithelkappen entweder einfach in schwach mit Eosin versetztes Glycerin, oder man färbt den hal- birten Schädel, nachdem man ihn gut ausgewaschen hat, mit Hämatoxylin vor, und trägt dann erst die Knospen ab. An solehen Präparaten erkennt man mit aller Sicherheit, dass die Deckmembran aus radiär gestellten ungemein abgeflach- ten und verbreiterten Zellschüppehen zusammengesetzt ist, die gegeneinander gut abgegrenzt erscheinen. An tangentialen senkrechten Schnitten durch das ganze Ge- bilde mussten diese Randzellen das oben erwähnte, über die Delle gespannte, eutieulaartige Häutehen darstellen (Fig. 15 DM). Was den eigentlichen Sinneshügel anlangt, so stellt derselbe eine Gruppe von langgestreckten Zellen dar, welche im Profil gesehen wie ein Theilstück eines Kreisringes erscheint. In der That ist es ein abgestutzter Kegel, der an der oberen Fläche eine Delle besitzt, während die Basis convex vor- sewölbt erscheint. Die seitliche Begrenzung bildet theilweise das sich erhebende Bindegewebe, höher oben das umgebende geschichtete Epithel, welches mit einem eutieulaartigen Saum am Kegel aufhört und sich nach oben in die Zellplättchen der Deck- membran fortsetzt. Die Basis ruht auf einer Art Basalmembran auf, welche sich ringförmig erhebt und so eine Art von Becher darstellt, in welchem der Sinneskegel sitzt, wie eine Eichel in ihrem Becherchen. Dieses eigenthümliche Verhalten der binde- gewebigen Grundlage, das Retzius bereits gut geschildert hat, kann man an Präparaten, die nach Härtung in Müller’scher Flüssigkeit längere Zeit in Wasser gelegen haben, sehr gut zur Anschauung bringen. An denselben lässt sieh die Epitheldecke des Diaphragmensaumes leicht ganz abheben. Betrachtet man nun einen solchen entblössten Saum mit der Loupe, so sieht man noch immer die Stellen, an denen die Sinnesknospen gesessen haben, deutlich markirt. Trägt man nun den Saum ab und bringt 320 Josef Schaffer: ihn mit der Innenfläche nach oben unter das Mikroskop, so sieht man ein Bild, wie es in Fig. 20 skizzirt ist. An Stelle der Knospen erheben sich zarte Ringe aus Bindegewebe, die im Profil geschen (Fig. 20 bei @,) als dünne Wandungen seichter, halbkugelförmiger Becher erscheinen. In manchen derselben ist eine Gruppe der Zellen des Sinneskegels sitzen geblieben (Fig. 20 bei @,@,) und ragt nun wie der Griffel aus einer Glockenblume hervor, ein Beweiss, dass der Sinneskegel eine festere Verbindung mit der Basalmembran zeigt, als die leicht abhebbare Epithel- kappe, welche ihn bedeekt. Diese Verbindung wird offenbar dureh die zutretenden Nervenbündel hergestellt, deren Fäserchen man an solehen Flächen- oder Isolationspräparaten bis an die Basalmembran verfolgen kann. Ueber ihre Verbindung mit den Sinneszellen ist Retzius zu keinem positiven Ergebnisse gelangt. Er sah in der Schleimhaut starke Bündel von Nervenfasern unter den Knospen verlaufen und einzelne Fasern in das die Knospen umgebende Epithel sich verbreiten und verästelt intracellulär mit freien Endbäumehen endigen. Dagegen sah er keine Nerven- faser in das eigentliche Knospenepithel eintreten, sondern nur eine Verzweigung und Verbreitung derselben dieht unter dem Knospenepithel. Er ist daher nach diesen und analogen Er- fahrungen an den Endknospen von Forellen, welehe in den An- gaben von v. Lenhossek!) eine Stütze finden, geneigt, auch für die Geschmacksknospen von Ammocoetes nur das Vorhandensein auswendig umspinnender oder kelehartig umgebender Endgeflechte anzunehmen. Trotzdem konnte ich die Vermuthung, dass es sich hier um ähnliche Verhältnisse, wie bei den Geschmacksknospen der Säuge- thiere handle, für die durch die Untersuchungen von Retzius, vonLenhossek, Arnstein und Jaques eine intragemmale, pericelluläre Endigung der Nerven bekannt geworden ist, haupt- sächlich aus dem Grunde nicht unterdrücken, weil bei gewöhn- licher Präparation die Verbindung des Sinneshügels mit seiner Unterlage eine so feste ist. Ich untersuchte. daher eine Anzahl von Ammocoetes (6—15 em lang) nach der Methode Golgi’s mit verschiedenen Abänderungen der Methode, jedoch mit gleichem Erfolge wie Retzius. Wohl imprägnirten sich einzelne Zellen 1) Der feinere Bau und die Nervenendigungen der Geschmacks- knospen. Anat. Anz., 8. Jhrg., 1893, S. 121—127. Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes etc, 321 der Knospen, nie jedoch sah ich einen Nerven in die Knospe eindringen. Die zelligen Elemente der Sinnesknospe selbst lassen sich leicht mit der Nadel oder durch leichtes, wiederholtes Aufdrücken auf das Deckglas isoliren und findet man an solehen Präparaten bestätigt, was schon an Sehnitten angedeutet war, dass dieselben aus zwei vollständig verschiedenen Formen bestehen. Die eine Art der.Zellen besitzt die Form gestreckter, in einen dünnen, langen Fortsatz auslaufender Kegel, in deren verbrei- tertem Basaltheil ein längsovaler Kern liegt, während die Basis selbst nicht gerade abgeschnitten, sondern wie ausgefranzt er- scheint. An der Spitze ist der Kegel abgestutzt und trägt hier einen ziemlich dicken Cutieularsaum, der wie ein Ring um die Spitze herumgelegt erscheint und dieselbe seitlich ringsum über- ragt. In der Mitte dieses Ringes ragt ein kurzes, starres Stiftchen, welches zugespitzt endet, während es gegen die Zelle zu an- scheinend noch eine kurze Strecke unter den Cutieularring in den Zellkörper verfolgt werden kann (Fig. 21bc. Fig. 22,2). Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass wir in dieser Zellform die eigentliche Sinneszelle, den Stift- oder Neuroepithelzellen der Geschmacksknospen entsprechend vor uns haben. Sie ist es auch, welche sich an Präparaten nach Golgi’s Methode mit Vorliebe in toto schwärzt, wie dies die Fig. 4 von Retzius zeigt und wie es v. Lenhossek!) als Regel auch bei den Sinneszellen der Geschmacksknospen gefunden hat. Die manigfaltigen Formen der zweiten Zellart lassen sich alle leicht aus dem Zwecke der- selben, den Sinneszellen zur Isolirung oder Stütze zu dienen, er- klären. Bald besitzen sie einen fadenförmigen Fuss, der in ver- schiedener Höhe eine beträchtliche Verdiekung durch den ovalen Zellkern erfährt und dann in einen breiteren, oben abgeschnit- tenen prismatischen Zellleib übergeht. Bald sind es dünne, durch Druck abgeplattete, oder mit Drucknischen versehene Zellen, die im Profil wie dunkle, schmale Stäbchen erscheinen u. s. f. (Fig. 21 a, 22, 3, 4, 5). Alle tragen aber an ihrem Ende einen Cutieular- saum, über den sich in seiner ganzen Ausdehnung eine cupula- artige, blasse und, wie es scheint, ziemlich vergängliche Kappe 1) Der feinere Bau und die Nervenendigungen der Geschmacks knospen. Anat. Anz. 8. Jhrg., 1893. 322 Josef Schaffer: erhebt, die bald wie geflammt (Fig. 21 a), bald wie ein geron- nener Sekrettropfen erscheint (Fig. 22, 4, 5). Fasst man das über diese Sinnesknospen von Ammocoetes Gesagte zusammen, so ergiebt sich ihre grosse Aehnliehkeit mit den Endknospen der Fische und Geschmacksknospen der Frosch- larven. Die Schilderung, welche F. E. Schulze von den letz- teren giebt, stimmt in vieler Hinsicht vollkommen mit meiner Beschreibung. Der Bau des eigentlichen Sinneskegels hat aber auch mit dem der Geschmaksknospen der Säugethiere viele Aehnliehkeit; dagegen ist die Kragenmembran, welche den Rand der Delle bei den Sinnesknospen von Ammocoetes deckt, eine ganz eigenthümliche Bildung, die jedoch nicht ohne Analogon dasteht. Sie scheint mir vielmehr ein Mittelglied zu bilden zwischen jenen eigenthümlichen eutieularen, röhrenförmigen Auf- sätzen, welche F. E. Schulze!) an den Hügelorganen vieler Fische heschrieben hat und der Einrichtung, die derselbe Autor an den Geschmacksknospen der Froschlarven schildert. Da diese Schilderung in vieler Hinsicht mit der von mir gegebenen über- einstimmt, führe ich F. E. Sehulze’s eigene Worte an?): „Die Seitenfläche der Knospe, welche höher ist, als das Epithel, wird von einer sich scheidenförmig erhebenden direkten Fortsetzung des allgemeinen geschichteten Deckepithels zugedeckt, welche sich wie ein Mantel um die ganze Knospe herumlegt und nur für das quer abgestutzte obere Ende derselben eine rundliche Lücke besitzt. Diese letztere ist von einer Ringlage platter Zellen umrandet, welche sich an dem Innenrand noch etwas zuschärfen und eine einschichtige Lage bilden, während der untere Theil der Knospen noch von zwei übereinander geschichteten Lagen niedriger polyedrischer Zellen seitlich bedekt wird.“ Alle diese Einrichtungen können entweder zum Schutze der Sinneshaare bestimmt sein, woran die der Berührung mit festen Körpern ausgesetzte Lage der Organe denken lässt; dann würde der Mangel einer analogen Einrichtung bei den Geschmacks- knospen der Säuger die geschützte Lage derselben erklären, oder sie dienen zur Festhaltung von Flüssigkeit auf der Knospenober- fläche, welche bei den Säugethierknospen vom Graben der Pa- pillen besorgt wird. 1) Arch. f. mikr. Anat. Bd. 6, 1870, S. 67, 2) Ebendort, S. 418. Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes etc. 323 Die epitheliale Auskleidung der Kiemenhöhle von Ammo- coetes bietet demnach ein schönes Beispiel für den formgestal- tenden und verändernden Einfluss der functionellen Anpassung auf die Epithelien. Wir finden ganz unmittelbare Uebergänge der verschiedensten Epithelformationen ineinander, die sich sämmt- lich unter dem Einfluss des functionellen Bedürfnisses aus einer ursprünglich gleichartigen entodermalen Anlage heraus entwickelt haben. (Allerdings muss ich betonen, dass die Differenzirung der hauptsächliehsten Formationen schon sehr frühzeitig auftritt, so dass ich bereits bei Tmm langen Larven Sinnesknospen, Drüsen- und Flimmmerepithel mehr minder deutlich entwickelt finde.) Während der respiratorische Theil der Kiemenschleimhaut, die Fältchen der Kiemenblätter, entsprechend ihrer Function von einer einzigen Lage platter Zellen bedeckt wird und einerseits durch ihre Anordnung, andererseits durch einen Cuticularsaum vor Verletzung durch eingeführte mineralische Nahrungsbestand- theile geschützt sind, kommt an der kiemenblattfreien Schleim- haut der Kiemensäcke ausser der Deckschieht mit Cutieula ver- sehener Zellen noch ein reichlicher unter derselben gelegener Drüsenapparat hinzu, welcher diesen der Berührung mit Fremd- körpern mehr ausgesetzten Theil der Schleimhaut durch eine auf- gelagerte Schleimschieht zu schützen vermag. Die Innenwan- dung des Bronehus bedeckt ein derbes geschiehtetes Pflasterepi- thel, auf dessen Oberfläche sich wieder die schützende Lage von Cutieula tragenden Deckzellen fortsetzt. Dasselbe ist der Fall bei dem eigenthümlichen und in seiner Bedeutung räthselhaften hohen Cylinderepithel an der Aussenfläche des Bronchus, so dass wir im ganzen Kiemenraum diese Deckzellen mit Cutieularsaum vorfinden mit Ausnahme des Flimmersystems und den spezifischen Sinnesknospen. Ueber die Bedeutung des komplieirten Flimmerapparates lässt sich auch nichts Bestimmtes aussagen; doch führt es in letzter Linie auf den Magen zu, so dass auf diesem Wege wohl kleine Hartgebilde befördert werden können. Die spezifischen Sinnesknospen an der Innenfläche - des Bronchus können ihrem ganzen Baue, so wie dieser ihrer Lage nach wohl kaum anders als geschmacksempfindend gedeutet werden. 324 Josef Schaffer: LI. Ich habe erwähnt, dass diese Sinnesknospen von Ammo- coetes (und Petromyzon) eine entfernte, äussere Aehnlichkeit mit den intraepithelialen Drüsenknospen besitzen, konnte aber gerade bei Ammoeoetes leicht die tiefgreifenden morphologischen Unter- schiede beider Bildungen nachweisen. Trotzdem sind beide in neuerer Zeit in Zusammenhang ge- bracht, ja identifieirt worden, indem einerseits Dohrn, wie er erwähnt, die Gesehmacksknospen Sehneider’s bei Ammoeoetes nach der Aehnlichkeit ihrer Zellgruppirung mit den secernirenden Zellgruppen der Thyreoidea für Drüsen erklärte, andererseits S. Mayer ganz allgemein in Geschmacks- und Sinnesknospen nichts anderes, als intraepitheliale Drüsen zu erkennen glaubte. Von dritter Seite wurde der Versuch gemacht, die mit den Ge- schmacksknospen des Ammocoetes im Baue grosse Ueberein- stimmung zeigenden Hautsinnesknospen der Fische phylogenetisch für Vorläufer von Haaranlagen zu erklären, so dass wir hier die heterogensten Dinge verquickt sehen. Die Entscheidung der letzten Frage fällt nicht in das Gebiet der Histologie und verweise ich betreffs derselben auf die Arbeiten vonMaurer!) undLeydig?); dagegen soll der Versuch S. Mayer’s, ziemlich allgemein als sensorische oder sensible Nervenendapparate anerkannte Organe „in Anschluss an die Leydig’schen Anschauungen“ für intraepi- theliale Drüsen zu erklären, näher geprüft werden. Der erfahrene Histologe hat in seiner eingangs angeführten Mittheilung, anknüpfend an die Beobachtungen F. E.Schulze’s bei Larven von Pelobates und an dessen Bemerkung, dass das Verhalten der von ihm entdeckten Drüsen bisher bei Wirbelthieren unbekannt war, eine Reihe von Gebilden zusammen- gestellt, die er als intraepitheliale Drüsen bezeichnet, ohne an der oft recht auffallenden Ungleichartigkeit dieser Bildungen An- stoss zu nehmen. Er hebt zwar hervor, dass es sich „hierbei 1) Haut-Sinnesorgane, Feder- und Haaranlagen und deren gegen- seitige Beziehungen; ein Beitrag zur Phylogenie der Säugethierhaare. Morph. Jahrb. 18. Bd., S. 717, 1892. Zur Frage von den Beziehungen der Haare der Säugethiere zu den Hautsinnesorganen niederer Wirbelthiere.. Ebendort, 20. Bd., S. 429, 1893. 2) Besteht eine Beziehung zwischen Hautsinnesorganen und Haaren? Biolog. Centralbl., 13. Bd., S. 359, 1893. Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes etc. 325 entweder um Bildungen vom Typus der gewöhnlichen einfachen Drüsen handelt, die aber die Epithelregion nicht überschreiten oder um melır oder weniger deutlich ausgebildete knospenartige Einlagerungen in das indifferente Epithel, die aus Epithelzellen bestehen, welehe sieh im ihrem Aussehen von der Nachbarschaft unterscheiden und so angeordnet sind, dass ihr Sekret sich nicht erst in einen besonderen Hohlraum, sondern direekt auf die Ober- fläche der Schleimhaut ergiesst“!). Weiter aber führt ihn diese Betrachtungsweise zu einem, wie mir scheint, sehr bedenklichen und kaum annehmbaren Schluss, wenn er in den wechselnden Bildern, welche diese knospenartigen, intraepithelialen Drüsenge- bilde sowohl schon von vorne herein, als auch in Folge verschiedener physiologischer Zustände der Zellen (Sekretfüllung und Entleerung) darbieten können, eine Reihe von Uebergangsformen sieht, au deren einem Ende unzweifelhafte Drüsen, an deren anderem Ende Jene knospenartigen, intraepithelialen Gruppirungen stehen, die man bisher als Geschmacks- und Sinnesknospen aufgefasst hat. „Hat man einmal die Bekanntschaft der intraepithelialen knospen- artigen Drüsenformationen gemacht, dann ist es schwer, die un- gemeine Aehnlichkeit, ja Identität dieser Gebilde mit den vielfach erörterten sogenannten Geschmacks- und Sinnesknospen von der Hand zu weisen“ ?). Von der „ungemeinen Aehnlichkeit“ bis zur „Identität“ ist denn doch noch ein grosser Schritt und scheint mir daher die Ueber- zeugung S.Mayer’s, dass die Geschmacksknospen nichts anderes sind, als intraepitheliale Drüsen, unhaltbar zu sein. Zur Be- gründung dieser meiner Ansicht soll 1. auf die Ungleichartigkeit der von S.Mayer als intraepitheliale Drüsen zusammengestellten Gebilde hingewiesen und 2. die morphologische Verschiedenheit der als Geschmacks- und Sinnesknospen bezeichneten intraepithe- lialen Gebilde und der denselben äusserlich am ähnlichsten gestalteten intraepithelialen Drüsenzellgruppen hervorgehoben werden. Dabei müssen selbtsverständlich auch alle übrigen von S.Mayer zur Stütze seiner Auffassung angezogenen Gründe auf ihre Stichhaltigkeit geprüft werden. Die erste von S. Mayer erwähnte intraepitheliale Drüsen- 326 Josef Schaffer: form sind die von F. E. Schulze beschriebenen mehrzelligen „reinepithelialen“ d. h. nur auf das Epithel beschränkten Drüsen in der Rachenschleimhaut von Pelobates-Larven. In gleiche Linie mit denselben wären die von Nestler und mir beschriebenen Drüsenzellgruppen in der Kiemensacksschleimhaut von Ammo- coetes (und Petromyzon) zu stellen. Hebt man den beiden Bildungen gemeinsamen Mangel eines eigentlichen Drüsenlumens und die knospenähnliche Gestalt hervor, so wird man für diese Form von Drüsen die von mir bereits vorweggenommene Be- zeichnung als intraepitheliale Drüsenknospen zu- treffend finden. Sie sind es, welche unter den vonS. Mayer aufgeführten Bildungen die meiste Aechnlichkeit mit den Geschmacks- und Sinnesknospen besitzen. Als zweite Form erwähnt S. Mayer von Ranvier bei einer Rallus-Art beschriebene Drüsenschläuche !), welche von Drüsenzellen (Becherzellen) gebildet werden und ebenfalls ganz in das geschichtete Pflasterepithel des Oesophagus eingegraben erscheinen. Das be- zieht sich allerdings nur auf die obere Hälfte der Drüsenschläuche, welehe dicht gedrängt, ähnlich den Diekdarmdrüsen, im hohen, geschichteten Pflasterepithel des Oesophagus nebeneinander stehen. Diese obere Hälfte der Drüsen ist in der That ohne eingene Wandung, nur in das Epithel eingegraben. An der Basis des Epithels gehen aber ausserordentlich dünne, fadenartige Papillen des mesodermalen Gewebes zwischen die Drüsenschläuche hinein, so dass letztere in ihrem basalen Drittel, manchmal in der basalen Hälfte ringsum von spärlichem Mesodermgewebe mit Bluteapillaren umgeben erscheinen?). Hieher wären auch die von S. Mayer eitirten Angaben Dogiel’s über die Bowman schen Drüsen von Bufo variegata, falls sich dieselben bestätigen sollen, zu rechnen. Bei Säugethieren liegen diese Drüsen nach Dogiel’s eigenen 1) Die eitirte Seite 302 steht wohl in Folge eines Druckfehlers statt p. 392. 2) Herr Prof. Ranvier hatte die Liebenswürdigkeit, mir eines dieser Präparate, sowie auch eines von den noch zu besprechenden Drüsenbildungen in der Gaumenschleimhaut der Landschildkröte zur Ansicht zu senden, wofür ich ihm hier nochmals meinen verbindlichsten Dank sage. Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes ete. 327 Untersuchungen, sowie nach den Angaben von Paulsen!) grössten- theils im Bindegewebe. Diese zweite Form von Drüsen kann man als intraepi- theliale Drüsensehläuche bezeichnen. Sie zeigen gegen- über den Drüsenknospen bereits eine Reihe von Merkmalen, welche sie dem typischen Drüsenschema näher bringen, indem sie ein Lumen besitzen, das zugleich Ausführungsgang ist; auch gehen an der Mündung der Ranvier’schen Drüsen die Drüsenzellen unter allmählicher Umwandlung in die Zellen des Oberflächenepi- thels über. Endlich sind diese Drüsenschläuche nicht ausschliess- lich intraepithelial gelegen, sondern dringen dieselben mehr weniger tief in das Bindegewebe vor. Die dritte Form der von S. Mayer aufgeführten Drüsen endlich kann man als intraepitheliale Drüsenblasen bezeichnen. Hieher kann man der Form nach die von Ranvier im Epithel der Gaumenschleimhaut bei der Landschildkröte be- schriebenen Bildungen rechnen. Es handelt sich dabei um Gruppen von Becherzellen, welche manchmal drüsenähnliche, beerenförmige Räume auskleiden. Die ganze Epitheloberfläche ist auf diese Weise durchsetzt von dicht nebeneinander gelegenen Drüsenräumen, so dass sie an Durchschnitten unregelmässig zerfurcht und gefaltet erscheint. Das Bild bietet vollkommen Analogie mit den von S. Mayer ebenfalls angeführten und später zu besprechenden, auf pathologischen Anreiz zur Entwieklung kommenden drüsen- ähnlichen Bildungen im Epithel des Pterygiums. Als physiologisch typische Vertreter dieser dritten intraepi- thelialen Drüsenform sind jedoch die von mir in den Vasa effe- rentia testis beim Menschen beschriebenen alveolären Einzeldrüschen anzusehen. Während dieselben mit den intraepithelialen Drüsen- schläuchen in so ferne vergleichbar sind, als sie ebenfalls ein Lumen besitzen, dessen Auskleidung von den Zellen zwischen den Drüsen verschieden ist, unterscheiden sie sich von Drüsen- knospen durch die ebenfalls bereits angedeutete Begrenzung der eigentlichen Drüsenzellen durch septenartige Erhebungen der Basalmembran obgleich dieselbe nicht so ausgesprochen ist, wie bei den Oesophagusdrüsen der Rallus-Art. Der ganze Bau lässt die intraepithelialen Drüsenblasen bereits als echte Drüsen er- 1) Ueber die Drüsen der Nasenschleimhaut, besonders die Bo w- man’schen Drüsen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 26, 1886. Archiv f. mikrosk. Anat, Bd, 45 22 398 | Josef Schaffer: kennen, die mit den intraepithelialen Drüsenknospen, ausser ihrer Lagerung wenig mehr gemein haben. Von letzteren dürften sie auch durch ihre physiologische Bedeutung vollkommen zu trennen sein, welche in der Verbreitung und Entwieklungsgeschichte dieser Nebenhodendrüschen ihren Ausdruck findet. Ausser beim Menschen habe ich sie bis jetzt noch beim Meerschweinchen und der Ratte, allerdings in spärlicherer Entwiekelung nachweisen können und dürften sie noch bei vielen anderen Thieren wiedergefunden werden. Was aber besonders hervorgehoben werden muss, ist der Umstand, dass sie bereits in frühen Embryonalstadien, vor der entgültigen Differenzirung der Geschlechtsdrüse in gewissen Kanälchen der Urniere in ganz ähnlicher Weise, wie beim Erwachsenen entwickelt erscheinen. Diese Beobachtung konnte ich bisher allerdings nur bei der Ratte machen, ich vermuthe jedoch, dass dasselbe Verhalten sich bei den Embryonen aller Thiere finden wird, welche im ausge- bildeten Nebenhoden die Drüschen besitzen, dass sie daher auch in der Urniere des Menschen bereits angelegt erscheinen. Auch die funetionelle Bedeutung der Drüschen scheint keine unwichtige zu sein und hoffe ich darüber durch fortgesetzte Untersuchungen Aufschluss geben zu können!). 1) Einen Fingerzeig, in welcher Richtung diese Bedeutung zu suchen ist, geben die interessanten Untersuchungen von E. Steinach (Untersuchungen zur vergleichenden Physiologie der männlichen Ge- schlechtsorgane, insbesondere der accessorischen Geschlechtsdrüsen. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 56, 1894, S. 304), aus denen ich der Haupt- sache nach folgendes hervorhebe: Der Same, welcher aus den Hoden- kanälchen heraustritt, wird erst generationsfähig, wenn er mit den Sekreten der accessorischen Geschlechtsdrüsen verdünnt wird und zwar zeigen Proben von Samen aus verschiedenen, von der Bildungs- stätte desselben sich immer mehr entfernenden Partieen der ableiten- den Wege entnommen eine mit dieser Entfernung steigende Lebens- fähigkeit. Andererseits erzeugt Entfernung einer accessorischen Ge- schlechtsdrüse bedeutende Herabsetzung der potentia generandi, Ent- fernung sämmtlicher accessorischen Drüsen vollständige impotentia generandi, bei erhaltener potentia co&undi. Die accessorischen Ge- schlechtsdrüsen sind nun bei verschiedenen Thieren sehr grossen Schwankungen unterworfen; jedoch zeigt sich in ihrem Verhalten eine gewisse Compensation insofern, als dort, wo eine kleine Prostata vor- handen ist, sich grosse Samenblasen oder Vas deferens-Drüsen finden und umgekehrt. Beim Menschen sind die accessorischen Geschlechts- drüsen, Vas deferens-Drüse (Ampulle), Samenblasen, Prostata, Cowper'- Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes ete. 329 Diesen normalen und typischen intraepithelialen Drüsen- bildungen gegenüber müssen die von S. Mayer ebenfalls an- geführten drüsenähnlichen. Bildungen in der Carunkel als sehr ungleichwerthige Gebilde bezeichnet und betrachtet werden. Stieda!), der sie zuerst beschrieben hat, verwahrt sich sche Drüsen klein und verhältnissmässig rudimentär entwickelt. Da kommt nun vielleicht den massenhaften Einzeldrüschen im Neben- hodenkopfe die Bedeutung vicariirender, accessorischer Drüschen zu, welche für die Generationsfähigkeit des Samens die erste Rolle spielen würden. Man vergleiche in dieser Hinsicht auch die Bemerkungen van der Stricht's in seiner Mittheilung „La signification des cellu- les Epitheliales de l’&pididyme de Lacerta vivipara. — Compt. rend. d. sc. soc. de Biol. 29 juillet, 1893. Bei dieser Gelegenheit erwähne ich, dass die Nebenhodendrüschen bisher wenig Beachtung gefunden haben. R. Hermes erwähnt in einer unter v. Brunn’s Leitung aus- geführten Dissertationsarbeit „Ueber die Epithelverhältnisse in den Ausführungsgängen der männlichen Geschlechtsdrüsen. Rostock 1893“ nichts von denselben, sondern giebt eine ganz andere Darstellung der epithelialen Auskleidung der Vasa efferentia und Coni vasculosi. Da er von meiner Mittheilung keine Kenntniss hatte, glaubt er der erste zu sein, welcher die Längsfaltungen gesehen hat. Das Epithel lässt er aus zwei verschiedenen Zellarten bestehen, wovon die eine, spär- lichere, durch Flimmerhaare und kleinere Kerne ausgezeichnet ist. In den Coni vasculosi sollen die Flimmerzellen regelmässig mit den flim- merlosen abwechseln und dabei manchmal eine ausgesprochene conische Form annehmen. Dabei soll die Höhe der Zellen sehr verschieden sein, an einzelnen Stellen 26, an anderen nur 12. betragen. Nach der ganzen Schilderung vermuthe ich, dass Hermes Andeutungen der von mir beschriebenen Drüsenbildungen gesehen, das wahre Verhalten der Epithelanordnung aber übersehen hat, vielleicht, weil er grösstentheils in Paraffin eingebettete Schnitte untersucht hat, an denen durch Schrumpfung die Bilder undeutlich geworden waren. In den’ seither erschienenen Lehrbüchern von Rawitz und Bannwarth findet sich die alte, fehlerhafte Darstellung; ersterer beschreibt in den Vasa efferentia sogar ein geschichtetes Cylinder- epithel. Böhm und v. Davidoff sprechen in ihrem ausgezeichne- ten Lehrbuche nur von „Faltungen der Wandung“ und scheinen die von mir beschriebenen Drüschen für Durchschnitte dieser Falten zu halten, obwohl ich mich gegen eine solche Verwechslung durch die Beschreibung von Flächenschnitten hinlänglich gewahrt zu haben glaube. Nur Stöhr giebt in der neuesten (6.) Auflage seines Lehr- buches in Fig. 198 eine gute Abbildung dieser Drüschen, für die er die Bezeichnung alveoläre Einzeldrüschen annimmt. 1) Ueber die Caruncula lacrymalis des Menschen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 36, 1890, S. 307. 330 Josef Schaffer: - selbst nachdrücklich gegen die Deutung dieser Gruppen’ von beeherzellenähnlichen Gebilden, welche keine Lumen besitzen, sondern „allseitig von den mannigfach gestalteten Epithelzellen“ eingeschlossen sind als Drüsen. Die Abbildung, welche er giebt (Taf. XIII, Fig. 7), gestattet allerdings nicht, diese vom Ober- flächenepithel bedeckte Zellgruppe als intraepitheliale Drüse zu bezeichnen. Dagegen kommen in der pathologisch veränderten Bindehaut und Carunkel, wie dies Poncet?), Fuchs?) u. A. beschrieben haben, drüsenartige Räume vor, die mit der Schleim- hautoberfläche in Verbindung stehen und von Becherzellen aus- gekleidet werden; solche Bildungen können wohl mit Recht den intraepithelialen Drüsenblasen verglichen werden, um so mehr, als in dem von Ranvier geschilderten Vorkommen in der Gaumenschleimhaut bei Testudo ein physiologisches Analogon dazu vorliegt. Doch darf man dabei nie vergessen, dass es sich um inconstante und nur auf pathologischen Anreiz zur Entwick- lung gelangende Gebilde handelt. Die Art ihrer Entwicklung, die Fuchs?) geschildert hat, trennt sie wohl vollkommen von den aufgezählten, theilweise bereits im Embryo vorgebildeten intraepithelialen Drüsenbildungen, wenn auch die morphologische Aehnliehkeit nicht geläugnet werden kann. Die von S. Mayer ebenfalls angeführten Beobachtungen Hamburger’s über ein den intraepithelialen Drüsen vergleich- bares Vorkommen im Epithel des Harnleiters vom Pferde scheinen mir nieht verlässlich genug, um hier berücksichtigt zu werden, um so mehr, als seine Angaben weder bei Tereg), noch bei Disselhorst®) Bestätigung finden. Die bi Hamburger 1) Du pterygion. Arch. d’ophthalmol. ete. Panas, Landold et Poncet, t. I, Paris 1881, p. 36. 2) Ueber das Pterygium. v. Graefe’s Arch. f. Ophthalmolog. Bd. 38, H. 2, S. 1-9. 3) l. c. S. 54. 4) Zur Histologie des Nierenbeckens und des Harnleiters. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 17, 1880. 5) In der „Vergleichenden Histologie der Haussäugethiere“ von Ellenberger, Berlin 1887, S. 265. 6) Der Harnleiter der Wirbelthiere. Anatom. Hefte, Heft XI, 1894. — 8.136 erwähnt D. eines ähnlichen Vorkommens „einzelne oder in Gruppen zusammenstehende helle grosse Zellen, welche sich der Bläschenform nähern“, im Harnleiterepithel der Ratte. Er hält dieses Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes ete. 331 in Fig. 3 abgebildeten „Räume“ erinnern an regellos gruppirte Becherzellen, können aber möglicherweise auch durch Leukocyten im Epithel geschaffene Hohlräume sein. Sind so einerseits die von S. Mayer als intraepitheliale Drüsen zusammengstellten Bildungen schon untereinander sehr verschieden- artige Organe, so ergiebt andererseits eine Vergleichung der Ge- schmacks- und Sinnesknospen mit der ihnen am ähnlichsten Form dieser Drüsen, mit den Drüsenknospen, so eingreifende Ver- schiedenheiten, dass an eine Deutung der Geschmacks- und Sinnes- knospen als intraepitheliale Drüsen schlechtweg nicht gedacht werden kann. Diese Unterschiede habe ich bei Ammocoetes, wo beide Bildungen in typischer Weise sich finden, ziemlich aus- führlich erörtert; trotzdem scheint es mir nicht überflüssig, auf einzelne Punkte noch besonders hinzuweisen. Sämmtliche Untersucher, von Loven und Schwalbe angefangen, finden in den Geschmacksknospen zwei Formen von Zellen typisch entwickelt: Stütz- oder Deckzellen (Loven, Schwalbe, Pfeiler- und Stabzellen Hermann) und Sinnes- zellen (Geschmackszellen, Loven, Stif- und Stabzellen, Schwalbe, Neuroepithelzellen, Hermann), die so ange- ordnet sind, dass jede Sinneszelle von der anderen dureh Stütz- zellen vollkommen getrennt ist und letztere in geschlossener Reihe die Aussenfläche der Knospe bilden. Von diesen zwei Zellarten zeigt die eine, die Sinneszelle, stets denselben Bau, ohne je Ver- änderungen erkennen zu lassen, welche ihr den Charakter einer Drüsen- oder Becherzelle verleihen würden. Sie stellt vielmehr mit ihrem eigenthümlichen eutieularen Aufsatz ein hochdifferenzirtes und constantes Element dar, wie es ähnlich nur in echten Sinnes- epithelien gefunden wird. Die zweite Zellform zeigt nicht selten Regenerations- und Degenerationserscheinungen. Unter den letzteren ist besonders die von Hermann!) beschriebene Quellung der Pfeilerzellen hervorzuheben, weil diese Erscheinung den Zellen das Aussehen von Drüsenzellen verleihen kann, worin S. Mayer allenfalls Bild für eine Quellungserscheinung ungenügend fixirter Zellen. Im tadellos conservirten Ureterepithel des Pferdes konnte D. nichts ähn- liches finden. 1) Studien über den feineren Bau des Geschmacksorganes. Habilitationsschrift, Erlangen, 1887. 332 Josef Schaffer: eine Stütze für seine Anschauung erblieken könnte. Hermann!) schildert die Erscheinung folgendermaassen : „In normalen Knospen findet man ziemlich häufig Pfeilerzellen, die sich durch ein lichteres Aussehen auszeichnen. Der Grund dieser Erscheinung liegt nun darin, dass die Maschen des die Pfeilerzellen nor- maler Weise durchsetzenden Netzwerkes sich verbreitern nnd von einer durchscheinenden, wohl als flüssig zu denkenden Masse ausgefüllt werden ; diese Vacuolen ... . werden immer grösser, und endlich sieht man die ganze Zelle von dieser farblosen Masse erfüllt .... . Dabei vergrössert sich die Zelle beträcht- lich, nimmt rundliehe Formen an und liegt wie gequollen zwischen den übrigen normalen Zellen.“ Hermann sieht darin eine Form der Degeneration, um so mehr, als es ihm gelang, in den Kernen soleher Zellen Chromatolyse nachzuweisen. Gewöhnlich fehlt dieselbe jedoch, und der Kern bläht sich im Anfangsstadium der Zelldegeneration kugelig auf, fällt endlich wie eine leere Blase zusammen und bekommt ein gelapptes Aussehen, wobei immer die Längsachse dieses gelappten Kernes quer zur Längsrrichtung der Zelle gelegen ist. Dieses zuletzt geschilderte Aussehen einer Pfeilerzelle er- innert an das Bild von Becherzellen, in denen die Schleim- körnchen nicht fixirt wurden; von einer irgendwie gearteten Se- kretionsthätigkeit dieser degenerirten Pfeilerzellen jedoch erwähnt Hermann nichts. Einen Hauptanstoss, in den Geschmacks- knospen nichts anderes, als intraepitheliale Drüsen zu sehen, scheint S. Mayer in dem nunmehr wohl mit Sicherheit er- brachten Nachweis gefunden zu haben, dass die Sinneszellen der Geschmacksknospen mit Nervenenden nicht in Zusammen- hang stehen. Auch darin kann jedoch kaum eine Stütze für seine An- schauung gesehen werden, indem einerseits für zweifellose Sinnes- zellen, wie z. B. die Hörzellen, ein solcher Zusammenhang eben- falls nicht nachweisbar ist, andererseits bei gewissen Fischen (Belone, Trigla) das Riechepithel in einer Gruppirung vorkommt, welche ganz an Geschmacks- oder Sinnesknospen erinnert; der äusseren Form nach müssten dann diese „Geruchsknospen“ entsprechend der Auffassung S. Mayer’s ebenfalls als intraepitheliale Drüsen De. 9.30 ur Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes ete. 333 bezeichnet werden, obwohl für dieselben unzweifelhaft ein direkter Zusammenhang mit Nervenfasern nachzuweisen sein wird. Aller- dings hat Retzius!), weleher das Riechepithel einiger Knochen- fische mittelst der Golgi’schen Methode untersucht hat, an Stelle der von Blaue?) entdeckten und beschriebenen „Geruchs- knospen“ nur verschiedene Faltungen nachweisen können, in denen das Epithel typischer Weise aus Stütz- und Sinnesnerven- zellen bestand. Dennoch kann nach den Untersuchungen von Madrid-Moreno?°) und Dogiel*) das Vorkommen echter Geruchsknospen nicht bezweifelt werden, für die dann entschieden ein direkter Zusammenhang ihrer Sinneszellen mit Nervenfasern ängenommen werden müsste. Die von Paulsen’) gesehenen knospenartigen Gebilde im Riechepithel des Pferdes, Schweines und Meerschweinchens, welche Disse®) beim Kalbe, der Katze nnd beim Kaninchen wiedergefunden und genauer beschrieben hat, stellen möglicher- weise Sinnesknospen von anderer Bedeutung vor. S. Mayer hat auch eine Erklärung für die Bedeutung des in den Geschmacksknospen vertretenen „reichen intraepithelialen Drüsenapparates“ zu geben versucht, indem er meint, dass er be- stimmt ist, „mit seinem Sekret dem Wirksamwerden der spezifischen Nervenreize in irgend einer Weise Vorschub zu leisten.“ Auch Merkel?) verlangt als nothwendigen Bestandtheil einer sensiblen 1) Zur Kenntniss der Nervenendigungen in der Riechschleimhaut Biologische Untersuchungen, N. F., IV, 1892; 8. III. S. 62. 2) Ueber den Bau der Nasenschleimhaut bei Fischen und Am- phibien. Zoolog. Anz. Nr. 127, 1882, S. 657. Untersuchungen über den Bau der Nasenschleimhaut bei Fischen und Amphibien, namentlich über Endknospen als Endapparate des Nervus olfactorius. — Arch. f. Anat. und Pys. Anat. Abth. 1884, S. 231. 3) Ueber die morphologische Bedeutung der Endknospen in der Riechschleimhaut der Knochenfische. Bericht von C. Emery, Biolog. Centralbl., 6. Bd., 1886, S. 589. 4) Ueber den Bau des Geruchsorgans bei Ganoiden, Knochen- fischen und Amphibien. — Arch. f. mikr. Anat., Bd. 29, 1887. DIRlne- 6) Ueber Epithelknospen in der Regio olfactoria der Säuger, Nachrichten d. k. Ges. d. Wiss. zu Göttingen, 1894, Nr. 1. 7) Ueber die Endigungen der sehsiblen Nerven in der Haut der Wirbelthiere. Rostock, 1880. 334 JosefSchaffer: Endigung neben Sinnes- und Stützzellen ein feuchtes Medium, in welches die Cutieularaufsätze der Sinneszellen eintauchen. Auch dafür ist gesorgt, ohne.dass die Geschmacksknospen selbst dieses Fluidum zu liefern brauchten, indem in unmittelbarer Nach- barschaft der Geschmacksknospen sowohl, als des zweifellosen Neuroepithels in der Riechschleimhaut, sei dasselbe nun in knospenförmigen Gebilden enthalten oder nicht, reichliche Drüsen gefunden werden, deren Sekret ganz gut die von S. Mayer ge- forderte Wirksamkeit besitzen kann. Was endlich die Darstellungen Leydig’s, dieses hoch- verdienten und vielerfahrenen Forschers auf diesem Gebiete an- belangt, welche mitbestimmend auf die Anschauung S. Mayer’s gewesen sind, so finden sich bei ihm allerdings zahlreiche An- gaben, welche die Sinnesknospen unter dem Bilde einer „Drüse* darzustellen versuchen; ja noch in seiner neuesten Mittheilung !) hält er die Möglichkeit verwandtschaftlicher Beziehungen zwischen den Hautsinnesorganen und Hautdrüsen der Batrachier fest. Dem- gegenüber muss aber besonders betont werden, dass Leydig?) selbst zugesteht, bei den Versuche, die Umbildung der Sinnes- hügel in die Drüsen zu verfolgen, „bei den Molehen nicht weit gekommen“ zu sein und dass gerade Leydig?) es war, welcher zuerst die von ihm entdeekten becherförmigen Organe in der Seitenlinie der Fische trotz der von ihm hervorgehobenen Aehn- lichkeit mit Drüsen für Sinnesorgane erklärt hat. Damit scheint es in der That — ich eitire einen Ausspruch Merkel’st) — „ein eigenthümliches Verhängniss, dass derselbe Forscher, welcher die Schleimkanäle der Fische als Sinnesorgane erkannte, die Sinnesorgane der Batrachier in schleimabsondernde Gebilde um- wandeln musste“. Die Begründung jedoch, die Leydig’) selbst für die Auf- fassung der Hautknospen der Fische als Sinnesorgane gegeben 1) Besteht eine Beziehung zwischen Hautsinnesorganen und Haaren? Biolog. Centralbl. 13. Bd., 1893. 2) Ueber Organe eines sechsten Sinnes u. s. w. — Verhandlungen d. k. Leopold. Carol. Akad. d. Naturf. 34. Bd., 1868, V. 3) Ueber die Schleimkanäle der Knochenfische. — Froriep's Tagesberichte, April 1850 und Arch. f. Anat. u. Phys. 1850. Alec. 19.) 1D. 5) Ueber Organe eines sechsten Sinnes |]. e. S. 16. Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes etc. 335 hat — dass sich keine Drüsenelemente nachweisen lassen, auch kein Schleim aus ihnen von selbst hervorquillt u. s. w. — und die durch den bald nach der ersten Entdeckung Leydig’s von F. E. Sehulze!) geführten Nachweis von zweierlei Zellen- elementen in denselben noch vervollständigt wurde, ist heute noch stichhaltig und auch für die den Hautknospen morphologisch s0 nahestehenden Geschmacksknospen aufrecht zu erhalten. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIX u. XX. Sämmtliche mikroskopischen Zeichnungen wurden mit dem Zeichenprisma von Oberhäusser angelegt. Am. = Ammocoetes. Fig. 1. Querschnitt durch eine Kiemenöffnung; dorsaler Rand der äusseren Kiemenrinne. Am.8,3cm lang. Uebergang des Ober- hautepithels E in das niedere Klappenepithel XZ und dieses in das Epithel der lateralen Kiemensackwand XS mit Drüsen- knospen D. K Knorpel, bei a eine vereinzelte Deckzelle mit Cuticula. Vergr. 190. Fig. 2. Querschnitt durch das Epithel der lateralen Vorkammerwand. Am.9cm lang. D Drüsenknospen, a Deckzellen, db basale Ersatz- zellen. Vergr. 580. Fig. 3. Flächenansicht des Vorkammerepithel. Am. 14,5cm lang. DDrü- senknospen in der Aufsicht, « Deckzellen. Vergr. 580. Fig. 4. Flächenschnitt durch das Vorkammerepithel desselben Thieres etwas unter der Oberfläche. D Drüsenknospen im Querschnitt, a; Scheidewände zwischen den Drüsenknospen von den kern- haltigen, basalen Fortsätzen der Deckzellen gebildet. Vergr. 580. Fig. 5. Ein ähnlicher, etwas tiefer gelegener Flächenschnitt durch eine Stelle des Epithels, an welcher dasselbe keine ausgespro- chene Gruppirung der Drüsenzellen zu Knospen zeigt. Es erscheinen nur die dicht aneinander gedrängten Drüsenzellen im Querschnitt. Am. ca 20 cm lang, bei b eine Ersatzzelle. Vergr. 580. Fig. 6. Isolirte Zellformen des Vorkammerepithels. Am.ca. 20 cm lang a Deckzellen von der Fläche, mittlere Einstellung, so dass die Cutieula-Zeichnung nur an der Peripherie der gewölbten Zelle sichtbar ist. Bei a, in Ausstossung begriffene Deckzellen, d Drüsenzellen, 5 basale Ersatzzellen. Vergr. 580. 1) Ueber die becherförmigen Organe d. Fische. Zeitschr. f. wissensch. Zoolog., Bd. XII, S. 218, 1863. 336 For. Fig. 8. Kie: 9: Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13. Josef Scehaffer: Eine Gruppe von Drüsenzellen von einer Falte des Vorkammer- epithels mit offenen Mündungen und entleerten Sekretkörnern. Am. 14,5 cm lang. Vergr. 580. Querschnitt durch zwei respiratorische Kiemenfältchen (Kiemen- blättchen), XB bei ihrem Ursprung vom Kiemenblatt. Am. 8,3cm lang. Bei FFornix zwischen den Wurzeln der Fältchen, in welchen das einschichtige, respiratorische Epithel a in ein geschichtetes übergeht; in der Tiefe desselben drei Mitosen. Bei a, in Abstossung begriffene Deckzellen. Vergr. 580. Epithelüberzug der linken Seitenfläche der dorsalen Kiemen- kante und zwar Wurzel und obere Hälfte derselben. Quer- schnitt. Am. ca. 20 cmlang. Bei D Uebergang des geschichteten Epithels mit Drüsenknospen und Deckzellen (a) durch das niedrige geschichtete Pflasterepithel ö in das mehrreihige Cylinderepithel ZE mit Deckzellenschichte a,, welche eine direkte Fortsetzung der Deckzellenschichte a ist. Bei FZ seichte Einbuchtung des Epithels mit kernfreier Oberflächen- zone. Die Richtung des Pfeiles deutet die ventrale Fortsetzung in das Flimmerepithel der nächsten Figur an. Verg. 184. Epithel des freien Randes der dorsalen Kiemenkante gegen den Mageneingang zu. Derselbe Querschnitt, wie in Fig. 9; dieselbe Vergr. FE Flimmerepithel der dorsalen Wimper- schnur. PE geschichtetes Pflasterepithel, dessen oberflächlichste Lage a wieder mit Cuticularform versehen ist. In der Ueber- gangszone beider Epithelformationen üz eine Mitose und Ein- schlüsse im Epithel. Querschnitt durch den Epithelüberzug des freien Randes der dorsalen Kiemenkante wie in Figur 10, jedoch beiläufig 0,6 mm weiter analwärts. Die Flimmerschnüre vereinigt; bei n Naht- stelle derselben mit zahlreichen Einschlüssen. Epithelauskleidung des Mageneingangs (Oesophagus); nur der dorsale Theil gezeichnet. Ein Querschnitt um beiläufig 0,75 mm weiter analwärts, als der in Figur 11. Die Wimperschnüre FE sind durch den Keil des Magenepithels ME _ getrennt, welches an Stelle des weiter kopfwärts gelegenen Pflaster- epithels (PE in Fig. 10) getreten ist. Bei ZZ mehrreihiges Cylinderepithel mit Deckzellenschichte a, wie an der Aussen- fläche der dorsalen Kiemenkante (Fig. 9). Querschnitt durch den freien Rand der ventralen Kiemen- kante analwärts von der Thyreoidea.. PE geschichtetes Plasterepithel mit Cutieula. F'R ventrale Flimmerrinne. Am. 8,3 em lang. Vergr. 184. . Horizontaler Frontalschnitt durch den dritten, linken freien Diaphragmensaum. Am. 9 cmlang. Binnere, dem Bronchus, K äussere, dem Kiemensack zugewendete Fläche. Bei R Ueber das Epithel des Kiemendarms von Ammocoetes etc. 337 Fig. 15. Fig. 17. Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. freier Rand. ZE mehrreihiges Cylinderepithel mit Deckzellen- schichte a. FE Wimperschnur, zwischen den Zellen derselben zahlreiche Wanderzellen. PE geschichtetes Pflasterepithel mit Cuticula; bei üöz Uebergangszone zwischen beiden mit zahlreichen Einlagerungen. Kn Sinnesknospe. V Kiemenvene. Vergr. 184. Senkrechter Durchschnitt durch eine sog. Geschmacksknospe von Am. 8,3 cmlang. PE geschichtetes Pflasterepithel des Bron- chus, BM Basalmembran der Knospe mit dem becherförmig sich erhebenden Rande MR. SZ Sinneszelle, St Z Stützzelle. DM Deckmembran. N zutretende Nerven. Vergr. 580. . Ansicht der Ausmündung des fünften linken Kiemensackes in den Bronchus von innen her. Medianer Längsschnitt durch denSchädel eines l3cemlangen Am. Müller’sche Flüssigkeit. Die Kiemenblättehen an der vorderen Wand des Kiemensackes sind ausgeführt. Bei S der freie Diaphragmensaum, bei F die Wurzel der Grenzfalte zwischen demselben und den Kiemen- blättehen. AR freie Mittelrippe der Kiemenblätter. SK sog. Ge- schmacksknospen. DKF dorsale Kiemenkante. Ch Chorda, M dorsale Muskeln. 7% gewundener Körper der Thyreoidea. Vergr. 5. Abgehobene Epithelpartie der inneren Fläche einesDiaphragmen- saumes von oben gesehen. Ausgewachsener Am. Müller’- sche Flüssigkeit. AX Hauptknospe, deren Wall W zwei Sinnes- hügel umschliesst. Bei NX eine Nebenknospe, aus welcher der Sinneshügel herausgefallen ist, so dass die Deckmembran DM sichtbar ist. Vergr. 127. Ein Theil des Epithelüberzugs der innern Fläche des zweiten Dia- phragmensaumes eines ausgewachsenen Am. Zwei Haupt- knospen HK, und HK,, wovon die letztere zwei Sinneshügel enthält und dazwischen eine Nebenknospe NK. Vergr. 127. Abgehobene Epithelkappe über einer Sinnesknospe des aus- gewachsenen Am. von unten gesehen. In der Tiefe die Zell- schüppchen der Deckmembran DM. Bei NK eine Neben- knospe. Vergr. 127. Herausgeschnittener und vom Epithel befreiter Diaphragmen- saum von der medialen Oberfläche gesehen. Zwischen den Anwachsungsstellen je zweier Kiemenblätter XB die becher- förmige, bindegewebige Basis von sog. Geschmacksknospen G1, 6%, @5. Bei G, eine eingeschobene, kleine solehe Knospe. Aus dem in 3/, Profil zu sehenden Becher G, ragt eine Gruppe sitzengebliebener Zellen. Bei G3 ein Theil des Sinneskegels in der Aufsicht. Unter demselben schimmert die mit Blut gefüllte Kiemenvene V durch (vgl. Fig. 14) Vergr. ca. 68. Isolirte Sinnes- (b, c) und Stützzellen (a) aus einer Geschmacks- knospe von Am. Müller'’'sche Flüssigkeit. Vergr. 580. 338 JosefSchaffer: Ueb. d. Epithel d. Kiemendarms v. Ammocoetes etc. Fig. 22. Dasselbe aus einer grösseren Knospe. 1, 2 Sinneszellen, 3, 4 und 5 Stützzellen. Dieselbe Vergr. Fig. 23. Horizontalschnitt durch den Schädel eines 9 cm langen Am. Derselbe ist etwas schräg von hinten nach vorne geneigt, So dass sein hinteres Ende über, sein grösster, vorderer Theil knapp unter die äusseren Kiemenöffnungen fällt. Das Wimper- system ist nach einer Pauskonstruktion in Farben eingezeichnet. Die nähere Erklärung siehe im Text S. 311. L—VI. erster bis siebenter Kiemensack. 1.—8. erster bis achter Dia- phragmensaum Vergr. 8),. 339 Ueber das Selbstständigbleiben der väterlichen und mütterlichen Kernsubstanz während der ersten Entwicklung des befruchteten Oyclops- Bies. Von J. Rückert, München. Hierzu Tafel XXI und XXI. Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit der Frage: wie sich die Substanzen von Ei- und Samenkern nach erfolgter Befruchtung innerhalb der Kerne des sich entwickelnden Eies zu einander verhalten, ob sie sich daselbst mit einander vermengen oder ob sie ihre Selbständigkeit bewahren und wie lange das letztere eventuell der Fall ist. Man sollte meinen, dass dieses Problem als eines der ersten hätte aufgeworfen werden müssen, seit durch Oscar Hertwigs bahnbrechende Entdeckung das Wesen des Befruchtungsvorganges erkannt war. Denn nachdem es einmal feststand, dass die Befruchtung in der Vereinigung zweier Ge- schleehtskerne besteht, ergab sich von selbst sofort die weitere Frage: Weleher Art ist diese Vereinigung? Eine Antwort hierauf hätte nicht nur unsere Kenntniss der Befruchtung vertiefen, sondern auch unter Umständen, d. h. je nachdem sie ausfiel, ein weiteres Eindringen in den Bau des Zellkernes und in den Ver- erbungsmechanismus ermöglichen können. Dass man trotzdem jener Frage in den ersten Jahren nach der Begründung der modernen Befruchtungslehre nicht näher trat, hatte seine guten Gründe. So lange die Ansicht herrschend war, dass Ei- und Samenkern zu einem ruhenden „ersten Furchungskern“ confluiren, musste es von vornherein völlig aussichtslos erscheinen, dem weiteren Schick- sal der mütterlichen und väterlichen Befruchtungssubstanz nach- zuspüren. Waren sie doch dem äusseren Anscheine nach auf das innigste verschmolzen zu einem einheitlichen Kermbläschen, dessen feinfadiges Gerüst hier ebensowenig wie im allen übrigen Kernen eine Analyse zuliess. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 23 340 ehuckemt: Diese Situation veränderte sich erst, als auf der Basis unse- rer erweiterten Kenntnisse von der Karyokinese van Beneden seine hervorragenden Entdeckungen über die Befruchtung bei Ascaris machte. Seitdem der belgische Forscher hier gefunden hatte, dass Ei- und Samenkern, ohne zu verschmelzen, sich in die Chromosomen der ersten Furchungsspindel umwandeln, war die Frage nach der Vereinigungsweise der elterlichen Kernsub- stanzen aktuell geworden. Es war jetzt sicher, dass eine Ver- mengung des väterlichen und mütterlichen Chromatins vor Ablauf der ersten Furchungstheilung nicht stattfinden könne, und dem gegenüber schien die Erwägung berechtigt, ob ein soleher Vor- gang im Verlauf der weiteren Entwickelung überhaupt noch eintritt. Van Beneden glaubte bekanntlich das Letztere nicht annehmen zu dürfen, sondern sah es als wahrscheinlich an, dass in den beiden ersten Furchungskernen und ebenso in allen fol- senden Zellgenerationen die Substanzen der Vorkerne selbst- ständig bleiben. Es war diese Annahme eine nothwendige Vor- aussetzung der von ihm vertretenen Lehre vom Hermaphroditis- mus der Zellen und der nuklearen Ersatztheorie: denn wie sollten die Samenzellen ihre weibliche, die Eizellen ihre männliche Kernsubstanz ausstossen können, wenn sich die letztere nicht durch alle vorausgegangenen Zellgenerationen hindurch selbst- ständig erhalten hätte? Es ist nicht nöthig, hier auf die Minot-van Beneden’sche Hypothese näher einzugehen, nachdem alles, was sich für und gegen dieselbe sagen lässt, schon längst ausgesprochen ist. Es kann diese Theorie, so be- stechend auch ihre geistvolle Konception sem mag, weder mit bekannten Vererbungserscheinungen (Vererbung vom Grossvater der mütterliehen und von der Grossmutter der väterlichen Seite), noch mit den neueren Befunden über die Reifung der Geschlechts- zellen vereinigt werden, wie es von verschiedenen Forschern, namentlich von O. Hertwig (14) in überzeugender Weise klar gelegt wurde. Es dürfen den Zellen keine spezifisch geschlecht- lichen Qualitäten zugesprochen werden, und ist der Kern weder in den Soma- und unreifen Geschlechts-Zellen hermaphrodit, noch in den reifen Geschleehtszellen männlich oder weiblich. Man darf daher auch die Chromosomen der Vorkerne nicht als männ- liche und weibliche, sondern nur als väterliche und mütterliche bezeichnen, wie das im Folgenden geschehen soll. Ueber d. Selbstständigbleiben d. väterl. u. mütterl. Kernsubst. ete. 341 Aber auch für denjenigen, welcher die Lehre vom Herma- phroditismus der Zelle prinzipiell zurückweist, bleibt von van Beneden’s Hypothese noch ein greifbarer Kern übrig, nämlich die von ihm angeregte Frage nach der Selbstständigkeit der väter- lichen und mütterlichen Kernhälften innerhalb der Zellgenerationen des neuen Individuums. Dieses eingangs von mir aufgestellte Problem kann losgeschält von jeder theoretischen Spekulation auf rein empirischem Wege in Angriff genommen werden. Sehen wir daher vor allem zu, welche Thatsachen van Beneden selbst bei Ascaris meg. (bivalens) zu dessen Lösung beigebracht hat. Während er sieh in seiner grossen, i. J. 1883 erschienenen Abhandlung (2) hauptsächlich nur auf das Konstantbleiben der Chromosomenzahl stützt, unterzieht er in einer späteren, mit Neyt zusammen herausgegebenen Arbeit (3) die kritischen Ent- wiekelungsphasen des Kerns, die vom Tochterknäuel der einen Theilung bis zum Mutterknäuel der nächstfolgenden sich erstrecken, einer eingehenden Prüfung. Er zeigt hier zunächst, dass bei der Umwandlung des Dyasters zum Ruhegerüst die vier vorhandenen Chromosomen ihre bisherige Lagerung im wesentlichen beibe- halten. Es geht dies daraus hervor, dass ihre peripheren Enden als Fortsätze des im übrigen einheitlichen Kernes persistiren, ein Verhalten, das auch von Boveri (4) eingehend beschrieben und für eine ähnliche Schlussfolgerung verwerthet wurde. Wenn alsdann aus dem Ruhekern das Spirem der nächsten Theilung hervor- geht, tritt nach van Beneden niemals ein einziger Knäuelfaden auf, sondern zunächst deren zwei, von denen jeder alsdann durch Quertheilung zwei Chromosomen für die Aequatorialplatte liefert. Daraus schliesst er, wie folgt: „Il est done probable, quoique nous n’ayons pas reussi A le constater par l’observation, que des quatre anses, aux depens desquelles se reconstitue un noyau, deux se juxta- posent bout & bout par une de leurs extremites, quelles restent, au contraire, distinetes par les autres extremites, et que les deux groupes, comprenant deux anses chacun, restent independants Yun de l’autre, dans le noyau au repos.“ Er macht sodann die weitere Annahme, dass jede dieser beiden Gruppen den vereimig- ten Chromosomen eines Vorkernes entspricht, ohne jedoch die andere Möglichkeit ausschliessen zu können, dass die Gruppe je ein väterliches und mütterliches Chromosom "enthält. Genaueres 342 J. Rückert: liess sich eben an dem untersuchten Objeet nicht eruiren, weil dasselbe nur vier Chromosomen in seinen Kernen führt. Uebrigens bestreitet Boveri (4) die thatsächliche Unterlage von van Benedens ganzer Deduktion, indem er mit Bestimmtheit an- giebt, dass bei Ascaris bivalens im Spirem niemals zwei Fäden, sondern sogleich vier auftreten, welche direkt aus dem Ruhegerüst hervorgehen. Indessen ist doch die Möglichkeit nicht ganz von der Hand zu weisen, dass diese Meinungsdifferenz zwischen beiden ausgezeichneten Beobachtern vielleicht auf einer Verschiedenheit der untersuchten Objecte beruht, zumal auch kürzlich Herla (12.b) wieder für van Benedens Ansicht eingetreten ist. Keinesfalls aber hat van Beneden den Nachweis erbracht, dass sich das väterliehe und mütterliche Chromatin über die Ruhephase der zwei ersten Furchungskerne hinaus selbstständig erhält. Er be- ansprucht dies auch nicht, sondern erklärt ausdrücklich seine An- nahme nur für eine wahrschemliche. Es wurde durch seine Unter- suchungen, so bedeutungsvoll sie auch im allgemeinen für die Lehre von der Befruchtung waren, das vorliegende spezielle Problem nur vom ersten auf den zweiten Furchungskern verschoben. Es mag hier noch darauf hingewiesen werden, dass van Beneden und Neyt nicht die Ansicht von der Individualität der Chromosomen (Boveri) vertreten, wie es nach dem An- geführten den Anschein haben könnte. Es geht aus ihren Beschrei- bungen und ihren Abbildungen vielmehr ganz unzweideutig hervor, dass sie gerade das Gegentheil davon annehmen. „Il resulte elairement de nos observations,“ so heisst es in der eitirten Schrift, „que les anses chromatiques aux depens desquelles s’edifie un noyau, ne se retrouvent pas comme telles dans les anses chroma- tiques, qui se forment, au moment de la division subsequente, aux depens de ce noyau!“ Es erhalten sich nach ihrer Meinung nur die Gruppen der väterlichen und mütterliehen Chromosomen als solche, nicht deren einzelne Chromosomen, denn innerhalb der Gruppe findet während der Kermruhe eine Vermischung der Sehleifen statt. Man kann den Gegensatz zu Boveris Ansicht dahin präzisiren, dass man sagt: Boveri willeinelndividu- alität der Chromosomen, van Beneden eine Indi- vidualität der Vorkerne. Beide Begriffe sind einander ver- wandt, aber sie decken sich keineswegs. Denn wie es auf der einen Seite möglich ist, dass innerhalb eines selbstständig gebliebenen Ueber d. Selbstständigbleiben d. väterl. u. mütterl. Kernsubst. ete. 343 Vorkernes die einzelnen Chromosomen sich misehen, so können an- dererseits ebenso gut die Chromosomen eines ganzen Kerns sich zwar erhalten, sich aber dabei derart räumlich unter einander verlagern, ddass die den Vorkernen entsprechenden Gruppen verloren gehen. Im Prinzip schliesst selbstverständlich keine der beiden Ansichten die andere aus. So habe ich selbst mich auf Grund von Be- obachtungen am Selachierkeimbläschen (16) der Hypothese von der Chromosomenindividualität angeschlossen und ich werde im vorliegenden Aufsatz zeigen, dass auch eine Individualität der Vorkerne, wenigstens während der ersten Entwickelungszeit, existirt.. Den Ausdruck Individualität werde ich freilich auch hier ebensowenig wie bei den Chromosomen anwenden, so lange nicht gezeigt ist, dass eine der beiden Kernhälften, von der anderen abgelöst, ein selbstständiges Dasein führen kann. Ausser van Beneden ist mir Niemand bekannt, der sich speziell mit unserer Frage beschäftigt hat, doch müssen als Gegner von van Beneden’s Ansicht ©. und R. Hertwig hier ge- nannt werden, die in ihrer wichtigen Abhandlung „Ueber den Befruchtungs- und Theilungsvorgang des thierischen Eies unter dem Einfluss äusserer Agentien“ (13) zu dem Resultat kamen, dass „eine einfache Aneinanderlagerung der Kerne nicht für die Befruchtung ausreicht,“ sondern dass „Ei- und Spermakern sich ganz durchdringen“ müssen, wenn Kerne entstehen sollen, „welche mit allen, für die weitere Entwiekelung nöthigen Lebenseigen- schaften ausgerüstet sind.“ O©. Hertwig hat dann später (14) mit Rücksicht auf van Beneden’s Entdeckung diese Ansicht modifieirt, sie aber nicht ganz aufgegeben. Er nimmt jetzt an, dass eine Durchdringung der Kernsubstanzen im Befruchtungsakt selbst zwar nicht stattfinde, dass sie aber im weiteren Verlauf der Entwickelung eintrete. Im übrigen ist die Thatsache, auf welche Hertwig seine ursprüngliche Ansicht wohl hauptsächlich gegründet hatte, erst jüngst von neuem vollauf bestätigt worden. E.B. Wilson und A.Mathews (22) theilen aus einer sorfaltigen Untersuchung über die Befruchtung des Echinodermeneies neben manchen anderen werth- vollen Resultaten auch die Thatsache mit, dass bei sämmtlichen drei von ihnen untersuchten Objeeten, bei Toxopneustes varieg., Asterias Forb. und Arbacia punet., Ei- und Spermakern zu einem ersten. Furchungskern so vollständig verschmelzen, dass eine 344 JurRmu ciklemit: Unterscheidung des väterlichen und mütterlichen Chromatins nieht mehr möglich ist. Diese Beobachtung zeigt erstens, dass die Vereinigungsweise der Vorkerne bei den einzelnen Thier- gruppen eine recht verschiedene sein kann, kommen doch selbst bei ein- und derselben Spezies (Ascaris meg.) in dieser Beziehung Unterschiede vor. Aber noch in einer anderen Hinsicht scheint mir das geschilderte Verhalten des Echinodermeneies bemerkens- werth gerade mit Rücksicht auf den Gegenstand meiner eigenen Untersuchung. Man wird wohl nicht bezweifeln dürfen, dass der Befruchtungsvorgang bei den Echinodermen im Prinzip ebenso verläuft, wie bei den anderen Thieren, mit anderen Worten, dass jeder Vorkern selbstständig für sich die ihm zukommende Zahl von Chromosomen für die erste Furchungsspindel liefert. Wenn dies aber Jler Fall ist, dann haben wir hier ein recht schlagendes Beispiel dafür, dass die Vorkerne zu einem dem Anscheine nach einheitlichen Ruhekerne verschmelzen können und trotzdem inner- halb dieses Kernes ihre volle Selbstständigkeit bewahren. Es ist daher --- und dies gilt für den ersten Furchungskern ebenso wie für seine Abkömmlinge — die einheitliche Beschaffenheit eines Kernes durchaus kein Kriterium dafür, dass die beiden ursprüng- lichen Hälften, aus denen er oder seine Vorgänger einmal ent- standen sind, sich vermischt haben. Wenn diese Hälften auch nur gelegentlich einmal, unter hierfür günstigen Bedingungen, ge- trennt erscheinen, so dürfen wir vielmehr annehmen, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt sich selbstständig erhalten haben. Da die Aneinanderlagerung der Vorkerne bei den ein- zelnen Thiergruppen, ja bei den Individuen derselben Spezies, notorisch eine verschieden innige ist, so wird es vor Allem darauf ankommen, ein Objekt zu finden, das für die Untersuchung günstige Bedingungen bietet. Ein solehes scheinen mir nun die sich furchenden Eier von Cyelops strenuus zu sein, zum wenigsten was das Verhalten des Chromatins anlangt. Die achromatischen Bestandtheile der karyokinetischen Figuren, die gerade in den ersten Blastomeren vieler anderer Objekte so scharf hervorzutreten pflegen, lassen dagegen hier an Deutliehkeit zu wünschen übrig. Es ist dies übrigens zum Theil auf Rechnung der Conservirung zu setzen. Das verwendete Material wurde nicht mit Rücksicht auf die vor- liegende Frage, -sondern für eine Untersuchung des Chromatins der reifenden Eier, hauptsächlich nur mit Sublimat und Sublimat- Ueber d. Selbstständigbleiben d. väterl. u. mütterl. Kernsubst. ete. 345 Essigsäure, fixirt. Ich gedenke bei späterer Gelegenheit die für Darstellung der Spindelfasern geeigneteren Osmiumgemische in grösserem Maassstabe anzuwenden, als bisher. Nach diesen Vor- bemerkungen gehe ich zu der Beschreibung meiner Befunde über. Die jüngste Theilungsphase des ersten Furchungs- kernes, die mir zu Gesicht gekommen ist (Fig. 1), zeigt eine Spindelfigur und innerhalb derselben die schon etwas ausein- andergerückten chromatischen Tochterplatten, deren jede aus zwei deutlich geschiedenen Hälften sich zusammensetzt. Die in der Figur rechts gelegenen Hälften, besonders die rechte untere, sind gerade noch durch den Schnitt gestreift, daher die etwas geringere Zahl der vollgetroffenen Chromosomen in dieser Abtheilung. Die letzteren stellen gerade oder schwach gekrümmte Stäbe dar, deren polwärts gerichtete Enden meist hakenförmig abgebogen sind. Von den achromatischen Bestandtheilen der Figur sind die Verbindungsfäden noch am besten erhalten, weniger scharf treten die Spindelfasern hervor. Auffällig ist die assymetrische Beschaf- ferheit der ganzen Spindelfigur. Es geht nämlich nur von der einen Hälfte jeder Tochterplatte ein deutlicher Spindelkegel aus und zwar von denjenigen Hälften, welche sich schräg gegenüberliegen (in Fig. 1 ist es die rechte obere und die linke untere Hälfte). Diese Spindeltheile lassen sieh polwärts zu den Attraktions- sphären verfolgen und heben sich an meinen Präparaten durch ihre blassrosa Färbung von der Umgebung ab. Die zwei deut- lichen Spindelkegel greifen auch auf die beiden anderen, in der Figur links oben und rechts unten gelegenen, Hälften der Tochter- platten ein wenig über, der Haupttheil der letzteren aber scheint, bei schwacher Vergrösserung betrachtet, polwärts frei zu liegen, was einen sehr sonderbaren Anblick gewährt. Bei Immersion glaube ich jedoch auch von diesem Abschnitt der Tochterplatten feine achromatische Fäden auslaufen zu sehen, indess vermag ich ihre Endigung nicht zu bestimmen. Verlaufen sie zu den Polen der vorher beschriebenen deutlichen Spindelhälften, dann würde in Fig. 1 nur eine emzige Spindel vorliegen, welche aber die Besonderheit zeigt, dass die chromatischen Tochterplatten im ihr eine schräge Stellung einnehmen und von der die Pole ver- bindenden Spindelaxe nicht rechtwinklig, wie gewöhnlich, sondern im spitzen Winkel geschnitten werden. In diesem Falle könnte man daran denken, die assymetrische Beschaffenheit, welche jeder 46 IBusckert: der beiden Spindelkegel zeigt, von einer ungleich starken Kon- traktion der in ihm befindlichen Fasern abzuleiten. Es würde dann beispielsweise m dem oben gelegenen Spindelkegel der Fig. 1 die rechte Hälfte stärker kontrahirt sein als die linke, und damit würde sich auch erklären, dass dieselbe deutlicher sichtbar ist. Wenn hingegen in den undeutlichen Theilen der Spindel (links oben und rechts unten in Fig. 1) die Fasern ihr eigenes Centrum besitzen, dann besteht Fig. 1 aus zwei dicht aneinander gelagerten Spindeln; die Tochterplatten könnten innerhalb derselben ihre gewöhnliche Stellung, parallel dem Aequator, innehalten, nur müsste man dann annehmen, dass die beiden Spindeln seitlich an einander verschoben wären in der Weise, dass die rechte etwas weiter nach aufwärts liegt als die linke. Zu erklären bliebe in diesem Falle, wie es kommt, dass von jeder Spindel ein Kegel undeutlich ist. In einer der Ovogenese von Cyelops und Canthocamptus gewid- meten Arbeit bildet Haecker (8) ein Ei von Cyelops strenuus ab, welches den Uebergang aus dem „Bläschen- in das Aster-Stadium“ des ersten Furchungskernes darstellt, also Jünger ist als das meiner Fig. 1, und welehes ebenfalls eine Trennung der beiden Kern- hälften aufweist. Von besonderem Interesse ist die Seitenansicht (l. e. Fig. 27a) desselben Stadiums, da dieselbe zwei parallel gestellte Spindeln zeigt, die nur im Aequator zusammenhängen, gegen die Pole zu sich aber weit von einander entfernen. Die rechts gelegene, breitere Spindel zeigt zwei Centrosomen. Es wäre sehr wichtig, wenn sich ergeben würde, dass bei Cyelops, wie es hiernach den Anschein hat, jeder Vorkern normalerweise seine eigene Spindel bildet. Hieran würde sich die weitere Frage knüpfen, ob der weibliche Vorkern seine Spindel vermittelst eigener Centrosomen entstehen lässt und wie die beiden Spindeln sich weiterhin verhalten, ob sie, miteinander verschmelzend, beide erhalten bleiben, ob die eine dabei zu Grunde geht, oder viel- leicht von jeder Spindel je ein Kegel, was man aus meiner Fig. 1 vielleicht folgern könnte, obwohl es a priori recht un- wahrscheinlich ist. So nahe auch für mich die Versuchung liegt, das von mir beschriebene, eigenthümliche Furchungsbild von demjenigen Haecker’s abzuleiten, so muss ich mich doch vorläufig eines bestimmten Urtheils enthalten, so lange ich die vorausgegangenen Stadien nicht aus eigener Anschauung kenne, Ueber d. Selbstständigbleiben d. väterl. u, mütterl. Kernsubst. ete. 347 Hierin bestärkt mich namentlich auch der Wortlaut von Haecker's kurzer Beschreibung (l. e. pag. 242) welcher sagt: „In Fig: 27 seheinen die Anlagen von zwei gesonderten Kernspindeln mit vier Öentrosomen zu bestehen“. ‘Das von mir gesperrte ‚Wort ist kaum anders zu verstehen, als dass auch in Haecker's Präparat die Existenz von zwei gesonderten Spindeln nicht ausser allem Zweifel steht. Haecker nimmt an, dass, wie die benachbarten Spindel- kegel, so auch die zugehörigen Sphären mit einander verschmelzen. Die von ihm erwähnte flache Form der späteren Attraktions- sphäre kann ich bestätigen. Es fiel mir auch auf, dass die Sphären (vgl. Fig. 1) sich gerade nach derjenigen Seite der Kernfigur in die Breite ausziehen, wo im Falle einer doppelten Theilungsfigur der zweite Spindelkegel zu suchen wäre (links oben und rechts unten in der Figur). Derartige Sphären habe ich übrigens auch noch an den Spindeln späterer Furchungs- theilungen beobachtet und hierbei wiederholt den Eindruck be- kommen, als ob dieselben sich aus zwei nebeneinanderliegenden Unterabtheilungen zusammensetzen (vgl. Fig. 12 und 13). Das alles liesse sich im Sinne einer stattgehabten Verschmelzung zweier Sphären deuten, ich kann mich aber hierzu vorläufig nieht entschliessen, da ich im Stadium der copulirenden, bläschen- förmigen Vorkerne nur zwei Sphären im Ganzen vorfand, .an jedem Thbeilungspol eine, und da diese sich ausschliesslich auf den Sper- makern mit Sicherheit zurückführen liessen. Eine Trennung der Chromosomengruppen beider Vorkerne durch einen Spalt kommt innerhalb der Aequatorialplatte der ersten Furchungsspindel auch bei anderen Objekten vor. Von den Fällen, welche mir gerade zur Hand sind, erwähne ich nur Ascaris meg. (Nr. 2, Taf. 19 bis Fig. 24 und 25 u. a.), ferner bei Myzostoma glabrum nach einer Abbildung Wheeler’s (Nr. 21, Fig. 10) und endlich Artemia salina nach Brauer (5, Fig. 44, parthenogenetische Furchungsspindel nach vorausge- gangener Öopulation zwischen Eikern und zweitem Richtungskörper). Eine weiter vorgeschrittene Phase der ersten Furchungs- theilung zeigt Fig. 2 in Seitenansicht. Die Tochterplatten sind näher an die Pole herangerückt, und ihre den Vorkernen ent- sprechenden Hälften erscheinen noch weiter von einander getrennt, als in Fig. 1, Da die Verbindungsfäden sich nur zwischen den 348 J. Rückert: eorrespondirenden Hälften der Dyasteren ausspannen, so ist der mittlere Theil der gesammten Theilungsfigur von einem dureh- gehenden weiten Spalt in zwei Hälften zerlegt. Es entsteht da- dureh der Eindruck, als ob hier zwei völlig von einander unab- hängige Mitosen vorlägen. In Fig. 3 ist eine der Tochterplatten in Polansicht darge- stellt. Jede Hälfte derselben bildet eine rundliche Scheibe mit 11 bis 12 Chromosomen. Eine noch bestimmtere Zahlangabe ist mir bis jetzt nicht möglich; an einigen Kernen zähle ich 11, an anderen 12 Stück. Im ganzen enthält somit die Tochterplatte 22 oder 24 Chromatinfäden, was mit dem von mir (16) bei der Eireifung von Öyelops strenuus gefundenen Zahlenverhältniss im Ein- klang steht. Beim Uebergange vom Dyaster zur Ruhephase wandeln sich die Furchungskerne von Cyelops in einen Haufen heller Bläschen um, in deren Wand das Chromatin in Gestalt von lose verbun- denen Körnern und Stäbchen liegt. Diese primären Bläschen, wie man sie nennen kann, konfluiren zunächst zu grösseren Blasen, es entsteht aus dem maulbeerförmigen Kern ein grobge- lappter; schliesslich wandelt sich diese Bildung durch weiter- gehende Verschmelzung in einen Ruhekern um, an dessen Ober- fläche aber noch vereinzelte Einkerbungen sich erhalten können. Diese eigenthümliche Form der Kernrekonstruktion wurde in den Blastomeren anderer Thiere (Amphibien, Knochenfische, Mollusken, Echinodermen) von zahlreichen Autoren beobachtet und genauer zuerst von Bellonei(l1), dann von O. Schultze(19), v. Köl- liker(15), Henneguy(12) und van der Strieht(20) be- schrieben. Schon Bellonei betrachtete die einzelnen Bläschen zu Beginn ihres Auftretens als umgewandelte Chromosomen, wie namentlich aus seinen Figuren und aus dem Schlusssatze seiner Arbeit hervorgeht. Für diese Auffassung, der sich auch spätere Autoren angeschlossen haben, spricht schon der Umstand, dass die Zahl der primären Bläschen, soweit sie sich bei den untersuchten Objekten abschätzen lässt, von der Chromosomen- zahl der betreffenden Kerne nicht allzusehr abweicht, und dass die einzelnen Bläschen im allgemeinen unter sich keine auffallenderen Grössendifferenzen zeigen, als diejenigen, welche auch auch unter den einzelnen Chromosomen eines Kernes wahr- genommen werden. Es wäre übrigens auch möglich, dass Ueber d. Selbstständigbleiben d. väterl. u. mütterl. Kernsubst. ete. 349 gelegentlich einmal ein Chromosoma, indem es eomplizirtere Win- dungen beschreibt, mehreren unter sich verbundenen Bläschen den Ursprung giebt. Schwieriger und deshalb strittig ist die Frage, auf welche Weise ein Bläschen aus einem Chromosoma hervorgeht. Wir gehen dabei am besten von Ascaris aus, in dessen Blastomeren eine den Bläschenkernen verwandte Bildung durch van Be- neden und Neyt(3) beschrieben wurde. Es sollen nach den Angaben dieser Forscher bei der Rekonstruktion der Furchungs- kerne von Ascaris meg. (bivalens) die vier vorhandenen Chromo- somen durch Aufnahme von Flüssigkeit nach Art eines Schwammes aufquellen und sich so im vier, von einem körnigen Gerüstwerk erfüllte, gewundene Schläuche (boyaux) umwandeln, welche später mit einander zu dem Ruhegerüst des Furchungskernes verlöthen. Diese Schläuche entsprechen trotz aller Formverschieden- heit vielleicht unseren Kernbläschen, und so liess denn Henneguy(12) die letzteren im Anschluss an van Beneden ebenfalls durch Quellung entstehen. Eine andere Ansicht, als van Beneden vertritt Boveri(4), welcher der Kernrekon- struktion bei Ascaris eine sehr gründliche Darstellung widmet. Aus derselben geht hervor, dass die Chromosomen „in einem be- stimmten Umkreis Zellsaft um sich ansammeln und so eine ein- heitliche, eigenthümlich gestaltete Vacuole abgrenzen, in der sie sich durch Aussendung feiner, sekundär mit einander anastomo- sirender Fortsätze zu einem schwammigen Gerüstwerk umbilden.“ (l. e. p. 157.) Dass bei Ascaris die aus den Chromosomen her- vorgegangenen Abtheilungen des Gerüstes als gewundene Schläuche (boyaux) längere Zeit hindurch selbständig sich erhalten, hat Boveri nicht beobachtet und erklärt er diesen Differenzpunkt mit einer Verschiedenheit der beiderseitigen Objekte. Was nun die Entstehung der echten Bläsehenkerne (Fig. 4) anlangt, so glaube ich, dass sich dieselbe mit den Befunden Bo- veris bei Ascaris eher in Uebereinstimmung bringen lässt, als mit denen van Beneden’s. Schon Bellonei hatte es wahr- scheinlich -gemacht, dass die einzelnen Bläschen durch ringartige Zusammenbiegung der Chromatinschleifen sich bilden!) und van der Stricht hat diese Entstehungsweise durch Abbildung 1) Merkwürdiger Weise nimmt er nur für einen Theil der Bläschen diese Entstehung an. 350 i IndısBiweikker t; eines entscheidenden Stadiums (l. e. Fig. 14) für Triton vollends ausser Zweifel gestellt. Auch meine eigenen Beobachtungen bei Cyelops sprechen für eine solche Auffassung. Ich fand hier unter dien in Bildung begriffenen Bläschen wiederholt solche, welehe nach Form und Stellung durchaus noch den Eindruck von Chro- mosomen machen. Ihre Struktur ist freilich sehon weniger kom- pakt als im. Dyaster, da die Mikrosomen bereits auseinandergerückt sind, aber der Schleifenwinkel ist noch kenntlich und der Sphäre zugewendet, während die Schleifenschenkel sich gegen einander gekrümmt haben. Dies stimmt also sehr gut zu van der Stricht's Darstellung, giebt aber ebensowenig wie die letztere eine aus- reichende Erklärung für das Zustandekommen der Bläschen, denn wenn der genannte Autor sagt: „que les parois des vesieules se forment par la fusion des extremites libres des anses chroma- tiques“, so muss dazu bemerkt werden, dass durch die Vereinigung der Enden einer Schleife ein Ring. entsteht, aber kein sphärisches Gebilde, kein Bläschen. Ich sehe nun an meinen Objekten, dass der aus locker verbundenen Chromatinkörnern und Stäbehen ge- fügte Ring feinste, schwach färbbare Fortsätze gegen sein Inneres entsendet, die, miteinander anastomosirend, ein zartes Netzwerk bilden. Sobald sich diese Ausläufer nicht auf die Ebene des Ringes beschränken, ist die Anlage eines körperlichen Gebildes gegeben. Ich kann nun die Reihenfolge der Bilder nieht anders deuten, als dass auf diese Weise aus den Ringen sphärische Bläschen hervorgehen. Der Vorgang würde im Prinzip mit der Kernrekonstruktion übereinstimmen, wie sie Boveri für Ascaris schildert, nur würden die Bläschenkerne, abgesehen von der längeren Selbständigkeit, welehe die einzelnen Chromosomen im ihnen bewahren, sich noch dadurch auszeichnen, «dass das Chro- matin sich nieht gleichmässig durch den ganzen Kernraum ver- theilt, sondern von Anfang an die Tendenz zeigt, eine periphere Stel- lung einzunehmen, was bei Ascaris erst viel später, bei der Bildung des Mutterknäuels der nächstfolgenden Theilung, hervortritt. Das Chromatin rückt bei unserem Objekt während der Kernrekon- struktion zuerst in die Wand der primären Bläschen (Fig. 4) und später in diejenige der grösseren, sekundären Kernblasen (Fig. 8 und 14), deren Hohlräume es nur in Gestalt feiner Stränge durchsetzt. Auf diese Weise gelangt die Hauptmasse des Chromatins an die Oberfläche, in die sogenannte chromatische Ueber d. Selbstständigbleiben d. väterl. u. mütterl. Kernsubst. ete. 351 Kernmembran, und hierin scheint mir die Bedeutung der Bläs- chenkerne zu liegen: es wird hier sehon während der Kernrekon- struktion ein Zustand (Verschiebung des Chromatins an die Peripherie) angestrebt, der bei Ascaris erst später, nämlich beim Uebergang von der Ruhephase zum Mutterknäuel der nächsten Theilung, sich bemerkbar macht. Von diesem Gesichtspunkt aus ist der ganze Vorgang als eine Abkürzung der Entwicke- lung aufzufassen, als eine Zusammenschiebung derjenigen Kernzu- stände, die zwischen dem Dyaster und dem Spirern liegen, ohne dass jedoch das wesentliche Moment bei der Ruhephase, die feine Verthei- lung des Chromatins innerhalb eines abgeschlossenen Kernraumes, dabei in Wegfall käme. Damit harmonirt es denn auch auf das Beste, dass die Erscheinung an den Furchungszellen und even- tuell auch an den späteren Generationen der Embryonalzellen beobachtet wird, also gerade in denjenigen Kernen, die notorisch in lebhafter Theilung begriffen, sich nur kurz dauernder Ruhe- phasen erfreuen. Soviel ich aus einer Vergleichung der Literaturangaben mit meinen eigenen Beobachtungen entnehmen kann, ist diese Abkürzung der Ruhephase bei verschiedenen Eiern eme ungleiche. Bei den von mir untersuchten Kernen hat schon in den ersten Furchungsstadien vor dem Beginne der neuen Mitose eine völlige Verschmelzung der einzelnen Kernblasen statt, während nach den Angaben einiger anderer Autoren die Kerne noch im gelappten Zustande betindlich sich schon wieder zum Knäuel der nächsten Theilung umwandeln. Ja nach Henneguy sollen in den ersten Furchungsstadien der Forelle sogar die Haufen der primären Bläschen sich oft direet in den Knänel umbilden, ohne dass «die Zwischenstufe der gelappten Kerne überhaupt durchlaufen wird. Es würde dies der denkbar höchste Grad der Abkürzung sein, der mit einem Ruhezustand überhaupt noch vereinbar ist. Hier würde jedes Chromosom für sich einen Ruhekern im kleinen bilden, i. e. ein Bläschen, innerhalb dessen das Chromatin sich in feiner Vertheilung befindet. Es wäre nicht olıne Interesse, experimentell festzustellen, ob sich diese verschiedenen Stufen der Abkürzung des Theilungsverfahrens etwakünstlich hervorrufen lassen dureh Beschleunigung.der Entwicke- lung vermittelst Temperaturerhöhung des umgebenden Mediums. Verfolgen wir nun. das weitere Schicksal der Vorkerne, die 359 J. Rückert: _ wir im Stadium der Fig. 3 verlassen haben. Fig. 4a zeigt uns bei etwas stärkerer Vergrösserung einen Tochterkern der ersten Furchungstheilung im Zustande der Rekonstruktion. Ein Theil der Bläschen ist schon confluirt, ein anderer Theil zeigt noch die ursprüngliche Selbständigkeit. Die zwei den Vorkernen ent- sprechenden Abtheilungen haben sich bis zur Berührung einander genähert, sind aber, namentlich bei schwächerer Ver- grösserung, noch deutlich als getrennte Stücke wahrnehmbar, deren jedes ungefähr Kugelgestalt besitzt. Der gesammte Kern hat jetzt eine längliche Form angenommen, entsprechend der ovalen Tochterplatte, aus welcher er hervorgegangen. Sein längster Durchmesser steht entweder parallel, oder, was häufiger der Fall ist, im spitzen Winkel zur Ebene der vorausgegangenen Theilung. Im letzteren Falle nehmen die beiden Schwesterkerne keine parallele, sondern eine convergente Stellung zu einander ein. Die zu dieser Zeit undeutliche Sphäre ist der Längsrichtung des Kernes entsprechend ausgezogen und deckt dessen der Furche abgewandte Breitseite. Nicht alle Kerne dieser Phase zeigen die Zweitheilung. So stimmt z.B. der in Fig. 4b dargestellte Bläschenhaufen in seiner länglichen Gesammtform zwar mit dem in der Fig. 4a überein, lässt aber keine zwei Unterabtheilungen erkennen. Solche Be- funde beweisen noch nicht, dass die Selbständigkeit der Vorkerne verloren gegangen ist, sondern sind mit Rücksicht auf eine spätere Phase dahin zu deuten, dass die Grenze zwischen jenen Abtheilungen vorübergehend verwischt ist, in Folge des gleich- mässig dichten Zusammenrückens der sphärischen Kernsegmente. Wenn die Vereinigung der primären Bläschen zu den sekun- dären Blasen weiter fortschreitet, entstehen gebuchtete und gelappte Kerne, die im einzelnen ein sehr wechselndes Ansehen bieten, je nach Zahl, Form und Umfang der vorhandenen Kernblasen, ferner nach ihrer gegenseitigen Lagerung und dem Grade ihrer Tren- nung. Häufig erscheinen auch diese Kerne durch einen Spalt oder eine diekere Scheidewand in zwei Hauptabtheilungen zer- legt. (Vergl. Fig. 8 aus dem Stadium von 4 Blastomeren und den centralen Kern von Fig. 14 aus dem Stadium von 32 Blasto- meren.) Nachdem der Verschmelzungsprozess nahezu sein Ende erreicht hat, kommt der Doppelbau der Kerne am klarsten zum Vorschein und zwar aus dem Grunde, weil die Bläschen inner- Ueber d. Selbstständigbleiben d. väter]. u. mütterl. Kernsubst. ete. 353 halb einer Kernhälfte frühzeitiger verschmelzen, als zwischen den beiden Hälften. Das Ruhegerüst wird jetzt durch eine Scheide- wand, welche mehr oder weniger senkrecht zum Hauptdurch- messer des länglichen Kernes steht, in zwei Hälften zerlegt, wie das Fig.5 für das Stadium von zwei, und Fig. 14 für das Stadium von 32 Blastomeren zeigt. An der Stelle, wo das Septum an die Kernmembran tritt, zeigt die letztere meist eine Einkerbung als letztes Ueberbleibsel der vorangegangenen gelappten Be- schaffenheit des Kernes. Die Ruhekerne erscheinen daher bisquit- förmig oder, wenn die Einkerbung nur einseitig ist, bohnenförmig. Die Scheidewand wird durch einen Theil des Chromatingerüstes gebildet, welcher kräftiger ist, als das übrige sehr feine Netz- werk des Kernraumes. Sie stellt eine Fortsetzung der sog. chromatischen Kernmembran, nicht der achromatischen, dar, was namentlich dann deutlich hervortritt, wenn zu Beginn des Spirems der nächstfolgenden Theilung die Chromatinmembran in den Knäuel aufgenommen und die achromatische Hülle freigelegt wird (vergl. Fig. 10). Es zeigt dann die letztere an der Grenze der zwei Kernhälften häufig noch die frühere Einschnürung, aber sie senkt sich von da aus nicht als Scheidewand in das Innere des Kernraumes ein. Von einem Septum ist dann überhaupt nichts mehr vorhanden, weil eben das Chromatingerüst ganz in der Bildung des Knäuels aufgegangen ist. Die ruhenden Doppelkerne, wie sie hier dargestellt wurden, dürften den meisten Forschern, welche sich mit jungen Furchungs- stadien beschäftigt haben, wohl bekannt sein. Sie wurden an verschiedenen anderen Objekten schon beobachtet, so z. B. von Fol (7. Taf. VI Fig. 15—17 und Taf. VII Fig. 5) in den ersten Blastomeren von Toxopneustes lividus. Eine instruktive Abbildung eines solchen Furchungskernes von Siredon liefert von Kölliker in Fig. 36 seines Lehrbuches der Histologie. Wer nicht weiss, dass es sich hier um einen Furchungskern handelt, könnte der Meinung sein, dass ein Befruchtungs- stadium mit zwei in Kopulation begriffenen Vorkernen vorliege. Wie viele Blastomeren das betreffende Ei enthält, ist im Text nicht angegeben. Bellonei, der die Furchungskerne des Axolotl vom Stadium der vier ersten Blastomeren bis zum Ende des Blastulastadiums verfolgt hat, theilt mit, dass die Kerne ellipsoid seien und allgemein („generalemente“) eine Einschnürung 354 J. Rückert: “auf einer Seite aufweisen (vergl. 1. e. Fig. 1, 20 und 21). Der Furchungskern seiner Figur 21 ähnelt ebenfalls dem Stadium der kopulirenden Vorkerne. Dieser Autor macht ferner darauf aufmerksam, dass die „eharakteristische Einkerbung“ in Zusammen- hang („in eorrispondenza*) mit der Attraktionssphäre am Kern sich erhalte. Man könnte hienach auf die Vermuthung kommen, dass diese Bildung durch die den Kern einbuchtende Sphäre mechanisch veranlasst sei. Eine solche Deutung wäre aber schon deshalb nicht zutreffend, weil sie das Vorhandensein der Scheide- wand unberücksichtigt lässt. Auch ist nieht einzusehen, wie eine ringförmige Einschnürung auf diese Weise hervorgebracht werden soll, namentlich wenn, wie bei Cyelops, noch keine zwei einander opponirten Sphären existiren. Eine direkte Widerlegung dieser Ansicht bieten endlich solehe Fälle, in denen zwei Sphären schon vorhanden sind, die Einschnürung aber gar nicht an der Stelle der Sphären sich befindet (Fig. 10). Ausser den genann- ten Autoren hat noch Haeeker (8) den Doppelbau an den zwei ersten Furehungskernen von Öyelops beobachtet und ganz richtig dahin gedeutet, dass die Vorkerne während der ersten Furchungs- theilung selbständig bleiben. Wer die Doppelkerne der Blastomeren nur aus der Ruhe- phase kennt, kann den Einwand machen, dass diese Bildung eine rein zufällige sei: wenn durch allmähliche Verschmelzung von bläschenförmigen Kernsegmenten zuerst grössere Kernblasen und schliesslich ein einheitlicher Ruhekern entsteht, so muss — das könnte man behaupten — auch einmal eine Phase durch- laufen werden, in welcher der Kern aus zwei Blasen besteht. Es kann zugegeben werden, dass ohne genaue Kenntniss der vorausgegangenen Theilungsphasen ein soleher Emwand berech- tigt ist. Nachdem sich aber bei Cyelops strenuus die den Vor- kernen entsprechenden Abtheilungen als gesonderte Kernhälften an einer kontinuirlichen Entwieckelungsserie verfolgen liessen, von der Metaphase dureh den Dyaster und dureh die bläschenförmigen und gelappten Kerne bis zur Ruhephase, liegt die Sache doch wesent- lich anders. Es ist hiernach nieht mehr zu bezweifeln, dass die Erscheinung auf ein Selbständigbleiben der Vorkerne während der ersten Theilung zurückzuführen ist. Wer der Ansicht ist, dass eine Vermischung der Substanzen der Vorkerne für den normalen Ablauf der Entwickelung noth- Ueber d. Selbstständigbleiben d. väterl. u. mütterl. Kernsubst. ete. 355 wendig ist, wird diesen Akt auf die Ruhephase nach der ersten Theilung verlegen, da hier das väterliche und mütterliche Chro- matin, in ein feinfadiges Gerüst aufgelöst, zum erstenmal Gelegen- heit zu einer Vermengung hat. Es sind deshalb die späteren Stadien vor Allem von Interesse, und wäre zunächst festzu- stellen, ob bei Cyelops im weiteren Verlauf der Ruhephase die beiden Kernhälften unter Schwund der trennenden Scheide- wand doch noch zu einer einheitlichen Masse konfluiren. Die wenigen Eier, die ich von diesem Stadium besitze, zeigen nun dieselben Doppelkerne wie Fig. 5, aber sie entstammen alle dem gleichen Mutterthier und befinden sich daher in genau demselben Entwickelungszustand. Es ist daher sehr wohl möglich, dass zu einer späteren, von mir nicht beobachteten Zeit der Ruhephase die Scheidewand sich auflöst, wie das im Stadium von vier Blastomeren (vergl. Fig. 9) schon sicher vorkommt. Diese Möglichkeit ist auch deshalb nicht von der Hand zu weisen, weil zu Beginn des Spirems der nächsten Theilung von einem Septum nichts mehr zu sehen ist. Aber wenn es sich selbst herausstellen sollte, dass in der Ruhephase nach der ersten Theilung die väterlichen und mütterlichen Kern- hälften sich stets gegen einander eröffnen, so lässt sich doch mit Bestimmtheit sagen, dass regelmässiger Weise eine Vermischung der beiderlei Kernsubstanzen hierbei nicht stattfindet, sondern höch- stens vorgetäuscht wird in Folge des unkontrolirbaren Verlaufes der Gerüstfäden. Es wird dies aus dem Folgenden hervorgehen. Von der zweiten Furchungstheilung wurde der Knäuel und die Aequatorialplatte nicht eigens abgebildet, und mag bezüg- lich des Verhaltens dieser Phasen auf das verwiesen werden, was für die dritte Theilung gesagt wird. Hingegen habe ich den Dy- aster der zweiten Theilung in Fig. 6 und 7 dargestellt, weil mir in dieser Phase die Selbstständigkeit der beiden Vorkerne wieder am deutlichsten entgegentrat. Fig. 6 zeigt die beiden Theilungsfiguren in der Seitenansicht: in der rechts gelegenen Furchungskugel präsentiren sich die Tochterplatten von der Breitseite, zwischen ihren beiden Abtheilungen findet sich ein Spalt, der wie in der gleichen Phase der ersten Theilung (Fig. 2) auch im Bereich der Verbindungsfäden als heller Streif hervortritt. Die Spindel der linken Blastomere zeigt eineetwas andere Stellung, alsdie der rechten; man kann sie von der letzteren leicht ableiten, wenn man sich Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 24 356 J. Rückert: diese um ihre Längsaxe nach rechts gedreht denkt um etwa 45°. Die Kernfigur erscheint bei dieser Ansicht schmäler als die der rechten Furchungskugel, von den chromatischen Tochterplatten ist die eine Hälfte (links in der Figur) bei tiefer, die andere (rechts, in der Zeichnung blass gehalten) bei hoher Einstellung wahrnehmbar. Der die beiden Hälften trennende Spalt ist hier nur mit Hilfe der Mikrometerschraube festzustellen und in der Abbildung nicht wieder zu geben. Schon aus diesen verschiedenen Ansichten, welehe die chromatischen Figuren im Profil geben, lässt sich entnehmen, dass dieselben auf dem Querschnitt nicht kreisförmig, sondern oval sind, wie bei der ersten Furchungs- theilung. Den direkten Beweis hierfür liefert das Ei von Fig. 7, dessen rechts gelegene Furchungskugel die Theilungsfigur in Pol- ansicht zeigt. Die eingezeichnete ovale Tochterplatte besteht aus 2 Hälften, deren jede 11—12 Chromosomen führt. Diese Zahlen- verhältnisse, die ich an mehreren Objekten feststellen konnte, be- weisen, dass die zwei Unterabtheilungen des Dyasters auch hier keine zufälligen Bildungen sind, sondern den Vorkernen entsprechen. Dieselben sind übrigens, wie ein Vergleieh mit Fig. 2 lehrt, einander beträchlich näher gerückt, als in der ersten Furchungstheilung. Bei einem Theil der Kerne dieses Stadiums ist die Annäherung schon so weit gediehen, dass man eine Grenze zwischen den beiden Kernhälften nicht mehr wahrnimmt, obwohl die ovale Form der Tochterplatte sich noch erhalten hat. Das Auftreten der zweiten Furche zeigt Fig. 8. Die senk- rechte Furche ist die erste, ihre zwei querverlaufenden Neben- schenkel entsprechen der zweiten. Ueber das Verhalten der in Rekon- struktion begriffenen Tochterkerne wurde schon oben berichtet; der linke obere Kern ist im Anschnitt getroffen. Der Uebergang aus der Kernruhe zum Knäuel der dritten Theilung ist in Fig. 9 dargestellt. Auch hier ist in Bezug auf das Verhalten der Kerne der früheren Beschreibung nichts hinzu- zufügen. Fig. 10 giebt einen Schnitt durch ein Ei mit vier Blasto- meren wieder, deren Kerne sich im der Phase des Spirems be- finden. Die achromatische Kernmembran ist noch vorhanden, das Chromatin hat sich von ihr in das Innere des länglichen Kernraumes zurückgezogen und bildet hier einen gleichfalls läng- lichen Knäuel, der aus zwei Hälften zusammengesetzt ist. Dass Ueber d. Selbstständigbleiben d. väterl. u. mütterl. Kernsubst. ete. 357 diese Unterabtheilungen denjenigen der vorausgegangenen Ruhe- phase entsprechen, geht im vorliegenden Falle nicht nur aus ihrer gegenseitigen Lagerung hervor, sondern namentlich auch aus der Einkerbung, welche die Kernmembran im Bereich der Trennungs- ebene noch erkennen lässt. Die beiden Kernhälften sind in diesem Stadium entweder vollständig von einander geschieden, wie in der mittlern Blastomere der Fig. 11, oder durch vereinzelte Faden- züge (Fig. 10) mit einander verbunden, oder endlich, sie lassen überhaupt keine Trennung mehr erkennen. Im Ei der Fig. 10 besitzt jeder Kern zwei Attraktions- sphären!), welche bereits ihre definitive Stellung an gegenüber- liegenden Punkten des Kerns eingenommen haben. Die Verbindungs- linien ihrer Centren (= Axe der bevorstehenden Theilung) ver- laufen in der Figur fast parallel der abgebildeten Furche und fallen nahezu mit dem grössten Durchmesser der länglichen Bla- stomeren zusammen. Die Theilungsebene und die zu erwartende Furche werden somit der Hauptsache nach eine quere Richtung einnehmen, und die Furche der Fig. 10 rechtwinklich schneiden. Nun ist aber der Kern zwischen den beiden Sphären in der Weise gelagert, dass diejenige Ebene desselben, welche seine beiden Hälften scheidet, wir wollen sie im Folgenden die Symme- trieebene des Kernes nennen, mit der Theilungsebene nahezu zu- sammenfällt, während doch in späteren Theilungsphasen (Fig. 11, 12, 16) die Symmetrieebene des Kernes, so fern eine solche über- haupt wahrnehmbar ist, die 'Theilungsebene stets rechtwinklig schneidet. Es werden daher die Kerne der Fig. 10, wenn sie im weiteren Verlauf der Theilung die geforderte Stellung einnehmen sollen, sich in der Weise drehen müssen, dass ihre Längsaxen senkrecht zur Verbindungslinie der beiden Sphärencentren zu liegen kommen. In der That findet man nun, wenn man eine Anzahl von Kernen in der vorliegenden Knäuelphase aufsucht, dieselben in verschiedenen Stellungen. Einige, wie z. B. der Kern der mittleren Blastomere der Fig. 11 zeigen die gewünschte defini- tive Orientirung zu den Sphären, andere wieder nehmen eine Mittelstellung zwischen denjenigen der Fig. 10 und 11 ein. Aus diesen Befunden lässt sich schliessen, dass während der Knänel- 1) Die obere Sphäre der linken Blastomere ist nicht abgebildet, weil sie auf dem Nachbarschnitt liegt. 358 J. Rückert: phase des vorliegenden Furchungsstadiums sich thatsächlich eine Drehung der Kerne vollzieht. Ob dieser Vorgang für das Vierer- kugelstadium ein gesetzmässiger ist, d. h. ob alle Kerne dieses Stadiums die Drehung durchmachen, lässt sich selbstverständlich nicht ermitteln, da man es denjenigen Knäueln, welche definitiv orientirt sind, nicht ansehen kann, ob sie vorher eine andere Stellung eingenommen haben. Eine kurze Ueberlegung zeigt aber, dass bei allen Eiern, in welchen die drei ersten Furchungstheilungen in drei zu einander senkrechten Ebenen erfolgen, der Kern min- destens einmal, sei es bei der zweiten oder dritten Theilung, sich um 90° drehen muss, wenn seine Symmetrieebene die rechtwink- lige Stellung zur Theilungsebene beibehalten soll. Es scheint, dass auch vor der zweiten Theilung eine Drehung des Kernes vorkommt, doch reicht mein Material nicht aus, um dies mit Sicherheit behaupten zu können. Schliesslich wäre noch die Frage zu erörtern, ob sich der ganze Kern mitsammt seiner achromatischen Hülle dreht, oder ob sich nur der Knäuel innerhalb der Membran verschiebt. Wenn man nur das Verhalten der Fig. 10 und 11 mit einander vergleicht, möchte man das erstere annehmen. Ich habe aber auch eine Anzahl von Kernen gefunden, in welchen die Knäuelhälften schon definitiv zur Theilungsebene orientiert sind, wie in Fig. 11, ohne dass jedoch der längste Durchmesser der Kernmembran in die Aequatorialebene eingestellt wäre, er fällt vielmehr mit der Theilungsaxe zusammen und zwär noch ausgesprochener als in Fig. 10. Solche Bilder machen es wahrscheinlich, dass der Knäuel sich innerhalb der Kernmembran verlagert hat. In manchen dieser Kerne verlaufen die langausgezogenen Knäuel- hälften auch schräg zur Längsaxe des Kernraumes und der Theilungs- axe. Derartige Kerne repräsentiren offenbar Zwischenstufen, in welchen der Chromatinknäuel gerade in der Drehung begriffen ist. Endlich sei noch erwähnt, dass ich unter dem reichen Ma- terial, welches mir von diesem Stadium zu Gebote steht, auch einige Kerne gesehen habe, deren Knäuelhälften noch nieht ein- gestellt sind, obwohl die Kernmembran schon geschwunden ist. Ich werde auf diesen Fall von verspäteter Drehung gleich zu- rück kommen. Zwei Spindeln aus dem Stadium von vier Blastomeren zeigt Fig. 12 in Seitenansicht. Die linke Spindel ist von der Schmal- Ueber d. Selbstständigbleiben d. väterl. u. mütterl. Kernsubst. ete. 359 seite gesehen, ihre Aequatorialplatte erscheint daher einheitlich, auch wenn sie in Wirkliehkeit aus zwei Hälften bestehen sollte. Die rechte Spindel kehrt dem Beschauer ihre Breitseite zu und lässt die zwei Abtheilungen ihrer Aequatorialplatte überblicken. Die geringgradige Assymmetrie, welche diese Theilungsfigurzeigt, ist an den Spindeln der ersten Furchungsstadien häufig zu beobachten. Die in die Figur eingezeichnete horizontale Linie Ae giebt die Lage der wirklichen Aequatorialebene an, d.h. derjenigen Ebene, welche durch eine die Spindelpole verbindende Linie rechtwinklig geschnitten wird. Aus dem Winkel, welche die Aequatorial- platte mit dieser Ebene bildet, ist zu ersehen, um wieviel die erstere von ihrer definitiven Einstellung noch entfernt ist. Es liegt nahe, solche Fälle wie den vorliegenden, auf eine verspätete Drehung des Knäuels zurückzuführen. Der Knäuel hat hier offen- bar dieselbe Linksdrehung ausgeführt, deren Beginn wir in derrechten Blastomere der Fig. 10 vor Augen hatten, aber die Drehung ist noch nicht vollständig abgelaufen zur Zeit, in welcher die Spindel- figur schon vorhanden ist. Ob auch die assymmetrische Form der ersten Furchungsspindel im Fig. 1 auf dasselbe Prinzip zurück- geführt werden kann, muss vorläufig offen bleiben, so lange nicht feststeht, dass auch an den in Kopulation begriffenen Vor- kernen verspätete Lageveränderungen vorkommen können. — Der Schnitt der Fig. 13 hat die vier Spindeln quer ge- troffen und zeigt in den zwei unteren Blastomeren die Aequato- rialplatte in Polansicht. Rechts sind die beiden Chromosomen- gruppen noch deutlich geschieden, links ist dies nicht mehr der Fall, doch weist die Bisquitform der länglichen Aequatorialplatte noch auf den Doppelbau des Kernes hin. Den Dyaster der dritten Theilung habe ich bis jetzt nicht zu Gesicht bekommen. Im weiteren Verlauf der Furehung nimmt die Zahl der zwei- theiligen Chromatinfiguren in den Mitosen mehr und mehr ab, so dass man sie bald nur mehr ausnahmsweise antrifft. Hieraus darf man aber meines Erachtens noch nicht den Schluss auf eine statt- findende Vermengung des väterlichen und mütterlichen Chro- matins ziehen, sondern nur auf eine innige Aneinanderlagerung der beiden Chromosomengruppen. Die letzteren erscheinen während der ersten Furchungstheilung offenbar deshalb so deutlich von einander geschieden, weil die mitotischen Chromatinfiguren zu jener Zeit be- kanntlich sehr locker gebaut sind, Dies Verhalten ändert sich 360 Ver Ckletı. mit der fortschreitenden Durchfurchung des Eies aus leicht er- sichtliehem Grunde : die zunehmende Verkleinerung des Zellleibes bedingt eine fortschreitende Verringerung des für den Kern ver- fügbaren Raumes, und da nun die Chromatinmasse des Kernes keine entsprechende Abnahme erfährt, so muss sie sich dichter zusammendrängen. So dürfte es sich erklären, dass die Vor- kerne schon im Dyaster der zweiten Theilung (Fig. 6 und 7) viel näher aneinander gedrückt sind, als in der gleichen Phase der ersten Theilung (Fig. 2 und 3) und dass alsbald die Grenze zwischen ihnen ganz verwischt wird. In ganz späten Furchungs- stadien vollends sind die Chromatinfiguren so dicht, dass zuweilen Verklumpungen derselben auftreten bei einer Konservirung, die für die ersten Theilungen die klarsten Bilder liefert. Wenn ich nun die einheitlichen Theilungsfiguren der mitt- leren Furehungsstadien nicht als Beweis für eine statt- findende Verschmelzung der beiden Kernhälften ansehe, so ge- schieht dies aus dem Grunde, weil zu dieser Zeit der Doppelbau der Kerne in der That noch siehtbar ist, und zwar bei Eintritt der Ruhephase. Fig. 14 stellt einen Schnitt durch ein Ei mit 32 Furchungskugeln dar, deren sämmtliche Kerne sich im Ruhe- zustand befinden. Es trifft sich, dass die sieben vollgetroffenen Kerne dieses Sehnittes, wenn auch im einzelnen etwas verschieden gebaut, doch sämmtlich eine Zweitheilung erkennen lassen. Auf eine spezielle Beschreibung dieser ruhenden Doppelkerne brauche ich, nachdem dieselben auf pag. 355 ausführlich erörtert wurden, nicht mehr einzugehen. Es wurde für die ersten Furchungsstadien gezeigt, dass solche Kernformen keine zufälligen sind, sondern auf ein Selbstständigbleiben der Vorkerne zurückgeführt werden müssen. Wenn nun dieselben Kerne sich im weiteren Verlauf der Furehung erhalten, so können wir ihnen hier keine andere Deutung geben als dort. Wir sind daher zu dem Ausspruch berechtigt, dass da, wo dieser Doppelbau noch auftritt, eine Ver- mischung der väterlichen und mütterlichen Chromatinmengen nicht stattgefunden hat. Die Zahl solcher Kerne ist in den einzelnen Eiern eine verschiedene, kann aber in dem Stadium von 16 und 32 Blasto- meren und auch noch in etwas älteren Stadien eine beträchtliche sein. Von den übrigen Kernen desselben Eies weisen dann in der Regel mehrere eine Zusammensetzung aus kleinen Bläs- Ueber d. Selbstständigbleiben d. väterl. u. mütterl. Kernsubst. ete. 361 chen auf, stehen also noch vor der entscheidenden Entwiekelungs- phase. Andere hinwiederum, die sich schon im vollen Ruhezustand befinden, zeigen nur eine Andeutung der Zweitheilung, wie z. B. Kern a in Fig. 14, oder erscheinen endlich durchaus einheitlich auch von der Breitseite aus gesehen. Ob die letzteren in einer vorausgegangenen Phase einen Doppelbau besessen haben, ist selbstverständlich hinterdrein nieht mehr zu sagen. So lange sie übrigens ihre ursprüngliche ausgesprochen längliche Form bei- behalten, ist dies nicht unwahrscheinlich. In späten Furehungsstadien nimmt die Zahl der ruhenden Doppelkerne noch weiterhin ab, doch trifft man sie vereinzelt noch zur Zeit der Keimblätterbildung an und zwar in sämmtlichen Blättern, wie Fig. 15 zeigt. Ich habe sie soweit verfolgen können, als ich meine Untersuchungen ausgedehnt habe, nämlich bis zu dem Stadium, im welchem die Anlage der 3 Paar Naupliusextremitäten sichtbar ist. Es muss nach den mitgetheilten Befunden die Möglichkeit zugegeben werden, dass noch während der Furchung eine Ver- mischung des väterlichen und mütterlichen Chromatins bei einem Theil der Kerne einsetzt und dass dieser Vorgang im Verlauf der weiteren Entwickelung ganz allmählich auf weitere Kerne fort- schreitet. Mindestens ebenso wahrscheinlich aber ist es, dass die beiden ursprünglichen Kernhälften sich während der weiteren Em- bryonalentwiekelung im wesentlichen ebenso verhalten, wie in der ersten Furchungszeit. So gut sich hier trotz wiederholter Theilungen und Auflösungen des Chromatins in ein Ruhegerüst der Doppelbau des ersten Furchungskernes erhält, ebensogut kann er auch weiter- hin bestehen bleiben. Dass er nur an einem immer kleiner wer- denden Bruchtheil der Kerne eines Eies wahrnehmbar ist, liesse sich aus dem Umstand erklären, dass mit fortschreitender" Ent- wickelung die Zahl der gleichzeitig stattfindenden Mitosen ab- nimmt und man daher gar nicht voraussetzen darf, in einem Ei eine grössere Menge von Kernen der gewünschten Entwickelungs® phase gleichzeitig vorzufinden. Jedenfalls geht aus der vorstehenden Untersuchung hervor, dass in der ersten Entwickelungszeit mindestens beieinem Theil der Kerne eine Vermengung der väterlichen und mütterlichen Hälfte nicht statt hat, dass ein solcher Vorgang für den normalen 3062 J. Rückert: "Verlauf der Entwiekelung somit nicht erforder- lich ist. Das Chromatin kann seine ursprüng- liche Vertheilung beibehalten trotz wieder- holter mitotischer Theilungen und Auflösungen in ein feinfadiges Gerüst, und obwohl die übri- sen Lebensvorgänge innerhalb seiner Substanz, die Assimilation und das Wachsthum, gerade zu dieser Zeit der rasch aufeinanderfolgenden Theilungen lebhaftere sind als sonst. Es wäre von Interesse zu sehen, ob in den Gewebszellen des fertigen Thieres noch etwas von dem ursprünglichen Verhalten des Kernes wahrnehmbar ist. Wir finden hier eine Zellenart, die in Bezug auf das Volumen ihres Leibes und ihres Kernraumes ähnliche Bedingungen bietet, wie die ersten Furchungskugeln. Es sind das die ausgewachsenen Eizellen. Während der Wachs- thumsperiode selbst dürfte ein Aufschluss über das Verhalten des Kernes in den Eizellen nicht zu erlangen sein, da während der- selben die Chromosomen in feine Fäden ausgezogen den von ihnen okkupirten Raum — sie bevorzugen die periphere Zone des Keim- bläschens — in ziemlich gleichmässiger Weise erfüllen. Wenn sich aber zu Beginn der Reifung das Chromatin zu den kom- pakten Chromosomen der ersten Richtungsspindel eoncentrirt, so ändern sich die Verhältnisse. Die den Vierergruppen entsprechenden quertheiligen Doppelstäbe, welche jetzt auftreten, nehmen einen viel geringeren Theil des grossen Kernraumes ein, so dass zwischen ihnen weite, vom Kerngerüst freie Strecken erscheinen. Wenn die Chromosomen bis zu dieser Zeit ihre ursprüngliche Gruppi- rung bewahrt hätten, so müsste dieselbe jetzt zum Vorschein kommen können, nachdem die Raumverhältnisse innerhalb des Keinbläschens so günstige geworden sind. In der That tritt nun auch eine eigenthümliche Gruppirung der Doppelstäbe zu Tage, wenn dieselben aus der Peripherie des -Keimbläschens gegen den Aequator der in Bildung begriffenen Richtungsspindel vorrücken. Die Erscheinung ist so in die Augen springend, dass sie den früheren Bearbeitern der Eireifung von Cyelops, Haecker (8) und mir selbst (17), schon aufgefallen war, ohne dass einer von uns sie zu der vorliegenden Frage in Be- ziehung gebracht hätte. So bildet Haeeker in dreien seiner Arbeiten (8. Fig. 22; 9. Fig. 31; 10. Fig 11 a und b) längliche Ueber d. Selbstständigbleiben d, väterl. u. mütterl. Kernsubst. etc. 363 Keimbläschen ab, in deren gegenüberliegenden schmalen Enden je vier Doppelstäbe dieht beisammenliegen. Dass diese Ver- theilung der Doppelstäbe in den untersuchten Keimbläschen eine sehr regelmässige gewesen ist, geht nicht nur aus den Abbil- dungen Haecker’s, sondern ebenso aus der Deutung hervor, welche er diesem Stadium gibt. Er betrachtet nämlich die beiden Chromosomenhaufen als die Tochterplatten der abgelaufenen ersten Riehtungstheilung, während sie in Wirklichkeit, wie ich (17, 18) gezeigt habe, Ansammlungen von Vierergruppen innerhalb eines Keimbläschens sind, das vor der ersten Richtungstheilung steht. In meiner eigenen Arbeit (17) ist die in Rede stehende Erscheinung in Fig. 15 und 12 abgebildet, eine kurze Beschrei- bung findet sich daselbst auf pag. 305. Ich habe an derselben nach nochmaliger, genauerer Untersuchung nichts zu korrigiren, möchte ihr aber noch emige speziellere Angaben hinzufügen, da der Gegenstand mit Rücksicht auf das Verhalten der Furchungs- kerne jetzt vielleicht einige Beachtung verdient. Die für die Richtungsspindel bestimmten Doppelstäbe liegen nach ihrer Entstehung anfänglich in der peripheren Schicht des Keimbläschens weithin zerstreut. Eine gruppenweise Vertheilung derselben macht sich schon jetzt bei genauerem Zusehen etwas bemerkbar, wenn sie auch nicht gerade sehr augenfällig ist, da noch ein ziemlicher Abstand zwischen allen Doppelstäben existirt. Der Ueberblick wird ferner zu dieser Zeit noch dadurch erschwert, dass in Folge der Grösse des Keimbläschens die Chromosomen über mehrere Schnitte vertheilt sind. Dies ändert sich aber als- bald. Das ellipsoide Keimbläschen wandelt sieh unter allmählicher Volumsabnahme in die Anlage der Spindel um, und gleichzeitig rücken die Chromosomen in eine, anfänglich noch breite, äquato- riale Region dieser Spindelanlage zusammen. Sie halten sich dabei noch vorzugsweise an die Nähe der Keimbläschenoberfläche und lassen die Axe der Spindel frei, wie ich dies früher (l. e.) geschildert habe. Jetzt kann man die Vertheilung der Doppelstäbe auf nicht zu dünnen Schnitten gut überblicken, und hierbei zeigt es sich, dass sie stets in Gruppen beisammen liegen (Fig. 16—19). An den von mir untersuchten Eiern dieses Stadiums habe ich ausnahmslos eine solche Anordnung getroffen, die freilich in ihren Einzelheiten beträchtlichen individuellen Variationen unterworfen 364 VoRuckert: ist. Bevor ich die letzteren beschreibe, muss ich ein paar Worte über die Zahl der Doppelstäbe vorausschicken: Diese Gebilde zeigen, wie alle übrigen Vierergruppen, eine Reduktion auf die Hälfte der normalen Chromosomenzahl. Bei dem von mir untersuchten Cyelops stren. aus dem Bodensee finden sich in den Keimbläschen des vorliegenden Stadiums meist 11, in einigen Fällen, wie es scheint, auch 12 quertheilige Doppel- stäbe. Eine absolut sichere Zählung ist zu dieser Zeit nicht immer durehführbar, dagegen ist sie möglich nach vollendeter Einstellung der Chromosomen in die Aequatorialebene bei Polan- sicht der Spindel. Hier fand ich stets 11 Vierergruppen. Diese un- grade Zahl ist, wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe, auf- fallend. Da bei anderen Cyelops-Arten 8 Doppelstäbe, bei Diaptomus gr. und Heterocope rob. 16 Vierergruppen wäh- rend der Reihung auftreten, sollte man in unserem Falle deren 12 statt 11 erwarten. Es liegt daher die Vermuthung nahe, dass hier eine Vierergruppe verloren gegangen ist, sei es durch Verschmel- zung mit anderen Chromosomen, sei es durch Auflösung innerhalb des Keimbläschens oder ausserhalb desselben nach vorausgegangener Ausstossung. Der erstere Vorgang würde sich der Controle ent- ziehen, der letztere dagegen nicht, und für ihn liegen auch einige Anhaltspunkte vor. So findet sich häufig in denjenigen Vorstadien der Reifung, in welchen noch ein Nucleolus vorhanden ist, eine Chromatinpartie in unmittelbarer Nähe des Kernkörperchens, wie ich dies früher beschrieben habe. Dieselbe ist nun hier und da deutlich in bröcklichem Zerfall begriffen. Auch sieht man vor der I. Riehtungstheilung in vereinzelten Fällen (unter 58 Keim- bläschen 6 mal) einen Doppelstab oder grössere Theile eines sol- chen der Aussenfläche des Keimbläschens anliegen. Diese Be- obaehtungen sind freilich kaum ausreichend, um zu behaupten, dass vor der Reifung regelmässig ein Doppelstab zu Grunde geht. Es wäre zwar möglich, dass bei der Mehrzahl der Eier das ent- sprechende Chromosom schon während der Wachsthumsperiode ausfällt, aber ich habe hierüber keine Beobachtungen angestellt. Ich muss daher die Frage, wie es kommt, dass die von mir untersuchten reifenden Eier von Cyelops stren. die auffallende Zahl von 11 Doppelstäben besitzen, fürs Erste offen lassen. Die Erscheinung selbst ist aber offenbar keine zufällige, etwa nur an eine Localvarität von ©. str. gebundene, denn ich finde sie auch Ueber d. Selbstständigbleiben d. väterl. u. mütterl. Kernsubst. ete. 365 bei zwei anderen Spezies von Cyelops. An Stelle von acht zu erwartenden Doppelstäben traf ich hier bei der Reifung in mehreren Fällen, in denen eine sichere Zählung möglich war, nur sieben an. Die Vertheilung der Doppelstäbe war in den einzelnen Eiern folgende: unter 21 Keimbläschen fanden sieh 12 mal die Chromosomen in 2 annähernd gleich starken Hauptgruppen vor. Ich sage annähernd, denn bei der ungeraden Zahl der Doppel- stäbe kann im günstigsten Falle das Verhältniss von 6:5 herrschen und dieses liess sich denn auch fast überall und zwar in allen Eiern, in denen eine genaue Zählung überhaupt durchzuführen war, nachweisen (vergl. Fig. 16 und 17). Zweimal fand sich ein Verhältniss von 4:7, 1 mal von 5:7, 5 mal von 3:8 (Fig. 18) und 1 mal von 2:9. Innerhalb einer Gruppe liegen die Doppelstäbe sehr verschieden eng beisammen. Sie stehen häufig so benach- bart, dass ihre gegenseitige Abgrenzung sorgfältige Beobachtung erheischt. Ein solches Verhalten kann in unserem Stadium nicht dadurch hervorgerufen sein, dass den Chromosomen der nöthige Platz fehlt. Dass dies nicht der Fall ist, lehren die Figuren; sie zeigen, dass je enger geschlossen die Gruppen sind, um so breiter der zwischen ihnen frei bleibende Raum ausfällt. Die Vertheilung der Doppelstäbe innerhalb einer Gruppe ist entweder eine gleich- mässig dichte (wie in Fig. 16 und 18) oder gleichmässig lockere (wie in Fig. 17), oder endlich eine ungleichmässige (Fig. 19). Im letzteren ziemlich häufigen Falle lassen die eine oder beide Hauptgruppen wieder Unterabtheilungen erkennen. Wenn diese entfernt von einander liegen, kann die Unterscheidung in zwei Hauptgruppen undurchführbar werden, was bei zweien von den untersuchten 21 Kernen der Fall war; es waren hier drei an- nähernd gleich starke Gruppen vorhanden. Während die Einstellung der Chromosomen in den Aequator sich vollendet, rücken dieselben auch aus der Peripherie der Aequatorialebene in deren bisher freies Centrum ein. Damit wird der Raum zwischen den Gruppen immer mehr eingeengt, bis er schliesslich schwindet. Doch habe ich bei einigen Aequatorial- platten auch noch nach vollendeter Einstellung zwei Chromosomen- gruppen deutlich unterscheiden können. Dass auch Haecker solehe Bilder vorgelegen haben, geht aus einer seiner Abbildungen (8 Fig. 23a), die ich für eine Polansicht der ersten Richtungs- 366 J. Rückert: spindel halte, hervor. Schliesslich muss ich noch erwähnen, dass ich in den lockeren Tochterplatten der ersten Furchungstheilung — nicht aber der späteren — die den Vorkernen entsprechenden Stücke mehrmals wiederum in zwei Unterabtheilungen gespalten sah, was namentlich bei Anwendung mittlerer Vergrösserungen deutlich hervortritt und in dem linken Vorkern der Fig. 2 und dem unteren der Fig. 3 ohne Uebertreibung wiedergegeben ist. Da die beschriebene Gruppirung der Keimbläschenchromo- somen während der Vorbereitung zu einer Kerntheilung eintritt, so wird man sich bei einem Erklärungsversuch derselben zuerst zu fragen haben, ob sie etwa durch den Mechanismus der Pro- phasen der Mitose, speziell der Spindelbildung, veranlasst sein kann. Ich wüsste nun nicht anzugeben, inwiefern dieser Mecha- nismus gerade eine bestimmte Gruppenbildung der Chromosomen hervorzurufen braucht; soweit wir ihn bis jetzt kennen, könnte er mit jeder beliebigen Vertheilung dieser Gebilde einhergehen. Die Sache wird auch dadurch nicht klarer, dass man die An- ordnung der Chromosomen auf eine entsprechende Gruppirung von Spindelfäden zurückführt, denn es bedürfte dann wiederum die letztere einer Erklärung. Die ganze Erscheinung aber ein- fach damit abthun, dass man sie als eine zufällige bezeichnet, geht auch nicht an. Die Gruppenbildung ist allerdings, wie ich gezeigt habe, erheblichen individuellen Variationen unterworfen, aber, wenn sie die Folge einer willkürlichen, beliebig wechseln- den Lagerung der Chromosomen wäre, dann würden wir unter der grossen Zahl der a priori denkbaren und möglichen Chromo- somenstellungen nur sehr selten jener Kombination begegnen, welche zwei zu beiden Seiten der Spindelaxe einander gegenüber- liegende Gruppen aufweist. Gerade diese Fälle (Fig. 16—18) sind aber relativ sehr häufig, und sie bilden, wenn man diejenigen der Fig. 19 mit hinzurechnet, sogar die überwiegende Mehrheit. Für diese Anordnung muss irgend ein Grund vorhanden sein. Es liegt nun eine Erklärung für dieselbe so nahe, dass es geradezu kurz- siehtig wäre, wollte man sie gänzlich unberücksichtigt lassen: Es ist dies die Möglichkeit, dass sich die den Vorkernen entsprechen- den Chromatinhälften des Kernes, die während der Entwiekelung über eine beträchtliche Anzahl von Theilungen hinaus unvermischt bleiben können, bis in die reifenden Eier selbständig erhalten. Wenn diese Auffassung richtig ist, dann ist die Anordnung, wie Ueber d. Selbstständigbleiben d. väterl. u. mütterl. Kernsubst. ete. 367 sie in Fig. 16 und 17 vorliegt, als ursprüngliche anzusehen, und die Fälle mit ungleicher Chromosomenvertheilung (Fig. 18) als sekundär abgeänderte. Wer an die Individualität oder Continui- tät der Chromosomen glaubt, müsste zur Erklärung der letzteren Fälle annehmen, dass Chromosomen zu irgend einer Zeit vor der Reifung aus der einen Gruppe in die andere übergetreten seien. Ich gebe gerne zu, dass diese Deutung eine hypothetische ist, so lange es nicht gelingt, den Doppelbau des Kerns durch sämmtliche Zellgenerationen hindurch bis zum reifenden Ei eontinuirlich nachzuweisen und ich unterlassse auch aus diesem Grunde vorläufig alle Schlussfolgerungen über Reduction und Ver- erbung, die sich aus der gegebenen Auffassung herleiten lassen. Andererseits wird man aber bei objektiver Betrachtung eine ge- wisse Wahrscheinlichkeit der vorgetragenen Hypothese nicht ab- sprechen können. Wir haben eine im Prineip gleiche Erscheinung in den Kernen von Furchungszellen und von reifenden Eiern gefunden, da ist es wohl erlaubt, einstweilen auch die gleiche Ursache für dieselben vorauszusetzen, bis eine andere, bessere Erklärung möglich ist. — Einige hervorragende Zellenforscher (van Beneden (2, 5), Flemming (6)) haben aufGrund von hier nieht näher darzu- legenden Beobachtungen eine bilaterale Symmetrie der Zelle statuiren zu können geglaubt, doch haben sich diese Versuche als nicht durchführbar erwiesen (vergl. Boveri (4) und M. Heidenhain (11). Die von mir beschriebenen Doppelkerne der ersten Entwieklungszeit be- sitzen nun einen ausgesprochen bilateralsymme- trischen Bau, den man um so eher wird gelten lassen müssen, als er nicht durehirgend ein neben- sächlicehes Moment, sondern durch die Genese des ersten embryonalen Kernes bei der Befrueh- tung begründet ist. Die Symmetrieebene schei- det den Kern in eine väterliche und mütter- liche Hälfte. In der Hauptsache stellt hier die ganze Zelle einschliesslich des Kermes ebenfalls ein bilateral symme- trisches Gebilde dar, während der Ruhe und der Theilung (z.4B., Big. 2, 3,6, 11; vielleicht, auch 16, und; 17). Eine Ausnahme hiervon bilden nur diejenigen vorübergehenden 368 J. Rückert: * dieentrischen Theilungsfiguren, in welchen die Symmetrie- ebene des Kerns in Folge von einer noch nicht vollendeten Drehung des letzteren (pag. 357) nicht mit der Centrenaxe zu- sammenfällt (z. B. Fig. 10 und 12). Das Gleiche gilt für die Phase, die zwischen der mono- und discentrischen Anordnung liegt. In diesen Fällen kann selbstverständlich die bilaterale Symmetrie nur für den Kern allein in Betracht kommen. München im März 1895. Literaturverzeichniss. 1. Bellonei, Intorno alla cariocinesi nella segmentazione dell’ ovo di Axolotl. Reale Ace. dei Lincei. Anno 1883—84. 2. E. van Beneden, Recherches sur la maturation de l’oeuf et la fecondation. Arch. de Biol. t IV. 1883. 3. 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Schultze, Ueber die Karyokinese in den ersten Zellen des Axolotl. Sitzungsber. d. phys.-med. Ges. zu Würzburg. 1887. 20. van der Stricht, Contribution a l’etude de la sphere attractive. Bull. de l!’Acad. roy. de Belgique. 189. 21. W. M. Wheeler, The Behavior of the Centrosomes in the Fer- tilized Egg of Myzostoma Glabrum, Leuckart. Journ. of Morph. Vol X; Nr.,1.).18% EdmundB.Wilson and Alb. Mathews, Maturation, Fertilization and Polarity in the Echinoderm Egg. Journ. of Morph. V.X. Nr. 2. :1895. ID I) Figurenerklärung auf Tafel XXI und XX1. Sämmtliche Figuren beziehen sich auf Cyelops strenuus Fisch. und sind mit dem Prisma entworfen bei Zeiss Apochr. Hom. Im. 2.00 Apert. 1.30. Fig. 1-3 und 5—19 mit Oc. 4, Fig. 4a und b mit Oe. 6, Tubus nicht ausgezogen. R in Fig. 6, 7, 8, 11 und 14 = zweiter Richtungskörper, der im Ei verbleibt. Tafel XXI. Fig. 1 und 2. Erster Furchungskern in Seitenansicht. Fig. 3. Dieselbe Phase wie Fig. 2 in Polansicht. Fig. 4a und b. Die zwei ersten Furchungskerne. Uebergang vom Dyaster zur Ruhephase. (Bläschenkern.) Fig. 5. Die zwei ersten Furchungskerne in der Ruhephase. Fig. 6 und 7. Die zwei ersten Furchungskerne im Dyaster. Fig. 8. Die vier ersten Furchungskerne Uebergang zur Ruhe- phase. Tafel XXI. Fig. 9. Stadium der vier ersten Furchungskerne. Uebergang zum Spirem. Fig. 10 und 11. Stadium der vier ersten Furchungskerne. Spirem. Fig. 12 und 13. Stadium der vier ersten Furchungskerne. Monaster. Fig. 14. Stadium von 32 Blastomeren. Fig. 15. Stadium der Keimblätterbildung. Fig. 16—19. Vier Keimbläschen vor der ersten Richtungstheilung. Fig. 16—18. Polansicht der in Bildung begriffenen ersten Richtungs- spindel. Fig. 19. Seitenansicht der in Bildung begriffenen ersten Richtungs- spindel. 370 Ueber die Entstehung der eosinophilen Granulationen des Blutes. Von N. Sacharoff. Hierzu Tafel XXII. Nachdem Ehrlich im Jahre 1881 auf das speeifische Verhalten der eosinophilen Granulationen gegen Eosin hingewiesen und hiermit die letzteren von anderen Granulationen unterschieden hatte, sind dieselben Gegenstand zahlreicher Untersuchungen ge- worden, hauptsächlich von Seiten der Kliniker, welche eine Ver- mehrung der eosinophilen Zellen bei manchen Krankheiten, wie Leukämie, Asthma, Scorbut, Scarlatina u. a. gefunden haben. Obwohl Untersuchungen in dieser Richtung schon längst im Gange sind, erweisen sich die zusammengetragenen Thatsachen bisher als lückenhaft, was davon abhängig ist, dass wir nicht wissen, wie die eosinophilen Granulationen entstehen. Die Mehrzahl der Gelehrten ist geneigt, auf Grund des specifischen Ver- haltens gegen Eosin und der charakteristischen Form dieser Granulationen, anzunehmen, dass die letzteren im Protoplasma der eosinophilen Zellen entstanden sind. Als Repräsentant dieser Annahme muss Ehrlich selbst gerechnet werden, der, nach Aussage seines Schülers Schwarze, „darauf hinwies, dass diese Einlagerungen (d. h. die eosinophilen Granulationen), die er längst bekannten Kristalloiden der Pflanzen vergleicht, nicht von aussen aufgenommen seien, sondern dass sie Producte einer specifischen Zellenthätigkeit darstellen“). Andere betrachten die eosinophilen Granulationen als Zer- fallsprodukt aufgenommener Erythrocyten. Dies ist die Meinung z. B- von Hoyer). 1) Ehrlich, Farbenanalytische Untersuchungen S. 74. 2) Sitzungsberichte der Russ. Med. Gesell. an der Univers. zu Warschau, 5. Novem. Wratsch 1894, Nr. 48. Ueber die Entstehung der eosinophilen Granulationen des Blutes. 371 Pschewossky'!) hat vor kurzem die Ansicht ausgepsrochen, dass die eosinophilen Zellen unvollkommen entwickelte Erythro- eyten seien und gleich letzteren aus Hämatoblasten entstehen. In den eosinophilen Granulationen ist es diesem Autor gelungen die Gegenwart von Hämoglobin nachzuweisen. Eine analoge Anschauung haben schon früher Schmidt-Semmer?) und Bannwart?) ausgesprochen. Keine dieser Anschauungen vermag ich zu theilen. In einem Vortrage in der Kaukasischen medieinischen Gesellschaft habe ich eine abweichende Theorie entwickelt, von deren Richtigkeit ich jetzt, nach Verlauf eines Jahres, dank neuen Beobachtungen, mich immer mehr überzeuge, weshalb ich mir verstatte, diese Theorie nunmehr dem Urtheil der Leser des Archiv’s für mikroskropische Anatomie vorzulegen. Die Ansicht von der Entstehung der eosinophilen Granula- tionen auf dem Wege der Umbildung im Protoplasma der Zellen ist aus folgenden Gründen als unbewiesen zu betrachten: 1) Bisher ist es keinem Forscher gelungen, diesen Prozess in den Zellen zu beobachten, und bisher kennen wir die frühen Entwickelungsstadien der eosinophilen Granulationen nicht. Es liegen keine Gründe vor als solche die sog. pseudoeosinophilen Granulationen Ehrlieh’s anzusehen, indem die letzteren mit gleichem Rechte als degenerirende eosinophile Granulationen angesehen werden können. 2) Die starke Affinität der eosinophilen Granulationen zum Eosin darf nicht als deren ausschliessliche Besonderheit gelten, indem, wie wir weiter sehen werden, eine nicht minder starke Affinität zum Eosin die Kerne der Hämatoblasten und der Erythro- eyten auszeichnet. 3) Das Fehlen von phagocytären Eigenschaften bei den eosinophilen Zellen, welches ein.mehr ins Gewicht fallendes Be- weismoment zu Gunsten der in Rede stehenden Theorie abgeben könnte, erscheint bei näherem Studium der Frage nicht so be- deutungsvoll, wie man es annimmt. Dieser Schluss ist nämlich bloss mit Bezug auf die eosinophilen Zellen des Blutes richtig, 1) Ibid. 2) Semmer, Ueber die Faserstoffbildung im Amphibien- und Vogelblut. Inaug.-Dissert. Dorpat 189. 3) Citirt nach Freiberg, Untersuch. über die Regenerat. d. Blut- körperchen. Inaug.-Dissert. Dorpat 1892. S. 58. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45. 25 373 N. Sacharoftf: d. h. solehe Zellen, die mit eosinophilen Granulationen überladen sind, und nicht als richtig bewiesen mit Bezug auf die eosin- ophilen Zellen des Knochenmarkes, in welchem dieselben ohne Zweifel gebildet werden. Daher dürfte die Vermuthung nicht unbegründet sein, dass bei den eosinophilen Zellen die im Knochen- mark vorhandenen phagocytären Eigenschaften durch Ueberladung mit Granulationen verloren gehen, indem doch bei den Leukocyten im Allgemeinen das Vermögen für Phagoeytose mit der Aufnahme fremdartiger Theilchen zum Erlöschen gelangt. Ferner zeigt sich die Behauptung bei Weitem nicht richtig, dass die eosin- ophilen Zellen niemals andere Granulationen als eosinophile in sich beherbergen. Ehrlich selbst hatte hier ein Mal!) Granulationen gefunden, welche sich mit basischen Farben tingirten, hielt sie aber für pseudoeosinophile, die er als unentwickelte eosinophile Granulationen betrachtet. Bei meinen Untersuchungen von Vogel- blut bin ich sehr häufig in eosinophilen Zellen basophilen Granu- lationen, besonders im Blute kranker Vögel, begegnet. So ent- hält z. B. im Blute von Gänsen und Enten bei der durch Spi- rochaete anserina hervorgerufenen Infection?) die Mehrzahl der eosinophilen Zellen grosse. scharf umschriebene Körner, die der Art intensiv mit basischen Farben sich tingiren, dass sie von mir anfangs als Mikroorganismen angesehen wurden. Diese Körner gleichen aber nach allen ihren Eigenschaften den basophilen Granulationen. 4) Gegen die angeführte Theorie fällt bedeutend ins Ge- wicht die Mannigfaltigkeit der eosinophilen Zellen, auf die schon H. Müller?) hingewiesen hat. In der That begegnen wir eosinophilen Zellen mit kleinem getheilten Kerne, ähnlich den neutrophilen Leukoeyten, und eosinophilen Zellen mit grossem runden Kerne, ähnlich den Leukocyten des Knochenmarkes. Die einen sowohl als die anderen sind Leukocyten verschiedenen Ursprungs, sie müssen jedoch, der Theorie nach, die nämliehen speeifischen Granulationen hervorbringen. 5) Die Theorie übergeht viele Thatsachen, die einer Er- klärung bedürfen, wie z. B. die Mannigfaltigkeit in der Form der eosinophilen Granulationen, die unwillkürlich die Aufmerk- DIL e.ıD, da. 2) Annales Pasteur 1891. 3) H. Müller und Rieder, Archiv f. klin. Med. Bd. 48. Ueber die Entstehung der eosinophilen Granulationen des Blutes. 373 samkeit eines jeden Beobachters auf sich lenkt. Woher es kommt, dass eine und dieselbe Substanz bald in Gestalt von runden Körperchen, bald von spindelförmigen, bald von stäbchen- artigen auftritt, bleibt für diese Theorie ein unlösbares Räthsel. Die Theorie macht uns auch nicht klar, warum bei den oben aufgezählten Krankheiten die Menge der eosinophilen Zellen sich vergrössert. Wenn manche Beobachter annehmen, dass bei diesen Krankheiten die Bildung von eosinophilen Zellen mit dem Unter- sange von Erythrocyten zusammenzuhängen scheine, so sind wir dennoch im Unklaren, wovon nun dieser Zusammemhang her- rühren möge. Indem wir uns derjenigen Theorie der Bildung der eosin- ophilen Granulafionen zuwenden, welche diese Granulationen für Hämoglobindetritus hält, so können wir uns mit der Bemerkung begnügen, dass diese Theorie zu ihrer Stütze keinen einzigen Grund angeführt hat, ausgenommen den Hinweis auf die gelbliche Farbe der eosinophilen Granulationen und das mit dem Hämo- globin gemeinschaftliche Verhalten gegen Tinctionsmittel. Diese Theorie ist wenig wahrscheinlich, indem das Zerfallsproduct von aufgenommenen Erythrocyten, wie es nicht selten beobachtet wird (z. B. in der Milz), gar keine Aehnlichkeit mit eosinophilen Granulationen besitzt. Die Theorie von Pschewossky scheint uns beachtens- werth zu sein, indem sie, wie wir weiter sehen werden, von einem thatsächlich existirenden Zusammenhang zwischen Häma- toblasten und eosinophilen Zellen ausgeht. Indessen können wir die Theorie dieses Autors nicht annehmen, indem wir die Formen, die von demselben als Uebergänge zwischen Hämato- blasten und eosinophilen Zellen beschrieben worden sind, als solehe nicht anerkennen. Ich habe,mich überzeugt, dass eosin- ophile Leukoeyten mit unter einander verschmolzenen Granula- tionen als solche nur in gefärbten Präparaten erscheinen, dass sie aber bei Beobachtung des Knochenmarkes in lebendem Zu- stande auf dem erwärmbaren Objeettische fehlen, indem die eosin- ophilen Zellen sich bewegen und die Granulationen, die ver- schmolzen schienen, sich hierbei von einander abtrennen und durch nichts von gewöhnlichen eosinophilen Granulationen zu unterscheiden sind. 374 N. Sachavotft: Weil die in der Wissenschaft vorhandenen Beobachtungen einer eventuellen Entstehung der eosinophilen Granulationen auf dem Wege der Phagoeytose irgend welcher Elemente des Blutes nieht widersprachen, so beschlossen wir die Frage zunächst von dieser Seite zu studiren, um zu bestimmen, ob es in zelligen Elementen des Blutes nicht eine Substanz gäbe mit gleichem Verhalten zum Eosin wie die eosinophilen Granmulationen, welche Substanz dann aus diesen Zellen in Leukocyten gelangen könnte. Wir begannen mit dem Studium des Verhaltens von leben- dem Knochenmark gegen Eosin, zu welchem Zwecke ein Tropfen Knochenmark aus einer Meerschweinchenrippe ausgepresst, mit einer geringen Menge trockenen Eosins oder mit einem Tropfen Eosin in physiologischer Kochsalzlösung versetzt wurde. Aehn- lichen Untersuchungen unterwarfen wir auch Blut und Knochen- mark von Vögeln. Bei soleher Untersuchung stellte sich heraus, dass die Kerne der Hämatoblasten und der Erythrocyten (bei Vögeln) schneller und stärker als sämmtliche übrigen Elemente des Blutes sich mit Eosin tingiren, dass sie in dieser Beziehung sogar die eosin- ophilen Granulationen, welehe erst später gefärbt werden, über- holen. Die Quelle der eosinophilen Granulationen konnten also in erster Linie die Kerne der Hämatoblasten ausmachen, aus welehem Grunde wir uns auch dem Studium dieser Kerne zu- wandten. Weil aber bedauerlicher Weise die Struktur der letzteren bei Färbung in frischem Zustande schlecht zu erkennen war, so gingen wir zur Untersuchung fixirter Präparate über. Im Hinblick auf die schönen Resultate, welche die Unter- suchung des Blutes nach der von Ehrlich ausgearbeiteten Methode ergiebt, bestehend in Färbung von auf 120 erwärmten Ausstrichpräparaten des Blutes, entschloss ich mich nach dem Vorgange von H. Müller), dieselbe Methode auch auf die Untersuchung des Knochenmarkes anzuwenden. Die hierbei vor- zunehmende längere Erwärmung ruft, wie ich mich bei Benutzung dieser Methode zum Studium der Malariaparasiten überzeugt hatte, keine merkliche Aenderung in den zelligen Elementen hervor. Ich verfuhr in folgender Weise: das Knochenmark eines soeben 3. €, Ueber die Entstehung der eosinophilen Granulationen des Blutes. 375 getödteten Kaninchens (bei welehem durch vorhergehende Blutent- ziehungen eine gesteigerte Blutregeneration angeregt ist) wird mit einer Pincette oder einer Zange aus den Rippen ausgedrückt und auf Objectträgern in dünner Schicht -— nach der ganzen Länge des Glases — ausgebreitet. Eine Serie solcher Gläser wird stehend in einem eisernen Schranke mehrere Stunden lang bei einer Temperatur von 130° — am Boden des Schrankes — erwärmt. Auf jedem Glase wird nun das Blut bei allen mög- lichen Temperaturen zwischen 110° (ungefähr) und 130° zum Fixiren gelangen. Die Färbung nahm ich entweder mit einer in Glycerin gesättigten Eosimlösung 2 Stunden lang vor, oder mit einer alkoholischen Lösung dieses Farbstoffes 1D—15 Minuten lang. Zur besseren Differenzirung des Kernes stellte sich das Auswaschen der Präparate mit angesäuertem Alkohol als nützlich heraus; dureh Zusetzen zum letzteren von Methylenblaulösung in so geringer Menge, dass die Leukoeytenkerne einen kaum merklichen blauen Farbenton erhalten, gelingt es das Präparat noch deutlicher zu gestalten. Bei der genannten Färbung sind, wie bei der Färbung von frischem Knochenmark, die eosinophilen Granulationen und die Kerne der Hämatoblasten am stärksten tingirt, schwächer die Erythroeyten und sehr schwach die Leukocytenkerne. Die Kerne der Hämatoblasten tingiren sich so intensiv, dass sie gegen sämmt- liche Elemente des Blutes hervortreten und Dank diesem Umstande leicht gefunden werden können. Die Färbung darf als gelungen betrachtet werden, falls die Kerne der Hämatoblasten nicht einen diffus rothen Ton angenommen haben, sondern eine Struetur er- kennen lassen, was im Präparat nicht über die ganze Länge des Glases zu sehen ist, sondern nur da, wo die Fixation bei der nöthigen Temperatur zu Stande kam. Hier können wir in den Kernen der Hämatoblasten, abge- sehen von schwach gefärbten Körperchen, welche eine unregel- mässige Form besitzen und ohne Zweifel dem Chromatingerüst des Kernes angehören, stark gefärbte runde Körperchen beobachten, welehe nach Gestalt und Grösse vollkommen den eosinophilen Granulationen gleichen, die massenhaft auf demselben Präparate in den Leukocyten oder in freiem Zustande angetroffen werden. Obwohl diese runden Körperchen nieht minder intensiv gefärbt sind als die eosinophilen Granulationen, erscheinen sie jedoch für 376 N. Sacharoff: gewöhnlich nicht mit der Deutlichkeit wie die letzteren, indem sie nicht, wie die eosinophilen Zellen, von einem farblosen Medium umgeben werden, sondern von der — wenn auch schwächer — gefärbten Grundsubstanz des Kernes. Weil die von uns im Kerne der Haematoblasten entdeckten eosinophilen Körperchen sieh ziemlich deutlich mit Osmium, da- gegen schwach mit Hämatoxylin und gar nicht mit Saffranin tingiren, so müssen sie aus Paranuclein zusammengesetzt sein und Kernkörperehen (Nucleoli)repräsentiren. Ohne uns in Betrachtungen über die eventuelle Beziehung dieser Kernkörperchen zu den sog. Karyosomen und den Plasmosomen einzulassen, was uns in das Gebiet ziemlich schwankender Hypothesen hineinbringen würde, wollen wir uns lediglich mit der Bemerkung begnügen, dass das angegebene Verhalten gegen Farbstoffe in hohem Maasse damit übereinstimmt, was bei den eosinophilen Granulationen beob- achtet wird. Man kann diese eosinophilen Kernkörperehen auch durch Doppelfärbung nachweisen, indem man das mit alkoholischer Eosinlösung vorgefärbte Präparat nach dem Auswaschen mit Wasser der Behandlung mit einer angesäuerten wässerigen Me- thylenblaulösung unterwirft, wobei aber die Einwirkungsdauer der letzteren der Art regulirt wird, dass die Kerne der Hämatoblasten, welche sich ja intensiv mit Methylenblau tingiren, nicht zu viel Farb- stoff aufnehmen, wodurch die innere Structur des Kernes unsichtbar gemacht worden wäre. Bei solcher Bearbeitung des Präparates erscheinen die eosinophilen Kernkörperchen in Gestalt rosa ge- färbter Körner, welche in der blauen Grundsubstanz des Kernes eingebettet liegen. Manche Forscher haben dieses Bild beob- achtet, dasselbe aber anders gedeutet, und zwar so, dass im blauen Kerne Lücken vorhanden seien, durch welche sich das roth gefärbte Hämoglobin hindurchblicken lasse. Eosinophile Kernkörperchen hat man auch sonst in Zellen gesehen (Lukianoff)!) und daher dürfte ihr Vorkommen in den Kernen von Hämatoblasten nichts unerwartetes darbieten. Wir wollen lediglich auf die Thatsache aufmerksam machen, dass in den Kernen der Hämatoblasten diese Kernkörperchen oft in 1) Lukianoff, Grundriss der Allgem. Path. der Zelle, auch Lawdowsky, Microseop. Anatomie, p. 915 (russ.). Ueber die Entstehung der eosinophilen Granulationen des Blutes. 377 solchen Mengen angetroffen werden, dass sie dieselben vollstopfen, während wir in den Leukocytenkernen bei der gleichen Färbungs- methode einer geringen Anzahl schwach tingirter runder Körperchen, welche kleinere Dimensionen als die eosinophilen Granulationen besitzen und deshalb diesen wnähnlich sind, begegnen. Der Unterschied tritt im Präparate so deutlich hervor, dass der Ge- danke an eine Entstehung der eosinophilen Granulationen gerade aus den Kermkörperchen der Hämatoblasten sehr naheliegend erscheint, noch mehr aus dem Grunde, weil die Mehrzahl der Autoren neuerdings der Schlussfolgerung zuneigt, dass bei den Säugethieren die Kerne der Hämatoblasten während des Ueber- gangs in Erythrocyten herausfallen. Das ist die Meinung von Rindfleiseh!), Ehrlich?), Engel?) und anderen gegenüber der Lehre Neumann ’s, weleher zu beweisen suchte, dass diese Kerne auf dem Wege der Karyolyse verschwinden ®). Wir haben uns auch mit der Frage beschäftigt, indem wir das Knochenmark in lebendem Zustande auf dem erwärmbaren Objeettische studirten und hierbei nun mit Leichtigkeit den eigent- lichen Process des Kemaustrittes aus den Zellen beobachten konnten. Der aus den Hämatoblasten herausgeschlüpfte Kern fängt im Plasma unter den Augen des Beobachters zu quellen an, der kernlose Hämatoblast nimmt die charakteristische Form eines Erythroceyten an, mit doppelseitiger Concavität, welche offenbar als Folge des Substanzverlustes im Centrum der Zelle sich gebildet hat. Im Hinblick auf die eventuelle Entgegnung, dass dieser Process künstlich hervorgerufen sei, im Körper also nicht vor- komme, haben wir denselben an gefärbten Präparaten, welche nach der oben beschriebenen Methode fixirt waren, studirt. Wir gewannen die deutliehsten Bilder, indem wir Knochenmarksprä- parate 24 Stunden lang mit der Mischung von Eosin und Me- thylenblau nach Romanowsky?°), welcher diese Methode zur 1) Rindfleisch, Arch. f. Microse. Anat. Bd. 17. 2) Ehrlich, Verhandl. d XI. Congresses f. inn. Mediein in Leipzig. 1892. 3) Engel, Archiv für Microsce. Anat. Bd. XLN. 4) Neumann E. Ueber Blutregeneration und Blutbildung. Zeitschr. f. Klin. Med. 1881. Bd. IIl. 5) St. Petersb. Mediein. Wochenschr. 1891, 378 N. Sacharoff: _ Kernfärbung bei Malariaparasiten empfohlen hatte, tingirten. Diese Methode giebt ein sehr klares Bild von zelligen Elementen des Knochenmarkes. Die Kerne der Hämatoblasten, sowohl die in den Zellen enthaltenen als die aus den letzteren herausge- schlüpften, treten sehr scharf hervor, und es ist leicht sich davon zu überzeugen, dass die von Engel!) beschriebene Zone, welche aus Protoplasma bestände, das an Menge zuzunehmen fähig wäre, wodurch der herausgefallene Kern in eine Zelle sich verwandeln könnte, nicht existirt. Die herausgefallenen Kerne sind ganz nackte Kerne und gehen ohne Zweifel auf dem Wege der Quellung, wie wir es am frischen Knochenmark gesehen haben, zu Grunde., An gefärbten Präparaten kann man sich von diesem Quellungspro- cess der Kerne davon überzeugen, dass man alle Stadien desselben vom nackten Kerne, welcher durch nichts von dem in Hämato- blasten enthaltenen sich unterscheidet, bis zum colossal aufge- quollenen Kerne, welcher aus rarefieirter Substanz, ähnlich einem Netzwerke besteht, vor Augen hat. Des Ferneren beobachten wir in jungen, soeben entstandenen Erythroceyten, welche sich durch einen besonderen Farbenton aus- zeichnen, ein verzweigtes Netz von Spalten. Weil diese Spalten nur in solehen jungen Erythrocyten, die vollkommen intacte Con- turen besitzen, zu sehen sind, so kann ich nicht umhin, dieselben als durch den herausgefallenen Kern verursachte Risse anzuer- kennen. Den gleichen Gedanken äussert auch Engel. Ausgenommen die angeführten Gründe wird ein Herausfallen des Kernes bei den Hämatoblasten noch dadurch bewiesen, dass in den nach Romanowsky ’'s Methoden gefärbten Präparaten des Knochenmarkes solehe Formen zu vermissen sind, welche ein Verschwinden des Kernes auf dem Wege der Chromatolyse an- deuteten. Untersucht man die herausgefallenen Kerne, so ist zu sehen, dass die oben beschriebenen eosinophilen Kernkörperchen fast voll- kommen oder vollkommen verschwunden sind, und dies lässt sich dadurch erklären, dass diese Kernkörperchen eine periphere Lage besitzen und von dem Herausfallen durch eine Protoplasma- schicht nicht geschützt sind. Die Annahme, dass die Kernkörperchen dureh Karyolyse in Lösung übergegangen, ist unwahrscheinlich, in- Ale, Ueber die Entstehung der eosinophilen Granulationen des Blutes. 379 dem dieser Process schnell sich abwickelt. In der That pflegen die nackten Hämatoblastenkerne, welche noch keine Quellung erlitten haben, wenig oder gar keine eosinophilen Kernkörperchen zu enthalten. Wir gelangen also zu folgendem Schlusse: Weil in den Kernen der Hämatoblasten Kernkör- perehen vorhanden sind, welche nach Grösse, Form und Verhalten zum Eosin vollkommene Aehnlichkeit mit den eosinophilen Granulationen besitzen, und weil diese Kernkörperchen bei dem Herausfallen der Kerne auch herausfallen müssen, um dann unweigerlich von Leukoeyten verschlungen zu werden, so ist mit grösster Wahrscheinliehkeit anzunehmen, dass bei Säugern die eosinophilen Granulationen auf dem Wege der Phago- eytose von aus Hämatoblasten herausgefallenen Kern- körperchen entstehen. Dieser Schluss hat aber seine Schwierigkeiten, um die Ent- stehung der eosinophilen Granulationen bei Thieren, bei welchen ein Herausfallen der Hämatoblastenkerne nicht vorkommt (Vögel und Reptilien), zu erklären. Wir unternahmen also über die Bildung der eosinophilen Granulationen bei Vögeln eine Reihe von Untersuchungen, deren Hauptzüge wir nun mittheilen wollen. Die eosinophilen Granulationen der Vögel sind von sehr mannigfaltiger Gestalt: rund, oval, spindelartig, stäbehenförmig. Der Einfachheit halber werden wir dieselben in zwei Kategorien eintheilen: der ersten werden wir die runden Granulationen unter- ordnen, alle übrigen der zweiten — der Kategorie der stäbchen- förmigen Granulationen. Die ersten kommen, gleich den Granu- lationen der Säuger, in den grossen den Markzellen ähnlichen Leukocyten vor, zuweilen aber in den kleinen mehrkernigen Leuko- eyten. Die stäbchenförmigen Granulationen kommen ausschliesslich in den zuletzt genannten Leukocyten vor. Mit diesen wollen wir beginnen. Um die Entstehung der stäbehenförmigen Granulationen zu studiren, wandte ich mich an die Untersuchung der Milz, welche auch als Ursprungsstätte der mehrkernigen Leukoeyten gilt, bei 380 N. Sacharoff: verschiedenen Vögeln: — Tauben, Raben, Enten, Gänsen, Trut- hennen ete. Die Milz der Truthennen erwies sich nach ihren grösseren Volumen und nach der bedeutenderen Länge der eosin- ophilen Granulationen als das bequemste Untersuchungsobjeckt. Zur Untersuchung der Milz benutzten wir die oben angegebene Färbungsmethode von erwärmten Ausstrichspräparaten mit folgenden Modifieationen: 1) Um grobe Verletzung der zelligen Milzelemente möglichst zu vermeiden, führten wir einen Schnitt durch das Gewebe mit einem scharfen Rasirmesser und strichen dann mit einem Objeet- träger über die Schnittfläche hinweg. Zur Gewinnung des nächsten Ausstrichspräparates wurde ein neuer Schnitt angelegt u. s. f. Die Erfahrung lehrt, dass bei Anfertigung der Präparate nach dieser Methode die Zelleonturen, mithin auch die Structur der in den Zellen enthaltenen Kerne, nur wenig gelitten haben. Wenn bei solcher Methode die eosinophilen Granulationen aus den Leuko- eyten herauszufallen pflegen, so begründen wir gar keine Schlüsse auf der Gegenwart dieser freien Granulationen und erblicken hierin bloss eine künstlich hervorgerufene Erscheinung. 2) Das Erwärmen der Präparate ist hier längere Zeit vor- zunehmen als bei Untersuchung des Knochenmarkes. Ein Präpa- rat darf als tauglich angesehen werden, wenn bei Färbung in Glycerin-Eosin im Laufe von 2 Stunden das Haemoglobin der Blut- körperchen auf dem unteren, am meisten erwärmten Theile des Glases gar nicht tingirt wird. In solchem Falle bekommen wir auf dem Theile des Glases, wo das Hämoglobin rosa gefärbt ist, diejenigen Formen zu sehen, die weiter beschrieben sind. Am stärksten tingirt erscheinen die eosinophilen Granulationen und der Kern der Erythrocyten. Der letztere präsentirt sich für gewöhnlich bestehend aus stark gefärbten Körperchen, deren Form nicht deutlich genug zu erkennen ist, weil sie in einer schwächer gefärbten Grundsubstanz eingebettet liegen. Indessen, untersucht man eine Reihe von nach dieser Methode angefertigten Präparaten oder Präparate, welche nach der Färbung mit ange- säuertem Alkohol behandelt worden sind, so gelingt es stellenweise ganz deutlich zu sehen, dass in den Kermen der Erythrocyten stark tingirte Stäbchen eingeschlossen sind, die den eosinophilen vollkommen gleichen. Diese Stäbchen pflegen in den normalen Erythrocyten des Ueber die Entstehung der eosinophilen Granulationen des Blutes. 381 Blutes den ganzen Kern auszufüllen und liegen parallel aneinander gedrückt, nur zuweilen unter sich gekreuzt. Die wellenförmigen Contouren der Erythroeytenkerne sind nun gerade von der Ge- staltung der an der Peripherie gelagerten Stäbehen abhängig. In den Kernen der Milzerythroeyten begegnen wir aber diesen Stäbchen meist in geringer Menge, zuweilen giebt es nur sehr wenige, z. B. 2 oder 1, sehr häufig fehlen sie gänzlich, wobei die Kerne ent- weder ganz leer erscheinen, oder kleine unregelmässige detritus- artige Körperehen enthalten. Bei der verminderten Anzahl der Stäbehen in den Kernen der Milzerythrocyten vermögen wir dieselben hier ungleich deutlicher zu sehen, als in Erythroeyten aus den Gefässen. Wir überzeugen uns, dass die Aehnlichkeit dieser Stäbehen mit den eosinophilen so vollkommen ist, dass sich zu einer Unterscheidung gar keine Möglichkeit bietet: Grösse, Form, Intensität der Färbung sind gleich. Ohne Zweifel sind beide auch identisch mit einander, d.h. dass die eosinophilen Granulationen die von den Leukoceyten aufgenommenen Stäbehen, welche aus den Erythrocyten herausgefallen sind, vorstellen. Darin werden wir abgesehen von der Aehn- lichkeit noch durch Lagerung der Stäbehen in den Kernen be- stärkt. Z. B. begegnen wir nicht selten in den letzteren leeren Zwischenräumen, welche verschwundenen Stäbehen entsprechen, oder wir erblicken sogar, dass irgend em Stäbchen sich von den übrigen losgetrennt hat und zur Hälfte bereits ausserhalb des Kernes zu liegen kommt. Alle diese Formen lassen sich unmöglich durch Chromato- Iyse erklären, obwohl letztere vielleicht auch eine Rolle spielt, indem sie zur Lostrennung der Kerntheile und zur Freimachung der Stäbehen mit beiträgt. Von der Gegenwart der eosinophilen Stäbchen in den Erythrocytenkernen kann man sich noch durch Doppelfärbung der. Präparate mit Eosin und Methylenblau nach der oben be- schriebenen Methode überzeugen. Es gelingt hierbei rothe Stäbehen eingebettet in die blaue Grundsubstanz des Kernes, mit grösserer oder geringerer Deutlichkeit zu sehen. Der Schluss, dass die stäbchenförmigen eosinophilen Granu- lationen gleich den runden eosinophilen Granulationen der Säuger aus Erythrocytenkernen entstanden sind, wird nach unserer Meinung nicht im geringsten dadurch beeinträchtigt, dass wir 382 N. Sacharoff: uns über die chemische Zusammensetzung der eosinophilen Stäbehen nieht definitiv aussprechen können. Einerseits beweist die Form der letzteren, dass dieselben Theilchen der Chromatin- fäden darstellen, also aus Nuclein bestehen. Zu Gunsten solcher Vermuthung sprechen besonders die im der Milz des Huhnes und der Truthenne vorkommenden gekrümmten eosinophilen Granu- lationen mit verjüngten Enden, welche Granulationen den in den Erythrocytenkernen anzutreffenden, deren Krümmung als in Folge ihrer Lagerung an der Peripherie dieser Kerne entstanden sieh erweist, ähnlich sind. Andererseits widerspricht aber der Vermuthung von der Nucleinnatur der eosinophilen Stäbehen das Verhalten derselben zu einigen Farbstoffen — Safranin, Hämato- xylin, mit welchen sie sich nur schwach oder gar nieht tingiren. Im Hinbliek jedoch auf das gleiche Verhalten zum Eosin dieser Granulationen und der runden Granulationen, die wir als Kern- körperehen auffassen, die also aus Paranuclein bestehen, eimer Substanz, welche ihrer Zusammensetzung nach dem Nuclein sich nähert, sind wir der Meinung, dass die angedeuteten Wider- sprüche sich durch die Annahme erklären lassen, dass die eosin- ophilen stäbehenförmigen Granulationen aus Nuclein bestehen, welches in der Zelle in Folge der Kerndegeneration gewisse Verän- derungen erlitten habe, wodurch in dem Verhalten zu Farbstoffen eine Annäherung an Paranuelein aufgetreten sei. Zu Gunsten solcher Meinung ist hinzuzufügen, dass die stäbchenförmigen eosinophilen Granulationen in ihrem Verhalten zu Farbstoffen sich von den runden eosinophilen Granulationen etwas unterscheiden. Wenn wir z. B. das Knochenmark der Vögel mit dem Gemisch von Eosin und Methylenblau nach der Methode von Romanowsky tingiren, so färben sich die stäbehenförmigen eosinophilen Granu- lationen rosa, die runden violett, in einen dunkelbraunen Ton übergehend. Sogar bei einfacher Färbung mit Eosin werden beide nicht vollkommen ähnlich tingirt — die stäbehenförmigen schwächer als die runden. Nachdem wir die Entstehung der runden eosinophilen Granulationen bei Säugern und der stäbehenförmigen Granulationen bei Vögeln aus der Kernsubstanz der Erythrocyten (resp. Hämato- blasten) mit grosser Wahrscheinlichkeit bewiesen haben, kommen wir an die Untersuchung der runden eosinophilen Granulationen bei Vögeln. Ueber die Entstehung der eosinophilen Granulationen des Blutes. 383 Weil die runden Granulationen vorwiegend im Knochen- mark vorkommen, so wandten wir uns an die Untersuchung der letzteren nach der oben beschriebenen Methode, wobei wir, um möglichst deutliche Resultate zu erzielen, die betreffenden Thiere vorangehenden Blutentziehungen unterwarfen. Im Knochen- mark der Vögel begegnen wir, abgesehen von den eosinophilen Zellen mit stäbehenförmigen Granulationen, solehen mit runden, die man in Zellen mit grossem ungetheilten Kern (Markzellen) und in kleinere Zellen, ähnlich den vielkernigen Leukocyten des Blutes, eintheilen kann. Die Erythroeyten des Knochenmarkes liefern alle möglichen Uebergangsstadien, welche sie von den Hämato- blasten sondern, und diese Stadien unterscheiden sich hauptsäch- lich durch die Kernform, welehe mit der Entwickelung der Erythroeyten nach und nach aus der runden mehr in die ovale sich umwandelt. Die ganz reifen Erytroeythen beherbergen auch hier in ihrem Kern die oben beschriebenen Stäbchen, die Haematoblostenkerne aber enthalten, abgesehen von dem Chromatin- gerüst, Kernkörperchen, welche dieselben Eigenschaften besitzen wie die Kernkörperchen inden Hämatoblasten der Säuger, d.h. dass sie sich stark mit Eosin färben und ihrer Grösse nach vollkommen den eosinophilen Granulationen gleichen. Ihre Identifieirung mit den letzteren stösst hier jedoch auf Schwierigkeiten, indem die Kerne der Hämatoblasten bei Vögeln aus den Zellen nicht herausfallen, wie bei den Säugern und nicht zu Grunde gehen, wie die Erythroeytenkerne in der Vogelmilz. Mithin ist uns bei An- wendung unserer Theorie auf diese eosinophilen Granulationen die Mitwirkung jenes Faktors entzogen, der uns die Entstehung der anderen Arten von eosinophilen Granulationen aufzuklären verholfen hatte. Indessen erschien es uns schon a priori unmöglich anzu- nehmen, dass diese Art von Granulation einen abweichenden Entstehungsmodus haben könnte. In der That lehrt auch die Beobachtung, dass dieser Modus hier ebenfalls der nämliche bleibt. Um sich davon zu überzeugen, muss man das Präparat möglichst schonend herstellen, unter Vermeidung jeglichen Druckes bei Ausbreitung des Knochenmarkes auf dem Objektträger, indem sonst die Granulationen aus den Zellen herausfallen und dann massenhaft in freiem Zustande angetroffen werden. Bei gehöriger Vorsicht gelingt es ein Präparat anzufertigen, in welchem freie 384 N. Saecharoff: "Granulationen in geringer Anzahl, stellenweise auch gar nicht vorkommen. Studiren wir nun die Hämatoblastenkerne an solehen Stellen, wo freie eosinophile Gramulationen gänzlich fehlen, so können wir sehen, dass die an der Peripherie des Kernes gelagerten eosinophilen Kernkörperchen aus den letzteren herausfallen. Davon überzeugt uns der Umstand, dass die Kernkörperehen mehr und mehr aus den Kernen hervortreten und endlich ausserhalb derselben angetroffen werden. Man könnte uns entgegnen, dass das Herausfallen von Kern- körperehen nach aussen aus einer vollständig intacten Zelle dem Begriff von der Unversehrtheit der Zelle widerspricht und keine Stütze in Beobachtungen anderer Forscher auffinden lässt. Es scheint uns aber, dass man die Hämatoblasten und Erythrocyten mit den anderen Arten von Zellen nicht vergleichen darf, indem das mit Hämoglobin durchtränkte Protoplasma der Beweglich- keit und der phagocytären Eigenschaften beraubt ist. Daher wird das letztere nicht nur unfähig fremder Elemente sich zu be- mächtigen, sondern verliert auch die Fähigkeit die in ihm selbst eingeschlossenen Elemente zurückzuhalten, was am Deutlichsten durch das Herausfallen des Hämatoblastenkernes bei Säugern bewiesen ist. Aus diesem Grunde erscheint es uns sehr natürlich, die Möglich- keit eines Herausfallens aus solchen Zellen auch von den Kern- körperchen allein anzunehmen, die, peripher gelagert, von dem umgebenden Medium durch jene geringe Protoplasmaschicht, welehe wir an den Hämatoblasten beobachten, geschieden sind. Möglich, dass die Ueberfüllung des Kernes mit Kemkörperchen einerseits und die Bewegung der Chromatinsegmente bei der Karyokinese andererseits Bedingungen schaffen, welche einem solehen Herausfallen Vorschub leisten. Das von einem Heraus- fallen des Kernes unabhängige Herausfallen von Kernkörperchen, welehes ein nothwendiges Postulat für das Verständniss des Bil- dungsprocesses von runden eosinophilen Granulationen bei Vögeln ausmacht, wird, abgesehen von den schon angeführten theore- tischen Betrachtungen noch dureh genaueres Studium von Knochen- markpräparaten bei Säugern erwiesen, welche uns überzeugen, dass hier die Kernkörperehen nicht nur mit dem Kern, sondern auch selbständig herausfallen. Nach der bier entwickelten Theorie repräsentirt also dieEntstehungdereosinophilen@Granulationen Ueber die Entstehung der eosinophilen Granulationen des Blutes. 385 des Blutes bei Säugern und Vögeln immer denselben Process der Phagoeytose von aus Erytrocyten (resp. Hämatoblasten) herausfal- lenden Elementen der Kerne. Diese Elemente bestehen aus Paranuclein (runde Granulationen), oder aus 'degenerirtem Nuclein (stäbehen- förmige Granulationen.) ‚Diese Theorie hat abgesehen von den angeführten miero- scopischen Daten noch die Thatsachen für sich, die, wie wir oben sahen, durch keine andere Theorie zu erklären, waren. Unsere Theorie erklärt: 1. Die räthselhafte Form aller möglichen eosinophilen Granulationen. | 2. Die Mamigfaltigkeit der Formen von eosinophilen Leukoeyten. 3. Das Fehlen in den eosinophilen Zellen von solchen Granulationen, welche als frühe Entwicklungsstufen der letzteren anzusprechen wären. 4. Die Mengezunahme der eosinophilen Zellen bei Er- krankungen, welche mit Zerstörung und Regeneration der Eıy- throeyten verknüpft sind. Nach Fertigstellung unserer Arbeit kam uns der demselben Thema gewidmete Aufsatz Tettenhamer’s zu Gesicht !). Verf. hat sich beim Studium der Kerndegeneration wie sie im Verlaufe der Spermatogenese von Salamandra so reichlich vor- kommt, überzeugt, dass die acidophilen Leukoeytengranula aus degenerirender Kernsubstanz entstehen und eine gleiche Herkunft dieser Granulationen für Allgemein angenommen. Obgleich Verf. mit den unseren ähnliche Resultate erzielt hatte, unterscheiden sich doch unsere Schlussfolgerungen nicht unbeträchtlich von einander, weil: 1. Tettenhamer die Entstehung der eosinophilen Granu- lationen aus Kernsubstanz aller möglichen degenerirenden Zellen, 1) Tettenhamer E., Ueber die Entstehung der acidophilen Leukocyten-Granula aus degenerirender Kernsubstanz (Anatom. An- zeiger Bd. VIIT. Nr.'6,”7). 386 N. Sacharoft: - nicht aber nur der Erythrocyten, wie wir, annimmt; 2. nach seiner Anschauung bei der Kerndegeneration von dem Chromatin eine flüssige Substanz in Gestalt von Tröpfehen ausgeschieden wird, die nach Aufnahme von Leukoeyten sich als eosinophile (Granulationen präsentiren. Mangels eigener Untersuchungen über die Ursache der localen Eosinophilie sind wir genöthigt von der Beurtheilung des ersten Satzes Abstand zu nehmen. Den zweiten Satz des Verf.'s können wir gar nicht anerkennen. Es scheint uns, dass: 1. Die Voraussetzung von der Existenz einer besonderen acidophilen Substanz in den Kernen überflüssig sei, indem wir in den Kernkörperchen das gesuchte Bildungs- material der runden eosinophilen Granulationen besitzen, dass 2. der flüssigen Natur dieser Substanz die Stäbehenform der eosin- ophilen Granulationen widerspreche — eine Thatsache, die Tettenhamer ohne Erklärung übergeht. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIL. Die Abbildungen wurden in folgender Weise hergestellt: Von dem Präparat wurde ein Photogramm angefertigt und vom Negativ eine blasse Copie gewonnen, welche nun zum Hineinzeichnen der Farben diente — genau nach dem Präparat. Die Objeetivität einer solchen Abbildung lässt sich durch den Vergleich mit dem nicht gefärb- ten Photogramm nachweisen. Die Präparate waren nur mit Eosin tingirt. Fig. 1 und 2. Präparate aus dem Knochenmark neugeborener Meer- schweinchen. In jedem ist je ein Haematoblast mit seinem Kern, in welchem die den eosinophilen Granulationen ähn- lichen Kernkörperchen enthalten sind, zu sehen. Die einen sowohl als die anderen erscheinen im Gegensatz zu den übrigen Elementen des Knochenmarkes, welche (die Erythroeyten, aus- genommen) sich schwach gefärbt haben, intensiv mit Eosin tingirt. Färbung mit Eosin in alkoholischer Lösung mit nach- folgender Behandlung in angesäuertem Alkohol. Fig. 3. Präparat aus dem Knochenmark eines Kaninchens, welches mehrere Tage hintereinander wiederholten reichlichen Blut- entziehungen unterworfen war. Zwei Haematoblasten mit eosinophilen Kernkörperchen. Dieselbe Färbung. Ueber die Entstehung der eosinophilen Granulationen des Blutes. 387 Fig. 4. Präparat aus der Milz einer Truthenne. In den Erythrocyten- kernen sieht man Körperchen, die nach Form, Grösse und Intensität der Färbung stäbchenförmigen eosinophilen Granu- lationen gleich sind. Färbung mit Glycerin-Eosin. Fig. 5. Präparat aus der Milz des Huhnes. Im Kern eines Erythro- ceyten sieht man ein eosinophiles Stäbchen, welches den im Präparat frei anzutreffenden stäbcehenförmigen eosinophilen Granulationen gleich ist. Dieselbe Färbung. Fig. 6. Von demselben Präparat. Im Kern eines Erythrocyten sind deutlich zwei eosinophile Stäbchen zu sehen. Ganglienzelle, Axencylinder, Punktsubstanz und Neuroglia. Von Professor Dr. Emil Rohde in Breslau. Hierzu Tafel XXIV und 3 Holzschnitte. In meiner Abhandlung „Ganglienzelle und Neuroglia“ !) war ich auf Grund eingehender über die verschiedensten Thierklassen ausgedehnter Untersuchungen zu folgenden Resultaten gekommen: Das Spongioplasma tritt bei den Ganglienzellen in doppelter Form auf, theils als grobfibrilläres, theils als feinfibrilläres; letzteres bildet stets den Axeneylindenfortsatz, breitet sich häufig aber auch vom Grunde desselben ausgehend über die ganze Peripherie der Ganglienzelle aus, so dassdann in dieser zwei verschieden aussehende Zonen zur Unterscheidung kommen: eine innere dunklere grobfibril- läre und eine äussere helle feinfibrilläre (Holzschn. A 2). Die Gang- lienzellen liegen eingebettet in der Neuroglia, welche aus Fibrillen besteht, die im Aussehen wie in der Stärke mit den groben Fibrillen des Ganglienzellspongioplasma übereinstimmen und allenthalben von Kernen durchsetzt werden. An der Peripherie der Ganglienzelle nehmen die Neuroglia-Fibrillen ein dichteres 1) Arch. f. mikr. Anat. Bd. 42. 1893. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 45 26 388 Emil Rohde: Gefüge an unter gleichzeitiger Vermehrung ihrer Kerne und gehen nach innen eontimuirlich in das grobfibrilläre Ganglien- zellspongioplasma über, entweder am Rande der Ganglienzelle oder tiefer in ihrem Inneren, im letzteren Falle häufig unter Bil- dung von Bäumchen, welche besonders bei den Ganglienzellen mit heller Randzone scharf hervortreten (Holzsehn. A 1 u. 2). Aus diesen Beobachtungen folgerte ich, dass das Spongioplasma der Ganglienzelle nur ein Stützgerüst darstellt und das eigentlich Ner- vöse das von diesem umschlossene Hyaloplasma ist, welches an frischen unter schwachem Druck befindlichen Ganglienzellen in Gestalt grösserer oder kleinerer glasheller Tropfen austritt. Holzsechnitt A. 1) Theil einer Ganglienzelle von Helix im Querschnitt. 2) Theil einer Ganglienzelle von Aplysia im Querschnitt. k Ganglienzellkern, n Neu- roglia, nb intrazelluläre Neurogliabäumchen, nk Neurogliakern. Bereits vor Jahren!) war ich durch meine Untersuchungen über das Nervensystem der Hirudineen zu einer ähnlichen Auf fassung bezüglich der Nerven (resp. der Comissuren) und der Punkt- substanz gelangt und hatte schon damals die Ueberzeugung ausge- sprochen, dass auch hier das Spongioplasma, d. h. die Fibrillen nicht die leitenden Elemente sein, sondern nur eine Stützrolle 1) Histologische Untersuchungen über das Nervensystem der Hirudineen. Zoologische Beiträge III. Bd. 1. H. 1891. Ganglienzelle, Axeneylinder, Punktsubstanz und Neuroglia. 389 spielen könnten). Ich habe meine diesbezüglichen Studien seit- dem auch auf die Nematoden, Molluscen, Crustaceen, Insekten und Wirbelthiere ausgedehnt und bin hierbei zu durchaus gleichen Resultaten gekommen. Bei den Wirbellosen (von den Chaetopoden aufwärts) be- stehen die Nerven aus zweierlei Elementen, erstens aus einer im Querschnitt grobkörnig oder grobkörnig-fibrillär erscheinenden „Punktsubstanz“ und aus mehr oder weniger breiten „Axeney- linderfortsätzen“, welche aus einem äusserst feinfibrillären durch helles Aussehen gegen die Punktsubstanz scharf abstechenden Axeneylinder und aus einer der Punktsubstanz gleich grobfibrillären Scheide zusammengesetzt sind. Bei den am tiefsten stehenden Formen (Chaetopoden, Hirudineen) ist die Zahl der Axeneylinder- fortsätze in den peripheren Nerven eine verhältnissmässig nur sehr geringe, schon bedeutend mehr treten bei den Molluseen auf, doch überwiegt auch hier noch die Punktsubstanz, bei den Arthropoden dagegen tritt diese zurück und die Axencylinder herrschen vor (Holzsehn. B1—4). Axeneylinder und Punktsubstanz sind bei den Molluscen und Arthropoden, ähnlich wie ich es für die Hiru- dineen beschrieben habe, auf die einzelnen Nerven sehr ver- schieden vertheilt; die letzteren bestehen entweder ausschliess- lich aus Punktsubstanz oder durchweg aus Axencylindern oder setzen sich aus beiden, und zwar meist im sehr verschiedenem Verhältniss, zusammen. In meiner anfangs erwähnten Arbeit?) habe ich gezeigt, dass besonders die Molluscen zur Entscheidung des physiolo- gischen Werthes der Fibrillen sehr günstige Objekte sind. Dies gilt aber nicht nur bezüglich der Ganglienzellen, sondern auch der Nerven. Ich werde daher auch diesmal mit den Molluscen beginnen. Wir werden hier Strukturverhältnisse kennen lernen, welehe die Unmöglichkeit die Fibrillen, und zwar sowohl die groben der Punktsubstanz als die feinen des Axeneylinders, als das Leitende anzusehen, ausser Zweifel stellen. Ehe ich aber zu den Nerven übergehe, muss ich noch einmal kurz der Gang- lienzellen gedenken. Ich glaube nämlich im letzten Jahre in 1) Bekanntlich hat Leydig diesen Satz zuerst aufgestellt; cf. Ausführlicheres hierüber in meiner eben eitirten Arbeit. 2) Ganglienzelle und Neuroglia. 390 EmilRohde: Holzschnitt B. 1) Chaetopoden-Nerv qu. 2) Hirudineen-Nerv qu. 3) Molluscen-Nerv qu. 4) Crustaceen-Nerv qu. 5) Sympathicus (Milz-Nerv des Ochsen) qu. 6) Olfaetorius des Frosches qu. 7) Nerv eines höheren Wirbelthieres qu. 8) marklose Nervenfaser von Wirbellosen (Pontobdella) zu. 9) 10) mark- haltige Nervenfaser von Wirbellosen (Penaeus) 9) qu. 10) Igs. etwas schematisiert. 11) markhaltige Nervenfaser eines Wirbelthieres, Igs. schemat.nach Boveri. af,af“ Axencylinderfortsatz, resp. Nervenfaser, ax Axeneylinder, LE Lanterman n’sche Einkerbung, m Myelin, nb Neurogliabäumchen, nk Neurogliakern, NS Neurogliascheide der Nervenfasern,nschNeurogliascheidew inde derNerven, ps Punktsubstanz, R. Sch. Ranvier’scher Schnürring, Schw. 8. Schwan n’sche Scheide. Ganglienzelle, Axeneylinder, Punktsubstanz und Neuroglia. 391 der Erkenntniss der Struktur derselben um einen Schritt weiter gekonmen zu sein. Das feinfibrilläre Spongioplasma tritt nämlich nieht nur im Axeneylinderfortsatz und am Rande der Ganglienzellen auf, wie ich es früher dargestellt habe, sondern es erfüllt bei wahrscheinlich allen Ganglienzellen den ganzen Zellleib bis zum Kern, es bildet sammt dem eingeschlossenen Hyaloplasma, das an dasselbe gebunden zu sein scheint, das eigentliche Grundelement des Zellleibes, welches aber stets von dem grobfibrillären Spongio- plasma, der direkten Fortsetzung der Neuroglia, durchsetzt wird, so dass es da, wo letzteres dichter geflochten ist, häufig nur schwer zur Unterscheidung kommt und erst an den Stellen wieder deutlich zu Tage tritt, wo das Gefüge des grobfibrillären Spongio- plasma weiter wird oder dieses ganz fehlt, so stets im Axen- eylinderfortsatz und oft am Rande der Ganglienzellen (Fig. 1 und 2, Taf. XXIV). Grob- und feinfibrilläres Spongioplasma stellen aber nicht zwei histologisch verschiedene Elemente dar, sondern man sieht sie in manchen Ganglienzellen ganz allmählich in ein- ander übergehen, wie ich sehon in meiner letzten Abhandlung betont habe. Fast genau denselben Bau wie der Zellleib der Ganglien- zellen zeigt die Punktsubstanz der Nerven. Auch hier kommt zwischen den groben Fibrillen, welehe die Punktsubstanz cha- rakterisiren und gleich dem grobfibrillären Ganglienzellspongio- plasma sieh intensiv färben und stark leiehtbrechend sind, noch ein feinfibrilläres Gerüst vor, welches in der Mehrzahl der Nerven, da hier die groben Fibrillen sehr dicht nebeneinander gelagert sind, nur auf sehr dünnen Schnitten zu erkennen ist (Fig. 3a, b, d, Taf. XXIV) bei gewissen Nerven aber, bei denen die groben Fibrillen lockerer gefügt sind oder stellenweise ganz fehlen, sehr deutlich zur Unter- scheidung kommen (Fig. 3 f, g, h, Taf. XXIV). In letzterem Falle bil- det das feinfibrilläre Spongioplasma grössere oder kleinere auf Quer- schnitten durch helles Aussehen hervorstechende Parthieen, welche man öfter ganz allmählich in die groben Fibrillen übergehen sieht (Fig. 3h, Taf. XXIV), so dass wir also auch hier gleichwie bei den Ganglienzellen das grob- und feinfibrilläre Spongioplasma als zwei histologisch gleichwerthige Bildungen zu betrachten hätten. In fernerer Uebereinstimmung mit den Ganglienzellen wird die Punktsubstanz häufig von bäumcehenförmigen kernhaltigen Neurogliabildungen durchsetzt, welche von der Peripherie der 392 Emil Rohde: “Nerven aus ins Innere der Punktsubstanz vordringen und sich nach und nach, wie wir es bei den Ganglienzellen gesehen haben, in die einzelnen Fibrillen auflösen, die dann in die groben Fibrillen der Punktsubstanz sieh eontinuirlich fortsetzen und somit beweisen, dass wir es in letzteren und demnach auch in dem feinfibrillären Spongioplasma nur mit einem nicht leitungsfähigen Stützgerüst zu thun haben (Fig. 3a, d, f Taf. XXIV). Gleiche Kerne wie in den Neurogliabäumchen treten allent- halben in der Punktsubstanz auf. Ich bemerkte oben, dass das andere Element der Nerven, die Axencylinderfortsätze, von einer grobfibrillären Scheide umhüllt werden. Diese Scheide ist nichts anderes als ein Verflechtungs- produkt der groben Punktsubstanzfibrillen, mit welchen sie nach aussen in direkter Verbindung steht, und entspricht der Neuroglia- scheide der Ganglienzellen (Fig. 3b,d, Taf. XXIV). Gleichwie von dieser, wie wir wissen, Fortsätze ins Innere der Ganglienzelle vordringen, so strahlen auch häufig die groben Fibrillen der Scheide des Axeneylinderfortsatzes einzeln oder bündelweise (nb!) in den Axeneylinder ein, um allmählich in dessen feimfibrilläres Spongioplasma überzugehen (Fig. 3e Taf. XXIV). Auch die un- messbar feinen Fibrillen des Axeneylinders stellen demnach nur ein den groben Punktsubstanzfibrillen histologisch gleichwerthiges Gerüst dar. Das von der Punktsubstanz der Nerven Gesagte gilt in gleicher Weise für die Punktsubstanz der Ganglien, in welche die erstere sich direkt fortsetzt. Die groben Fibrillen bilden hier meist ein, ziemlich enges Flechtwerk, in dessen Maschen die feinfibrilläre Substanz nur schwer zur Unterscheidung kommt. Auf dünnen Schnitten kann man sich aber auch hier von ihrem Dasein überzeugen, zumal wiederum die groben Fibrillen stellen- weise ein lockeres Gefüge zeigen und zwischen sich dann das feinfibrilläre Gerüst zur deutlichen Anschauung bringen (Fig. 3c, Taf. XXIV). Das Nervensystem der Molluscen zeigt also ziemlich den- selben Bau, wie ich ihn vor Jahren!) für die Hirudineen, be- sonders Pontobdella, beschrieben habe. Bei ihnen verflechten sich die groben Punktsubstanzfibrillen in der Umgebung der Axency- MAC. Ganglienzelle, Axeneylinder, Punktsubstanz und Neuroglia. 393 linderfortsätze gleichfalls zu mehr oder weniger dieken Scheiden (Fig.4b, Taf. XXIV); auchden Bäumechen der Molluscen-Nerven ent- sprechende Neuroglia-Bildungen treffen wir hier, das sind die radiären Scheidewände der Bauchmarks-Commissuren, welche ebenfalls durch Abgabe seitlicher Aeste sich auffasern und in die Punktsubstanz- fibrillen übergehen (Fig. 4a, Taf. XXIV). Bezüglieh der Punkt- substanz beging ich aber damals denselben Irrthum wie bei den Gang- lienzellen, insofern ich glaubte, dass die Räume zwischen den groben Fibrillen lediglich von dem Hyaloplasma ausgefüllt würden. Ich habemich auch hier nach neueren an besser conservirtem Material angestellten Untersuchungen überzeugt, dass die groben Fibrillen genau wie bei den Molluscen allenthalben noch ein feinfibrilläres Gerüst einschliessen, welehes aber bei der dichten Lagerung der ersteren oft nur schwer zu erkennen ist, dessen allseitige Ver- theilung in der Punktsubstanz aber durch das Verhalten der Nerven zu gewissen höchst eigenthümlich gebauten peripheren Ganglien- zellen von ganz kolossalen Dimensionen ausser Zweifel gestellt wird. Ueber die Struetur dieser von mir schon früher!) eingehend beschriebenen Riesenzellen bin ich auch erst in der letzten Zeit zur Klarheit gekommen. Sie unterscheiden sich wesentlich von den eentralen Ganglienzellen erstens dadurch, dass sie nicht wie jene unipolar, sondern sehr stark multipolar sind, zweitens insofern, als der Fortsatz der centralen Ganglienzellen ein Axeneylinder ist, während die Ausläufer der peripheren Ganglienzellen aus Punkt- substanz bestehen. Das grobfibrilläre Spongioplasma der peri- pheren Ganglienzellen (Fig. 4 e, Taf. XXIV) zeigt in den einzelnen Theilen der Zelle ein sehr wechselndes Aussehen, infolgedessen in der Zelle bestimmte Zonen, welche allmählieh in einander übergehen, zur Unterscheidung kommen. Die Randzone be- steht aus sehr dicht geflochtenen, meist ringförmig verlaufenden Fibrillen, die darauf folgende Zone besitzt eine netz- oder wabenartige Beschaffenheit, in der dritten Zone strecken sich oft die Waben und nehmen die Form von breiten kanalartigen Räumen (af!) an, um welche das grobfibrilläre Spongioplasma zu dicken Scheiden verfilzt. Alle drei Zonen treten in die Fortsätze über, die erste und zweite als Punktsubstanz, jene unverändert, diese unter allmählieher Längsstreckung der Maschen resp. Waben, 1) l. e. ef. die hier vollständig abgebildete Ganglienzelle. 394 Emil:Rohde: - während die kanalartigen Bildungen der dritten häufig als Art Axenecylinderfortsatz abgehen, selten isolirt, meist begleitet von Punktsubstanz (Fig. 4e, Taf. XXIV). Dieses grobfibrilläre Spongio- plasma umschliesst nun nieht nur Hyaloplasma, wie ich es früher angegeben habe, sondern wieder feinfibrilläre Substanz, welche besonders in den weiten Maschen und kanalartigen Waben deut- lich zur Beobachtung kommt und allenthalben in die Fortsätze mit austritt, in denen sie dann theils die Zwisehenräume der groben Punktsubstanzfibrillen, theils die axeneylinderartigen Kanäle erfüllt (Fig. 4e und b, Taf. XXIV)). Die für die Molluscen und Hirudineen geschilderten Ver- hältnisse kehren genau bei den Crustaceen und Inseeten wieder. Auch bei ihnen liegt zwischen den groben Punktsubstanzfibrillen sowohl der Nerven als der Ganglien noch ein feinfibrilläres das Hyaloplasma enthaltendes Spongioplasma, auch hier verflechten sich die ersteren zu Scheiden um die Axeneylinder; sie können also auch bei den Arthropoden nur Stützelemente sein. Das Nervensystem der Nematoden ist ebenfalls nach dem- selben Typus gebaut, nur mit dem Unterschiede, dass die Punkt- substanz bei ihnen lediglich im Schlundring vorkommt, während die Nerven ausschliesslich Axeneylinderfortsätze enthalten ?). In den letzten Jahren ist das Nervensystem der Wirbellosen auf seinen feineren Bau hin wiederholt untersucht worden, aber aus- schliesslich mit der Methylenblau- und Golgi’schen Methode, so besonders von Retzius?) und Lenhossek*). Diese Autoren haben nicht erkannt, dass die Punktsubstanz ein von den Axeneylinder- fortsätzen wesentlich verschiedenes Element des Nervensystems darstellt, sondern die groben Fibrillen derselben einfach als Axen- eylinder beschrieben, welche sich von den von mir als Axen- eylinderfortsätzen bezeichneten Elementen lediglich durch grössere 1) In gleichem Verhältniss wie Nerv und periphere Ganglien- zelle stehen Commissuren und Commissurenzelle (ef. meine eben ei- tirte Arbeit über Hirudineen) unter einander, worüber ich an anderer Stelle ausführlich berichten werde. 2) cf. in meiner Arbeit: „Muskel und Nerv I. Ascaris“ (Zoolo- gische Beiträge. Bd. II. H. 2) den Querschnitt des Schlundringes (Fig. 28). \ 3) Biologische Untersuchungen. Neue Folge. 4) Ursprung, Verlauf und Endigung der sensiblen Fasern bei Lumbrieus. Archiv f. mikr. Anat. 189. Ganglienzelle, Axeneylinder, Punktsubstanz und Neuroglia. 395 Zartheit unterscheiden sollen, und das feinfibrilläre Spongioplasma vollständig übersehen. Die groben Punktsubstanzfibrillen der Ganglien fassen sie für die letzten Enden der Nebenfortsätze (Collateralen) der Axeneylinderfortsätze der Ganglienzellen auf. Das ist grundfalsch. Eine leicht zu beobachtende Thatsache ist, dass die in die Punktsubstanz tretenden Ganglienzellfortsätze Aeste abgeben, die sich vielfach weiter theilen. Niemals aber setzen sich diese in die stark liehtbreehenden, intensiv sich färbenden groben Punktsubstanzfibrillen fort, sondern behalten selbst als feinste Aeste das helle feinfibrilläre Aussehen, dass die Axen- eylinderfortsätze auszeichnet, und stechen dadurch gegen die groben Fibrillen der Punktsubstanz scharf ab (Fig. 3 e, Taf. XXIV, ferner Fig. 4 des Holzschnittes B). Der Uebergang der Neben- fortsätze im die Punktsubstanz vollzieht sich vielmehr in der Weise, dass sich bei den Nebenfortsätzen nack mehrfachen Theilungen allmählich die grobfibrillären Scheiden lockern, so dass diese schliesslich als solche nicht mehr zu erkennen sind, sondern die Axeneylinder nur noch als grössere oder kleinere Inselehen feinfibrillärer Substanz zwischen den groben Punktsubstanzfibrillen erscheinen (Fig. 3 e Taf. XXIV). Nicht die groben Fibrillen sind demnach die Fortsetzung des Axeneylinders, sondern das zwischen ihnen befindliche hyaloplasmahaltige Spongioplasma, dessen Fibrillen unmessbar fein und einzeln nieht zu verfolgen sind. Da also die groben Fibrillen garnieht die letzten Enden der Nebenfortsätze der Axeneylinder sind, wie Retzius es annimmt, so wird auch die von ihm aufgestellte Behauptung hinfällig, dass die verschiedenen Nervenzellen (Neuronen) nicht direet durch anastomotische Verbindung zusammenhängen, sondern durch Con- tact ihrer Fortsätze auf einander wirken. Ich komme auf die Unzulänglichkeit der Methylenblau-Untersuchung, sofern sie nicht Hand in Hand mit der Schnittmethode angewandt wird, und auf die aus ihr resultirenden groben Irrthümer, in welche Retzius namentlich bei den Chaetopoden dadurch verfallen ist, dass er die hier so mächtig entwickelte Neuroglia nicht erkannt, sondern, weil sie sich ebenfalls blau färbte, einfach als nervös beschrieben hat, noch später zurück. Nicht minder unzureichend für feine histo- logische Untersuchungen und vorzüglich für die Unterscheidung der Neuroglia ist die Golgi’sche Methode. Auf die Gefähr- lichkeit beider Methoden hat bereits Friedländer in seiner 396 Emil Rohde: letzten sorgfältigen Arbeit: „Altes und Neues zur Histologie des Bauchstranges des Regenwurmes“, Zeitschr. f. w. Zool. 1894, treffend hingewiesen. Während wir also bis zu den höchsten Wirbellosen Punkt- substanz-Nerven antreffen, scheinen solche bei den Wirbelthieren auf den ersten Blick ganz zu fehlen. Dem ist aber nieht so. Die cerebrospinalen Nerven entbehren allerdings der Punkt- substanz, wohl aber zeigen zwei andere Nerven durchaus die Struktur der letzteren, das ist der Olfaetorius und der Sympathieus. Am auffallendsten ist die Aechnlichkeit beim Olfaetorius. Er besteht (Fig. 5a, Taf. XXIV und Fig. 6 des Holzschn. B) durch- weg aus groben Fibrillen von demselben Aussehen und Tink- tionsvermögen, wie wir sie in der Punktsubstanz der Wirbellosen kennen gelernt haben, und aus einem dazwischen liegenden das Hyaloplasma enthaltenden feinfibrillären Spongioplasma, welches bisweilen, genau wie ich es für gewisse Nerven der Molluseen be- schrieben habe, grössere zusammenhängende, d. h. dureh grobe Fibrillen nieht unterbrochene Parthieen bildet und dann auf Quer- schnitten als helle Inselehen scharf hervorsticht (Fig. 5b, Taf XXIV). An solehen Stellen sieht man in abermaliger Uebereinstimmung mit den Molluscen öfter einen deutlichen Uebergang der feinen Fibrillen in die groben (Fig. 5e, Taf. XXIV). In der Regel ist das Gefüge der groben Fibrillen aber ein engeres. Jedoch selbst in diesen Fällen sind auf genügend dünnen Schnitten die feinen Fibrillen zwischen den groben stets zu unterscheiden, da letztere selbst hier nicht allzu dieht neben einander verlaufen (Fig. 5 a, Taf. XXIV). Allenthalben und scheinbar vollständig regellos finden sich Kerne im Olfactorius eingebettet. Auch der Sympathieus setzt sich aus groben und feinen Fibrillen zusammen, doch liegen erstere dichter als beim Olfac- torius, so dass letztere schwerer zu sehen sind. Am instruktivsten fand ich die Milznerven des Kalbes und des Ochsen, da bei ihnen die groben Fibrilleu öfter in weiteren Abständen ziehen, so dass man dann unschwer zwischen ihnen des feinfibrilläre Spongioplasma erkennt (Fig. 5 d, Taf. XXIV und Fig. 5 des Holzschn. B). Nicht selten treten hier die feinen Fibrillen axencylinderartig zusammen und werden dann von den scheiden- artig sich mehr oder weniger eng verflechtenden groben Fibrillen eingehüllt (Fig. 5e, Taf. XXIV), der beste Beweis, dass letztere Ganglienzelle, Axencylinder, Punktsubstanz und Neuroglia. 397 auch im Sympathieus nur Stützelemente darstellen können. Diese axeneylinderartigen Bildungen sind schon von anderen, so von Kölliker!) und Huth2), beobachtet, aber irrthümlich, von letzterem als Lymphräume, gedeutet worden, weil das feinfibrilläre centrale Spongioplasma übersehen wurde?). Gleich dem Olfaetorius und der Punktsubstanz der Wirbel- losen wird der Sympathieus von vielen Kernen durchsetzt. Der Sympathieus zerklüftet sich stets in diekere oder dünnere Nervenstämmcehen; je stärker diese sind, desto grösser sind auch die sie trennenden Zwisehenräume, in denen man häufig ein feinfibrilläres Bindegewebe unterscheidet (Fig. 5 d, Taf. XXIV). Die dünnsten Nervenstämmehen entsprechen den als Remak schen Fasern bisher bezeichneten Gebilden. In gleicher Weise wird auch die Punktsubstanz bei den Wirbellosen dureh einstrablendes Binde- gewebe häufig in Unterabtheilungen zerlegt ?). Auch der Olfactorius zerfällt in grössere und kleinere Bündel (Fig. 5a, Taf. XXIV). Hier kommen aber keine Zwischen- 1) Handbuch der Gewebelehre 6. Aufl. Bd. II. 189. 2) Göttinger Nachrichten 1885. 3) Huth’s Beschreibung ist eine sehr zutreffende. Er sagt: „Die Untersuchung der sympathischen Nervenstämme, welche von den gros- sen Ganglien des Bauches zu Leber, Milz und Niere hingehen, ergab die Existenz von Hohlräumen in denselben, welche bis jetzt vollkom- men unbekannt sind“... . „die Nerven zeigen auf dem Querschnitt ein Aussehen, welches auf den ersten Blick an dasjenige schlecht con- servirter markhaltiger Fasern erinnert. Ringartige Figuren sind von nicht ganz regelmässigen Conturen begrenzt und bilden den gesamm- ten Querschnitt, wenn man von den äusserst spärlichen Bindegewebs- septis absieht. Genauere Betrachtung zeigt, dass die Ringe leer sind, und dass ihre Wand von den sympathischen Nervenfasern gebildet wird, welche theils dicht aneinander gereiht, theils durch eine geringe Menge von Zwischensubstanz gegenseitig getrennt sind. Die Verglei- chung mit Längsansichten ergiebt, dass die runden, leeren Figuren langgestreckten Röhren entsprechen, welche durch den Nerven hin- ziehen. Dieselben können kaum anders, wie als Lymphräume gedeutet werden, obgleich eine Injektion bis jetzt allerdings nicht hat gelingen wollen ete.“ 4) Vergl. z. B. die einen Nerven von Aulastomum im Querschnitt darstellende Fig. 2a meiner Arbeit: Histologische Untersuchungen über das Nervensystem der Hirudineen (Zool. Beiträge Bd. III) mit der ganz ausgezeichneten Abbildung, die Kölliker in seinem eben eitirten Lehrbuche in Fig. 353 vom Milznerven giebt. Die Aehnlichkeit im Bau beider Nerven springt sofort in die Augen. 398 EmilRohde: - räume zur Ausbildung, sondern die Abgrenzung der Bündel erfolgt durch quer ziehende grobe Fibrillen, welche in ihrem ganzen Habitus derartig mit den groben Fibrillen der Punktsubstanz übereinstimmen, dass ich sie für diesen histologisch gleichwerthige Elemente halte und den als radiären Scheidewänden beschrie- benen Neurogliabildungen der Punktsubstanz der Hirudineen an die Seite stellen möchte ; cf. oben S. 395 (Fig. 2, 6 des Holz- schnittes B sch) '). Ich bemerkte oben von den kolossalen peripheren Gang- lienzellen von Pontobdella, dass. sich ihre Fortsätze insofern von denjenigen der centralen Ganglienzellen unterscheiden, als sie nicht wie die letzteren feinfibrilläre Axeneylinderfortsätze sind, sondern aus grobfibrillärer Punktsubstanz bestehen. Dasselbe gilt von den sympathischen Ganglienzellen. Der Sympathieus theilt sich nämlich genau wie die Punktsubstanznerven von Pontobdella ?), bevor er mit den Ganglienzellen zusammentritt, in kleine Nerven, weiche als sogenannte Remak'’sche Fasern sich an der Ober- fläche der Ganglienzellen ausbreiten (Fig. Sf, Taf. XXIV, psf'). Neben diesen grobfibrillären Remak’schen Fasern entsenden viele sympathische Ganglienzellen noch einen feinfibrillären Axen- eylinderfortsatz (Fig.5 g und k, Taf. XXIV, af). Auch bei den Ganglienzellen von Pontobdella sahen wir ausser den Punkt- substanzfortsätzen noch axeneylinderartige feinfibrilläre Kanäle abtreten (Fig. 4e, Taf. XXIV af!). Beim Frosch stellt die „Spiralfaser* einen Punktsubstanzfortsatz psf dar, während die „gerade Faser“ ein feinfibrillärer Axeneylinder af ist (Fig. Bm, Taf. XXIV 3). Bei den Säugethieren ist die Zahl der von einer Ganglienzelle abgehenden „Remak’schen Fasern“ stets eine ziemlich grosse, bei manchen, z. B. beim Hunde, sind sie so zahlreich, dass die Randzone der Ganglienzelle öfter fast ausschliesslich aus ihnen besteht (Fig.5i, Taf. XXIV, psf). Der- artig gebaute sympathische Ganglienzellen zeigen die grösste Ueber- 1) Vgl. schf in Fig. 4c und 4d meiner in voriger Anm. eitir- ten Arbeit über Hirudineen. Fig. 4d zeigt neben den Neuroglia- Seheidewänden schf noch bindegewebige Scheidewände rl, wie ich sie für den Sympathicus beschrieben habe. 2) ef. meiner Hirudineen- Arbeit. 3) Wahrscheinlich stammt ein Teil der vielen markhaltigen Nerven- fasern, die man überall im Sympathicus trifft, von diesen Axeneylinder- fortsätzen ab, da beide ein gleichfeinfibrilläres Spongioplasma zeigen. Ganglienzelle, Axencylinder, Punktsubstanz und Neuroglia. 399 einstimmung mit den peripheren Ganglienzellen, welche in be- stimmten Nerven der Molluscen sehr zahlreich auftreten und an der ganzen Peripherie in Punktsubstanz übergehen, daneben aber stets noch feinfibrilläre Axeneylinder entsenden (Fig. 3b, Taf. XXIV)!). Ueber den Bau des Sympathieus hatte man bisher durch- aus irrthümliche Anschauungen. Ranvier?), hat die Punkt- substanzfortsätze psf der sympathischen Ganglienzellen, d. h. die Remak'’schen Fasern, riehtig erkannt und ausgezeichnet abge- bildet, hält sie aber in Uebereinstinmung mit der früher allge- mein vertretenen Auffassung für die Aequivalente der Axen- eylinder der markhaltigen Nervenfasern und glaubt, dass sie auch in ihrem ganzen weiteren Verlauf ihre Individualität bewahren, während sie doch, wie ich gezeigt habe und es auch Kölliker deutlich abbildet, derartig in der Punktsubstanz des Sympathieus mit einander verschmelzen, dass sie einzeln nicht zu unterscheiden sind. Die Axencylinderfortsätze af der sympathischen Ganglienzellen sind Ranvier noch unbekannt. Die in der Neuzeit nach der Golgi’schen Methode angestellten Untersuchungen von Ramon y Cajal, Retzius?), van Gehuchten*) undL. Sala) entfernen sich in ihren Resultaten noch weiter von dem von mir beobachteten Sachverhalt. Nach ihnen sind die Punktsubstanzfortsätze der syım- pathischen Zellen Protoplasmafortsätze, welche die einen (Ra- mön y Cajal und Retzius) die benachbarten Ganglienzellen umspinnen, die anderen (van Gehuchten, L. Sala) im Innern des Ganglions frei enden lassen, während die Axencylinderfort- sätze als die eigentlichen Elemente des Sympathicus angesehen werden. Der Aufbau des letzteren aus Punksubstanz, der prin- eipielle Unterschied zwischen (feinfibrillären) Axeneylinderfortsätzen und (aus grobfibrillärer Punktsubstanz bestehenden) Remak’schen Fasern ist ihnen vollständig unklar geblieben. Die Spiral- faser des Frosch-Sympathicus wird als eine an der Oberfläche 1) Ueber alle diese Beobachtungen wird eine grosse Arbeit noch Ausführliches bringen. Diese Abhandlung sowie der oft eitirte Aufsatz „Ganglienzelle und Neuroglia“ stellen nur vorläufige Mittheilungen dar. 2) Technisches Lehrbuch der Histologie 1888. 3) Biol. Unters. Neue Folge. II. 8. 4) Les cellules nerveuses du sympathique chez quelques mammi- feres et chez l’homme. La Cellule 1. 8. 5) Sulla fine anatomia dei gangli del Simpatico. Monitore Z. Ital. Anno 3. 400 Emil Rohde: der Ganglienzelle endende aber ausserhalb des Ganglions ent- springende und histologisch nicht anders als die gerade gebaute Nervenfaser betrachtet. Boveri!), Kölliker?) und Schieffer- deceker?) erklären die groben Punktsubstanzfibrillen des Sym- pathieus für die Aequivalente des Axencylinders der markhaltigen Nervenfasern, welche bündelweise zu höheren Einheiten, den Remak’schen Fasern, zusammentreten. Nach Boveri wird jede grobe Fibrille noch von einer Markscheide umhüllt. Widersprechendere Angaben sind wohl selten über ein und dasselbe Untersuchungsobjekt gemacht worden. . Allein die ver- gleichende Histologie eröffnet uns das Verständniss für den Sympathiens. Dieselbe Ansicht wie für den Sympathieus vertreten Boveri, Schiefferdeeker und Kölliker bezüglich des Olfactorius. Kölliker hält die groben Fibrillen des Olfactorius des- halb für Axeneylinder, weil sie von den Riechzellen ausgehen. Aus demselben Grunde erklären auch Retzius®) und Len- hossek*) die groben Punktsubstanzfibrillen der Chaetopoden und Molluscen für Axeneylinder. Sie sahen sie nämlich in epi- thelialen als „sensiblen Nervenzellen“ bezeichneten Zellen enden. Dass die groben Punktsubstanzifibrillen nicht je ein Axencylinder sein können, das zeigte uns das Verhalten der Punktsubstanz- nerven von Pontobdella gegenüber den kolossalen peripheren Ganglienzellen, insofern die groben Punktsubstanzfibrillen sich in Je eine grobe Fibrille des Spongioplasma der Ganglienzelle fort- setzten, keineswegs aber einem ganzen Fortsatz entsprachen (Fig. 4c, b, Tafel XXIV); in demselben Verhältniss zu einander stehen, wie wir wissen, Sympathicus und sympathische Ganglien- zellen (Figdf, Tafel XXIV). Dass die groben Punktsubstanzfibrillen aber überhaupt nicht das Leitende, sondern nur eine aus der Neuroglia hervorgehende Stützsubstanz sind, das ergab sich aus der Beobachtung, dass die groben Punktsubstanzfibrillen einer- seits in die in die Punktsubstanz einstrahlenden Neuroglia- Bäumchen nd (Fig. 3a, d, f, Tafel XXIV) und Neuroglia- 1) Beitr. z. Kenntn. d. Nervenfas. Abh. d. Bayr. Akad. 1886. 2) Gewebelehre. 3) Gewebelehre 1. Abth. 4) l. c. Ganglienzelle, Axeneylinder, Punktsubstanz und Neuroglia. 401 Scheidewände nsch (Fig. 4a) übergingen, andererseits in der Umgebung der Axeneylinderfortsätze af sich scheidenartig ver- flochten (Fig. 4b und Fig. 3b, d, Tafel XXIV). Die Zel- len, in welehen diese groben Punktsubstanzfibrillen peripher endigen, können also unmöglich, wie es Retzius und Len- hossek annehmen, nervöse Bildungen sein, sondern ich halte sie vielmehr für epitheliale Neurogliaelemente, wie ich sie für die Chaetopoden ausführlich beschrieben habe. Hier bleibt bei vielen Gattungen der Bauehstrang in seiner ganzen Ausdehnung im direkten Zusammenhang mit der Subeutieula, welche aus conisch sich zuspitzenden Epithelzellen besteht, deren ausser- ordentlich lange mit den groben Punktsubstanzfibrillen im Aus- sehen durchaus übereinstimmende Fortsätze im der Umgebung des Bauchstranges sich zu einer letzteren an Durchmesser oft weit übertreffenden Neurogliascheide verflechten, die Hülle der Gang- lienzellen bilden und massenhaft ins Innere der Punktsubstanz eindringen, um in deren grobe Fibrillen überzugehen (ef. die vielen hierauf bezüglichen Abbildungen in meiner Arbeit: Histo- logische Untersuchungen über das Nervensystem des Chaetopoden. Zool. Beitr. Bd. II). Die Fibrillen dieser breiten Neurogliascheide hat daher Retzius, weil sie sich blau färbten, ebenfalls für nervös gehalten, infolgedessen er die wunderbarsten Angaben über den Bau des Nervensystems der Chaetopoden macht!?). 1) So behauptet er z. B. von Nephthys, dass die Punktsubstanz nicht nur innerhalb der Ganglienzelienschieht, sondern auch ausser- halb derselben in mächtiger Entwickelung auftrete. Was er als solche aber zeichnet, das sind nichts anderes als die Fibrillen der oben be- schriebenen breiten Neurogliascheide und keinesfalls die Nebenfortsätze von längs verlaufenden Axenceylinderfortsätzen, wie er es angiebt (cf. den photographisch wiedergegebenen Querschnittdes Bauchstrangesvon Nephthys, Fig. 15, in der Arbeit von Wawrzik: Ueber das Stütz- sewebe des Nervensystems der Chaetopoden. Zool. Beitr. III. Bd., 22H} Bei Nereis sollen nach Retzius ganz peripher in der Neurogliascheide allenthalben Pakete von Punktsubstanz vorkommen, welche er als Endbäumchen von Nebenfortsätzen längs verlaufender Axencylinder bezeichnet. Diese Pakete sind aber aber lediglich die Stellen der Neurogliascheide, an denen sie sich lateral mit der Sub- eutieula in Zusammenhang setzt und etwas enger gefügt ist. Die von hier ausgehenden Fibrillen sind wieder nicht Nebenfortsätze, sondern einfach Neurogliaelemente. Ich habe drei Arten von Nereis untersucht, darunter auch die von ihm besonders studirte N. diversicolor und 402 EmilRohde: Wie wenig die Enden der sensiblen Nerven an Sinneszellen gebunden sind, das beweisen die neuesten einschlägigen Unter- suchungen von Retzius bei den Wirbelthieren, bei denen nicht nur in der Haut und im Tastorgan, sondern selbst im Gehör- und Geschmacksorgan »ur freie Nervenendigungen und die Haarzellen ausser jeden Zusammenhanges mit den sensiblen Nerven gefunden wurden, so dass Retzius sich gezwungen sieht, die letzteren „als eine Art sekundär in die Nervenleitung eingetretene Epithelzellen, als sekundäre Sinneszellen aufzufassen“. Auch bei Chaetopoden und Molluscen giebt Retzius selbst an, dass die groben Punktsubstanzfibrillen, d. h. seine Axeneylinder resp. Nervenfasern nicht immer in Sinneszellen resp. sensiblen Nervenzellen, sondern sehr oft zwischen diesen frei enden. Dies letztere kann ich für die Fühler von Helix bestätigen, wo ich feinste Aestehen der Punktsubstanzuerven hoch zwischen den Epithelzellen bis fast an die Oberfläche aufsteigen sah. Es liegt auf der Hand, dass bei einem solchen peripheren Verhalten der Punktsubstanznerven auch das feinfibrilläre Spongioplasma und das in ihm enthaltene Hyaloplasma die Oberfläche des Körpers erreichen kann und so in der Endigungsweise der Punktsubstanz- nerven kein Einwand gegen die Auffassung des Hyoloplasma als eigentlich leitende Substanz liegt!). Für den Olfactorius muss Retzius ebenfalls in seiner letzten diesbezüglichen Mittheilung ?) die früheren Angaben von v. Brunn?) und Lenhossek *) bestätigen, nach denen im Riechepithel freie Nervenendigungen vorkommen. Wenn die groben Fibrillen des Olfactorius zum Theil in Zellen der Riechschleimhaut übergehen, dann können diese auch hier keine eigentlich nervöse Bildungen sein. Wenn demnach Retzius durchaus übereinstimmende Verhältnisse gefunden. Hätte Retzius nur einen @uerschnitt untersucht, so würde er sofort auf seinen Irr- thum aufmerksam geworden sein. Cf. über den sehr mannigfaltigen Zusammenhang der Neurogliahülle und der Subeutieula die eben ge- nannte Arbeit von Wawrzik, besonders die Photographien der Tafel 14 und 15. 1) Auch bei den sehr einfach gebauten Sinnesorganen der Nema- toden, den Papillen, steigt das Hyaloplasma bis zur Oberfläche des Körpers auf (cf. meine Arbeit: Musk. u. Nerv I. c.). 2), Biol. Unters. vN. IE.) IV. 8. 3) Arch. f. mikr. Anat. 1892. 4) Anat. Anz. 1892. Ganglienzelle, Axencylinder, Punktsubstanz und Neuroglia. 403 u. A. die „sensiblen Nervenzellen“ des Olfaetorius und der Punkt- substanznerven der Wirbellosen mit den Spinalganglienzellen der Wirbelthiere homologisiren, so ist dies vollständig ungerecht- fertigt, denn jene setzen sich in Neuroglia-Fibrillen, diese in Axeneylinder fort. Damit ist aber keineswegs gesagt, dass alle am peripheren Ende von Nerven vorkommenden Zellen Neuroglia- zellen sind. Bei den Arthropoden treten hier zweifelsohne ner- vöse Zellen auf, diese laufen aber in Axencylinder und nicht in Neurogliafibrillen aus. Auch in den Punktsubstanznerven der niederen Wirbellosen finden sich oft unzweifelhafte Ganglienzellen massenhaft eingeschaltet, so besonders bei den Molluscen (Fig. 3b, Tafel XXIV), sie gehen aber stets in Axencylinder oder in Punkt- substanz über, in welch letzterer die nieht nervöse Natur der groben Fibrillen klar zu Tage tritt. Ich habe oben betont, dass bei den niederen Wirbellosen die Punktsubstanz, bei den höheren dagegen die Axencylinder- fortsätze überwiegen. Es ist dies vergleichend psychologisch von grossem Interesse: Je weiter wir in der Thierreihe hinab- gehen, desto ausschliesslicher werden die vom Centralnervensystem abtretenden Nerven sympathisch, wenn ich so sagen darf, gebaut, je höher wir aber aufsteigen, desto mehr kommen Axeneylinder- fortsätze, d. h. die Elemente der cerebrospinalen Nerven der Wirbelthiere, zur Entwiekelung. Wir haben also gesehen, dass die Nerven genau wie die Ganglienzellen fein- und grobfibrilläres Spongioplasma enthalten und letzteres direkt aus der Neuroglia hervorgeht. In meiner Abhandlung „Ganglienzelle und Neuroglia“ liess ich mich über dieses Verhältniss bezüglich der Ganglienzellen folgendermaassen aus: „Nach Götte stellt also die Neuroglia das Bildungsgewebe der Ganglienzellen vor. In diesem Sinne lassen sich auch unsere Beobachtungen deuten, d. h. als Erscheinungen einer eigenthüm- lichen Art von Regeneration, durch welehe die Ganglienzelle im ausgebildeten Thiere ununterbrochen ihr Protoplasma auf Kosten der Neuroglia erneut und zwar der Art, dass sie zuerst ihr Spongio- plasma aus den Neuroglia-Fibrillen und sekundär zwischen den- selben das Hyaloplasma neu erzeugt. Die sehr verschiedenen Strukturverhältnisse, die oft bei den Ganglienzellen einer Art auf- treten, hätten wir dann als verschiedene Phasen dieser Regeneration zu deuten. Da ferner das Spongioplasma der Ganglienzelle bei Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 Di 404 Emil Rohde: allen Thierklassen, wenn nicht im Innern, so doch stets an der Peripherie der Zelle im direkten Uebergang in die Neuroglia sich befindet, wie dargelegt worden ist, so wäre zu schliessen, dass sämmtliche Ganglienzellen während ihres Lebens ihr Spongioplasma (resp. Hyaloplasma) von der Neuroglia aus erneuerten. Die tiefen Neuroglia-Buchten, wie wir sie bei Pleurobranchus (2. Typus), Tethys, Lophius und Malopterurus getroffen haben, deuteten dann, da durch dieselben die regenerirende Oberfläche der Gang- lienzelle bedeutend vergrössert wird, auf einen besonders leb- haften Stoffwechsel und erhöhte Thätigkeit der Zelle hin. Im vollsten Einklang hiermit stände es, dass die Buchten den Höhe- punkt ihrer Ausbildung bei den beiden Malopteruruszellen erreichen, welche allein das elektrische Organ versorgen, während bei den übrigen mit elektrischen Organen versehenen Thieren (Torpedo, Gymnotus) die Zahl der elektrischen Zellen eine sehr grosse ist. Durch Regeneration würden auch die innerhalb der Ganglienzelle auftretenden allseitig von Zellsubstanz umgebenen Neuroglia-Kerne resp. Neuroglia-Fibrillenparthieen ihre Erklärung finden: es tritt eine allmähliche Ablösung der intracellulären Neuroglia von der intercellulären und schliesslich ein derartiges Aufgehen der ersteren in Gangliensubstanz ein, dass nur noch die Kerne den Neuroglia- ursprung des betreffenden Zellabschnittes andeuten.“ Da nach meinen neueren Untersuchungen die Zwischenmasse der groben aus der Neuroglia sich bildenden Fibrillen nicht reines Hyaloplasma, sondern ein feinfibrilläres das Hyaloplasma enthaltendes Spongio- plasma ist, in welebes die groben Fibrillen allmählich übergehen, so muss also die alte Auffassung dahin abgeändert werden, dass aus der Neuroglia zuerst die groben Fibrillen entstehen und diese sekundär in feinere zerfallen, welche erst das ebenfalls sich neubildende Hyaloplasma zwischen sich schliessen !). Ist meine Hypothese von der Regeneration der Ganglienzellen von der Neuroglia aus richtig, dann kann eine Ganglienzelle nicht immer die gleiche Struktur besitzen. Dies hat mir auch die Unter- suchung bestimmter für diesen Zweck besonders günstiger Gang- lienzellen vollauf bestätigt. Für die Entscheidung dieser Frage sind die intracellulären Neurogliakerne der Ganglienzellen sehr 1) Möglicherweise bildet das Hyaloplasma nur eine leitende Rin- denschicht um je eine feine Neurogliafibrille als Axe. Ganglienzelle, Axeneylinder, Punktsubstanz und Neuroglia. 405 werthvoll, insofern einerseits ihre Anzahl ungefähr den Maassstab für die Menge der intracellulären Neuroglia abgiebt, andererseits sie in dem Falle, wo die intracelluläre Neuroglia bereits voll- ständig in Ganglienzellsubstanz übergegangen ist, noch deutlich die Stelle, an der die Neuroglia-Wucherung stattgefunden hat, andeuten. Bei Hellix kommen im Fussganglion an gewissen Stellen einige sehr grosse Ganglienzellen vor, welche namentlich stark von Neurogliagewebe durchsetzt werden und sich bei einiger Uebung auf gleich geriehteteu Serien leicht wiederfinden lassen). Ich habe zu diesem Zweek von 10 Exemplaren von Helix die Fussganglien in genau derselben Weise behandelt, d. h. gleich- zeitig gehärtet (in 10° Sublimat), gefärbt ete. und in den ent- sprechenden Ganglienzellen verschiedener Thiere ganz un- glaubliche Variationen der intracellulären Neuroglia constatiren können. Eine Ganglienzelle, welche in dem einem Falle 35 Neurogliakerne enthielt, wies m einem andern nur 21, in einem dritten kaum 6—7 auf; die gleichen Ganglienzellen zeigten in verschiedenen Thieren an derselben Stelle das eine Mal S—9 Neurogliakerne dieht neben einander, eingebettet in eine mächtig entwickelte bäumchenförmig sich ausbreitende Neu- roglia, das andere Mal keine Spur weder von Neuroglia-Kernen noch Fibrillen. Als ein noch dankbareres Objekt erwies sich Penaeus. Ich erwähnte bereits in meiner Abhandlung: „Gang- lienzelle und Neuroglia“, dass bei dieser Crustacee in den Gang- lienzellen die Neurogliakerne besonders zahlreich auftreten. Namentlich fallen bei Penaeus zwei ventral links und rechts von der Mittellinie gelegene kolossale Ganglienzellen durch die Menge der intracellulären Neurogliakerne (bis 140) auf. Ich habe diese Ganglienzellen auf lückenlosen Querschnittsserien von mehreren Thieren und aus den verschiedensten Ganglien untersucht, die eorrespondirenden Ganglienzellen mit einander verglichen und nicht nur bedeutende diesbezügliche Unterschiede zwischen den gleichgangligen Zellen verschiedener, Exemplare, sondern auch zwischen den verschiedengangligen Zellen desselben Thieres ge- 1) Ich habe diese Zellen auch wiederholt frisch auf Zupfpräpa- raten nach Methylenblaubehandlung zu Gesicht bekommen und sehr schön hier ebenfalls die intracelluläre Neuroglia sammt ihren Kernen beobachten können. 406 EmilRohde; funden. Entsprechende Ganglienzellen verschiedener Exemplare differirten um 20--30 Neurogliakerne unter einander, auch hier waren die einzelnen Parthieen des Zellleibes in jedem Thiere anders gebaut. Diese Beobachtungen scheinen doch stark zu Gunsten der von mir vertretenen Annahme zu sprechen, dass in den Gang- lienzellen eine Neubildung des Spongioplasma von der Neuroglia aus erfolgt. Wir müssen dann annehmen, dass die Neuro- gliakerne, nachdem die intracelluläre Neuroglia vollständig in Ganglienzellsubstanz aufgegangen ist, d. h. nachdem sie das Gefüge des grobfibrillären Ganglienzellspongioplasma angenom- men und gleichzeitig die hyaloplasmahaltige feinfibrilläre Zwi- schensubstanz sich entwickelt hat, ebenfalls in der Ganglienzell- substanz sich auflösen ?). Da die Neuroglia bei den Wirbellosen am Aufbau der Punktsubstanz und der Axeneylinderfortsätze gleichen Antheil nimmt als bei den Ganglienzellen, so darf wohl, was von diesen gilt, auch auf jene übertragen werden; es wäre dann zu folgern, dass auch in der Punktsubstanz wie in den Axencylinderfortsätzen eine Neubildung des feinfibrillären Spongioplasma von dem direkt aus der Neuroglia hervorgehenden grobfibrillären Spongioplasma aus eintritt, welch letzteres in der Punktsubstanz allenthalben das feinfibrilläre Spongioplasma durchsetzt, in den Axeneylinderfort- sätzen aber die Scheiden bildet, welche gleich den Neurogliahüllen der Ganglienzellen entweder am Rande oder durch einstrahlende meist bäumchenförmige Fortsätze in das feinfibrilläre Axencylinder- spongioplasma übergehen. Die Neurogliabäumchen sind dann in den Ganglienzellen wie in den Axeneylindern und in der Punkt- substanz als Wachsthumsheerde zu betrachten, von denen eine besonders intensive Neubildung des Spongioplasma ausgeht (cf. nb und nb! in Holzschn. A und in Fig. 3e und Fig. 3f der Tafel XXIV)?). 1) Ich werde über diese mit vieler Mühe ausgeführten Unter- suchungen an anderer Stelle gleichfalls noch ausführlich berichten. Jedenfalls bestätigen sie die von mir schon früher (Ganglienzelle und Neuroglia) ausgesprochene Auffassung, dass wir es in den Ganglien- zellen nicht mit morphologischen Einheiten im Sinne der als Zellen be- zeichneten Gebilde zu thun haben. 2) Man könnte, um ein allerdings etwas sehr grobes Bild zu ge- brauchen, die Neurogliabäumchen mit einem Baume vergleichen, dessen Ganglienzelle, Axeneylinder, Punktsubstanz und Neuroglia. 407 Bei den Wirbelthieren, von denen ich besonders die Gang- lienzellen des Lobus eleetrieus von Torpedo und die Spinalgang- lienzellen der verschiedensten Säugethiere untersucht habe, steht die Neuroglia in gleich engem Zusammenhang mit den Ganglien- zellen wie bei den Wirbellosen (Fig. 2 Taf. XX1V). Die Neuroglia- scheide der Ganglienzellen geht auf den sich später mit Mark umhüllenden Axeneylinderfortsatz als Schwann’sche Scheide über. Ich bin trotz vieler gegentheiliger embryologischer Angaben der festen Ueberzeugung, dass wir es in letzterer nicht mit einer einfach bindegewebigen Schicht, sondern mit einer Neurogliahülle in dem für die Wirbellosen ausgeführten Sinne zu thun haben, d. h. dass sie genetisch mit dem Spongioplasma der Axeneylinder im engsten Zusammenhange steht. Dafür spricht einerseits die leicht zu beobachtende Thatsache, dass bei den noch marklosen Axeneylinderfortsätzen der Ganglienzellen des Lobns eleetrieus von Torpedo die Neuroglia- (Sehwann’sche) Scheide mit dem Spongioplasma des Axeneylinders in gleich engem Connex steht wie mit den Ganglienzellen selbst, andrerseits ein Vergleich der markhaltigen Nervenfasern der Wirbellosen mit denen der Wir- belthiere. Bei ersteren, welehe zuerst von Friedländer!) und Retzius?) genauer beschrieben worden sind, habe ich mich über allen Zweifel überzeugt, dass die Markhülle von den Fi- brillen der Neurogliascheide durchsetzt wird. Ein besonders günstiges Objekt ist Penaeus. Hier treten überall in der breiten Markscheide die typischen Neurogliakerne auf (Fig. 9 und 10 des Holzschnittes B). Die markhaltigeu und marklosen Nerven- fasern der Wirbellosen unterscheiden sich also nur dadurch, dass bei jenen in der Neurogliascheide sich Myelin einlagert (vergl. Fig. 8 und 9 des Holzschnittes B)?). Denselben Bau äusserste und feinste stetig weiter wachsende Aestchen sich mit einer metallenen, d. h. elektrische Ströme gut leitenden Rindenschicht, dem Aequivalent des Hyaloplasma, umhüllen. 1) Ueber die markhaltigen Nervenfasern und Neurochorde der Crustaceen und Anneliden. Mitth. aus Neapel. 1889. 2) Zur Kenntniss des Nervensystems der Crustaceen. Biol. Un- tersuch. Neue Folge. I. 1890. 3) Friedländer hält es neuerdings (Altes und Neues zur Hi- stologie des Bauchstranges des Regenwurms — Zeitschr. f. wiss. Zool. 1894) auch für wahrscheinlich, dass in der Markscheide der mark- 408 Emil Rohde: wie bei den Wirbellosen haben die markhaltigen Nerven- fasern bei den Wirbelthieren. Denn bei diesen wird nach den Angaben von Kuhnt!) und Boveri?), welche ich für Tor- pedo durchaus bestätigen kann, die Markscheide sowohl an den Ranvier’schen Einschnürungen, wie an den Lantermann’schen Einkerbungen von inneren Fortsätzen der Schwann’schen Scheide durchzogen, welche sich an der Oberfläche des Axencylinders als Axeneylinderscheide (Kuhnt) resp. inneres Neurilemm (Boveri) ausbreiten (Fig. 11 des Holzschnittes B). Die markhaltigen Nervenfasern der Wirbelthiere sind demnach nur insofern von denen der Wirbellosen verschieden, als bei diesen die myelin- haltigen Maschen resp. Waben der Neurogliascheide eng und unregelmässig (Fig. 9 und 10 des Holzsehnittes B), bei jenen (die Lantermann’schen Segmente) dagegen grösser und gleich- förmiger sind (Fig. 11 des Holzschn. B). Bezüglich der Protoplasmafortsätze der Ganglienzellen der Wirbelthiere sind bekanntlich die Ansichten der Autoren seit einiger Zeit sehr getheilt, die einen halten sie für nervös, die andern schreiben ihnen lediglich nutritive Bedeutung zu. Ein ganz ausgezeichnetes Objekt für diesbezügliche Untersuchungen ist abermals der Lobus eleetrieus von Torpedo, weil die Gang- lienzellen erstens alle hier sehr gross sind, zweitens ziemlich weit auseinanderliegen und drittens sehr viele starke Protoplasmafort- sätze entsenden (Holzschnitt C). Der einzige Axeneylinderfort- satz af dieser Ganglienzellen ist wieder ausschliesslich feinfibrillär; die Protoplasmafortsätze dagegen haben, wie dies allgemein für die eentralen Ganglienzellen der Wirbelthiere angegeben wird, denselben Bau wie der Ganglienzellleib, d. h. sie bestehen aus srobfibrillärem nnd feinfibrillärem (hyaloplasmahaltigem) Spongio- plasma, sie sind demnach ebenso nervös wie der Zellleib selbst, enthalten aber auch gleich diesem nicht leitende Theile, mit denen sie sich sehr wohl an nicht nervöse Elemente, so die Neu- rogliazellen und die Blutgefässe, ansetzen können. Bei Torpedo haltigen Nervenfasern der Wirbellosen ausser dem Nervenmark noch Stützelemente vorhanden sind. 1) Die peripherische markhaltige Nervenfaser. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XIII. Die Zwischenmarkscheide der markhaltigen Nerven- faser. Med. Centralblatt 1876. SALE. Ganglienzelle, Axencylinder, Punktsubstanz und Neuroglia. 409 habe ich mich deutlich von einem solchen Zusammenhange über- zeugt, der nicht auffallen kann, da ja einerseits die Ganglienzellen in ihrer ganzen Peripherie mit der Neuroglia in Connex stehen, andererseits auch bei Torpedo, ähnlich wie Fritsch und ich es bereits für Lophius und Malapterarus beschrieben haben !), der Leib der elektrischen Zellen gar nicht selten von Blutgefässen Holzschnitt Ü. Ganglienzelle des lobus eleetrieus von Torpedo, schematisirt. af Axencylinderfortsatz, bgf Blutgefäss, k Ganglienzellkern, n Neuro- glia, nk Neurogliakern, pf! Protoplasmafortsatz, der die Verbindung mit einer anderen Ganglienzelle herstellt, pf2 Protoplasmafortsatz, der sich mit mehren anderen zu einem Knotenpunkt Xp vereint, pf? Pro- toplasmafortsatz, der zu einer Neurogliazelle zieht, pf* Protoplasma- fortsatz, der an ein Blutgefäss tritt. 1) ef. hierüber meine Arbeit „Ganglienzelle und Neuroglia“. Auch bei den 'Wirbellosen kehrt diese Beobachtung wieder. So fand ich besonders in den Ganglienzellen von Penaeus sehr viel Blutgefässe. Meine vergleichend histologischen Untersuchungen haben mich zu sehr eigenthümlichen Resultaten über den histologischen Werth dieser Ge- fässbildungen geführt, worüber ich an anderer Stelle noch ausführlich berichten werde. 410 Emil Rohde: ‚durehsetzt wird (Holzschnitt C). Ein Theil der Protoplasmafort- sätze stellt aber ebenso sicher eine Verbindung unter den Gang- lienzellen her, wie Dogiel!) bereits behauptet hat. Denn ich beobachte mehrmals, wie Protoplasmafortsätze benachbarten Gang- lienzellen durch 'Theiläste in einander übergingen und wie häufig Protoplasmafortsätze der verschiedensten Ganglienzellen zu eigen- thümlichen Knotenpunkten zusammentraten, welche entfernt an die Ganglien-Punktsubstauz der Wirbellosen erinnerten (Holzschn. ©). Die Funktion der Protoplasmafortsätze ist also offenbar eime sehr verschiedene. Hervorheben möchte ich noch, dass die Protoplas- mafortsätze durchaus nieht sämmtlich dieselbe Struktur besitzen, sondern das quantitative Verhältniss von fein- und grobfibrillärem Spongioplasma in ihnen sehr wechselt. Einen Zusammenhang zwischen dieser leicht zu beobachtenden Thatsache und der ver- schiedenen physiologischen Bedeutung der Protoplasmafortsätze habe ich bisher nicht nachweisen können ?). Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIV. A. Buchstabenerklärung. af Axencylinderfortsatz. af! markhaltige Nervenfaser der Wirbelthiere. b Bindegewebe. bg bindegewebige Scheide der Nerven. g2 Ganglienzelle. k Ganglienzellkern. n Neuroglia. nb Neuroglia-Bäumchen der Punktsubstanz-Nerven. nbl Neuroglia-Bäumchen der Axencylinderfortsätze. nk Neuroglia-Kern. 1) Arch. f. Anat. u. Phys. 1893. 2) Eine grosse Freude bereitet es mir, dass Friedländer sich jetzt (l. e.) voll und ganz zu der von mir vertretenen Auffassung be- kennt, dass das Hyaloplasma allein das Nervöse und das Spongio- plasma nur ein Stützgerüst sein kann. Ganglienzelle, Axencylinder, Punktsubstanz und Neuroglia. 411 nsch Neuroglia-Scheidewände der Bauchmarkskommissur der Hiru- PS psk psf dineen und des Olfactorius der Wirbelthiere. Punktsubstanz. Punktsubstanz-Kern. Punktsubstanz-Fortsatz. B. Figurenerklärung. [rt . 3 Ganglienzellen von Aplysia im Querschnitt. Sublimat. 2 Ganglienzellen von Torpedo marmorata im Querschnitt. Subl. 6) . 3. a—h Nervensystem von Molluscen. a Theil eines Punktsubstanz-Nerven im Querschn. Subl. Helix. b Theil eines ganglienzellhaltigen Punktsubstanz - Nerven im Quersehn. Subl. Helix. e Punktsubstanz eines Ganglions im Querschn. Subl. Pleuro- branchaea. d Theil eines aus Punktsubstanz und Axeneylinderfortsätzen be- stehenden Nerven im Querschn. Subl. Aplysia. e Axeneylinderfortsatz im Querschn. Subl. Pleurobranchaea. f, 9, " Theile von Punktsubstanz-Nerven im Querschn. Osmiumsäure- Fig. Fig. Pikrokarmin. 4. a—c Nervensystem von Pontobdella. a Bauchmarkskommissur, quer. Alkohol. b Theil eines Nerven. quer. Subl. e Theil einer peripheren Riesenganglienzelle nebst einem vor- wiegend aus Punktsubstanz bestehenden Nervenfortsatz psf im Querschn. Alkohol. gk Ganglienzellkörper. af! axencylinderartiger Kanal. 5. a—n Olfactorius und Sympathieus verschiedener Wirbelthiere. a, b, e Olfactorius des Frosches, aus verschiedenen Gegenden, quer, Subl. d, e Milz-Nerv des Ochsen, quer, Subl. e stärker vergrössert als d. f, 9, k Sympathicus des Kaninchen. f sympathische Ganglienzelle mit mehreren Punktsubstanzfort- sätzen psf (= Remak’schen Fasern) aus einem Längsschnitt. Subl. 9 sympathische Ganglienzelle ınit einem Axencylinderfortsatz (af) aus einem Längsschnitt. Subl. h Sympathicus mit 2 markhaltigen Nervenfasern, quer. Osmium- säure-Pikrokarmin. ?, k, 1 Sympathicus des Hundes, aus Schnittserien. Subl. i sympathische Ganglienzelle mit vielen (quer getroffenen) Punkt- substanzfortsätzen (Remak’schen Fasern) psf. k sympathische Ganglienzelle mit Axencylinderfortsatz af. ! Sympathicus quer und längs. 412 HansRabl: m, n Sympathicus des Frosches aus einer Querschnittsserie. Osmium- säure-Pikrokarmin. m sympathische Ganglienzelle mit Axencylinderfortsatz af (= ge- rade Faser) und Punktsubstanzfortsatz psf (= Spiralfaser). n Sympathicus mit 5 markhaltigen Nervenfasern, quer u. längs. Ueber das Vorkommen von Nebenkernen in den Gewebezellen der Salamanderlarven, ein Beitrag zur Lehre von der Amitose. Von Dr. Hans Rabl, Assistent am histologischen Institut der Universität Wien. Hierzu Tafel XXV. Durch die beiden ausgezeichneten Referate Flemming's (10) in den Ergebnissen der Anatomie und Entwicklungsgeschichte hat die Lehre von der Amitose eine umfassende und lichtvolle Darstellung erfahren. Dadurch, dass Flemming seine Ansicht in dieser Frage gegenüber Ziegler und vom Rath präeisirt hat, zeigte er, in wieweit die bisher beobachteten Thatsachen den von jenen Forschern vertretenen Hypothesen entsprechen und welche Punkte ihrer Theorie noch einer Nachuntersuchung be- dürftig sind. In vergangenen Jahrzehnten, ehe man noch Kenntniss von der völlig symmetrischen Vertheilung des Chromatins bei der Karyokinese hatte, betrachtete man bekamntlich die Kernzer- schnürung als den allverbreiteten Process, nach welchem die Vermehrung der Kerne stattfände. Als aber in einer Reihe sorg- fältigster Arbeiten der mitotische Process einmal in seinen Grund- zügen kennen gelernt worden war und durch zahlreiche Mitthei- lungen an immer wieder neuen Orten Mitosen nachgewiesen wurden, drang allmählich die Ueberzeugung durch, dass es nur dieser Ueb. d. Vork. v. Nebenkernen i. d. Gewebsz.d. Salamanderlarvenete. 413 Vorgang sein könne, nach welchem unter normalen Verhältnissen eine Vermehrung der Zellen bei Entwicklung und Regeneration der Gewebe vor sich ginge. Es scheint mir nicht nothwendig, eine genauere historische Darstellung jener Umwälzung der An- schauungen zu geben, da Flemming eine solche in seinen bereits eitirten Aufsätzen geliefert hat. Ich erlaube mir darum auf dieselben zu verweisen und will nur auf jene neuesten Arbeiten in Kürze eingehen, welche theoretische Betrachtungen über Amitose enthalten. Ich muss mich da vor allem Ziegler und vom Rath zu- wenden, deren grosses Verdienst cs ist, an der Hand ihrer Be- obachtungen an Wirbelthieren und Wirbellosen eine abgeschlossene Theorie über die Bedeutung der Amitose aufgestellt zu haben. Ziegler (36) hatte an den Periblastkernen des Lachs- keimes amitotische Kerntheilungen in einem Entwieklungsstadium beobachtet, in welchem er eine Betheiligung dieser Kerne am Aufbau des Embryo mit Sicherheit auszuschliessen vermochte). Während sich die Dotterkerne zur Zeit der Furchung des Eies auf mitotischem Wege theilen, werden sie später auffallend gross, ihr Chromatingerüst wird locker und dünn und sie zer- schnüren sich endlich in zwei annähernd gleich grosse Hälften oder zerfallen durch Sprossung in einen Haufen kleiner Kern- fragmente. Indem Ziegler diese Bilder mit jenen Fällen von Amitose verglich, wie sie von ihm und anderen Autoren bei Wirbellosen bereits beobachtet worden waren, schloss er, dass die Kernfragmentation nur dann auftrete, „wenn die Kerne erst eine speeialisirte Funetion übernehmen und dann zu Grunde gehen“. Eingehender beschäftigt sich derselbe Forscher mit der Be- deutung der direeten Theilung in seiner folgenden Arbeit (37), in welcher er seine Ansicht an einer grossen Reihe von Beispielen begründet. Er findet, „dass die Kerne, welehe sich amitotisch theilen, stets durch besondere Grösse ausgezeichnet sind“ und glaubt die Hypothese aufstellen zu können, „dass die amitotische Kerntheilung (vorzugsweise, vielleicht ausschliesslich) bei solehen 1) Dieselben Erscheinungen hatten schon früher Oellacher, Goronowitsch, Klein und Rauber beschrieben. Auch von Ko- walewskiund Wenckebach wurden die Periblastkerne der Teleostier für degenerirt erklärt (siehe Ziegler |. c. pag. 611). 414 HansRabl: Kernen vorkomme, welche einem ungewöhnlich intensiven Secre- tions- oder Assimilationsprocesse vorstehen*“. Ich unterlasse es, die grosse Zahl der von Ziegler auf- geführten Literaturangaben zu wiederholen, sondern möchte mich ihm gegenüber nur dahin aussprechen, dass es zwar sehr wahr- scheimlieh ist, dass die Amitose in vielen Fällen mit einer ge- änderten, respeetive gesteigerten secretorischen oder assimila- torischen Funetion der Zelle zusammenhängt, dass es mir aber doch nieht am Platze scheint, dieselbe ausschliesslich von diesem Gesichtspunkte aus erklären zu wollen. Es ist vielmehr sehr wohl möglich, dass sie auch durch andere Ursachen bedingt wird, welehe wir aber bis jetzt in ihrer Gesammtheit noch nieht zu überblicken im Stande sind. Allerdings sind Assimilation und Secretion jene Vorgänge, auf welchen der Lebensprocess beruht und auf welche jede andere Funetion zurückgeführt werden muss. Insoferne verdient die Theorie von Ziegler eine un- eingeschränkte Anwendung. In diesem Sinne ist dieselbe aber keine Begründung der Amitose, sondern hebt nur eine bereits in ihrem Begriff enthal- tene Eigenschaft stärker hervor. In verschiedenen Aufsätzen über Amitose ist der Gedanke enthalten, dass dieselbe eine Vergrösserung der Oberfläche des Kernes erzeuge und dadurch eine Steigerung der Einwirkung des Kermes auf den Zellkörper mit sich führen müsse. Wird das Gleichgewicht des Stoffwechsels, unter dem eine Zelle steht, dadurch geändert, dass ihr entweder zu wenig oder abnorm viel Nahrungsmaterial zugeführt wird, so wird gewiss auch der Kern dureh diese veränderten Bedingungen in Mitleidenschaft gezogen. O0. Schultze (32) hat an hungernden Tritonlarven abnorm tiefe Lappung der Epithelzellkerne beobachtet und ist geneigt, diese Erscheinung als eine Folge des Hungerzustandes aufzufassen. Bei weiterer Steigerung könnte es bis zur Abtrennung einzelner Kern- lappen kommen. Hält man am der oben gemachten Annahme fest, dass der Kern nieht nur bei der Vermehrung, sondern auch für die vegetativen Functionen der Zelle von grosser Bedeutung ist, so lässt sich die Amitose in dem letzteren Falle dadurch er- klären, dass die Zelle die geringe Menge an zugeführten Nah- rungsstoffen möglichst gut auszunützen sucht. Dieselbe Bedingung trifft auch für solehe Zellen zu, denen es von vornmeher obliegt, Ueb. d. Vork. v. Nebenkernen i.d. Gewebsz. d.Salamanderlarven ete. 415 eine grössere vegetative Thätigkeit zu entfalten. An den Ento- dermzellen der Capillargefässe am Schirmrande bei Abyliden und Diphyiden hat Chun (5) alle Stadien der direeten Kerntheilung beobachten können, ohne aber Zelltheilungen folgen zu sehen, sodass es hier zu einer „Brut von Kernen“ kommt. Darum glaubt auch dieser Forscher, dass „die Amitose gewissermaassen nur den extremsten Fall einer Oberflächenvergrösserung darstelle“. Wie man sieht, besitzt diese Anschauung eine grosse Aechnlichkeit mit der Theorie Ziegler's. In der bereits besprochenen Arbeit dieses Autors waren unter anderen auch die Angaben Frenzels (11, 12) über die Awmitosen im Mitteldarme von Urustaceen und Inseeten einer Kritik unterzogen und ihr regenerativer Character angezweifelt worden !). Dagegen erhob Frenzel Einwendungen (13), welche aber in einer rasch folgenden Publication, die von Ziegler und vom Rath (35) gemeinsam ausgeführt war, eine genaue Controle er- fuhren. Sie fanden Mitosen sowohl in der Mitteldarmdrüse der Crustaceen (analog den älteren Beobachtungen von P. Mayer), als auch im Mitteldarmepithel junger Krebse und machten die Existenz von Regenerationsherden im Darme älterer Thiere sowie bei Inseeten wahrscheinlich. Uebrigens hat Frenzel (14) später die Mitosen in den blinden Enden der Drüsenschläuche bei den Crustaceen selbst gefunden, daneben aber auch Kerntheilungen auf amitotischem Wege mit nachfolgender Theilung der Zelle be- obaechtet und drückt seme Ansicht über das parallele Vorkommen dieser beiden Processe am Schlusse seiner Arbeit folgendermaassen aus: „Wenn man von Zelltheilung spricht, wird man mößglicher- weise von 2 wesentlich verschiedenen Erscheinungen zu sprechen haben, nämlich einerseits von der Zellvermehrung, die sich mitotisch vollziehend ein Wachsthum des ganzen Organs zur Folge hat und vom Zellenersatz, der auf amitotischem Wege vor sich geht und nur den Zweck hat, die behufs ihrer Thätig- He), Die gleiche Beurtheilung erfuhren auch die Angaben Löw it's („Neubilduug und Beschaffenheit der weissen Blutkörperchen“ in Ziegler’s Beiträge zur pathologischen Anatomie und allgemeinen Pathologie. 10. Bd.) über Amitose in den weissen Blutzellen des Fluss- krebses. Doch haben sich hierbei die obengenannten Forscher nicht auf eigene Beobachtungen stützen können. Unlängst hat auch Knoll eine Mittheilung über directe Theilung der Blutzellen bei Astacus ge- macht. (Sitzungsberichte der k. Acad. d. Wissensch. in Wien Bd. 102), 416 HansRabl: keit dem Epithel verloren gehenden Zellen zu ersetzen, ohne dass daraus ein Gesammtwachsthum resultiren würde“ !). Wie sich schon aus dieser kurzen Uebersicht ergiebt, sind die Meinungen über die Bedeutung der Amitose noch sehr getheilt. Indem sich Flemming (9) einerseits auf seine eigenen Beobachtungen über die Theilung der Leucocyten, andererseits auf eine genaue Kenntniss der einschlägigen Literatur stützt, glaubt er den Gedanken nicht abweisen zu dürfen, „dass die amitotische Theilung, bei Protozoen und einigen Metazoenformen noch viel- fach in generativer Wirksamkeit, diese bei den übrigen, und be- sonders bei Wirbelthieren und höheren Pflanzen verloren hat; dass sie sich hier in der Norm nur noch in der von Chun ver- tretenen Bedeutung (Erzeugung mehrkerniger Zellen) geltend macht, sonst aber nur entweder unter pathologischen Bedingungen, oder doch als ein Vorgang auftritt, der kein keimfähiges Zellen- material mehr liefert“. Ich kann diese Einleitung nicht schliessen, ohne auf die letzte Publication O0. vom Rath’s (29) Rücksicht genommen zu haben; denn gerade darin ist seine Theorie der Amitose mit solcher Schärfe präeisirt, dass jeder neue Befund auf diesem Felde entweder eine Bestätigung oder — wenigstens theilweise — eine Berichtigung derselben enthalten muss. Er sagt: „Alle Zellen, welche einmal amitotische Kerntheilungen er- fahren haben, können sieh unter keiner Bedingung mehr mitotisch theilen; sie gehen vielmehr einem sicheren Untergang entgegen. Doch können die Kerne sich vielleicht vorher noch einmal oder einige Male amitotisch theilen. „Die amitotische Kerntheilung kann sich keineswegs beliebig oft wiederholen, vielmehr ist die Zahl der successive sich folgen- den amitotischen Kerntheilungen und noeh mehr die Zahl der da- bei stattfindenden etwaigen Zelltheilungen eine beschränkte. „In allen Geweben und Organen, in welchen ein continuir- 1) Ich möchte hier auch der Arbeit von Nicolas (Bibliographie anatomique I, 1894) gedenken, worin der Nachweis erbracht werden soll, dass jene Complexe von Epithelzellen, welche beim Salamander unter dem Darmepithel gelegen sind und die Regenerationsherde für dasselbe darstellen, auf amitotischem Wege entstünden und erst später Mitosen enthielten. Die Angabe ist so merkwürdig, dass sie auf jeden Fall eine Nachuntersuchung erfordert. Ueb. d. Vork. v. Nebenkernen i. d.Gewebsz. d. Salamanderlarven ete. 417 licher oder periodischer Zellverlust stattfindet, erfolgt die Rege- neration, das heisst der Ersatz der abgenutzten und zu Grunde gehenden Zellen durch mitotische Theilungen von wenig diffe- renzirten, Jugendkräftigen Regenerationszellen her, die öfters in grösserer Zahl in Regenerationsherden beisammen liegen. Ein regenerativer Character der Amitose ist weder bei Metazoen, noch bei Protozoen wirklich nachgewiesen.“ Ich habe mir erlaubt im Vorstehenden die verschiedenen Theorien über Amitose, wie sie in den letzten Jahren aufgestellt worden sind, anzuführen, weil ich in der Lage bin, einen kleinen Beitrag zur Beurtheilung dieser Frage zn liefern. Allerdings beziehen sich meine Beobachtungen nicht auf Gewebe unter physiologischen Verhältnissen, sondern stellen sich vielmehr als ein Beitrag zur Pathologie der Zelle dar. Tech glaube sie aber aus dem Grunde veröffentlichen zu dürfen, weil ja jede Mittheilung zur Pathologie der Zelle auch unser Wissen über die in ihr im normalen Zustand schlummernden Kräfte bereichert. Ausserdem verfügen wir aber noch lange nicht über eine voll- ständige Kenntniss aller in den Rahmen des physiologischen Zu- standes fallender Vorgänge des Zellenlebens, als dass wir im Stande wären, jede Beobachtung mit Sicherheit diesem oder jenem Erscheinungsgebiete einzuordnen. Immerhin glaube ich, dass jener eigenthümliche Process der Kermsprossung, den ich in den nachfolgenden Zeilen beschreiben will, wie gesagt, kein nor- males Verbalten darstellt, da ich demselben in so allgemeiner Verbreitung nur an einer einzigen Salamanderlarve unter zahl- reichen untersuchten begegnet bin. Das betreffende Thier war im vorigen Frühjahre mit mehreren anderen gefangen und durch kurze Zeit in einem weiten Glasbecken gehalten worden. Als Futter dienten Exemplare von Tubifex rivulorum. Die Larve wurde, als sie eine Länge von ca 38mm erreicht hatte, durch Einlegen in Pierin-Sublimat ge- tödtet und 24 Stunden lang in der Flüssigkeit belassen, in Alkohol nachgehärtet, in Celloidin eingeschlossen und in Schnitte zerlegt. Ich habe anlässlich meiner Untersuchungen über die Entwicklung des Pigmentes bei den Urodelen eine grosse Zahl von Sala- manderlarven in gleicher Weise behandelt, und immer — wie auch in diesem Falle — durch diese Methode eine vorzügliche Fixirung der chromatischen und achromatischen Kernbestandtheile 418 Hans Rabl: erhalten. Zur Kernfärbung wurden Delafield’sches Hacma- toxylin, Haemalaun, Saffranin und die Eisen-Haematoxylinmethode nach Heidenhain, zur Nachfärbung von Protoplasma und achromatischen Fäden verschiedene saure Anilinfarben verwendet. An den Präparaten von jener Larve finde ich nun in vielen Epithel-, Wander-, Knorpel- und Bindegewebszellen neben dem Kern ein verschieden grosses, fast immer kugeliges Körperchen, welches sich mit Kernfärbemitteln tingiren lässt und zweifellos - Chromatin enthält. Es ist bald ein kleines, chromatisches Körnchen, bald ein Gebilde, welches nur wenig hinter dem Hauptkerne an Grösse zurücksteht. Dieser letztere zeigt nur sehr selten eine erkennbare Verkleinerung und lässt sich in fast allen Fällen so- fort als eigentlicher Zellkern erkennen. Im Gegensatz zu ihm will ich die zu beschreibenden Körper als Nebenkerne bezeichnen. Sie besitzen eine chromatische Wandschicht, sehr häufig ein ge- färbtes Korn in der Mitte und von da ausstrahlend feine, theils radiär, theils netzförmig angeordnete Fäden, welche dasselbe mit der Peripherie verbinden. Manchmal kann das centrale Körnehen auch fehlen und es besitzt dann der Nebenkern bei geringer Entwicklung der achromatischen Fasern die Form eines Bläschens. Zuweilen kann er übrigens auch durchaus aus achromatischer Substanz auf- gebaut sein und erzeugt in diesem Falle mehr den Eindruck eines homogenen als eines structurirten Körpers. Seine Lage zum Kern ist im allgemeinen eine sehr charaeteristische. An elliptischen Kernen liegt er nämlich mit grosser Regelmässigkeit ander Spitze der Ellipse, einem der beiden Pole vorgelagert. Auf Fig. 9 habe ich ein Stück aus der knorpeligen Chordascheide abgebildet. Man ersieht daraus besser, als sich durch Beschreibung verdeut- lichen lässt, das angegebene Lageverhältniss. Auch an den Epi- thelzellen lässt sich etwas ähnliches wahrnehmen. Durch den Druck, welchen die seeretgefüllten Ley dig schen Zellen auf die umgebenden Epithelzellen ausüben, sind bekanntlich die der obersten Reihe im der Richtung senkrecht zur Oberfläche, die zwischen den Leydig’schen Zellen gelegenen in parallel zu der- selben verlaufenden Richtung abgeplattet. Wie ein Blick auf die Fig. 7 und 8 lehrt, liegen dem entsprechend auch die Neben- kerne in dem ersten Falle neben, im zweiten oberhalb der Haupt- kerne. An den runden Kernen der Knorpelzellen lässt sich kein Gesetz über die Lage der Nebenkerne feststellen, dagegen sah Ueb.d.Vork. v. Nebenkernen i.d. Gewebsz. d. Salamanderlarven etc. 419 ich mit ziemlicher Regelmässigkeit an den Leydig’schen Zellen, dass sie hier an der der Oberfläche zugewendeten Seite des Zellkernes gelegen waren. Sie finden sich gewöhnlich in der Einzahl, manchmal aber auch zu 3—4 innerhalb einer Zelle, und können in diesem Falle entweder von ein und derselben Stelle durch successive Sprossung ihren Ursprung genommen haben oder aber auch (vergl. Fig. 10) gleichzeitig von mehreren Punkten der Kernoberfläche aus ent- stehen. Die Einzelheiten des Sprossungsprocesses lassen sich am leichtesten aus jenen Bildern, welche die runden Knorpelkerne liefern, erschliessen; die gelappten Kerne der Leydig schen Zellen eignen sich minder gut hierfür, da sich in ihnen eine Vor- stülpung des Kernes, welche zur Bildung eines Nebenkernes führen würde, nicht sicher von einem normalen Vorsprung oder Lappen des Kernes unterscheiden lässt (Fig. 1). Wenn an irgend einer Stelle der Kernoberfläche eine Sprosse in Bildung begriffen ist, so nimmt manchmal an ihrer Begrenzung sowohl die achromatische als die chromatische Kernmembran theil. Häufig sieht man aber ausschliesslich eine hernienartige Vorwölbung der ersteren und findet den chromatischen Wandbelag an der Wurzel der Sprosse verdünnt und weiterhin fehlend. Die Sprossen selbst sind von eimem feinen Netzwerk von Fäden aus- gefüllt; eine bestimmte Disposition derselben, ihre Gruppirung um ein grösseres chromatisches Körnchen findet jedenfalls erst nach dem vollendeten Austritt aus dem Kerne statt. Der Neben- kern liegt häufig dem Hauptkerne dicht an, in einer Delle des- selben eingebettet. Manchmal rückt er aber auch weiter von ihm ab. Sein Verhältniss zur Filarsubstanz des Zellkörpers lässt sich an protoplasmareichen Zellen, wie es die unveränderten Epithelzellen sind, nur schwer erkennen. An Leydig’schen Zellen hingegen, an welchen die Filarsubstanz zwar nur in ge- ringer Menge vorhanden, aber scharf von dem übrigen Zellinhalt abgesetzt ist, sieht man regelmässig, dass sich von dem dünnen Plasmamantel, der den Kern umhüllt, ein Faserkegel erhebt, an dessen Spitze der Nebenkern gelegen ist. Manchmal übrigens ist dieser Kegel nicht compact, sondern wird durch eine Brücke ersetzt, welche von einem Punkt der Kernoberfläche auf einen anderen überspringt und an ihrem höchsten Punkt den Neben- kern trägt (Fig. 2). Die Kerne selbst zeigen keine Veränderung Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 45 28 420 Hans’ Rlarbılk in der Anordnung ihres Chromatins, wie eine solehe von Arnold 1,2) und seinen Schülern, ferner von Flemming (8) nnd anderen bei direkten Theilungen beobachtet und von ersterem als Cha- racteristieum der indirekten Fragmentirung angegeben wurde. Wollte man also den beschriebenen Vorgang dem Schema Arnold’s einreihen, so müsste man ihn selbstverständlich der Gruppe der „direeten Fragmentirungen“ zuweisen. Uebrigensscheint mir der Ausdruck Sprossung oder Knospung bei weitem vorzu- ziehen. Es handelt sich eben um die Bildung zweier oder mehrerer, vom Hauptkerne in Bezug auf ihre Grösse sehr wesentlich ab- weichender Fragmente. Nur in einer sehr geringen Zahl von Fällen habe ich im Epithel meiner Salamanderlarve innerhalb einer Zelle zwei so ähnliche Kerne gefunden, dass sie einen Zweifel aufkommen lassen konnten, ob nicht eine Verspätung der Zelltheilung nach einer Karyokinese oder eine andere Form der Amitose an diesem Bilde die Schuld trägt (Fig. 5). Ich kann diese Möglichkeiten nicht auschliessen, glaube aber aus dem Um- stande, dass sich eine continuirliche Reihe von Nebenkernen, von der kleinsten Art bis zu solchen von der Grösse eines Haupt- kernes zusammenstellen lässt, auch solche letztere Formen als durch Knospung entstanden auffassen zu müssen. Ich würde Bedenken tragen, die Abtrennung kleiner Kern- theile vom Hauptkern als Amitose zu bezeichnen, da man darunter gemeinhin die Bildung zweier gleichwerthiger Kerne durch äqua- toriale Zerschnürung zu verstehen pflegt. In dem zuletzt ange- führten Falle sind aber thatsächlich Haupt- und Nebenkern ein- ander gleich, und ich glaube darum, auch diesen Sprossungs- process unter jenen Begriff subsummiren zu dürfen. Ausser bei der Salamanderlarve, welche ich bisher im Adbe hatte, fand ich Nebenkerne auch noch bei einigen andern, dort aber nur im Knorpel. Am schönsten zeigte dieselben eine 44mm lange Larve, welche vor dem Tode lange Zeit gehungert hatte. Es scheint mir darum in Anbetracht der bereits eingangs ge- machten Erwägungen nicht unmöglich, dass die Amitosen daselbst durch die geänderten Stoffwechselbedingungen hervorgerufen waren, unter welchen das Thier vor seinem Tode gestanden hatte. Es ist sehr wahrscheinlich, dass bei jener Larve, welehe nicht nur im Knorpel, sondern auch im Epithel reichlich Nebenkerne besass, ein gleicher Grund hierfür vorlag, vielleicht eine parasi- Ueb. d. Vork.v. Nebenkernen i. d. Gewebsz. d.Salamanderlarvenete. 421 täre Krankheit, durch welche die Ernähungsverhältnisse des Thieres wesentlich beeinträchtigt worden waren. Dass bei einigen Larven nur im Knorpel, bei einer anderen dagegen auch ander- wärts Nebenkerne beobachtet wurden, dürfte darauf zurückgeführt werden müssen, dass im ersteren Gewebe der Stoffwechsel ein viel lansamerer als anderswo ist, sodass dort bereits eine geringe Herabsetzung desselben zur Bildung von Nebenkernen führt, während sie anderwärts höchstens gelappte Kerne erzeugt. Für diese Anschauung spricht auch noch der Umstand, dass im Knorpel jener 44mm Larve niemals Mitosen gesehen wurden und viele Zellen ehromatolytische Kernfiguren enthielten. Uebrigens fanden sich in demselben auch Kernzerschnü- rungen von jener Gestalt, wie sie seit langem als häufigste Form der direeten Theilung bekannt ist. Auf Fig. 14 und 15 habe ich Kerne in Hantelform und Fig. 16 zwei gleich grosse, ein- ander dieht angelagerte Kerne in einer Zelle abgebildet. Wären diese letzteren durch Mitose entstanden, so wären sie nicht kreis- rund, sondern möchten das bekannte Bild von zur Ruhe zurück- kehrenden Tochterkernen zeigen und müssten weiter von einander entfernt sein. Die Bildung zweier gleich grosser Tochterkerne auf dem Wege der direeten Theilung an Knorpelzellen muss jenem Process an die Seite gestellt werden, wie ich ihn bereits oben von den Kernen der Leydig’schen Zellen in der Epidermis beschrieben habe. Ebenso wie dort vermöchte ich auch hier eine continuirliche Reihe von Uebergangsformen zwischen der Bildung kleinster Kernknospen und völlig symmetrischer Zerschnürung des Mutter- kernes aufzuweisen. Es genügt aber die Mittheilung der Fig. 13 allein, um meine Behauptung zu stützen. Man kann von derselben nicht entscheiden, ob es sich hier um eine Sprossung mit besonders grosser Knospe oder um eine Zerschnürung mit ungleichen Tochter- kernen handelt. Ich glaube darum die Sprossung in folgender Weise auf- fassen zu dürfen. Die gewöhnliche Form der amitotischen Kern- theilung wird durch ein Wachsthum des Kernes eingeleitet, wo- durch er in allen Dimensionen vergrössert wird. Daraufhin erst zerschnürt er sich in 2 oder mehrere gleiche Fragmente. Bei der Bildung einer Knospe dagegen ist das Wachsthum des Kernes nur an einer Stelle concentrirt. Dort entwickelt sich in Folge 433 Hans Rabl: “dessen eine Hervorwölbung, welche sich weiterhin — vielleicht durch Dehnung des Verbindungsstückes — abtrennt und zur Bildung kleiner Nebenkerne führt. Da die Kernknospen nicht von dem unvergrösserten Kerne abgeschnürt werden, sondern sich gewissermaassen nur als Abspaltungen lokaler Anhäufung von Kernsubstanz darstellen, ist es begreiflich, dass die Haupt- kerne fast nie eine Verkleinerung ihrer Masse zeigen. Eine Theilung des Zellkörpers habe ich in keinem Falle mit Sicherheit nachweisen können. In Bezug auf den Knorpel war ich anfangs der Meinung, dass diejenigen Zellen, welche zwei genau gleich grosse Kerne enthielten, sich später theilten. Ich fand nämlich gar nicht selten jene bekannten Bilder von eongruenten, eng bei einander liegenden Zellen mit verschieden breiter, oft auch nur ganz schmaler Scheidewand, welche auf jüngst abgelaufene Theilungen hinweisen. Da ich aber in Epi- thelzellen eine Theilung des Zellkörpers nach amitotischer Kern- theilung mit Entschiedenheit ausschliessen kann, glaube ich die erwähnten Bilder im Knorpel auf frühere mitotische Theilungen zurückführen zu müssen. Bekamntlich sind von Bütschli (4) und Bigelow (3) Ami- tosen im Knorpel als regelmässiges Vorkommniss beschrieben und die amitotische Vermehrungsart der Kerne als die für den Knorpel normale angesehen worden. Es datiren aber diese Arbeiten aus einer Zeit (1877 und 1879), in der Karyokinesen noch nicht in allen Geweben, und insbesondere noch nieht im Knorpel nachge- wiesen waren. Die Arbeiten von Schleicher und Flemming, worin dies geschah, sind in den folgenden Jahren erschienen. Ich möchte darum in Uebereinstimmung mit Flemming glauben, dass die Mitosen im Knorpel von jenen Forschern theils ganz übersehen, theils in Folge von Verunstaltung derselben durch un- günstige Methoden nicht richtig gedeutet worden waren. In An- betracht meiner eigenen Befunde von Amitosen im Knorpel kann ich diese Erklärung aber doch nicht auf alle Fälle anwenden, sondern will gerne zugestehen, dass jene Forscher auch Bilder echter Amitose vor Augen gehabt haben mögen. Neuestens hat Hammar (18) in den obersten Schichten des Gelenkknorpels beim Menschen 2-kernige Zellen gefunden und ist zur Annahme geneigt, dass dieselben auf direetem Wege entstanden seien, weil Ueb.d. Vork. v.Nebenkernen i.d. Gewebsz.d. Salamanderlarven ete. 423 sich in der unter ihnen gelegenen Zone, von welcher die mehr- kernigen Zellen abstammen, gelappte Kerne vorfinden. Das Vorkommen von Nebenkernen in Knorpelzellen wurde — wie mir scheint — auch von anderen Autoren bereits bemerkt, jedoch nicht richtig gedeutet. Van der Strieht (32) fand im Inneren der Knorpelzellen, nur spärlich bei Salamander- und Tritonlarven, reichlich dagegen im Femurkopfe von Fröschen, welehe während des Winters oder im Anfang des Frühlings ge- tödtet worden waren, Körperchen, welche sich mit Saffranin färbten und die er kurzweg als färbbare Körperchen (Corpuseules eolorables) bezeichnet. Aus ihrer Lage im Zellleib glaubt er den sicheren Schluss ziehen zu dürfen, dass sie im Protoplasma ge- bildet werden. Ich muss dazu bemerken, dass gerade im Knorpel die Nebenkerne oft weitab vom Hauptkerne gelegen sind und mit Saffranin eine homogene Färbung annehmen. Aus solchen Bildern lässt sich darum auch schwer ein Urtheil über die Her- kunft der Nebenkerne ableiten. Auch Dekhuyzen (6) dürfte dieselben bei Rana escul. gesehen haben, denn er beschreibt in den Knorpelzellen dieses Thieres glänzende Kugeln, welehe sich intensiv mit Methylenblau färben. Das Hautepithel der Salamander-Larven hat bereits vielen Forschern als Untersuchungsobjeet gedient, und inbesonders Flemming hat dasselbe auch im frischen Zustand eingehend untersucht. Bekanntlich besitzen die Epithelzellen häufig gelappte Kerne, aber in keinem Falle konnte Flemming (7) trotz stundenlanger Beobachtung des lebenden Thieres eine Abschnü- rung an ihnen wahrnehmen. Dass sich übrigens trotzdem ab und zu etwas derartiges ereignet, beweist nachfolgender Passus aus der Arbeit von C. RabI (28); bei Besprechung einer Ab- bildung einer Epithelzelle, an welcher neben dem Zellkern noch ein kleiner Nebenkern gelegen ist, schreibt er: „Nun findet man nicht selten einzelne Lappen an ihrer Basis mehr oder weniger tief eingeschnürt und ich habe auch mehrmals kleine, rundliche Kernpartien, wie in dem abgebildeten Falle, von dem Mutterkerne völlig losgetrennt gefunden: es liegt daher die An- nahme nahe, dass auch intra vitam zuweilen einzelne Kernpar- tikeln sich abschnüren und einige Zeit neben dem eigentlichen Kern liegen bleiben können, bis sie sich vielleicht später wieder mit ihm vereinigen.“ 424 HanskRabl: Wenn Leydig (23) amitotische Kerntheilungen als ein ganz regelmässiges Vorkommniss in diesem Gewebe beschrieben hat, so war er noch in der Anschauung der früheren Zeit be- fangen, in welcher man gelappte Kerne ganz allgemein als Vor- stadien der Kerntheilung betrachtete und es gar nicht für nöthig fand, weitere Stadien von Amitose aufzusuchen. Uebrigens ist dieselbe Anschauung erst unlängst wieder durch vom Rath (29) vertreten worden. Er meint: „Einstweilen dürfte es sich em- pfehlen, die polymorphen Kerne insgesammt der Amitose zuzu- rechnen, da eine ganze Kette von Uebergangsformen zwischen polymorphen Kernen bis zur Hantelform der Amitose gefunden wird.“ Es lässt sich leider nicht aus der Textstelle erkennen, ob dieser Satz nur auf die Kerne der Sexualzellen oder auch auf die von Somazellen angewendet werden soll. Da aber vom Rath gelappte Kerne aus dem Epithel von Triton für amitotisch sich theilende hält, möchte ich letztere Annahme für die zutreffende halten. Ich brauche nur an die eitirten Beobachtungen Flemming's zu erinnern, um die Unhaltbarkeit einer solchen Ansicht zu beweisen. Ich habe an normalen Salamanderlarven sehr selten echte Kernzerschnürungen gesehen und diese Fälle nur in der oberen Zelllage, welche bei der ersten Häutung abgestossen wird, ge- funden. Doch ist auch hier ihr Vorkommen ein sehr spärliches und liess sich nur bei der 36 mm langen Larve oftmalts eon- statiren. Die gleichen Bilder hat auch schon Schuberg (1) an der Hornschiehte erwachsener Exemplare von Hyla arborea und Bombinator bombinus beschrieben. Der Entstehung der beiden Kerne geht hier eine Vergrösserung des Mutterkernes voraus, wie sie in fast allen Fällen von Amitose beobachtet und von Ziegler inbesonders bei Drüsenzellen hervorgehoben wurde!). Darauf zerschnürt sich der Kern, indem zunächst eine Scheide- wand in ihm auftritt und die dadurch von einander geschiedenen Kerntheile weiterhin auseinanderrücken. Doch besitzen die beiden Kerne an der einander zugewendeten Seite Contourlinien, welche mit einander parallel laufen, indem die Vorsprünge des einen Kernes den Buchten des anderen entsprechen, sodass man auch 1) Ich möchte dazu bemerken, dass auch in Knorpelzellen oft abnorm grosse Kerne vorkommen, auf welche zuerst Bigelow die Aufmerksamkeit gelenkt hat. Es ist möglich, dass auch sie Vorstadien der Amitose darstellen. Ueb. d. Vork. v. Nebenkernen i. d. Gewebsz. d. Salamanderlarven ete. 425 später im Stande ist, die Art der Entstehung der Tochterkerne zu erkennen !!). In ihrer Entstehung durch Knospung des Hauptkernes stimmen die Nebenkerne, welche ich bei den Salamanderlarven beschrieben habe, aber nur als abnorme Bildungen gelten lassen möchte, mit anderen überein, die normaler Weise in verschiedenen Gewebe- zellen vorkommen. Insbesondere die Nebenkerne im Pancreas der Reptilien und Amphibien, welche von Nussbaum (25) ent- deekt und von Platner (26) eingehend untersucht worden sind, haben viele Punkte mit den hier abgehandelten gemein und können ihnen an die Seite gestellt werden, falls sich nieht etwa die Angaben von Steinhaus (34) als richtig erweisen sollten, wonach sie nichts anderes als Kernparasiten darstellen möchten. Jene Formen, welche von v. la Valette St. George, Platner und Prenant in den Spermatocyten verschiedener Thier- klassen gefunden und gleichfalls als Nebenkerne bezeichnet worden sind, können natürlich nieht unter den gleichen Begriff fallen, sondern sind vielmehr — wie das zuerst Hermann für den Salamander nachgewiesen hat — Sphären, welche sich durch scharfe Begrenzung und in gewissen Fällen (Lungenschnecken) durch färbbaren Inhalt auszeichnen. Dagegen hat Meves (24) bei den Spermatogonien des Salamanders und eine Reihe von Forschern in Ovarialeiern Abschnürungen von Chromatinkörnern und kleinen Kernstücken beobachtet, welche mit den hier be- schriebenen Nebenkernen eine grosse Aehnlichkeit besitzen. Nach der eingangs eitirten Theorie vom Rath’s wäre es unwahrscheinlich, dass diese Zellen noch in mitotische Theilung eintreten. In dieser Beziehung scheinen mir meine Beobachtungen über die Nebenkerne bei Salamanderlarven von besonderem In- teresse zu sein, da ich gar nicht selten Zellen fand, welche sich in Mitose befanden, obwohl ausserhalb der Chromosomen ein deutlicher Nebenkern (manchmal sogar in der 2-Zahl und von nicht unbeträchlicher Grösse) zu sehen war. Auf Taf. XXV habe ich eine Reihe von mitotischen Figuren abgebildet, welche das eben gesagte beweisen. Es ist dabei bemerkenswerth, dass die l) Dass sich die Kernmembran in der Durchschnürungsebene unter Umständen früher bildet, ehe sich noch die beiden Kerntheile getrennt haben, wurde bereits vonZGöppert (15) für die Leucocyten des Salamanders, von Galeotti (16) für Careinomzellen angeführt. 426 Hans Rabl: “ Nebenkerne in den Pro- und Anaphasen homogen erscheinen und keine deutliche Struetur in ihnen zu sehen ist. Ich glaube dar- aus schliessen zu dürfen, dass auch in ihnen eine Umordnung, viel- leicht eine feine Vertheilung des Chromatins im Kernsaft statt hat. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch auf das Vorkommen von Mitosen in jenen Zellen verweisen, welche durch eine asymme- trische Vertheilung der Schleifen eine beträchtliche Menge weniger an Chromatin erhalten hatten, als ihnen de norma gebührt hätte. Es hat zuerst Klebs (21) auf diese eigenthümliche Erscheinung in Careinomzellen aufmerksam gemacht und Hansemann (17) dieselbe eingehend studirt und sogar eine Theorie über die Entstehung der Careinome darauf gegründet. Seime Angaben wurden vielfach bestätigt, ausserdem aber auch von Karg (20) und Stroebe (35) asymmetrische Mitosen in Sarcomen, gutartigen Neubildungen und normalem Gewebe aufgefunden, welches sich im Zustande lebhafter Regeneration befand. Es kommt vor, dass ein Tochterkern bei der Metakinese nicht mehr als 8—9 Schleifen erhält. Trotzdem war er noch nachträglich im Stande, sich zu theilen. Vielleicht dürfen auch die Beobachtungen von Hess (19), van Bambeke und van der Stricht (34) über Theilungen an Riesenzellen hier angereiht werden. Bekanntlich kann man an ihnen multipolare Mitosen beobachten, bei welchen jedoch die Tochterkerne nachträglich wieder verschmelzen, sodass die Karyo- kinese hier nur den Zweck einer Vergrösserung der Chromatin- menge verfolgt. Eine Vermehrung der Zellen kommt nur dadurch zu Stande, dass sich die Kerne auf amitotischem Wege zerschnüren und der Zellkörper ihnen nachfolgt!. van Bambeke und van der Strieht betrachten hier also die Amitose als noth- wendiges Complement der mitotischen Theilung. Solche, durch direete Theilung entstandene Kerne vermögen aber noch später’ wieder in Mitose zu treten. Die amitotische Kerntheilung kann hier aber auch im SinneKostanecki’s (22) gedeutet werden, dem entsprechend sie keine regellose Durchschnürung, sondern bloss eine Dissoeiation der einzelnen Kerne und Kerngruppen darstellt, welehe im Riesenkern nieht völlig aufgehen, sondern ihre Indi- vidualität bewahren. Ich kann daher diesen Fall nicht als er- wiesenes, sondern nur als mögliches Beispiel des abwechselnden Dieser Modus der Kerntheilung der Riesenzellen ist bekanntlich von Arnold u. a. bereits vor längerer Zeit beobachtet worden. Ueb.d.Vork. v. Nebenkerneni. d. Gewebsz. d. Salamanderlarven etc. 427 Vorkommens direeter und indireeter Theilung der gleichen Zellart aufführen. Da an vielen Zellen durch das Auftreten von Nebenkernen der Beweis geliefert war, dass sie unter veränderten physiologischen Bedingungen standen, ist es nieht zu verwundern, dass auch die Kerntheilungen nicht immer in normaler Weise verliefen, sondern verschiedene Variationen darboten. Ich will im folgenden einige davon hervorheben. Zunächst liess sich häufig die Wahrnehmung machen, dass bei der Bildung der Tochterkerne und Tochterknäuel einzelne Schleifen den Anschluss versäumten und in der Aequatorialebene zurückblieben. Häufig besassen diese jedoch nicht die sehlanke Gestalt, wie sie von den Schleifen der Salamander-Epithelzellen bekannt ist, sondern waren ovale oder kugelförmige Körper. Es ist sehr wohl möglich, dass oftmals derartige in der Trennungs- ebene liegende Körper nichts anderes als kleine Nebenkerne waren. Für alle Fälle möchte ich jedoch diese Erklärung nich beibehalten, weil diese Gebilde einerseits die Dieke der Chromosomen be- sassen, andererseits gewöhnlich in grösser Zahl vorhanden waren. Ferner liessen sich in der That echte Schleifen, welche in der Aequatorialebene zurückgeblieben waren, constatiren und es schien mir überdies, als ob.auch im Stadium des Mutterkernes zwischen den normal geformten Schleifen kleine kugelige Körper vorhanden wären, welche durch ihre Lage ihre Natur als Chro- mosomen bekundeten. Uebrigens kann ich diesen Beobachtungen nicht zu viel Bedeutung beimessen, weil ich die Mitosen leider nur an Schnitten zu studiren Gelegenheit hatte, und darum auch ab und zu Partikeln von Schleifen vorgelegen haben mögen, deren Haupttheil durch den Schnitt abgetrennt worden war. Aus dem gleichen Grunde kann ich auch die Zahlenverhältnisse der Chro- mosomen an jenen mitotischen Zellen, welche Nebenkerne ent- hielten, nicht für theoretische Erörterungen verwerthen. An Zellen, deren Kerne sich im Stadium der Tochterknäuel mit bereits gebil- deter Kernmembran befinden, kann man nicht selten noch eine chromatische Kugel ausserhalb des Kernes sehen. Solche Bilder sind wiederholt auch von anderen Forschern beobachtet worden. Es lässt sich natürlich in vielen Fällen nicht entscheiden, ob es sich hier um eine pathologischer Weise zurückgebliebene Schleife oder einen Nebenkern handelt. Wenn das erstere der Fall ist, so 428 HanisRia bl: muss sich dieses Gebilde späterhin in einen Körper umwandeln, welcher einem Nebenkerne durchaus gleicht. Der hier beschriebene Fall muss in Parallele zu den von Meves an Spermatogonien von Salamandra beobachteten patho- logischen Kerntheilungsfiguren gesetzt werden. Er fand darunter nämlich Zellen, welche bis zu 20 und mehr Kerne enthielten und konnte nachweisen, dass sich hier die 24 Chromosomen nicht zu einem einzigen Kerne vereinigten, sondern 'bald jedes Chromosom für sich, bald eine Gruppe von solchen in einen kleinen Kern umgewandelt wurden. Dass sich nicht selten am Object von Mevesauch genau der vonmir beobachteteVorgang abspielt, beweist folgender Satz: „Absprengung nur eines Chromosoms oder einer Gruppe von solchen von der Hauptgruppe bei der Mitose scheint nicht selten an diesem Ort zur Bildung einer 2kernigen Zelle zu führen.“ Zu dem gleichen Ziele führt folgender Vorgang: Es trennt sich eine Schleife in der Metakinese nach eingetretener Längs- spaltung nicht vollständig in zwei Theile, sondern die gebildeten Tochterschleifen bleiben noch in Zusammenhang. Bei der Um- ordnung werden bekanntlich zunächst die Winkel gegen die Pole gedreht, und von diesem Punkte ausgehend weichen erst allmählich die Schleifenstücke auseinander. Unterbleibt nun an einem Ende die Längsspaltung, so findet man ein langes Faden- stück, welches quer über den Aequator der Zelle zieht und in der Nähe bei der Pole eine winklige Umbiegung besitzt. Einen derartigen Faden hat Retzius (30, Taf. XII, Fig. 26) gezeichnet. Ich selbst habe in Fig. 29 einen solchen abgebildet. Durch die Entwicklung einer Kernmembran wird das Mittelstück von seinen polaren Enden getrennt und durch die äquatoriale Zer- schnürung der Mutterzelle weiter in 2 chromatische Stücke ge- spalten, welche ihrerseits wieder zu nebenkernähnlichen Gebilden werden. Den Vorgang jenes Processes kann man leicht aus den Fig. 30 und 31 ersehen. Zum Schlusse dieser kleinen Mittheilung möchte ich noch auf eine zweite Art des Zusammenhanges zweier Zellen hinweisen, wie eine solche bereits in ähnlicher aber durchaus nicht gleicher Form in der Literatur an einigen Orten namhaft gemacht worden ist. Platner (26) hat zuerst an den Spermatocyten von Lepi- dopteren sowie bei Helix ausserhalb des Kernes eigenthümliche Körper von geringer Grösse und homogenem Aussehen gefunden, Ueb. d. Vork. v.Nebenkernen i. d. Gewebsz. d. Salamanderlarven etc. 429 welche mit gleichen Gebilden in anderen Zellen zusammenhingen. Er hält diese Körper nicht für Nebenkerne !), da er solehe bei Helix gleichzeitig mit jenen vorgefunden hat. Der Körper persi- stirt auch in den Prophasen der Kerntheilung innerhalb der Zelle, verschwindet aber im Stadium des Asters, indem er all- mählich verblasst. Die von Prenant (27) an Lungenschnecken gemachten Beobachtungen über dasselbe Gebilde stimmen im wesentlichen mit den Angaben Platner’s überein. Nur konnte Prenant nicht bestimmt die gleichzeitige Anwesenheit eines echten Nebenkernes constatiren, sodass er sich gegen den Ge- danken, dass die Nebenkerne und jene fraglichen Gebilde ver- schiedener Natur wären, ablehnend verhält. An demselben Objeet fand Zimmermann (41), dass oft nicht nur 2 sondern mehrere Zellen durch einen eigenthümlichen achromatischen Faden zu- sammenhingen und nannte denselben Zellkoppel. In der bereits eitirten Arbeit von Meves beschreibt dieser Forscher Sphärenbrücken zwischen benachbarten Spermatocyten des Salamanders und hält es für möglich, dass in den Fällen von Platner und Prenant ein gleiches Verhalten vorgelegen habe. Den Beweis hierfür hat Bolles-Lee (23) in einer erst kürzlich erschienenen Mittheilung geliefert, sodass die Frage nach der Natur jenes Verbindungsfadens als gelöst betrachtet werden kann. Ich muss gestehen, dass ich anfangs der Meinung war, dass es sich auch in den Epithelzellen der Salamanderlarven um etwas Analoges handle. Nachdem ich aber eine grössere Zahl von Präparaten durchmustert habe, muss ich diesen Gedanken fallen lassen. An den Fig. 32 und 33 sieht man je 2 benach- barte Kerne durch eine schmale mit Eosin gut roth gefärbte Brücke verbunden. In Fig. 33 liegt jener Körper, von dem der Verbindungsfaden ausgeht, in Form eines winzigen Kegels der Spitze des Kernes unmittelbar an; die Kernmembran lässt sich in die Peripherie des kleinen Ansatzstückes verfolgen ?). In Fig. 1) Wie schon oben erwähnt bezeichnet Platner als Nebenkerne, was wir nach unseren jetzigen Erfahrungen als Sphären auffassen müssen. 2) Eine ganz ähnliche Abbildung liefert Johnson (Amitosis in the embryonal envelopes of the scorpion, Bulletin of the Museum of Comparative Zoology, Cambridge 1892) von 2 amitotisch sich theilen- den Kernen der Serosa des Eies (Pl. I. Fig. 8). In diesem Falle ent- spricht jener Faden der noch nicht völlig durchgeschnürten Verbin- dungsbrücke der beiden Kerne. 430 Hans Rabl: 32 dagegen verbindet sich die erwähnte Kernbrücke beiderseits direet mit den Kernen. In Fig. 34 verbindet es aber nicht die Hauptkerne, sondern zwei äquatorial von ihnen gelegene Neben- kerne, welche aus aberranten Schleifen hervorgegangen sein dürften. Gerade dieses letztere Bild lässt mieh vermuthen, dass Jene achromatische Verbindungsbrücke zweier Kerne denselben Ursprung besitzt, wie der auf Fig. 30 abgebildete ehromatische Verbindungsfaden. Nimmt man an, dass die chromatischen Körnchen innerhalb ihres Liningerüstes, worin sie suspendirt sind, gegen die Kerne zurückwandern, während letzteres in seiner Lage verharrt, so dürften diese Bilder die einfachste Erklärung gefunden haben. Literaturverzeichniss. 1. J. Arnold, Beobachtungen über Kerne und Kerntheilungen in den Zellen des Knochenmarkes. Virchow’s Archiv 9. Bd. Derselbe, Ueber Kern und Zelltheilungen bei acuter Hyperplasie der Lymphdrüsen und Milz. Virchow’s Archiv 9. Bd. 3. Bigelow, Notiz über den Theilungsvorgang bei den Knorpel- zellen. Archiv f. mierosc. Anatomie XV]. Bd. 4. Bütschli, Zur Kenntniss des Theilungsprocesses der Knorpelzellen. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. 29. 5. Chun, Ueber die Bedeutung der direeten Kerntheilung. Sitz.-Ber. der physik.-ökonom. Gesellschaft in Königsberg. 1890. 6. Dekhuyzen, Het hyaline kraakbeen, zijn beteekenis en zijn groei. (Weekblad van het Nederl. tijdschr. voor Geneeskunde 1887.) [Das Original war mir nicht zugänglich, die im Text citirte Stelle war der Arbeit von van der Stricht entnommen.] 7. W. Flemming, Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung. Leipzig 1882. 8. Derselbe, Amitotische Kerntheilung im Blasenepithel des Salaman- ders. Archiv f. mierose. Anat. 34. Bd. 9. Derselbe, Ueber Theilung und Kernformen bei Leucocyten und über deren Attractionssphären. Archiv f. mierose. Anat. 37. Bd. 10. Derselbe, Ergebnisse der Anatomie und Entwickelungsgeschichte von Merkel und Bonnet. Artikel: Zelle. II. und III. Bd. 11. J. Frenzel, Ueber den Darmkanal der Crustaceen nebst Bemer- kungen zur Epithelregeneration. Archiv f. mierosce. Anat. 25. Bd. 12. Derselbe, Einiges über den Mitteldarm der Insecten, sowie über Epithelregeneration. Archiv f. microse. Anat. 26. Bd. 13. Derselbe, Zur Bedeutung der amitotischen (direeten) Kerntheilung. Biol. Centralbl. 11. Bd. 14. Derselbe, Die Mitteldarmdrüse des Flusskrebses und die amito- tische Zelltheilung. Archiv f. mieroscop. Anat. 41. Bd. D Ueb. d. Vork. v. Nebenkernen i. d. Gewebsz.d.Salamanderlarven ete. 431 15. 16. 17. 18. 19. E. Göppert, Kerntheilung durch indirecte Fragmentirung in der Iymphatischen Randschicht der Salamanderleber. Archiv f. mierose. Anat. 37. Bd. G. Galeotti, Beitrag zum Studium des Chromatins in den Epithel- zellen der Careinome. Ziegler’s Beitr. zur pathol. Anat. 14. Bd. D. Hansemann, Ueber asymmetrische Zelltheilung in Epithel- krebsen und deren biolog. Bedeutung. Virchow’s Archiv 119. Bd. J. Hammar, Ueber den feineren Bau der Gelenke. Archiv f. microse. Anat. 43. Bd. Hess, Ueber Vermehrungs- und Zerfallsvorgänge an den grossen Zellen in der acut hyperplastischen Milz der weissen Maus. Bei- träge zur pathol. Anat. und zur allgem. Pathol. 8. Bd. Karg, Das Carcinom. Festschr. f. Thiersch. Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie Bd. 34. Klebs, Handbuch der pathologischen Anatomie. Kostanecki, Ueber Kerntheilung in Riesenzellen. Anat. Hefte. Abih.elr, 1892. . Bolles-Lee, La regression du fuseau caryocinetique, le corps probl&matige de Platner et le ligament interc£ellulaire de Zimmer- mann dans les spermatocytes de Helix. La Cellule Tome 11. Fr. Leydig, Zelle und Gewebe. Bonn 1885. Meves, Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre in den Spermatogonien von Salamandra maculosa. Arch. f. mier. Anat. 44. Bd. Nussbaum, Ueber den Bau und die Thätigkeit der Drüsen. Archiv f. mieroscop. Anat. 21. Bd. Platner, Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungs- erscheinungen. (Archiv f. microsc. Anat. 33. Bd., pag. 125 u. 180.) Prenant, Observations ceytologiques sur les elements seminaux des Gasteropodes pulmon&s. La Cellule Tome IV. C. Rabl, Ueber Zelltheilung. Morphol. Jahrb. Bd. 10. OÖ. vom Rath, Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese von Salamandra maculosa. 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Bd. 30. Derselbe, Die biologische Bedeutung der amitotischen (directen) Kerntheilung im Thierreich. Biol. Centralblatt 11. Bd. Derselbe und vom Rath, Die amitotische Kerntheilung bei den Arthropoden (ebenda). RK. W. Zimmermann, Ueber den Kerntheilungsmodus bei der Spermatogenese von Helix pomatia. Verh. d. anatom. Gesellsch. 1891. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXV. Sämmtliche Figuren wurden nach Zeiss, Apochromat 2mm äquiv. Brennweite, Apertur 1,30 und Compensationsocular 8 ausgeführt. Mit Ausnahme der Figuren 14, 15 und 16 stammen alle von der ‚36 mm langen Salamanderlarve, die ersteren wurden nach Präparaten der 44 mm langen Larve entworfen. 1: Io) e. 18. ‚B: Leydig’sche Zelle mit Kern, welcher mehrere kurze Fort- sätze besitzt, die möglicherweise Veranlassung zur Bildung von Nebenkernen geben. Leydig’sche Zelle mit Nebenkern, in einer Protoplasmabrücke gelegen. Leydig’sche Zelle mit grossem Nebenkern. Leydig’sche Zelle. Entstehung eines Nebenkernes durch Sprossung, welcher die Grösse des Mutterkernes besitzt. Leydig’sche Zelle mit 2 Kernen, die nach dem in der vorher- gehenden Figur dargestellten Processe entstanden sein dürften. Öberflächliche Zelle der Epidermis mit einem in Bildung be- griffenen und 2 abgeschnürten Nebenkernen. Epithelzelle aus der Haut, von 2 Leydig'’schen Zellen seitlich zusammengedrückt. Kern oval, an seinem oberen Ende liegen 3 Nebenkerne. Oberflächliche Epithelzelle. Nebenkern seitlich vom Mutterkern gelegen. Stück aus der knorpeligen Chordascheide mit 2 ovalen Knor- pelzellkernen, an deren Spitze je ein sehr kleiner Nebenkern. . Kern einer Knorpelzelle mit 5 eben abgeschnürten Nebenkernen. . Knorpelzelle mit 5 im Protoplasma zertreuten Nebenkernen . Bildung eines Nebenkernes durch Sprossung aus einem Kern einer Knorpelzelle. Knorpelzelle mit asymmetrisch zerschnürtem Kern, dessen kleinere Hälfte auch als Nebenkern aufgefasst werden kann, der eben aus dem Mutterkern hervorsprosst. . 14 und 15. Syminetrische Zerschnürung eines Knorpelzellkernes (Hantelform der Amitose). Auf amitotischem Wege 2kernig gewordene Knorpelzelle. Ueb. d. Vork.v. Nebenkernen i.d. Gewebsz. d. Salamanderlarven ete. 433 Fig. 17—25. Mitosen in Zellen der Epidermis, welche neben dem sich thei- lenden Hauptkerne noch 1, in Fig. 17 2Nebenkerne (N) enthalten. Fig. 26. Tochtersterne einer Epithelzelle mit in der Aequatorialebene zurückgebliebenen rundlichen und schleifenförmigen Chroma- tinstücken. Fig. 27. Tochterknäuel mit bereits in kernartige Gebilde umgewandelten Chromosomen, welche nieht in den Hauptkern einbezogen wer- den. Ob das ovale Chromatinstück bei a eine aberrante Schleife oder einen Nebenkern darstellt, lässt sich nicht entscheiden. Fig. 28. Zur Ruhe übergehende Tochterkerne mit homogenem Neben- kern in einer der beiden Zellen. Seine Herkunft lässt sich nicht sicher angeben, doch dürfte er nach seiner Lage wahr- scheinlich aus einem zurückgebliebenen Chromatinstück her- vorgegangen sein. Fig. 29. Tochterkerne mit verbindendem Schleifenschenkel. Fig. 30 und 31. 2 Tochterkerne, welche durch chromatische Fäden zusammenhängen. In Fig. 31 sind bereits aus dem Verbin- dungsstück zwei Nebenkerne geworden. Fig. 52—34. 3 Paare von Epithelzellen, deren Kerne durch achroma- tische Brücken in Verbindung stehen. Näheres darüber siehe im Text. Ueber das Paranuclearkörperchen der ge- kernten Erythrocyten, nebst Bemerkungen über den Bau der Erythrocyten im Allgemeinen. Von Dr. Ludwig Bremer, St. Louis, Missouri. Hierzu Tafel XXV]. Ein seinem Wesen nach ‚bis jetzt unbeschriebenes, obwohl von einigen Beobachtern gesehenes und dargestelltes Gebilde ist ein winziges rundes Körperehen, welches in jedem rothen Blut- körperchen der Vögel und der niederen Wirbelthiere gefunden wird. Ich habe verschiedene Arten von Vögeln, Schildkröten, Fröschen, Kröten und Fischen untersucht und besagtes Gebilde regelmässig vorgefunden, obgleich die Siehtbarmachung desselben bei verschiedenen Thieren verschieden schwierig ist. 434 Ludwig Bremer: Das Paranuelear-Körperchen, oder Kügelehen, wie ich es nennen möchte, ist ein kleiner Körper von Kugelform, welcher in der Nähe des Kernes im Disköplasma der völlig ausgebildeten Erytirocyten der genannten Thierklassen, aber auch in den nicht ganz entwickelten, und sogar in den jüngsten Formen, den Hae- matoblasten, gefunden wird. Im letzteren, den Haematoblasten, ist es besonders leicht nachweisbar bei Hühnern. Gewöhnlich liegt es hier in der Nähe eines der Pole der Kerne und besteht aus einer weissen Masse, welche unfärbbar ist mit irgend welchen der gewöhnlich gebrauchten Färbsubstanzen, und einem im Cen- trum dieser Kugel gelegenen winzigen färbbaren Punkte. Die kugelige Hülle erscheint deshalb wie ein lichter, das gefärbte Körperehen umgebender Hof. Die Färbung, vorzugsweise nach der späterhin zu erwähnenden Methode, stellt das Lageverhält- niss des Körperchens zu unfärbbaren Kugeln klar. Letztere sind schon von Ranvier'!) in den Erythrocyten der Frösche gesehen und von Hayem?) in den Haematoblasten des Hühnerblutes als „granulations brillantes* beschrieben und abgebildet worden. Ranvier sagt hierüber: „Parmi les globules rouges de la gre- nouille, etudies sur une prepraration fraiche, il s’en presente presque toujours quelques-uns qui, au milieu de leur masse, posse- dent des vacuoles spheriques, claires. ÜCes vacuoles sont rem- plies d'une substance dont lindice de refraction est inferieur & celui du globule, ce que l’on recomnait A ce qu'elles deviennent obseures quand on &loigne l'objeetif. Une preparation de sang bien fermde, abandonnde A elle m&me pendant vingt-quatre heures, montre un bien plus grand nombre de globules rouges munis de vacuoles et dans chacun de ceux-ci ces vacuoles sont plus srandes et plus nombreuses.*“ Ranvier enthält sich jeglicher Vermuthung über die Bedeutung dieser Gebilde. Die Angabe, dass eine grössere Anzahl in einem Erythroeyten vorkommt, und dass ihre Zahl zunimmt, beweist, dass er intramortale Degene- rationsproduete des Diskoplasmas in Gestalt unfärbbarer kuge- liger Gebilde, die unter dem Deckglase im dem eingeschlossenen Präparate manchmal in grösserer Anzahl auftreten, mit einem histologischen Bestandtheile des rothen Blutkörperchens zusammen- 1) Trait& d’histologie p. 191 und 192. 2) Du sang et de ses alterations anatomiques p. 159. Ueber das Paranuclearkörperchen der gekernten Erythrocyten etc. 435 geworfen hat. Die Zeichnung übrigens, welche Ranvier giebt, und welehe ein rundes, weisses Feld an einem Pole des Kernes zeigt, ist insofern richtig, als sie Lage und Gestalt eines auf- gequollenen Paranuclear-Körperchens darstellt. Hayem hat dieselben Gebilde in den Haematoblasten !) des Vogelblutes gesehen. Ranvier’s Beobachtung an den ausgebildeten Erythroeyten des Frosches erwähnt er nieht; er hat also nicht an die Identität dieser Körperchen gedacht. Auch Hayem verfällt in denselben Irrthum wie Ranvier, dass er eine normale histologische Struetur- eigenthümlichkeit mit Degenerationsgebilden, die während des Absterbens der Blutzelle auftreten, zusammenwirft. Er sagt (l. e.): „Les granulations brillantes ?) sont rendues tres apparentes par le fait de la dessication, elles sont souvent tres volumineuses et forment parfois autour du noyau une sorte de chapelet incomplet, dont les grains les plus volumineux ont assez souvent une forme anguleuse.* Er giebt dann weiter an, dass es unmöglich sei, ihre Natur mittelst Reagentien zu bestimmen, betrachtet sie aber als Mittel, um die Haematoblasten von den weissen Blutkörperchen zu unterscheiden. Ich will hier gleich bemerken, das die perlschnurartigen Gebilde von denen Hayem sprieht, immer Degenerations- resp. Agone-Erscheinungen sind, mit denen die wirklichen Paranuclearkörperehen, die immer in der Einzahl an einem Pole des Kernes liegen, nichts gemein haben. Als Unterscheidungsmerkmal zwischen Haematoblasten und Leukoeyten haben sie keinen Werth mehr in unserer Zeit der neueren Reagensproben der mikroskopischen Blutuntersuchung. Eine Verwechselung zwischen beiden gehört z. B. bei der Färbe- methode, welche ich unten angeben werde, geradezu zu den Un- möglichkeiten. In Parenthese möchte ich hier bemerken, dass Ranvier diese Zellen (die Haematoblasten), die bald spindelförmig, bald ovoid, bald abgerundet an einem Pole und am andern in eine 1) Dies sind wirkliche Haematoblasten, nicht Blutplättchen, welche letztere, wie ich an anderer Stelle (Centralbl. d. med. Wiss. 1894. Nr. 20) nachgewiesen habe, Zerfallsproduete der Erythrocyten bei Säugethieren sind. 2) Er spricht von Haematoblasten. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45. 23 436 Ludwig Bremer: "Spitze ausgezogen sind (Fig. 16), ihrer Herkunft nach als en- dothelialen Ursprungs betrachtet. Recklinghausen, als er die Beobachtung machte, dass weisse Blutkörperchen sich in rothe verwandelten, hatte wahrscheinlich Haematoblasten (des Frosches) vor sich, die in der That im Blute zu Erythrocyten auszuwachsen scheinen, wenn nämlich der Nachweis, den man liefern kann, dass alle Stadien, vom typischen, farblosen Haematoblasten, dessen Protoplasma rein basophil reagirt, bis zum ausgewachsenen Ery- throeyten, mit ausgesprochener Haemoglobin-Reaction, vorkommen, zu einem solchen Sehlusse berechtigen. Eine Betrachtung der Entwickelungsgeschichte und Anatomie dieser Haematoblasten bei Oviparen und den niederen Vertebraten wird weiter unten erfolgen. Zuvörderst eine Besprechung des paranuclearen Körper- chens, wie es in den ausgewachsenen Erythrocyten erscheint. Wenn man das Blut einer Schildkröte (ich habe mich der in der Gegend von St. Louis häufig vorkommenden Testudo carolina und der Chelydra serpentina bedient) im frischen Zustande unter- sucht, so fallen kleine kugelförmige Gebilde auf, die in der Substanz des Zellleibes der Erythrocyten, gewöhnlich in der Nähe eines der beiden Pole, meistens etwas seitwärts von ihnen, manch- mal auch neben dem Kerne, d. h. in oder nahe dem verlängerten, kurzen Durchmesser desselben liegen (Fig. 2). Unmittelbar nach der Entnahme des Blutes, vorzugsweise wenn man schnell mani- pulirt, nimmt man nur ein einziges derartiges Körperchen für je einen Erythroeyten wahr. Nach einigen Minuten jedoch, und noch mehr nach einigen Stunden, sieht man Erythrocyten, welche mehrere Kügelehen von anscheinend derselben Art und Grösse enthalten (Fig. 4,5). Diese neuentstandenen Gebilde sind Kunst- produete. Sle sind entweder zertrümmerte Fragmente des Pa- ranuclearkörperchens, welches sich beim Absterben des Erythro- eyten in zwei, drei und mehr Kügelchen theilt (Fig. 5), oder es sind wirkliche Vaeuolen, in dem Sinne, den man gewöhnlich mit diesem Worte verknüpft, oder aber es sind auf- oder eingelagerte. Fibrin-Kugeln. Der Beweis kann leicht vermittelst der Färbung geliefert werden. Färbt man nämlich ein in der gewöhnlichen Weise ausge- strichenes und erhitztes (125° C.) Präparat mit den unten be- schriebenen Farblösungen, so gewahrt man unter den verschiedenen ungefärbten Kügelchen (in Praeparaten, welche längere Zeit in Ueber das Paranuelearkörperchen der gekernten Erythrocyten ete. 437 Paraffinöleinschluss aufbewahrt worden sind) regelmässig eins, welches in seinem Centrum ein winziges punktförmiges Gebilde einschliesst.. Dies hat einen specifischen, obschon schwachen Farbenton angenommen, während die es umgebende, kugelförmige Substanz völlig farblos erscheint. Ist, wie dies manchmal ge- schieht, die letztere in eine Anzahl kleiner Kugeln, sage drei oder vier, zerfallen, so zeigt sich das färbbare Körperchen nicht. Es ist in diesem Falle entweder aufgequollen und unfärbbar geworden, oder es ist aus der es umgebenden Masse ausgetreten. Kommen in einem Erythrocyten ein oder mehrere ungefärbte Kügelchen vor, ausser der dem Paranuclear-Körperchen angehörigen und durch ihre Lage nahe einem Kernpole gekennzeichneten Substanz, so hat man es entweder mit jenen Vacuolen, also Artefacten, oder mit Fibrinkugeln zuthun. Die letzteren färben sich schwarz mit der Gram’schen Methode, die ersteren sind überhaupt nicht zu färben. Im frischen Zustande ist das Paranuclearkörperchen (ich verstehe also darunter die unfärbbare Kugel mit dem central ge- legenen färbbaren, punktförmigen Körperchen) ebenfalls sichtbar, vorzugsweise wenn das Präparat unter Paraffinöleinschluss einige Stunden alt geworden ist. Die weisse, umhüllende, kugelige Sub- stanz ist dann um das drei- oder vierfache geschwollen, und ihr Rand dunkler und schärfer eontourirt. Das Central-Körperchen erscheint auch etwas vergrössert, hat aber schwach verwaschenen Umriss und verschwindet nach einiger Zeit gänzlich. An manchen Erythroceyten erhält man den Eindruck, als ob das Paranucelear- Körperehen geborsten und aus dem Zellleibe des Erythrocyten herausgefallen sei. Unter diesen Umständen sieht man an seiner Stelle ein kreisrundes Loch in dem Zellleibe des Erythrocyten, wie mit einem Locheisen ausgeschlagen. Viel leichter nachweisbar, weil leichter differenzirbar mittels Doppelfärbung (Eosin-Methylenblau) ist das Paranuclear-Körper- ehen in den Jüngeren Erythrocyten und den Haematoblasten, oder besser Erythroblasten. Die Leichtigkeit der differentiellen und specifischen Färbung beruht hier zum Theil auf der Farblosig- keit des Zellkörpers. Vielleicht trägt auch die Jugend des Kör- perehens, welches wahrscheinlich eben den Kern verlassen hat, zu der intensiven Färbbarkeit bei. Beim Huhne und beim Trut- hahn ist mir seine Darstellung stets ohne Schwierigkeit gelungen, l 438 Ludwig Bremer: es erscheint deutlich blau mit farblosem Hofe in dem eosinroth gefärbten Zellleibe. Mit zunehmendem Alter der Zelle nimmt die Leichtigkeit der Sichtbarmachung ab. Wie schon weiter oben bemerkt, hat Hayem, der übrigens meines Wissens der einzige unter den Beobachtern auf diesem Felde (bei Haematoblasten) ist, welcher diese Gebilde erwähnt, die Hüllsubstanz (granulation brillante) mit den intramortal sich bildenden, weissen Kügelchen oder Vacuolen (chapelets) zusammen- geworfen. Dass diese, manchmal zu einem Kranze oder einer Perlenschnur sich ordnenden farblosen Körperchen, ebensowenig mit dem eigentlichen Paranuelear-Körperchen des Haematoblasten zu thun haben, wie bei den ausgebildeten Erythrocyten, liegt auf der Hand. Das färbbare Central-Körperchen des Paranuclear- Gebildes hat Hayem nicht gesehen. Das Eckigwerden, welches er erwähnt, wird sowohl an den Paranuclear-Körperchsn als auch bei den Artefacten, den Vacuolen, beobachtet und ist eine intra- mortale Erscheinung. Wie schon von Ranvier angegeben, hat das von ihm als Vacuole aufgefasste Gebilde einen geringeren Refractionsindex, als das es umgebende Diskoplasma, was sich dadurch documen- tirt, dass bei höherer Einstellung des Tubus die Kugel dunkel erscheint. Dasselbe ist aber auch der Fall mit den in denselben Erythrocyten auftretenden Agoneproducten, den wirklichen Va- euolen, und ebenfalls mit den Fibrinkugeln, die manchmal eine be- deutende Grösse erreichen !). Seiner Natur nach ist das Paranuelearkörperchen ein vom Innern des Kernes im das Diskoplasma ausgewanderter Nucleolus oder vielleicht ein Nucleolusfragment, umgeben von einer dem Kerne entnommenen Hüllsubstanz. In den Kernen mancher Blut- körpereben kann in der That der Nachweis zweier Nucleoli ge- liefert werden. In diesem Falle existirt kein paranucleares Kör- perchen. Die Kernkörperchen unterscheiden sich von der nu- clearen Masse dadurch, dass sie, entweder gar nicht, oder nur 1) Dieser Fibrin-Kugeln ist meines Wissens nirgend Erwähnung gethan. Die Beobachter auf dem Felde der Blutuntersuchung sprechen stets nur von Fibrinfäden. Der Anfang der Fibringerinnung tritt je- doch stets in Kugelform auf sowohl im Plasma, als auch innerhalb des Zellleibes der Erythrocyten. Erst später bilden sich zarte Verbindungs- fäden und fügen sich zu einem Netze zusammen. Ueber das Paranuclearkörperchen der gekernten Erythrocyten etc. 439 schwach tingirbar sind mit den gebräuchlichen, kernfärbenden Anilinfarbstoffen. Das Central-Kügelchen des Paranuclear-Körper- chens verhält sieh ähnlich. Seine Grösse, die Schwierigkeit der der Färbung und seine Lage sprechen für den nueleolaren Charakter. Dagegen ist es schwer zu verstehen warum die einhüllende Sub- stanz unfärbbar ist. Wenn nämlich das paranucleare Körperchen ein Nueleolus ist, so sollte man annehmen, dass die kugelige Hülle von nuclearer Herkunft also von anilinbasischer Farbenreaction sei. Die Angabe, dass die Einhüllungssubstanz unfärbbar ist, gilt übrigens nur von der überwiegenden Mehrzahl der Präparate. Hin und wieder gelangen mir Präparate, in welchen auch dieser Theil des Paranuelear-Körperchens schwach tingirt war; nie aber färbt er sich so intensiv, wie das Centralkörperchen. In vielen Präparaten, in welchen letzteres mit grosser Deutlichkeit wahr- nehmbar ist, kann ersteres überhaupt nicht nachgewiesen werden, nicht deswegen, weil es fehlt, sondern weil es von dem Disko- plasma nicht differenzirbar ist (Fig. 10, 11). Verschiedene und wiederholte Beobachtungen berechtigen zu der Annahme, dass diese Körperchen in innigem Zusammen- hange mit der Lebensthätigkeit der Blutzelle stehen. Bei be- ginnendem Absterben des Erythroeyten, welches in vorgerücktem Stadium in Aufquellung, verminderter Färbbarkeit, Freiwerden des Kernes und einer Degeneration (Verlust der Haemoglobin- reaction) resp. Auflösung des Zellleibes sich zeigt !), schwillt und schliesslich verschwindet das paranucleare Körperchen. Wie schon oben gesagt, schwillt das Körperchen, sowie die Hüllsubstanz kurze Zeit nach der Blutentnahme unter dem Deck- glase auf. Darauf tritt Zerklüftung der Umhüllungskugel ein. Bei Hühnerblut konnten jedoch diese Erscheinungen, besonders das Grösserwerden der in Frage ‘stehenden Körperchen nicht be- obachtet werden. An Präparaten, die nach vorhergehender Behandlung mit Essigsäure mit Dalia-Methylgrün gefärbt werden, tritt in eigen- thümlicher Weise eine Art von Negativbild der durch die Gram- sche Methode oder durch Eosin-Methylenblau erzielten Färbung auf. 1) cf. Centralbl. f. d. med. Wiss. 1894. Nr. 20. Ueber die Her- kunft und Bedeutung der Blutplättehen. Bemerkung über das Aequi- valent der Blutplättchen im Vogelblute. 440 Ludwig Bremer: Während nämlich bei anderen Färbemethoden ein heller Querstreifen in beiden polaren Hälften des Erythrocyten zwei dunkel gefärbte Zonen von einander scheidet, erscheint dieselbe Zone hier dunkler gefärbt (Fig. 12). In solchen Präparaten lassen die Paranuelear-Körperehen auch häufig ihren Zusammen- hang mit dem Kerne dnrch ein fadenförmiges Gebilde erkennen (Fig. 11). Bei Vögeln (Huhn und Truthahn) ist das (färbbare) Central- körperchen ziemlich leicht nachzuweisen; schwerer ist dies bei der Kröte, am schwersten, wie mir scheint, bei Fröschen, obwohl auch hier, wenn man einmal mit dieser morphologischen Eigen- thümliehkeit näher vertraut ist, das punktförmige Gebilde nach einigem Suchen gefunden, und mit genügender Sicherheit con- statirt wird. Bis jezt ist es mir noch nicht gelungen, dieses Körperehen in den gekernten Erythroeyten, welche im rothen Knochenmarke der Säugethiere vorkommen, nachzuweisen, obgleich ich überzeugt bin, dass dasselbe auch hier bei nöthiger Ausdauer demonstrirt werden kann. Ich habe mich bemüht, das paranucleare Körperehen, oder dessen Aequivalent in den kernlosen Erythroeyten, der Sänger aufzufinden. Ich glaube dasselbe in einem Gebilde erblicken zu können, das besonders deutlich bei gewissen pathologischen Zustän- den des Blutes, u. a. bei manchen durch Neurasthenie und verwandte Erkrankungen heruntergekommenen Individuen auftritt und daher hier zuerst von mir beobachtet worden ist, im Uebrigen ein nor- maler morphologischer Bestandtheil des rothen Blutkörperchens zu sein scheint, dessen Sichtbarwerden durch physikalische Ver- hältnisse bedingt ist. Färbt man nämlich das Blut nach gewöhn- licher Vorbehandlung nach einer Methode, die ich in einer in Vorbereitung begriffenen Arbeit über die Morphologie des gesunden und kranken Blutes ausführlich beschreiben werde, so sieht man in einer gewissen Anzahl der Erythroeyten, manchmal in allen, die in einem Felde liegen und die aus physicalischen Gründen dem Hervortreten günstig gewesen sind, ein winziges, weisses, leuchtendes Kügelehen. Ich habe das Stigma der rothen Blut- körperchen genannt und fasse es als das erste Degenerationszeichen derselben auf. Dasselbe ist auch in gewissen Feldern des Aus- Ueber das Paranuclearkörperchen der gekernten Erythrocyten etc. 441 strichpräparates, wo die Verhältnisse günstig liegen, im unge- färbten Präparate mit Leichtigkeit nachzuweisen. Die verwirrende Mannigfaltigkeit in der Morphologie der Erythroceyten in ein und demselben Präparate, die jedenfalls auch andern Beobachtern schon anfgefallen ist, und die der nor- malen und pathologischen Anatomie des Blutes seither die grössten Schwierigkeiten entgegengesetzte, hat mich bewogen ein Ver- fahren beim Ausstreichen des Bluttropfens zu ersinnen, in welchem die verschiedenen Formen, unter denen’ sich die rothen Blut- körperehen scheinbar in planloser und oft bizarrer Weise präsen- tiren, gewissermaassen loealisirt werden. Das Verfahren ist folgendes: Der Bluttropfen (von Durch- schnittsgrösse) wird mit der Kante eines quadratförmigen Deck- glases vom Finger der Versuchsperson aufgefangen, so dass er nahe der Mitte einer Kante zu liegen kommt. Mit einem anderen Deckglase streicht man in einem Winkel von ungefähr 450 zum ersten den Tropfen in der Weise aus, dass dünne, dieke und mitteldieke Blutschichten entstehen, in welchen man nun die Haupt- formen der Erythrocyten in allen ihren Eigen- thümlichkeiten, die durch ihre anatomische Beschaffenheit und dureh intramortale Veränderungen bedingt werden, beobachten kann. Es entstehen demnach auf dem Deck- glase Erhöhungen und Vertiefungen, Hügel und Thäler,” oder wenn man vom ungetrockneten Präparate spricht, Wellen und Wellenthäler, wie es die folgende Figur zeigt. Die Blutkörperchen nun im getrockneten Präparate, ob gefärbt oder ungefärbt, machen einen durchaus verschiedenen Eindruck, je nachdem man sie in den dünnsten, mitteldieken oder dieksten Schichten studirt. Es ist hier nicht der Ort, des Näheren auf alle diese Structurverschiedenheiten einzugehen. Für gegenwärtigen Zweck genügt es, zu bemerken, dass die Erythro- cyten der Gipfel des Hügels und diejenigen des Thales artificiell so verändert sind, dass sie zum Studium ihrer Histologie nicht geeignet sind. Die ersteren sind in Rollenform geordnet, und deshalb un- Bie.2. 442 Ludwig Bremer: “brauchbar zum Nachweise ihres Baues, die letzteren verlieren ihre Structureigenthümlichkeiten dadurch, dass beim Trocknen das Haemoglobin in die Delle hineindiffundirt, wodurch die ganze Blutzelle homogen erscheint. Für das genauere Studium des Erythrocyten im Allgemeinen, sowie zum Nachweise des Stigma im Besonderen ist die mittlere Zone, also der Abhang des Hügels, oder der Welle am besten zu verwerthen. Im ungefärbten Präparate erscheint das Stigma hier bei hoher Tubuseinstellung als ein intensiv braunrothes Pünktchen, dass bei tieferer Einstellung leuchtend weiss wird. Man muss sich hüten es mit einem anderen, oft beobachteten und schon von Hay em beschriebenen centralen Gebilde (bouton central) zu verwechseln. Dieser Centralknopf, den man in ver- schiedener Menge im Blute des Menschen findet, ist viel grösser, ist Artefact, seiner Natur nach ein Diskoplasma-Kügelchen, welches während der Agonecontraction des Erythrocyten in die Delle hineingepresst worden ist, und optisch die entgegengesetzten Er- scheinungen als das Stigma datbietet. Bei hoher Tubuseinstellung erscheint der Centralknopf weiss, bei niederer hat er die Farbe des Diskoplasma. Um meine Auffassung von der Natur dieses punktförmigen, unfärbbaren Körnchens dem Verständnisse des Lesers näher zu bringen, erachte ich es für nothwendig, einige Bemerkungen über den Bau der rothen Blutkörperehen beim Säugethiere, resp. dem Menschen, hier einzuflechten. Die Blutscheibe beim Menschen stellt eine Zelle mit ru- dimentärem Kern dar. Der Zellleib, oder das Diskoplasma bildet einen Ring, vergleichbar einem ringförmigen Luftkissen. Die bildlichen Darstellungen, welche man selbst in den jüngst erschienenen Werken über die Histologie und pathologische Anatomie findet, sind sämmtlich defeet und irreleitend. Die Ur- heber dieser Bilder gehen von der irrthümlichen Voraussetzung aus, dass das Diskoplasma eine fast homogene Substanz ist, dass das Haemoglobin durch den ganzen Erythrocyten verbreitet ist, und dass derjenige Theil, welcher der Delle entspricht, nur des- halb lieht und ungefärbt erscheint, weil hier der Diekendurch- messer, verglichen mit dem des peripherischen Theiles, ein viel geringerer ist. In Wirklichkeit besteht ein Zellleib und ein flaches, bläschenförmiges, centrales Gebilde, welches von dem Ueber das Paranuclearkörperchen der gekernten Erythroeyten ete. 443 Diskoplasma ringförmig umgeben ist, und welches, besonders in krankhaft verändertem Blute, ein winziges centrales Körperchen enthält, das unter gewöhnlichen Verhältnissen dieselbe Farben- reaction aufweist, wie das Diskoplasma. In dem Blute mancher Personen dagegen (in manchen Fällen von nervöser Kachexie z. B.) erscheint es bei Doppelfärbung mit Eosin-Methylenblau entschieden blau, d. h. es zeigt die typische Kernfärbung. Aus diesem Grunde halte ich das Centralkörperchen, welches manchmal sternförmig oder mit zarten Ausläufern versehen ist (Fig. 17 u. 19), für den rudimentären Kern des Erythrocyten, weleher im Centrum eines von einer zarten Membran umgrenzten flachen, linsenförmigen Bläschens liegt. Manchmal ist der Inhalt dieses Bläschens diffus gefärbt (in Folge des hineindiffundirten Haemoglobins), so dass von dem Rudimentärkerne nichts zu sehen ist. Dieses centrale Bläschen nun, dessen abschliessende Membran der Kernmembran der Erythroeytenkerne bei Vögeln und niederen Vertebraten entspricht, wird in Bezug auf seine Grösse und Ge- stalt durch die Contractionsverhältnisse des Diskoplasmas bestimmt. In dicht bei einander liegenden Erythrocyten sieht man oft cen- trale Felder von verschiedenem Durchmesser. Das centrale lichte Feld mag bei dem einen als verhältnissmässig grossse Scheibe er- scheinen mit schmalem, haemoglobinhaltigen Stromaringe, während esim benachbarten Erythrocyten auf einen kleinen hellen Punkt zu- sammengeschrumpft ist. Man erhält so den Eindruck einer iris- artigen Einrichtung. Es giebt Maximum-, Medium- und Minimum- Contractionszustände des Diskoplasmas. In dem Blute mancher sehr heruntergekommenen Individuen kann man von der Grösse des Haemoglobin-Ringes auf einen abnormen Zustand des Disko- plasmas schliessen (Fig. 19). Natürlich müssen hier die physi- kalischen Verhältnisse, z. B. die Dieke des Blutstratums und der Grad der Schnelligkeit des Trocknens, mit in Berechnung gezogen werden. Thatsache ist, dass sich dieser abnorme, gleichsam „para- Iytische“ Zustand des Blutkörperchenstromas nicht bei gesunden, sondern nur bei durch ehronische (besonders functionelle) Nerven- erkrankungen heruntergekommenen Personen findet. In der Nähe des rudimentären'Kernes'nun, aber stets innerhalb des Stromaringes, also innerhalb der Kernmembran, trifft man das Stigma als constanten Begleiter des Rudimentärkernes (Fig. 17, 18, 19, 20). Sein deutlicheres Auftreten, resp. Sichtbarwerden 444 Ludwig Bremer: in krankhaften Zuständen des Blutes scheint mir den Schluss zu rechtfertigen, dass man es hier mit einem vestigialen Gebilde zu thun hat, wohl mit einem nicht in das Diskoplasma ausgewanderten Nueleolus oder Nueleolusfragmente. Aehnlich wie das Absterben des gekernten Erythroeyten durch gewisse Veränderungen an dem Paranuelear-Körperchen eingeleitet wird, so bedeutet das Deutlich- und Grösserwerden des Stigmas den herannahenden Tod des betreffenden Erythroeyten beim Säugethiere. Sehr frappante Bilder bietet die Fibrinformation in den Ery- throeyten, wie sie die Gram’sche Methode zur Anschauung bringt (Fig. 13, 14, 15, 20, 21). In dem sterbenden Erythroeyten sieht man ausser den eben erwähnten Veränderungen eine fort- während sich steigernde körnige Fibrinausscheidung in dem Diskoplasma. Zuerst erscheint ein den Kern umgebender Ring oder Doppelring, aus Fibrnkörnern gebildet, dann eine ringförmige Wolke, die aus feinsten Fibrinkügelchen besteht und die sich bei fortschreitender Erstarrung des Erythrocyten nach der Peripherie und um ein weniges nach der Kernmembran hin vergrössert und verdichtet. Statt der Körnehen bilden sich hin und wieder auch kurze Stäbehen, die oft eine parallele, manchmal eine radiirende Stellung haben und so ein schraffirtes Bild abgeben (Fig. 15). Oft tritt auch ein Kranz von Fibrinkörnern auf, und hin und wieder reiht sich ein Kranz an den andern, eine Kette bildend. Dies intracellulare Fibrin ist wahrscheinlich identisch mit dem Stromafibrin von Landois. Die Kugelform ist meiner Auffassung nach die ursprüngliche. Einzelne Fibrinkugeln werden im Blute aller Thiere, die ich bis jetzt untersucht habe, gefunden. Die Fäden treten erst später auf und fügen sich den Kügelehen an, welche auf diese Weise als die Knotenpunkte eines Fibrin- fadennetzes erscheinen. Die Geburtsstätte der Fibrinkugeln ist das sterbende Diskoplasma. Sie bilden meiner Meinung nach das hypothetische Fibrinogen A. Schmidt’s. In der Substanz der Blutplättehen bei den Säugern, welche meinen Beobachtungen gemäss lediglich abgestorbene Erythrocytensubstanz sind, können Fibrinkügelehen ebenfalls (mit Gram scher Färbung) nachgewiesen werden. Diese Fibrinkörncehen der Blutplättehen wechseln beim Menschen ausserordentlich, sowohl was Menge, als Grösse betrifft. Ueber das Paranuclearkörperchen der gekernten Erythrocyten etc. 445 Der Gesundheitszustand des Betreffenden scheint eine gewisse Rolle dabei zu spielen. Eine Eigenthümliehkeit der Hämoglobinvertheilung in den gekernten Erythroeyten der Vögel und niederen Säuger mag hier in Kürze erwähnt werden. Im gefärbten sowohl wie im unge- färbten Troekenpräparate, aber auch im frischen Zustande, sieht man bald mit grösserer, bald mit geringerer Deutlichkeit je einen hellen Querstreifen ungefähr in der Mitte zwischen dem Kern und jedem der beiden Zellpole (Fig. 1—10). In besonders gut gelungenen Präparaten, sowohl mit der Eosinmethylenblau-, als mit der Gram schen Methode hergestellt, sind diese hellen Querstreifen, die sich nach beiden Seiten hin allmählich ver- dunkeln, sehr deutlich und geben den Erythrocyten ein charakte- ristisches Aussehen. Ob man es hier mit einem Kunstproduete oder einem con- stanten Absterbungsvorgange zu thun hat, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls ist eine Strueturdifferenz im Diskoplasma an dieser Stelle nachweisbar (vgl. Erklärung zu den Fig. 11 und 12). Wenn man die Erythrocyten mittels Essigsäure ihres Hämoglobingehaltes beraubt und nachträglich mit Methylengrün und Fuchsin färbt, lassen sich Fadenbüschel im Innern des Zellleibes darstellen. Ich glaube nicht, dass es sich hier um Kunstproducte, sondern dass es sich um histologische Eigenthümliehkeiten handelt. Während im ungefärbten Präparate und in solchen die mit den gebräuchlichen (Eosin-Methylenblau ete.) Färbemethoden be- handelt worden sind, diese fadenreiche Zone hell erscheint, tritt das Gegentheil ein bei der eben angeführten Methode. Hier wird das Fadenbüschel und dessen Umgebung ausschliesslich gefärbt. Zum Sehluss die Färbemethoden, welche das paranueleare Körperehen am besten neben den Struetur-Erscheinungen der Blutzelle zur Anschauung bringen. Wie schon erwähnt, sind namentlich bei den Schildkröten die paranuclearen Körperehen auch im frischen und ungefärbten Präparat ziemlich leicht zu sehen. Es mag von Interesse sein, dabei zu bemerken, dass einfach mit Osmiumsäure gehärtete und in Glycerin eingelegte Blutkörperchen jene Gebilde als helle und ungefärbte, fast als Vaeuolen erscheinende Kugeln hervortreten 446 Ludwig Bremer: "lassen. Um so überraschender war es, dass in der nach der ge- wöhnlichen Methode durch Erhitzen fixirten und, wie üblich (Eosin-Methylenblau, Fuchsin-Methylgrün ete.), behandelten Prä- paraten scheinbar nichts von ihnen wahrzunehmen war. Die naheliegende Vermuthung, dass die mehr oder weniger intensive Färbung des haemoglobinhaltigen Diskoplasma das Paranuclear- körperchen verdecke, war aufzwei Wegen als berechtigt zu erweisen, erstens durch eine Färbemethode die nur das Diskoplasma sehr schwach affieirte, und zweitens durch Entfernung des in dem letzteren sich hauptsächlich färbenden Körpers, des Haemoglobins. Beide Methoden sollen nur kurz geschildert werden. 1. Wenn eine '/, procentige wässerige Lösung von Eosin mit einer gesättigten wässerigen Methylenblaulösung so lange ge- mischt wird, bis sich auf der Oberfläche der durch Umrühren fortwährend in Bewegung gehaltenen Flüssigkeit kein Sättigungs- häutehen mehr bildet, so setzt sich nach einiger Zeit ein schwarzer, krystallinischer Bodensatz ab, der in Wasser völlig unlöslich ist, sich dagegen in Alkokol (95°/,) leicht löst. Nachdem derselbe auf einem Filter gesammelt und mit Wasser so lange ausgewaschen ist, his die ablaufende Flüssigkeit völlig farblos geworden, wird er getrocknet. Seine coneentrirte Lösung in Alkohol ist blau und noch in ziemlich dieken Schichten durchsichtig. Wie diese Lösung für Blutpräparate überhaupt schöne Uebersichtsbilder giebt, so tritt namentlich in mit ihr für etwa 10 Minuten ge- färbten, gekernten Blutkörperchen jenes paranucleare Körperehen sehr deutlich als tief himmelblaues, von einem ungefärbten Hof umgebenes Kügelehen hervor, während die Kerne selbst hellblau gefärbt sind und das Diskoplasma in einem sehr zarten Roth er- scheint. Es gelingt auf diese Weise in jedem einzelnen Blut- körperchen das paranucleare Körperchen mit seinen oben be- schriebenen Eigenthümlichkeiten nachzuweisen. 2. Werthvoller noch für eine Einsicht in die letzteren ist die Färbung nach Entfernung des Haemoglobins. Die erhitzten Präparate werden dabei für 15 Minuten etwa mit einer ungefähr 2 procentigen Essigsäurelösung behandelt, wobei der Blutfarbstoff wolkenförmig herausdiffundirt. Nach sorgfältigem Auswaschen in Wasser wird nun mit einer Misehung von 1 procentiger wässeriger Methylgrün- und einigen Tropfen einer wässerigen Fuchsinlösung gefärbt; statt der Fuchsinlösung kann auch mit Vortheil eine 4 Ueber das Paranuclearkörperchen der gekernten Erithrocyten ete. 447 Dahlialösung von derselben Concentration benutzt werden. Die Kerne erscheinen dann in einem roth- oder grün-violetten Farben- ton, während das Diskoplasma völlig ungefärbt bleibt. In ibm aber leuchten die paranuclearen Körperchen mit wunderbarer Deutlichkeit als blauroth gefärbte Kugeln auf, die nicht selten mit dem Kern durch einen feinen, ebenso gefärbten Faden in Verbindung zu stehen scheinen. Die von der Kernhöhle aus das Diskoplasma durchziehenden Fortsätze, die schon oft beschrieben und abgebildet worden, stellen sich in ihrem weiterem Verlauf als ein feines, intensiv rothes Netzwerk dar, dessen Knotenpunkte oft kugelförmig angeschwollen sind und bei oberflächlicher Be- trachtung eine Mehrheit von paranuclearen Körperchen vortäuschen können. | Nachtrag. Bei Gelegenheit einer Demonstration von Schildkrötenblut- präparaten, sowie auch anderen Orts ist die Frage aufgeworfen, ob denn auch der histologische Character der Paranuclear-Gebilde ausser Frage stehe, und ob es sich nicht vielleicht um Parasiten handele. Diese Bedenken werden sofort zerstreut, wenn man erwägt, dass die betreffenden Körperchen in den Erythrocyten aller niederen Wirbelthiere gefunden werden. Nur bei mangel- haft angefertigten Präparaten sind sie nicht sichtbar. Ausserdem muss zugestanden werden, dass es mir bis jetzt nicht gelungen ist, die in Rede stehenden Gebilde in den gekernten Erythrocyten der Säuger (im Knochenmarke und in pathologischem Blute) nachzuweisen. Wenn man aber in Erwägung zieht, wie schwer nachweisbar diese Körperchen bei manchen Thierspecies sind, z. B. beim Frosche, von welchem eine beliebige Anzahl von Präparaten angefertigt werden kann, in denen die Erythroeyten millionenweise zur Untersuchung sich darbieten, so darf es nicht Wunder nehmen, wenn so schwer nachweisbare, winzige Bestand- theile, die ja bis jetzt der Beobachtung der aufmerksamsten und geübtesten Forscher selbst bei den günstigsten Demonstrations- objeeten entgangen sind, bei der geringen Anzahl gekernter Erythro- eyten bei den Säugern bis jetzt noch nicht gefunden sind. Mög- licherweise sind sie bei diesen Thieren gar nieht oder in viel mehr ausgesprochen rudimentären Verhältnissen vorhanden. Meinen 448 Ludwig Bremer: -Untersuchungen nach haben die gekernten Erythroeyten der Säuger in den post-embryonalen Lebensperioden überhaupt nur die Dignität einer phylogenetischen Reminiscenz, und haben, wie ich dies in einer späteren Veröffentlichung darzuthun gedenke, mit der Blutersatzbildung sehr wenig zu thun. Diese Lücke in der Kette des Nachweises von der Constanz des Vorkommens der Paranuclear-Körperchen ist daher wohl nicht von Belang. Der Grad der Deutlichkeit schwankt allerdings ausserordentlich. Am schwersten sichtbar zu machen sind sie, wie schon oben an- gedeutet, beim Frosche. Besonders gut gelungene Präparate lassen sie übrigens auch bei diesen Thieren zweifellos er- kennen. Uebrigens hat sich seit der Fertigstellung obiger Aus- führungen eine andere Färbemethode als für die Demonstration der besprochenen Gebilde ausserordentlich geeignet herausgestellt. Substituirt man nämlich in der Gram’schen Färbemethode Fuchsin für Gentianaviolett und verfährt im Uebrigen in der herkömm- lichen Weise, so sieht man in gut gelungenen Präparaten (Hühner- blut z. B.) in jedem Erythrocyten ein schwarzes Pünktchen an Stellen, welche auch bei anderen Färbungen das Körperchen auf- weisen. Schon mit Trockenlinsen (Hartnack VIII oder IX. Oe. 3) kann man sie mit Leichtigkeit erkennen, besonders wenn man bei künstlichem Lichte (Petroleamflamme) untersucht. Es scheint, dass hier blos ein winziger Theil des Paranucleargebildes gefärbt wird, der sich aber scharf und deutlich von seiner Umgebung abhebt und trotz seiner Kleinheit leichter in die Augen fällt, als die voluminösen gefärbten Körperchen, die mit anderen Me- thoden sichtbar werden. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVI. (Leitz III 1/ıa Oelimm.) Fig. 1—15. Erythroceyten der Schildkröte (Testudo Carolina) behandelt nach verschiedenen Färbemethoden. Fig. 1. Ungefärbt, im frischen Zustande, zeigt die hellen parallelen Zonen; Paranuclear-Körperchen unsichtbar. Fig. 2. Osmium-Präparat. Centralkörperchen und Hüllsubstanz des Paranuclear-Körpers deutlich sichtbar. Ueber das Paranuclearkörperchen der gekernten Erythrocyten etc. 449 Fig Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 18. 4. [>| ARR 13. a4) 16. a: Osmium. Eine Stunde nach Entnahme des Blutes. Paranuclear- Körperchen geschwollen. Kein Central-Körperchen. Artefacte, Vacuolen. Von demselben Präparate. Zwei kleinere Vaeuolen sind sichtbar neben dem Paranuclear - Körperchen. . Osmium. Zerklüftung des Paranuclear-Körperchens in kleinere Kugeln. Osmium. Ausser dem in seiner Form (durch Absterbungs-Vor- gänge) veränderten Paranuclear-Körperchen sind weisse Kugeln necrotischer Art sichtbar. . Späteres Stadium desselben Processes wie in Fig. 6. Färbe- methode 1. Paranuclear-Körperchen und Nucleus (ungefärbt) gut sichtbar. Färbemethode 1. . Mit sehr markirter Kern -Kapsel und zwerchsackförmigem Nucleolus. Färbemethode 1. . Paranuclear-Körperchen im Stadium der Ausstossung von dem Kerne. Färbemethode 1. Centralkörper (aufgequollen durch Essigsäure) nebst Verbin- dungsfaden mit dem Kerne. An beiden Polen Fadenbüschel (eine häufige Erscheinung bei dieser Behandlungsmethode). Radiirende Fäden gehen vom Kerne in das Diskoplasma. Die Erythrocytenmembran zeigt sich als ein breites dunkeles, den Zellleib umgebendes Band. Diese Erscheinung ist zu erklären durch die Loslösung und Ausbreitung der Erythrocyten- membran in die Fläche, ein Kunstproduct, erzeugt durch die ungleiche Contraction der dem Deckglase anhaftenden Mem- bran und des Diskoplasma. . Ein Negativbild erzeugt mit Färbemethode 2. Die hellen Pa- rallelstreifen erscheinen hier dunkel. An Fig. 11 kann man erkennen, dass dies die Gegend der Fadenbüschel ist. Sie zeichnet sich durch Haemoglobinarmuth aus. Paranuclear-Körper und doppelter Ring von Fibrinkügelchen um den Kern sichtbar. Beginn der Fibrin-Gerinnung im Disko- plasma. Gram. Von demselben Blute‘ 2 Stunden nach Entnahme. Central- Körperchen unsichtbar. Fibringerinnung im Kern und Disko- plasma vollständig. Gram. . Aus demselben Präparate wie Fig. 14. Stäbchenform des Fibrins. Anhäufung von Haematoblasten mit deutlichen Paranuclear- Körperchen. a. Der eine Pol in eine Spitze ausgezogen. b. Ein älterer Haematoblast. Eosin-Methylenblaufärbung. Rothes Blutkörperchen des Menschen ; zeigt Kernrudiment nebst Stigma. Diskoplasma im mittleren Contractionszustande. Eosin-Methylenblau. . 18. Maximum-Contraction des Diskoplasma. erg. Maximum-Dilatation. 450 Öseretzkowsky: Fig. 20. Rothes Blutkörperchen des Menschen; zeigt die ersten Fibrin- formationen: die Punkte an der Peripherie repräsentiren die Fibrinniederschläge in der Erythrocytenmembran. Die sichel- förmige Figur stellt den Abtrennungsraum zwischen Kern und Diskoplasma dar. Stigma sichtbar. Gram. Fig. 21. Dasselbe Präparat. Doppelkranz von Fibrinkügelchen, den Kern umgebend. Vgl. Fig. 13. Nachträglich möchte ich bemerken, dass bei den hiesigen Ver- hältnissen (St. Louis) es mir nicht möglich war, die Literatur über die abgehandelten Gegenstände zu eonsultiren. Sollte das Eine oder das Andere von früheren Beobachtern schon gefunden sein, so bitte ich die Nichterwähnung besagtem Mangel zuschreiben zu wollen. Beiträge zur Frage vom centralen Verlaufe des Gehörnervs. Von Dr. med. Oseretzkowsky (aus Moskau). Mit 7 Figuren im Text. Der eentrale Verlauf des N. acustieus wurde von den einen Autoren experimentell, vermittelst Zerstörung des Ohrlabyrinths, Durchsehneidung der Schleife u. -s. w. untersucht (Monakow, Baginsky, Kirilzew, Bumm); andere Flechsig, Bechterew, Held) wandten die entwicklungsgeschichtliche Methode an, wo bei sie Foetusgehirne vom Menschen und von Thieren benutzten und die Präparate nach Weigert oder nach Weigert-Pal färbten. Zuletzt haben Sala zu demselben Zwecke die Färbung nach Golgi und Held die Färbung nach Golgi und Weigert-Pal verwendet. Ich stelle mir die Aufgabe, zu erforschen, zu welchen Resul- taten in Bezug auf die Lösung dieser Frage die vergleichend anatomische Methode führt. Als Material dienten mir die Gehirne Beiträge zur Frage vom centralen Verlaufe des Gehörnervs. 4ö1 von neugeborenen Kaninchen und Katzen, dann von ausgewach- senen Kaninchen, Katzen, Hunden, Meerschweinchen, Affen, vom Kalb und von menschlichen Foeten von 23—40 cm Kopffersen- länge. Zuerst einige Worte in Betreff des Tubereulum acusticum bei verschiedenen Thieren. Bei diesen unterscheidet es sich nur durch die Stärke seiner Entwicklung. Am stärksten entwickelt ist es beim Kaninchen und beim Meerschweinchen. Es bildet da eine halbkugelförmige Erhöhung um das Corpus restiforme und verliert sich auf der einen Seite auf dem Boden des vierten Ventrikels, auf der anderen Seite geht es in den Vorderacustieus- kern über. Bei andern Thieren, insbesondere bei Affen, ist das Tubereulum acustieum über dem Corpus restiforme und zu Seiten desselben bedeutend verflacht, wird aber absteigend zum Vorder- acustiecuskern stärker, so dass in den Frontalschnitten das Tuber- culum acusticum zusammen mit dem Vorderacustieuskern die Form einer Birne bildet, deren dickeres Ende nach unten (ventral) gekehrt ist. In den aufeinander folgenden Frontalschnitten trifft man, von hinten beginnend, das Tubereulum acusticum eher als den Vorderaeusticuskern; dagegen hat letzterer eine grössere Aus- dehnung eapitalwärts. Bisweilen fällt es schwer, die Grenze zwi- schen dem Tuberulum acusti- cum und dem Vorderacusticus- kern zu bestimmen; doch meistens zeichnet sich letz- terer ovalförmig ab, abge- grenzt durch eine Zone feiner Fäserchen. Zur Zeit unterliegt es keinem Zweifel, dass die hintere Wurzel des N. acusti- eus, der N. cochlearis, in dem vorderen Acustieuskern endigt. Auf einigen Präpa- raten kann man beobachten, dass ein unbedeutender Theil desN.cochlearisdurch denVor- deracusticuskern nur durch- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 452 Öseretzkowsky: geht, um sich mit den Fasern der Striae medullares zu vereini- gen, die aus dem Vorderacustieuskern entspringen. Besonders deutliche Präparate dieser Art erlangte ich vom menschlichen Foetus von 40 em Kopffersenlänge (Fig. 1a). Auf solche Art ginge ein Theil der Fasern des N. eochlearis zusammen mit den Fasern der Striae medullares unmittelbar bis zur oberen Olive. Darauf hat schon Dr. Kirilzew, auf Grund experimenteller Unter- suchungen, hingewiesen (Neurolog. Centralbl. 1894. No. 5). Dass die Fasern des N. cochlearis in dem Tubereulum acusti- cum endigen, ist besonders sichtbar auf den Frontalschnitten, die nur das Tubereul. acusticum treffen, ohne den Vorderacusti- euskern erreicht zu haben. Eine nicht grosse Menge der Fasern des N. ceochlearis verliert sich in der mittleren Schicht des Tuber- culum acustieum. Fasern des N. cochlearis, die unmittelbar in das Corpus trapezoides übergehen, ist mir nicht gelungen zu konstatiren. Der weitere Weg des N. cochlearis liegt in den Striae me- dullares. Hierbei muss ich ein wenig abschweifen. Die Striae medul- lares kommen in der Art, wie sie beim Menschen angetroffen werden, bei keinem Thiere vor. Deswegen ist es besser, nach dem Beispiele Held’s, alle Fasern, die aus dem Tubereul. acusti- cum und dem vordern Acusticuskern entspringen und das Cor- pus restiforme umkreisen, als centrale dorsale Acusticusbahn zu benennen, die Benennung „Striae“ jedoch für die Striae medullares beim Menschen zurückzubehalten, die, wie Bechterew dargelegt hat, in keiner Beziehung zu dem Gehörorgan stehen. Die centrale dorsale Acustieusbahn besteht also aus zwei Faserbündeln. Das eine (Fig. 2a) entspringt aus dem vordern Acustieuskern, liegt dem Corpus restiforme von aussen engan, geht darauf, theils durch dasselbe, theils es Beiträge zur Frage vom centralen„Verlaufe des Gehörnervs. 453 umkreisend, an die innere Seite des Corpus restiforme, und, indem es einen nach aussen gekehrten Bogen bildet, läuft es an der auf- steigenden Wurzel des N. trigeminus, längs seinem inneren Rande (Fig. 2b) vorbei hinab, geht weiter ventral durch den Facialiskern (Fig. 3a), theilt sich dann in zwei Hälften, wovon die eine Hälfte an der dorsalen Seite der gleichseitigen obern Olive endigt (Fig. 2e), “wobei sich einige Fasern nach unten unter dieselbe beugen und in ihr Marklager übergehen. Die andere Hälfte wendet sich zur Raphe und kreuzt dort, indem sie den dorsalen Theil des Corpus trapezoides bildet (Fig. 2d). In dem Gehim neugeborener Kanin- chen ist der dorsale Theil des Corpus trapezoides vollkommen von dem ventralen getrennt. Die gekreuzten Fasern können bis zur entgegengesetzten obern Olive verfolgt werden; nur der kleinere Theil von ihnen erreicht die entgegengesetzte Nebenolive (Fig. 2 und 3). Fig. 3. Die andere stärkere Hälfte der dorsalen centralen Acustieus- bahn entspringt aus dem Tuberculum acusticum, umkreist zusammen mit der oben beschriebenen Abtheilung das Corpus restiforme und wendet sich in schiefer Riehtung nach vorne und zugleich me- dianwärts. Bereits auf der Höhe des Abducenskernes biegen die Fasern dieser Abtheilung ventralwärts um, gehen zwischen dem 454 Öseretzkowsky: äussern und innern Acusticuskern durch, theilweise auch durch den letztern’selbst; ein wenig weiter vorn erreichen sie die Kerne des N. abducens, indem sie dessen äussern Umkreis berühren (Fig. 2e). Von hier geht ein Theil der Fasern zur gleichseitigen oberen Olive hinab, beinahe parallel mit ihrem Stiel zum Abdu- censkern. Der andere Theil wendet sich zur Raphe und kreuzt sich dort über dem Corpus trapezoides. Es ist mir nicht gelungen) diese Fasern bis zur entgegengesetzten oberen Olive zu verfolgen; auch habe ich nicht beobachtet, dass sie sich mit dem Corpus trapezoides vereinigten. Wie es scheint, verlieren sie sich in der Formatio retieularis (Fig. 2). Die Untersuchung der centralen dorsalen Acustiecusbahn gelingt aın besten bei Thieren mit starkem Tubereulum acusticum, bei Kaninchen und bei Meerschweinchen. Bei Affen (Meerkatzen), Hunden und Kälbern sind diese Fasern schwächer ausgebildet, der geringeren Entwickelung des Tubereulum acusticum entspre- chend. Noch schwächer sind sie beim menschlichen Foetus. Dort sind die Fasern der Abtheilungen der centralen dorsalen Acustieusbahn beim Foetus von 35—40 em Kopffersenlänge mark- haltig. Die Fasern der Tubereulumbahn (Held) zur obern Olive sind am besten sichtbar auf Sagittalschnitten. Hierbei begegnen wir drei Fasersystemen, die dorso-ventral laufen: den Fasern der Tubereulumbahn, den Fasern der aufsteigenden Facialiswurzel und den Fasern aus dem Abducenskern zur obern Olive. Die Fasern der aufsteigenden Faeialiswurzel unterscheiden sich leicht durch ihre Lage nach hinten, ihre schiefe Richtung von unten nach oben und von hinten nach vorne, durch ihr Aussehen — sie sind diek und in Bündel vereinigt. Die Fasern des Abdu- censkernes liegen näher an der Raphe, deswegen begegnet man ihnen in den Schnitten später, als den Fasern der Tubereulum- bahn. Die letztern unterscheiden sich durch ihr zartes Aussehen und ihr feines Kaliber. In dieser Beziehung sind sie vollkommen gleich den Fasern des Abducenskernes zur oberen Olive. Somit steht dem Anscheine nach die centrale dorsale Acu- stieusbahn in nahen Beziehungen zu den Kernen der verschiedenen Gehirnnerven. Wir haben gesehen, dass sich die Acustieusbahn in der Nachbarschaft der aufsteigenden Wurzel des N. trigeminus hinzieht und den Faeialiskern berührt. Anderseits stösst die Beiträge zur Frage vom centralen Verlaufe des Gehörnervs. 455 Tubereulumbahn mit dem Abducenskern zusammen, und vereinigt sich zweifellos mit ihm vermittelst der Fasern des Abducenskernes zur entsprechenden oberen Olive. Hier sei bemerkt, dass die centrale dorsale Acustieusbahn in einem vorwiegenden Verhältnisse zur eigentlichen oberen Olive steht. Die Nebenolive empfängt nur einen unbedeutenden Theil der Fasern der centralen dorsalen Acustieusbahn. Im Gegensatz zur dorsalen centralen Acustieusbahn unter- scheidet Held die ventrale centrale Aecustieusbahn, die durch den ventralen Theil des Corpus trapezoides geht. Man wird kaum bestreiten wollen, dass das letztere aus dem vorderen Aeu- stieuskern entspringt. Von hier aus geht es in einem compaeten Bündel hinab; nur einzelne seiner Fasern erheben sich bis zur Grenze zwischen dem Tubereulum acusticum und dem vorderen Acustieuskern. Ehe wir von der weiteren Vertheilung der Fasern des Corpus trapezoides sprechen, schieken wir die Beschreibung der grauen Massen voraus, durch die der Weg des Corpus trapezoides geht. Während sich das Corpus trapezoides als gleichartig bei verschiedenen Thieren darstellt (mit Ausnahme seiner Beziehung zu den Querfasern des Pons Varolii, durch welche es beim Men- schen verdeckt ist) sind die Olive und Nebenolive nach ihrer äusseren Form und nach ihrer Ausdehnung verschieden. Die obere Olive der Katze stellt ein S in horizontaler Lage dar, die Nebenolive hat eine längliche Form und liegt schief von unten nach oben und von aussen nach innen. Der äusseren Form nach kommt der oberen Olive der Katze die obere Olive des Kaninchens am nächsten; sie ist auch S-förmig. Die Nebenolive ist birmnförmig mit dem dieken Ende nach oben und medianwärts, mit dem dünnen Ende nach unten und lateralwärts gekehrt. Von den eben beschriebenen unterscheidet sich stark der Form nach die obere Olive des Meerschweinchens. Sie ist huf- eisenförmig mit der Oeffnung nach oben (dorsal). Die Neben- olive ist rund; ihre beiden Seiten sind mit Mark bedeckt; die Zellelemente bilden einen Streifen durch das Centrum. Die Olive eines Affen (Meerkatze) hat eine unregelmässige Form und erinnert nur wenig an ein $. Sie ist nieht scharf 456 Oseretzkowsky: “begrenzt. Die innere Nebenolive ist von länglicher Form, mit markhaltigen Randfeldern, wie beim Meerschweinehen. Die obere Olive vom menschlichen Foetus erinnert sehr an die Olive und innere Nebenolive eines Affen; sie hat keine be- stimmte scharf abgegrenzte Form und stellt sich dar, als ob sie aus einzelnen Anhäufungen der grauen Substanz zusammengesetzt wäre; die innere Nebenolive des menschlieben Foetus ist oval und ebenso wie beim Affen mit markhaltigen Seitenfeldern. Die obere Olive des Hundes kommt der S-Form nahe; doch ihre Falten sind unbedeutend ausgebildet. Die Nebenolive hat an ihrem inneren Ende eine Falte, im ganzen die Birnform beibehaltend. Die obere Olive und Nebenolive des Kalbes sind von rund- lieher Form; beide Gebilde sind fast gleich gross; beide mit Markfeldern umgeben. In Frontalschnitten kommen die obere Olive und die Neben- olive fast gleichzeitig zum Vorschein; die Nebenolive ein wenig früher. Bei allen Thieren endigt capitalwärts die obere Olive bedeutend früher als die Nebenolive. Die erstere verliert sich gleich- zeitig mit den Wurzeln des N. facialis und N. abducens; die zweite erst in der Höhe des Austritts der Wurzel des N. trigeminus. Zuerst verliert sich der äussere Theil der oberen Olive; dasselbe wird auch in Bezug auf die Nebenolive beobachtet. Beim menschlichen Foetus kann man die Nebenolive capi- talwärts bedeutend höher als bei Thieren verfolgen. Indem sich die Nebenolive nach aussen und nach oben abwendet, erreicht sie die Seitensehleife und verschmilzt mit dem Kern der letzteren bereits im Gebiete des hinteren Vierhügels. Subald sich die obere Olive verloren und die Nebenolive sich in ihrem Umfange verringert hat, kommt eine neue Zellen- bildung zum Vorschein, der wir bei der Beschreibung der Seiten- sehleife wieder begegnen werden. Die Zellen erscheinen ventral und nach aussen von der Nebenolive. Bei einer jungen Katze stellen sie, dem Anscheine nach, eine Fortsetzung der Nebenolive dar. Doch die letztere ist mit einer markhaltigen Randzone um- geben, die bei der neuen Zellenbildung fehlt. Mit der vollen Entwicklung dieses Kernes verliert sich die Nebenolive bei allen oben aufgezählten Thieren; eine Ausnahme davon macht der menschliche Foetus. Bei diesem setzt sich, wie schon bemerkt Beiträge zur Frage vom centralen Verlaufe des Gehörnervs. 457 worden ist, die Nebenolive bis zum hinteren Vierhügel — neben dem beschriebenen Kerne — fort, wobei sie sich von diesem sehr deutlich unterscheidet. Im Gebiete des hinteren Vierhügels ver- schmelzen beide Kerne. Der beschriebene Kern wird ventral und nach aussen von schräge durchschnittenen Fasern umkreist, die, wie wir weiter sehen werden, zu der beginnenden Seitenschleife ge- hören. Offenbar ist die neue Zellenanhäufung ein Kern der Schleife. Der Kern des Corpus trapezoides, beim jungen Kaninchen und bei der jungen Katze besonders deutlich entwickelt, erscheint gleichzeitig mit der Nebenolive und verliert sich früher als diese, aber später als die obere Olive. Er behält beständig seine Lage ventral und ein wenig nach aussen von der Nebenolive bei. Gehen wir zur Beschreibung der Vertheilung der Fasern des Corpus trapezoides über. Auf Frontalschnitten kann man folgende Abtheilungen des Corpus trapezoides unterscheiden: der am meisten caudalwärts gelegene Theil desselben besteht aus Fasern, die sich in der Raphe kreuzen, wobei sie durch die beschriebenen grauen Massen nieht unterbrochen werden. Die Fasern verlaufen in einem kom- pakten, ziemlich starken Bündel. Dieser Theil des Corpus trape- zoides bildet offenbar eine Commissur zwischen den vorderen Acustieuskernen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass sie sich nach oben hinziehen; sie müssten dann in der Raphe hinaufsteigen, und wir würden ihre Durchschnitte treffen. Der zweite capitalwärts gelegene Theil des Corpus trape- zoides besteht aus Fasern, die sich innig mit den oben beschrie- benen grauen Massen verbinden. Die Ausdehnung dieses Theiles entspricht der Ausdehnung der oberen Oliven. Im diesem Gebiete unterscheidet man einen dorsalen und einen ventralen Theil des Corpus trapezoides. Der dorsale Theil, der aus der dorsalen centralen Acusticusbahn entspringt, ist schon oben beschrieben worden. Erinnern wir uns, dass dieser Theil der Fasern vorzüg- lich mit der oberen Olive in Verbindung steht. Der ventrale Theil des Corpus trapezoides,. der aus dem vorderen Acusticuskern entspringt, geht theilweise in der Richtung zur entsprechenden oberen Olive und endigt in ihr, theilweise wendet er sich zur Nebenolive derselben Seite. Aber die Haupt- masse der Fasern dieser Abtheilung geht zur andern Seite hin- 458 Oseretzkowsky: “über, die Raphe kreuzend, und endigt vornehmlieh in der ent- gegengesetzten Nebenolive; der wesentlich kleinere Theil der ge- kreuzten Fasern geht zur entgegengesetzten obern Olive. So sehen wir, dass die obere Olive als Endgebiet vornehm- lich für den dorsalen Theil des Corpus trapezoides dient, dass der gekreuzte Theil desselben bedeutend über den ungekreuzten überwiegt, dass sich die gekreuzten Fasern vornehmlieh in der Nebenolive verlieren. Die Vertheilung der Fasern des Corpus trapezoides ist besonders deutlich im menschlichen Foetusgehirn und im Gehirn der neugeborenen Katze. Die dritte Abtheilung des Corpus trapezoides erstreckt sich von dem Orte, wo sich die obere Olive verliert, bis zum Ueber- gange des Corpus trapezoides in die Serienschleife. Jetzt haben sich die Oliven verloren; der Zuwachs zum Corpus trapezoides aus dem vorderen Acustieuskern hat aufgehört; die gekreuzten Fasern des Corpus trapezoides müssen, um bis hierher zu gelangen, ein wenig schief gehen, von aussen caudal nach innen eapital- wärts. Nun treten wir ins Gebiet der Bildung der Seitenschleife. Die zwischen den Nebenoliven sieh kreuzenden Fasern in den am meisten proximalen Theilen des Corpus trapezoides erreichen nicht mehr die Nebenoliven; hierbei trifft man schräge Faser- durchschnittean. Ein wenig höher unter dem beschriebenen Schlei- fenkern sind die schräge durch- schnittenen Fasern halbmondför- mig gelagert. Gleichzeitig wird die Nebenolive von einer Aureole ebensolcher schräge durchschnit- tener Fasern besonders von Seiten des Schleifenkernes umringt. Der von unten den Schleifenkern um- fassende Faserhalbmond rückt nach und nach nach aussen. Dieses ist der Anfang der Seitenschleife. In den schie- fen Schnitten durch den hin- Beiträge zur Frage vom centralen Verlaufe des Gehörnervs. 459 teren Vierhügel und die Brücke einer neugeborenen Katze kann man deutlich verfolgen, wie die Fasern des Corpus trapezoides unmittelbar in die Seitenschleife übergehen, indem sie den Rest der Nebenolive und den Schleifenkern umkreisen (Abbild. 4.a). Noch deutlicher erkennen wir dies auf den Sa- gittalschnitten beim Meerschweinchen. Auf den mehr lateral ge- legenen Schnitten sehen wir, wie sich die Fasern des Corpus trapezoides, indem. sie bogenförmig die Nebenolive umkreisen, zur Seitenschleife hinwenden. In den der Mittellinie näher ge- legenen Schnitten kann man Fasern verfolgen, die von der Neben- olive zur Seitenschleife gehen. Und so besteht die Seitenschleife theilweise aus gekreuzten Fasern, die unmittelbar aus dem Corpus trapezoides entspringen, theilweise aus gekreuzten Fasern, die von der gleichseitigen Nebenolive ausgehen. So besteht ein inniges Verhältniss der Seitenschleife zur Nebenolive und nicht zur eigentlichen oberen Olive. Es gelingt nicht anatomisch nach- zuweisen, ob die Fasern aus dem dorsalen Theile des Corpus trapezoides die Seitenschleife erreichen. | Die Fasern, die aus dem Corpus tra- pezoides in die Sei- tenschleife gelangen, steigen nach oben zum Vierhügel in einem compacten Bündel auf, welches den äussersten Theil derSeitenschleife ein- nimmt, während der nach innen gelegene Theil der Schleife unterwegs von grauen Massen — dem auf- gelösten Schleifen- kern — durchsetzt wird, so dass er ein Fig. 5. maschenartiges Aussehen gewinnt (Fig. 5a.b). Die Fasern des inneren Theiles der Schleife bei der neugeborenen Katze und beim menschlichen Foetus von 35—40 cm Kopffersenlänge sind 460 Oseretzkowsky: - mit Mark umlagert, ebenso wie die unmittelbar von dem Corpus trapezoides ausgehenden Fasern. Wenn wir jetzt den Umfang der Seitenschleife mit dem Umfange des Corpus trapezoides, sogar nur in seinem proximalen Theile, vergleichen, so finden wir einen grossen Unterschied, aber nicht zu gunsten der Schleife. Die grössere Hälfte der Fasern des Corpus trapezoides ist unterwegs verloren gegangen und hat sich offenbar vornehmlich in den Nebenoliven vertheilt. Der Schleifenkern muss zu den analogen Gebilden der Nebenolive gehören. Dafür sprechen schon ihre anatomische Nachbarschaft und die Lage des Schleifenkernes inmitten der unmittelbar von dem Corpus trapezoides ausgehenden Fasern. Ausserdem sahen wir schon, dass die Nebenolive beim mensch- lichen Foetus den Vierhügel erreicht und hier mit dem Schleifen- kern verschmilzt. Offenbar besteht dieselbe Beziehung zwischen dem Sehleifenkern und den Fasern der Schleife, wie zwischen dem Kern des Corpus trapezoides und dem Corpus trapezoides selbst. Ein Theil der Fasern der Schleife wird in deren Kerne unterbrochen, ein Theil geht nur hindurch: Auf diese Analogie hat schon Held, auf Grund von Untersuchungen nach Golgi, hingewiesen. Beiträge zur Frage vom centralen Verlaufe des Gehörnervs. 461 Wenn man den Verlauf der Schleife weiter nach oben ver- folgt, so sieht man, dass sie nach und nach dünner wird und sich allmählich in dem Kerne des hintern Vierhügels verliert. Die Fasern der Schleife bis zum vorderen Vierhügel der neu- geborenen Katze und des menschlichen Foetus zu verfolgen, ge- lingt auf keine Weise. | Es ist anatomisch unmöglich, den weiteren Verlauf der Gehörbahn zu verfolgen. Zu diesem Zwecke nahm ich meine Zuflucht zum Experiment. Bei einigen einen Tag alten Kaninchen versuchte ich, nach Oeffnung der Gehirnschale den Schläfenlappen zu entfernen. Das eine von den operirten Kaninchen bestand die Operation glücklich und wurde von mir nach genau zwei Monaten getödtet. Nach der Section erwies sich, dass der ganze linke Sehläfenlappen atrophisch, dass aber auch der Hinterlappen be- schädigt war. Schon mikroskopisch fiel die vollständige Atrophie des inneren Kniehöckers und des Bindearmes des hinteren Vierhügels auf (Fig. 6). Den hinteren Vierhügel der operirten Seite traf man in den Schnitten später an, als den gesunden Vierhügel. Folglich war der erste in der Richtung von vorne nach hinten verkleinert. Eine gewisse Verflachung des linken hinteren Vier- hügels konnte man auch in der Richtung von rechts nach links beobachten (Fig. 7). Die Asymmetrie verringerte sich in dem Maasse der Annäherung an den vorderen Vierhügel. Es war nicht mög- lich, eine Veränderung der Zellenelemente des Kernes des hinteren Vierhügels und der Fasern der Seiten- schleife mit Sicherheit zu konstatiren. Das Corpus trapezoides war an beiden Seiten gleich. 462 OÖseretzkowsky: Der Beschädigung des linken Hinterlappens entsprechend wurde eine deutliche Atrophie des linken äusseren Kniehöckers und eine bemerkbare Verkleinerung des vorderen Vierhügels be- obachtet. Die Atrophie erstreckte sich auch auf den linken Tractus optieus. In.dem linken Gehirnfuss wurde eine Atrophie seines äusseren Drittels eonstatirt. Somit endigt der N. cochlearis in dem vorderen Acustieus- kerne und in dem Tubereulum acustieum. Doch ein unbedeuten- der Theil seiner Fasern erreicht vielleicht unmittelbar die obere Olive. Von dem vorderen Acustieuskern und dem Tubereulum acusticum gelangen die Gehörfasern zu den oberen Oliven auf zwei Wegen — dorsal und ventral. Der erste (dorsale) Weg hat eine bei weitem grössere Beziehung zu den oberen Oliven, der gleichseitigen und der entgegengesetzten. Er steht ebenfalls in Beziehung zu den Kernen der verschiedenen Gehirnnerven, und ein Theil von ihm endigt vielleicht in der Formatio reticularis. Der ventrale Weg geht gekreuzt und ungekreuzt vermittelst des Corpus trapezoides zu den Oliven und zu der Seitenschleife. Der gekreuzte Weg ist stärker als der ungekreuzte. Der grössere Theil der ungekreuzten Fasern wendet sich zu den oberen Oliven; der grössere Theil der gekreuzten Fasern zu den Nebenoliven. Ein Theil der Fasern des gekreuzten Weges geht, ohne durch die grauen Massen unterbrochen zu werden, zu den vorderen Acustieuskernen. Die Schleife besteht aus gekreuzten Fasern des Corpus trapezoides und aus Fasern von der Nebenolive derselben Seite und möglicherweise auch aus Fasern von Schleifenkernen. Die Fasern der Schleife verlieren sich in dem hinteren Vierhügel; von hier aus gelangen sie durch den Binderaum zu dem inneren Kniehöcker und zu dem Schläfenlappen. Der Schleifenkern ist ein der oberen Olive analoges Gebilde. Beiträge zur Frage vom centralen Verlaufe des Gehörnervs. 463 Diese Arbeit ist im Laboratorium des Herrn Professor Hans Virchow in Berlin ausgeführt worden, welchem ich für die volle Bereitwilligkeit, mit Rath und That zu helfen, meine innigste Dankbarkeit sage. (Aus der histologischen Anstalt des Carolinischen medico-chirurg. Instituts in Stockholm.) Ueber Sekretkapillaren. Von Dr. Erik Müller. Hierzu Tafel XXVII. Die folgenden Zeilen haben den Zweck ein kurzes Referat einer in schwedischer Sprache Ende vorigen Jahres erschienenen Abhandlung !) über die feinsten Ausführungsgänge verschiedener Drüsen — Sekretkapillaren —, wie ich sie mit einem alten Namen nenne, zu liefern. Im Anschluss hierzu will ich einige Resultate über meine fortgesetzten Untersuchungen über die Sekretwege der Speicheldrüsen mittheilen. Die oben genannte Arbeit habe ich am Anfang des Jahres 1891 in Angriff genommen, nachdem ich die feineren Ausführungs- gänge in den Fundusdrüsen und im Pankreas mit der Golgi’schen Methode gefunden habe. Später habe ich auch die Speicheldrüsen in den Kreis meiner Beobachtungen gezogen, um die Bilder der Gänge der erstgenannten Drüsen mit denjenigen der letzteren zu vergleichen. Das Studium der Fundusdrüsen, besonders der Sekretwege der Hauptzellen führte mich zur Untersuchung der Pylorus- und der Brunner ’schen Drüsen. 1) Om inter och intracellulära körtelgängar. Akademisk afhand- ling. Stockholm. Samson & Wallin. 1894. 464 Erik Müller: Erstens habe ich in der genannten Abhandlung diese Drüsen mit der Golgi’schen Methode eingehend untersucht. Bezüglich der Untersuchung der Speicheldrüsen, zu welchen ich von einem Hingerichteten das entsprechende Material entnommen, habe ich die Resultate Cajal’'s, Retzius’ und Laserstein’s, nach welchen feine Sekretionsröhrchen sich zwischen die Drüsenzellen einsenken, bestätigt; in den Eiweissdrüsen finden sie sich in den eigentlichen, seeernirenden Tubuli überall zwischen den Zellen; in den Schleim- drüsen, von welchen ich besonders die Glandula sublingualis des Menschen und die Glandula orbitalis des Hundes untersuchte, nur in den Halbmonden; sie waren reichlich mit Sekretvakuolen be- setzt. Was die Lage betrifft, hielt ich für wahrscheinlich, dass einige von diesen Röhrchen intracellular gelegen seien, eine An- sicht, welche indessen durch meine späteren Untersuchungen nicht bestätigt worden ist. — Auch im Pankreas fand ich, wie Dogiel und Laserstein, sowohl inter- wie intracellulare Gänge. Meine Untersuchungen über die Fundusdrüsen erstrecken sich auf diejenigen des Hundes, der Katze, des Kaninchens und des Schweines. Die drei ersten Thierarten zeigen übereinstim- mende Structurverhältnisse. Im Drüsenausführungsgange zeigen die Belegzellen, über deren Anwesenheit und Lage in diesem Drüsenabschnitte unter den Cylinderzellen schon R. Heiden- hain eine gute Beschreibung geliefert hat, wohlausgebildete Sekretkapillaren, welche in einen mächtigen zwischen den hohen Cylinderzellen belegenen Quergang münden. Im Drüsenhalse fehlen im Allgemeinen die Quergänge. Die Belegzellen liegen nämlich dem Hauptausführungsgange so nahe, dass die Kapillaren sich direkt in diesen öffnen können. Im Drüsenkörper findet man schöne Kapillarkorben, welche durch wohlausgebildete Quer- gänge mit dem Hauptausführungsgange verbunden sind. Was die Lage der Sekretkapillaren zu den Zellleiben betrifft, so fand ich solehe theils pericellulare, theils in Uebereinstimmung mit den Untersuchungen von Langendorff und Laserstein wirklich intracellulare. Nicht immer erhält man in den Beleg- zellen die genannten Kapillarkorben, d. h. wirklich anastomo- sirende Sekretkapillaren, bisweilen nämlich haben die Sekret- kapillaren das Aussehen von reich verzweigten, mit freien Enden Ueber Sekretkapillaren. 465 versehenen Röhrehen. In meiner vorläufigen Mittheilung !) habe ich diese Bilder als von einer unvollständig entwickelten Färbung herrührend dargestellt. Diese Darlegung hat sich indessen als unhaltbar erwiesen. Meine weiteren Untersuchungen, auf ein grösseres Material sich stützend, lehren, dass die Sekretkapillaren der Belegzellen in der Form von zwei verschiedenen Typen ent- weder als anastomosirende oder als frei endigende Röhrchen sich darstellen lassen. Einerseits in Fällen sehr gelungener und voll- ständiger Färbung sind verzweigte frei endigende Röhrchen oft reichlich vorhanden und andererseits kann man bei unvollständiger Färbung oft sehen, wie die nur in geringer Zahl vorhandenen Kapillaren wirklich mit einander anastomosiren. Dies beweist also, dass die ungleichen Grade der Färbung nicht die Ursache des verschiedenen Aussehens der Sekretkapillaren ist. Von besonderem Interesse sind die Bilder, welehe man mit der Golgi’schen Methode in den Labdrüsen des Schweinemagens erhält. Wie bekannt, hat R. Heidenhain hier ein besonderes Strukturverhältniss gefunden, indem er gezeigt hat, dass die Belegzellen der mittleren Theile der Drüsen durch die Haupt- zellen von dem Lumen völlig abgedrängt, in besonderen Nischen der Bindegewebe, welche nur durch enge, zwischen den Haupt- zellen befindliche Mündungen sich öffnen, eingelagert sind. In Uebereinstimmung hiermit findet man mit der genannten Methode, dass die Quergänge, welche vom Drüsenlumen nach den Korb- kapillaren sich begeben, ausserordentlich lang und breit sind. Oft beobachtet man auch zwei- bis dreimalige Verzweigungen dieser Quergänge, welche Zweige dann nach verschiedenen Beleg- zellen führen. Was das Verhältniss zu den Zellen und das Aus- sehen der Sekretkapillaren betrifft, so gilt dasselbe, wie bei den übrigen Thieren. Sehr schön ausgebildete Kapillarkorben sieht man oft hier, aber andererseits haben die Kapillaren oft das Aus- sehen von frei endigenden Röhrchen. — Ausser der oben cha- rakterisirten eigenthümlichen Lage der Belegzellen zeigen diese Drüsen in ihrem Bau viel verwickeltere Verhältnisse, als die Drüsen der übrigen, von mir untersuchten Thiere. Erstens theilen sich die Tubuli mehrfach während ihrer Passage durch die Mukosa. 1) Verhandlungen des biolog. Vereins in Stockholm. Bd. 4. 1892. 466 Erik Müller: Diese grössere Röhre, die man als Haupttubuli bezeichnen kann, sind mit kleneren Nebentubuli von charakteristischem Gepräge versehen ; theils nämlich bilden die ersteren wirkliche Divertikeln, d. h. runde oder cylindrische Ausbuchtungen ihrer Wand, welche Hauptzellen, wie Belegzellen enthalten und deren Ausführungsgänge aus einem kurzen centralen Gange und von diesem abgehenden Quergängen mit Kapillarkorben bestehen. Da- neben giebt es auch kurze Röhrchen, welche nur von Belegzellen aufgebaut sind. Sie haben einen centralen Gang, auf welchem die Kapillarkorben direkt lagern. Die so eben beschriebenen Röhren sind nur in dem mittleren Theile der Drüsen zu finden. In den tiefsten Theilen der Drüsen sind die Tubuli nur aus Hauptzellen zusammengesetzt. Hier entfaltet die Golgi sche Methode auch interessante Strukturarten. Nicht nur die Haupt- lumina sind gefärbt; von den schwarzen Strängen, welche die- selben darstellen, gehen nämlich kleine schwarze Zweige zwischen die Hauptzellen hinein, um etwas birnenförmig angeschwollen nahe der Membrana propria frei zu endigen. Sie stellen also typische, für das Aufnehmen des von den Hauptzellen gelieferten Sekretes bestimmte Sekretkapillaren dar. Dieser Befund im Schweinemagen veranlasste mich nach der- artigen Bildungen in den Fundusdrüsen der übrigen oben ge- nannten Thiere nachzuforschen. Und in der That habe ich solche auch gefunden. Gewisse Labdrüsen, besonders diejenigen, die in der Nähe der Pylorusgegend liegen, zeichnen sich dadureh aus, dass in den niedrigsten Enden der Drüsen die Belegzellen sehr sparsam sind, manchmal ganz fehlen, und dass daher die Drüsentubuli nur aus Hauptzellen aufgebaut sind. Hier trefien wir dasselbe Strukturverhältniss, wie in den am niedrigsten ge- lagerten Theilen der Drüsen des Schweinemagens an: feine, frei endigende Queräste, die sich vom Lumen abzweigen, erstrecken sich zwischen die Hauptzellen. Die Bilder dieser Drüsen ver- mitteln auch die Uebergänge zu denjenigen, welche die Pylorusdrüsen darbieten. Sehr instruktive Bilder liefern Längsschnitte, welche man durch Stückchen, die dem Uebergangstheile zwischen Fundus- und Pylorusgegend entnommen sind, verfertigt. Ist die Färbung gelungen, sieht man in der ersteren die typischen, oben beschriebenen Sekretwege der Fundusdrüsen. Geht man jetzt zu Ueber Sekretkapillaren. 467 dem Uebergangstheile, so sieht man, wie die Körbe von unten immer mehr und mehr verschwinden und durch einfache, frei endigende Sekretkapillaren ersetzt werden. So kann man z. B. Drüsen antreffen, welehe nur in ihrem oberen Theile einen oder zwei Kapillarkorben, im ganzem unteren Theile aber nur einfache, zwischen den Hauptzellen liegende Sekretkapillaren besitzen. Endlich fehlen in den eigentlichen Pylorusdrüsen die Korbkapillaren ganz, und das Bild, welches die Golgi’sche Methode über die Sekretwege dieser Drüsen liefert, ist ein centraler Strang, der in dem oberen !/, Theile eine unten konisch zugespitzte Form hat und von Seitenzweigen frei ist, in dem unteren gleich dieken Theile da- gegen reichlich mit Querästen besetzt ist, welche sich als frei endigende, zwischen den Zellen oft bis zur Membrana propria sich hineinsenkenden Sekretkapillaren darstellen. Die Drüsentubuli sind oft verzweigt. Die Brunner’schen Drüsen bieten dieselben Verhältnisse, be- züglich der feineren Sekretwege, wie die Pylorusdrüsen, dar. Besonders instruktiv und schön sind die Bilder, welche man von den Drüsen junger Thiere erhält. Das Gangsystem einer ganzen Drüse ist in gelungenen Präparaten ganz gefärbt, und die Theilungen und eigenthümliche Biegungen der Drüsentubuli, welche Schwalbe schon vor mehreren Jahren unter Benutzung anderer Methoden beschrieben hat, lassen sich sehr gut hier demon- striren. Was die Sekretkapillare betrifft, so ist nichts zu der Beschreibung derselben der Pylorusdrüsen zu legen. Dies sind meine Resultate mit der Golgi’schen Methode. Ich fand aber im Laufe der Untersuchung, dass diese Methode, so trefflich auch die Bilder, welche man mit ihr erhält, sein mögen, doch lange nicht genügt, um alle Fragen hinsichtlich des Wesens der Sekretkapillaren zu lösen. Besonders die Lage der feinen Gänge im Verhältnisse zu den Zellen tritt nicht klar genug hervor. Darum habe ich unsere gewöhnlichen Fixirungs- und Färbungsmethoden geprüft, um mit ihrer Hülfe die genannten Bildungen darstellen zu können. Es war mir auch gelungen, in den Eiweiss-, Schleim- und Fundus-Drüsen Bilder von Gängen, welche den mit der Golgi’schen Methode erhaltenen entsprechen, zur Ansicht zu bringen. Ich habe also gefunden, dass die ein- zige Bedingung, um solche Bilder zu bekommen, nur eine tadel Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 31 468 Erik Müller: freie Fixirung ist. Ich habe solche Bilder von den Eiweiss- Speicheldrüsen in der Abhandlung mitgetheilt. Dass diese meine Anschauung, dass die Golgische Me- thode nicht genügt, um viele der Streitfragen in der Speichel- drüsenhistologie zu lösen, auch von anderen Forschern getheilt wird, geht aus den Worten, mit welchen v. Brunn seine Recension über die neueren Arbeiten der Speicheldrüsen in Merkel’s und Bonnet’s Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte (III. Bd. 1893) beendigt, deutlich hervor. Er sagt nämlich, nach dem Referate der Arbeiten über die Schleimdrüsen mit der Golgi’schen Methode und Erwähnung des Gegensatzes, welchen diese zu den Stöhr’schen Ansichten von der Bedeutung der Halbmonde bilden: „Trotz der zahlreichen und mühevollen Unter- suchungen über die Speicheldrüsen muss also noch weiter über dieselben gearbeitet werden. Die nächste Aufgabe wird die sein, die Resultate der Golgi’schen Methode mit denen der tink- toriellen Methoden in Harmonie zu bringen.“ Hier will ich jetzt die Resultate meiner fortgesetzten Unter- suchungen über die feinen Sekretwege in den Eiweiss- und Schleim- Speicheldrüsen mittheilen. | Die beste Methode die Sekretkapillaren in den Speicheldrüsen — den serösen wie den mukösen — darzustellen, ist Sublimatfixirung nebst Eisenhämatoxylinfärbung im der von M. Heidenhain angegebenen Weise. Vom Interesse ist hierbei, dass auch die Gallenkapillaren der Leber, wieR. Krause!) gezeigt hat, sich mit derselben Methode färben lassen. Auch die Färbung des sublimatfixirten Materiales mit Wasserlösungen von Rubin allein oder mit der sogenannten Biondi schen Lösung (Rubin, Methyl- grün, Orange) liefert recht gute und deutliche Bilder, welche je- doch von den nach der erstgenannten Methode dargestellten in Distinktheit übertroffen werden. Ich habe von den Eiweiss-Speicheldrüsen die Glandula pa- rotis und submaxillaris des Menschen — von demselben Materiale, in welchem ich die Sekretkapillaren mit der Golgi'schen Me- thode dargestellt habe, — die Glandula submaxillaris des Kaninchens und Meerschweinchens und die Ebner’schen Drüsen der Kaninchen- Zunge untersucht. Alle haben sie, was die feineren Sekretwege 1) Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 42. 1893. Ueber Sekretkapillaren. 469 anbetrifft, übereinstimmende Bilder geliefert. Besonders schön sind die Bilder von den menschlichen Drüsen, indem hier die Drüsenzellen sehr gross und die Sekretkapillaren sehr lang und gut entwickelt sind. Nach einer wohlgelungenen Fixirung und Färbung erhält man in den verschiedenen Eiweissdrüsen Bilder, wie sie die Fig. 1—7 zeigen. Die Grenzen der Zellen treten alsscharfmarkirte, blaugefärbte Linien gut hervor. Diese differentirte, eetoplasmatische Schicht der Zellsubstanz bekleidet auch die an das Hauptlumen grenzende Wand der Zelle. Vom Lumen der Drüsentubuli zweigen sich feine, helle Röhrehen zwischen die Zellen hinab, um nach ge- radem oder gewundenem Verlaufe gewöhnlich in der Nähe der Membrana propria blind zu endigen. Niemals anastomosiren diese Röhrehen miteinander. Sie theilen sich oft während ihres Ver- laufes. Die Uebereinstimmung zwischen diesen Bildern und den mit der Golgi’schen Methode erhaltenen ist deutlich, sie gestatten uns aber noch weitere Blicke als die letztgenannte in das Wesen dieser Bildungen zu thun, besonders, was die Frage von der Lage derselben im Verhältnisse zu den Zellen und ihrer Struktur anbetrifft. Die Lage dieser Röhrchen ist intereellular. Diese Frage ist jedoch nicht so leicht zu unterscheiden, wie es bei dem ersten Blicke zu sein scheint. Einige Röhrchen treten deutlich zwischen die Zellen hinein und sind bis zu ihrem Ende in der Zellgrenze zu verfolgen (Fig. 6 und 7). Andere biegen nach einem kurze Verlaufe seitwärts um und machen den Eindruck, als ob sie sich direkt in die Zellsubstanz hineinsenkten. Durch die Durchmusterung einer grossen Menge solcher Präparate bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, dass es sich in solchen Fällen theils um Schrägschnitte, theils um Flächenbilder von dem oft sehr gewundenen, zwischen den Zellen verlaufenden Kapillaren handelt. Namentlich Bilder, wie die Fig. 2 und 4, rufen bei dem ersten Ansehen den Eindruck von intracellular belegenen Kapillaren hervor. Das Verhältniss des Ganges zum Zellkerne macht diese Annahme noch plausibler. Durch Anwendung der Mikrometer- schraube bei sehr starker Vergrösserung überzeugt man sich je- doch, dass die Kapillare nieht völlig in demselben Niveau wie der Kern, sondern in einem tieferen liegt. Und da man sich leicht davon überzeugen kann, dass die Kerne oft an der Zell- a7o0 Erik Müller: grenze liegen, ist es klar, dass solche Bilder entstehen können, wenn man einen Zwischenraum im Flächenbild vor sich hat. Die Kontouren der Sekretkapillaren werden von sehr distinkten, blaugefärbten Linien von ganz demselben Aussehen, wie die oben beschriebenen Zellgrenzen gebildet, wodurch sie sich von dem hellen ungefärbten oder schwach blau gefärbten Protoplasma deutlich abheben, wie die Bilder ja deutlich zeigen. Braucht man bei einem wohlgelungenen Präparate eine verschiedene Ein- stellung, so sieht man in gewissen Zellgrenzen zuerst eine distinkte blaue Kontour, dann die helle langgestreckte, von blauen Linien begrenzte Sekretkapillare, die noch tiefer verschwindet und nur durch eine Linie ersetzt wird. Die Sekretkapillaren sind also drehrunde, eylindrische Röhrchen, was auch aus den Golgi’schen Präparaten hervorgeht. Von grossem Interesse ist es, dass die feinen Strukturver- hältnisse der Sekretwege der Speicheldrüsen völlig mit denen übereinstimmen, welche nach Krause's!) Untersuchungen die Gallenkapillaren darbieten. Die Leberzellen zeigen hier ein Eeto- plasma, welches auch die Gallenkapillarwand bildet. Diese Sehicht färbt sich bei der Eisen-Hämatoxylinfärbung blau. Die genannte Aehnlichkeit zwischen den Gallenkapillaren und den feinen Aus- führungsgängen der Speicheldrüsen scheint mir zu der Anwendung des Namens: Sekretkapillaren, welchen ich stets benutzt habe, wohl zu berechtigen. Ausserhalb der Kapillarwand sieht man in einigen Prä- paraten (Fig. 3 und 5) runde, von der übrigen Zellsubstanz gut abgegrenzte Bildungen, welche wohl die zuerst von Retzius in den Speicheldrüsen nach Behandlung derselben mit der Golgi’- schen Methode gesehenen Sekretvakuolen sind. In meinen Prä- paraten sind sie durch ihre regelmässige runde Form, durch ein anderes Liehtbrechungsvermögen als das der übrigen Zellsubstanz und eine blaue Wandschicht von ganz demselben Aussehen wie diejenige der Sekretkapillaren charakterisirt. Einige berühren die Wand der Sekretkapillare, stehen aber nicht mit dem Lumen desselben in Verbindung (Fig. 5); andere sind durch eine grössere oder kleinere Oeffnung mit ihm verbunden. So kann man Sekret- 1) Archiv f. mikr. Anatomie. Bd. 42. 189. Ueber Sekretkapillaren. 471 vakuolen sehen, welche mittels einem kleinen durchbrochenen Stiele mit der Sekretkapillare in Verbindung stehen; ein anderes Mal ist die Verbindung breit und die Vacuolen präsentiren sich als wahre Divertikula der Sekretkapillare. Es ist klar, dass dieses verschiedene Aussehen der Sekretvakuolen durch eine un- gleiche Entwickelung bedingt ist. Nach ihrer ersten Entstehung sind die Vakuolen kreisrund, durch die gefärbte Wandschicht von der Umgebung getrennt. Später öffnen sie sich in die Sekretkapillare und entleeren ihren Inhalt in dieselbe. Immer liegen sie in der nächsten Nähe der Sekretkapillaren oder auch direkt an der Wand des Hauptlumens, in welches sie sich später öffnen. Die Menge der Sekretvakuolen variirt in den verschiede- nen Präparaten sehr, wahrscheinlich in Folge der verschiedenen Sekretzustände. Ich komme jetzt zum Berichte über meine Untersuchungen über die Schleim-Speicheldrüsen. Wie ich in diesem Aufsatze schon gesagt habe, sieht man in diesen Drüsen nach einer wohl gelungenen Färbung derselben vermittelst der Golgi’schen Methode, wie die schwarzgefärbten Lumina der Drüsentubuli sieh in die Halbmonde fortsetzen, um hier als mehr oder weniger verzweigte, blind auslaufende Gänge zu endigen. Zwischen den eigentlichen Schleimzellen giebt es dagegen keine solche Sekret- kapillaren. Die nach Sublimatfixirung und Eisen-Hämatoxylin resp. Rubinfärbung dargestellten Präparate bestätigen diese Re- sultate vollständig, erweitern aber auch sehr wesentlich unsere Kenntnisse von den Sekretionsvorgängen in den Zellen. Ich habe von den genannten Drüsen die Glandula sublingualis des Menschen und die Glandula submaxillaris des Hundes und der Katze untersucht. Alle haben sie ähnliche Resultate geliefert. Die verschiedene Struktur der Schleimzellen und der Zellen der Halbmonde tritt gut hervor. Die Zellgrenzen sind in den beiden Abschnitten der Drüsentubuli als distinkte blaue Linien zu sehen (Fig. 8, 9 und 10). In den Halbmonden sieht man sehr deutliche Sekretkapillaren von ganz demselben Aussehen wie in den Ei- weissdrüsen. Was ihre Lage und Verhältnisse zu den Zellen anbelangt, so gilt hier dasselbe, was ich von den genannten Drüsen gesagt habe. Sie sind intereellular belegen. Dieselben Beweise und Auseinandersetzungen, welehe ich bei den Eiweiss- 472 Erik Müller: “ drüsen betreffs der Lage ihrer Sekretkapillaren vorgebracht habe, gelten auch hier. Sie zeigen hier auch bezüglich ihrer Struktur ähnliche Verhältnisse. Die scharf hervortretende blau gefärbte Wandschicht haben nämlich die Sekretkapillaren auch hier. In der Nähe dieser Wandschicht liegen, ganz so, wie in den Eiweissdrüsen, Sekretvakuolen (Fig. 8, 9, 10). — Die unge- wöhnlich grosse Weite des Lumens der Drüsentubuli zwischen den Schleimzellen fällt hier, wie in den nach der Golgi’schen Methode. dargestellten Präparaten in die Augen. Die Schleim- zellen sind von einander wie auch von dem Lumen durch schmale blaue distinkte Linien getrennt. Nie sieht man hier die hellen Räume, welche in den Halbmonden die Sekretkapillaren bezeichnen. Die Bilder sind in dieser Hinsicht so distinkt und klar, dass man, wenn man nur hinreichend gute Präparate durchmustert, sich davon völlig überzeugen kann. Dagegen sieht man hier, wie in gewissen Schleimzellen die blaue Grenze gegen das Lumen aufgelöst ist und der nächstliegende Theil des Zellinhaltes sich direkt in das weite Lumen entleert (Fig. 9, b). Diese Präparate beweisen also noch mehr als die mit der Golgi’schen Methode gewonnenen, erstens, dass beide Zellarten sowohl die Schleimzellen wie auch die Zellen der Halbmonde secerniren und zweitens, dass der Sekretionsmechanismus — d. h. die Weise, in welcher das in den Zellen gebildete Sekret ausgestossen wird—in den Schleimzellen und den Zellen der Gianuzzi’schen Halbmonde sehr verschieden ist. Im den erstgenannten tritt das Sekret direkt in das Hauptlumen der Drüsengänge hinaus; in den Zellen der Halbmonde dagegen nimmt es erst die Form von in den Zellen gelegenen, sehr charakteristischen Tropfen (Sekret- vakuolen) an, welche sich danach in feine, nur in den Halbmonden befindlichen Kapillaren entleeren. Diese Befunde, den Sekretions- mechanismus betreffend, mit der verschiedenen Struetur der Zellen zusammengestellt, scheinen mir mit Nothwendigkeit zu fordern, dass wir — in Uebereinstimmung mit der, so viel ich weiss, zuerst von v. Ebner!) ausgesprochenen Ansicht, welcher 1) Archiv f. mikr. Anatomie. Bd. 8. 1872. Ueber Sekretkapillaren. 473 die Forscher, die mit der Golgi’schen Methode arbeiteten, sich angeschlossen haben — die Schleimzellen und die Zel- len der Halbmonde als verschiedene Zellarten, als Bildungen sui generis betrachten, welche weder dureh Entwickelungszustände (Heidenhain u. a.) noch dureh funktionelle Stadien (Stöhr u. a.) mit einander in Verbindung stehen, sondern in morphologischer, wie in physiologischer Hin- sicht Elemente eigener Art sind. Die in den obigen Zeilen mitgetheilten Beobachtungen gelten nur für Drüsen, welche sich in ruhendem oder normalem Sekre- tionszustande befinden. Wie sich die Strukturverhältnisse be- treffs der Sekretgänge der Drüsen von pilokarpinisirten Thieren beschaffen zeigen, darüber sind meine Erfahrungen noch gering. In den mittels der oben genannten Methode dargestellten Präparaten kann man auch sehr gut das Entstehen der Sekret- vakuolen aus gewissen morphologischen Bestandtheilen der Zell- substanz der Drüsenzellen studiren. Die näheren Berichte darüber sowie über die morphologischen Veränderungen der Speicheldrüsen- zellen während der verschiedenen Phasen der Sekretion hoffe ich, in der nächsten Zeit publieiren zu können. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVII. Sämmtliche Figuren sind nach Präparaten, welche durch Sub- limatfixirung und Färbung mit Eisen-Hämatoxylin (M. Heidenhain) dargestellt und mit Zeiss Apochromat 2,0 mm Apert. 1,30 Comp. Oc.6 untersucht sind, gezeichnet. Fig. 1. Mensch: Glandula parotis. Reichliche Sekretkapillaren (k). Fig. 2. Mensch: Glandula parotis s Schaltstück. %k eine scheinbar in der Zellsubstanz liegende Sekretkapillare. Fig. 3. Mensch: Glandula parotis. v Sekretvakuole, welche sich in eine Sekretkapillare %k öffnet. Fig. 4 Mensch: Glandula parotis. %k Sekretkapillare. Fig. 5. Kaninchen: Glandula submaxillaris. % Sekretkapillare reich- lich mit Sekretvakuolen (v) versehen. 474 * Kig,,6, Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. Erik Müller: Ueber Sekretkapillaren. Meerschweinchen: Glandula submaxillaris. &k Sekretkapillaren. Die Drüsenzellen zeigen in ihrem basalen Theile eine sehr schön ausgebildete Struktur von feinen Fäden, welche parallel mit einander den Zellkörper der Länge nach durchziehen. Viel- leicht sind sie mit den von Solger!) in der menschlichen Submaxillarisdrüse gefundenen „faden- oder stäbchenartigen Gebilden“ identisch. Kaninchen: v. Ebner’sche Drüse aus dem Zungengrunde. k Sekretkapillaren. Hund: Glandula submaxillaris. «@ Gianuzzi’scher Halbmond. b Schleimzellen. % Sekretkapillaren. v Sekretvakuole. Hund: Glandula submaxillaris. Dieselbe Bezeichnung wie bei der vorigen Figur. Bei b sieht man, wie die Zellgrenze gegen das Lumen aufgelöst ist und wie der Zelleninhalt in das Lumen hervorquillt. Katze: Glandula submaxillaris. Dieselbe Bezeichnung, wie in Fig. 8. 1) Anatomischer Anzeiger. Bd. IX. 1894. 475 (Aus dem anatomischen Institut in Halle.) Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Froschlarve. Von Dr. med. W. Noetzel, Assistenten am histologischen Institut zu Halle a. S. Hierzu Tafel XXVII. Einleitung. Die Vorgänge zu verfolgen, welche im Lauf der normalen Entwicklung zur Rückbildung von Organen führen, wie dies bei den Larven der Arthropoden und der Amphibien der Fall ist, und mit demunter pathologischen Verhältnissen vorkommenden Schwund zu vergleichen, ist schon darum lohnend, weil sie uns gestatten, die Reduetion, wie sie sich acut, innerhalb weniger Tage vollzieht, zu verfolgen. Die einzelnen Phasen des Processes werden voraus- sichtlich mit grösserer Prägnanz in die Erscheinung treten, als bei dem langsam verlaufenden Schwund, der zudem oft durch andere Processe komplizirt wird, mag er nun spontan sich ent- wickelt haben oder experimentell erzeugt sein. Für das Studium der Rückbildung ist der Larvenschwanz auch darum besonders geeignet, weil das nöthige Material in den verschiedensten Stadien in frischem Zustand leicht beschafft werden kann, was bei patho- logischen Objeeten oft schwer zu erreichen ist. Zwar haben zum Theil sehr eingehende Untersuchungen während des letzten Jahrzehnts sich mit diesem Gegenstand be- schäftigt, wie diejenigen von Metschnikoff (1), Barfurth (2), Loos (3), Bataillon (4), S. Mayer (5), Schaffer (6), doch ist den einzelnen Geweben eine sehr ungleiche Bearbeitung zu Theil geworden, und von den Resultaten lässt sich keineswegs behaupten, dass sie in Uebereinstimmung wären. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 32 476 W. Noetzel: Der Darstellung meiner Befunde will ich eine kurze Be- schreibung der Methoden vorausschicken. Benutzt wurden Larven von Rana temporaria, eseulenta und Bufo variabilis, welche ich in Alkohol absolutus, m 7T!/, °/, Sub- limatlösung, in Rabl’s Chromameisensäure, m Flemm in g’scher, Hermann’scher und Müller’scher Flüssigkeit conservirte. Die sofortige Härtung in absolutem Alkohol wurde nur versuchs- weise und zur Erzielung sicherer Hämatoxylinfärbungen angewandt und gab, in Bezug auf die Färbung sehr gute, in Bezug auf die Con- servirung der Formen sehr schlechte Resultate. Die Schrumpfung der wasserreichen Gewebe ist eine sohochgradige und dabei an den einzelnen Geweben ungleiche, dass es unmöglich ist, reine Quer- oder Längs- schnitte von solchen Präparaten zu bekommen. Besonders die Muskeln erscheinen in den verschiedensten Richtungen verzogen und geschrumpft und die einzelnen Fasern durch weite Abstände rings von dem Sarko- lemmaschlauch getrennt. Ebenso ist das Sarkoplasma erheblich ge- schrumpft und vielfach unsichtbar. Der Zustand der Muskeln ist ein vor- züglichesKriterium für die Güte eines Fixirungs- oder Einbettungsmittels, worauf ich weiter unten noch zurückkommen werde. Auch die Haut leidet sehr unter der Alkoholschrumpfung und lässt Details an den einzelnen Elementen gar nicht mehr er- kennen. Sublimatlösung wurde mit und ohne Zusatz von Eisessig ver- wandt. Die Larven wurden in derselben, ebenso wie in Alkohol, er- tränkt, nach dem binnen weniger Secunden erfolgten Tod der Schwanz amputirt und nötigenfalls in kleine Stücke zerlegt. Nach 24—48stün- digem Aufenthalt in der Lösung wurden die Gewebe entweder sofort in 70%/, Alkohol übertragen und unter Steigerung der Concentration des Alkohols gehärtet, oder erst nach 12—24stündigem Auswaschen dem Härtungsprozess in Alkohol unterworfen, in Celloidin eingebettet, unter 85%, Alcohol geschnitten und mit Hämatoxylin nach Fried- länder oder Hämalaun nach G. Mayer und Eosin gefärbt und in Canadabalsam eingeschlossen. Die Färbung gelingt nach Sublimat- fixirung sehr gut, die Structur der Kerne ist ebenfalls gut erhalten, die Gewebe schrumpfen aber bei der Nachhärtung in Alkohol je nach der Dauer derselben mehr oder weniger, wovon wieder das Verhalten der Muskelfasern und des Hautepithels Zeugniss geben. Die Schrumpfung ist jedoch um ein bedeutendes geringer als bei sofortiger Alkoholhärtung und kann durch Zusatz von Eisessig zum Sublimat oder besser zum Alkohol ein wenig beschränkt werden. Die schon stark verkürzten Schwänze der letzten Stadien schrumpfen sowohl in Alkohol als in Sublimat weniger, als die intacten, was sich leicht durch den grösseren Wassergehalt der Gewebe in den letzteren erklärt. Bessere Conservirung der Gewebs- und der Kernstructuren er- hält man nach 24—48stündiger Fixirung in Rabl’s Chromameisen- Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Froschlarve. 477 säure. Die weitere Behandlung ist dieselbe wie nach Anwendung von Sublimat; zur Färbung benützte ich wässrige Saffranin- oder Gentiana- violettlösung. Färbungen mit Hämatoxylin nach Friedländer ‚oder Böhmer und mit Hämalaun gelingen ebenfalls, wenn man die Sehnitte vorher für einige Minuten in Kalilauge 1:10 000 oder in con- centrirte Lösung von Lithion earbonieum gelegt hat. Schrumpfung der Gewebe ist hier fast gar nicht vorhanden, die Kernstructuren und die feineren Details an den Muskeln sind sehr gut zu erkennen. Weitaus die schönsten Bilder ergab Flemming'sche oder noch besser Hermann'sche Mischung, sowohl was die Kerne, als was die Gewebe selbst betrifft. Ich wandte sowohl die starke (4 Theile 20/, Osmiumsäure auf 20) als die schwache (4 Theile 1°/, Osmiumsäure auf 20) Modification beider Lösungen an und liess sie 24—48 Stunden, des Versuchs wegen mitunter auch 8 Tage lang einwirken, wässerte dann 15—24 Stunden in fliessendem Wasser aus, härtete in Alkohol von steigender Concentraction und bettete in Celloidin ein. Zur Fär- bung benützte ich fast ausschliesslich concentrirte wässrige Saffranin- lösung, mitunter auch alkoholische oder Saffraninanilinöl nach Babes. In der Saffraninlösung bleiben die Schnitte !/,; Stunde (im Saffranin- anilinöl nur wenige Minuten), werden in Wasser oberflächlich abge- spült, in Salzsäure haltigem Alkohol (S—10 Tropfen reiner Salzsäure auf 100 Alkohol absolutus oder 96°/,) bis zur vollkommenen Entfärbung des anhaftenden Celloidins differenzirt, in Bergamott-, Origanum- oder Nelkenöl aufgehellt und in Canadabalsam eingeschlossen. Vergleichs- halber hellte ich einige Male die Schnitte in Glycerin auf, das manche Details schärfer hervortreten lässt. Man erhält so eine ganz distincete, dabei intensive Chromatin- färbung, die alle Details der Kernstructur aufs schönste erkennen lässt; die Grundfarbe ist bei Flemming'scher Flüssigkeit mehr gelb, bei Hermann'scher mehr bräunlich, je nach der Concentration der Osmiumsäure heller oder dunkler. Es scheint, dass die Hermann- sche Flüssigkeit die Gewebscontouren noch vollkommener conservirt als die Flemmin g’sche, ausserdem contrastirt der durch sie ge- gebene mehr graubraune Farbton der Grundsubstanz noch schärfer mit dem Saffraninroth, als das Gelb der Flemming 'schen Lösung. Die Fixirung ist eine so vollkommene, dass auch nach monate-, sogar jahrelanger Aufbewahrung der Gewebe in Alkohol keine nachträgliche noch so geringe Schrumpfung an denselben eintritt. Besonders ge- eignet ist die Fixirung nach Hermann für die Muskeln, deren Pri- mitivbündel prall ihren Sarkolemmaschlauch ausfüllen und eine sehr deutliche Scheidung der braun gefärbten contractilen Substanz von dem hellgrauen fein granulirten Sarkoplasma zeigen. Die Quer- streifung ist tadellos erhalten. Auch an anderen Stellen findet sich, wie bei der contraetilen Substanz der Muskeln, eine dunklere Farbe da, wo das Protoplasma dichter ist, z. B. erscheinen die Eberth’- schen Gebilde in den Hautepithelien, ebenso wie die Protoplasmaaus- scheidungen der Epithelzellen dunkler als das Protoplasıma der Zelle, 478 W. Noetzel: Aehnliche Verhältnisse finden sich an der Chorda dorsalis, wo die schrumpfende Substanz der Chordazellen braun und dunkel erscheint gegen die Chordascheide. Vorzüglich lässt die Fixirung nach Her- mann vor Allem auch die Zellgrenzen im Epithel z. B. der Haut er- kennen. Die markhaltigen Nervenfasern werden durch die Einwir- kung der Osmiumsäure geschwärzt und heben sich überall deut- lich ab. Um in einem so pigmentreichen Organ, wie der atro- phirende Froschlarvenschwanz es ist, in dem überdies fettiger Zerfall a priori nicht ausgeschlossen erscheint, sicher überall Pigment von osmirtem Fett zu unterscheiden, bedarf es sorgfältiger Vergleiche dieser Präparate mit solchen, bei denen keine Osmiumsäure verwandt wurde. Die Hermann'sche Flüssigkeit hat den Nachtheil, dass sie nur kleine Gewebsstücke ganz fixirt, wenn der Durchmesser grösser ist als 1/, em, aber nur eine Fixirung der äussersten Schichten bewirkt. Es ist daher geboten, den in der Lösung ertränkten Larven, sofort nach- dem der Tod eingetreten ist, den Schwanz abzuschneiden und in kleinere Stücke zu zerlegen. Zur Fixirung genügt eine Einwirkung von 24 Stunden, auch nach Stägiger Einwirkung hat die Färbbarkeit der Kerne nichts verloren. Alle in Hermann’scher Lösung fixirten Gewebe müssen im Dunkeln aufbewahrt werden, da sie am Licht stark nachdunkeln. Die Müller’sche Flüssigkeit hat als Fixirungsmittel vor Allem den Nachtheil, dass jede Kernstrueturin ihr verloren geht; die Kerne färben sich dann diffus gleichmässig. Die Gewebsformen erhält sie im ganzen sehr gut und schützt, wenn sie lange Zeit (1—6 Monate) eingewirkt hat, auch genügend vor nachträglicher Schrumpfung durch Alkohol. Schleeht konservirt erschien aber vor allem das Deckepithel der Haut und der Cutieularsaum derselben. Ein weiterer grosser Nachtheil dieses Fixirungsmittels besteht darin, dass es sehr langsam abtödtet, man muss daher Froschlarven vor der Conservirung deeapitiren, da sie sonst noch 10—15 Minuten lang in der Flüssigkeit sich bewegen. Aus demselben Grunde scheint mir in Uebereinstimmuug mit Schaffer die Müller’sche Flüssigkeit sehr wenig geeignet zur Fixirung von Muskeln, deren Formen sie zwar gut erhält, die aber so langsam ab- gretödtet werden, dass z.B. ein vom Körper abgetrennter Froschlarven- schwanz noch über eine Viertelstunde lang in der Müller’schen Flüssigkeit Contractionen sehen liess. Von der Verwendung dieser Präparate zum Studium des Muskelzerfalls sah ich daher vollkommen ab und benutzte die inM ü Ile r’scher Flüssigkeit conservirten Schwänze nur zur Axencylinderfärbung der Nerven. Hierfür ist sie vorläufig noch unentbehrlich ; mit anderen Fixirungsmitteln konnte ich eine Färbung des Axeneylinders markhaltiger Nerven nie erzielen. Ueber die Technik der Nervenuntersuchungen an den Froschlarven werde ich des Genaueren erst in dem Abschnitt von dem Nervenzerfall be- richten. Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Froschlarve. 479 Zur Einbettung bediente ich mich fast ausschliesslich des Celloidins, und möchte der Anwendung desselben bei so zarten Geweben, wie dem Froschlarvenschwanz, ganz besonders das Wort reden. Schon die ersten versuchsweise unternommenen Paraffineinbettungen über- zeugten mich zur Genüge von der Unbrauchbarkeit dieser Methode. Ein Vergleich von Paraffin- und Celloidinschnitten aus demselben Stadium lässt deutlich den Unterschied erkennen, beim Celloidin weiche zarte, bei geeigneter Fixirung (Hermann'sche Flüssigkeit) ganz unveränderte Contouren und Linien, beim Paraffin überall Schrumpfung der Gewebstheile, harte, verzogene Contouren, Trennung der be- nachbarten Elemente von einander, Erweiterung der Gewebsinter- stitien z.B. an den Muskelfasern, an den Chordazellen, im Epithel der Haut. Zum Zweck der Achsencylinderfärbung, die bekanntlich sehr dünne Schnitte erfordert, habe ich später noch einmal eine grosse Zahl von Larvenschwänzen in Paraffin eingebettet und bin in meiner oben auseinandergesetzten Ansicht dadurch nur bestärkt worden, so dass ich schliesslich auch für die Achseneylinderfärbung wieder Celloidin- schnitten von 10u Dicke den Vorzug gab vor halb so dicken Paraffin- schnitten. Dass durch die Schrumpfung im Paraffin auch verhängnissvolle Irrthümer in der Deutung der Befunde hervorgerufen werden könnten, dafür liefert z. B. die Loos’sche Arbeit an mehreren Stellen den Beweis. Wenn z. B. Loos die Ablösung der Chordazellen von der Chordascheide für eine durch die Atrophie bedingte Erscheinung hält (s. Loos, S. 76 und Fig.58 I. III), so ist dem entgegenzusetzen, dass diese Erscheinung sich nur in Paraffinpräparaten findet, hier aller- dings, wie ich bestätigen kann, regelmässig. Loos hat nur mit Pa- raffin gearbeitet, in Celloidinschnitten würde er dieses Bild nie gesehen haben. Unter dieselbe Categorie gehört der Befund von Muskelfasern, die ringsum weit von dem sie umschliessenden Sarkolemmaschlauch abstehen, eine Schrumpfungserscheinung, die sowohl durch Alkohol- wie durch Paraffinwirkung hervorgerufen werden kann, die aber bei Präparaten, die in Hermann’scher Lösung fixirt und in Celloidin eingebettet sind, nie beobachtet wird, aus welchem Stadium sie auch stammen mögen. Sie kann also auch nicht, wieLoos (l. ec. 8.53 und Fig. 31, 32 I. II) annimmt, auf einer durch die Atrophie bedingten Schrumpfung der Faser beruhen. Die Färbung habe ich durchweg nur an den Schnitten vorge- nommen. Färbungen in toto lassen schwer eine genaue Differenzirung zu, die Zeichnungen der Loos’schen in toto gefärbten Präparate können mich in dieser Ansicht nur bestärken. Eine genaue Differen- zirung ist aber besonders bei der Saffraninfärbung nothwendig, die sonst leicht auch von nicht zum Kern gehörenden Gewebstheilen fest- gehalten wird, z. B. häufig von den Eberth’schen Gebilden im Haut- 480 W. Noetzel: epithel, wodurchBataillon veranlasst wurde, dieselben als Chromatin- fäden zu deuten. Zupfpräparate habe ich zum Vergleich sowohl von frischen als von conservirten Larven wiederholt angefertigt; ich kann aber be- sonders der Untersuchung am frischen Zupfpräparat wie überhaupt am frischen oder gar lebenden Objeet nicht den Wert beimessen wie Loos. Wenn schon Barfurth richtig bemerkt hat, dass bei den Zupfpräparaten der situs zerstört wird, so möchte ich sogar eine leicht zu Irrthümern führende Gefahr in dem Durcheinander von Gewebselementen erblicken, das durch Zerzupfung eines so kleinen aus so verschiedenen dicht nebeneinander gelegenen Gewebsarten be- stehenden Organs hervorgerufen wird. Zumal für die Beurtheilung einer etwaigen Thätigkeit der Leukocyten können Zupfpräparate ver- hängnissvoll werden, denn in Folge der Eröffnung zahlreicher Blut- und Lymphspalten beim Zupfen gerathen leicht in alle Gewebe Leuko- eyten und vermögen so die Vermuthung zu erwecken, als ob sie mit der Zerstörung des betreffenden Gewebstheiles beschäftigt wären. Die Untersuchung des Schwanzes der lebenden Kaulquappe mit dem Mikroskop halte ich nur für geeignet zur Beobachtung der Cirkulationsverhältnisse; histologische Details auch einfacherer Art lassen sich auch bei kleinen Exemplaren wegen ungenügender Durchsichtigkeit des Schwanzes zum Theil schwer erkennen. Haut. Bei der nachfolgenden Beschreibung der Befunde an der Haut gehe ich von Präparaten aus, die m Hermann scher Flüssigkeit fixirt und mit Saffranin gefärbt worden sind, da die Hermann’sche Fixirung sich als die einzige erwies, die jede Scehrumpfung der Hant verhinderte. Die Haut der Kaulquappe besteht aus einer homogenen, zell- und kernlosen Membran und aus einem zweischichtigen Epithel mit Cutieularsaum. Der inneren Fläche der Haut liegen in ziemlichen kleinen Abständen mit spärlichem Protoplasma um- gebene Kerne an, die Cutiszellen Hensen’s (8). Diese scheinen durch ihre Ausläufer mit den weiter innen gelegenen Zellen der Subeutis in Verbindung zu stehen, ‘deren äusserste Schieht sie bilden. Von den Cutiszellen geht später die Um- wandlung der homogenen Membran in faseriges zellenreiches Binde- gewebe aus. Sowie die ersten Antänge der Atrophie am Larvenschwanz bemerkbar sind — makroskopisch: Verlust des Flossensaumes, mikroskopisch: Beginn des Muskelzerfalles —, findet eine Ver- diekung der Cutismembran statt. Die Zellen auf ihrer Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Froschlarve. 481 Innenseite sind vermehrt und ragen allenthalben mehr oder weniger weit in sie hinein, viele liegen auch ganz in dersel- ben. Von diesen letzteren gehen unregelmässig verlaufende, viel- fach mit einander eommunieirende Längsspalten aus, so dass an vielen Stellen die ganze Membran aufgefasert erscheint. Am weitesten fortgeschritten ist der Prozessimmer in den Kanten des Flossensaumes und hier ist auf Querschnitten, die zu beiden Seiten der Mus- kulatur erst das Eindringen der Cutiszellen in die Membran sehen lassen, meist die letztere gar nicht mehr vorhanden. Eine breite, srobfaserige, kernreiche Bindegewebslage ist an ihre Stelle ge- treten, die ohne scharfe Grenze in das tieferliegende Bindegewebe übergeht. Die oberflächlich gelegenen Bindegewebszellen zeichnen sich jetzt meist durch einen grösseren Protoplasmaleib aus, der in der Fixirungsflüssigkeit leicht gebräunt ist, und lassen an vielen Stellen Karyokinesen sehen. Die Epitheldecke der Haut des Froschlarvenschwanzes be- steht vor der Atrophie ebenso wie am Rumpf der Larve aus zwei Zellschiehten. Die untere wird aus hohen, schmalen, eylinder- oder spindelförmigen, mitunter mehr kubischen Elementen zusam- mengesetzt. Der kugelige oder ovale, selten langgestreckte Kern derselben liegt meist, aber nicht regelmässig, der äusseren Peripherie genähert. Er enthält ein feinfädiges Chromatinnetz mit meist 2 grösseren intensiv gefärbten Nucleolen. Der Zellleib ist mit scharfen Contouren von den Nachbarelementen abgegrenzt. Von dem sonst hellen und durchsichtigen Inhalt derselben heben sich dunklere, in Hermann ’'scher Flüssigkeit gebräunte, eigen- thümliche, schmale Fäden ab. Es sind die von Eberth (9) zu- erst und später vielfach beschriebenen und verschieden gedeuteten haken- und fadenförmigen Gebilde. Sie scheinen grösstentheils der Basis der Zellen aufzusitzen und erstrecken sich von hier aus am Kern vorbei in den äusseren Zellabschnitt. Ohne auf die verschiedenartigen Deutungen einzugehen, die diese Gebilde sonst erfahren haben, möchte ichnur der Behauptung Bataillons’, der dieselben für Chromatinfäden erklärt, entgegenhalten, dass sie im intacten Epithel nur bei unvollkommenener Differenzirung das Saffranin streekenweise festhalten, dass ich sie sonst immer ungefärbt gesehen habe und auch nie eine Verbindung derselben mit dem Chromatinnetz des Kernes annehmen konnte. Bei der Rückbildung des Epithels verändern sie sieh, sie werden vor 482 W. Noetzel: "Allem dieker und halten dann streekenweise die Kernfarbe trotz genügender Differenzirung fest. In ihreräusseren Hälfte enthalten die Zellen der unteren Lage feine dunkle Pigmentkörnchen in verschie- dener Menge. Grosse vielgestaltige und häufig weit verästelte Chro- matophoren finden sich überall im Bereich derunteren Epithelschicht. Die Zellen der .oberen Lage sind kleiner, unregelmässig polygonal, vielfach auch abgeplattet. Der Kern liegt in der Mitte der Zelle, besitzt ein feinfädiges Chromatingerüst und meist zwei intensiv gefärbte, glänzende Nucleolen. Die Zellgrenzen sind auch hier sehr deutlich sowohl gegen die Nachbarzellen wie gegen den Cutieularsaum. Zwischen Kern- und Zellwand befindet sich nur ein schmaler, heller, durehsichtiger Raum, in dem sich häufig, aber durchaus nieht regelmässig in allen Zellen, Gebilde finden von derselben dunklen Farbe wie die Eberth’schen Körper in der unteren Epithellage. Hier haben dieselben aber meist die Form von kürzeren, diekeren Stäbehen; oft finden sich auch nur Kugeln und Körnehen von derselben Farbe in den Zellen. Pigment führen die Zellen der oberen Lage nur wenig. In beiden Schichten des Epithels sieht man häufig Karyokinesen. Der äusserst schmale Cutieularsaum ist von zahlreichen senkreeht zur Oberfläche verlaufenden Linien durchzogen. Nirgends wurden innerhalb der Haut Leukocyten gesehen. Der Zerfall des Hautepithels hält mit dem Muskelzerfall und der durch denselbeu bedingten Längenabnahme des Schwanzes nicht gleichen Schritt. Dadurch wird zunächst aus dem zwei- schiehtigen Epithel ein immer höher geschichtetes, das schliess- lich 14—16, nach Loos sogar 18 Zelllagen zählen kann, ausser- dem bildet das auf einen immer kleineren Raum zusammenge- gedrängte Hautepithel zahlreiche Runzeln und Erhebungen über der Oberfläche und springt auch in Form von Zapfen da und dort tief in das Bindegewebe der Cutis vor. Die späteren Stadien unterscheiden sich von den früheren fast nur durch die höhere Zahl der Epithellagen. Die Zerfallsprozesse der einzelnen Epithelzellen beginnen erst in dem auf etwa 4—5 Lagen verdickten Epithel und ver- laufen wenigstens qualitativ hier in derselben Weise, wie in den späteren Stadien, wo die Zahl der Epithellagen immer grösser wird und dem entsprechend auch die zerfallenden Zellen immer zahlreicher gefunden werden. Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Froschlarve. 483 Ein Querschnitt durch das vordere (dem Rumpf zunächst- gelegene) Drittel eines Froschlarvenschwanzes, der nur noch etwa die Hälfte seiner ursprünglichen Länge besitzt und in dem der Zerfall der Muskeln und der Chorda dorsalis schon weit vorge- schritten ist, zeigt folgende Beschaffenheit des Hautepithels. Die Zahl der Sehiehten beträgt 5 bis 7, da, wo Erhebungen oder in die Cutis vorspringende Zapfen des Epithels getroffen sind, bis 10 oder 12. Eine scharfe Abgrenzung der Cutis ist nur noch streekenweise zu erkennen, die Zellen der untersten Lage sind hoch, lang gestreckt und schmäler als im intacten Epithel, die Zellgrenzen sind weniger deutlich, die Zellen erschemen zu- sammengedrängt und von den Seiten zusammengedrückt. Ihre Kerne liegen meist der Spitze der Zelle genähert und unter- scheiden sich nicht von denen der intacten Epidermis. Sie haben ein feinfädiges Chromatinnetz und meist zwei intensiv g6- färbte Kernkörperchen. Fast die ganze übrige Zelle ist ausge- füllt von gequollenen Eberth’schen Gebilden. Die Zellen der. höheren Lagen sind kleiner und werden nach oben zu immer platter. Ihre Intereellularräume sind breiter als im intaeten Epithel und lassen die Intercellularbrücken deutlich erkennen. Die Kerne liegen in der Mitte der Zelle, sind ent- sprechend der Form der Zelle langgestreekt und meist etwas blasser als die Kerne der untersten Schicht. Ihr Fadengerüst ist feiner, die Chromatinkörnchen kleiner als in diesen, 1—2 intensiver gefärbte Nucleolen sind meist vorhanden. Zwischen Kern- und Zellwand befindet sich ein freier Raum, der häufig, aber nicht regelmässig kurze Stäbchen, ähnlich den gequollenen Eberth’schen Gebilden, oder ovale Ballen enthält. Die äusserste Zellschicht besteht aus ganz platten Elementen, die sich in toto mit der Kernfarbe tingirt haben und deren Grenzen verwischt sind. Ueber dieser Schicht liegt die intensiv roth gefärbte Hornschicht, in der man auch hin und wieder Kerne und Zellen unterscheiden kann. Sie scheint aus einer einzigen Zelllage zu bestehen, an vielen Stellen hat sie sich in kleineren und grösseren dünnen Schüppehen ganz vom übrigen Epithel abgelösst. In allen Schichten — von der verhornenden äussersten ab- gesehen — finden sich zahlreiche schön ausgebildete Karyoki- 484 W. Noetzel: 'nesen. Man sieht hier in einem Gesichtsfeld eine viel grössere Zahl derselben als im mtaeten Hautepithel, was sich dadurch erklärt, dass hier die Zellen und damit auch die in Theilung begriffenen diehter zusammengedrängt liegen. Die Chromatophoren finden sich in den unteren Epithel- schichten unregehnässig vertheilt, meist zu mehreren dicht zu- sammengedrängt, auf weiten Strecken fehlen sie ganz. Ihre Gestalt ist gegen diejenige im intacten Epithel verändert, sie sehen aus, als ob sie sich kontrahirt hätten, sind kleiner und dunkler, haben weniger und kürzere, vielfach auch gar keine Fortsätze. Zahlreiche Chromatophoren von demselben Aussehen liegen unter dem Epithel im Bindegewebe. Loos hat beob- achtet, dass dieselben aus dem Epithel in das Bindegewebe übergehen. Die von Loos beschriebenen und abgebildeten Blasen und Hohlräume in der Epidermis finden sich um so zahlreicher, je weiter die Reduktion des Schwanzes und damit die Ver- diekung der Haut fortgeschritten ist. Es ist oft nicht zu bestimmen, ob die Hohlräume einer Zelle oder einem Intercellularraum ange- hören. Sie enthalten meist Kerne, die manchmal gequollen er- scheinen oder Chromatinzerfall erkennen lassen. Den übrigen Inhalt bildet bald eine homogene gebräunte oder theilweise mit Saffranin imbibirte Masse, bald mehrere braune oder rothgefärbte Ballen und Kugeln, oft auch nur kleine Kügelchen und Körn- chen und mehr oder weniger zahlreiche Pigmentkörnchen. Je weiter die Reduetion fortgeschritten ist, um so zahlreicher finden sich ganz leere oder nur mit wenig Inhalt, Pigmentkörmchen oder Chromatinpartikelehen erfüllte Hohlräume. Alle diese Formen des Zerfalls von Epidermiszellen sind von Loos so eingehend beschrieben und abgebildet worden, dass ich seinen Ausführungen nichts hinzuzufügen habe. In Uebereinstimmung mit Loos halte ich die homogenen Ballen und Kugeln für Protoplasmaausscheidungen wie sie auch Bar- furth in den Hautepithelien beobachtet hatund als „mehr oder weni- ger glänzende Körner und Schollen*“ erwähnt. Als Ausscheidungen ddes Protoplasmas in zerfallenden Epidermiszellen hat Loos aber auch Körper beschrieben und abgebildet, die ich mit Sicherheit für Eberth’sche Gebilde halten muss, obwohl Loos selbst .be- hauptet, er habe beide Formen neben einandergesehen. Bataillon Die Rückbildung der Gewebe im Schwauz der Froschlarve. 485 hält die gefärbten Kugeln für Abkömmlinge des Chromatins, die sich von den ebenfalls von ihm für Chromatinfäden gehaltenen Eberth’schen Gebilden abgeschnürt haben und im weiteren Verlauf in Pigmentkörnchen zerfallen. In den kleinsten 1—2 mm langen Schwanzstummeln habe ich die Eb erth’schen Gebilde nieht mehr gefunden; es scheint, dass sie nach der Quellung einer raschen Auflösung verfallen. Auch die Karyokinesen werden in diesen Stadien vermisst, während die Pigmentkörnehen immer reichlicher werden. Der Zerfallsprozess der Haut lässt sich demnach kurz so zusammenfassen. Die Cutismembran wird dureh die hinein- wachsenden Bindegewebszellen der Subeutis in faseriges Bindegewebe umgewandelt, das siehvon dem Bindegewebe der Subeutis nicht als besondere Schicht abhebt. Die»Epidermis“ verdiekt sich mit |fort- schreitender Verkürzung des Schwanzes von derSpitzenachderBasisdurch Zusammenrücken ihrer Elemente und kann alsdann bis zu 14—16 Epithellagen zählen. Die obersten Schichten derselben verhornen und werden in Form von Schüppchen und Plättchen abgeworfen. Die Zellen der unteren Schiehtem. zerdanllen ‚unter blasiger Auftreibung des Zellkörpers und Auf- treten von gefärbten und ungefärbten kuge- higen; und. . körnigen »Protoplasmaausschei- dungen und zahlreichen Pigmentkörnchen. Die Eberth’schen Gebilde in den Epithelzellen quellen und werden-aufgelöst. Eine Betheiligung der Leukocyten am Zer- falldes Hautorgans ist nicht beobachtet worden. Muskeln. Ueber die Rückbildung des Muskelgewebes ist in einer gemeinsam mit Herrn Geh.-Rath Professor Eberth ver- öffentliehten Arbeit (7) von unserer Seite bereits berichtet worden. Indem ich bezüglich aller Einzelheiten auf dieselbe und die bei- 486 W. Noetzel: gefügten Zeichnungen verweise, will ieh hier nur auf einige Punkte in der Sarkolysenfrage kurz eimgehen. Von Metschnikoff wurde in seiner früher gegebenen Darstellung den Leukocyten ein wesentlicher Antheil an der Zer- störung der Muskeln, von Barfurt h und Bataillon nur an der Fortschaffung der Trümmer eingeräumt, bis Metschnikoff zuletzt seine Ansicht dahin änderte, dass es nieht die Leukoeyten des Blutes sind, sondern „muskuläre Phagoeyten“ — wucherndes Muskelprotoplasma —, welche die Muskelsubstanz durchschnüren, umhüllen und endlich verdauen. In der oben erwähnten Ver- öffentlichung haben wir nachgewiesen, dass wenn auch Muskel- trümmer im Inneren der damit beladenen Sarkoplasmaballen zur Auflösung kommen, diese intracelluläre Verdauung doch nicht der einzige Vorgang ist, der den Muskel beseitigt. Selbst erössere Reste von Muskelsubstanz können vielmehr, ohne von wucherndem Sarkoplasma eingeschlossen zu werden, wie dies auch Loos angiebt, lediglich durch die Körpersäfte gelöst werden, welehe entweder an der Oberfläche die Muskelreste ein- schmelzen oder derartig verändern, dass sie nach und nach in kleinere Partikelehen zerfallen. Bezüglich des Befundes freier Sarkolyten neben den in Sarkoplasmaballen eingeschlossenen stimmen wir mit Loos überein, wir befinden uns aber im Widerspruch mit ihm hinsichtlich der Deutung der sarkolyten- haltigen Sarkoplasmaballen. Wir halten dieselben in Uebereinstimmung mit Metsehni- koff für selbstständige Gebilde, die aus dem unter Kernver- mehrung gewucherten Sarkoplasma hervorgegangen sind und die dureh die Sarkoplasmawucherung gebildeten Bruchstücke der eontraetilen Substanz, die „Sarkolyten“, eingeschlossen haben. Loos dagegen sprieht überhaupt nicht von einer Sarkoplasma- wucherung, leugnet die Kernvermehrung in den Muskeln und lässt alle Sarkolyten durch einfachen Zerfall der Muskelfasern entstehen. Indem an einem Theil der Sarkolyten Sarkoplasma, mitunter auch Kerne haften bleiben, entstehen neben den freien die von kugeligen Sarkoplasmamassen eingeschlossenen Sarkolyten. Dem Zerfall von Sarkolyten geht nach Loos streekenweise Verklebung der Fibrillen zu unregelmässigen Querbändern voraus, durch Auflösung der Kittsubstanz trennen sich diese Querbänder von einander und werden zu Sarkolyten. Die von-Loos ab- Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Froschlarve. 487 gebildeten „Querbänder“ (Loos 1. e. Taf. II. Fig. 30, 33) sind zum Theil wohl verschieden von den durch Sarkoplasma- wucherung gebildeten isolirten Querbändern (s. Eberth, Die Sarkolyse, Fig. 5), und identisch mit den sog. „Verdich- tungsknoten“ oder „Contractionswülsten“, partiellen Contraktionen, die bekanntlich am häufigsten in Zupfpräparaten von noch reactionsfähigen Muskeln beobachtet werden, offenbar als Folgen der Behandlung. Aber auch in Schnittpräparaten sieht man sie oft, und von Sehaffer ist neuerdings ihr Zusammenhang mit der Sarkolyse wahrschemlich gemacht worden. Doch hat auch Scehaffer gerade betont, dass die Verdichtungsknoten auch häufig ein Produet der Präparation sind und sich beispiels- weise, wenn man reactionsfähige Muskeln in die Erhärtungs- flüssigkeit gebracht hat, gerade an den Schnittflächen zahlreich finden. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass solche Con- tractionsknoten erst in der Fixirungsflüssigkeit entstehen können, wenn dieselbe den noch reactionsfähigen Muskel nicht sogleich abtödtet, sondern zu Contractionen reizt. ‚In Muskeln, die in der sehr langsam abtödtenden Müller ’schen Flüssigkeit (s. oben S. 478) eonservirt waren, finden sich nämlich die zahlreichsten Con- tractionsknoten, am seltensten sind sie nach Fixirung mit Flemming'scher oder Hermann’'scher Flüssigkeit, die am schnellsten abtödtet. Der Befund von Verdichtungsknoten ist überhaupt ein sehr unregelmässiger im Froschlarvenschwanz. Trotzdem will ich nicht bestreiten, dass aus denselben die freien Sarkolyten entstehen können. Dass Loos die Wucherung des Sarkoplasma an dem grösseren Theil der Muskelfasern nieht gesehen hat, mag an seiner Technik liegen. Das sehr zarte Sarkoplasma ist tadellos deutlich nach Fixirung in Flemming'scher oder Hermann’- scher Flüssigkeit; nach Anwendung von andern Fixirungsmethoden erscheint es zu durehsiehtig, schrumpft auch meist bei der Nach- härtung im Alkohol zu sehr. Besonders "die von Loos ange- wandte Paraffineinbettung bewirkt eine starke Schrumpfung und kann für das Uebersehen der Sarkoplasmawucherung ebenso ver- antwortlich gemacht werden wie die zu starke und diffuse Fär- bung mit Pikrokarmin, die wenigstens nach den Abbildungen manche Details nieht erkennen lässt. (Vergl. Loos Il. e. Taf. II, Fig. 30, 33, 36.) 488 \ W. Noetzel: Die Kernvermehrung, die Loos ebenfalls leugnet, hat sich uns in allen zerfallenden oder den Zerfall erst einleitenden Fasern in Form zahlloser, häufig lange Reihen bildender, amitotischer, Kerndurchsehnürungen (Mitosen fmden sich an den Muskelkernen nicht) gezeigt. Damit halten wir die Entstehung obiger Gebilde aus gewuchertem Muskelprotoplasma für erwiesen. Für ihren Charakter als selbständige Zellen dürften auch die an ihnen von S. Mayer und Metschnikoff beobachteten amöboiden Be- wegungen sprechen. Chorda dorsalis. Die Chorda dorsalis der Froschlarve besteht aus den Chorda- zellen, der eigentlichen Chordascheide und der elastischen Scheide und wird umgeben von einer breiten Lage parallel verlaufender Bindegewebslamellen, der sogen. skeletogenen Schicht. Im Schwanze der Larve verjüngt sich die ganze Chorda sowohl wie ihre einzelnen Häute nach der Schwanzspitze zu. Das hier ge- legene äusserste Ende des Chorda wird zusammengesetzt von un- regelmässig polygonalen epithelartigen Zellen mit wohlausgebilde- tem Kern und ziemlich umfangreichem Zellkörper. Im ganzen übrigen Bereich des Achsenstabes haben die Chordazellen ein blasiges Aussehen, sie sind stark vergrössert, ihr Inhalt ist durch- sichtig, nur um den Kern findet sich gewöhnlich spärliches körniges Protoplasma. Die Wände der Chordazellen sind ganz dünn, auf feinen Schnitten bieten sie in ihrer Gesammtheit das Bild eines feinfädigen Netzwerkes. Ihre Kerne zeigen keine Besonder- heiten. Diese blasigen Zellen werden nach der Chordascheide zu abgeschlossen von einer einzigen Lage platter Zellen mit Kern und sehr spärlichem körnigem Protoplasma, dem Chorda- epithel. Die Chordaepithelzellen liegen nicht eng geschlossen neben einander, wie die Elemente anderer Epithelarten, sondern lassen Zwischenräume frei derart, dass sie von der Fläche ge- sehen eine netzförmige Anordnung zeigen. Die Existenz des Chordaepithels ist von Götte (10) bestritten worden. Die Chordaepithelien sind nach ihm nicht als besondere Zel- len aufzufassen, sondern als nach aussen gedrängte Kerne mit dem spärlichen Protoplasma der zu äusserst gelegenen blasenförmigen Zel- len. Diese Ansicht ist von Seheel (11) an der Chorda der Teleostier- embryonen durch Darstellung der Zellgrenzen mittels Silbernitrat Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Froschlarve. 489 widerlegt worden. Damit stimmen auch meine Befunde an Prä- paraten überein, diein Hermann ’scher Lösung fixirt wurden und die Zellgrenzen im Chordaepithel ebenso gut erkennen lassen, wie im Epithel der Haut. Die innere „eigentliche“ Chordascheide hat bei den ver- schiedenen Arten eine verschiedene Dieke, bei grossen Kaul- quappen (z. B. Bufo variabilis) ist sie auch relativ stärker als bei kleinen (Rana temporaria). Sie ist zell- und kernlos und er- scheint bei schwacher Vergrösserung structurlos und homogen. Mit starker Vergrösserung sieht man in ihr feine radiäre Streifen, welche von Gegenbaur (12) für Porenkanälchen, von Scheel für Bindegewebsfasern gehalten werden. Befunde an Paraffin- schnitten haben mir die Richtigkeit der letzteren Auffassung be- wiesen. In solchen Präparaten erscheint die Chordascheide über- haupt nicht homogen, sondern aus zahllosen feinsten radiären mitunter gebogenen Fäserchen zusammengesetzt, welche wohl durch die im heissen Paraffin erlittene Schrumpfung aus ihrem Zusammenhang gelöst sind. Gegen Kernfarben und Eosin ver- hält sich die Chordascheide refractär, sie zeigt bei Behandlung mit verschiedenen Fixirungs- und Färbemitteln immer dieselbe zarte blassgraue Farbe. Wenn man dagegen mit van Gie- son’scher Säurefuchsin-Pikrinsäurelösung färbt, so nimmt sie eine lebhafte rothe Farbe an, wie das Bindegewebe, während sich das Protoplasma der Chordazellen resp. ihrer Umwandlungs- produete gelb färbt. Die äussere elastische Scheide der Chorda dorsalis wird von Loos nicht erwähnt. Sie findet sieh aber regelmässig an der mtaeten Chorda des Froschlarvenschwanzes genau, wieScheel siean den Teleostierembryonen beschrieben hat, als feine, aber deut- lich und seharf doppelt kontourirte Linie, stark lichtbrechend, mit Kernfarben sich intensiv färbend. Der „skeletogenen Schicht“ im Rumpfe der Larve ent- sprechend umgiebt im Schwanz eine (bei den verschiedenen Arten verschieden stark ausgebildete) mehrfache Lage parallel verlaufen- der Bindegewebslamellen die Chorda mit ihren Scheiden. Da der Zerfall der Chorda dorsalis bedeutend lang- samer als derjenige der Muskeln erfolgt, faltet sie sich von der Schwanzspitze nach der Basis zu in immer zahlreichere und dichtere Biegungen und Krümmungen zusammen. In Quer- 490 W+- Noetzel: und Längsschnitten durch den Larvenschwanz erhält man dann immer mehrere nebeneinander liegende Querschnitte der Chorda. An Längsschnitten durch einen etwa auf ein Drittel oder die Hälfte, der ursprünglichen Länge reduzirten Schwanz kann man darum an den verschiedenen Stellen leicht die Chordolyse in allen Stadien beobachten. Zu gleicher Zeit mit dem ersten Be- ginn der Zusammenfaltung der Chorda in der Schwanzspitze lassen sich im ganzen Bereich des sonst noch unveränderten Organs im Schwanz sowohl wie im Rumpf drei besondere Ver- änderungen unterscheiden. Die umgebende (skeletogene) Bindegewebslage ist verbreitert, die innere Chordascheide und die Elastiea sind verdickt und er- scheinen gequollen, die Kerne des Chordaepithels sind vermehrt. Mit der Entfernung 'von der Schwanzspitze nehmen diese Ver- änderungen ab und sind im den näher dem Rumpf gelegenen Theilen nur durch Vergleich mit intacten Schwänzen be- merkbar. Wo bereits die Chorda gefaltet ist, lässt sich die Elastica nieht mehr nachweisen; sie scheint nach der Aufquellung einer raschen Auflösung zu verfallen. Die innere Chordascheide ist hier stark verdickt, springt in zahlreichen Windungen gegen die Chorda vor, ihre radiäre Streifung erscheint schärfer. Die verbreiterte Bindegewebshülle, welche jetzt gegen das übrige Bindegewebe viel weniger scharf abgegrenzt erscheint, zeigt einen grossen Kernreichthum, aber keine Karyokinesen, und begleitet Chorda und Chordascheide auf allen ihren Windungen. Ebenso- wenig finden sich Karyokinesen im Chordaepithel, wohl aber zahlreiche Erscheinungen der amitotischen Kerndurchschnürung- Loos bestreitet das Vorkommen einer wirklichen Kernvermehrung im Chordaepithel, ebenso wie in den übrigen Geweben, und be- hauptet, dass dieselbe nur vorgetäuscht wird dureh das diehtere Zusammenrücken der Chordaepithelzellen in dem verkleinerten Organ. Auch wenn ich von den Erscheinungen der Kerndurch- schnürung absehe, halte ich diese Erklärung für nieht zutreffend. Denn die Zahl der Kerne wird eine so bedeutende — liegen sie doch häufig in 3—5 Schiehten übereinander (Fig. 1) —, dass sie durch Zusammenrücken infolge von Faltung nicht gut erklärt werden könnte. Auch ist jetzt. noch keine sehr nennenswerthe Reduction der Chorda der Dieke oder der Länge nach vorhanden, ‘ Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Froschlarve. 491 und durch die zahlreichen Faltungen ist ihre Oberfläche, wenn auch nicht mehr die gleiche wie früher, doch im Ganzen noch wenig redueirt. In dem verdiekten Chordaepithel finden sich überall neben intaeten Kernen mit wohlerhaltenem Chroma- tingerüst zerfallende Formen, die nur noch Klumpen oder Körn- chen von Chromatin enthalten, grosse blasse gequollene Kerne und dazwischen auch allenthalben freies Chromatin. Das Chordagewebe zeigt jetzt eine eigenthümliche Ver- änderung, indem an Stelle des fadenförmigen, zarten und weitmaschigen Netzwerks, das die normale Chorda darbietet, ein grobes aus dieken Strängen und Balken bestehendes Gitter- werk mit meist schmalen in die Länge gezogenen Maschen ge- treten ist. Dasselbe färbt sich in Eosin tief rosa, in Hermann’- scher Flüssigkeit dunkel braungelb und nimmt im van Gieson’- scher Lösung intensiv die Pikrinsäurefärbung an. Bei schwacher Vergrösserung erscheinen die Balken des Netzes homogen, bei starker erweisen sie sich zusammengesetzt aus feinen, glänzenden, dunkler gefärbten Tröpfehen oder Kügelehen, die in einer helle- ren Grundsubstanz liegen. Mitunter haben diese Kügelchen zum Theil sich mit der Kernfarbe imbibirt. Sehr häufig finden sich ebensolche Kügelchen dicht neben einanderliegend in Chordazellen, die sonst noch keine Abweichung vom normalen Befund zeigen. Zuerst erscheinen sie im Bereich des Chordaepithels und setzen hier kugelige oder mehr längliche, kernführende Gebilde zu- sammen (Fig. 3), die theils ohne jede Verbindung nebeneinander- liegen, theils mit den Strängen in Verbindung zu stehen scheinen. Wird nun die Chorda mit zunehmender Krümmung und Faltung immer mehr zusammengedrückt, so rücken die Stränge unter zu- nehmender Verdickung immer näher aneinander; die Maschen des Gitterwerks werden hierdurch immer enger und schmäler. Bald treten an vielen Stellen Continuitätstrennungen in den Strängen auf, das Netzwerk ist dann nur noch stellenweise vorhanden. Neben demselben finden sich längere oder kürzere Bruckstücke der Stränge und in immer grösserer Zahl kugelige oder längliche fast nur aus den Kügelchen zusammengesetzte Gebilde, meist mit einem Kern versehen, von ganz demselben Aussehen, wie die zuerst im Bereich des Chordaepithels gesehenen (Fig. 3). In der Farbe und in der Zusammensetzung aus Kügelchen oder Tröpfehen mit den Strängen ganz übereinstimmend machen sie Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45. 33 492 W. Noetzel: durebaus den Eindruck von losgelösten Bruchstücken derselben. Ihre Kerne sind zum Theil von normalem Verhalten, zum Theil blass und gequollen, und dann wieder geschrumpft, ein Chroma- tinnetz fehlt, die Farbe ist intensiv und gleichmässig von dem ganzen Kern aufgenommen worden oder haftet an wenigen groben Körnern in demselben. Bei schwachen Vergrösserungen haben diese Gebilde grosse Aehnlichkeit mit homogenen Sarkolyten. Pigment enthalten sie anfangs nur wenig, im weiteren Verlauf des Chordazerfalls wird es reichlicher gefunden. Barfurth erwähnt „glänzende Körner und Schollen“ im Innern der zerfallenden Chorda, Loos und Bataillon haben Gebilde gezeichnet und beschrieben, die mit den von mir er- wähnten ganz übereinstimmen und dieselben als die aus ihrem Zusammenhang gelösten Chordazellen selbst gedeutet. Dieser Deutung vermag ich mich nur für einzelne Formen anzuschliessen; viele dieser Gebilde dürften nur abgelöste Stücke des Balken- netzes, also mehr Zellenfragmente sein, die naturgemäss da, wo kein Druck oder Zug mehr auf sie einwirkt, Kugelgestalt an- nehmen. Wo sie von der immer näher zusammentretenden Chorda- scheide von allen Seiten komprimirt werden, behalten sie eine längliche, bald stäbehen-, bald keulenförmige Gestalt. Je weiter der Zerfall der Chorda fortschreitet, um so mehr Verschiedenheiten zeigen diese Gebilde untereinander in Inhalt, Grösse und Form. Zahlreich finden sich besonders in den allerkleinsten Schwanz- stummeln kugelige Formen, in denen die glänzenden Körnchen nicht dicht gedrängt, sondern vereinzelt liegen, dabei auch in der Grösse sehr variiren und zwischen sich eine helle, homogene Grundsubstanz sehen lassen. Andere wieder sind überhaupt nicht von Körnchen zu- sammengesetzt, sondern entweder ganz homogen oder bestehen aus einer hellen Grundsubstanz, in der eine dunkler gefärbte, glänzende Masse liegt, bald das ganze kugelige oder längliche Gebilde einnehmend, so dass nur in der Peripherie ein schmaler Saum der Grundsubstanz frei bleibt, bald in Form kleiner oder grösserer länglicher, gewundener Körper der letzteren eingelagert. (Fig. 4, 5). Im diesen zusammenhängenden glänzenden Körpern treten vielfach Vacuolen auf und durchsetzen dieselben häufig ganz. In geringerer Menge finden sich schliesslich noch ganz blasse, in der Form aber den vorher beschriebenen gleiche Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Froschlarze. 493 Gebilde, die gar keinen dunkler gefärbten Inhalt, manchmal einen schlecht tingirten Kern und häufig Pigment enthalten. Pigment- körnehen sind jetzt im grössten Theil der Chordabruchstücke vorhanden, auch in den zusammenhängenden Strängen, aber in sehr ungleicher Menge; freies Pigment, freie Chromatinkörnchen, und freie glänzende Kügelchen, bald einzeln, bald zu mehreren zusammenliegend, sind die letzten sichtbaren Reste des Zerfalls der beschriebenen Körper. Zusammenhängende Stränge und Reste des verdickten Netzwerkes mit intacten und geschrumpften Kernen sind noch im den letzten kleinsten Schwanzresten zu sehen. Sie sind dann auch oft ganz homogen und lassen die Kügelehen vermissen, enthalten aber auch häufig Vacuolen und Pigmentkörnchen. Die Chordascheide erreicht mit zunehmender Zusammen- faltung das 8—10fache ihrer ursprünglichen Breite, die Quer- streifung ist jetzt sehr deutlich und bedingt durch diekere und feinere radiäre Fasern, die aber alle stärker sind als die an der frühern Chordascheide in Paraffinschnitten nachgewiesenen feinen Fäser- chen. Ueberall zwischen den Fasern finden sich spindelige und sternförmige, mit wohlentwickeltem Kern versehene Zellen, die von der skeletogenen Schicht eingedrungen zu sein scheinen. Hier sind allenthalben der Chordascheide anliegende Zellen zu sehen, die Fortsätze in dieselbe ausstrecken und mehr oder weniger tief innerhalb der Chordascheide liegen, oft durch Anastomosen ihrer Fortsätze zu grösseren Complexen verbunden (Fig. 2). Diese Zellen tragen sicher zur weiteren Spaltung der Chordascheide bei. Wo der ganze Inhalt der Chorda schon geschwunden ist, berühren sich die Wände der Chordascheide und lassen ihre gegenseitige Begrenzung meist nur durch eine unregelmässige Reihe von Kernen erkennen — den letzten Rest des Chorda- epithels. Dass auch von diesem aus Zellen in die Chordascheide hineinwachsen, halte ich für nieht unwahrseheimlich. Wenigstens sind vielfach in der Nähe des Chordaepithels Zellen in der Chordascheide anzutreffen; Zellen, die unzweifelhaft dem Chorda- epithel angehören, ragen häufig mehr oder weniger in die Chorda- scheide hinein. Es fehlen diesen Elementen aber die Fortsätze, durch welche sich die von aussen her eindringenden Zellen auszeichnen. Möglicherweise sind sie auch passiv von der aufgefaserten und vielfach gefalteten Chordascheide eingeschlossen worden. 494 W. Noetzel: Ueber die letzten Schicksale des zerfallenden Chordagewebes kann ich ebensowenig etwas Sicheres sagen, wie die übrigen Untersucher. In den kleinsten beobachteten Schwanzstummeln von Millimeterlänge machen die Reste des Chordagewebes die Hauptmasse aus und sind noch sehr beträchtlich. Die Chorda- scheide besteht hier nur noch aus ganz von Zellen durchwachse- nen grösseren und kleineren Bruchstücken, die überall von den Zerfallsprodueten der Chordazellen umgeben sind. Auf Sehnitten durch den Oberkörper der metamorphosiren- den Larve konnte ich beobachten, dass hier die Auflösung der Chorda innerhalb der Wirbelsäule in Bezug auf die Veränderung der Chordascheiden und der Chordazellen dieselben Bilder zeigt wie im Schwanze; nur die Zusammenfaltung des ganzen Organes fehlt hier. Von irgend einer Betheiligung der Leukoeyten bei der Auf- lösung der Chordascheide oder Fortschaffung der Trümmer, wie sie von Barfurth und Bataillon angenommen und von Loos als möglich zugegeben wird, konnte ich mich nieht über- zeugen. Vielleicht sind die von den genannten Untersuchern an und im der Chordascheide gesehenen Zellen mit den oben be- schriebenen in die Chordascheide eingedrungenen Elementen identisch, die nach meinen Beobachtungen der skeletogenen Schieht angehören. Für diese Auffassung sprieht ihr eontinuir- licher Zusammenhang mit der skeletogenen Schicht und ihre Aehnlichkeit mit den Elementen derselben. Andererseits habe ich Anhäufungen von Leukocyten im Bereich dieser Schicht nie beobachten können, und auch die zahlreichen Verbindungen dieser Zellen durch Fortsätze sprechen gegen ihre leukocytäre Natur. Nervensystem. Das Rückenmark des Froschlarvenschwanzes besteht aus dem epithelialen Medullarrohr und im basalen Theil des Schwanzes aus einer gut entwickelten weissen Substanz, die auch zerstreute Ganglienzellen enthält. Nach dem Schwanzende ver- jüngt sich die weisse Substanz immermehr und fehlt etwa von der Grenze des mittleren und hinteren Drittels ab vollständig. Hier stellt das Rückenmark ein einfaches Epithelrohr dar, das kurz vor der Schwanzspitze endigt. Ob das Ende offen oder geschlossen ist, vermochte ich nicht zu entscheiden, halte es auch für sehr Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Froschlarve. 495 schwierig, hierüber eine zweifellos sichere Auskunft zu geben. In Zupfpräparaten lässt sich das letzte Ende des Rückenmarks nicht isoliren, und die Untersuchung des lebenden Thieres in toto giebt über dessen Verhalten keinen Aufschluss. Götte(10) und andere Autoren geben an, dass das Rücken- mark in eine rundliche oder kegelförmige Spitze ausläuft; eine solche erwähnt auch Barfurth. Loos hat dieselbe nicht nachweisen können, Bataillon nimmt an, dass während der kückbildung jedenfalls das Ende offen ist, und sieht den Beweis hierfür in dem Auftreten von Leukoeyten im Innern des Medullarrohres, die von dem offenen Ende aus eingedrungen seien. Bei der Rückbildung der Schwanzgewebe erhält sich das kückenmark sehr lange und begleitet alsdann bei zunehmender Verkürzung des Schwanzes die Chorda dorsalis auf ihren Krüm- mungen und Biegungen. Barfurth meint, dass die Funktion des Rückenmarkes im atrophirenden Schwanz nicht entbehrt werden kann. Dem gegenüber hebt Loos hervor, dass Veränderungen der Epithelzellen doch sehon früh zu beobachten sind, die es zweifelhaft erscheinen lassen, ob das Organ noch funktionsfähig ist. Beim Zerfall des Rückenmarkes!) beobachtete Barfurth Verschwinden der Zellgrenzen, Auftreten von Fettkörnchen in den Epithelzellen, Trübung des Zellinhaltes und Sechwund der Kerne. Ausserdem treten Leukoeyten und Pigmentzellen im Rückenmark auf. Loosbeobachtete ein Auseinanderweichen der Zellen, die in seltenen Fällen in das Lumen des Centralkanals gelangen, meist sich im Bindegewebe des Schwanzes verlieren, wo ihre weiteren Schicksale nicht weiter verfolgt werden konnten. Auftreten von hyalinen Tropfen, blasige Entartung der Zellen, wie in der Epidermis und Pigmentkörnchen hat Loos auch am kückenmark, aber seltener beobachtet, häufiger das Eindringen von Leukoecyten in den Centralkanal. Bataillon bestätigt diese An- gabe und erwähnt Continuitätstrennungen und Zerfall des Rücken- marks in Trümmer, die in dem übrigen Schwanzgewebe verschwinden. Die Rückbildung des Rückenmarks beginnt wie die aller übrigen Gewebe in der Spitze des Schwanzes. Hier treten auch die ersten, die Chorda dorsalis begleitenden Krümmungen auf. 1) Da die Fasern der weissen Substanz des Rückenmarks in der- selben Weise zerfallen, wie die peripherischen Nervenfasern. so sollen sie mit diesen zusammen besprochen werden. 496 W. Noetzel: “ Quer- und Längsschnitte durch den Schwanz zeigen dann mehrere nebeneinanderliegende Quer- und Längssehnitte des Marks. Eine der auffallendsten Veränderungen, die auch Loos be- schrieben hat, ist die schon früh auftretende gestörte Anordnung der Epithelien; dieselben liegen dieht gedrängt, meist in mehreren ungeordneten Lagen übereinander, viele einzelne Zellen sind aus dem Verbande nach aussen oder in das Lumen des Centralkanales ge- langt, offenbar infolge des Drucks des immer mehr sich faltenden kückenmarks. Oft finden sich auch kleinere und grössere Lücken zwischen den Zellen, anfangs nur zwischen den äusseren Lagen ; je weiter jedoch der Rückbildungsprocess fortschreitet, um so zahlrei- cher sind auch vollkommene Continuitätstrennungen des Central- kanals, dessen Lumen dann gegen das umgebende Gewebe geöffnet ist. An den Zellen selbst fand ich die von Lo 0 s beobachtete Vaeuoli- sirung nicht so selten, meist aber an den aus dem Verbande heraus- getretenen isolirten Zellen. Die Vacuolen sind in der Regel klein; die ganze Zelle erscheint nur wenig vergrössert; aber mitunter finden sich auch Elemente, die durch grosse Vacuolen aufgetrieben und zu blasigen Gebilden umgewandelt sind. Pigment ist in diesen Stadien häufig in den Zellen zu beobachten. Die Kerne sind zum Theil noch wohl erhalten, zum Theil im Untergang begriffen. Unter letzteren machen die geschrumpften Kerne die Hauptmasse aus, kleine, in toto intensiv mit der Kernfarbe imbibirte Kerne, die kein Chromatingerüst und keine Nucleolen erkennen lassen. Re- lativ etwas seltener scheint die Karyolyse im atrophirenden Centralkanal zu sein, doch ist sie besonders in den letzten Stadien auch etwas häufiger anzutreffen. Man findet grössere glänzende Chromatinkörner in dem sonst blassen Kern, ganz wie bei den karyolytischen Processen in anderen Geweben. Das An- und Eindringen von Leukocyten, von welchem Barfurth, Loos und Bataillon berichten, kann ich nicht als sicher bewiesen anerkennen. Wohl konnte auch ich auf Schnitt- präparaten häufig pigmentführende Zellen zwischen den Epithel- zellen und mitunter auch im Lumen des Oentralkanals beobachten. Ihre leukoeytäre Natur ist mir aber zweifelhaft, es könnte sich ebenso gut um pigmenthaltige degenerirende Epithelzellen des Centraleanals handeln, wie man sie später häufig findet. Die Beobachtung von Loos an Zupfpräparaten, in denen Leukocyten „unter lebhaftem Spiel ihrer Pseudopodien augenscheinlich eine Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Froschlarve. 497 für ihren Eintritt zwischen die Epithelien günstige Stelle suchen“, halte ich aus den bereits in dem Kapitel über die Technik ge- nannten Gründen für ebenso wenig beweisend wie die sonstigen Befunde von Leukocyten in Zupfpräparaten. Loos legt auch auf den Befund von Leukocyten keinen Werth und schreibt ihnen keine irgendwie bedeutungsvolle Rolle zu. Nach Barfurth und Bataillon beladen sich dieselben hier wie überall mit den Trümmern der Gewebe und schaffen sie fort. Wie es sich jedoch mit diesem Zerfall der Gewebe ver- hält, werden wir weiter unten schildern. Die Spinalganglien erhalten sich ebenfalls sehr lange und werden noch in Schnitten aus den kleinsten Schwanzresten in grosser Zahl dicht beieinander liegend angetroffen. Erst in den letzten Stadien der Atrophie des Schwanzes beginnen sie zu zerfallen, bis dahin liessen sie keinerlei Veränderungen erkennen. Loos beobachtete als Beginn des Unterganges Lockerung des Verbandes der Ganglien, deren einzelne Elemente dann mehr oder weniger auseinander weichen, weiterhin Auftreten von Va- euolen in den letzteren, Pigmentirung und Kernzerfall. In der That haben die Ganglien in den kleinsten Schwanzresten ihre typische, abgerundete und wohl abgegrenzte Form verloren, man findet nur noch grössere und kleinere Häufchen lose neben einander liegender Ganglienzellen, die zum grössten Theil Veränderungen des Kernes wie des Zellkörpers gewahren lassen. Beim Unter- gang des Zellkörpers spielt offenbar die Vacuolisirung die grösste Rolle. Viele Ganglienzellen sind ganz von kleinen und grösseren Vacuolen durchsetzt (Fig. 12 ec); in anderen wieder findet sich eine grosse, fast die ganze Zelle ausfüllende Vacuole, daneben zuweilen einige wenige kleinere. . Ab und zu ist in einem Ganglion ein Gebilde zu sehen, von dem ich annehmen muss, dass es das letzte sichtbare Product der Vacuolisirung einer Ganglienzelle vor- stellt. Es hat aber kaum noch die äusseren Contouren einer solchen, der Inhalt ist dureh die Vacuolen auf ein aus dünnen Strängen bestehendes, weitmaschiges Flechtwerk redueirt. Pig- mentkörnchen fand ich in den Ganglienzellen nur in geringer Zahl und nicht regelmässig im Gegensatz zuLoos und Bataillon. Es scheint jedenfalls das Auftreten des Pigmentes hier keine der- artige Rolle zu spielen wie beim Zerfall der Epidermiszellen. Ob der Zellleib auch nochaufeine andere Art als durch die Vaeuolisirung 498 W. Noetzel: “ untergehen kann, wage ich nicht zu entscheiden. Ich habe auch Ganglienzellen gefunden, die sehr vergrössert waren und gequollen schienen, ohne Vacuolen zu enthalten; es ist möglich, dass dieselben ohne Vaecuolisirung der Auflösung verfallen. Oft erschienen mir Ganglienzellen bei mittleren und auch stärkeren Vergrösserungen mit Trockensystemen (Hartnack, Obj. 5, Oe. III Vergr. 180 f: Obj. 5, Oe. Ill, Vergr. 450 f.) granulirt, so dass ich einen körnigen Zerfall annehmen zu müssen glaubte. Hier zeigte dann aber regelmässig die Immersion (Hartuack !/,, Oe. III Vergr. 650 f.), dass die scheinbare Granulirung von zahllosen durch den ganzen Zell- körper vertheilten kleinsten Vaeuolen herrührte. Vielleicht ist dies das erste Stadium der Vaeuolisirung, und der ganze Process verläuft dann so, dass die grösseren Vacuolen durch Confluiren der kleineren entstehen, bis entweder die ganze Zelle von einem grossen Hohl- raume eingenommen wird, oder das Aussehen eines Netzwerkes bekommt, wie es oben beschrieben wurde. Die Kerne der Ganglienzellen gehen auf verschiedene Art zu Grunde. Loos beschreibt Schwund des Chromatingerüstes und Auftreten von 5 oder 6 kleinen, runden, stark gefärbten und stark glänzenden Kügelehen, unter denen das ursprüngliche Kern- körpercehen nicht mehr heraus zu finden ist, während die Substanz des Kernes zu gleicher Zeit völlig blass und hyalin wird, nach aussen aber noch durch eine scharfe, meist höckerige Grenze ab- geschlossen wird. Solche Befunde beschreibt auch Bataillon, und auch ich konnte sie wiederholt sehen und habe bezüglich derselben der Beschreibung von Loos nichts hinzuzufügen ‘Fig. 12b). Es giebt aber ausserdem noch einen Kernzerfall in den Ganglienzellen, der ohne das Anftreten von Chromatin- körnchen verläuft. Vielfach finden sich Kerne, die über die Norm vergrössert und ganz blass, von derselben Farbe wie der Zellleib sind, nur eine undentliche etwas verwaschene Membran und einen körnigen Inhalt erkennen lassen, in welchem weder Kern- körperehen, noch ein Chromatingerüst zu sehen sind. Manchmal ist die Kernmembran gar nicht mehr vorhanden, die granulirte Kernmasse ist dann nur noch mit stärksten Vergrösserungen in der Zelle aufzufinden. Offenbar handelt es sich hier um einen körmnigen Zerfall des ganzen Kerninhaltes und um Auflösung der Kernmembran. Die Kernsubstanz geht dann wohl mit der Zell- substanz zu Grunde. Der Befund von Ganglienzellen, die gar Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Froschlarve. 499 keine Kernbestandtheile erkennen lassen, ist besonders in den letzten Stadien kein seltener. Auflösung der Kernmembran hat auch Bataillon beschrieben, ferner hat er ein Austreten von Chromatinfäden in den Zellkörper und einen Zerfall derselben in Pigment beobachtet, wie in den Epidermiszellen. Ich habe hier- von bei den Ganglienzellen ebensowenig etwas wahrnehmen können, wie bei den Epidermiszellen. Auch Loos hat offenbar nichts derartiges beobachtet. Als dritte Art des Unterganges fand ieh ziemlich häufig Schrumpfung der Kerne in den Ganglienzellen. Diese Kerne sind sehr klein und diffus und intensiv gefärbt, weder Chromatingerüst noch Kernkörperchen sind in ihnen oder in ihrer Umgebung zu erkennen (Fig. 12c). Dass es sich hier nieht um einen übrig gebliebenen Chromatinkörper handelt, geht aus der Grösse und der länglichen Gestalt, auch aus der Färbung hervor, die bei reinen Chromatinbestandtheilen leuchtender ist. Diese Kerne stimmen in ihrem ganzen Verhalten genau mit den geschrumpften Kernen der Chordazellen überein. Nervenfasern. Ueber den Schwund der feinsten Nerven- endigungen stehen mir keine grossen Erfahrungen zur Verfügung. Ein erfolgreiches Studium dieses Vorgangs dürfte auch sehr schwierig sein. Die feinsten Fasern können mittelst der Golgi’'schen Methode zwar dargestellt werden, aber ihre Imprägnation ist unsicher und ge- lang mir nur, wenn ich das doppelte Verfahren Ramon v Cayal’s derart modifieirte, dass ich die Lösungen vor der Benutzung erwärmte. Die Stücke wurden in die heisse Lösung eingelegt und dann bei 37 im Brutofen gehalten. Auch dann war die Imprägnation niemals eine vollkommene, die Nervenendigungen in der Haut waren nicht nach- zuweisen. Das ganze Epithel der Haut war von dicken schwarzen Niederschlägen verdeckt, die sich durch Alkohol nur nach so langer Einwirkung entfernten, dass auch die Imprägnation verschwunden war. Die grösseren Nervenstämme und die markhaltigen Nervenfasern sind in Schnittpräparaten nach jeder der angewandten Conservirungen leicht aufzufinden. Zur Beobachtung ihres Zerfalls sind nur die in Hermann’'scher bezw. Flemming’scher Lösung und die in Müller’scher Flüssigkeit fixirten verwendbar. Die in der Flem- ming'’schen und Hermann’'schen Lösung enthaltene Osmiumsäure schwärzt die Markscheide und macht sie der genauen Beobachtung zugänglich. Zur Achseneylinderfärbung erwiesen sich nur die in Müller’scher Flüssigkeit conservirten Schwänze brauchbar. Für die Färbung der Achseneylinder in peripherischen Nerven versprachen 500 W. Noetzel: die Stroebe’sche Anilinblau-Saffranin-Methode und die Sa hli’sche Säurefuchsin-Methylenblaufärbung Erfolg. Leider versagte die Färbung mit Anilinblau in den Frosch- larvenschwänzen vollkommen und ganz regelmässig, obgleich sie ge- nau nach den Vorschriften Stroebe’s an feinsten Schnitten (Paraffin- schnitten von 5 u, Celloidinschnitten von 7; bis 10 u Dicke) ausgeführt wurde und in derselben Anwendung an Schnitten aus menschlichen, in Müller’scher Flüssigkeit conservirten Nerven vorzüglich glückte. Die Färbung mit concentrirter wässriger Säurefuchsinlösung gelang zwar nicht ganz regelmässig, aber in den meisten Fällen. Ich benützte dazu ebenfalls Paraffinschnitte von 5 u und Celloidinschnitte von 19 u Dicke, zog aber wegen der besseren Wahrung der Contouren später die letzteren vor und modifieirte etwas das Verfahren Sahli’s. Vor allem erwies sich zur Färbung der im Froschlarvenschwanz zerstreuten Achseneylinder eine ziemlich lange Einwirkung der Farblösung — 1—24 Stunden — als nötig. Zur Entfärbung benutzte ich nieht den von Sahli empfohlenen Aetzalkohol, da derselbe zu stark entfärbt und häufig auch die Färbung aus den Achseneylindern auszieht. Ich spülte die Schnitte nach der Färbung in Wasser ab, legte sie für kurze Zeit in 96°/, Alcohol, darauf in Bergamottöl und in Canadabalsam. Die Me- thylenblauvorfärbung der Kerne gab ich bald wieder auf, dieselbe ist, wie auch Stroebe (15) hervorhebt, nicht distinet und verdeckt theil- weise die Säurefuchsinfärbung. Eine verzügliche distinete Kern- färbung liess sich von vorneherein von P. Mayer’ Hämalaun er- warten, den ich später auch regelmässig zur Vorfärbung benutzte. Er färbt nur die Kerne, auf das übrige Gewebe wirkt alsdann nur die Säurefuchsinlösung ein, Muskeln und Bindegewebsfasern sowie die Achseneylinder in den peripherischen Nervenfasern sowohl als im Rückenmark werden dunkelrosa bis roth gefärbt. Die Markscheiden der noch unveränderten Fasern erscheinen ganz blass (Fig. 6). Markscheide. Die grossen Nervenstämme bleiben ebenso wie das Rückenmark relativ lange erhalten und krümmen sich in dem verkürzten Schwanz mehr und mehr zusammen. Ueber die Veränderungen der Markscheide liegen Angaben von Bataillon, Loos und Barfurth vor. Nach Loos be- stehen dieselben hauptsächlich in Continuitätstrennungen des Marks, dessen Bruchstücke dann innerhalb der Primitivscheide der Auflösung verfallen. Eine Betheiligung der Leukocyten an der Zerstörung oder Fortschaffung der Marktrümmer hat Loos nicht beobachten können. Er hält den Prozess für identisch mit der von Courvoisier beschriebenen „Markgerinnung“ und Bildung von „Degenerationskügelchen“. Aehnlich lautet die Be- schreibung Bataillon’s, doch will dieser auch an Sehnittpräparaten Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Froschlarve. 501 isolirte aus der Faser ausgetretene glänzende Kügelehen, an- scheinend Marktropfen, gesehen haben, wie sie Loos als Arte- faete bei Zupfpräparaten beschrieben hat. Bataillon hält die- selben jedoch nicht für reines Nervenmark, sondern für eine Mischung des Marks mit dem Kernchromatin der Faser. Bar- furth giebt an, die Courvoisier'schen „Degenerationskügel- chen“ nicht gesehen zu haben, dagegen hat er beobachtet, dass das Mark sich mit Osmiumsäure nicht schwärzt, sondern nur leicht bräunt, entweder weil es schon an- fängt zu verschwinden oder weil die Atrophie des ganzen Or- gans auch die Beschaffenheit des Marks schon verändert hat. Bataillon, der auch das Ausbleiben der Osmiumreaction er- wähnt, hält dieses für charakteristisch für die Froschlarve überhaupt, das Nervenmark derselben sei chemisch verschieden von dem des erwachsenen Frosches. Dieser Ansicht Bataillon’s ist entgegenzuhalten, dass bei Jungen -Froschlarven, bei denen noch keine oder nur die hinteren Extremitäten zu sehen sind, die Schwärzung des Marks in Prä- paraten aus Flemming’scher oder Hermana’scher Flüssigkeit ebenso intensiv eintritt, wie am Nervenmark des erwachsenen Frosches. Dieselbe wird alsdann, je weiter die kückbildung der Gewebe und die Verkürzung des ganzen Schwanzes fort- schreitet, immer weniger intensiv. Die Nerven sind in Schwänzen, die bis auf die Hälfte oder fast auf ein Drittel der ursprünglichen Länge redueirt sind, schwarzgrau bis hellgrau; erst in den letzten Stadien bleibt jede Osmiumreaction aus, und zwar, wie der weiter unten zu beschreibende Befund mit stärksten Ver- grösserungen ergiebt, weil kein Nervenmark mehr vorhanden ist. So lange auch nur eine schwache Osmiumreaction am Nerven- mark eintritt, ist die betreffende Nervenfaser selbst bei schwacher Vergrösserung leicht sichtbar. Der Beginn des Markzerfalles scheint in Continuitätstren- nungen der Markscheiden zu bestehen, wie Loos und Batail- lonsie beschreiben. Ich fand solche Bilder schon in Schwänzen, die erst im Beginn der Atrophie waren. Die betreffenden Nerven verlaufen noch ganz gestreckt, ihre Markscheiden sind durch die Osmiumsäure intensiv geschwärzt. Der grössere Theil der Fasern zeigt meist keine Veränderungen, nur ein kleinerer Theil derselben lässt Varicositäten und Einkerbungen, hier und da auch Trennung 502 W. Noetzel: der Markscheide in Stücke sehen, die mehr oder weniger weit auseinander liegen. In den schon weiter reduzirten Schwänzen begegnet man diesen Veränderungen immer häufiger, dazu treten jetzt die vielfachen Krümmungen des Verlaufs, die durch die Verkürzung des Schwanzes bewirkt sind. Die Osmiumreaction der Markscheiden wird immer blasser, die Fasern sind meist ganz oder streckenweise verdickt, aufgequollen. Mit starken Vergrösse- rungen, am besten mit der Oelimmersion (Hartnack !/;,, Oe. II, Vergrösserung 500 fach) sieht man im Mark der meisten dieser gequollenen blassgrauen Nervenfasern zahllose kleinste Vacuolen. Die ganze Markscheide stellt ein feines netzförmiges Gerüste dar. Ich kann nicht entscheiden, ob es sich hier nur um eine Vacuolisirung der Markscheide handelt oder ob nach theilweisem Schwund derselben auch das Neurokeratingerüst sichtbar ge- worden ist. Das Bild hat jedenfalls die grösste Aehnliehkeit mit einer Abbildung des Neurokeratingerüstes in Kölliker’s (13) Handbuch der Gewebelehre (zweiter Band, erste Hälfte S. 15, Fig. 354). Vielleicht ist dieses Netzwerk auch jdentisch mit dem von v. Büngner (14) und Stroebe (15) nach Nervenverletzungen in den zerfallenden Markscheiden beobachteten. v. Büngner und Stroebe halten dasselbe für ein Gerinnungsproduet, das durch Ausfällung coagulirbarer Substanzen des Myelins entstanden ist. In ganz blassen Fasern sieht man mit der Immersion nur noch unzusammenhängende, bald feinkörnige, bald homo- gene Bröckel. Diejenigen Fasern, an denen gar keine Osmium- reaction mehr zu Stande gekommen ist, erweisen sich als ganz leer oder enthalten höchstens eine feinkörnige, farblose Substanz in unregelmässigen Häufchen vertheilt. Die Contouren der Schwann’schen Scheide sind hier meist verwischt. Achseneylinder. Ueber den Zerfall des Achseneylinders bei der Atrophie des Larvenschwanzes sind von den bisherigen Untersuchern gar keine Angaben gemacht worden. In den normalen Nervenfasern hat der Achseneylinder die Gestalt eines gerade verlaufenden homogenen Stranges, dessen Contouren ab und zu seichte Einkerbungen sehen lassen. Durch die Säurefuchsinlösung ist er tief rosa gefärbt (Fig. 6). Solche Achseneylinder lassen sich in Längsschnitten oft auf lange Strecken verfolgen. In geeigneten Präparaten kann man besonders an den Rückenmarksfasern häufig Achsencylinder sehen, die in einem Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Froschlarve. 503 Theil ihres Verlaufes normales Aussehen haben und von einem Punkte ab Veränderungen zeigen. Oft beginnen dieselben da, wo die Fasern sich krümmen, oft auch schon in den gestreckten Partieen. Die erste Veränderung scheint die Aufquellung zu sein, infolge deren der Achseneylinder das 35—4fache seines früheren Durehmessers gewinnt und unregelmässige, höckerige und ge- zackte Contouren bekommt. Die Färbung dieser Partieen ist nicht mehr tief rosa, sondern hell rosa und wird um so blasser, je stärker die Quellung ist. In den gequollenen Achseneylindern finden sich fast regel- mässig kleinere und grössere Vacuolen, bald ganz im Innern der Achseneylinder, bald mehr nach aussen, in Gestalt von hellen Bläschen denselben ansitzend (Fig. 7). Während viele dieser gequollenen Achseneylinder innerhalb der Nervenfaser ihre Continuität behalten haben, finden sich in andern Fasern vollkommen von einander abgetrennte Bruch- stücke dergelben von verschiedener Grösse. Besonders in den späteren Stadien ist der Befund von Fasern sehr häufig, in denen nur noch kleine, stark gequollene, ganz blass rosa gefärbte Achseneylinderreste mehr oder weniger dicht hintereinander liegen. Es sind zum Theil nur ganz unregelmässig begrenzte rosa ge- färbte Bröckel, die wie angefressen aussehen und nur durch ihre Anordnung und durch Vergleich mit weniger zerfallenen Fasern als Reste von Achsencylindern zu erkennen sind (Fig. 10). Der Schwund dieser Achseneylinder vollzieht sich demnach so, dass zuerst eime Aufquellung und dann Vacuolisirung, Con- tinuitätstrennungen und schliesslich Auflösung der Bruchstücke erfolgt. Diese Art des Schwundes ist aber nicht die einzige. Im weiteren Verlauf des Zerfallsprozesses sind immer zahlreicher neben den gequollenen geschrumpfte Achseneylinder anzutreffen. Dieselben sind intensiver roth gefärbt als die normalen, bald nur wenig schmäler als solche, bald zu ganz dünnen Fäden zusam- mengeschrumpft, haben ganz unregelmässige, zackige Contouren und enthalten ebenfalls fast regelmässig kleine Vaeuolen (Fig. 8, 9). Oft sind sie in grössere und kleinere Fragmente zerfallen, die vielfach gewunden und gekrümmt sind. Der Raum zwischen dem geschrumpften Axencylinder und der Schwann’- 04 W. Noetzel: “schen Scheide ist in den meisten dieser Fasern ausgefüllt von einem mehr oder weniger vollständigen weitmaschigen rosa gefärbten feinen Netzwerk, das sich an die zackigen Vorsprünge des Achseneylinders ansetzt (Fig. 8, 9). Je spärlicher die Reste des geschrumpften Achseneylinders sind, um so unvollständiger ist auch das Netzwerk. Von dem weiter oben beschriebenen Netzwerk in den Markscheiden unterscheidet es sich durch seine erheblich grösseren Maschen. Vielleicht liegt hier ein durch die Atrophie verändertes Neurokeratingerüst vor. Wahrschemlicher ist ‚ dass der geschrumpfte Achseneylinder zusammen mit dem Netzwerk die dureh Vaecuolisirung und Schrumpfung zustande sckommenen Reste eines vorher gequollenen Achseneylinders vorstellt. Die weiten Maschen wären dann durch Wachsen und Confluiren der Alveolen entstanden, die feinen Fäden die spär- lichen Ueberbleibsel der gequollenen Substanz des Achseneylin- ders. Diese Veränderungen haben namentlich im Querschnitt (Fig. 11a und b) grosse Aehnlichkeit mit Schrumpfungsformen, die nach Behandlung mit Alkohol, Aether und Chromsäure an Achseneylindern beobachtet werden (s. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre, II. Bd., erste Hälfte S. 22, Eig. 344). 3ei diesen Achseneylindern müsste demnach die Schrum- pfung als ein auf die Quellung folgendes späteres Stadium der Reduction aufgefasst werden. Dass auch möglicherweise primäre Schrumpfung der Achseneylinder als zweite besondere Art des Zerfalls vorkommt, soll damit keineswegs bestritten werden. Die weiteren Veränderungen sind in beiden Fällen Vaeuolisirung, Continuitätstrennungen und Auflösung der Bruchstücke. Wahr- scheinlieher ist es, dass in jedem Fall der Zerfall mit Aufquel- lung beginnt und hierauf in einem Theil der Fasern Schrumpfung der Achseneylinder folgt. Dafür spricht auch der Umstand, dass der Uebergang normaler Achseneylinder in gequollene Partien häufig, in gesehrumpfte nie von mir beobachtet werden konnte. Der Schwund der Achseneylinder erfolgt nach dem der Markscheiden. Meist ist bereits zu der Zeit, wo Continuitäts- trennungen eintreten, kein Mark mehr vorhanden. In den Fasern, deren Achseneylinder erst Aufquellung zeigen, kann man in Prä- paraten aus Flemming’scher oder Hermann’seher Flüssigkeit häufig neben den ungefärbten Achseneylindern in der blassgrauen es Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Froschlarve. 505 Markscheide das weiter oben beschriebene engmaschige Netzwerk sehen. Die letzten in den kleinsten Schwanzstummeln vorhandenen Nervenreste bestehen meist nur aus leeren oder streckenweise mit einer feinkömigen schwach oder gar nicht gefärbten, unregel- mässig vertheilten Masse gefüllten Sehwann'schen Seheiden. Diese haben häufig verwischte Contouren, manchmal erscheinen sie streckenweise gequollen. Unter den Kernen gewahrt man vielfach solehe mit Chromatinzerfall, daneben geschrumpfte und ab und zu auch grosse, gequollene, blasse Kerne. Kernvermeh- rung an den Nerven ist nirgends zu sehen. Von Interesse ist es, die histologischen Veränderungen beim physiologischen Zerfall der Nerven des Froschlarvenschwanzes mit pathologisch veränderten Nerven zu vergleichen. Es sei hier nur der neuesten Arbeiten hierüber von v. Büngner (14) und Stroebe (15) gedacht. v. Büngner, welcher die Degeneration der Nerven nach Diseission und Umscehnürung untersuchte, fand bereits 1 Tag nach dem Eingriff den Achseneylinder entartet, in der Nähe der Läsionsstelle gequollen und im übrigen Bereich des peripherischen Nervenstückes verdünnt und verschmälert. Die Verschmächtigung erklärt v. Büngner als die Folge des Aus- trittes von Nervenserum aus dem Achsenraum unter gleichzeitiger Schrumpfung der Achsenfibrillen. Der Achseneylinder ist jetzt vielfach unterbrochen, so dass er nur noch aus einzelnen unzu- sammenhängenden Stücken besteht, ein Befund, der sich auch noch am dritten Tage findet. Um diese Zeit tritt bereits Wucherung an den Kernen und Zellen der Schwann’schen Scheide auf, welche als die ersten Anzeichen der beginnenden Reparation aufzufassen sind. Mit der weiterschreitenden Zer- stückelung des Achseneylinders verlieren seine Conturen an scharfer Begrenzung, er erscheint zerfasert, theils spiralig aufgerollt und peitschenartig gewunden. Eine Betheiligung der Leukocyten am Zerfall des Nerven- gewebes habe ich nicht beobachtet, auch v. Büngner hält diese für untergeordnet, da nur selten in den Fasern jenseits der Verletzungsstelle Leukocyten angetroffen werden. Bei unge- nügender Asepsis mögen ja immerhm die zahlreichen ausgewan- derten Leukoeyten sich mit Marktrümmern beladen und zu der 506 W. Noetzel: Annahme führen, dass sie eine hervorragende Rolle bei der Mark- auflösung schon unter gewöhnlichen Verhältnissen spielen. Ganz übereinstimmend lauten die Angaben von Stroebe sowohl für das peripherische als für das centrale Nervensystem. Gegen die Verletzungsstelle endigen die Achseneylinder meist mit kolbigen Anschwellungen, andere zeigen hier ein sehr feines, dünnes, korkzieherartig gewundenes Endstück. In den kolbigen Anschwellungen treten alsdann Vacuolen auf, weiter entfernt von der Verletzungsstelle fand Stroebe.wie v. Büngner Conti- nuitätstrennungen der Achseneylinder, deren Bruchstücke vielfach gewunden, „augenscheinlich zusammengeschnurrt“, von streifiger oder auch körniger Structur und von Markballen umgeben sind. Blutgefässe und Bindegewebe. Nach Barfurth obliteriren die kleinen Gefässe des Larven- schwanzes bald nach Beginn der Reduction, während die grossen sich länger erhalten. Aus den obliterirten Gefässen erfolgt reich- liche Diapedese der rothen Blutkörperschen. Loos hat am lebenden Thier eingehende Beobachtungen über den der Oblite- ration vorangehenden Stillstand der Cireulation in den verschie- denen Gefässbezirken und den Austritt der Blutkörperchen ge- macht. An der Schwanzarterie sah er Abblättern der Endothelien und der inneren Muskelzellen in das Gefässlumen, der äusseren in das umgebende Gewebe. Damit stimmen auch die Angaben von Bataillon ziemlich genau überein, nur dass letzterer massen- haften Austritt und Anhäufungen von Leukocyten erwähnt, während Loos dieselben nur spärlich austreten sah. Mir selbst stehen diesbezügliche Beobachtungen am lebenden Thier nicht zur Verfügung. In Schnittpräparaten Konnte ich häufig abgelöste Endothelzellen in den Lumina von Gefässen schen, und fand auch Extravasate wiederholt im Gewebe der stärker reduzirten Schwänze. Die Blutkörperchen in denselben sind meist von unregelmässiger, häufig zackiger Form, meist sind die Kerne ungefärbt, oder sie zeigen Zerfall des Chromatins. Eben solehe Blutkörperchen liegen häufig dicht gedrängt innerhalb kleiner Gefässe und Capillaren, in denen jedenfalls be- reits Stillstand der Cireulation eingetreten war. Anhäufungen von Leukoceyten in der Nähe von Gefässen habe ich ebensowenig be- Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Froschlarve. 501 obachtet wie Loos. Wenn Bataillon in Schnittpräparaten und zwar an vielen Stellen Anhäufungen von Leukoeyten fand und darunter solche, welche im Inneren Chromatinkörner und Pigment enthielten, die sie aus dem degenerirenden - Gewebe aufge- nommen hatten, so hat er vielleicht keine normalen Verhältnisse vor sich gehabt. Möglicherweise lagen Verletzungen vor, an die sich Auswanderung von Leukoeyten angeschlossen hatte. Die Aufnahme von Pigmentkörnehen und Gewebstrümmern sprechen auch Barfurth und Loos den Leukoeyten zu. In- dessen hebt Loos mit Recht hervor, dass es sehr schwierig und oft unmöglich ist, in Schnittpräparaten die Leukocyten aus der Menge der zahllosen Elemente, die in den späteren Stadien alle abgerundet und mehr oder weniger pigmenthaltig sind und dicht gedrängt in den kurzen Schwanzstummeln liegen, sicher heraus- zufinden. Schon aus diesem Grunde ist die Rolle der Leukocyten nicht sicher nachweisbar. Von Loos und Bataillon ist die Umwandlung der Bindege- webskörperchen gleichlautend beschrieben worden. Ihre Fortsätze werden mit zunehmender Verkürzung des Schwanzes immer kürzer, die Zellen nehmen eine ovale oder kuglige Gestalt an, Chroma- tolyse und Kernzerfall tritt in ihnen ein, die Zellen zerfallen unter Bildung von Pigment, die Fasern werden aufgelöst. Wenn man das Bindegewebe von intaeten oder erst im Beginn der Reduction befindlichen Froschlarvenschwänzen mit demjenigen in schon erheblich verkürzten vergleicht, so fallen am meisten auf: einmal der ungeheure Kernreichthum, dann die Dichtigkeit der Fasern und die Masse des Pigmentes in den verkürzten Schwänzen gegenüber den intacten. Karyokinesen oder Kerndurch- schnürungen finden sich hier nirgends, dagegen vielfach zer- fallende Kerne. Die scheinbare Kernvermehrung ist, wie schon Loos hervorgehoben hat, ebenso wie die grössere Dichtigkeit der Bindegewebsfibrillen durch die Verkürzung des Schwanzes zu erklären, in Folge deren Zellen und Fasern dichter zusammenge- drängt werden. Die Bindegewebszellen lassen jetzt einen deut- lichen ovalen oder mehr kugeligen Zellleib erkennen, der in Präpa- raten aus Flemming’scher oder Hermann’scher Flüssigkeit ge- bräunt ist und zahlreiche dunkle Pigmentkörnehen , mitunter auch Vacuolen enthält. Viele Zellen scheinen gar keine Fortsätze mehr zu haben und liegen frei im Gewebe. Sie haben immer Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 45. 34 568 W. Noetzel: nur einen Kern, der in vielen noch wohlerhalten ist, in vielen anderen dagegen Chromatinzerfall, Schrumpfung und Schwund des Chromatinnetzes oder auch Quellung und Erblassen desselben sehen lässt. Demmach zerfallen die Bindegewebszellen, nachdem sie in Folge der Auflösung ihrer Fortsätze ihren gegenseitigen Zusammenhang aufgegeben haben, ebenso wie die meisten anderen Elemente des Schwanzes unter Pigmentbildung und häufig nnter Vacuolisirung. Unter all den mehr oder weniger abge- rundeten Elementen des Bindegewebes, die dicht gedrängt und meist ohne gegenseitigen Zusammenhang sich überall zwischen den Resten der übrigen Gewebe in den schon stark redueirten Schwänzen vorfinden, war es mir unmöglich, mit Sicherheit Leu- kocyten zu unterscheiden. Alle diese Elemente haben eine geringere oder grössere Achnlichkeit mit Leukoeyten, wenigstens mit den mononucleären Formen derselben. Polynueleäre Leuko- cyten, die ja, wie bekannt, mit grosser Vorliebe emigriren und vermöge der Zahl ihrer Kerne und ihrer gelappten Gestalt leicht zu erkennen sind, habe ich nur ganz vereinzelt angetroffen. Eine Vergleichung mit Präparaten aus früheren Stadien wird auch leicht überzeugen, dass die überwiegende Mehrzahl der Ele- mente umgewandelte Bindegewebszellen sind. Ist hiernach die Menge der im Gewebe befindlichen Leuko- cyten jedenfalls keine erhebliche, so kann ich auch nach meinen sonstigen Befunden denselben keinen Antheil an der Fortschaffung und Beseitigung des zerstörten Materials zuschreiben. Es fragt sich auch, ob überhaupt eine solche Fortschaffung in grösserem Maasse stattfindet. Alles verflüssigte Material wird wohl unmittel- bar von den Körpersäften aufgenommen. Ueber die Schicksale der relativ noch zahlreichen ungelösten Gewebsreste (Chorda dorsalis, Nerven), die sich in den kleinsten der Untersuchung zugänglichen Schwanzstummeln finden, wissen wir weiter nichts, als dass Leukoeyten sich an ihrer Beseitigung nicht betheiligen. Es würde somit den Leukocyten nur die Aufnahme von Pigment und etwaigen sonstigen unlöslichen Partikelchen zufallen. Diese Thätigkeit der Leukoceyten und ihr Vorkommen im atrophirenden Froschlarvenschwanz kann aber nicht als eine wesentliche Bethei- lisung an der Reduction desselben aufgefasst werden. Am Schluss meiner Arbeit erfülle ich gern, die angenehme Pflicht, meinem hochverehrten Lehrer und Chef, Herrn Geh. Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Froschlarve. 509 Rath Professor Dr. Eberth, meinen ehrerbietigsten Dank auszu- sprechen für die Anregung zu diesen Untersuchungen und für seine während der langen Dauer derselben jederzeit mit der grössten Liebenswürdigkeit gewährte Unterstützung und Belehrung sowie für die gütige Anfertigung der Zeichnungen. Literatur. Metschnikoff, Untersuchungen über die mesodermalen Phago- eyten einiger Wirbelthiere. Biologisches Centralblatt 1883. — — Atrophie des muscles pendant la transformation des batraciens. Annales de l’institut Pasteur 1822. Barfurth, Die Rückbildung des Froschlarvenschwanzes und die sogenannten Sarkoplasten. Archiv für mikroskopische Anatomie. 29. Bd. 1887. Loos, Ueber die Betheiligung der Leukocyten an dem Zerfall der Gewebe im Froschlarvenschwanz während der Reduction des- selben. Habilitationschrift Leipzig 1889. — — Ueber Degenerationserscheinungen im Thierreich, besonders über die Reduction des Froschlarvenschwanzes und die im Verlauf derselben auftretenden histolytischen Prozesse. Gekrönte Preis- schrift der fürstlich Jablonowski’schen Gesellschaft zu Leipzig 1889. Bataillon, Recherches anatomiques et experimentales sur la metamorphose des amphibiens anoures. Annales de l’universite de Eyon. N. II, fasc..T..1891. SigmundMayer, Die sogenannten Sarkoplasten. Anatomischer Anzeiger I. Bd., p. 231. — — Einige Bemerkungen zur Lehre von der Rückbildung quer- gestreifter Muskelfasern. Archiv der Heilkunde Bd. VIII. — — Zur Histologie des quergestreiften Muskels. Weiterer Bei- trag zur Lehre von den Transformationsprozessen in unversehrten Geweben. Biologisches Centralblatt IV. Bd. Schaffer, Beiträge zur Histologie und Histogenese der quer- gestreiften Muskelfasern des Menschen und einiger Wirbelthiere. Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. Mathematisch - naturwissenschaftliche Classe. C. II. Bd. I. u. I. Heft. 1893. Eberth, Die Sarkolyse. Nach gemeinsam mit Herrn Dr. Noetzel ausgeführten Untersuchungen an der Froschlarve. Festschrift der Faeultät zur 200jährigen Jubelfeier der Universität Halle. Berlin 1894. Verlag von August Hirschwald. 510 8. 9. 10. dm. 12. 13. 14. 15. W. Noetzel: Hensen, Ueber die Nerven im Schwanze der Froschlarven. Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. IV. 1868. p. 115. Eberth, Zur Entwicklung der Gewebe im Schwanze der Frosch- larven. Archiv für mikroskopische Anatomie II. Bd. p. 490. Götte, Entwickelungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. Scheel, Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Teleostier- wirbelsäule. Morphologisches Jahrbuch 20. Bd. 1. Heft. 1893. Gegenbaur, Vergleichende Untersuchungen über die Anlage der Wirbelsäule bei Amphibien und Reptilien. Leipzig 1864. v. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre. Sechste Auflage. Leipzig 1893. Zweiter Band. Erste Hälfte. v. Büngner, Ueber die Degenerations-- und Regenerations- vorgänge am Nerven nach Verletzungen. Ziegler’s Beiträge zur pathologischen Anatomie und allgemeinen Pathologie Bd. X. 1891. Stroebe, Zur Technik der Achseneylinderfärbung im centralen und peripheren Nervensystem. Centralblatt für pathologische Anatomie Bd. IV. 1893. Nr. 2. — — Experimentelle Untersuchungen über Degeneration und Re- generation peripherer Nerven nach Verletzungen. Ziegler's Bei- träge zur pathologischen Anatomie und allgemeinen Pathologie Bd. XII. — — Experimentelle Untersuchungen über die degenerativen und reparatorischen Vorgänge bei der Heilung von Verletzungen des Rückenmarkes nebst Bemerkungen über die Histogenese der secundären Degeneration im Rückenmark. Ziegler’s Beiträge zur pathologischen Anatomie und allgemeinen Pathologie Bd. XV. 1894. S. 383. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXVIMH. Fig. 1. Chorda dorsalis aus einem Längsschnitt durch den auf ein Drittel seiner ursprünglichen Länge reduzirten Schwanz von Rana eseulenta. Fixirung in Hermann'scher Flüssigkeit, Celloidineinbettung, Färbung in Saffranin. Vergrösserung 90tach.„HaTbnalcki,;;Obj.-4,0e. IH: a skeletogene Schicht, b Chordascheide, e gewuchertes Chordaepithel, d geschrumpftes Chordagewebe. Fig. 2. Chordascheide aus einem noch mehr reduzirten Schwanz von Rana esculenta. Technik wie Fig. 1. Vergrösserung 430 fach. Eart na ck, Obj.. &10e-1IE: Die Rückbildung der Gewebe im Schwanz der Froschlarve. 511 Fig. Fig. 10. a Chordascheide, bskeletogene Schicht, e in die Chorda- scheide eingedrungene Zellen der skeletogenen Schicht, d Chordaepithel, e innerhalb der Chordascheide liegende Zellen des Chordaepithels. und 4. Isolirte Gebilde aus dem geschrumpften Chordagewebe. Längsschnitt durch den auf ein Drittel der ursprünglichen Länge redueirten Schwanz von Bufo variabilis. Fixirung in Müller’scher Flüssigkeit, Celloidineinbettung, Färbung mit P. Mayer’s Hämalaun und Eosin. Vergrösserung 650 fach. Hartnack, homogene Immersion Nr. I, Oe. III enthält neben dem diffus gefärbten geschrumpften Kern zahl- reiche glänzende intensiv gefärbte Kügelchen. enthält eine homogene intensiv gefärbte Masse in dem helleren Inhalt. £ . Ebensolehe kleinere homogene Gebilde wie Fig. 3 und 4 von Rana esculenta. Längsschnitt durch einen stark reduzirten 2!), mm langen Schwanz. Fixirung in Hermann'’scher Flüssigkeit, Celloidineinbettung. Vergr. 650fach wie Fig. 3 u. 4. a ohne Kern, b und e mit diffus gefärbtem, gelapptem Kern und einem helleren Hof um denselben. . 6—10. Nervenfasern aus Längsschnitten durch den Schwanz von Bufo variabilis. Fixirung in Müller’scher Flüssigkeit, Celloidineinbettung, Färbung mit Säurefuchsin und Hämalaun. . Normale Nervenfaser aus einem nicht reduzirten Schwanz. Verg. 650 fach. Hartnack, homogene Immersion Nr. I, Oe III. a Achsencylinder, b Achseneylinderraum, e Schwann- sche Scheide. . Nervenfaser aus einem auf die Hälfte der ursprünglichen Länge reduzirten Schwanz. Vergr. wie Fig. 6. a der gequollene Achsencvlinder, b Vacuolen im Achsen- eylinder, eSchwann'sche Scheide mit d Kern. und 9. Nervenfasern aus einem auf ein Drittel seiner ur- sprünglichen Länge redueirten Schwanz. Vergr. 820 fach. Hartnack, homogene Immersion Nr. II, Oe. II. a der geschrumpfte Achsencylinder, in Fig. 9 nur noch ein Bruchstück desselben, b Vacuolen im Achseneylinder, ce netzförmig angeordnete Reste des durch Vacuolisirung und Schrumpfung stark reducirten Achseneylinders, d Schwann- sche Scheide. Varicöse Nervenfaser aus einem 2 mm langen Schwanzstummel. Vergr. 650 fach. Hartnack, homogene Immersion Nr. I. OEL. a unregelmässige Reste des Achseneylinders. a und b. Quergetroffene Nervenfasern aus einem etwa auf ein Drittel seiner Länge reduzirten Schwanz von Bufo va- riabilis. Fixirung in Müller’scher Flüssigkeit, Paratfinein- bettung, Färbung mit Säurefuchsin und Hämalaun. a zeigt 512 W. Noetzel: Die Rückbild. d. Gewebe im Schwanz d. Froschl. dasselbe Stadium des Achseneylinderzerfalls wie Fig.9, b wie Fig. 8 auf dem Querschnitt. Fig. 12. Ganglienzellen aus Spinalganglien eines 21/;, mm langen Schwanzstummels von Rana esculenta. Fixirung in Sublimat, Celloidineinbettung, Längsschnitt, Färbung mit Hämalaun. Vergrösserung 650 fach. Hartnack, homogene Immersion Nr. N OcHIE a unveränderte Ganglienzelle, b Ganglienzelle mit Zer- fall des Chromatingerüstes des vergrösserten Kerns in glänzende stark gefärbte Kugeln, e von zahlreichen Vacuolen durch- setzte Ganglienzelle mit stark geschrumpftem Kern. Zur Kenntniss des Flettgewebes. Von Dr. J. Aug. Hammar, a. o. Professor an der Universität in Upsala. Hierzu Tafel XXIX und XXX. Kap. I. Ueber das Fettgewebe der Ratte. $1. Zwei Arten Fettgewebe bei der Ratte, braunes und weisses; deren Ausbreitungsgebiete. Wenn man die Bauchhöhle einer Ratte öffnet!), und die Eingeweide umschlägt, sodass die Nierengegend der Besichtigung zugänglich wird, so findet man das Gebiet zwischen den medialen Rändern der Nieren von einem subserösen Gewebe charakte- ristischen Aussehens, eingenommen. Die Farbe desselben ist bei einem ziemlich gutgenährten Individuum gelbbraun, an die Farbe einer Fischleber erinnernd. Es hat einen ausgeprägt lappigen Bau. Die Läppchen sind un- regelmässig polygonal oder noch öfters mehr oder weniger stark abgeplattet; sie sind von einem spärlichen interstitiellen Bindegewebe zusammengehalten. 1) Diese Untersuchungen sind vorzugsweise an der weissen Ab- art des Mus decumanus ausgeführt worden. Zur Kenntniss des Fettgewebes. 513 Das Gewebe hat für das blosse Auge ein drüsenähnliches Aussehen und sticht gegen das gelbweisse Fettgewebe, welches den lateralen Rand der Niere umschliesst, scharf ab. Es trägt auch lange schon den Drüsennamen; es schliesst sich nämlich der Kategorie der Bildungen an, die man „Winterschlaf“ oder „Fettdrüsen“ nennt. Aus Gründen die ich weiter unten anführen werde, glaube ich inzwischen von dieser Benennung Abstand nehmen zu müssen und bezeichne das Gewebe statt dessen mit dem Namen braunes Fettgewebe. Das gewöhn- liche gelbweisse Fettgewebe benenne ich dagegen der Kürze wegen weisses Fettgewebe. Diese beiden Arten Fettgewebe haben bei der Ratte ihre gut begrenzten Ausbreitungsgebiete. So sieht man das braune Fettgewebe im Bauche als eine dünne, nicht immer kontinuirliche Schieht den Zwischenraum zwischen beiden Nieren einnehmen. Nach vorn erreicht es den Ursprung des Diaphragmas. Nach den Seiten schliesst es sich den medialen Rändern der Neben- nieren und Nieren dicht an und schiebt sich in den Hilus der letzt- genannten Organe hinein. In dieser Fettmasse liegen u. a. eingebettet die Aorta abdominalis und die V. cava inf. nebst deren zu den Nebennieren und Nieren gehörende Zweige. Nach hinten zu setzt es sich theils in einigen, längs den vorderen Enden der Ureteren gestreuten Läppchen, theils in der Mittellinie des Körpers, längs des hintersten Theils der Aorta abd. und der V. cava inf. fort, auch hier in der Form von langgestreekten Läppehen oder unterbrochenen braunen Streifen, welche bei gut- genährten Individuen mehr oder weniger undeutlich dureh das hier weit reichlichere weisse Fettgewebe hervorschimmern. Der mittlere braune Fettgewebszug setzt sich auch längs der Vasa iliaca fort. Ein gewöhnlich ziemlich kontinuirlicher Strang folgt somit den Vasa iliaca ext. nach dem Lig. Poupartii herab. Unmittelbar oberhalb dieses Ligaments hört er auf, ohne sich nach dem Schenkel fortzusetzen. Ein anderer schmaler Streifen kann sich längs der Vasa iliaca int. in das kleine Becken fortsetzen. Im Thorax findet man das braune Fettgewebe unmittelbar vor der Columna vertebralis einen ziemlich scharfkantigen medialen Wulst von ungefähr dreieckigem Querschnitt bilden. In dem % 514 J. Aug. Hammar: “ Innern dieses Wulstes liegt die Aorta desceendens, längs welchem Gefäss das Fettgewebe mit den eben beschriebenen Fettmassen im Bauche nach hinten zusammenhängt. Der mediale Fettwulst folgt der Aorta in deren ganzem thoracalen Theile, wobei er sich auf beiden Seiten in eine dünne, gleichfalls braune Fettgewebs- schicht fortsetzt, welche die gegen die Brusthöhle sehende Seite jedes Wirbelkörpers deckt, während es nicht selten die entsprechen- den Oberflächen der Ligg. intervertebralia frei lässt. Weiter vorn setzt sich dieser mediane intrathoracale Fett- gewebszug in einigen, gewöhnlich nicht besonders voluminösen, im vorderen Mediastinalraume gelegenen Läppehen fort. Diese wiederum schliessen sich nahe an ein paar braune Fettgewebszüge an, welche eins auf jeder Seite den Seitenrändern der dorsalen Oberfläche des Sternum in seiner ganzen Ausdehnung folgen, nach Innen zwischen sich einen medianen Knochenstreifen sichtbar lassend, nach Aussen Verlängerungen längs der pleuralen Oberfläche jedes Rippenknorpels abgebend. Das Fettgewebe liegt hier unmittelbar auf dem Knochen resp. dem Knorpel der Vasa mammaria interna entlang. Ausser diesen in den grossen Körperhöhlen konstant vor- kommenden Ansammlungen braunen Fettgewebes findet man dieses Gewebe an gewissen Stellen intermuskulär wieder — ja das Meiste des intermuskulären Fettgewebes der Ratte ist dieser Art. An den unteren Extremitäten ist sein Vorkommen auf die Inguinalgegend beschränkt. Man findet hier einen kleinen, in der Tiefe keilförmig zugeschärften Fettklumpen, der die Grube zwischen den inneren Rändern des Musc. glutaeus max. und des M. ileopsoas ausfüllt, und sich dem Ansatz des letztgenannten Muskels vorbei gegen die Vasa femoralia erstreckt. Dieses Fettgewebe ist gewöhnlich in der Farbe etwas heller als das braune Fettgewebe im Allgemeinen und wird bei Individuen mit gutem Ernährungszustand von einem weissen Fettgewebe umgeben, welches dann in einer dünnen Schicht die Vasa femoralia nach unten zu begleitet. Reichlicher ist das braune Fettgewebe in der Nähe der Ansatzstellen der vorderen Extremitäten vertreten. So findet man auf dem Rücken, zwischen den beiden Sca- pulae zwei recht umfangreiche Fettloben, welehe die nach der Tiefe zu trichterförmig sich verengernde, intermuskuläre Grube ‘ Zur Kenntniss des Fettgewebes. 515 auszufüllen beitragen, welche hier durch die starke Lordose im Hals- und oberen Brusttheil der Wirbelsäule entsteht. Diese Fettgewebsmassen sind in der Mittellinie am dicksten, wo sie dicht bei einander liegen, nur durch ein schmales binde- gewebiges Septum geschieden. Von hier aus nehmen sie nach allen Seiten hin an Dieke ab. Bei wohlgenährten Individuen werden sie von einem dünnen, weissen Fettgewebslager bedeckt, mit welchem sie intim zusammenhängen und welches sich seiner- seits an das subeutane weisse Fettgewebe nahe anschliesst. Jede dieser interscapularen braunen Fettmassen setzt sich in der Tiefe fort, indem sie sich um den vorderen Rand der hinteren Portion des M. eueullaris biegt, über welchen Rand sie somit gleichsam reitet. Dieser tiefere Theil folgt dem hinteren Rande des M. rhomboideus nach der eaudalen Eeke der Scapula. Von hier aus setzt sie nach vorn in einigen längs der Basis sea- pulae, zwischen dem M. serratus antie. maj. und der Brust- wand liegenden, gestreuten Läppchen fort. Vereinzelte braune Fettläppechen kommen auch zwischen den tieferen Rückenmuskeln vor. Eine andere, ziemlich voluminöse braune Fettanhäufung findet man in den Axillen, wo sie von der Ursprungsportion des Hautmuskels bedeckt wird. Von der Fossa axillaris sendet sie Verlängerungen ab, theils ventralwärts unter den Muse. pect. ma)., theils dorsalwärts zwischen die M. subscapularis und M. serratus ant. maj., theils schliesslich auch nach vorn an der tiefen Seite der Clavieula vorbei in die Fossa supraelavieularis hinein. An der Vorderseite des Halses findet man ferner einige schmale braune Fettläppchen, sowohl oberflächlich unter den volu- minösen Drüsen als auch weiter in der Tiefe zwischen den Muskeln. Das weisse Fettgewebe kommt in einer je nach dem Ernährungszustande wechselnden Menge subeutan, subserös und intermuskulär vor. Die Beschreibung bezieht sich hier gleichwie beim braunen Fettgewebe am nächsten auf das, was ich eine gute Mittelernährung nennen möchte. Subeutan bildet es unter solchen Verhältnissen längs Jeder Seitenfläche des Rumpfes einen in der Längsrichtung des Körpers gehenden, vom Hautmuskel bedeckten, breiten Fettstreifen 516 J. Aug. Hammar: oder Band. Dieses Band gewinnt am Hüftbeinkamm bedeutend an Dicke. Es bildet hier einen mächtigen Wulst, welcher ventral- wärts längs der Crista ossis ilei und dem Lig. Poupartii geht, die tiefe Inguinalfalte ausfüllend. Von hier aus verbreitet es sich unter abnehmender Dicke, theils vorwärts ein wechselndes Stück über die ventrale Bauch- wand, theils giebt es längs der Innenseite des Schenkels eine schmälere Verlängerung nach hinten ab, welche an der Wurzel des Penis und des Scerotum (respective an der Vulvarmündung) vorbei sich bis zu dem Anus erstreckt, um dort als ein eircum- analer Fettring zu schliessen. Nach vorn erstrecken sich die lateralen subeutanen Fett- gewebebänder zu der Gegend des caudalen Scapularwinkels. Hier werden sie von einem ziemlich dieken, dorsalen, transversal gehenden Fettgewebestreifen, welcher den unteren Theil der Sea- pula und die interscapularen braunen Fettgewebelappen deckt, zusammengebunden. Derselbe reicht nach vorn den vorderen Rand des Hautmuskels vorbei und hängt hier mit einem ziemlich dünnen Lager weissen Fettgewebes zusammen, welches auf der äusseren Seite des genannten Muskels liegt, ohne doch hier mit dem Präparirmesser besonders weit nach hinten verfolgt werden zu können. Auch .in ventraler Richtung setzen sich hier die subeutanen Fettgewebebänder fort, jedes auf seiner Seite, als eine recht dicke Schicht längs dem eaudalen Rande der vorderen Extremität in die Axillen herab, wo es die Ursprungsportion des Hautmuskels und das tiefer gelegene braune axillare Fettgewebe deckt. Von hier aus lässt es sich hinauf längs dem ceranialen Rande derselben Extremität verfolgen, um hier in eine den obersten Theil der Brust nebst die Vorder- und Seitenflächen des Halses kontinuirlich deckende Fettgewebsschicht überzugehen. 5 In kurzer Zusammenfassung könnte man somit sagen, dass die beiden ziemlich dünnen lateralen Bänder des subeutanen weissen Fettgewebes zwei mächtigere, ringförmige Ausbreitungen desselben Gewebes vereinen, welche in der Gegend der Ansatz- stellen beider Extremitätspaare den Rumpf gürtelartig umfassen und dabei unter anderem die Falte zwischen diesem und den Extremitäten ausfüllen. Von diesen Gürteln ist indessen nur der vordere vollständig, der hintere ist offen dorsal über dem Os sacrum. Zur Kenntniss des Fettgewebes. 517 Das subperitoneale Fettgewebe ist ausser an den oben angegebenen Stellen von weisser Farbe. So findet man grössere weisse subseröse Fettanhäufungen insbesondere um den Proc. xiphoides und von hier aus ein Stück nach hinten längs der Linea alba; längs den lateralen Rändern der Nebenniere und der Niere, sowie von hier aus als eine reich- liche retroperitoneale Fettschicht bis gegen das kleine Becken hinunter; ferner im Oment, im Mesenterium, in den Mesorchia (resp. den Ligg. lata) u. s. w. Inder Brusthöhle trifft man bei gut genährten Individuen einige kleine Flecke weissen Fettgewebes im Septum pleuro-peri- cardiacum an. Uebrigens ist die Brustkavität von diesem Ge- webe frei. Schliesslich kommt ein spärliches weisses intermuskuläres Fettgewebe an einigen Stellen vor, von denen folgende besonders hervorgehoben werden: an der Vorderseite der hinteren Extre- mitäten längs der Vasa femoralia, und auf deren Hinterseite dem Nervus ischiadieus entlang mit einem etwas grösseren weissen Fettklumpen in Poples; eine dünne weisse Fettschicht längs der tiefen Oberfläche des M. latissimus dorsi. Endlich könnte man hierher das spärliche weisse orbitale Fettgewebe rechnen. Bei einem Ueberblick über die hier geschilderten Ver- hältnisse findet man also: dass bei der Ratte alles wirklich subeutane Fettgewebe von weisser Farbe ist; dass das intermuskuläre Fettgewebe nur an einigen wenigen, beschränkten Stellen weiss, im Uebrigen braun ist, sowie, dass es als solches an gewissen Oertlichkeiten (die Interscapulargegend, die Axillen, die Weichen) sehr voluminöse Anhäufungen bilden kann; dass das subseröse Fettgewebe im Bauche zum über- wiegenden Theil weiss ist; dass die grösste Masse braunen Fett- gewebes hier das Gebiet zwischen den inneren Rändern der Nieren einnimmt, von wo es sich nach vorn und nach hinten längs der grossen Gefässe fortsetzt; dass im Thorax fast alles Fettgewebe von brauner Farbe ist. In der Literatur giebt es zahlreiche mehr oder weniger detaillirte Beschreibungen über die Ausbreitung der „Winterschlafdrüsen“; schon aus diesen geht hervor, dass die Ausbreitung dieses Gewebes sehr verschieden bei verschiedenen Thierarten sein kann. Wenn man mit diesen Schilderungen die Ausbreitung bei der 518 J. Aug. Hammar: Ratte vergleicht, fällt es in die Augen, dass das Gewebe in dem Kör- per dieses Thieres in ungewöhnlichem Grade verbreitet ist, sowie dass es in grösserem Umfang besonders dem Bauche und der hinteren Körperhälfte überhaupt angehört, als wie, den Schilderungen nach zu urtheilen, das Verhältniss bei den meisten anderen Thierarten zu sein scheint. Die Kenntniss von der Ausbreitung des fraglichen Gewebes ist eine wichtige Vorbedingung, um eine richtige Auffassung seiner Be- deutung zu gewinnen. Man sieht somit leicht ein, wie seine oben geschilderte weite Aus- breitung in Form von grösseren und kleineren Lappen oder Läppchen, welche in einem grossen Theile des Körpers der Ratte zerstreut sind, nicht besonders gut mit der Auffassung derselben als ein einheitliches Organ — eine „Winterschlafdrüse®* — übereinstimmt. Weiter erhellt es aus dem Vorhergehenden, dass dieses Gewebe nicht, wie Poljakoftf (26) voraussetzt, überwiegend der hinteren, sondern vielmehr hauptsächlich der vorderen Körperhälfte zugehört. Mit Feststellung der Unrichtigkeit dieser Voraussetzung verfällt auch die von dem genannten Verfasser hierauf gebaute Hypothese )). 82. Der feinere Bau des braunen Fett- gewebes bei Mittelernährung. In Betreff der Struktur des braunen Fettgewebes kann ich mich kurz fassen, da man sie in ihren Hauptzügen schon in der Literatur richtig beschrieben findet. Auf die lobuläre Anordnung des Gewebes ist oben hinge- wiesen worden. In dem ziemlich lockeren interlobulären Binde- sewebe gehen die gröberen Gefässstämme. Eine Verlängerung dieses Bindegewebes schiebt sich längs der gröbsten intralobulären Gefässe gegen die Mitte jedes Lobulus. Dieser intralobuläre Bindegewebszug setzt sich kontinuirlich in die Adventitia der übrigen grösseren lobulären Gefässe fort. In langgestreckten Lobuli findet man keineswegs selten zwei solche Bindegewebszüge von entgegengesetzten Längsseiten 1) In schuldiger Rücksicht auf den Raum kann ich nur im Vor- beigehen diese Hypothesen Poljakoff’s über die Phylogenese des Fettgewebes, sowie einige andere, theilweise recht weitgehende An- nahmen, in dem sehr subjectiv gehaltenen Aufsatz dieses Verfassers berühren, obgleich sonst noch manches in dieser Sache anzuführen wäre, Zur Kenntniss des Fettgewebes. 519 des Lobulus in dieselben eindringen, ihn auf diese Weise in kleinere Gebiete eintheilend. Ausser dem hier beschriebenen Bindegewebe scheint solches im Innern der Lobuli nicht vorzukommen. Sie bestehen im Uebrigen aus grossen, dieht liegenden Zellen von polygonaler Form mit zwischenliegenden zahlreichen Blutgefässen. In frischem Zustande untersucht, sieht man diese Zellen eine grosse Anzahl giänzende, fettartige Tropfen enthalten, welche auf die übrigen Struktureinzelheiten verdunkelnd wirken. Durch eine chemische Analyse, welche Herr Professor ©. Th. Mörner die Güte hatte für mich auszuführen, hat es sich gezeigt, dass diese Tropfen wirklich Fett sind. In Uebereinstimmung hiermit werden sie von Ueberosmium- säure geschwärzt. Untersucht man einen dünnen Schnitt des mit diesem Reagenz behandelten Gewebes, so sieht man den polygonalen Zellkörper von einer gewöhnlich nicht unbedeutenden Anzahl kleiner Fetttropfen durchsetzt. Obgleich diese freilich nicht einmal in einer und derselben Zelle alle gleich gross sind, wechselt ihr Umfang doch innerhalb relativ enger Grenzen. Vor allem sieht man hier sehr selten Zellen mit einem grösseren „Haupttropfen“, von kleineren „Nebentropfen* umgeben. Auch in einem ganzen Lobulus zeigen die verschiedenen Zellen gewöhnlich eine gewisse Gleichförmigkeit in der Grösse der Fetttropfen !). Sind der Fetttropfen relativ wenige, so erscheinen sie zu einem Kranze gesammelt rund um den im Innern der Zelle liegenden Kern herum; sind sie zahlreicher, so liegen sie gewöhn- lich mehr regellos. In beiden Fällen lassen sie doch eine breitere oder schmalere Randzone der Zelle von Fett frei. Die übrigen Bestandtheile der Zelle studirt man mit den Methoden, welche die Entfernung des Fettes zur Folge haben, am besten (Fig. 6). Unter solehen Verhältnissen findet man rundliche Lücken im Zellenkörper, die an Grösse und Anordnung den eben be- schriebenen Fetttropfen entsprechen. Zwischen ihnen zeigen sich feinere und gröbere Septa von grobgranulirtem Protoplasma. Diese Protoplasmagranula zeigen den basischen Anilinfarben gegenüber keine speeifische Färbbarkeit ; dieses Verhältniss fällt sogleich in die Augen bei der Vergleichung zwischen den Körnern 1) Ueber Ausnahmen hiervon bei der Mästung siehe unten, 590 J. Aug. Hammar: der Fettzellen und den Körnern der „Mastzellen“, welche bei soleher Färbung recht zahlreich in dem Bindegewebe um die interlobularen und die gröberen lobularen Gefässe herum hervortreten. Nach successiver Behandlung des Gewebes mit Osmium, Müller’s Flüssigkeit und Spiritus, sowie Färbung der dünnen Schnitte mit Kultsehitzsky's Rubimlösung treten dagegen die Körner auf dieselbe Weise gefärbt, wie nach Altmann's Färbung, hervor. Eine Zellmembran fehlt. Gewöhnlich ist ein Kern vorhanden, manchmal zwei. Er tritt oft mit einer excentrischen Lage hervor, doch meistentheils nieht gerade am Rande der Zelle. Er ist gross, sphärisch, mit deut- licher, färbbarer Contourlinie und einem oder einem Paar gut markirter Kernkörperchen. Das chromatische Kernnetz ist fein- fädig und undicht. Durch diese seine Chromatinarmuth hat das Innere des Kerns gewöhnlich ein helles und durchsichtiges Aus- sehen. Die angeführten Eigenthümlichkeiten lassen ihn von den Kernen der Bluteapillaren, welche die Fettzellen umspinnen, gut abstechen. Die letztgenannten Kerme sind relativ klein, oval und treten durch ihren grösseren Chromatinreiehthum mit dunklerer Farbe hervor. Es ist mir nicht gelungen, die Fettzellen in unbeschädigtem Zustande zu isoliren. Auf Schnittpräparaten zeigen sie sich als unregelmässig polygonale Bildungen, hier und da mit rinnen- förmigen Aushöhlungen für die umspinnenden Capillaren. Diese letztgenannten tragen dazu bei,. die Zellgrenzen deutlich her- vortreten zu lassen. Untersucht man einen dünnen Schnitt mit starker Vergrösserung, so findet man inzwischen, dass eine Grenz- linie da, wo sich zwei Zellen begegnen, an vielen Orten fehlt. In einigen Fällen markirt sich freilich die Zellgrenze als ein breiterer Protoplasmastreifen, ananderen Stellen fehlt selbst dieser Haltepunkt. In beiden Fällen kann man die Protoplasmazüge kontinuirlich von einer Zelle nach der anderen gehen sehen. Stellt man dies mit den Bildern anastomosirender Zellen zusammen, welche das Gewebe theils bei seiner Entwicklung, theils bei starker Ab- magerung darbietet, so erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass ein wirklicher Zusammenhang zwischen dem Protoplasma dieser dicht liegenden Zellen an gewissen Theilen ihrer Oberfläche existirt. Die Gefässvertheilung im Lobulus ist sehr reich- Zur Kenntniss des Fettgewebes. 521 lich. Die Arterie geht mit dem oben beschriebenen Bindegewebs- zug gegen das Centrum des Lobulus hinein. Hierbei verästelt sie sich unter spitzen Winkeln dichotomisch zu einer Anzahl recht feiner divergenter Zweige, welche unter sparsamen, spitz- winkligen, diehotomischen Theilungen bis gegen die Peripherie des Lobulus reichen. Hier biegen sie früher oder später schlingen- artig um und gehen in ein Capillarnetz von besonders charakteri- stischem Aussehen über. Die einzelnen Capillaren gehen nämlich sehr geschlängelt, tiefe Bogen um die Zellen, zwischen welchen sie sich hervor- winden, bildend. Auf diese Weise wird eine Zelle oft an drei Seiten von ein und demselben Capillargefässe umfasst. Die Capillaren gehen in kurze, grobe, im Innern des Lobulus belegene Venenwurzeln über, welche ziemlich schnell in eine grössere Vene zusammenmünden, welche den Lobulus auf demselben Weg verlässt, auf dem die Arterie in ihn eintritt. Jeder Lobulus bekommt somit sein begrenztes Gefässsystem; Anastomosen zwischen Gefässen verschiedener Lobuli kommen nicht vor. Ein intralobulares Eindringen der Lymphgefässe oder Nerven habe ich nicht gefunden. Die ältere Literatur enthält nur zerstreute Notizen über den Bau der „Winterschlafdrüse*. Erst Ecker (16) scheint eine etwas mehr eingehende Schilderung gegeben zu haben. Er sagt: „Im wesentlichen bestehen dieselben (die „Fettdrüsen*) immer aus dicht zu Läppchen und Lappen zusammengehäuften polygonalen Zellen von eirca 0,025 mm im Durchmesser, die, wie es scheint, in ein strukturloses Stroma eingesenkt und nur schwer von einander isolirbar sind. Die einzelnen Zellen umspinnt ein dichtes Netz von Capillaren, deren Durchmesser den der Blutkörperchen nicht übersteigt. Der Inhalt dieser Zellen ist nach Alter und Jahreszeit verschieden, und davon hängt eben das verschiedene Ansehen der Drüse ab. Bei jugendlichen Thieren und bei Winterschläfern, z. B. unseren Fledermäusen vorüber- gehend im Winter, ist der Zelleninhalt reich an Proteinsubstanzen, feine in Kali lösliche Körner enthaltend; nach Anwendung von Kali erkennt man deutlich die einzelnen Zellen mit Kernen von 0,007 mm. Bei älteren Thieren und im Sommer sind die Zellen mit Fett- Körnchen dicht angefüllt.“ Valentin (18) fand in den Lobuli zahlreiche, haufenweise aggregirte Körner, die zum grössten Theile in Essigsäure unverändert blieben. Er bemerkt: „dass der ganze Bau in hohem Grade an die 522 J. Aug. Hammär: bekannte Struktur der verwandten Blutgefässdrüsen, wie z. B. der Thymus, erinnerte.“ Friedleben (20) giebt eine in Vielem mit der Eeker’schen übereinstimmende Schilderung. Er findet inzwischen die Zellen „in einem Bindegewebsstroma lagern, das von verschiedenen Faserbündeln durchzogen ist. Diese Faserbündel werden erst dann deutlich sicht- bar, wenn zuvor das Gewebe durch Aether entfettet und dann mit Essig- säure behandelt worden ist“. Er fand die Drüse „wenigstens beim Hamster“ reich an Nervenfasern. Im Gegensatz zu diesen Forschern konnten Hirzel und Frey (21) keinen zellularen Bau konstatiren. Sie finden, dass die Ecker'schen Zellen nicht existiren und die Maschenräume des Capillarnetzes von einem ganz besonderen, unend- lich zarten Netzwerke feinster Fäserchen erfüllt werden, in dessen” Interstitien der fettige Inhalt gelegen ist. Die Eintheilung in polygo- nale Felder wird durch den Capillarverlauf hervorgerufen. Fleichl (22) hat dieselbe Auffassung: „Die einzelnen mikro- skopischen Hohlräume umschliessen Fettkugeln, und nicht Fettzellen.“ Afanassiew's (23) Schilderung bestätigt in der Hauptsache Ecker’. Er hebt hervor, dass die Kerne der Zellen sich leicht von den Capillarkernen durch ihre bedeutendere Grösse und runde Gestalt unterscheiden. Das Zellprotoplasma enthält laut A. immer Hämoglobin; „in den ersten Perioden des Lebens findet es sich ähnlich wie bei dem rothen Blutkörperchen in einem diffusen Zustande, später tritt es in Form von Körnern auf.“ A. beschreibt auch (von Igeln, Murmelthieren, Hausmäusen und Fledermäusen) ein lobulares Bindegewebsstroma. Seine Worte sind: „Bei jungen Thieren bemerkt man zwischen den Zellen eine sehr un- bedeutende Quantität Bindegewebe; grossentheils sieht man, wie die Capillaren unmittelbar die Oberfläche der Zellen berühren. Bei alten Thieren ist das Bindegewebe in den Läppehen stark entwickelt, so dass es unmöglich wird, die einzelnen Zellen zu erkennen und zu isoliren; gewöhnlich ist dieses Gewebe mit braunen oder gelblichen Pigmentkörnern imprägnirt.“ Ehrmann (24) schliesst sich auch in der Hauptsache den Sehilderungen Ecker’s und Afanassiew’s an. Der Hämoglobin- gehalt in den Zellen, wie der letztgenannte Autor ihn beschreibt, findet jedoch keine Bestätigung. Ueber das lobulare Bindegewebe sagt er: „Es dringt Bindegewebe in's Innere der Läppcehen, doch trifft man Territorien, in denen gar kein Bindegewebe zu finden ist.“ Die Gefässvertheilung im Lobulus betreffend, giebt er eine detail- lirtere Schilderung als seine Vorgänger: „Die grössten Arterienstäimm- chen verlaufen im interlobularen Bindegewebe, von diesen treten kleinere in das Innere jedes Läppchens, einen Hilus darstellend, und verzweigen sich in der Tiefe. Die Capillaren, um die randständigen Zur Kenntniss des Fettgewebes. 523 Zellen kleine Schlingen bildend, sammeln sich zu kleinen Venen, die in Büscheln zu grösseren zusammentreten, welche einzeln in einen ebenfalls im Hilus liegenden Venenstamm münden. Das Blutgefäss- system eines jeden Läppchens ist daher ganz abgeschlossen.“ Während des Jahres 1893 hat schliesslich Carlier (28) eine Untersuchung über dasselbe Gewebe beim Igel veröffentlicht. Auch seine Schilderung ist ungefähr gleich. Er findet indessen in dem interlobularen Bindegewebe ausser kleinen Lymphfollikeln und einer geringen Anzahl Plasmazellen u. a. zahlreiche Nerven und Lymphgefässe. Die ersteren endigen theils in den Gefässwänden, theils in der Nähe der „Drüsenzellen“. Die letzteren hängen mit intra- lobularen Lymphcapillaren zusaınmen, welche sich durch den ganzen Lobulus in naher Anschliessung der Zellen zahlreich verzweigen. Auf die Frage über das Verhältniss des Bindegewebes im Lobulus geht er nicht ein. Die Literatur über die Struktur des Gewebes bei verschiedenen Ernährungszuständen betreffend, siehe unten. s3" Das braune Fettgewebe bei extremen Ernährungszuständen. Es ist schon hervorgehoben, dass oben gegebene Schilderung sich auf das Verhältniss bei einer gewissen Mittelernährung bezieht. Dass beide Arten Fettgewebe Wandlungen je nach dem Ernährungszustande des Individuums unterworfen sind, kann schon durch direete makroskopische Präparation leicht gezeigt werden. Noch deutlicher geht dies aus einigen Wägungen hervor, die ich an mehr oder weniger wohlgenährten Individuen vorgenommen und deren Resultat ich in umstehender Tabelle zusammengefasst habe. Ein Blick auf diese Tabelle ist hinreichend um zu zeigen, dass das braune Fettgewebe das am wenigsten labile der beiden Gewebe ist. Während das makroskopisch darstellbare weisse Fettgewebe bei verschiedenen Individuen zwischen 0,67—20,20 gr wechseln kann, stellt sich das absolute Wechseln des braunen auf 0,75—4,55 gr. Das grösste Wechseln im Verhältniss zum Körpergewicht beim Thiere ist für das weisse 0,535—8,49°/,, für das braune 0,60—1,65 %)o. Wägungen dieser Art sind von mehreren früheren Forschern an winterschlafenden Thieren beim Beginn der Erstarrung, ihres Fort- gangs und beim Schluss derselben angestellt worden. Die dabei ge- fundenen Werthe scheinen im Allgemeinen darauf hinzuweisen, dass Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 35 524 J. Aug. Hämmar: die Fluktuationen bei diesen Thieren grösser sein können, als bei ex- perimentaler Mästung und Hunger bei der Ratte. Verschiedene der älteren Angaben sind wahrscheinlich durch das Zusammenwerfen der „Winterschlafdrüse“ und der Thymus nicht ganz exakte. Ich führe deshalb nur einige späteren Datums an. Valentin (18) fand beim Murmelthiere, dass die „Winter- schlafdrüse“ im Beginn des Winterschlafs 1,33%, des Körpergewichts ausmachte, gegen den Schluss wieder (nach 150—173 Tagen) 0,67%, (Mittelzahl von drei Wägungen). Das Fett machte unter entsprechen- den Verhältnissen resp. 17,05%, und 0,19°/, aus. Friedleben (20) fand beim Hamster folgende (in Prozente des Körpergewichts von mir umgerechnete) Werthe: Die „Winter- schlafdrüse“ machte Anfangs Januar 8,26°/, Anfangs Februar 0,69%, am Schluss desselben Monats 0,63—0,310/,, sowie Anfangs März „nicht wägbare Spuren von Drüsensubstanz“ aus. Laut Carlier (28) ist die „Winterschlafdrüse* beim Igel im Beginn des Winterschlatfs gegen Schluss des Oktobers am meisten voluminös, wo sie sich bis ungefähr 3,04°/, des Körpergewichts beläuft; Anfangs Januar ist sie 1,5%, am Schluss des März 0,90%/,; Anfangs Juni kann sie nach dem Wiedererwachen bis auf „a few fibrous cords“ reduzirt sein, ale & 5 = 5 weiss. braun. s lör. As lea | Pr Fett | Fett = = ale | ale Anmerkungen 2 % 2 3 |°2 = 3.5 [in/„des Kör- ol A |KkE|E = pergewichts | | = an || sehr knappe Kost 1|% | 18,7 |124,7 0,67 | 0,75 | 0,53 | 0,60 \ während 3 Wochen. 2 18,2 | 160,0 |1,0 ungef. - |[ knappe Kost während . f a 0 110,0 \. 3 Tagen. Krank. sl | 22 |2100| 8770| 1,35 | 414 | 0,64 | reichliche gemischte 4|& | 19,8 |186,5 | 9,30 | 1,70 | 4,98 | 0,91 Kost. 5I& | 16,8 | 147,0 | 10,00 | 1,15 | 6,80 | 0,78 | No. 5 unausgewachsen. 614 | 22 | 230,0 | 11,50 | 2,05 | 5,00 | 0,89 8 Tage Mästung. 7I2| 21 | 2085 | 1770| 345 I 849 | 1,65 3 Wochen Mästung. sig | 22 12885 | 20,201 4,35 1 7,00 | 1,51 3 Monate Mästung. Dass dies verschiedene Verhältniss beider Fettgewebsarten bei extremen Ernährungszuständen gewissermaassen mit dem ver- schiedenen Protoplasmagehalt zusammenhängt, welcher letztere in der Zusammensetzung des braunen Fettgewebes eine quantitativ 1) Das Maass der Körperlänge von der Spitze der Schnauze nach der Schwanzwurzel. Zur Kenntniss des Fettgewebes. 59 nv weit grössere Rolle als in der des weissen spielt, liegt nahe zur Hand anzunehmen. Diese Annahme wird von der mikrosko- pischen Untersuchung bekräftigt. Beieinem stark abgemagerten Individuum tritt das braune Fettgewebe stets in Form von eircumseripten, wenn auch an Volumen reduzirten Gewebspartien hervor. Seine Farbe ist dunkel rothbraun, der Farbe einer blutreichen Leber gleichend. Seine Consistenz ist zu gleicher Zeit schlaff und zähe. Beim Einschnitt zeigt es sich bedeutend blutreich. Die mikroskopische Untersuchung zeigt eine bedeutende Erweiterung der Blutgefässe. Die Dilatation ist doch nicht ein- mal in nahe liegenden Lobuli oder verschiedenen Theilen des- selben Lobulus gleichförmig. Die Fettzellen sind stellenweise vollständig frei von Fett; an andern Stellen sieht man in mit Osmium behandeltem Gewebe spärliche, feine, schwarz gefärbte intracellulare Tropfen. Im Uebrigen scheint das Aussehen dieser Zellen gewisser- maassen in bestimmter Relation zu der Gefässerweiterung zu stehen. Wo diese geringgradig ist, treten die Zellen immer als polygonale Bildungen hervor. Das Zellprotoplasma hat ein lockeres, grobgranulirtes Aussehen. Die Anordnung der Körner ruft an vielen Stellen das Bild eines rundmaschigen Protoplasma- netzes hervor. Nur ausnahmsweise findet man die Maschen mit Fetttropfen ausgefüllt. Wo die Gefässe hochgradig erweitert sind, treten sie im Schnitt oft als grosse, klaffende Lücken hervor. Die Zellform ist hier sehr oft auffallend verästelt. Ist der Schnitt parallel mit der allgemeinen Gefässrichtung in einem Theile eines Lobulus gefallen, so sieht man hier die mehr oder weniger vollständig von Fett befreiten Zellen als ziemlich lang gestreckte Bildungen mit schmalen, vorzugsweise von den Zellenden ausgehenden Aus- läufern. | An einer Stelle wieder, wo die Capillaren vorzugsweise quergeschnitten sind, zeigen sich die Zellen mit einer Art un- regelmässigen Sternform. Die Ausläufer füllen die schmalen Interstitien zwischen zwei und zwei nahe liegenden Capillaren aus. Die Zelle mag sich unter dem einen oder anderen der letzt- beschriebenen Bilder zeigen, so bietet ihr Protoplasma oft ein ziemlich compactes Aussehen. Nach Fixirung in Flemming’s 596 J. Aug. Hammar: Flüssigkeit sieht es beinahe homogen und glänzend aus. Wo die Fixirung in !/,;°/, Osmiumlösung mit Nachbehandlung in suecessive Müllers Flüssigkeit und Spiritus von steigender Stärke geschehen ist, tritt im allgemeinen eine deutliche Granu- lirung durch grobe, dicht liegende Körner hervor. Die Erweiterung der Gefässe und diese Veränderung im Aussehen des Zellprotoplasmas begleiten, wie gesagt, einander nahe. Welches von beiden dabei die primäre ist, wage ich nicht mit Gewissheit zu entscheiden. In Betracht der Befunde ähn- licher Art, welche einem bei winterschlafenden Thieren begegnen und wo die Veränderung der Zelle zu ihrem Untergange (siehe unten) leiten zu können scheint, finde ich doch wahrscheinlich, dass hier eine tiefere Veränderung der Zelle vorliegt, als dass sie nur durch den Druck der umgebenden ausgespannten Gefässe hervorgerufen werden könnte. Mit Ehrmann bin ich geneigt anzunehmen, dass diese Zellen sich in einer Art seröser Atrophie befinden. Bei Koagulation vermittelst Flemming's Lösung nimmt die intracellulare Flüssigkeit (gleichwie es das Blutplasma und andere ähnliche Flüssigkeiten unter diesen Verhältnissen können) wahrscheinlich em hyalines Aussehen an. Die eine oder die andere Erklärung mag die rechte sein, sicher ist, dass man mitten in einer Umgebung polygonaler Zellen mit lockerem Protoplasma nicht selten einzelne Zellen dieses letzt- beschriebenen Aussehens und vice versa antrifft. Irgend welche Zeichen, dass die mit einem compacteren Protoplasma versehenen Zellen untergehen, habe ich nicht ge- funden. Ebenso wenig habe ich irgend eine Veränderung in den Kernen der Fettzellen bei Abmagerung aufweisen können. Die Wechslungen im Volumen der „Winterschlafdrüse“ bei ver- schiedenen Ernährungszuständen sind, wie oben angedeutet ist, schon lange bekannt gewesen, gleichwie auch das verschiedene makrosko- pische Aussehen des Gewebes unter diesen verschiedenen Zuständen. Man kannte auch, wie das intracellulare Fett unterdessen in der Menge wechselt. Die nähere mikroskopische Untersuchung des Gewebes unter seinen verschiedenen Funktionszuständen gehört wiederum vorzugs- welse den späteren Decennien an. Man hat insbesondere winterschlafende Thiere unter verschie- denen Jahreszeiten untersucht. Vergleicht man die Resultate dieser Zur Kenntniss des Fettgewebes. 527 Untersuchungen mit den bei der Ratte gewonnenen, so weisen sie einstimmig darauf hin, dass die Verhältnisse bei Winterschläfern in der Erstarrungszeit in verschiedenen Hinsichten viel weiter als die hier oben geschilderten gehen können. Valentin (18) giebt somit an, gleichwie vor ihm Prunelle (7), dass Theile der „Drüse“ beim Murmelthiere während des Winter- schlafs für die makroskopische Untersuchung ganz verschwinden können. Friedleben (20) fand, wie schon gesagt, beim Hamster gegen Schluss des Winterschlafs einige unwägbare „Drüsenreste“, während Carlier (28) sagt, dass sie bei dem Igel, nicht lange nach dem Wiedererwachen des Thieres nur als einige fibröse Stränge übrig bleiben können. Eine ähnliche starke Reduktion habe ich bei der Ratte nicht gefunden; hier sind mir auch nicht die auf eine Zerstörung des Ge- webes gleichfalls hindeutende, mikroskopische Bilder, die man in der Literatur über die Winterschläfer wiederfindet, begegnet, nicht einmal bei den meist abgemagerten Individuen. So sagt Afanassiew (23) nach Beschreibung der Körner der fettfreien Zellen: „In einzelnen Läppchen beobachtet man oftmals einen kleinkörnigen Zerfall der Zellen, dabei fliessen die Contouren der einzelnen Zellen zusammen. In einer solchen kleinkörnigen Masse kann man noch Capillaren verlaufen sehen und bemerkt einzeln liegende, unveränderte Zellen.“ Ehrmann (24) beschreibt eine netzförmige Proloplasmastruktur mit hellen, durchsichtigen Maschenräumen bei den weniger veränder- ten Zellen unter der Abmagerung. Dann sagt er: „Schliesslich fand man Zellen, welche ihre scharfe Contour verloren hatten. Der Proto- plasmaleib war fein zekörnt, strukturlos (!), umschloss eine oder mehrere kleine, mit wässriger Flüssigkeit gefüllte Höhlen, oder die Zelle war molekulär zerfallen. Der Kern war wenig tingirbar, bläschen- förmig mit einem oder zwei Kernkörperchen.“ Diese Zellen kamen entweder zerstreut vor, oder bildeten an einzelnen Stellen die Haupt- masse des Gewebes, „ja an einzelnen Stellen war überhaupt nichts mehr zu sehen als Detritus, in welchem noch Capillaren verliefen“. — E. findet, dass diese Bilder auf Atrophie hindeuten und zwar ein- fache sowohl als seröse. Carlier (28) hält dafür, dass die Veränderungen im Zellproto- plasma beginnen, dessen Netzwerk gröber und weniger regelmässig zu werden und sich in grössere, mehr oder weniger isolirte Körner aufzulösen scheint. Das intracellulare Fett verschwindet nach und nach. Eine koagulirbare Substanz unbekannter Art, wahrscheinlich ein Derivat des Protoplasmas, tritt in dieser auf. Sie hat in gehärteten Präparaten ein homogenes, colloid (!)-ähnliches Aussehen. Von den intracellularen Räumen geht sie in die Lympheapillaren und die grösseren interlobularen Lymphstämme über. Das ganze Zellproto- 528 J. Aug. Hammar: plasma scheint sich in ähnliche Massen verwandeln zu können und wird mit dem Lymphstrome fortgeführt. Die Zellen verlieren unter diesem Prozess ihre gegenseitige Begrenzung schon früh. Hierbei wird auch der Zellkern verändert, der im Anfang eine deutliche Membran hat und sehr chromatinreich ist, sodass der Nucleolus verborgen ist. Der Kern schwillt und nimmt rein sphärische Form an. Dabei tritt das Kernnetz und der Nucleolus hervor, in welchen letzteren 1—2 kleine, farblose Endonucleoli gesehen werden können. Durch wiederholtes Abschnüren von dem Nucleolus werden Paranucleoli gebildet, welche successiv aus dem Kern eliminirt werden und in das Protoplasma verschwinden. Schliesslich trifft dasselbe Schicksal den Nucleolus selbst, worauf eventuell folgt „the entire disappearance of the nuclear bag“. Bisweilen geht diesem Prozess ein vom Nucleolus eingeleitetes Kernhalbiren vorher. Diese Veränderungen treten stellenweise in den Lobuli auf. Wo die Zellen resorbirt werden, rücken die Gefässe einander näher und geben dem Gewebe „a wormeaten appearance“. Sie zeigen sich auch etwas ausgespannt und enthalten kleine Körper vom Aussehen der Blutplättchen. Schliesslich scheint das Organ gleich nach dem Wiedererwachen des Thieres zu einem Capillarnetz reduzirt zu sein, kleine offene Räume umgebend, von denen jede oder beinahe jede Zellenstruktur ver- schwunden ist. Die übrig bleibenden Zellen zeigen vorgeschrittene Fettdegeneration. Phagocyten fehlen ganz und gar. Beisehr fetten Individuen, wo eine mehr oder weniger langwierige Mästung dem Tödten des Thieres vorher- gegangen ist, zeigt das braune Fettgewebe eine leicht in die Augen fallende Volumenvermehrung (vergleiche Nr. 6—8 der Tabelle). Die Farbe ist heller als die vorher beschriebene, blass weissbraun, aber sticht stets ganz deutlich von derjenigen des weissen Fettgewebes ab. Die Consistenz des Gewebes ist vermehrt. Mikroskopisch zeigt das braune Fettgewebe unter diesen Verhältnissen dieselben allgemeinen Charaktere wie bei Mittel- ernährung. Die vorhandenen Verschiedenheiten hängen mit dem vermehrten Umfange der intracellularen Fetttropfen zu- sammen. Diese zeigen auch grösseren Wechselungen im Volumen als sonst. Man trifft somit Zellen mit einigen wenigen oder einem einzigen grossen Tropfen, von kleineren umgeben, an. Aehnliche Bilder erbieten eine Serie Uebergänge zu Zellen mit einem grossen solitären Fetttropfen und auch im Uebrigen mit dem typischen Aussehen einer gewöhnlichen Fettzelle!). Diese 1) Ob irgend eine besondere Hülle diesen Zellen zukommt, wage doch nicht zu entscheiden. Zur Kenntniss des Fettgewebes. 529 Serie Bilder gehört vorzugsweise der Peripherie der Lobuli. Sie kommen auch längs den Bindegewebszügen vor, welche die grössten lobularen Gefässstämme umschliessen. Es lässt sich nun fragen, ob man auf Grund der hier be- schriebenen Bilder das Recht hat anzunehmen, dass die Zellen des braunen Fettgewebes in typische Fettzellen mit solitärem Fetttropfen übergehen können, oder ob nicht vielleicht diese typischen Fettzellen durch Fettfüllung der Zellen des inter- resp. intralobularen Bindegewebes hervorgingen. Diese letztere Annahme findet in der Vertheilung der bewussten Zellen im Lo- bulus einen gewissen Anhalt, gleichwie sich Fettzellen mit ähn- licher Abstammung in den gröberen interlobularen Bindegewebs- zügen unzweifelhaft aufweisen lassen. Nichts desto weniger scheint es mir wahrscheinlich, dass ein Uebergang der Zellen des braunen Fettgewebes in typische ‘ Fettzellen wirklich vorkommen kann. Hierfür spricht das Vor- kommen von Uebergangsformen. Ferner kann man ausnahmsweise bei stark gemästeten Individuen Lobuli finden, deren ganze Rand- partie von typischen Fettzellen in mehreren Lagern eingenommen wird, während eine relativ kleine, centrale Partie des Lobulus den braunen Fettgewebstypus zeigt, sowie auf der Grenze zwischen diesen Gebieten zahlreiche Uebergangsformen vorkommen. Folgt man einem ähnlichen Lobulus in Serieschnitten, so kann man ausschliessen, dass das Bild nur davon hervorgerufen wird, dass ein gewöhnlicher Lobulus vom Messer oberflächlich getroffen worden ist. Wenn somit auch in einigen Lobuli des braunen Fettge- webes eine Anzahl Zellen bei starker Fettfüllung den Charakter der typischen Fettzellen annehmen können, scheint sich dagegen der Charakter des ganzen Gewebes durch Mästung nicht ver- ändern und das braune Fettgewebe in. weisses nicht überführen zu lassen. Wenigstens hat ein zu diesem Zweck angestellter Ver- such ein negatives Resultat ergeben: eine Ratte (Nr. 8 der Tabelle), welche während einer Zeit von 3 Monaten ausschliessend auf stark fetthaltige Kost angewiesen war, zeigte keine über die soeben geschilderten hinausgehenden Veränderungen der Struktur des braunen Fettgewebes. Die Kerne der Fettzellen erhalten in stark 'fettgefüllten Zellen mit einem einzigen grossen Tropfen eine peripherische 530 J'’ Aug Hammar: Lage und eine etwas plattgedrückte Form; sonst ist ihr Aussehen unverändert. Mitosen habe ich weder in den Fettzellen, noch in den Zellen des naheliegenden Bindegewebes angetroffen. Ist die oben eitirte Ansicht der Verfasser richtig, dass während des Winterschlafs eine grössere Anzahl fettführender Zellen untergeht — und ich halte dies für glaublich — dann ist es auch augenschein- lich zu erwarten, dass die unter Sommer und Herbst stattfindende Rekonstitution des Gewebes von einer Neubildung ähnlicher Zellen be- gleitet sein wird. Demgemäss sprechen sich auch verschiedene Forscher aus. So- wohl Fleischl (22) als Ehrmann (24) haben die Umgebung der grossen Gefässe vieler Läppchen von Zellen durchsetzt gefunden, die den Zellen des adenoiden Gewebes gleichen. Ehrmann findet dies indessen nur in Stadien, wo die weitaus grössere Anzahl der Zellen noch einen geringeren Grad von Fettimpletion zeigte. „An Thieren, bei denen das Organ in der Fettimpletion am meisten vorgeschritten war, waren an Stelle des adenoiden Gewebes junge Fettzellen vor- handen.“ E. sieht es somit für wahrscheinlich an, „dass die erwähnten . nackten Zellen zu fettbildenden Zellen werden, dass sie Waldeyer’s Plasmazellen gleichzustellen sind“. In Uebereinstimmung hiermit giebt es in den fettgefüllten Lobuli weniger vorgerückte Stadien der Ent- wicklung zur Fettzelle im Centrum des Läppchens. Carlier (28) dagegen lässt die Zellenneubildung von der Peri- pherie des Lobulus ausgehen. Er äussert sich darüber (S. 513): „It may be observed during the growth of the organ, that the cells arise at the margin of the lobules from small, round, uninucleated, granular connective tissue cells, very similar to those that usually give rise to adipose tissue. These small cells slowly enlarge, the nucleus as well as the protoplasm partieipating in the growth, a cell network gradu- ally becomes apparent and the cells begin to stain of a dark olive- brown colour with osmie acid, indieating either the presence of fat, diffused throughout or of some antecedent substance; presently tiny droplets of fat make their appearance, which inerease in size and number — — —.“ Verschiedene Verfasser sprechen von einem Uebergang der „Drüsenzellen“ nach dem Typus einer ausgebildeten Fettzelle. Im Allgemeinen findet man indessen, dass dieser Uebergang spärlich ge- schieht, und Carlier bemerkt ausserdem, dass das Protoplasma in diesen Zellen niemals so wie in gewöhnlichen Fettzellen reduzirt ist, weil eine Hohlsphäre von einiger Dicke immer übrig bleibt, welche es leicht macht, sie von den typischen Fettzellen zu unterscheiden. Dagegen sah Ehrmann solche Zellen bei Thieren, die im September eingefangen und durch 14 Tage reichlich gefüttert waren, bei weitem die Hauptmasse jedes einzelnen Läppchens bilden. Zur Kenntniss des Fettgewebes. 531 $ 4. Die Entwicklung des braunen Fettgewebes. Meine Untersuchungen, die Entwicklung des braunen Fett- gewebes betreffend, haben vorzugsweise dem Interscapularfette gegolten. Der geringe Umfang und das wenig charakteristische Aussehen der frühesten Fettgewebsanlagen verursachen nämlich, dass man in ihrer Umgebung einige Orientirungspunkte besitzen muss, um sie mit Sicherheit aufsuchen und erkennen zu können. In dieser Hinsicht ist die Interscapulargegend sehr vortheilhaft durch eine schon frühzeitig hervortretende Differenzirung der verschiedenen Muskelzüge, welche dem Sehnittbilde ein charak- teristisches Aussehen verleihen. Die Fig. 7 und 8 mögen zur Beleuchtung des Gesagten dienen. Ich habe diese meine Untersuchungen zu anderen Fund- orten des braunen Fettgewebes erstreckt, ohne dass es mir in den frühzeitigeren Entwicklungsstufen hier immer gelang, unten geschilderte Verhältnisse wieder zu finden. Es scheint. mir in- dessen mehr als wahrscheinlich, dass dies auf oben angedeuteten Ursachen beruht, nicht darauf, dass die Entwicklungsgeschichte des Gewebes hier eine andere als in der Interscapulargegend ist. Die untersuchten Stadien sind: Rattenföten von 0,6, 1,2, 2,4, 2,5, 3,7 cm Länge !), Rattenjunge von 4,5, 4,7, 5,5, 6, 6,5, 12, 13,5, und 15 em Länge. Die Maasse sind (ausser für das Jüngste Fötusstadium) von der Schnauzspitze bis an die Schwanz- wurzel genommen. Das früheste Stadium (0,6 em) zeigt noch keine Anlage zu dem interscapularen Fettgewebe. Das Gebiet zwischen der Epi- dermis einestheils und der wenig differenzirten Muskelmesenchym- Masse lateroventral von dem Medullarrohre nebst den Spinal- ganglien anderntheils wird von einem durch und durch ziemlich gleichartigen Mesenchymgewebe eingenommen. Auch im Innern der genannten Muskelmasse lassen sich keine Fettgewebsanlagen aufweisen. 3ei einem Embryo von 1,2 em Länge findet man an ge- wissen, von Fig. 7 F, F’ näher angegebenen Stellen kleine Ge- 1) Die Maasse der Föten und der Jungen sind nicht völlig com- parabel. Die ersteren betreffen nämlich gehärtete Objecte und sind somit durchgehend etwas zu niedrig. 532 J. Aug. Hammar: biete, welche schon bei schwacher Vergrösserung durch auf- fallenden Zellenreichthum und vermehrter Vascularisirung her- vortreten. Bei stärkerer Vergrösserung findet man hier (Fig. 1) dicht liegende, weite, sinusähnliche Blutbahnen, welche keine Ein- theilung in gröbere Gefässstämme und Capillaren zeigen. Die Interstitien zwischen den Bluträumen werden von Zellen einge- nommen, deren verästelte Form sich ihrer diehten Lage zufolge erst auf dünnen Schnitten und für ziemlich starke Vergrösserung geltend machen. Sie zeigen zahlreiche Mitosen. Die ganze Anlage entbehrt nach aussen eine scharfe Grenze, besonders hängen die Ausläufer der verästelten Zellen kontinuir- lich mit den auf gleiche Weise gestalteten Zellen in dem um- gebenden, schon schwach fibrillirten Bindegewebe zusammen. — Im Innern der Fettgewebsanlage sieht man keine Bindegewebs- fibrillen. Im nächsten Alterstadium (2,4—2,5 em Fötuslänge) (Fig. 8 F, F’) haben die Fettgewebsanlagen bedeutend an Umfang ge- wonnen und zeigen schon einen ausgebildeten lobularen Bau. Im fibrillären Bindegewebe zwischen den rundlichen Lobuli treten grobe Gefässstämme hervor, und im Innern der Lobuli ist der Unter- schied zwischen gröberen und feineren Gefässen völlig merkbar. In den Interstitien zwischen den lobularen Gefässen findet man auch hier verästelte Zellen (Fig. 2). Diese liegen fleckweise in Gruppen um einige wenige Zellen gesammelt, dazwischen mehr undieht und isolirt, so dass die Zellform deutlicher hervortritt. Um den gerundeten Kern herum ist das Protoplasma in einer wenig voluminösen, gerundeten oder unregelmässig kan- tigen Masse gesammelt, von welcher feine, im Allgemeinen faden- ähnliche und reich verzweigte Ausläufer in allerlei Richtungen ausgehen. Von nahe liegenden begegnen sie sich und anasto- mosiren. Auch hier findet man reichliche Mitosen. Abgesehen von der Adventitia der gröberen lobularen Ge- fässe scheinen sowohl in diesen als in allen folgenden Stadien Bindegewebsfibrillen ganz und gar im Innern der Läppehen zu fehlen. Die Lobulirung der Fettgewebsanlage, welche im nächst vorhergehenden Stadium nicht begonnen scheint, ist hier augen- scheinlich schon ausgebildet. Aus Mangel an geeigneten Zwischen- Zur Kenntniss des Fettgewebes. 533 stufen muss ich die Frage, wie diese Lobulirung zu Stande kommt, dahingestellt sein lassen. Unwahrscheinlich scheint es doch nicht zu sein, dass sie im nahen Zusammenhang mit dem Auftreten einer fibrillären Adventitia um die gröberen Gefässe ausgebildet wird. Mit der Ausnahme, dass die Läppehen während des fort- gesetzten Zuwachsens augenscheinlich sehr rasch an Umfang ge- winnen, wobei sie sich aneinander legen und eckige Form annehmen, behält das Gewebe in den folgenden Stadien betreffs der grö- beren Anordnung stets seinen Charakter bei. Dagegen wird die Form der intralobularen Zellen verändert. So findet man bei 3,7 em Fötus die Zellen bedeutend volummöser und reicher an grobkörnigem Protoplasma. Auf ge- wissen Gebieten besitzen sie noch immer verästelte Form (Fig. 5). Die Ausläufer sind kürzer, gröber und plumper, sie gehen von den Zellen oft mit einer breiten Basis aus, verzweigen sich wenig, werden schnell schmäler und hängen mit naheliegenden Zellen- fortsätzen zusammen. Nicht selten sind diese Ausläufer blatt- ähnlich abgeplattet. An anderen Stellen derselben Fettgewebsanlage liegen die Zellen dieht einander an, ohne von grösseren Zwischenräumen als denjenigen, welche die lobularen Gefässe einnehmen, ge- schieden zu werden. Sie treten dabei auf dem Schnitte als voluminöse, polygonale Bildungen hervor. Bei den Neugeborenen (4,5 em) scheint diese Zellform die überhaupt einzig vorkommende zu sein. Während der letzten Zeit des intrauterinen Lebens treten intracellulare Fetttropfen auf. Diese sind im Allgemeinen sehr fein und spärlich ; einigen Zellen fehlen sie vollständig. Ziem- lich grosse individuelle Wechslungen scheinen auch hierbei vor- zukommen. Fig. 4 giebt das gewöhnliche Aussehen des Fett- gewebes gleich nach der Geburt wieder, bevor noch das neu- geborene Junge irgend welche Nahrung vom Mutterthiere er- halten hat. Schon einen Tag nach der Geburt sind die Verhältnisse in dieser Hinsicht bedeutend verändert (Fig. 5). Das Volumen der polygonalen Zellen ist bedeutend vermehrt und im Innern jeder Zelle tritt eine nieht geringe Menge ziemlich grosser Fetttropfen hervor. Die Mehrzahl dieser Tropfen sind ungefähr gleich gross, 534 J. Aug. Hammar: einige sind von bedeutendem Umfange, nur eine geringe Anzahl so klein, wie unmittelbar nach der Geburt. Der Kern liegt nicht länger central in der Zelle, sondern gegen ihre Peripherie verschoben. Drei Tage nach der Geburt ist der Fettgehalt der Zellen, unter dem Einfluss der fettreichen Nahrung, noch weiter ver- mehrt. Die Grösse der Tropfen ist dabei bedeutend wechselnd; die grössten sind mehr als doppelt so gross, als wie man im Allgemeinen im ausgewachsenen Gewebe bei Mittelernährung findet. Das Protoplasma ist in ähnlichen Zellen zu äusserst schmalen Septa reduzirt, welche die Fetttropfen trennen. Die Variationen in der Grösse der letzteren veranlassen, dass sowohl in Osmiumpräparaten als auch in solchen, wo das Fett extrahirt worden ist, die Zellengrenzen ungewöhnlich schwer zu sehen sind. Wo sich dies indessen thun lässt, bekommt man den Eindruck, dass die Anzahl der Tropfen in jeder Zelle im Allgemeinen nicht unbedeutend herabgesetzt ist. Wahrscheinlich sind somit die grösseren Tropfen aus dem Zusammenfliessen kleinerer hervorgegangen. Mitosen trifft man, wenn auch sehr spärlich, in früheren Stufen der Fettimpletion. Später scheinen sie ganz zu fehlen. Das Gewebe scheint den beschriebenen Charakter sehr lange beizubehalten. Erst in späteren postembryonalen Entwick- lungsstufen (12—15 cm) findet” man die intracellularen Fett- tropfen auf’s neue mehr gleichgross und mit einem geringeren Umfange. Schon in den ersten Tagen des extrauterinen Lebens sieht man Zeichen einer beginnenden Fettfüllung der Zellen im inter- lobularen Bindegewebe — Bilder derselben Art, wie sie im sub- kutanen Bindegewebe vorkommen. „Ueber die sogenannten Winterschlaf- oder Fettdrüsen der Insec- tivoren, Nager und Fledermäuse ist entwicklungsgeschichtlich gar nichts bekannt“ sagt Wiedersheim (25) in seinem Lehrbuch der vergl. Anatomie, und er hat hierin beinahe recht. Allerdings findet man bei Afanassiew (23) einige Angaben über den Bau der „Drüsen“ beim Igelembryo. Sie beschränken sich doch auf einige Notizen über die polygonale Form, dem übrigen Aussehen und der Färbbarkeit der Zellen vor der Fettfüllung. Er giebt übrigens nur im Allgemeinen an, dass sich der Brusttheil der „Drüse“ aus indifferenten Elementen bildet, eine Angabe, welche Ehrmann (24) für Mäuse- und Ratten- embryonen bestätigt. Carlier (28) giebt an, dass die Zellen aus den Bindegewebszellen hervorgehen (siehe das Citat S. 528), aber die Zur Kenntniss des Fettgewebes. 535 Angaben betreffen, wenn ich dieselben nicht missverstanden habe, die Regeneration der „Drüse“, nicht ihre erste Embryonalanlage. S 5..:Das’ hier, untersuchte Gewebe ist ein wirkliches Fettgewebe. Aus dem Vorhergehenden erhellt, dass das Gewebe, welches man lange unter dem Namen „Winterschlaf-* oder „Fettdrüse“* gekannt hat, mesenchymalen Ursprungs ist. Unter dem Fortgang der Entwicklung erhalten die darin interessirten Gebiete des Bindegewebes ein eigenes Gefässsystem und eine lobulare Anord- nung der sich rasch vermehrenden Zellen. Diese sind ursprünglich ästig, werden allmählich voluminöser, rücken dabei zu einander näher und nehmen unter gegenseitiger Abplattung polygonale Form an. Um den Zeitpunkt der Geburt tritt im Innern dieser Zel- len Fett in Form multipler Tropfen hervor. Die Fettfüllung wechselt nachher mit dem Ermährungszustande des Individuums. Auch da, wo sie am grössten ist, zeigen die Mehrzahl der Zellen freilich multiple Tropfen; in einigen Zellen aber scheint doch während des Einflusses der Mästung das’ intracellulare Fett zu einem einzigen Tropfen zusammenfliessen zu können, welcher den Kern peripherisch drängt, die Zelle ausfüllt und derselben das Aussehen emer gewöhnlichen Fettzelle giebt. Nicht nur also, dass die physiologische Aufgabe des Ge- webes mit der des Fettgewebes zusammenzufallen scheint; die sogenannten Drüsenzellen stimmen sowohl betreffs des Ursprunges, als auch in gewissen Fällen betreffs ihrer höchsten Entwicklungs- form mit den Fettzellen überein. Hierzu kommt sehliesslich, dass auch der Gang der Entwicklung des Gewebes nahe mit der Entwieklungsgeschichte des weissen Fettgewebes, wie sie sich in gewissen Orten gestaltet, übereinstimmt. Bei verschiedenen Thieren kommen nämlich, wie bekamnt, Anhäufungen weissen Fettgewebes an Stellen vor, welche mit den Fundorten des braunen Fettgewebes homolog sind. — Die wohlbekannten „Nackloben“ von weissem Fett bei dem Kaninchen, der Katze, dem Meerschwein u. a. entsprechen mithin sowohl der Lage, als auch der Form nach den interscapularen Fettloben 536 J. Aug. Hammar: bei der Ratte, sind nur sowohl absolut als auch relativ grösser, als bei den letztgenannten Thieren. Diese Nackloben gehen nun, wie im Folgenden näher gezeigt wird, dieselben Entwicklungsstufen durch, wie bei der Ratte soeben geschildert worden, nur mit der Ausnahme, welche durch die hier ziemlich früh, während des Fötallebens auftretende Fettimpletion, bedungen wird und welche zu einer relativ weit vollständigeren Fettfüllung der Zellen leitet. Das Gewebe er- hält hierbei nur transitorisch die Eigenthümlichkeiten des braunen Fettgewebes, mit u. a. multiplen intracellularen Fetttropfen. Weiterhin fliessen diese innerhalb jeder Zelle zu einer einzigen zusammen, und das Gewebe geht im Zusammenhang hiermit bei genannten Thieren in weisses Fettgewebe über. In dem Angeführten giebt es meines Erachtens für die Auffassung hinlängliche Gründe, dass das fragliche Gewebe ein Fettgewebe ist !), dessen Zellen sich durch einen, zu der Fettmenge relativ grossen, Protoplasmareichthum auszeichnen, wodurch sie gewissen Jugendformen der Fettzellen nahe stehen. Unter diesen Verhältnissen noch länger den älteren, irre- führenden Drüsennamen des Gewebes beizubehalten, finde ich kaum berechtigt. Die von mir hier angewandte Benennung scheint mir, vom Gesichtspurkte des makroskopischen Aussehens des Gewebes, sich recht gut vertheidigen zu lassen. Man findet in der Literatur sehr verschiedene Auffassungen, die Bedeutung der „Winterschlafdrüse“ betreffend. Die unter älteren Verfassern meist verbreitete Ansicht ist un- zweifelhaft die, welche das fragliche Gewebe in mehr oder weniger nahe Relation zur Thymus setzt. 1) Vielleicht könnte man gegen diese Auffassung geltend machen, dass, wie verschiedene Forscher gezeigt, ein Absterben der Zellen des braunen Fettgewebes während des Winterschlafs in einem Umfange stattzufinden scheint, zu welchem wir in dem weissen Fettgewebe unter normalen Verhältnissen kein Gegenstück kennen. Ich glaube indessen, dass einer solchen Einwendung keine grössere Bedeutung beigemessen werden kann, so lange die Veränderungen des weissen Fettgewebes während der beim Winterschlaf herrschenden Ausnahmeverhältnisse nicht bekannt sind; und dies um so viel mehr, als es ja mit Wahrscheinlichkeit erwiesen ist, dass auch unter gewöhn- lichen Verhältnissen ein Theil Fettzellen regelmässig bei Abmagerung untergehen. (Vergl. Flemming, Arch. f. mikr. Anat. 1876, pag. 478 bis 479.) Zur Kenntniss des Fettgewebes. 537 So soll nach Friedleben (20) schon 1670 der Fettdrüsen- apparat von Velsch (1) mit der Thymus verwechselt worden sein, während ungefähr um denselben Zeitpunkt Harder (2) beide kannte, ohne sie zu verwechseln. Auch Scheuchzer (4) und Sulzer () hatten die Harder'’sche Auffassung. Dagegen scheint Pallas (5) dieses sogenannte Drüsengewebe zur Thymus gerechnet zu haben, eine Ansicht, zu welcher sieh Mangili (7a) und Prunelle (7), Meckel (6,9) und Tiedemann (8) im Anfang dieses Jahrhunderts auch gesellten. Obgleich von Jacobson (10) schon 1817, welchem sich späterhin Haugsted(12), Ecker (16) u. a. anschlossen, ein kräftiger Angriff gegen diese Lehre gemacht wurde, erhielt sie sich doch bis ungefähr zur Mitte des Jahrhunderts. So misst Burdach (11) diesen „Nebendrüsen“ dieselbe Bedeutung wie der Thymus bei, Simon (14) verwechselt dieselben mit der Thymus, Valentin (18) findet „den ganzen Bau in hohem Grade erinnern an die bekannte Struktur der verwandten Blutgefässdrüsen, wie z. B. der Thymus“, und Leydig (19) rechnet sowohl die „Winterschlafdrüse“* als auch die Thyınus unter „Iymphdrüsenartige Organe“. „Dieses mehr oder weniger unbedingte Gleichstellen der Winter- schlafdrüse“ mit der Thymus führte besonders in älteren Zeiten nicht nur dazu, dass man dieses letztere Organ bei Winterschläfern für durch das ganze Leben bestehend hielt, sondern auch dazu, dass man ihm mit den Jahreszeiten periodisch wiederkommende Volumenwechs- lungen zuschrieb. Dies wiederum hatte verschiedene, ziemlich weitgehende Hypo- thesen zur Folge, wie z. B., als man am Anfang dieses Jahrhunderts in der Volumenvermehrung der Thymus während des Winterschlafes einen Beweis für die von Pallas, Prunelle u. a. gehuldigte Auffassung sah, dass der Winterschlaf „ein periodisches Zurücksinken der Thiere in den Fötuszustand“ war (Tiedemann); oder als man, wie Prunelle u. a. vor ihm, das Eintreten des Winterschlafes sich dadurch erklären zu können glaubte, dass die Lungen und grossen Ge- fässe von der voluminösen Thymus zusammengepresst wurden. Die ursprünglich auf die makroskopische Aehnlichkeit gegründete Lehre über den Zusammenhang oder die Identität der „Winterschlaf- drüse* und der Thymus dürfte wohl nicht vor der genaueren mikro- skopischen Analyse einer späteren Zeit haben bestehen können. Nichts destoweniger wird die erstgenannte auch von gewissen neueren ana- tomischen Lehrbüchern mehr oder weniger unbedingt zu der Iymphoiden Gewebsgruppe gerechnet. So sagt Vogt und Yung (27): „Vielleicht muss man auch zu diesen Organen (Lymphdrüsen, Milz) die sog. Fett- drüse — — zählen.“ Ein ähnliches Aussprechen hat Wieders- heim (25), da er sagt, dass „es sich um keine eigentliche Drüse, sondern wahrscheinlich um ein adenoides, fettreiches und ungemein reich vascularisirtes Gewebe handelt,“ 538 J. Aus. Hammar: Andrerseits ist sie von Forschern, welche nicht länger an dem Vorhandensein einer Aehnlichkeit mit der Thymus oder mit dem Iymphoiden Gewebe im Allgemeinen festgehalten, doch zu der Gruppe der sogenannten Blutgefässdrüsen gerechnet worden. — So ist das Verhältniss mit Barkow (15). Ecker (16) und Friedleben (20) heben freilich die Verschiedenheit zwischen der „Fettdrüse* und den übrigen Blutgefässdrüsen hervor, rechnen sie aber doch zu ein und derselben Gruppe. Auch Afanassiew (23) scheint derselben Ansicht nahe zu stehen, da er auf Grund seines Fundes der „Hämoglobinzellen“ in der „Winterschlafdrüse* eine gewisse Aehnlichkeit zwischen dieser und den Blutgefässdrüsen, besonders der Nebennieren, in welchen ähnliche Zellen auch vorkommen sollen, findet. Noch bizarrere Ansichten werden von Stannius (17) vertreten, welcher der Ansicht ist, dass im Gewebe der Winterschlafdrüse eine Rege- neration des Sympathicus stattfindet, sowie von Hirzel und Frey (21), welche, indem sie gleichwie später Fleischl (22) dem Gewebe keine cellulare Struktur zuerkennen, es mit dem Stütznetze in der Retina und dem Gehirne vergleichen. Schliesslich bleibt noch zu erwähnen, dass das Gewebe von ver- schiedenen Verfassern, besonders in der letzteren Zeit, als ein Fettge- webe aufgefasst wird. So spricht schon Jacobson (10) in derselben Arbeit, in welcher er findet, dass es ein von der Thymus ganz verschiedenes Organ aus- macht, die Wahrscheinlichkeit aus, dass es eine Modification des Fett- gewebes ausmacht. Auch Marshall Hall (13) (1332) soll sich in derselben Richtung geäussert haben. Ehrmann (24) hebt das Vorkommen zahlreicher Uebergang's- formen, die auf eine Umwandlung der nackten Parenchymzelle zu einer Fettzelle hindeuten, hervor. Er untersucht auch, wie sehon oben angegeben worden, das Verhältniss der Zellen unter Fettverlust und kommt zu der Schlussfolge, „dass das Organ keine Drüse ist — — — es besteht vielmehr aus Zellen, deren Funktion es ist, periodisch zu Fettzellen zu werden, einen Fettvorrath anzulegen und nach dem Ver- brauche desselben auf den Zustand von Parenchymzellen zurückzu- kehren“. Er nimmt auch dafür an, dass es sich bei der „Winter- schlafdrüse“ nicht um ein spezifisches Organ gewisser Thierklassen, sondern um ein, wenigstens den Säugethieren gemeinsames, Fettorgan, um ein „Fettgewebe“ im Sinne T oldt’s“ handelt. Öhne einige nähere Gründe für diese seine Auffassung anzu- führen, rechnet auch Poljakoff (26) die „Winterschlafdrüse“ zum Fettgewebe. Auch Carlier (28) spricht eine in gewissen Hinsichten nahe- stehende Ansicht aus; er findet, dass das fragliche Gewebe „acts first as storehouse for fat, which incereases in it so long as the animal Zur Kenntniss des Fettgiewebes. 539 obtains food, but undergoes no further increase as soon as the animal begins to hibernate; and also that the gland directly serves to nourish the animal during its long period af fasting by giving up its stored fat and by becoming transformed, a few cells at a time, into a mate- rial af high nutritive value, which transformation is probably regu- lated by trophie nerves, direetly under the control of the eentral nervous system“. Schliesslich kann es in diesem Zusammenhange Erwähnung ver- dienen, dass Flemming das Vorkommen von maulbeerförmigen Zellen, besonders gerade im Nierenfette der Ratte, erwähnt, wo er sie „eonstant zu nennen“ findet. Aus dem Zusammenhange ist es mir indessen nicht recht klar, ob diese Aeusserung nur die Entwicklung betrifft, oder ob sie sich wirklich auf das ausgewachsene Individuum bezieht. Jedenfalls scheint er diesen Befund nirgends in Relation zu der „Winterschlafdrüse* zu setzen. $6. DenBau und dieEntwicklung des weissen Fettgewebes der Ratte betreffend stimmen meine Erfahrungen nahe mit dem, was durch Flemming’s u. a. Untersuchungen schon lange wohl bekannt gewesen, überein. : Das Gewebe bei den Ausgewachsenen betreffend kann es doch in diesem Zusammenhange verdienen, hervorge- hoben zu werden, welche verschiedene Verhältniss dasselbe bei Abmagerung mit dem braunen Fettgewebe verglichen zeigt. Diese Verschiedenheit tritt schon bei der makroskopischen Präparation scharf hervor. Es ist schon gezeigt worden, wie das braune Fettgewebe auch bei starker Abmagerung als, freilich an Umfang etwas ver- ringerte, aber doch völlig distinkte, eireumsceripte Lobuli von dunkler Blutfarbe, zurückbleibt. Dagegen kann sich das weisse Fettgewebe bei starker Ab- magerung äusserst reduzirt zeigen. Von dem subkutanen Fettge- webe bleiben also in extremen Fällen nur einige, in der Leisten- gegend belegene Reste in Form von kleinen, im Bindegewebe zerstreuten Lobuli übrig. Das intermuskulare weisse Fettgewebe ist gewöhnlich vollständig verschwunden und von dem subserösen pflegen nur einige Flecke im Mesenterium und Netze übrig zu bleiben. An den Stellen, wo das Fett völlig verschwunden ist, er- bietet das Gewebe das makroskopische Aussehen eines gewöhn- lichen Bindegewebes. Nirgends habe ich das weisse Fettgewebe Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45. 36 540 J. Aug. Hammar: der Ratte mit den makroskopischen Eigenthümlichkeiten eines „gelatinösen Fettgewebes“ gefunden. Man findet mikroskopisch an den mehr veränderten Stellen, in den Maschen eines mehr oder weniger reduzirten Gefässnetzes, ausschliessend Zellen von dem Aussehen der fixen Bindegewebs- zellen. An andern Stellen, wo der Prozess weniger vorgeschritten ist, trifft man ausserdem Fettzellen in mehr oder weniger ausge- prägter Atrophie an (am gewöhnlichsten einfache oder seröse). Auch bei der Fettansetzung verhalten sich wahrscheinlich die beiden Gewebe verschieden. Durch Flemming’s Untersuchungen ist wohl bekannt, dass die Lobuli des weissen Fettgewebes unter diesen Verhältnissen im Umfang durch Fettfüllung der intralobularen Bindegewebs- zellen und in der Anzahl durch Umwandlung neuer Bindegewebs- gebiete in Fettgewebe anwachsen können. Keines von beiden scheint in Betreff des hraunen Fettge- webes stattzufinden. Intralobulare Bindegewebszellen exsistiren hier nieht; irgend eine mitotische Theilung der Fettzellen bei Mästung scheint auch nieht vorzukommen. Schliesslich gewähren die Präparate keinen Grund für die Annahme irgend eines vom interlobularen Bindegewebe ausgehenden bedeutenderen appo- sitionellen Anwachses der Läppehen, noch weniger für die An- nahme einer von derselben Quelle ausgehenden Neubildung ganzer Fettlobuli. Der mässige, und wie es scheint, sehr begrenzte Anwachs des Volumens des braunen Fettgewebes bei Mästung scheint mir eine ungesuchte Erklärung in der augenscheimlichen Vermehrung der Fettmenge der schon vorhandenen Fettzellen zu finden. Auch meine Schilderung über die Entwicklung des weissen Fettgewebes kann ich aus angeführten Gründen ganz kurz fassen. Sie bezieht sich zunächst auf die Verhältnisse bei der Entwicklung des subeutanen Fettgewebes, welches mir hier- bei vorzugsweise als Untersuchungsobjeet gedient hat. Bei den neugeborenen Rattenjungen ist die Bildung des Fettgewebes in der Cutis noch kaum begonnen. Die Haut ist im grösseren Theile des Rumpfes durch den Hautmuskel in zwei Schiehten geschieden. Die oberflächliche derselben umfasst das festere, aus feinen Bindegewebsbündeln und dicht liegenden, ästigen Zellen bestehende Corium, welches erst nahe am Unter- Zur Kenntniss des Fettgewebes. 541 hautmuskel einen etwas lockereren Bau annimmt. In diesem lockereren Gewebe reichen bis jetzt nur die meist entwickelten Haarkeime herab. Hier gehen auch ziemlich grobe Gefässe her- vor, einen mit der Oberfläche parallelen Plexus bildend. Die tiefere subeutane Bindegewebsschieht vereint die Haut mit unterliegenden Theilen. Es besteht aus feinen Fibrillenbündeln, zu dünnen, mit der Oberfläche parallelen, gegenseitig anastomo- sirenden Lamellen geordnet, zwischen welchen platte Bindege- webszellen liegen. Ungefähr mitten in diesem subeutanen Bindegewebe gehen grobe Gefässstämme parallel mit der Oberfläche hervor. In der nächsten Umgebung um diese Gefässe ist das Gewebe bedeutend zellenreich. Die Zellen sind von allerlei Art; man findet spär- liche Mastzellen, nicht besonders zahlreiche Leukoeyten, eine grosse Menge blutkörperchenhaltige Bindegewebszellen (Angio- blasten, Schäfer) und schliesslich gewöhnliche fixe Bindegewebs- zellen. Diese haben theils plattenartige, theils mehr ästige Form. Ein Theil von ihnen sind protoplasmareicher und voluminöser, an Form nicht selten rundlich oval. Sie lassen sich doch gewöhn- lich schon durch ihr grösseres Volumen leicht von den Leukocyten unterscheiden und schliessen sich durch das allgemeine Aussehen des Kerns und des Protoplasmas, zu den fixen Bindegewebs- zellen an. Aehnliche zellenreiche Gebiete werden nicht selten von kleineren Gefässen durchzogen, die von dem central belegenen Stamme abgehen. Somit werden längs grösseren Strecken des Gefässverlaufs zellenreiche Gefässkonvolute gebildet. An gewissen Stellen liegen Zellen und Gefässe dabei so dicht gedrängt, dass das Bild sich nur mit Schwierigkeit analysiren lässt. An anderen liegen die Zellen undichter und sind für die Untersuchung leichter zu- gänglich. | Irgend eine lobulare Anordnung dieser Gebiete ist nicht aufzuweisen. Schon einen Tag nach der Geburt findet man be- ginnende Fettimpletion in diesen zellenreichen Zügen. Ich habe dabei weder in Mastzellen noch Leukoeyten Fett antreffen können. Dies tritt dagegen in den gewöhnlichen fixen Bindegewebszellen auf. Die Bilder, welche diese bei fortdauernder Fettfüllung er- 542 J. Aug. Hammar: bieten, schliessen sich nahe an das, was Flemming beschrieben und abgebildet hat. Man findet also ästige oder platte Zellen mit wenigen und feinen Fetttropfen. Wo das Fett etwas reichlicher ist, ist die Zelle voluminöser, von eckiger oder runder Form, mit oder ohne kurze Ausläufer. Gewöhnlich ist die Hauptmenge des Fettes dann schon in einen oder ein Paar Haupttropfen gesammelt. Wo diese etwas grösser sind, ist die Form der Zelle sehr oft sphärisch, der Kern liegt im Rande und die Zelle macht somit schon ein Miniaturbild einer fertigen Fett- zelle aus. Neben diesen Entwicklungsformen findet man auch andere: ziemlich grosse, gerundete Zellen mit relativ grossen, multiplen Fetttropfen und „maulbeerähnlicher“ Form. Wahrscheinlich gehen diese Formen aus den rundlichen, protoplasmareichen Bindege- webszellen hervor, in welche die Fetttropfen langsamer zusammen- fliessen. Mehr oder weniger mit fettfreien Bindegewebszellen ver- mischt kommen alle diese Zellformen in langgestreckten Gruppen längs den Gefässen vor. Im Innern der Gruppen scheimen sie sehr regellos gemischt um einander zu liegen; im der Peripherie wiederum trifft man oft genug ziemlich undicht liegende fixe Bindegewebszellen mit oder ohne Fett an. Die Gruppen setzen sich dadurch ohne scharfe Grenze in das umliegende, weniger zellenreiche fibrilläre Bindegewebe fort. Auch im Innern der Gruppen liegen übrigens die Zellen nicht besonders dicht. Die Zwischenräume werden von feinen Faserbündeln durchzogen, welehe sich von dem umgebenden Bindegewebe zwischen die Zellen strecken. Schon in diesem Stadium besitzen die betreffenden Fett- gewebsanlagen ein so charakteristisches Aussehen, dass man sie durch ihr allgemeines Aussehen ohne Schwierigkeit von den Anlagen des braunen Fettgewebes unterscheiden kann, auch wo sie, wie z.B. in der Scapulargegend der Ratte, in unmittelbarer Nähe zu einander liegen und makroskopisch direet zusammen- hängend scheinen können. Die Anlagen des braunen Fettgewebes zeigen gut begrenzte Läppchen compaeten Aussehens, mit dicht liegenden, polygonalen Zur Kenntniss des Fettgewebes. 543 Zellen, welehe multiple Fetttropfen enthalten. In den subeutanen Fettgewebsanlagen fehlen den Lobuli um diesen Zeitpunkt scharfe Grenzen, die Zellen liegen undichter, die kleineren, weniger fett- gefüllten besitzen platte oder ästige Form, die grösseren schliessen in einen mehr oder weniger rein sphärischen Zellen- körper nur einen (oder ein Paar) grösseren, mehr in die Augen fallenden Fetttropfen ein. Auch in späteren Entwicklungsstufen existirt ein ausgeprägter Unterschied zwischen den Anlagen der beiden Arten Fettgewebe. Dieser Unterschied wird inzwischen, wie aus dem Folgenden hervorgeht, hauptsächlich von denselben Verschiedenheiten in der Vertheilung des intracellularen Fettes bedungen, welche das aus- gewachsene Gewebe auszeichnen. Schon bei einem drei Tage alten Rattenjungen haben ein grosser Theil der Fettzellen im Unterhautgewebe sphärische Form angenommen und die Hälfte des Durchmessers der ausgewachse- nen Fettzelle erreicht. Hierbei sind sie auch einander näher gerückt und bilden Gruppen, welche grösser, compacter und gegen das umgebende Bindegewebe schärfer begrenzt sind, als vorher. Aestige und platte Bindegewebszellen mit und ohne Fett werden immerfort im Innern dieser Fettläppchen angetroffen. Die Angioblasten, welche schon einen Tag nach der Geburt merklich an Anzahl verringert waren, sind nun zum grösseren Theile verschwunden. Neben dieser im subeutanen Bindegewebe stattfindenden Fettgewebsbildung spielt sich ein sehr ähnlicher, nur in gewissen Einzelheiten abweichender Prozess auch im Corium ab. Es ist im tiefern, nächst ausserhalb des M. subeutaneus liegenden Theile desselben, wo die Fettdeposition hier stattfindet. Wie schon hervorgehoben, ist diese Schicht sehr locker und gefässreich. Sie enthält zahlreiche Zellen (wenn auch spär- lichere als im oberflächlichen Theile des Corium); irgend eine diehtere Anhäufung dieser lässt sich in der Peripherie der Ge- fässe nicht aufweisen. Gleichzeitig mit der tieferen Fettimpletion tritt nun in ge- wissen Hautbezirken, besonders in der Interscapulargegend, ein ähnlicher Prozess zwischen den Haarbulbi auf. Er ist auch hier vorzugsweise um die Gefässstämme lokalisirt. Die fettgefüllten 544 J. Aug. Hammar: Zellen bilden perivaseulare Gruppen, welche hier die Mitte der Interstitien zwischen den Haarwurzeln einnehmen !). Das Fett wird auch hier in den fixen Bindegewebszellen deponirt. Die soeben geschilderten Uebergangsformen werden demgemäss hier wiedergefunden. In der Folge scheint die Fettgewebsentwicklung ebenfalls sleichen Schritt in beiden Schichten der Haut zu halten. Die bedeutend vergrösserten Fettzellen im Corium bilden somit in der Interscapulargegend schon am vierten Tage nach der Geburt zwischen den Haarwurzeln eine beinahe kontinuirliche Schicht; hier und da wird diese von gröberen Bindewebszügen durehzogen, ohne gleichwohl noch irgend ausgeprägtere Lobulirung zu zeigen. Zwischen den Fettzellen kommen sehr zahlreich feinere Bindegewebsbündel vor. Ehe ich die Entwieklung des weissen Fettgewebes ver- lasse, bleibt mir noch übrig eine Frage zu berühren, welche die Bilder meiner Präparate eimigermaassen zu beleuchten ge- eignet sind. Wenn man das Fettgewebe desselben Gebietes in ver- schiedenen Entwieklungsstufen untersucht, fällt es sogleich auf, dass die Gruppen der Fettzellen d. h. die Läppchen augensechein- lich im Laufe der Entwieklung hastig an Umfang gewinnen gleichzeitig damit, dass die Zellen in demselben Lobulus immer näher zu einander rücken. Man kann nun fragen, inwiefern diese Veränderungen auf eine Zellenvermehrung beruhen und in solchem Falle, welche Zellen sich theilen. Eine auf passend vorbereitetes Material vorgenommene Untersuchung, das Vorkommen der Mitosen betreffend, zeigt dann, dass um den Zeitpunkt unmittelbar vor dem Beginn der Fettimpletion, d. h. gleich nach der Geburt, das lockere Gewebe nach aussen vom M. subeutaneus ziemlich zahlreiche Kern- theilungsfiguren im Innern der fixen Bindegewebszellen zeigt, wenn auch vielleicht relativ nicht ganz so viele als im oberfläch- lichen Theile des Corium. Im subeutanen Bindegewebe kommen 1) Beim Menschenfötus — besonders in dessen Kopfhaut — ist das Verhältniss das entgegengesetzte. Hier sind die Fettzellen um die Haarbulbi gesammelt. Vielleicht hängt dies mit einem verschiedenen Gefässverlauf zusammen. Zur Kenntniss des Fettgewebes. 545 nicht selten Mitosen in den platten, mehr vereinzelt liegenden Zellen vor (welehe ja nicht, wenigstens in erster Hand fett- gefüllt werden); dagegen kommen sie in den perivaseularen Zellengruppen sehr spärlich vor. In späteren Stadien — nach- dem die Fettimpletion begonnen — sind sie an beiden Stellen äusserst selten. Es sieht somit aus, als wenn hier, gleiehwie bei der Ent- wieklung des braunen Fettgewebes, die eigentliche Zellenver- mehrung der Fettimpletion vorherginge. Wahrscheinlieh ist, dass der Zuwachs im Umfange der Lobuli — insofern er nicht dadurch bedungen wird, dass neue, in der Peripherie oder im Innern des Lobulus gelegene Zellen in den Impletionsprozess eingezogen werden — vorzugsweise auf die unter dem früheren Abschnitt der Entwieklung schnell geschehende Vermehrung der intracellularen Fettmenge und damit des ganzen Volumens der Zelle beruht. Hierdurch wird gleichfalls die gegenseitige Ent- fernung der Zellen verringert und die Lobuli erhalten ein eom- paeteres Aussehen. Wahrschemlich geht dabei eine spärliche mitotische Thei- lung der intralobularen (fettfreien) Bindegewebszellen vor. Irgend welche Zeichen eines ähnlichen Prozesses bei den fettgefüllten Zellen habe ich dagegen nirgends angetroffen. Im Vorhergehenden ist somit dargelegt, dass die beiden Arten Fettgewebe bei der Ratte nicht nur einen verschiedenen Bau besitzen und ein verschiedenes Verhalten bei Abmagerung — wahrscheinlich auch bei Fettansetzung — zeigen, sondern auch, dass sie eine recht verschiedene Entwicklungsgeschichte besitzen. In Betrachtung der betreffs der Genese des Fettgewebes noch immer herrschenden Meinungsverschiedenheiten hat es mir mit den bei der Ratte gewonnenen Erfahrenheiten als Ausgangs- punkt nahe zur Hand gelegen, die Entwicklung des Gewebes bei andern Thieren zu untersuchen. Bevor ich die dabei gewonnenen Resultate mittheile, dürfte es nicht überflüssig sein mit einigen Worten die gegenwärtige Lage der Frage zu berühren. 546 J. Aug. Hammar: Kap. IH. Ueber die Entwicklung des Fettgewebes bei einigen anderen Thieren. S$S 1. Auch ein flüchtiger Bliek auf die Literatur über diesen Gegenstand zeigt, dass die Entwicklungsgeschichte des Fettgewebes in mehr als einer Hinsicht ungewiss ist‘). Schon in Betreff der Art der Zellen, aus denen die Fettzellen hervorgehen, findet man somit bedeutend wechselnde Ansichten. Laut der älteren u. a. von Virehow (31, 32) gehuldigten Auffassung ist das Fettgewebe eine Form des Bindegewebes, „welche sich von den übrigen dadurch unterscheidet, dass einzelne Zellen sich vergrössern und mit Fett vollstopfen“. Zu einer gleichen Ansicht kam Flemming (35, 38—40, 45, 50) bei seinen eingehenden Untersuchungen über das Fettgewebe. So auch in späterer Zeit Jakowski (55). Waldeyer (44) spricht die Ansicht aus, dass die grossen runden Zellen der Bindesubstanzen, die Plasmazellen, es sind, welehe besonders gern, wenn auch nicht ausschliessend, Fett aufnehmen. Nachdem man während einer späteren Zeit die sogenannten Mastzellen aus genannter Gruppe absonderte, hat man im Gegen- satz hierzu diesen die Bedeutung von atrophischen Fettzellen zu- geschrieben (Poljakoff (60), Minot (70). Andere Forscher wiederum wollen in den Leukoeyten entweder die einzige (Hoggans 48, 49), oder wenigstens eine der Quellen zu den Fettzellen sehen. (Sehäfer in Quains Anatomie (67)?). Schliesslich hat eine nicht geringe Anzahl Forscher an- gesehen, dass die Fettzellen aus Zellen vollständig speeifischer Art hervorgehen. Einige dieser Forscher leiten die speeifischen Zellen von Leukocyten her (Löwe) (46), oder von Zellen mit leukocytenähnlichen Eigenschaften (Poljak off) (60). Andere, wie Toldt (37, 58), Ranvier (43), Bobritzsky (?) (56) und Metzner (64) sprechen sich über den Ursprung der fraglichen Zellen nicht näher aus. 1) Set Flemming’s sachgemässen Auseinandersetzungen ist auf diesem Gebiete so wenig Neues von Belang hinzugekommen, dass ein genaueres Eingehen auf die Literatur überflüssig erscheint. 2) Auch Flemming meint die Möglichkeit einer Fettzellen- bildung von Wanderzellen nicht ganz ausschliessen zu können. Zur Kenntniss des Fettgewebes. 547 Bei solehem Verhältniss kann es nicht überraschen, dass die Auffassung der Natur des Fettgewebes bedeutend schwankt. Für einige ist es ein Bindegewebe mit fettgefüllten Zellen, während man anderwärts bald zwischen demselben und den Lymphdrüsen Aehnlichkeit findet (Klein) (42), bald es mit dem seeretbildenden Drüsengewebe vergleicht (Toldt). Von hier angeführten Ansichten scheinen indessen die von Flemming und Toldt vorzugsweise Anklang gefunden zu haben. Für ersteren ist das Fettgewebe ein im All- gemeinen stark vaskularisirtes fibrilläres Bindegewebe, dessen ästige oder platte Zellen durch die Fettfüllung in Fettzellen um- geformt sind. Nach Toldt ist es eine speeifische Gewebsform, welche, obgleich aus parablastischer Anlage sich selbständig und unabhängig namentlich vom Bindegewebe entwickelt. Es wird von bestimmten Ausgangspunkten oder Fettkeimlagern entwickelt, welche aus kugeligen oder wenig abgeplatteten, kernhaltigen Zellen, die einer Zellmembran entbehren, bestehen. — Während Flemming findet, dass das Fettgewebe in loco gebildet wird, lässt es Toldt durch kontinuirliches Auswachsen von den Bildungsherden — die Fettkeimlager — hervorgehen. Es ist leicht begreiflich, dass keine dieser Ansichten ver- mocht hat, sich allein geltend zu machen. Einerseits ist es nämlich von mehreren Forschern bekräftigt worden, dass bei gewissen Thieren gut begrenzte voluminöse Gewebspartien (Toldt’s Fett- keimlager, Kölliker’s Primitivorgane der Fettläppchen) vor- kommen, in welche das Fett bei seinem Auftreten in grosse, polygonale Zellen deponirt wird; dies bezeugt hinreichend, dass nicht alles Fettgewebe bei seiner Entwicklung die von Flemming geschilderten Verhältnisse zeigt). Andererseits wurde Toldt durch Flemming's u. a. Befunde zu der Annahme genöthigt, dass auch Bindegewebszellen von Fett gefüllt werden können und dann in Allem echten Fett- gewebszellen gleichen. Von diesen sollen sie sich nur durch ihre mehr vereinzelte Anordnung, durch Mangel eines selbst- ständigen Blutgefässsystemes und durch eine weniger konstante Lokalisirung unterscheiden. Diese Auffassungsweise führte nicht 1) In seiner letzten Arbeit von 1879 hatFlemming indessen auch Rücksicht auf die fraglichen Primitivorgane genommen, wovon unten mehr. 548 J. Aug. Hammar: nur dazu, dass zwei nahe belegene Zellen vollständig gleichen Aussehens, die eine in einem Fettgewebslobulus, die andere mehr vereinzelt belegen, als genetisch ganz verschiedene Bildungen aufgefasst werden müssten; es verursachte auch anzunehmen, wie Flemming hervorgehoben, dass der Mensch, der Wiederkäuer und viele andere Thiere gar kein wahres Fettgewebe besässen, da die Töldt'schen Fettkeimlager sich bei ihnen nicht aufweisen lassen. Zwischen diesen streitigen Auffassungen nimmt schliesslich Kölliker (57) eme gewissermassen vermittelnde Stellung ein. Er hebt somit in einigen aufgestellten Sätzen u. a. hervor, dass alle Fettzellen auf Bindesubstanzzellen zurückzuführen sind, von denen die einen schon im Zustande der typischen Bindegewehs- zelle Fett zu bilden beginnen, die anderen erst dann, wenn sie ihre Ausläufer verloren haben. Dieses letztgenannte sollte be- sonders mit den fraglichen runden ‚oder polygonalen Zellen in den Primitivorganen der Fall sein. $ 2. Die Primitivorgane bei dem Kaninchen, der Katze und dem Meerschweinchen. Meine eigenen Untersuchungen, zu denen ich jetzt übergehe, umfassen Katze, Kaninchen, Meerschweinchen, Hund, Rind und Mensch. Bei den drei erstgenannten Thierarten findet man bekanntlich die besonders dureh Kölliker's, Toldt’s und Löwe’s Unter- suchungen erkannten Primitivorgane mit ihrem (unter späteren Entwicklungsstufen) eompaeten, drüsenartigen Aussehen. Diese werden angelegt und entwickeln sich, nach dem was meine Untersuchungen an die Hand geben, wesentlich auf dieselbe Weise wie das braune Fettgewebe der Ratte. In Betracht der Bedeutung, welche dieses Verhältniss nicht nur für die Auffassung der eben genannten Fettgewebsmodifikation besitzt, sondern auch für die Fettgewebsfrage im Ganzen, glaube ich mich indessen hier nicht begnügen zu dürfen in Kürze zu konstatiren, dass eine solche Aehnlichkeit existirt, sondern glaube ich auch hier den wesentlichen Inhalt meiner Untersuchungsproto- kolle wiedergeben zu dürfen, wenn auch mit dem Risico, mich dabei vielleicht in mehr als einer Hinsicht einer Wiederholung schuldig zu machen. Die frühzeitigsten Entwicklungsstufen betreffend habe ich Zur Kentniss des Fettgewebes. 549 hier, gleichwie in Betreff des braunen Fettgewebes der Ratte und aus denselben Gründen, ausschliesslich das Interscapularfett untersucht. Die etwas späteren Stadien betreffend habe ieh auch Rücksicht auf andere Primitivorgane genommen. Von Kaninchen habe ich Föten von 0,8, 1,6, 2,7, 3,8, 7 und 11,5cm Länge untersucht, ferner neugeborene und einige Tage bis ein paar Wochen alte Kaninchenjunge. Von Katzen habe ich vorzugsweise junge Stadien zu meiner Verfügung gehabt, von Meerschweinchen ältere. Bei beiden stimmen die Bilder so nahe mit denen bei dem Kaninchen überein, dass ich meine Schilderung ohne weiteres auf die bei diesem Thiere gemachten Befunde beschränken kann. Im jüngsten der untersuchten Stadien (0,8 em Kaninchen- embryo) hat das Bindegewebe in der werdenden Interscapular- region noch rein mesenehymalen Bau von ästigen Zellen und eine strueturlose Grundsubstanz ohne Fibrillen. Das ziemlich dünne Mesenchymlager, welches lateral um die Spinalganglien und der eompaeten Muskelplatte liegt, sie bedeekend, zeigt keine auf die Entwicklung des Fettgewebes beziehbare Differenzirung. In einem Kaninchenfötus von 1,6 em Länge treten Anlagen zu den verschiedenen Muskeln, resp. Muskelgruppen, schon mit der Deutlichkeit hervor, dass eine genauere Orientirung möglich ist. Das Bindegewebe zeigt ganz deutlich feine Bündel. Im lockeren subkutanen Gewebe tritt an einer Stelle, ungefähr der entsprechend, welche an Fig. 7 mit #! markirt wird, eine etwas reichlichere Vaseularisirung hervor, durch die Anwesenheit einiger weiter, sinusähnlicher Gefässe bedingt. Im Uebrigen hat das Gewebe hier dasselbe Aussehen wie das lockere Bindegewebe in der Umgebung und zeigt besonders keine Vermehrung in der An- zahl der Zellen. In einem 2,7 em langen Kanmehenfötus findet man an ent- sprechender Stelle ein in der Längsriehtung des Thieres ziemlich langgestrecktes, im Querschnitt dagegen wenig umfangreiches Gebiet, welches sich dureh grösseren Zellenreiehthum und ver- mehrte Vascularisirung auszeichnet. Die Zellen sind: ästig, vom selben Aussehen wie in dem umgebenden Bindegewebe. Sie liegen undicht, so dass die Zellenform deutlich hervortritt. Sie sind klein, protoplasmaarm; der Kern ist rund und wird von einer kaum bemerkbaren Protoplasmaschicht umgeben, welches 550 J. Aug. Hammar: nach mehreren Seiten feine, fadenförmige Ausläufer aussendet. Diese anastomosiren frei mit den Zellen im umgebenden, zellen- ärmeren Bindegewebe, in welches die ganze Gewebsparthie ohne jede scharfe Grenze kontinuirlich übergeht. Die Gefässe sind zahlreich und zeigen deutlichen Unterschied zwischen feineren und gröberen Aesten. Auch in der Tiefe zwischen den Muskeln giebt es Gebiete mit derselben Struktur, welche sich ohne Schwierigkeit erkennen lassen. Bei einem 3,8 cm langen Kaninchenfötus sind die Primitiv- organe noch leichter wiederzufinden.. — Sie sind an Umfang bedeutend vermehrt und zeigen eine augenfällige Eintheilung in Lobuli. Diese sind klein und von gerundeter Form; sie sind durch sehr breite Züge lockeren interlobularen Bindegewebes ge- trennt, welches sich nächst den Lobuli zu einer Art Bindegewebs- kapsel um dieselben verdichtet. In den Lobuli liegen die Zellen so dicht zusammengehäuft, dass das Gewebe bei schwächerer Vergrösserung und in einem dickeren Schnitte eine auffallende Aehnlichkeit mit dem Iymphoidem Gewebe besitzt, gleichwie die einzelnen Zellen unter ähnlichen Verhältnissen nicht unbedeutend an Iymphoide Zellen erinnern. — Eine stärkere Vergrösserung zeigt indessen ohne Schwierigkeit in einem dünnen, gut proto- plasmagefärbten Schnitte eine Zellform, welehe nur durch einen etwas grösseren Protoplasmareichthum der Zellen und eine etwas verringerte Länge der fadenförmigen Ausläufer von den vorher geschilderten abweicht. Zahlreiche Mitosen kommen in diesen Zellen vor. Mit Ausnahme des Bindegewebes, welches die grösseren lo- bularen Gefässe umgiebt, scheinen hier keine intralobularen Bindegewebsbündel vorzukommen. Bei einem 7Tcm langen Kaninchenfötus sind die Primitiv- organe in ihrem Ganzen eben so wohl wie die einzelnen Lobuli bedeutend vergrössert. Die letztgenannten sind von eckiger Form und dieht aneinander gedrückt, nur von schmalen interlobularen Bindegewebszügen getrennt. Die Zellen in ihrem Innern sind gross, protoplasmareich, rundlich [polygonal und ‘enthalten im Allgemeinen grössere oder kleinere Fetttropfen. In gewissen Lo- buli sind diese Tropfen fleckweise kleiner oder fehlen ganz. Die Zellen sind hier im entsprechenden Grade weniger umfang- reich, aber im Uebrigen von gleichen Eigenthümlichkeiten. Zur Kenntniss des Fettgewebes. 551 Bei einem 11,5 cm Kaninchenfötus sind die Fettgewebslobuli von wesentlich ähnlichem Aussehen. Das Fett kommt indessen jetzt allgemein vor. Der Umfang der intracellularen Tropfen ist vermehrt. Einige Zellen scheinen nur einen einzigen grossen Tropfen zu enthalten, wobei die Zelle schon Achnlichkeit mit einer ausgebildeten Fettzelle besitzt. Vergleicht man die drei jüngsten der hier untersuchten Stadien, so scheinen sie an die Hand zu geben, dass die frag- lichen Fettgewebsanlagen nicht direct aus dem ursprünglichen Mesenchym hervorgehen, dies trotz der unverkennbaren Aehnlichkeit in der Struktur. Eine Fibrillenbildung scheint nämlich vorher zu Stande zu kommen und erst aus diesem jungen Bindegewebe das Fettgewebe in zweiter Hand angelegt zu werden. Den gewonnenen Bildern nach zu urtheilen scheint ferner die Gefässvermehrung bei der ersten Anlage dieses Fettgewebes das primäre Moment zu sein, welches nun wieder die Proliferation der umgebenden Zellen hervorruft. In diesen Hinsichten dienen die beim Kaninchen gewonnenen Bilder dazu, die von der Entwicklung des braunen Fettgewebes der Ratte gewonnenen Erfahrungen zw vervollständigen. Die Aehnlichkeit im Entwicklungsprozesse bei beiden Thierarten ist im Uebrigen in die Augen fallend. Bei beiden wird das Fett- gewebe als ein an Gefässen und Zellen reiches Gebiet in dem lockeren Bindegewebe angelegt. Erst unter der folgenden Ent- wicklung gewinnt die Gewebsparthie scharfe Begrenzung und er- hält lobulare Anordnung. Die Zellen besitzen lange das Aussehen ästiger, protoplasmaarmer Bindegewebszellen und gehen erst se- eundär durch die Vermehrung des Zellprotoplasmas zu den volu- minösen, polygonalen Bildungen über, in welchen die Fettimpletion stattfindet. Die Entwicklung geht indessen beim Kaninchen weiter als bei der Ratte. Bei der letzteren bleibt ja das Fett in den meisten Zellen auf der multiplen Tropfenstufe, die Zellen verbleiben hüllenlos, das Gewebe hat die makro- und mikroskopischen Eigenthümlichkeiten des braunen Fettgewebes. Beim Kaninchen wiederum fliessen die intracellularen Fetttropfen jeder Zelle zu 552 J. A. Hammaär: einem einzigen zusammen, und das Gewebe nimmt dabei während des Laufes der extrauterinen Entwieklung die Eigenschaften des weissen Fettgewebes an. Noch eine relativ lange Zeit nach der Geburt behalten diese Primitivorgane indessen ihr eigenthümliches Aussehen beit). Bei einem ungefähr einen Monat alten Katzen- oder ea. 14 tägigen Kaninchenjungen können die Verhältnisse somit an die oben beschriebenen der ausgewachsenen Ratte stark erinnern. Man findet eircumscripte, voluminöse Primitivorgane, welche hauptsächlich durch einen etwas helleren und röthlicheren Farben- ton im Aussehen von dem braunen Fettgewebe abweichen. Gleichzeitig ist alles subeutane Fettgewebe, ein grosser Theil des Bauchfettes u. s. w. von weisslicher Farbe, weniger scharfer Begrenzung und lockerer Beschaffenheit; augenscheinlich ist es durch einen Entwicklungsprozess, ähnlich demjenigen in der Unterhaut der Ratte, hervorgegangen. Es ist somit um diesen Zeitpunkt möglich, hier gleichwie bei der Ratte durch direete makroskopische Besichtigung eine ungefähre Vorstellung über die Topographie der verschiedenen Entwieklungsprocesse zu erhalten. Diese Primitivorgane wurden erst von Kölliker (30) 1856 er- kannt. Er fand bei Kätzchen von 1, 2 und 3 Tagen ‚im Mesenterium noch keine Spur von Fettläppchen; „an der Stelle derselben liegen im Gekröse viele kleine, an den Nieren je ein grösserer, grauröthlicher Haufen, welche bei der mikroskopischen Untersuchung Bilder geben, die täuschend an Ganglien erinnern. Es liegen nämlich in einem zarten bindegewebigen Stroma und umhüllt von einer äusseren dünnen Kapsel polygonale, ziemlich grosse (22—44 u) Zelien mit regelmässig feinkörnigem, blassem Inhalt und ziemlich grossen, hübschen Kernen in so grosser Zahl, dass das Ganze an gewisse Drüsen Wirbelloser oder auch an Ganglien erinnert, letzteres um so eher, als die Zellen von einem sehr reichlichen Blutgefässnetze umzogen sind, welches auch den Läppchen ihre röthliche Farbe verleiht.“ Die Fettbildung 1) Dieses Verhältniss scheint es gewesen zu sein, welches Anlass zu der in der Literatur (z. B. bei Ecker und Ehrmann) vorhandenen Angabe gegeben hat, dass das Kaninchen eine „Winterschlafdrüse“ besitzt. Ehrmann giebt auch ausdrücklich an, dass die von ihm untersuchten Thiere junge waren. Obgleich die Angabe in Betreff des ausgewachsenen Thieres nicht correct ist, besitzt sie als Hinweis auf die vorhandene Aehnlichkeit zwischen diesen Primitivorganen und dem braunen Fettgewebe ein gewisses Interesse. Zur Kenntniss des Fettgewebes. 553 geschieht sehr schnell, sodass die Läppchen schon am 6. Tage dem blossen Auge gelbweiss erscheinen; „die mikroskopische Untersuchung ergab, dass die Zellen derselben fast alle eine Menge grösserer und kleinerer Fetttropfen enthielten, sodass sie sich von echten Fettzellen nur wenig unterschieden.“ Toldt (37) wies an jungen Embryonen von Katzen und Kanin- chen ähnliche lappige, hellfarbige Organe auf, welche sich wie flache Polster an bestimmten Stellen zwischen Haut und Muskelschichte aus- breiten, Er findet, dass sie sich von gewissen Stellen entwickeln, vor- züglich die Beugeseiten der Hüft- und Schultergelenke. _ Aeltere Embryonen zeigen auch an Hals und Nacken derartige Fettpolster. In der Bauchhöhle ist die erste Entwicklungsstätte des Fettgewebes die Umgebung der Nieren, von wo aus es sich allmählich in den Bauch und nach der Leistengegend zu ausbreitet. Toldt weist weiter in diesen Fettlobuli das Vorhandensein eines eigenen, gut charakterisirten Blutgefässsystemes auf. Die Fettgewebs- zelle findet er in den früheren Embryonalmonaten „eine rundliche, feingranulirte, hüllenlose, kernführende Zelle“ ausmachend, „welche sich etwa nur durch ihre Grösse von einer farblosen Blutzelle unter- scheidet.“ Auch Ranvier (63) erwähnt in Kürze des Vorkommens der Nackloben beim Kaninchen. Eine eingehendere Untersuchung eignet Löwe (46) diesen Pri- mitivorganen. Er findet bei Kaninchenembryonen bis zu eirca 7 mm noch keine sichere Spur embryonaler Unterhautfettzellenbildung. Erst bei Kaninchenföten von etwas über 1 cm!) Körperlänge findet er in der Cutis an der Wurzel der Haare verstreute dunkle, rundliche Ele- mente mitten unter den übrigen hellen, sternförmigen Bindegewebs- zellen. Wahrscheinlich sind es ausgewanderte Wanderzellen. Anfäng- lich treten dieselben nur vereinzelt auf. Allmählich betten sie sich an geeigneten Localitäten zu immer grösseren, nach Capillarbezirken ein- getheilten Läppchen zusammen. Bei 1—1!/;, em Kaninehenembryonen ist die lobulare Anordnung noch unter Ausbildung. Die Fettbildungselemente sind gerundet oder 4—6 eckig und entbehren Ausläufer; sie werden durch eine minimale Kittleiste getrennt; ihr Protoplasma ist durch Einlagerung von kleinen, 1) Die von Löwe gegebenen Längenmaasse der Embryonen scheinen mir beim Vergleich mit dem Entwicklungszustande der be- treffenden Embryonen bemerkenswerth niedrige. So findet er bei diesen „Kaninchenföten von etwas über 1 em Körperlänge“ schon Haarwurzeln, obgleich- ein ähnlicher „Fötus“ wohl doch im Allgemeinen den Typus eines Embryos mit offenen Kiemenspalten u. s. w. besitzt. Auch im Verhältniss zur Fettgewebsentwieklung dürften sich die ge- gebenen Maasse der Embryonen bemerkenswerth gering stellen, worauf übrigens schon Flemming hinweist. 554 J. Aug. Hammar: besonders stark lichtbrechenden Partikelchen, den sog. Fettplasma- tröpfehen, ausgezeichnet; der Kern ist klein, nicht immer deutlich, solide und homogen, ohne besonders auffallende Kernmembran. Bei 2—3 em langen Embryonen ist die Lobulirung mit primären und sekundären Lobuli ausgeprägt, während das Fettorgan selbst einen tertiären Fettlappen ausmacht. Das Auftreten und die Entwick- lung der Fetttropfen in den Zellen wird schliesslich auch im Einzelnen geschildert. Flemming (50) hob das Vorkommen von Jlänglichen und ver- ästelten Zellformen im Innern der Lobuli hervor und fand, dass die erste Ablagerung von Fett in diesen Zellen stattfindet (siehe weiteres unten). Kölliker (57) spricht in einer späteren Mittheilung die schon angeführte Ansicht aus, dass die runden und polygonalen Zellformen in diesen Primitivorganen von Bindesubstanzzellen herstammen, welche erst, nachdem sie ihre Ausläufer verloren haben, Fett zu bilden be- ginnen. Metzner (64) schliesst sich Toldt’s Auffassung nahe an. Nebst den von diesem angegebenen Primitivorganen findet er bei eben geworfenen Kätzchen zwei paarige Lappen neben der Blase und ein Läppchen im Mesoreetum!). Schliesslich verdient hier bemerkt zu werden, dass die Aehnlichkeit in der Entwicklung zwischen dem hier gemeinten Fettgewebe und dem braunen nicht mit irgend eimer besonderen Aelnlichkeit im Verhältniss bei Abmagerung verknüpft ist. Viel- mehr zeigen z. B. die Nackloben bei einem stark abgemagerten ausgewachsenen Kaninchen dasselbe makroskopische Aussehen, welches in Betreff des subkutanen Fettgewebes der Ratte be- schrieben worden ist: kleine, undichte Fettlobuli in einem lockeren Bindegewebe. Auch das mikroskopische Bild ist in beiden Fällen wesentlich gleich; besonders verdient hervorgehoben zu werden, 1) Ohne hier näher auf die intracellularen Prozesse bei Fettan- setzung einzugehen, welche von M. vorzugsweise studirt worden sind, kann ich nicht umhin darauf hinzuweisen, dass Löwe im selben Archiv wie Metzner, aber 12 Jahre früher (in His’s und Braune’s Archiv 1878 p. 118) eine mit dessen Schilderung nahe übereinstimmende Darstellung derselben Sache giebt. Löwe’s Aufsatz finde ich von M. nirgends beachtet, ein um so anmerkungswertheres Verhältniss, als diese „Fettplasmatheorie* Löwe’s von Flemming in seinem 1879 veröffentlichten und von M. eitirten Aufsatz referirt wird. Zur Kenntniss des Fettgewebes. 555 dass man auch hier die Maschen des Capillarnetzes in den meist veränderten Gebieten, nur Zellen vom Aussehen der Bindegewebs- zellen umschliessend, findet. Es scheint somit nur das braune Fettgewebe (sowie wahr- scheinlich auch die eben beschriebenen Primitivorgane in ent- sprechenden Entwieklungsstufen) sich im gewissem Maasse laut Toldt’s Behauptungen zu verhalten, „dass das einmal angelegte Fettgewebe mit allen seinen charakteristischen Merkmalen fort- besteht, wenn auch alles Fett aus demselben verschwunden ist“. Sobald diese Primitivorgane sich zu wirklich reifem Fettgewebe entwickelt haben, scheinen sie dem von Flemming beschrie- benen, verwickelteren regressiven Verlaufe bei Abmagerung zu folgen. Es ist augenscheinlich die vorhandene Struktur des Ge- webes um die Zeit des Eintrittes der Abmagerung, nicht seine Entwieklungsart, welche das hier bestimmende Moment ist. Es scheint mir wahrscheinlich, dass das Ausbilden einer Hülle um die Zelle in dieser Hinsicht besonders maassgebend ist. Eine ähnliche Erfahrung scheint Schiefferdecker’s (68) Ausspruch zu Grunde zu liegen: „Die nach der Atrophie übrig bleiben- den Zellen besitzen vielfach direct die Form der fixen Bindegewebs- zellen, sei es nun, dass sie ursprünglich solche oder specifische Fett- zellen waren“; ein Ausspruch, um so bemerkenswerther, als S. sich sonst Toldt’s Auffassung anschliesst und als Unterschied zwischen typischen Fettgewebszellen und fettgefüllten Bindegewebszellen u. a. eitationsweise anführt, dass diese letzteren „eigentlich einem andern Gewebe zugehören und nach Schwund des Fettes ihren früheren Cha- rakter resp. ihre frühere Function wieder erhalten“. Dagegen glaube ich, dass es mit dem wirklichen Verhältniss nicht übereinstimmend ist, wenn Poljakoff (60) annimmt, dass sich das gewöhnliche Fettgewebe auf verschiedene Weise verhalten sollte, je nachdem es sich aus den Toldt’schen Fettkeimlagern ent- wickelt oder nicht. $3. Die Primitivorgane bei Rind, Mensch ond.Hund., . Primitivorgane von einem anderen makroskopischen Aus- sehen kommen um die Nieren des Kalbfötus herum vor. Unter- sucht man einen solchen von 20—30 em Länge, so findet man die Nieren von einem Gewebe umgeben, das sich durch seine gelatinöse Konsistenz und Durchsichtigkeit auszeichnet. Dieses Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 37 556 J. Aug. Hammar: Gewebe füllt die tiefen Furchen zwischen den Reneuli aus und streekt sich in em dünneres Lager über einen grösseren oder kleineren Theil der gewölbten basalen Oberflächen der Reneuli. In einem späteren Stadium (35—40 em). findet man in dieser Schicht und besonders in ihren zwischen den Reneuli be- legenen diekeren Parthien kleine, undurchsichtig weissliche, rundliche Perlen — augenscheinlich Fettgewebe. Bei einem noch etwas älteren Fötus ist der grösste Theil oder das ganze genannte Lager von Fettgewebe ersetzt. Ich habe diese Primitivorgane in einer Serie Kalbföten von resp. 5,:11,5, 12,.12,5, 16,5, 18, 20, 24, 26,5, 30,5, 41, 43 und 53 em Länge mikroskopisch untersucht. Bei einem 5 em langen Kalbfötus werden die Nieren von einem schwach fibrillären, lockeren Bindegewebe in einer ziem- lich dieken Schicht umgeben. Dieses Bindegewebe zeigt keine besondere Differenzirung, sondern hat durch und durch ungefähr dieselbe Beschaffenheit. Bei einem 11,5—12 em langen Fötus sind die Verhältnisse wesentlich anders. Die Bindegewebshülle um die Niere herum ist hier auf längeren Strecken der Peripherie des Organs in zwei Schichten getheilt, eine innere der Niere nächst — die fibröse Nierenkapsel — und eine äussere — das Peritoneum resp. das retroperitoneale Bindegewebe. Wo dies nun der Fall ist, findet man die beiden Schichten von einem lockeren, zellreichen Gewebs- zuge getrennt. Dieser entbehrt lobulare Eintheilung, ist in der Gegend des Nierenhilus sehr dick, um die übrigen Theile der Niere herum sehr dünn und fehlt an gewissen Gebieten voll- ständig. In seinem Bau erinnert er nahe an das embryonale Bindegewebe. Die Zellen sind verästelt, aber weichen durch die etwas grössere Länge der Ausläufer von dem beim Kaninchen eben geschilderten Zelltypus ab. Die Ausläufer sind ferner oft spär- lichere ; bipolare, spindelartige Zellformen sind ganz gewöhnlich. Ausserdem kommt sowohl in diesem wie in folgenden Stadien eine wechselnde Anzahl Leukoeyten vor. Die Zwischenräume zwischen den Zellen zeigen ein mehr oder weniger strukturloses Aussehen, wovon unten mehr. Das Gewebe ist vascularisirt, die Gefässe, besonders die Capillaren je- doch spärlich. Zur Kenntniss des Fettgewebes. 557 Unter der folgenden Entwicklung tritt allmählich eine Ein- theilung in Lobuli hervor, welche anfangs (12,5-—-20 em Fötus) relativ umfangreich sind, nicht selten abgeplattet parallel der Nierenoberfläche, später (24 und 26,5 em) durch hineinschiebende Bindegewebssepta in kleinere eingetheilt werden. Die Septa dringen vorzugsweise von der inneren, gegen die Nierenkapsel liegende Oberfläche der Lobuli, sowie von der entgegengesetzten äusseren, ein. Auf gewissen Strecken kann ihre Riehtung dabei sehr regel- mässig abwechseln, und da sie ferner nicht selten nur unvoll- ständig durch die Lobuli schneiden, können diese auf Schnitten, senkrecht gegen die Nierenoberfläche geführt, das Bild eines tief- gefalteten Bandes erbieten (Fig. 9). Das Aussehen des Gewebes ist dabei in der Hauptsache unverändert, nur dass die Gefässvertheilung eine etwas reich- liehere ist — obgleich auch jetzt spärlicher als bei dem Kanin- chen, der Ratte u. s. w. — und die immer noch ästigen Zellen etwas protoplasmareicher. Nächstfolgende Stadien (30,5 und 41 cm Fötus) zeigen beginnende Fettimpletion (Fig. 10). Die feinsten Fetttropfen werden in noch ästigen Zellen wiedergefunden ; die grösseren in solchen, welche Uebergangsformen von ästigen zu sphärischen Bildungen zeigen. Das Fett tritt erst in der Umgebung der gröberen lobularen Gefässstämme auf. Hier findet man (den makroskopisch sichtbaren weisslichen, opaken „Perlen“ entsprechend) rundliche Ansamm- lungen von Zellen in verschiedenen Stadien von Fettfüllung, welehe durch ihr vermehrtes Volumen dieht zu einander gerückt sind und dadurch diesen perivascularen Gebieten ein sehr eom- pactes Aussehen verliehen haben. Aehnliche compactere Ge- biete können ausnahmsweise zwei (oder sogar mehrere) in einem und demselben Lobulus vorkommen und stechen scharf von den peripherischen Theilen desselben ab, welehe fortfahrend ein lockeres Aussehen und ästige Zellen besitzen (Fig. 11). — Als ein Zeichen, dass die fettgefüllten Gebiete wahrscheinlich rasch an Umfang anwachsen, findet man nicht selten, dass die ästigen Zellen in der nächsten Umgebung eine gewisse eoncentrische Anordnung zeigen. Im folgenden Stadium (43 cm Fötus) sind die ganzen 558 J. Aug. Hammar: Lobuli fettgefüllt. Die intracellularen Fetttropfen sind von sehr wechselnder Grösse. Im Allgemeinen scheinen die grössten vor- zugsweise im Innern des Lobulus vorzukommen. Die Uebergangs- formen sind hier die zahlreichsten unter den Zellen, während bei einem 53 em Fötus die Nebentropfen zum grossen Theil in den Zellen verschwunden sind, welche dabei Miniaturbilder ausge- wachsener Fettzellen darbieten. Ein paar Verhältnisse bei diesem Entwicklungsprozess habe ich noch nicht berührt. Das eine ist die Frage, in wie fern Bindegewebsbündel im Innern der Lobuli vorkommen. Hier wie immer findet man solche um die gröberen lobularen Gefässe herum. Uebrigens trifft man in dem gehärteten Material zwischen den Zellen feine Fasern, deren Beschaffenheit schwer zu bestimmen ist. Sie werden oft nicht auf dieselbe Weise wie die Bündel des umgebenden Bindegewebes gefärbt. Ihre Menge scheint inkonstant zu sein; oft findet man sie in einem älteren Stadium spärlicher als in einem jüngeren. In emem oder dem andern Objekte habe ich sie nieht mit Sicherheit wiederfinden können. Alles dies scheint mir dafür zu sprechen, dass sie ganz und gar oder theilweise Kunstprodukte sind, wahrscheinlich durch Reagenz- einwirkung auf die formlose Grundsubstanz hervorgerufen. Ich habe sie auch nicht in dem frischen Gewebe wiedergefunden. Nichts desto weniger halte ich es für glaublich, dass es, eingemischt zwischen diesen Fasern und wahrscheinlich von den Koagulationsprodukten verdeckt, wirkliche präformirte Fibrillen giebt. Wenigstens trifft man in den ältesten der beschriebenen Stadien deutliche feine Bindegewebsbündel in spärlicher Menge zwischen den Fettzellen an. Eine andere Frage von Interesse ist die, in wie fern alle Zellen in einem Lobulus in den Fettfüllungsprozess eingezogen werden, oder ob dabei fettfreie Zellen zwischen den fettgefüllten übrig bleiben. Diese Frage ist auf Grund der dichten Lage der Zellen auch sehr misslich zu beantworten. Nach dem was ich gesehen, bin ich doch zu glauben geneigt, dass ähnliche fettfreie Bindegewebszellen in den Lobuli auch nach dem Abschluss des ersten Impletionsprocesses übrig bleiben. Eine auffallende Aehnlichkeit giebt es zwischen dem soeben geschilderten Prozess und dem im vorhergehenden Paragraphen wie- dergegebenen, die früheren Entwicklungsstufen betreffend. In beiden Zur Kenntniss des Fettgewebes. 559 Fällen scheint das erste Auftreten der Primitivorgane in einem schon fibrillär differenzirten Bindegewebe zu geschehen. Der nächstfolgende Entwicklungsverlauf ist ebenfalls in seinen Haupt- zügen gleich; er wird von einem reichlicheren Auftreten von Gefässen und Zellen und der darauf folgenden Eintheilung des (Gewebes in Lobuli eharakterisirt. Augenscheinlich ist es das verschiedene zeitliche Eintreten der Fettimpletion, welches nachher die bedeutendste Verschieden- heit in den Entwieklungsbildern hervorgeht, indem dieser Prozess bei Kalbfötus in noch ästigen Zellen auftritt, bei Kaninchenfötus u. a. erst, nachdem die Zellenform von der ästigen in die poly- gonale übergegangen ist. Ein ähnlicher Prozess wie in der Nierengegend des Kalb- fötus scheint auch an entsprechender Stelle beim Menschen- fötus vorzukommen. Bei einer Scheitel-Steisslänge von 12 em bildet die Fett- gewebsanlage im circumrenalen Bindegewebe einen schmalen Zellenzug. Bei 16, 16,5, 20 em Fötus ist der lobulare Bau aus- gebildet und hier ist um die grösseren lobularen Gefässe eine deut- liche Fettimpletion begonnen, welche bei einem 26 em Fötus den ganzen Lobulus betrifft. Die lobularen Zellen, in denen das Fett auftritt, sind eben- falls hier verästelt. Sie weichen nur durch eine im Allgemeinen etwas undichtere Lage und etwas längere Ausläufer von ent- sprechenden Zellen beim Kalbfötus ab. Dieselbe Schwierigkeit zu bestimmen, in wie fern Fibrillen in der Grundsubstanz vorkommen oder nicht, trifft man hier wie beim Kalbfötus. In dieser Hinsicht unzweideutiger sind die Verhältnisse im Nierenfette des Hundes, welches augenscheinlich auch dieser Gruppe der Entwieklungsbilder zugehört. Bei einem 15 em Hundfötus findet man um die Nieren herum ausgebildete Lobuli mit begonnener perivaseularer Fett- füllung der ästigen Zellen. In diesen Lobuli begegnet man in- dessen keinen Schwierigkeiten, das Vorhandensein spärlicher, 560 J. Aug. Hammar: nicht so ganz feiner Bindegewebsbündel von wechselnder Rich- tung, festzustellen. Bemerkenswerth ist, dass die hier beschriebene Form der Fett- gewebsbildung in der Literatur nur wenig Beachtung gefunden. Indessen ist es wohl möglich, dass dieselbe Virchow’s (31, 32) Lehre über eine Fettgewebsbildung aus Schleimgewebe zu Grunde gelegen hat. Seine Worte sind: „Das fötale Fettgewebe entsteht aus Schleimgewebe; die Elemente des Schleimgewebes wuchern und wenn man einen Fötus aus jüngeren Zeiten untersucht, so findet man an Stellen, wo nachher Fettläppchen liegen, nichts anderes als Gruppen von kleinen runden Zellen. Ein solcher Haufen geht hervor aus einer ursprünglichen Schleimzelle. In diese Zellen lagert sich das Fett zu- erst in kleineren, dann in grösseren Tropfen ab, diese fliessen zu- sammen und nach einer gewissen Zeit findet man die einzelnen Zellen vergrössert und mit Fett vollständig gefüllt. Jeder einzelne Fettlappen entspricht also genetisch einer einzigen Zelle, er ist das Produkt einer proliferirenden Zelle.“ Augenscheinlich ist es ferner ein Prozess dieser Art, welchen Klein (42) in der Umgebung der Infraorbitaldrüse beim Kaninchen und Meerschweinchen untersucht hat. Bei jungen und halbausgewach- senen Individuen findet man hier eine gallertige Gewebsmasse, welche nur einige wenige und kleine Fettlobuli umschliesst. Sie enthält in einer hyalinen Matrix, welche nur an gewissen Stellen von einigen wenigen, feinen, isolirten Bindegewebsbündeln durchzogen wird, platte Zellen mit feinen anastomosirenden Ausläufern, sowie hier und da einen amoeboiden Korpuskel. Gruppen ähnlicher Zellen können ein besonderes Gefässsystem, analog mit dem im Fett- lobulus, besitzen. Man findet hier, dass die Zellen Zeichen einer raschen Theilung durch das Vorkommen von Einschnürungsformen bei Kernen und Zellen zeigen; auch zweikernige Zellen kommen vor. Die Zellen sind in der Nähe eines Fettlobulus fetthaltig und, je näher dem Lobulus, dichter gruppirt. Auch da, wo sie eine sehr grosse Fettkugel enthalten, um welche das Protoplasma eine dünne Schicht bildet, besitzen sie noch ihre Ausläufer. Diese Gruppen neuer Fett- zellen sind reich vascularisirt und die Anordnuug der Gefässe auch hier dieselbe wie in einem Fettlobulus. Endlich giebt es auch Zwischenformen zwischen vasculari- sirten Lobuli mit ästigen Zellen und letztgenannten vascularisirten wirklichen Fettlobuli. $S 4. Fettgewebshildung ohne; Primitiy- organe. Schliesslich habe ich bei allen in dieser Hinsicht unter- suchten Thieren einen im gewöhnlichen lockeren Bindegewebe sich abspielenden Fettbildungsprocess gefunden. Irgend welche Zur Kenntniss des Fettgewebes. 561 präformirte Lobuli giebt es hier nieht; die hauptsächliche Ent- wicklung des Fettgewebes scheint mit der Fettimpletion zu be- ginnen. Der Zeitpunkt für ihr erstes Auftreten fällt hier im Allgemeinen ziemlich genau mit der Zeit des entsprechenden Prozesses in den präformirten Lobuli desselben Thieres zusammen. Diese Form von Fettgewebsbildung scheint eine grosse Aus- breitung zu haben; so habe ich z. B. überall gefunden, dass sich das subeutane Fettgewebe auf genannte Weise entwickelt. Unna (5l) hat die subeutane Fettgewebsbildung betreffend die Hypothese aufgestellt, dass man in den fettbereitenden Knäueldrüsen eine örtliche Fettquelle besitzen sollte, welche dem Lymphstrome ihre Stoffwechselprodukte (Zwischenstufen zwischen Eiweiss und Fett, in Seifen gelöste Fette) überlassen sollte. Aus Mangel an direktem Ab- fluss durch die Lymphwege sollte die Lymphe zum grössten Theile durch die venösen Capillaren und kleinen Venen dieser Gegend ab- geführt werden und dabei auf eine solche Weise filtrirt werden, dass eine fettreiche Gewebsflüssigkeit im subeutanen Gewebe übrig bleibt. Die Ansammlung fettreicher Lymphe sollte einen physiologischen Reiz bilden, welcher zu Gefässneubildung und indirect durch diese zu Wachsthum der fettansammelnden Zellen leitet. Es ist augenscheinlich, dass diese Hypothese Unna’s einen Factor als primäre Ursache bei Fettbildung in der Haut annimmt, welcher für die Fettbildung an anderer Stelle nicht geltend gemacht werden kann. Sie dürfte in der That auch nicht in Betreff der subeutanen Fettgewebsbildung unter ihrer früheren embryonalen Stufe geltend ge- macht werden können, da es irgend welche funktionirende Schweiss- drüsen dann noch nicht giebt. Unter solchen Verhältnissen scheint es mir auch nicht wahrschein- lich, dass das von Unna angegebene Moment überhaupt irgend eine bedeutendere Rolle bei der Fettbildung im subeutanen Binde- gewebe spielt. Wahrscheinlich wird auch das meiste des Fettgewebes, welches postfötal zur Entwicklung kommt, nach demselben Ent- wicklungsmodus. gebildet. Sehr oft findet man den betreffenden Prozess in unmittel- barer Nähe der in Entwicklung befindlichen Primitivorgane. Z. B. zeigte derselbe Hundefötus, dessen renale Primitivorgane eben geschildert worden sind, im Bindegewebe des Nierensinus eine typische Fettgewebsbildung ohne präformirte Lobuli. Die Einzelheiten des Prozesses sind durch Flemming '’s Untersuchungen wohl bekannt, und ich habe hierin nichts zu- zufügen. 562 J. Aug. Hammar: 8.9. Vebersicht über die Entwicklungs des Fettgewebes. Es ist einleuchtend, dass die hier» vorgelegten Resultate nicht geeignet sind, der Lehre von der Speeifieität der Fettge- webszellen irgend welche Stütze zu gewähren. Im Gegentheil scheint mir diese Lehre ein paar wesentliche Stützpunkte ver- loren zu haben durch den Nachweis, theils dass die Zellen in den Toldt’schen „Fettkeimlagern*“ ursprünglich ästige Form und die Eigenthümlichkeiten der fixen Bindegewebszellen besitzen, theils dass man bei gewissen Thieren das Fettgewebe um die Zeit der Fettimpletion vorhergebildet findet als ein Gewebe von ausgeprägt lobularer Anordnung, dessen Zellen noch um diesen Zeitpunkt die Merkmale der ästigen Bindegewebszellen besitzen. Man wird mir gegen das erst angeführte Moment vielleicht einwenden, dass die werdenden Fettzellen zwar gleichwie die Mesenchymzellen im Allgemeinen ästige Form haben, aber dass ihr specifischer Charakter gerade durch die spätere Entwicklung, welche ihren Uebergang zu polygonaler Form mitführt, bedungen wird. Irgend eine andere wesentlichere. Veränderung dieser Zellen als eine Protoplasmavermehrung ist indessen während dieser ihrer Entwicklung nicht festgestellt!); diese kann wohl nicht als etwas den fettbildenden Zellen Eigenthümliches ange- sehen werden, da dieselbe factisch bei andern Thierarten fast ganz ausbleibt. Eher darf sie wohl als eine, einigen Thierarten zukommende, von gewissen bei ihnen vorhandenen Verhältnissen bedungene Eigenthümlichkeit aufgefasst werden. Vielleicht spielt bei ihrer Entstehung die reichliche Vaseularisirung in den be- treffenden Primitivorganen durch reichliche Nahrungszufuhr zu den Zellen eine bestimmende Rolle. Ist meine oben stehende Erörterung in ihren allgemeinen Zügen richtig, so ist es auch offenbar, dass sich Flemming's Satz: „die Fettzellen entstehen aus Elementen, die den fötalen 1) Die Altmann'’schen Granula, welche von Metzner hier auf- gewiesen worden, sind ja allzu allgemeine Bestandtheile des Zellproto- plasmas, um sagen zu können, dass sie diese Zellen auf irgend eine Weise speciell charakterisiren. Zur Kenntniss des Fettgewebes. 563 resp. postfötalen Bindegewebszellen gleichwerthig zu nennen sind“, sich mehr als je bewährt. Kann ich somit unbedingt in Flemming’s Auffassung in dieser ihrer allgemeinsten Formulirung einstimmen, so ist es doch augenscheinlich, dass meine Befunde auf das Vorkommen eines weit grösseren Wechsels in den Einzelheiten der Anlage des Fettgewebes hinweisen, als Flemming's Schilderung im Allgemeinen vermuthen lässt. Soweit ich finden konnte, ist es erst in seinem 1879 veröffent- lichten Aufsatz, wo Flemming etwas nähere Rücksicht auf die beim Kaninchen u. a. vorkommenden compacten Primitivorgane nimmt. Hier sagt. er (p. 425): „Dass übrigens eine stärkere Zellenwucherung an den Orten der künftigen Fettlappen hier beim Kaninchen der Im- pletion schon lange vorhergelt, bestreite ich keineswegs, und ebenso- wenig, dass viele der durch diese Wucherung entstandenen Zellen dann gleich eine mehr runde Form erhalten und behalten können ;“ und gleich weiter unten: „wohl aber beweisen Bilder, wie die von mir hier gegebenen, dass mitten iin Läppchen die erste Fettablagerung in Zellen erfolgt, welche die Formen von länglichen und verästelten Bindegewebszellen haben“. Das Darlegen ähnlicher ästiger Zellformen in den Lobuli gelang indessen Flemming mit der von ihm angewandten Methode (Ein- stichinjeetion von farbloser Leimmasse mit sofortiger Abkühlung) nur „schwer, aber doch an einzelnen Stellen“. Es dürfte auch zum grossen Theil auf diese von F. mit Vorliebe angewandte Methode, die sich wenig für das betreffende compacte Gewebe eignet, ankommen, dass man in seinen Arbeiten überhaupt so wenig über die Fettge- websbildung mit Lobuli, welche beim Beginn der Fettimpletion schon völlig ausgebildet ist, findet. Ja die Möglichkeit scheint ınir nicht ganz zurückzuweisen zu sein, dass mehr als ein ähnliches Bild von ihm, besonders in seinen früheren Arbeiten, als atrophisches Fettgewebe gedeutet worden sei, ein Irrthum, welcher auch von Kölliker (57) in Betreff der Primitiv- organe im Mesenterium und der Nierengegend der Katze hervorge- hoben wird. Ueberhaupt ist es beim Durchlesen von Flemming’s Aufsätzen nicht schwer, zu finden, wie es für ihn von grösserem Gewicht gewesen ist die Analogien in der Genese des Fettgewebes an verschiedenen Stellen festzustellen, als die Verschiedenheiten, welche, die Einzelheiten des Prozesses betreffend, bei verschiedenem Material nachgewiesen wer- den konnten, aufzusuchen und zu folgen, ein Verhalten, welches bei der damaligen Sachlage leicht erklärlich ist. Es zeigt sich nämlich, dass das Fettgewebe an gewissen Stellen schon während eines frühen Fötalstadiums als circum 564 J. Aug. Hammar: scripte Gewebsparthien mit bald auftretender lobularer Anordnung und einer eigenthümlichen, mehr oder weniger reichliehen Vaseu- larisirung angelegt wird, sowie dass eine relativ lange Zeit- periode zwischen der Anlage dieses Gewebes und der Fett- impletion seiner Zellen liegen kann; während an andern Stellen das künftige Fettgewebe noch um den Zeitpunkt des Beginns der Fettimpletion die allgemeinen Eigenschaften eines gewöhn- lichen fibrillaren Bindegewebes besitzt. Die lobulare Anordnung ist hier nicht präformirt, sondern entsteht in direetem Anschluss an den Impletionsprocess. Es scheint mir, als könnte man die erstere Form der Fettge- websbildung geeigneter Weise primär, die letztere sekundär benennen. Für diese Terminologie könnte u. a. angeführt wer- den, dass man die Fettanlagen der Katze u. s. w. schon lange als Primitivorgane bezeichnet hat. Unter diesem Namen habe ich hier indessen nieht nur diese lange gekannten compacten Fettgewebsanlagen der genannten Thiere geführt, sondern auch die gallertartigen Anlagen des Rinds u. a. Gleiehwie die Primitivorgane von zwei Arten sind, muss man zwei verschiedene Typen der primären Fettgewebsbildung unterscheiden, je nachdem eine (bedeutendere) Protoplasmaver- mehrung bei den Zellen der Fettimpletion vorhergeht oder nicht. Diese Eintheilung ist von einer gewissen Bedeutung, indem damit ein etwas verschiedener Verlauf bei der Kulmckluge des Gewebes zusammenhängt. In Zellen mit reichlichem Protoplasma findet man, wie wir gesehen, unter einer langen Periode der Entwieklung multiple Tropfen. Diese sind nicht selten ziemlich gleichgross und ver- leihen der Zelle, wo sie etwas grösseren Umfang besitzen, eine maulbeerartige Form. Wo das Zellprotoplasma spärlich ist, wie in den ästigen Zellen in den Primitivorganen des Kalbfötus, findet man das Fett nur bei seinem ersten Auftreten in (feine) gleichgrosse Tropfen vertheilt. Wo das Fett in der Zelle etwas reichlicher ist, ist es gewöhnlich in einem grösseren Haupttropfen gesammelt, an dessen Peripherie eine wechselnde Anzahl kleinerer Neben- tropfen vorkommen kann. — Die Zellenausläufer verschwinden !) 1) Im Gegentheil hierzu findet Flemming (50 p. 410) und mit ihm einige spätere Forscher, z. B. Jakowsky (55), dass alle Fett- Zur Kenntniss des Fettgewebes. 565 bald und alles Protoplasma ist in der Peripherie des Haupttropfens gesammelt. Die Zelle besitzt somit zeitig das allgemeine Aus- sehen der ausgewachsenen Fettzelle und behält es bei fortge- setztem, wie es scheint, hauptsächlich von der Vergrösserung des Haupttropfens bedingten Wachsthum bei. Es ist auffällig, dass diese Verhältnisse mit der ziemlich allgemeinen Annahme, dass der Zuwachs der Fetttropfen an Grösse im wesentlichen Grade dadurch geschieht, dass sie mit einander zusammenfliessen, gut zusammenpassen. Auch bei der seceundären Fettgewebsbildung sind ja im Allgemeinen die betheiligten Zellen protoplasmaarm und folgen somit, mit Ausnahme der einen oder deranderen protoplasmareicheren Zellform, dem zuletzt angegebenen Entwicklungsverlauf. Es ist somit auch unter dem späteren Abschnitt der Ent- wicklung wohl niöglich, nach dem Aussehen der Zellen während der Fettfüllung zu entscheiden, ob auf der einen Seite eine primäre Fettgewebsbildung mit Protoplasmavermehrung oder auf der anderen eine solche ohne Protoplasmavermehrung resp. eine sekundäre Fettgewebsbildung vorliegt. Auch die beiden letztge- nannten Prozesse lassen sich wenigstens in einem nicht allzu weit vorgeschrittenen Stadium der Fettfüllung durch die weniger scharfe Begrenzung nnd dem weniger gleiehförmigen Bau der Lobuli der sekundär angelegten gut unterscheiden vgl. p. 940). Wo die Entwicklung des Gewebes beendigt ist, ist der Unter- schied wieder verwischt und das allgemeine Aussehen des Ge- webes ist dasselbe, der Entwieklungsverlauf mag dem einen oder dem anderen der beiden aufgestellten Typen gefolgt sein). Es kann vielleicht Jemandem beim ersten Anblick scheinen, als ob die Eintheilung in primär und sekundär gebildetes Fett- gewebe, welche hier gegeben worden ist, sich mehr dem Namen zellen regulär auch im vollen Zustande Ausläufer besitzen und mit anderen zusammenhängen. Irgend welche in dieser Hinsicht be- weisende Bilder sind mir indessen nicht begegnet. 1) Ich sehe hier natürlich vom braunen Fettgewebe ab, welches Ja so zu sagen auf einem niedrigen Entwicklungsstadium stehen bleibt. 566 J. Aug. Hammar: als der Sache nach von der von Toldt vom echten Fettgewebe und Bindegewebe mit fettgefüllten Zellen gelieferten, unterscheidet. In der That verhält es sich doch nicht so. Weder das Objekt für die Eimtheilung, noch deren Grund sind dieselben. Toldt’s Eintheilung gilt dem fertigen Gewebe, der Ein- theilungsgrund ist der verschiedene Ursprung der Fettzellen (von specifischen fettbildenden Zellen oder von Bindegewebszellen). Die hier gegebene Eintheilung gilt in der That nicht dem Gewebe, sondern seiner Entwicklungsweise ; der Eintheilungsgrund ist nicht die Art der Zellen, sondern deren gegenseitige Gruppi- rung auf einer gewissen Entwicklungsstufe. Dagegen ist es augenscheinlich, dass die Auffassung, zu welcher mich meine Untersuchungen hier geführt haben, der von Kölliker, wie es scheinen will, theilweise auf rein theoretischen Gründen ausgesprochenen, nahesteht. Kölliker kennt nur keine anderen Primitivorgane als die, deren Zellen um den Zeit- punkt für das Auftreten des Fettes runde oder polygonale Form haben. Ich bin indessen weit davon, dieser Eintheilung der Fett- gewebsentwieklung in primäre und sekundäre einen besonders hohen Werth beizumessen. Es ist wahr, dass sie dazu dienen kann, die hier beschriebenen extremen Formen des betreffenden Entwicklungsprozesses näher zu präcisiren; aber sie ist, gleich- wie die meisten ähnlichen Eintheilungen, künstlich, indem sie die Zwischenformen nicht berücksichtigt. Dass ähnliche Zwischenformen existiren, ist sicher. So findet man z. B. um die Haarbulbi im Kopfe des Men- schenfötus kleine Inseln lockeren, ziemlich zellreichen Bindege- webes, in welche nachher die Fettfüllung stattfindet. Auch hier sind somit die Fettlobuli in gewisser Hinsicht präformirt, aber sie entstehen, wie es scheint, nicht lange vor der Impletion, sie besitzen niemals irgend eine besonders ausgeprägte Vascularisirung und schliesslich ist ihre Begrenzung gewöhnlich wenig scharf; ich glaube deshalb, dass der Prozess am besten zu der sekundären Fettgewebsbildung zu rechnen ist. Unabhängig von der Tragweite dieser Eintheilung glaube ich indessen, dass das Faktum feststehen wird, dass die Fett- zellen sich aus fixen Bindegewebszellen entwickeln, welche ent- Zur Kenntniss des Fettgewebes. 567 weder schon vor der Fettfüllung eine mehr weniger ausgeprägte lobulare Anordnung angenommen haben, oder auch erst mit der Fettfüllung eine solehe annehmen, resp. mehr weniger vereinzelt bleiben. Zusammenfassung. 1) Alle Fettzellen scheinen aus fixen Bindegewebszellen her- vorzugehen. 2) Diese können dabei schon lange vor der Fettimpletion eine Anordnung in Lobuli mit eigenem Gefässsystem annehmen. Die so gebildeten eireumseripten Gewebsparthien werden Primitiv- organe genannt — der Prozess primäre Fettgewebsbildung; 3) oder auch kann eine ähnliche speeielle Anordnung der künftigen Fettzellen um die Zeit des beginnenden Impletions- prozesses fehlen — sekundäre Fettgewebsbildung. 4) Bei der primären Fettgewebsbildung beim Kalb, Menschen u. s. w. können die Zellen bis zur Zeit der Fettimpletion ästige Form beibehalten — primäre Fettgewebsbildung ohne (bedeutendere) Protoplasmavermehrung; 5) oder auch können, wie bei Ratte, Kaninchen, Meer- schweinchen u. a. die auch hier anfangs ästigen Zellen so bedeutend an Volumen zunehmen, dass sie sich dieht aneinander legen und polygonale Form annehmen. Erst in diesen polygonalen Zellen tritt dann das Fett auf — primäre Fettgewebsbildung mit (bedeutenderer) Protoplasmavermehrung. 6) Wo die Zellen protoplasmareicher sind, fliessen die Fett- tropfen spät zusammen ; die Zellen behalten lange eine maulbeer- ähnliche Form bei. 7) Bei gewissen Thieren, z. B. der Ratte, bleiben die Zellen des primär gebildeten Fettgewebes regelmässig während des ganzen Lebens auf diesem Stadium stehend. Das Gewebe hat hier gewisse vom gewöhnlichen (weissen) Fettgewebe abweichende makro- und mikroskopische Eigenthümlichkeiten: “Winterschlaf-“ oder „Fettdrüse* = braunes Fettgewebe. Methoden. Bei den makroskopischen Untersuchungen über die Ausbrei- tung des Fettgewebes der Ratte habe ich mich ausser direceter Dissektion der Sägeschnitte bedient, in transversaler oder sagit- 568 J. Aug. Hammar: taler Richtung durch den hartgefrorenen Thierkörper gelegt. Nach einem raschen Abspülen in warmem Wasser, um die Schnitt- flächen von Sägespänen zu befreien, sind die Schnitte in 10 ®/, Formalinlösung aufgethaut worden, in welcher die verschiedenen Fettgewebsarten auch bei längerer Aufbewahrung ihre makros- kopischen Eigenthümlichkeiten ziemlich beibehalten. Das braune Fettgewebe ist theils frisch, theils fixirt in ver- schiedenen Flüssigkeiten untersucht worden: Müller’s Flüssig- keit (14 Tage); !/,—!/,°/, Osmium (einige Stunden bis 1 Tag) mit nachfolgender Behandlung mit Müller’s Flüssigkeit während wenigstens emer Woche; Flemming's Flüssigkeit; Sublimat; Pikrinsäure + Sublimat (gesättigte Lösungen aa). Auch Formalin habe ich angewandt, ohne davon irgend einen besonderen Vor- theil erfahren zu haben. Das Material ist nach gebührender Vor- behandlung eingebettet und in Paraffin geschnitten worden. Nach Abprobiren einer ziemlich grossen Anzahl Färbemittel bin ich bei einem Paar geblieben, mit denen ich vorzugsweise gearbeitet habe: theils Hämatoxylim-Eosin-Färbung mit Aufheben entweder in Kochsalzglycerin oder Balsam, theils v. Gieson’s Färbung ; ich habe diese meist in Form von successiver Färbung mit Hämatoxylin und Kultsehitzky’s Rubinlösung angewandt (Anat. Anz. Bd. VII, p. 37). Auf Material mit vorhergehender Fisirung in successive Osmium und Müllers Flüssigkeit (siehe oben) angewandt, lässt diese Methode die Altmann’schen Granula mit Deutlichkeit bervortreten. Zu Kernstudien habe ich mich u.a. mit Vortheil Ehrlich’s Flüssigkeit nach Bizzozero bedient (eit. in Behrens, Kossel und Schiefferdeecker: Das Mikroskop p. 204.) Für mein Entwicklungsmaterial sind gleichfalls die meisten der oben genannten Fixirungsflüssigkeiten in Anwendung gekommen. In einigen Fällen ist die Fixirung in Kleinenberg’s Pikrin- schwefelsäure, in einem Paar anderen m Perenyi's Flüssigkeit ge- schehen. Die Färbungsmethoden sind auch hier die oben ange- führten gewesen. Für das Studium des (jungen oder entwickelten) subeutanen Fettgewebes ist ausser der Schnittmethode auch die von Flemming empfohlene Ranvier'sche Oedemmethode in verschiedenen Modi- fikationen in Anwendung gekommen. Das Oedem ist theils mit indifferenter Flüssigkeit angelegt und das Gewebe im frischen Zur Kenntniss des Fettgewebes. 569 Zustande untersucht worden; theils durch subeutane Einspritzung von Müller’s Flüssigkeit, '/, °/, Osmium oder Flemming’s Flüssig- keit, worauf Fixirung und Härtung entweder auf gewöhnliche Weise fortgesetzt wurde und das paraffineingebettete Material in Schnitten mit verschiedener Richtung untersucht wurde; oder auch, was mir in gewissen Hinsichten empfehlenswerther scheint, sind Scheerenschnitte direet von dem mit irgend einer der beiden erstgenannten. Flüssigkeiten angelegten Oedem genommen worden. Diese Schnitte wurden auf den Objektträger ausgebreitet, das Deckgläschen aufgelegt und dieses durch einige in die Ecken gesetzte Tropfen geschmolzenen Paraffins fixirt. Die so bereiteten Präparate sind für fortgesetzte Fixirung in eine Schale mit Müller’s Flüssigkeit unter einigen Tagen niedergelegt worden. Von hier- aus werden sie in Aq. dest. versetzt, bis die Chromfarbe die Schnitte verlassen hat. Diese werden dann successiv in Häma- toxylin und Eosin gefärbt, in Kochsalzglycerin !) differentirt und entweder in derselben Flüssigkeit oder (wo das Fett nicht osmiumge- schwärzt ist) in 10°, Kochsalzlösung untersucht, welche, wenn man das Präparat zu einem Dauerpräparat machen will, später mit genanntem Glycerin ersetzt wird. Die Formverhältnisse der Bindegewebszellen treten in diesen Präparaten mit grösserer Deut- lichkeit als im frischen Materiale hervor. Auch die feinen Fett- tropfen heben sich bei stärkerer Vergrösserung sehr gut hervor. Upsala, Mai 1895. 1) Die Einzelheiten dieser Färbung betreffend siehe Hammar, Ueber den feineren Bau der Gelenke. Dies Archiv Bd. XXXXIII, pag. 272. 570 | 1%: 18. J. Aug. Hammar: Literatur. a) „Winterschlafdrüsef. Velsch. Anatome muris alpini. Ephemerid. acad. nat. cur. Dee. 1. ann. I. obs. 160. ‚1670. (20*). Harder. Anatome muris alpini. Ephemerid. acad. nat. cur. Dee. II. ann. IV. obs. 122. 1686. (20*). Sulzer. Versuch einer Naturgeschichte des Hamsters. Göttingen 1774. (20*). Scheuchzer. Philosoph. Transact. Vol. 34. (20 *). Pallas. Novae Species quadrupedum e glirium ordine Edit. 11. Erlangen 1784. (9°). Meckel. Abhandl. aus d. menschl. u. vgl. Anatomie. Halle 1806. (9*). Prunelle. Recherches sur les phenomenes et sur les causes du sommeil hivernal de quelques Mammiferes. Annales du museum d’histoire naturelle. T. XVIIIl. Paris 1811. (9*). .Mangili, G. Recherches sur les ph&nom£&ncs et sur les causes du sommeil hivernal de quelques Mammiferes. 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Schiefferdecker, P. und Kossel, A. Gewebelehre, Abth. I. 1891. 69. Solger,B. Zur Kenntniss osmirten Fettes. Anat. Anz. Bd. VIII. 1893. 70. Minot, Ch.S. Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen. Deutsche Ausgabe. Leipzig 189. 71. Sappey, Ph. C. Trait& d’anatomie generale. Paris 1894. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIX und XXX. Tafel XXIX. Fig. 1—5. Entwicklungsbilder des braunen interscapularen Fettge- webes der Ratte. Sämmtlich gezeichnet bei Hartnack. Ocul. III. Hom. Imm. Nr. I, eingeschobener Tubus. Fig. 1. Interscapulares Fettgewebe eines 1,2 cm langen Rattenfötus (vgl. Fig.7 F’). Se. = subeutanes Bindegewebe; F. org =Pri- mitivorgan des Fettgewebes; Blkr = Blutkörperchen in den weiten Blutsinus liegend; M = Muskelfasern. Pikrinsäure + Sublimat; Hämatoxylin; Eosin; Balsam. Fig. 2. Do. aus einem 2,4 cm langen Rattenfötus (vgl. Fig. 8 F’); Bikr = Blutkörperchen. Müller’s Flüssigkeit; Hämatoxylin; Kultschitzsky’s Rubinlösung. Fig. 3. Do. aus einem 3,7 em langen Rattenfötus; BE = Blutgefäss. Sublimat; Hämatoxylin; Eosin; Balsam. Fig. 4. Do. eines neugeborenen Rattenjunges, der noch nicht gesogen hat Bigf = Blutgefäss. Flemming’s Flüssigkeit; Hämatoxylin; Balsam. Fig. 5. Do. eines 1 Tag alten Rattenjunges von 4,5 cm Länge. Badgw —= interlobulares Bindegewebe; L = intracellulare Lücken, durch Auslösung des Fettes entstanden; 4/,/, Osmium; Müller- sche Flüssigkeit; Hämatoxylin; Eosin; Kochsalzglycerin. Fig. 6. Braunes Nierenfett einer ausgewachsenen Ratte. Die intra- cellularen Fetttropfen sind ausgelöst, rundliche Lücken im 574 P. Poljakoff: Protoplasma hinterlassend. Ck = Kern eines Capillargefässes; Fek — Kern einer Fettzelle.. Vergrösserung wie vorig.; Pikrinsäure + Sublimat; Hämatoxylin; Eosin; Kochsalz- glycerin. Fig. 7 und 8. Querschnitte durch die Interscapulargegend von resp. 1,2 und 2,4 cm langen Rattenföten. Se —= Scapula; Fu. F — Fettanlagen; die mit #” bezeichneten sind in Fig. 1 und 2 in vergrössertem Maassstab wiedergegeben. Hartn. Oc. III ÖObj. 2, eingeschobener Tubus. Tafel XXX. g.9 und 10. Primitivorgane des Nierenfettes von Kalbföten, 24 cm, resp. 41 cm lang. Im ersteren ist die Fettimpletion noch nicht begonnen; im letzteren umfasst sie rundliche, perivasculare Gebiete der Lobuli. N%k —= Nierenkapsel. Hartn. Oc. III Obj. 4, ausgezogener Tubus; Fig. 9. 1/;%, Chromsäure; Fig. 10 1/,0/, Osm.; Müller’sche Flüssigkeit; Hämatoxylin; Eosin; Koch- salzglycerin. Fig. 11. Primitivorgan des Nierenfettes eines Kalbfötus von 30,5 em Länge. Bilkr — Blutkörperchen. Vergrösserung, Färbung ete. wie in Fig. 5. Fig. 12. Unterhautbindegewebe mit Fettgewebsbildung von 1 Tag altem Rattenjunge; Hartn. Oe. III, Obj.4, ausgezog. Tubus; 1/,0/, Osm. Müller’sche Flüssigkeit; Hämatoxylin; Kultschitzsky’s Rubin- lösung; Balsam. Fig. 13. Wie vorig. Vergrösserung, Färbung etc. wie in Fig. 5. er q (Aus dem histiologischen Laboratorium von Prof. Th. Zawarykin in St. Petersburg). Beiträge zur mikroskopischen Anatomie und Physiologie des lockern Bindegewebes. Von Dr. med. P. Poljakoff. Hierzu Tafel XXXI. Ich habe im 32. Bande dieses Archivs, 1888, S. 123 unter dem Titel: Ueber eine Art von fettbildenden Organen im lockeren Bindegewebe eine Arbeit veröffentlicht, als deren Fortsetzung die Beitr. z. mikrosk. Anatomie u. Physiologie d. loekern Bindegewebes. 575 o D Untersuchungen zu betrachten sind, über welehe ich im Nach- folgenden kurz berichten will. Der Mittheilung der Resultate schicke ich eine eingehendere Besprechung des Untersuchungs- verfahrens vorauf. Ich benutzte vorzugsweise Meerschweinchen, deren Unter- hautzellgewebe, Netz, Gekröse sowie die anderen Bildungen des lockern Bindegewebes vor den gleichen Organen anderer Thiere für den Forscher unbestreitbare Vorzüge aufweisen. Bei Ausführung der Untersuchung war die volle Aufmerksam- keit darauf gerichtet, dass die Objekte möglichst ihren natürlichen Zustand bewahren, dass ihre Form, Grösse und Consistenz mög- lichst unverändert bleibe. Zu diesem Zwecke fiel die Wahl einer- seits auf die Gewebselemente möglichst sicher fixirende Substanzen, andererseits wurden die Objekte der Untersuchung einer möglichst wenig complieirten nachträglichen Bearbeitung unterworfen. Diesen Anforderungen entspricht in allen Beziehungen die be- kannte Ranvier’sche, von mir schon früher verwendete, in ihren Einzelheiten etwas abgeänderte Methode der Auslösung eines subeutanen Oedems bei lebenden, vollständig gesunden Thieren durch Injeetion irgend einer die Gewebselemente rapid fixirenden Flüssigkeit in das Unterhautzellgewebe desselben. In Anbetracht dessen, dass bei dieser Untersuchungsmethode die fixirende Flüssigkeit unmittelbar und gleichzeitig auf die Gewebselemente selbst in der ganzen Masse des zu untersuchen- den Objektes einwirkt, in Anbetracht der zarten Struktur dieser Elemente muss der Concentration der fixirenden Lösungen be- sondere Aufmerksamkeit zugewandt werden. Die Erfahrung lehrt, dass Weingeist, Aether sowie andere in denselben gelöste Substanzen auf die Gewebselemente höchst ungünstig einwirken, indem sie deren Struktur, Gestalt und Con- sistenz verändern. Unersetzbar ist dagegen das Pikrokarmin in Lösungen von mittlerer Concentration und ergiebt dasselbe die glänzendsten Resultate, welche der Beobachter des lockern Bindegewebes nur irgend wünschen kann. Hierunter verstehen wir nicht das im Handel erscheinende Pikrokarmin, sondern eigens präparirtes, dessen Bereitung ich nunmehr genauer mittheilen will. Ein solehes Pikrokarmin kann man herstellen, indem man Ranvier’s Anweisungen folgt, indem man jedoch die Lösung 576 P.APo 1) lalklolkt: nicht bis zum trockenen Reste eindampft, sondern sich darauf beschränkt, sie bis zu einem Drittel ihres Volumens einzudampfen; wenn hierbei der Ueberschuss an Ammoniak nicht entfernt ist, setzt man Aqu. destillat. bis zum anfänglichen Volumen zu und wiederholt die Operation, bis man eine neutrale Lösung erhält. Diese Lösung muss nun wieder mit Wasser bis zu der gehörigen Coneentration (bis zur Farbe einer Kirschessenz) versetzt und eine halbe Stunde lang gekocht werden. Hierauf wird die Lösung heiss filtrirt und 24 Stunden lang abgekühlt. Aus der so erhaltenen Pikrokarminlösung wird während dieser Zeit der Ueberschuss an Pikrinsäure in Gestalt von pikrinsaurem Ammoniak ausgefällt, welches minimale Quantitäten von Karmin mitreisst. Nun ist die Pikrokarminlösung zum Gebrauche fertig. Die mühevolle Herstellung des Pikrokarmin wird durch die schöne Qualität desselben reichlich aufgewogen. Die vorzüglichen Eigenschaften dieses Pikrokarmins bestehen darin, dass dasselbe 1) die zarten Gewebselemente des lockeren Bindegewebes ausgezeichnet fixirt, indem es bei der Injection unmittelbar auf dieselben einwirkt; 2) Grösse, Gestalt und Consistenz der Gewebselemente nicht verändert, sondern selbst die zartesten Bildungen treu bewahrt, sowie die Details derselben hervortreten lässt; 3) worzügliche Wahlfärbung giebt, indem es die Kernsubstanz der Zellen sowie die Faserbündel der collagenen Substanz rosa färbt, die Protoplasmasubstanz der Zellen aber sowie die elasti- schen Fasern — strohgelb; 4) niemals in dem Maasse überfärbt, dass Entfärbung des Präparates nöthig würde; 5) verschiedenartige Einschlüsse im Zellprotoplasma weder beseitigt noch verändert ; 6) bei längerem Stehen nieht verdirbt (Autor bewahrt das- selbe nun seit 6 Jahren auf, ohne dass es verdirbt). Setzt man jedoch der Pikrokarmmlösung in entsprechender Menge Osmiumsäurelösung bei, so erhält man ein in allen Be- ziehungen ideal wirkendes Reaktiv, welches ausser den höchst wichtigen oben erwähnten Eigenschaften noch eine besitzt, näm- lich den Fettbildungen schwarze Färbung zu verleihen und hier- Beitr. z. mikrosk. Änatomie u. Physiologie d. lockern Bindegewebes. 577 dureh zur Erkennung von Protoplasmabildungen beizutragen, welche die ersteren enthalten. Entsprechend den früher beobachteten Bedingungen wurden die Präparate in neutrales (nicht angesäuertes!) leicht mit Wasser verdünntes Glycerin eingeschlossen, um eine Abgabe von Wasser seitens der Gewebselemente zu vermeiden. Im Allgemeinen wurden die Präparate zur Untersuchung auf folgende Weise hergestellt. Das auf das Brett aufgebundene Versuchsthier wurde leieht chloroformirt. Alsdann wurde an einer vorher vom Haar befreiten Stelle vermittels der Koch’- schen Injeetionsspritze langsam und gleichmässig eine Lösung von Pikrokarmin allein oder mit 0,5°/, Osmiumsäure (2 Theile auf 1) vermischt in das Unterhautzellgewebe eingeführt. Hierauf wurde nach Ineision der Haut über dem nun entstandenen Oedem des Unterhautzellgewebes das ganze gefärbte, scharf abgegrenzte ödematöse Gewebe vermittels einer kleinen Cowper’schen Scheere ausgeschnitten und sofort in eine reine Pikrokarmin- lösung versetzt, woselbst es 12—24 Stunden lang verblieb. Die letztere Manipulation hatte den Zweck: 1) das zur Untersuchung entnommene Gewebe vom ausgeflossenen Blut sowie andern Verunreinigungen an der Öherfläche desselben zu säubern; 2) allzustarker Contraktion des Gewebes vorzubeugen: 3) aber demselben die Möglichkeit zu bieten, nach der durch die Injection der Flüssigkeit hervorgerufenen Distension wieder soweit zusammenzufallen, um nach Möglichkeit das normale Aussehen wieder zu gewinnen; 4) die Färbung des Gewebes prägnanter zu machen. Hierauf wurde eine Reihe (50—100) von Objektgläsern präparirt, mit daraufliegenden Glycerintröpfehen, dann wurden vermittels der Cowper’schen Scheere kleine Theilehen der Kegel, welche beim Fassen des in der Pikrokarminlösung befind- lichen Gewebes mit der spitzauslaufenden Pincette entstehen, ab- geschnitten und in Glycerin auf die Gläser gebettet. Die in Glycerin gelegten Schnitte wurden mit Gläschen bedeckt und so- fort mit Paraffin oder irgend einem andern Kitt verklebt. Nun sind: die Präparate fertig; doch treten die Details auf denselben erst am zweiten bis dritten Tage mit grosser Deutlichkeit hervor. Um die Gewebselemente unter verschiedenen Ernährungs- verhältnissen zu beobachten, war das Versuchsthier mehr oder 978 Baron aalonßk: weniger lange andauernder Inanition sowie nachfolgender Mä- stung unterworfen, wobei unter jeder der wechselnden Be- dingungen besondere Präparate entnommen wurden. Ebenso wurden die Gewebe von Thieren in verschiedenem Alter untersucht. Aeusserst befriedigende Resultate wurden bei Anwendung des bekannten Ziegler’schen Verfahrens zur Unter- suchung der Gewebsbildung durch die beweglichen kugelförmigen Zellen erzielt. Absolut reine Deckgläschen wurden fast bis zu voller Berührung mit einander zusammengelegt, an den Ecken mit Siegellack verklebt und mit der einen Kante in eine sterili- sirte physiologische Kochsalzlösung getaucht, wobei der Capillar- raum zwischen den Gläschen mit derselben angefüllt wurde; hierauf wurden dieselben dem Versuchsthiere für eine Frist von 1—14 Tagen unter die Haut oder in die Bauchhöhle eingeführt. Hierbei wurden die nöthigen Maassregeln beobachtet, um eine Blutung zu vermeiden und die unvermeidliche entzündliche Reaction in dem die Gläschen umgebenden Gewebe ohne Eiterung verlaufen zu lassen. Die aus dem Unterhautzellgewebe oder der Bauchhöhle herausgeholten Gläschen wurden sofort in eine Osmiumsäurelösung (0,5 %/,) getaucht, in welcher sie von dem sie verkittenden Siegel- lack befreit wurden, und hierauf vorsichtig von einander getrennt. Nachdem die Gläschen eine halbe Minute lang in dieser Lösung gelegen hatten, wurden dieselben in eime Pikrokarminlösung übergeführt, wo sie im Verlaufe von 12—24 Stunden verblieben. Aus dieser wurden die mit destillirtem Wasser abgewaschenen Gläschen auf Objektgläser gelegt, in Glycerin gebettet und mit kaltem Siegellack verklebt. Parallel mit dem Studium des Unterhautzellgewebes nach Ranvier und Ziegler wurden bei denselben Thieren das Netz, Gekröse, die Milzpulpa und das Knochenmark untersucht. Zu diesem Zweck wurden dem Thiere zuerst 10—12 Gramm einer Mischung von Osmiumsäure- und Pikrokarminlösung in die Bauchhöhle eingeführt, worauf die Bauchwand sofort geöffnet, Netz, Gekröse und Milz herausgeschnitten wurden, welche dann auf 24 Stunden in eine Pikrokarminlösung kamen. Hierauf wurden aus denselben in Glycerin eingeschlossene Präparate verfertigt. Beitr. z. mikrosk. Anatomie u. Physiologie d. lockern Bindegewebes. 579 Hier haben nur diejenigen Untersuchungsmethoden Erwähnung gefunden, welche beständig gute Resultate ergaben; doch sind dieses nicht die einzigen bei Ausführung vorliegender Unter- suchung angewandten. Es ist viel Zeit und Mühe auf die Prüfung zahlreicher anderer Untersuchungsmethoden verwandt worden, in der Hoffnung, die Möglichkeit zu erreichen, konstante zur Einschliessung in Harze taugliche Präparate zu erhalten, doch sind bis jetzt keine befriedigenden Resultate in dieser Hinsicht erzielt. Indem ich nun hier auf eine eingehende Schilderung meiner Befunde verzichte, gebe ich nur in kurzer Fassung die Ergebnisse meiner Untersuchungen wieder, die das in der genannten frühe- ren Arbeit niedergelegte theils bestätigten, theils erweitern: 1) Die zelligen Elemente des lockern Bindegewebes besitzen keine beständige, unveränderliche, für dieselben charakteristische Gestalt, sondern ihre Form verändert sich ununterbrochen unter dem Einflusse der verschiedensten Bedingungen, als: Ernährung, specielle Lebensthätigkeit, mechanisehe Lebensbedingungen. Die einzige Form der Zellen, aus welcher alle übrigen Formen hervor- sehen, zu welcher sie oft wieder zurückkehren, ist die kugel- förmige. Folglich besitzt die Eintheilung der Zel- Beniuinssch (ihrer äusseren Kokmn ka keinen Werth! Ebensowenig lässt sich eine Eintheilung der Binde- gewebszellen auf Grund der Struktur ihres Protoplasma oder des verschiedenartigen Inhaltes desselben durchführen, da die Struktur des Protoplasma sowie die Natur des Inhaltes des- selben beständig wechselt, in Abhängigkeit von dem Alter, den Ernährungsverhältnissen, sowie der Lebensthätigkeit der Zelle. Die meiste logische Berechtigung hat die Eintheiluug der Zellen nach dem Charakter ihrer Lebensthätigkeit für sich, mit welcher auch die am meisten constanten äusseren Merkmale im Zusammenhange stehen. Nach diesem Prineip kann man die zelligen Elemente des lockern Bindegewebes ein- theilen in a) speciele bewegliche Bindegewebszellen, welche einen Theil der Lymphzellen, weisse Blut- körperchen bilden: bei ihrer Umwandlung ergeben sie diejenigen Zellen, welche als Ranvier’s plattenförmige 580 P. Poljakoft: Zellen, Waldeyer’s Plasmazellen, Ehrlich’s Mastzellen bekannt sind; b) fettbildende Zellen, welche sich n Fettzellen umwandeln; ec) gewebsbildende Zellen — die von mir sog. Weberzellen; d) rudimentäre Zellen, welche nur zum Theil den schlummernden Zellen von Grawitz ent- sprechen: e) gefässbildende Zellen, welche Ranvier’s vasoformativen Zellen entsprechen; f) fettübertragende Zellen (aus den Fettzellen in die Blutgefässe — die sog. Adipophoren. 2) Als typische Zelle des lockern Bindegewebes ist eine bewegliche kugelige Form anzuerkennen, welche ihre Lebens- thätigkeit in der einen oder der andern Richtung beginnen und so die eine oder andere der übrigen Arten von Zellen er- geben kann. 3) Indem die beweglichen kugelförmigen Zellen des lockern Bindegewebes in die Blutgefässe gelangen, werden sie zu Form- elementen des Blutes, indem sie eine von den Arten der weissen Blutkörperchen darstellen. 4) Die Bindegewebszellen besitzen gleich den Leucocyten die Fähigkeit, sich mit Hülfe amöboider Bewegungen frei fort- zubewegen; auch besitzen dieselben im höchsten Grade ausge- bildete phagoeytäre Fähigkeit. 5) Alle Arten von zelligen Elementen des Bindegewebes, als aus den sub 2 genannten beweglichen kugelförmigen Zellen hervorgegangen, haben das Bestreben, eben diese Gestalt wieder anzunehmen, sobald das Gewebe mehr oder weniger stark ge- reizt wird. 6) Waldeyer’s Plasmazellensindinaktive kugel- förmige bewegliche Bindegewebszellen, welche sich unter günsti- gen Ernährungsverhältnissen befinden, weshalb sie sehr leicht in Fettzellen umgewandelt werden können, sobald sie m den Zustand der Unthätigkeit aufgeben. 7) Ehrlieh’s Mastzellen sind ihrer Herkunft nach an Protoplasma reiche Bindegewebszellen (Waldeyer's Plasma- zellen, atrophische Fettzellen u. A.), welche sich in schlech- Beitr. z. mikrosk. Anatomie u. Physiologie d. lockern Bindegewebes. 581 tenErnährungsverhältnissen befinden. Im Allgemeinen stellen sie jedoch absterbende Zellen dar; es sind dieses beinahe Leichen von Bindegewebszellen. 8) Die fixen Ranvier’schen plattenförmigen Zel- len des lockern Bindegewebes existiren in Wirklichkeit gar nieht in der Gestalt, wie sie auf Zeiehnungen abgebildet werden; dieselbe ist das Resultat der groben Untersuchungsmethoden; die Zellen besitzen fast immer mehr oder weniger lange Fortsätze, welehe in der Richtung der ceollagenen Faserbündel verlaufen und mit den weiter unten näber zu schildernden rudimen- tären Zellen versehen sind. 9) Je reieher die Bindegewebszellen an interfilarer Proto- plasmasubstanz sind, um so mehr Potentialenergie besitzen die- selben. Sobald aber die filare Substanz des protoplasmatischen Stroma vor der interfilaren zu prävaliren beginnt, beginnt auch die Potentialenergie der Zelle zu sinken. 10) Die Fettzellen des lockern Bindegewebes stammen von den kugelförmigen beweglichen Zellen desselben Gewebes ab, indem sie das Resultat der produetiven Thätigkeit dieser letzteren darstel- len, welche in diesem Falle gleich einzelligen Drüsen funetioniren. 11) Sobald die beweglichen Bindegewebszellen Fett zu produeiren beginnen, werden sie immobil, wobei sie gleich allen übrigen unbeweglichen Zellen Protoplasmafortsätze zu den be- nachbarten Faserbündeln sowie den andern unbeweglichen Zellen aussenden, um sich am Platze zu fixiren. 12) Wie das Protoplasma an der Anfüllung der Fettzellen mit Fett activen Antheil nimmt und der ganze Process von der Lebensthätigkeit des Protoplasma abhängt, in dem gleichen Maasse spielt das Protoplasma bei Atrophie der Fettzellen, bei dem Schwinden des Fettes aus demselben, eine passive Rolle, indem der Process selbst von mechanischen Bedingungen abhängt. 13) Während der Inanitionsperiode des Versuchsthieres wird das Fett der Fettzellen an die Oberfläche derselben aus- geschieden in Folge der hierbei entstehenden Differenz in der Spannung innerhalb und ausserhalb der Zellen, sowie in Folge der Contraetion des Protoplasma; hierbei wird das Fett bei seinem Durchgang durch die retieuläre Protoplasmahülle, welche dasselbe umgibt, in kleinste Kügelchen gespalten, welche von den beweglichen Bindegewebszellen, sowie den Leucoeyten behufs 582 P.iPxel jlalktolnf: Ueberführung ins Blut aufgefangen werden. Vgl. hierzu das l. e. 1888 Mitgetheilte. 14) Ausser der Vermittlung der beweglichen kugelförmigen Bindegewebszellen, sowie der Leueocyten existiren zum Zwecke der Ueberführung des Fettes aus den Fettzellen ins Blut noch eine andere Art von Ueberbringern — unbewegliche Zellen mit sehr langen, relativ dieken vielverzweigten Protoplasmafortsätzen, welche die Fettzellen umfassen und zugleich mit den Bluteapillaren und nachcapillaren Venen in Verbindung stehen. Dieses sind die fettübertragenden Zellen — die sog. Adipophoren. Diese adipophoren Zellen ersetzen gewissermaassen die Aus- führungsgänge einzelliger Drüsen — der fettbildenden Zellen. Doch ist es bisher nicht gelungen festzustellen, ob die Adipophoren nur bei Inanition des Organismus in dieser Richtung functioniren, oder vielleicht auch zu jeder andern Zeit indem sie dann gleichsam wirkliche Ausführungsgänge der Fettzellen (Fettdrüsen) repräsentiren. 15) Die seröse Atrophie der Fettzellen ist das Re- sultat der veränderten abnormen Thätigkeit der Fettzellen, in ihrer Eigenschaft als einzellige Drüsen. 16) Flemming’s Wucher-Atrophie repräsentirt Regeneration der Fettzellen nach vorhergehender Atrophie im Allgemeinen sowie insbesondere (das Resultat energischer Kern- vermehrung. 17) Der letzteren Erscheinung (der Kernvermehrung) geht die Regeneration der Protoplasmasubstanz der Zelle voraus, wo- bei der Vorgang durch Wachsthum der imterfilaren Substanz des Protoplasmas während des statthabenden reichlichen Zuflusses an Nährstoffen zu den Zellen eingeleitet wird. Eben diese Proto- plasmasubstanz von zarter Consistenz, welche das filare Stroma der alten Zelle umhüllt, sich weit über die Grenzen desselben hinaus verbreitet, spricht Bizzozero in seiner neuesten Unter- suchung als „schleimige“ Substanz an; dieses ist jedoch nieht richtig. Zu schleimiger Substanz wird dieselbe erst nach dem Tode, indem sie postmortale chemische Veränderungen erleidet. 18) Die Produktion der Fibrillen und Faserbündel der collagenen Substanz hängt vollständig von der gewebsbildenden Thätigkeit der Bindegewebszellen ab. Ich nenne diese in dieser weise thätigen Bindegewebszellen „Weberzellen“. Sie Beitr. z. mikrosk. Anatomie u. Physiologie d. lockern Bindegewebes. 583 scheiden aus ihrem Protoplasma äusserst dünne Faserfortsätze, gleich wie die Spinne das Spinngewebe, aus, indem sie dabei beweglich bleiben, oder sie werden immobil, indem sie sich ver- mittels hierzu ausgesandter Protoplasmafortsätze an den benach- barten Bündeln und Zellen fixiren. Das was Ranvier unter der Bezeichnung „Clasmatose* beschrieben hat, gehört hierher, stellt eine Bildung von collagenen Fibrillen seitens der von mir sogen. Weberzellen dar. 19) Auf diesen Faserfortsätzen der Zellen befinden sich die rudimentären Bindegewebszellen, welche von den Weberzellen produeirt werden. 20). Die rudimentären Zellen des Bindegewebes enthalten zwar sämmtliche Elemente der Zelle, sind aber nur potentiale Zellen, indem sie die Reservekräfte des Gewebes und des Organismus repräsentiren und zu wirklichen Zellen nur dann werden und ihre Lebensthätigkeit entfalten, wenn das Gewebe gereizt wird. 21) Mit der Entdeckung der Existenz der rudimentären Zellen gewinnt die faserige Grundsubstanz des Bindegewebes in unserer Vorstellung gleichsam Leben. Früher war es schwer zu erkennen, wo in diesem Gewebe das Leben enthalten sei, ob in den Zellen oder im der fasrigen Grundsubstanz desselben. Die einen wie die andere schienen von einander unabhängig zu existiren. Zu welchem Zwecke hier .die unbeweglichen Zellen existiren, wie sich die Fasern ernähren und wodurch sie leben, war unbekannt. Jetzt stellt es sich heraus, dass die Zellen wie die Fasern des Bindegewebes ein gemeinsames Leben haben. Die am meisten aktive Rolle kommt bei diesem Leben den Zellen zu, mit welchen die fasrige Grundsubstanz in unmittelbarem Zusammenhange steht und dureh deren Vermittlung sie haupt- sächlich ibre Ernährung besorgt. Folglich ist die fasrige Grundsubstanz des Bindegewebes nicht nur mit Leben begabt, sondern enthält dieselbenoch potentiale Energie in Gestalt der rudimentären Zellen, während die aus- gebildeten zelligen Elemente des Gewebes die kinetische Energie desselben repräsentiren. 22) Die Weberzellen des Bindegewebes produeiren aus der interfilaren Substanz ihres Protoplasma collagene Fibrillen, aus der filaren Substanz desselben — elastische Fasern, 584 mol) ao Was die in dieser Beziehung (s. die Sätze 18—22) beobachteten Thatsachen anlangt, so weisen wir darauf hin, dass die typische kugel- förmige Zelle des lockern Bindegewebes diese ihr eigene Gestalt nicht lange bewahrt, sondern alsbald Protoplasmafortsätze von verschiedener Dieke aussendet, welche mit perlsehnurartig aufgereihten Verdiekungen von verschiedener Form und Grösse ver- sehen sind, die gewöhnlich an ihrem Ende gleichfalls aufgetrieben erscheinen. Diese perlschnurartig aufgetriebenen Protoplasmafortsätze weisen oft Verzweigung auf; die Verzweigung geht gewöhnlich von einer der aufgetriebenen Stellen des Protoplasmafortsatzes aus, wobei Anastoınosen der Fortsätze einer Zelle fast niemals zu bemerken sind, obwohl man Anastomosen der Fortsätze mit denjenigen einer andern Zelle beobachten kann (s. Fig. 5, 6 und 9). Diese Fortsätze des Zellen- protoplasma erreichen sehr bedeutende Längen, indem sie bald selbst- ständig in den Zwischenräumen zwischen den Fasern verlaufen, wobei sie die im Wege liegenden elastischen und Collagenfasern unter ver- schiedenen Winkeln kreuzen, bald an den Letzteren auf verschiedener Entfernung oder in ihrem ganzen Verlaufe anliegen (s. Fig. 8). Die Zellen, von denen diese Fortsätze ausgehen, liegen entweder frei in den Zwischenräumen zwischen den Fibrillen, indem sie zuweilen an die nächstliegenden Fasern durch kurze Fortsätze befestigt sind, welche keine Auftreibungen des Protoplasma aufweisen, oder sie liegen dicht an den collagenen Faserbündeln an, welche sie mit ihren Fortsätzen umfassen. Beobachtet man an verschiedenen Zellen die Uebergangsformen der langen Protoplasmafortsätze, welche mit perlschnurartig aufgereih- ten Auftreibungen versehen sind, so ist zu bemerken, dass die umfang- reicheren Auftreibungen des Protoplasma nicht homogene Struectur zeigen, sondern aus zwei in optischer Hinsicht verschiedenen Substan- zen bestehen: der Innern, von reticulärem Bau, welche durch Pikro- karmin zuweilen deutlich rosa gefärbt wird, zuweilen sogar eine ge- sättigte rosa Färbung annimmt, in den meisten Zellen jedoch gar keine, und zweitens der äussern die Erstere umhüllenden Substanz von homogener Structur, welche im Vergleich zur Ersteren starke Lichtbrechung besitzt und mit der Substanz des Zellenfortsatzes selbst gleichartig ist. In andern Fällen ist deutlich zu sehen, dass wir es in der Innensubstanz der ersten bedeutenderen Protoplasmaauftreibung mit dem Zellkern zu thun haben, welcher sich von dem Hauptkern der Zelle auf die gewöhnliche Art und Weise abtrennt, jedoch unter solchen Umständen aus unbekannten Gründen, wie es sich erweist, nicht immer durch Pikrokarmin rosa gefärbt wird. Die Auslösung jeder folgenden Auftreibung erfolgt aus der Vorhergehenden, wobei auch die dieselben verbindende Protoplasmafaser entsteht. Auf solche Weise entsteht der ganze sehr lange Faserfortsatz, welcher an seinem Ende immer aufgetrieben ist. Die optische Natur aller Auftreibungen des Faserfortsatzes, die am Ende desselben be- findliche mit eingeschlossen, ist der Ersten oben geschilderten iden- Beitr. z. mikrosk. Anatomie u. Physiologie d. lockern Bindegewebes. 585 tisch: die Innensubstanz zeigt schwächere, die Aeussere stärkere, in dieser Beziehung mit der Substanz des Faserfortsatzes gleiche Licht- brechung. Betrachtet man nun diese Zellen init Faserfortsätzen im lockern Bindegewebe unter den verschiedensten Verhältnissen, so gelangt man nothwendig zu der Ueberzeugung, dass unter natürlichen normalen Bedingungen sich weder die Faserfortsätze mit ihren Auftreibungen, noch die Auftreibungen selbst von der sie hervorbringenden Zelle los- trennen, sondern vielmehr mit der Letzteren in beständigem Zusam- ınenhange stehen: nur grobe mechanische Insulte oder die Behandlung der Präparate mit scharf wirkenden Reagentien können den Zusam- menhang zwischen der Zelle und ihren Fortsätzen aufheben. Manch- mal hat es selbst bei Beobachtung äusserst sorgfältig hergestellter Präparate den Anschein, als sei das Fäserchen mit seinen Auftreibun- gen oder diese Letzteren allein ganz selbstständig zu sehen. Doch darf man es bei diesem ersten Eindruck eines kurzen Blickes nicht bewenden lassen; es genügt eine Minute geduldiger Beobachtung, in- dem man das Fäserchen nach seinen beiden Enden hin verfolgt und zugleich die Mikrometerschraube des Mikroskopes spielen lässt, um in jedem Falle bis zu der Zelle zu gelangen, von welcher die Faser ihren Ausgang nimmt. Die oben angeführten Fakta lassen uns Ranvier’s Ansicht nicht annehmbar erscheinen, — dass wir es nämlich in diesem Falle mit Theilung des Protoplasma und vollständiger Abspaltung einzelner Theile desselben aus der Hauptmasse der Zelle zu unbekannten, doch wichtigen Zwecken, worauf die Verbreitung dieser Erscheinung im Organismus hinweist, zu thun haben. Damit werden auch die Termini: „Clasmatose*, „Clasmatocyten“ überflüssig. Im Gegentheil, Alles führt uns zu der Ueberzeugung, dass wir in diesem Falle nicht einen destructiven, sondern einen formativen Process vor uns haben, den Process der Bildung von Collagenfibrillen durch die Zellen des lockern Bindegewebes, und wenn es schon nothwendig ist, Alles nnd Jedes mit speciellen Benennungen zu ver- sehen, so verdienen diese Zellen jedenfalls den Namen „Weber- zellen“. Sie weben die zarten Fibrillen, welche zu Gruppen vereint, im jungen Gewebe Faserbündel bilden; im erwachsenen vollständig formirten Gewebe hingegen tragen sie zur Verstärkung der früher gebildeten Collagenfasern und Bündel bei. Daher kommt es nun, dass je älter ein Thier ist, je älter also sein lockeres Bindegewebe, um so mehr dieses Letztere collagene Faserbündel enthält und um so dicker diese sind. Was bedeuten nun die Auftreibungen der Faserfortsätze und welches ist ihr Schicksal? Bevor wir diese wichtige Frage beantworten, sei uns eine kleine Abschweifung in das Gebiet der neuesten Forschungen von Grawitz und dessen Schule verstattet. Seit lange schon beschäftigte die Forscher die Frage: wo bleiben 586 P. Poljakoff: die Zellenelemente des Bindegewebes, welches im Embryonalzustande an diesen so reich ist, im erwachsenen Zustande dagegen ihrer so wenig aufzuweisen hat? Woher kommen die selbst bei leichter Rei- zung des Gewebes von Neuem in Menge auftretenden zelligen Ele- mente? In ihren Untersuchungen sind Grawitz und seine Schüler der Lösung dieser schwierigen Frage näher getreten, indem sie im Binde- sewebe eine besondere Art von Zellen entdeckten, welche unter ge- wöhnlichen Verhältnissen nicht sichtbar sind, welche jedoch bei Reizung des Gewebes deutlich zu sehen sind. Diese Zellen sind von ihnen ruhende, „schlummernde Zellen“ genannt. Die erste diesbezüg- liche Mittheilung ist von Viering 1891 in seiner Untersuchung über Regeneration der Sehnen gemacht worden. In der entzündeten Sehne fand er folgende Arten von Zellen: 1) polynucleäre Leukocyten, 2) un- bewegliche fixe Bindegewebszellen, von theils ovaler, theils spindel- törmiger Gestalt, 3) Zellen in Gestalt von langgestreckten ovalen Ker- nen mit einem blossen Antlug von Protoplasma und 4) solche Zellen, welche im Normalzustande dem Anscheine nach nicht existiren; auf diese Letztern weisen nur parallel einherlaufende Streifen hin. Ist aber die Sehne in Reizzustand versetzt, so werden an der Stelle dieser Streifen zuerst schmale matte Kerne bemerkbar, späterhin auch ganze Zellen. Grawitz ist der Ansicht, dass diese Zellen aus der faserigen Grundsubstanz hervorgegangen sind, welche normal, wie es den Anschein hat, von diesen vollkommen frei ist. Doch ist dieses nur scheinbar der Fall, da sich die Zellen in latentem Zustande be- finden; die Kerne und Nucleolen derselben enthalten kein Chromatin und können nicht einmal durch Färbung sichtbar gemacht werden. Nur bei Ernährungsstörungen werden diese schlummernden Zellen allmählich wiedersichtbar. Zuerst treten die noch nicht chromatinhaltigen Kerne hervor; hierauf erscheint in denselben das Chromatin, an Menge zunehmend, in Folge dessen die Kerne nun Färbung annehmen und als enge Spindeln erscheinen. Um diese Zeit kann man an den Kern- polen bereits geringe Mengen von Protoplasma bemerken. Nun be- ginnt allmählich der Kern zu wachsen und die Protoplasmamasse zuzu- nehmen, sodass zuletzt eine spindelförmige mit Fortsätzen versehene Zelle entsteht, welche sich in keiner Hinsicht von den übrigen Zellen des gereizten Gewebes unterscheidet. Dieses ist in seinen Grundzügen das Resultat der jüngsten Unter- suchungen von Grawitz und dessen Schule. Die Zellen befinden sich im latenten Zustande in der faserigen Grundsubstanz, später werden die Zellen aus dieser faserigen Grundsubstanz regeneritt. Es versteht sich von selbst, dass aus der faserigen Grundsub- stanz als solcher keine Zellen regenerirt werden können, andererseits ist es auf den ersten Blick schwer deın beizustimmen, dass die faserige Zwischensubstanz nur eine andere Existenzform der Gewebszellen ist. Regeneration der Zellen ist selbstredend nur möglich aus Zellen („omnis Beitr. z. mikrosk. Anatomie u. Physiologie d. lockern Bindegewebes. 557 cellula a cellula“) oder deren Rudimenten, welche in der Grund- substanz eingeschlossen sind. Solche Rudimente von Zellen stellen die oben geschilderten perl- schnurartig aufgereihten Auftreibungen an den Faserfortsätzen der Zellen des lockern Bindegewebes dar. Dieselben enthalten alle Ele- mente der Zelle (Kern und Protoplasma), nur enthalten sie wenig Chromatin, wesshalb sie selbst an gefärbten Präparaten wenig sichtbar sind. Doch haben diese rudimentären Zellen weder Grawitz noch dessen Schüler gesehen; allein Ranvier ist dieses gelungen, doch war auch er, wie gesagt, nicht im Stande den wahren Sinn der von ihm beobachteten Erscheinung zu ergründen!). Ziehen wir den Umstand in Betracht, welche ungeheure Menge dieser rudimentären Zellen (vorläufig ohne bestimmte Funktion) im normalen lockern Bindegewebe zerstreut ist, dann lässt sich un- schwer die Erklärung dafür finden, woher selbst im schwach gereizten Gewebe eine Unzahl von zelligen Elementen mit solcher Schnelligkeit zur Entstehung gelangt. Alle diese rudimentären Zellen nehmen bei Irritation des Gewebes, welche stets mit reichlichem Zufluss von Nährstoffen einhergeht, bedeutend an Grösse zu, indem sie zugleich Chromatin ansammeln, und verwandeln sich in typische bewegliche kugelförmige Zellen des lockern Bindegewebes. Hierbei geht es augenscheinlich derart zu, dass die mit den von ihr gebildeten rudimentären Zellen vermittels der Faserfortsätze beständig in Contakt stehende Mutterzelle bei ihrer Erregung, die Letztere durch die Fortsätze den rudimentären Zellen mittheilt; der gleiche Weg dient wahrscheinlich auch der Ernährung der rudi- mentären Zellen,. wenigstens anfangs, bis zu ihrem Wachsthum. Hierauf werden die protoplasmatischen Faserfortsätze sowohl von Sei- ten der Mutterzelle, wie der rudimentären Zelle, je nach ihrer Angehörigkeit eingezogen, worauf sie alle zu selbstständigen Elemen- ten im irritirten Gewebe werden, ähnlich den Embryonalzellen. Diese Erscheinungen berechtigen uns zu der Annahme, dass die collagene faserige Grundsubstanz des lockern Bindegewebes ein Pro- dukt seiner zelligen Elemente ist, welches in beständiger und unzer- störbarer organischer Verbindung mit derselben steht, von ihnen seinen Nährstoff bezieht, zeitweilig, unter gewissen Umständen, in Erregung geräth und gesteigerte Lebensthätigkeit entfaltet, wobei die rudi- 1) Ausser ihm hatte wohl auch Renaut (Trait& d’histologie pratique. T. I. 1895) auf seinen Präparaten rudimentäre Zellen, daran lässt wenigstens seine Zeichnung glauben, welche Fasern und ein Netz aus langen Protoplasmafortsätzen der unbeweglichen Zellen des lockern Bindegewebes darstellt, welche an verschiedenen Stellen Auftreibungen zeigen; ein deutlicheres Bild konnte er nicht erhalten, da er sich zur Herstellung der Präparate der Ranvier’schen Methode bediente, indem er eine Eosinlösung in Weingeist in das Unterhaut- zellgewebe injicirte. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 39 588 P. Poljakoff: mentären Zellen zu voller Entwicklung gelangen, die Fasersubstanz Jedoch theilweise oder ganz in Zerfall geräth. Auf diese Weise verhält sich die Sache einfacher, als es nach den Arbeiten von Grawitz und dessen Schülern den Anschein hatte. Es ist wohl kaum nothwendig, die Unhaltbarkeit der Theorie von der Umwandlung der faserigen Grundsubstanz in Zellen, dem Auskrystalli- siren von Zellen aus derselben Substanz, eingehend zu argumentiren. Wir brauchen uns nicht auf speceulative Ausführungen einzulassen, zu deren Gunsten wir als Beweis Zellen anführen müssen, welche normal unter keinen Verhältnissen für das Auge wahrnehmbar sind, welche Niemand gesehen hat und deren Existenz durch Nichts bestätigt wer- den kann, während doch einem Jeglichen die Möglichkeit geboten ist sich unmittelbar von der zweifellosen Existenz der rudimentären Zellen des lockern Bindegewebes zu überzeugen, ebenso wie von der Unanfechtbarkeit der zelligen Natur dieser Letzteren, wozu nur eine vergleichende Beobachtungsreihe der Uebergangsformen von der mütterlichen Weberzelle bis zur rudimentären Zelle erforder- lich ist. Der geniale Schöpfer der Cellularpathologie, Virchow, hatte sich in der Frage über den Entzündungsprocess für die vorwiegende Theilnahme der Bindegewebszellen an demselben ausgesprochen; als Jedoch später unter dem Einfluss von Cohnheim’s Forschungen über den Entzündungsprocess fast die gesammte wissenschaftliche Welt diese Theorie fallen liess, um zu Cohnheim’s Ansicht überzugehen, welcher jede Theilnahme der Gewebselemente bei diesem Process in Abrede stellte und Alles den Leukocyten zuschrieb, konnte er zu Gunsten seiner Ansicht keine entscheidenden Beweise aufführen, wenn er auch von seinem guten Recht tief überzeugt war. Virchow’s zahlreiche Schüler, welche ihren Lehrer im Recht wussten, suchten vergebens seine Theorie durch neye Forschungen zu stützen. Doch der Leukocyt hatte solchen Beifall gefunden, beherrschte so die Geister, dass allzu eifrige Forscher ihm die unmöglichsten Eigenschaften zu- schreiben konnten und doch immer eifrige Nachfolger fanden. Wenn Alles hier über die rudimentären Zellen des lockern Bindegewebes Mitgetheilte durch andere Naturforscher Bestätigung finden sollte, kann die vorliegende Arbeit die Ehre für sich in Anspruch nehmen, zur Rehabilitirung der vollkommen gerechten, wenn auch nicht in allen Details unfehlbaren Ansicht Virchow’s von der Rolle der Bindegewebszellen im Entzündungsprocess beigetragen zu haben. Auf solche Weise legen die Weberzellen des lockern Binde- gewebes zugleich mit der Bildung von collagenen Gewebsfibrillen den Grund zu den rudimentären Zellen, d.h. sie formiren die Re- servekräfte des Gewebes, welche in Momenten zur Thätigkeit berufen werden, wo ein besonders grosses Bedürfniss an Zellen zum Kampfe mit schädlichen Faktoren oder zur Regeneration und Heilung zerstör- ter Gewebstheile fühlbar ist. Solcherart ist die Thätigkeit der Weberzellen nicht nur im Beitr. z. mikrosk. Anatomie u. Physiologie d. lockern Bindegewebes. 58) erwachsenen vollkommen ausgebildeten lockern Bindegewebe, sondern auch im jungen, in der Entwicklung begriffenen. Im jungen Gewebe wird ebenso zugleich mit der Faserbildung der Grund zu den rudi- mentären Zellen gelegt. Obwohl man beim ersten Blick denken “sollte, dass das junge in der Entwicklung begriffene Gewebe ohnedem an Zellenelementen Ueberfluss hat, von welchen sich ein Theil, in rudimentäre Zellen verwandeln könnte, geht in Wirklichkeit doch Alles wie im bereits formirten Gewebe zu, und nur ein winziger Theil der in Menge vorliegenden Zellenelemente verwandelt sich nach Ver- ausgabung seiner Kräfte zur Bildung von Gewebsfasern in rudimen- täre Zellen. Eben diesem verhältnissmässig geringen Theil der rudimen- tären Zellen könnte man den Namen „schlummernde“ Zellen beilegen, da sie früher voll Leben und Thatkraft waren, nun aber Alles zeitweilig aufgehoben ist und sie sich wirklich in inaktivem Zu- stande befinden (vita minima). Diese Benennung jedoch auf alle ru- dimentäre Zellen auszudehnen wäre ein logischer Fehler und nicht der Wirklichkeit entsprechend. Von Ruhe und Schlummer kann man nur als Existenzphase sprechen, welche einen vorhergehenden thätigen Zustand voraussetzt. In unseren Fällen waren die rudimen- tären Zellen noch nie in thätigem Zustande und ist es selbst nicht einmal sicher, ob dieselben überhaupt jemals aktiv in das Leben des Gewebes eingreifen werden. Hier wäre der Vermerk am Platze, dass die rudimentären Zellen nicht mit den Embryonalzellen zu verwechseln sind, da wir unter den Letztern einen ganz bestimmten ausgebildeten Typus von Zellen mit bestimmten Funktionen zu verstehen gewohnt sind; die rudimentären Zellen dagegen können streng genommen eigentlich noch nicht Zellen genannt werden, dieselben besitzen zwar alle bau- lichen Elemente der Zelle, es fehlt ihnen aber sozusagen noch die Seele, da sie bis auf Weiteres keine Lebensthätigkeit entfalten. Es sind dieses potentiale Zellen, gleichsam Zellen in spe, es sind rudimentäre Zellen, welche sich später unter günstigen Umständen zu wirklichen Zellen entwickeln und zuerst Gestalt und Eigenschaften der Embry o- nalzellen annehmen werden, bis die charakteristischen Anzeichen ihrer Zugehörigkeit zu den zelligen Elementen des lockern Binde- gewebes an den Tag treten. Die Thätigkeit der wunderbaren Weberzellen wäre nur lücken- haft gezeichnet, wollten wir nicht Einiges über das Ende derselben, wie es uns erscheint, hinzufügen. Sobald die bildende Kraft der Weberzellen in Bezug auf die Produktion von Collagenfibrillen scheinbar erschöpft ist, verwandeln sich dieselben endgiltig und gänz- lich mit ihrer gesammten Protoplasmasubstanz in elastische Fasern. Im Anfangsstadium dieser Metamorphose besitzt die Zelle das Aussehen einer plattenförmigen Zelle mit zahlreichen kurzen Proto- plasmafortsätzen. Hierauf tritt Vacuolisirung und Metamorphose des Protoplasma auf. Das ganze Protoplasma der Zelle erscheint spinnen- 590 P. Poljakoff: förmig, bestehend aus einem zerfaserten Bündel von kurzen, nach verschiedenen Richtungen auseinandergehenden Fasern, in dessen Mitte der bereits bedeutend erblasste Kern liegt. Zwischen den Fäser- chen sind zuweilen wechselnd grosse Körnchen einer stark lichtbre- chenden Substanz zu sehen, welche, wie oben bemerkt, überhaupt im Protoplasma absterbender Zellen vorkommt (Ehrlich’s Mastzellen). Die Fäserchen, in welche sich in diesem Falle die Protoplasma- substanz der Weberzellen verwandelt, müssen nach ihrer starken Lichtbrechung sowie ihrer Beständigkeit Säuren gegenüber als ela- stische erkannt werden. Der Kern einer solchen Zelle wird blass, bleibt ganz oder zerfällt allmählich (Chromatolyse). Anfangs wird in demselben ein grobmaschiges Netz sichtbar, zwischen dessen Maschen sich Vacuolen bilden; die Fäserchen des Kernnetzes besitzen zu dieser Zeit die Fähigkeit energisch Färbung anzunehmen; später erfolgt Zer- fall des Kerns in unregelmässig geformte Bruchstücke. In andern Fällen beobachtet man die Verwandlung in Fäserchen von augenscheinlich elastischer Natur nicht nur der protoplasmatischen, sondern auch der Kernsubstanz. Hierbei entfernen sich die Fäserchen, welche aus der Kernsubstanz entstehen, wie auch die aus dem Proto- plasma, mit ihren Enden nicht nur ausserhalb der Grenzen des Kerns, sondern auch des Protoplasma, indem sie anfangs in ihrem centralen Theil gefärbt bleiben; später erblasst auch diese Färbung allmählich, sodass am Schlusse der Metamorphose an der Stelle der früheren Weberzelle ein zerfasertes Bündel von nach verschiedenen Rich- tungen auseinandergehenden Fäserchen nachbleibt (s. Fig. 17, 18). Hiermit schliesst die Existenz der Weberzelle als solcher. 23) Die Bindegewebszellen nehmen an der Bildung der Capillaren und nachcapillaren Venen, welche im lockeren Binde- gewebe verlaufen, den regsten Antheil. 24) Die Arterien des lockeren Bindegewebes dienen als Regulatoren des Blutzuflusses je nach den Bedürfnissen des Ge- webes, die Capillaren und nachcapillaren Venen dagegen dienen als Ausscheidungsorgane der Nährstoffe aus dem Blut in das Gewebe; hierselbst geht auch die Uebergabe von Formelementen sowie anderen Produkten aus diesem Gewebe ins Blut vor sich. 25) Das lockere Bindegewebe stellt eines der blutbildenden Organe dar, welches dem Blut eine bedeutende Menge von Form- elementen zuführt. 26) Das Blut ist kein Gewebe für sich, sondern bildet so- wohl nach seiner Herkunft wie seiner Funktion nur eime der vielen Abarten aus der Gruppe der Bindegewebssubstanzen. Dasselbe ist im Organismus ebenso verbreitet, wie das lockere Bindegewebe; zudem ist es fast immer und alterorts im Verein Beitr. z. mikrosk. Anatomie u. Physiologie d. lockern Bindegewebes. 591 mit dem letztern thätig. Dasselbe befindet sich in beständigem und unmittelbarem Umtausche seiner Formelemente mit denen der andern Bindegewebsbildungen. 27) Die Vermehrung der Zellen des lockern Bindegewebes geschieht hauptsächlich nach dem Typus der mitotischen Kern- theilung. 28) Leukoecyten trifft man nur im irritirten lockern Bindege- webe. Dieselben unterscheiden sich bedeutend von den beweglichen kugelförmigen Bindegewebszellen sowohl ihrem Aeussern nach, als auch durch ihre Lebensthätigkeit. Gemeinsam beiden Arten von Zellen sind: die Thätigkeit der amöboiden Bewegung, Phago- eytose, Bildung elastischer Fasern, ihre Thätigkeit als Formele- mente des Blutes. Ich bemerke noch, dass diese Untersuchung vollkommen selbstständig im Laboratorium von Prof. Th. Zawarykin aus- geführt worden ist. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXI. Fig. 1, 2, 3, 4. Verschiedene Arten von fettübertragenden Zellen — Adipophoren. Das Protoplasma derselben ist in diesem Zustand von den anderen Gewebselementen nur in Folge der in dasselbe aus den Fettzellen eingedrungenen kleinsten Fett- theilchen zu unterscheiden, welche durch Behandlung mit ÖOsmiumsäure sichtbar gemacht sind. Die Adipophoren umfassen entweder die Fettzellen mit ihren Fortsätzen, oder anastomosiren vermittels derselben mit den Fortsätzen der Fettzellen, oder sie stehen mit dem Protoplasma der Letzteren in Contakt, andererseits stützen sich dieselben mit ihren Fort- sätzen gegen die Wände der Capillaren oder nachcapillaren Venen, oder sie liegen an diesen mit ihrem Protoplasma zum Zwecke der Fettübertragung ins Blut dicht an. K. = der Kern; Pr. — das Protoplasma mit den in demselben eingeschlossenen kleinsten Fetttheilchen, welche in dasselbe aus den Fettzellen bei Atrophie dieser Letzteren austreten; (©. = eine Capillare; Fz. = atrophische Fettzelle. Fig. 5, 6, 7, 8. Wz.=Weberzellen des lockern Bindegewebes; Ff. Faserfortsätze des Protoplasma; Fb. = Faserbündel; Rz. = rudimentäre Zellen auf den Faserfortsätzen der Weber- zellen. 592 Bernhard Rawitz: Fig. 9. Die Weberzellen bilden ein Geflecht, indem sie sich ver- mittelst der Faserfortsätze unter einander vereinigen. Fig. 10 u. 11. Aus einem nach Ziegler verfertigten Präparat. Ein- zelne Weberzellen streben von dem Rande der Gläschen dem Capillarraum zwischen denselben zu. Fig. 12. Das Gleiche thut eine Riesenzelle. Fig. 13. Anfang der Bildung des engmaschigen Netzes durch Weber- zellen (aus einem Präparat nach Ziegler). Fig. 14. Gewebsnetz von späterer Herkunft (Präparat nach Ziegler). Fig. 15, 16. Einzelne Weberzellen, aus welchen gleichfalls in der Folge Blutcapillaren im jungen Gewebe gebildet werden können (aus einem nach Ziegler hergestellten Präparat). Fig. 17, 18. Weberzellen bei ihrem endgültigen Zerfall zu Fibrillen. Alle Zeichnungen sind nach der Natur bei einer Vergrösserung mit Hartn. Object 8, Ocul. 3 ausgeführt. Die Details wurden mit Hilfe des Zeiss’schen Apochromaten 3,0 mm, Apert. 1,30 studirt. Ueber die Zellen in den Lymphdrüsen von Macacus cynomolgus. Von Dr. Bernhard Rawitz, Privatdocenten an der Universität Berlin. Hierzu Tafel XXXII. Das Material zu vorliegender Veröffentlichung, welches ich der Güte des Herrn Professor H. Munk verdanke, der mir die Mittel des seiner Leitung unterstellten physiologischen Institutes der hiesigen thierärztlichen Hochschule in liberalster Weise zu- gänglich machte, - bildeten mehrere mesenteriale Lymph- drüsenvonMacacuseynomolgus!). Die Organe wurden 1) Die Nomenklaturkommission der Anatomischen Gesellschaft, deren Vorschläge angenommen sind, hat die Adoption der von Toldt- Flemming eingeführten Bezeichnung „Lymphknoten“ abgelehnt und dafür die Bezeichnung „Lymphoglandulae“ (Lymphdrüsen) gewählt. Wenn mir auch der Toldt-Flemming’sche Name der richtigere zu sein scheint, so glaube ich doch nunmehr denselben fallen lassen und den von der Kommission vorgezogenen gebrauchen zu sollen. Ueber die Zellen in den Lymphdrüsen von Macacus cynomolgus. 593 dem eben getödteten gesunden Thiere entnommen, noch lebenswarm in Flemming’scher Lösung fixirt und nach üblicher Weiterbe- handlung in Paraffin eingeschmolzen. Die 3—5 u dieken Schnitte wurden nach Vorbeizung mit Tannin-Brechweinstein mit Fuchsin bez. Safranin gefärbt, es wurde also das von mir anderweitig ausführlich beschriebene adjektive Verfahren angewandt. Die Untersuchung wurde mit eimem Zeiss’schen Apochromaten (1,5 mm) vorgenommen, die Zeichnungen, mit Aussnahme der Figur 1, bei Anwendung dieses Systems und des Compensations- oceulares 6 mit Hülfe des Ab be’schen Zeichenapparates angelegt und bei den Compensationsocularen 8 bez. 12 ausgeführt. Ehe ich zu der Schilderung der an den zelligen Elementen zu beobachtenden Einzelheiten übergehe, dürfte es angemessen sein, einige Bemerkungen über den Bau der mesenterialen Lymphdrüsen von Macacus vorauszuschicken, weil hier Verhält- nisse vorliegen, welche mit den an den gleichen Organen anderer Säugethiere festgestellten in Widerspruch stehen. Flemming!) konstatirt in der unten eitirten Abhandlung, dass in den Rindenknoten (Follikeln) der Lymphdrüsen verschie- dener Säugethiere (Mensch, Kaninchen, Rind ete.) in der That die von His als „Vacuolen“, von Brücke als „trübweissliche centrale Flecke* beschriebenen Erscheinungen fast immer anzu- treffen sind. Dass das Centrum der Follikel heller erscheint als die Peripherie, was zu dem His’schen Namen wohl Veranlassung gegeben hat, führt Flemming darauf zurück, dass hier die an Zellsubstanz reicheren Zellen gelegen sind und dass in Folge dieses letzteren Umstandes die Kerne weiter auseinander stehen. „Daher, bei der reinen Kerntinetion, die hellere Gesammtfärbung des Centrums“ (p. 621. e.). In den Centren der Follikel (Rinden- knoten) findet eine lebhafte Zellvermehrung durch Mitose statt und darum nennt sie Flemming „Keimeentren“, während er sie morphologisch als „Seceundärknötchen“ bezeichnet, da sie in den Rindenknoten, die demnach die Primärknoten wären, liegen. Vergleicht man mit dieser kurz referirten Schilderung und den Figuren 1—4 der Flemming’schen Abhandlung die hier 1) W. Flemming: Studien über Regeneration der Gewebe. Dies Archiv Bd. 24, pag. 50 ff. 594 Bernhard Rawitz: von eimer mesenterialen Lymphdrüse des Makaken gegebene Ab- bildung (Fig. 1, Taf. XNXXID, so fällt der Unterschied sofort in die Augen. In der sogenannten Rindensubstanz (Fig. 1 r) sieht man weder Primär- noch Seeundärknötchen, weder Keimlager (Brücke) noch Keimcentren (Flemming). Vielmehr erscheint bei der ge- wählten schwachen Vergrösserung die Rinde als eine gleichmässig dieht punktirte Organpartie, in der nur hie und da einige durch Gefässdurchsehnitte verursachte Lücken sich finden (Fig. 1, Taf. XXNXII). Diese gleichmässige Punktirung — das ist hervorzu- heben — trifft man sowohl nach adjektiver Färbung mit basischen Anilinen als auch nach Verwendung von Kernfärbemitten. Nur an der mit z (Fig. 1) bezeichneten Stelle erhält man den Ein- druck, als ob sich hier eine Andeutung von Rindenknotenbildung befände. Doch ist dies, wie stärkere Systeme lehren, nicht der Fall; die scheinbare Abgrenzung wird durch einen etwas stärker entwickelten bindegewebigen Strang hervorgerufen. Bedeutend heller ist die sogenannte Marksubstanz der Drüse (Fig. 1 m, Taf. XXX1]), deren Begrenzung gegen die Rinde einen ganz unregelmässigen Kontur zeigt. Hier liegen die die Punk- tirung hervorrufenden Gebilde viel weniger dicht als in der Rinde und nur verstreut findet man einige stärkere und darum durch intensivere Färbung hervortretende Anhäufungen derselben, die übrigens, wie Serienschnitte lehren, mit der Rinde direkt zu- zammenhängen. Von Armauer-Hansen (ich folge hier den Angaben, welche Flemming in seimer eitirten Arbeit von dieser mir nicht zugänglichen Abhandlung macht) ist nachgewiesen worden, dass man in vielen Lymphdrüsen, namentlich denen ohne Rinden- substanz, keine Vacuolen (His) oder Keimeentren (Flemming) antrifft. Flemming erkennt die Richtigkeit dieses Nachweises an und fügt hinzu (l. ec. p. 59 Anmerkung): „Dies.... verträgt sich mit meinen....... Anschauungen über die Secundärknötchen, wenn man annimmt, dass die Drüsen zeitweise ruhen und also keine Vermehrungsherde darbieten.“ Armauer-Hansen also und Flemming kennen offenbar nur einen zeitweisen Mangel an Seceundärknötchen, während nach ihnen Rindenknoten (Primär- knoten, Follikel) stets vorhanden sind. In den mesenterialen Lymphdrüsen von Macacus eynomolgus fehlen aber auch Ueber die Zellen in den Lymphdrüsen von Macaeus eynomolgus. 595 die Rindenknoten und damit ist ein scharfer Unterschied dieser Organe von den sonst beschriebenen festgestellt. Verhehlen will ieh nicht, dass ich nur Querschnitte dureh die Lymphdrüsen hergestellt habe; doch dürfte darauf allein die Differenz kaum sich zurückführen lassen. Die Rindenknoten (Follikel, Primärknoten) sind kugelige Gebilde, sie müssen also, wenn sie überhaupt vorhanden sind, auch auf Querschnitten dureh die Lymphdrüsen, namentlich wenn man umfangreiche Serien her- stellt, ebensogut sichtbar sein, wie auf Flachschnitten; ihr Fehlen auf ersteren deutet also darauf hin, dass sie überhaupt nicht vor- kommen. Wenn man sich den abgebildeten Querschnitt (Fig. 1, Taf. XXXID) objektiv betrachtet und mit Schnitten von gleichen Organen anderer Thiere vergleicht, so drängt sich einem unwill- kürlich die Ansicht auf, dass die ganze mesenteriale Lymphdrüse von Macacus einem Rindenknoten der Lymphdrüse eines anderen Säugethieres gleichwerthig ist, dass man es hier also gewissermaassen mit einem freien Fol- likel zu thun hat. Man muss dann, wenn diese Auffassung zu Recht besteht — und ich sehe vorläufig nichts, was sie unhalt- bar zu machen geeignet wäre —, die ganze hier noch als Mark- substanz bezeichnete Partie als Seeundärknötchen im Sinne Flem- ming's und den mit Rinde bezeichneten Abschnitt als gleich- werthig der durch dunklere Färbung sich auszeichnenden Rinde der Follikel anderer Lymphdrüsen, als Keimlager im Sinne Brücke’s ansprechen. Flemming sagt von den Lymphdrüsen 1. ec. p. 57: „Die Lymphknoten und die Darmfollikel sind Brutstätten der Neubil- dung von Lymphzellen auf dem Wege indirekter Theilung.“ Dieser Ausspruch trifft für die von mir untersuchten Organe nicht zu, denn nirgends habe ich in den Lymphdrüsen auch nur die An- deutung einer Zellvermehrung durch Mitose gefunden und nur ein einziges Mal sah ich eine Zelle, welche einen amitotisch sich theilenden Kern besass (Fig. 14, Taf. NXXII). Ob dieser Mangel an Kern- und Zelltheilungen nur ein zufälliger ist, nur darauf zu- rückgeführt werden muss, dass in den einzelnen mir vorliegenden Lymphdrüsen Ruhe herrschte, oder ob er ein normales Verhalten anzeigt: das positiv zu entscheiden bin ich nicht in der Lage. Ich möchte allerdings annehmen, dass nicht ein vorübergehender 596 Bernhard Rawitz: Zustand zur Beobachtung kam. Wie weiter unten zu zeigen ist, werden bei Macacus dem Lymphstrome körperliche Elemente zu- geführt, welche in Riesenzellen entstehen und durch Zerfall der- selben frei werden. Möglich — ich möchte mich mit aller Re- serve ausdrücken und den Ausspruch von Rudolf Wagner „Irrthum vorbehalten“ für mich gerade hier in Anspruch nehmen — dass ausschliesslich die zu erwähnenden Gebilde normaler- weise aus den Lymphdrüsen in den Kreislauf bei Macacus über- treten, dass aber nicht durch Theilung der Lymphzellen dem Blute neue Elemente zugeführt werden, möglich ist aber auch, dass ich wirklich nur ruhende, d. h. der Vermehrungsherde entbehrende Lymphdrüsen untersuchte. Ob auch die Lymphdrüsen der anderen Körperregionen bei Macacus denselben Bau haben wie die mesenterialen, kann ich nieht sagen; immerhin sind die Differenzen, welche zwischen den mesenterialen Lymphdrüsen dieser Säugethierspecies und denen der übrigen auf diese Organe hin untersuchten Arten vor- handen sind, trotz ihrer Geringfügigkeit interessant genug, um eine eingehendere Schilderung zu rechtfertigen. Zum Studium der zelligen Elemente dieser Organe ist nur die centrale Partie, die sogenante Marksubstanz (Fig. 1 m, Taf. XXXI) geeignet. In der Rindenpartie (Fig. 1r) liegen die Zellen so dieht, dass sie bei der gewählten, ausschliesslich das Zellplasma färbenden Methode nur schwer von einander mikro- skopisch abgegrenzt werden können. Zugleich ist ihre Zellsubstanz so wenig entwickelt, dass dieselbe nur einen schmalen Hof um den Kern darstellt und dass infolge davon feinere Einzelheiten gar nicht oder nur sehr undeutlich zu erkennen sind. In der centralen Partie dagegen, der sogenannten Marksubstanz, sind die Verhält- "nisse günstiger; hier liegen, um die Worte Flemming’s anzu- führen (l. e. pg. 61): „Zellen mit grösseren Kernen, aber auch reich an Zellsubstanz.“ Diese Beschaffenheit der Zellen, ihre relativ beträchtliche Grösse ermöglicht ein eingehendes Studium ihrer Struktur. Dazu kommt noch, dass diese in grosser Menge vor- handenen Zellen fast alle frei m den Maschen des reticulären Gewebes gelegen sind. Flemming erwähnt (pg. 64/65 der mehrfach eitirten Arbeit), dass die in den Secundärknötchen zu beobachtenden Theilungen an frei im Reticulum gelegenen Zellen vorkommen. Er ist genöthigt zu erörtern, ob diese freiliegenden Ueber die Zellen in den Lymphdrüsen von Macacus cynomolgus. 597 Zellen als durch Theilung losgelöste Abkömmlinge der fixen Zellen des Retieulum oder wirklich als Lymphzellen zu betrachten sind. Hier bei Macaecus ist die Situation viel einfacher; die frei- liegenden Zellen sind Lymphdrüsenzellen, denn Theilungsvorgänge, durch welehe sich dieselben aus den fixen Bindegewebszellen entwickelt haben könnten, sind nicht zu beobachten. R. Heidenhain!) beschreibt im Parenchym der Dünndarm- zotten des Hundes vier Arten von Zellen, die von H. Hoyer?) auch in den Lymphdrüsen desselben Thieres erkannt wurden. Diese vier Arten sind nach dem ersteren Autor: erstens Zellen mit sehr kleinem Protoplasmaleibe, zweitens Zellen mit grösserem Protoplasmaleibe, drittens körnchenbhaltige Zellen und viertens Zellen, welche als zu Grunde gehende Leukocyten betrachtet werden müssen. Von diesen vier Zellarten treffe ich zwei in den mesen- terialen Lymphdrüsen von Macacus wieder an, nämlich: die erste Zellart, welche fast ausschliesslich in der Rindenpartie sich findet und als protoplasmaarme Zelle zu bezeichnen ist, und die zweite Zellart, die in der centralen Partie frei im Retieulum liegt — protoplasmareiche Zelle Vielleicht ist auch die vierte Zellart, die zu Grunde gehenden Leukocyten, vertreten, doch erscheint dieselbe dann hier unter der Gestalt von ein- oder vielkernigen Riesenzellen, welche durch einen ganz eigenartigen, in seinen Phasen und seinen Resultaten höchst interessanten Prozess zerstört werden. Die dritte Zellart, ausgezeichnet durch den Gehalt der Zellsubstanz an intensiv sich färbenden Körnehen, habe ich stets vermisst, wofür eine dreifache Erklärung möglich ist. Entweder die Körnchenzellen fehlen, weil der Ernährungs- zustand des das Untersuchungsmaterial liefernden Thieres ein ungenügender war. R. Heidenhain hatin der eitirten Arbeit nachgewiesen (pg. 77 ff.), dass bei Hunden diese Zellart infolge von Inanition aus dem Zottenparenchym fast verschwindet, während sie bei reichlicher Nahrungszufuhr massenhaft auftritt. H. Hoyer hat jedoch (l.e. pg. 27) einen Zusammenhang des Auftretens der Körnehenzellen mit dem Quantum der dargereichten Nahrung in den Lymphdrüsen des Hundes nicht beobachten können. Oder zweitens l) R. Heidenhain: Beiträge zur Histologie und Physiologie der Dünndarmschleimhaut. Pflüger’s Archiv Bd.43, Supplementheft. 2) H. Hoyer: Beitrag zur Kenntniss der Lymphdrüsen. Dies Archiv Bd. 34. 598 Bernhard Rawitz: die Zellart fehlt überhaupt in den Lymphdrüsen der Makaken oder endlich drittens sie ist bei der gewählten Färbungsmethode nicht sichtbar. Der adjektiven Färbung mit basischen Anilinen habe ich darum mich bedient, weil ich in erster Linie das Ver- halten derAttraktionssphären in den Lymphdrüsenzellen studiren wollte und diese Methode, wie aus einer früheren Arbeit von mir!) ersichtlich, hierzu ganz besonders geeignet erscheint. Als Nebenergebniss meiner Untersuchungen betrachte ich die Resultate, welche ich an den Riesenzellen in den Lymphdrüsen erhalten habe: über beide Themata will ich nunmehr in den folgenden Zeilen berichten. I. Die Attraktionssphäre der Lymphdrüsenzellen. Die Zellen, welche, m den centralen Partien der Lymph- drüsen gelegen, als protoplasmareiche zu bezeichnen sind, besitzen meistens ovale Gestalt (Fig. 2, 3, 4, 6, 8, 12, 13, Taf. XXXID, seltener sind sie kugelförmig (Fig. 9, 10, 14, Taf. XXXID), noch seltener (Fig. 5, 7, 8, Taf. XXXII) unregel- mässig konturirt. Aber wie auch die äussere Begrenzung erscheinen möge, immerhin stellen diese Zellen ein einheitliches Ganzes dar. Daneben kommen Zellen vor, wenn auch ausserordentlich spärlich — ich habe nur zwei derartige Gebilde angetroffen —, deren Leib nicht mehr einheitlich ist. Er besteht nämlich (Fig. 11, Taf. XXXII) aus zwei halbmondförmigen Theilen, die kappenartig dem Kerne aufsitzen und zwar so, dass sie einander in der Mitte des Kernes nicht berühren. Letzterer ist also an zwei emander gegenüber- liegenden Stellen von Zellsubstanz nicht bedeckt. H. Hoyer (l. e. pg. 214) erwähnt ebenfalls solche Zellen bei Besprechung der ersten Zellart Heidenhain’s und bildet sie auf Taf. XII Fig. 1e seiner Arbeit ab; sie sind nach ihm ein normales Vor- kommniss. Die grössere Zahl der Zellen hat einen Längsdurch- messer, der zwischen 7,5u und 12u, also innerhalb relativ weiter Grenzen schwankt. Ausserdem findet man aber auch Zellen von nur 4u Durchmesser (Fig. 6, Taf. XXXID), deren geringer Umfang dem derjenigen Zellen entspricht, welche in den Rindenpartien vorkommen, und Zellen, welche das entgegen- 1) Rawitz: Centrosoma und Attraktionssphäre in der ruhenden Zelle des Salamanderhodens. Dies Archiv Bd. 44. Ueber die Zellen in den Lymphdrüsen von Macacus eynomolgus. 599 gesetzte Extrem zeigen, 14—16 u Durchmesser haben, also relativ riesige Dimensionen besitzen. Zellen von einer Grösse, wie sie die in Fig. 5 Taf. XXXII abgebildete hatte — der längste Durchmesser betrug hier 18 u —, sind überaus spärlich unter den frei im Retieulum liegenden anzutreffen. Allen diesen Zellen, grösseren wie kleineren, gemeinsam ist die exeentrische Lage des Kernes, dessen Gestalt bald oval be- grenzt, bald kugelig ist (Fig. 2—8, 12, 13, Taf. XXX. Zwerchsackförmig eingebogene Kerne (Fig. 9 und 10, "Taf. XXXID) sind sehr selten, Zellen mit ringförmigen Kernen gar nicht an- zutreffen. Infolge der Lage des Kernes findet man an einem Pole desselben die Hauptmasse der Zellsubstanz, am entgegen- gesetzten nur einen mehr oder minder schmalen Saum der letzteren, der bei extrem excentrischer Lage des Kernes, bei welcher der- selbe fast aus der Zelle herauszutreten scheint, als ein kaum messbar feiner Rand sich darstellt. Nur ganz selten sind Zellen zu treffen, in denen der Kern central gelegen ist (Fig. 135, Taf. XXXI). Gestalt der Zelle und Gestalt des Kernes sind nicht nothwendig in Uebereinstimmung; man sieht ovoide Zellen mit kugeligen und runde Zellen mit oval begrenzten Kernen. Letztere, die ovalen Kerme, sind zuweilen so orientirt, dass ihr längster Durchmesser quer oder schräg zum Längsdurchmesser der Zelle steht (Fig. 3, Taf. XXXD), wenn auch ein solches Verhalten nicht das gewöhnliche ist; vielmehr sind die Längs- durchmesser von Zelle und Kern meist identisch. Die Grössenverhältnisse der Kerne sind wie die der Zellen schwankende. Als Mindestmaass traf ich bei so kleinen Zellen, wie eine in Fig. 6, Taf. XXXII abgebildet ist, 21/, u, als Maxi- mum 9u Längsdurchmesser; für gewöhnlich lagen die Maasse zwischen 4,5 u und Tu. Dabei ist nicht ohne Interesse, dass nicht immer die grösseren Zellen auch die grösseren Kerne haben; so besass z. B. eine Zelle von 10,5 u Längsdurchmesser einen Kern von 4,5 u, während eine andere von nur 8 u Durchmesser einen Kern von 6 u hatte. Indem ich nach diesen zur Orientirung dienenden Bemer- kungen zur Schilderung der feinsten Einzelheiten übergehe, will ich zunächst das am Kern zu Beobachtende mittheilen, weil hierin in allen Zellen (Fig. 2—14, Taf. XXXII vollkommene Uebereinstimmung herrscht. 600 Bernhard Rawitz: Die Kernmembran ist bei allen in den mesenterialen Lymph- drüsen von Macacus zu beobachtenden Kernformen, den ovalen den kugeligen und den sehr spärlich vorhandenen zwerchsack- förmigen, ausserordentlich intensiv tingirt, ohne gerade besonders dick zu sein. Die Tinetion ist stets dunkler als die der Zell- substanz, der Kern erscheint daher als ein scharf umgrenztes Gebilde. Die chromatische Substanz, welche, wie ich das in früheren Arbeiten hervorgehoben habe!), bei der infolge der ad- jektiven Verwendung der basischen Aniline eintretenden Inversion der Färbung keinen Farbstoff aufnimmt, besitzt in meinen Prä- paraten ein gelbliches Aussehen. Es ist dies vielleicht als eine Wirkung des Tannins aufzufassen. Diese Substanz bildet Brocken von mehr oder minder beträchtlicher Grösse, welche bald im Centrum des Kernes bald exeentrisch, und dann zuweilen an die Kernmembran angedrückt, liegen. Sie finden sich entweder einzeln oder zu zweien oder höchstens zu dreien in einem Kerne. Die Chromatinbrocken schwanken in ihrer Grösse zwischen 0,5 und Bu; sie erscheinen stets dunkel konturirt. Wenn ein Kern nur einen Chromatinbrocken besitzt, dann ist letzterer meist gross, wenn zwei oder drei vorhanden sind, ist entweder der eine gross und der andere bez. die beiden anderen klein, oder sie sind alle klein. Nur selten sind die Chromatinbrocken von gleicher Grösse (Fig. 2—14, Taf. XXXII). Das Linin bildet ein ziemlich weitmaschiges, regelmässiges Netz. Die Lininfäden sind zehr zart, sie haben sich in den basischen Anilinen (Fuchsin, Safranin) bei adjektiver Verwendung derselben intensiv tingirt und gewähren durch ihren ausgeprägt geradlinigen Verlauf ein starres Aussehen (Fig. 2—14, Taf. XXXI]). In den Knotenpunkten des Netzes finden sich sehr intensiv gefärbte kleine Körnchen, die nieht bloss als Anschwellungen oder Ver- dickungen der Fäden, sondern alsin deren Verlauf interpolirte Gebilde sui generis aufzufassen sind (Nucleolen?), denn, wie im zweiten Theile zu zeigen sein wird, bleiben sie erhalten, wenn bei Entartungs- vorgängen im Kerne die Lininfäden bereits geschwunden sind. Die Fäden des Netzes setzen sich an die Chromatinbrocken an, welch letztere dadurch gewissermaassen in ihrer Lage er- 1) Rawitz: Dies Archiv Bd. 44, und: Leitfaden für histiologische Untersuchungen. 2. Auflage. Jena 189. Ueber die Zellen in den Lymphdrüsen von Mäcacus eynomölgus. 601 halten werden. Die Ansatzstellen an die Chromatinbrocken sind stets durch dunkle Körnchen markirt, deren jedes einem Linin- faden entspricht und die dieht dem Kontur des Öhromatinbrockens anliegen. Ebenso inseriren sich die Lininfäden an die Kernmem- bran und auch hier ist stets, wenn schon nieht immer deutlich, jede Ansatzstelle durch ein Körnehen gekennzeichnet. Grosse Nucleolen habe ich in den Kernen der uns hier be- sehäftigenden zelligen Gebilde nie gesehen. Während die Abbildungen, welehe H. Hoyer!) von den Strukturverhältnissen der Kerne in den Zellen der Lymphdrüsen des Hundes giebt, ganz unzureichende sind, zeichnet R. Heiden- hain?) in den Leukoeyten aus der Zotte des Hundes das Linin- netz des Kernes ganz wie ich es hier von Macacus abgebildet habe. Es findet sich dort derselbe geradlinige Verlauf und daher das gleiche starre Aussehen der Lininfäden wie hier, und ferner dort wie hier dunkle, in den Knotenpunkten des Netzes gelegene Körnehen. Nur dadurch unterscheiden sich die Kerne der von R. Heidenhain untersuchten Zellen sehr wesentlich von den Kernen der Lymphdrüsenzellen von Macacus, dass dort die hier überaus leicht sichtbaren Chromatinbrocken zu fehlen scheinen. Die Kerne der Zellen, welehe Flemming?) abbildet, geben zur Vergleichung mit dem hier beschriebenen Verhalten des Lininnetzes keine guten Anhaltspunkte. Die von Flemming geübte sub- stantive Verwendung der Aniline, welche die ehromatische Sub- stanz fast ausschliesslich hervorhebt, ist für die Erkennung des Baues der achromatischen Substanz nicht von Vortheil. Was schliesslich die Arbeit von M. Heidenhaint) anlangt, so kann ich mit den Bildern, welehe dieser Autor von den Kemen sessiler Leukoeyten aus dem rothen Knochenmarke des Kaninchens giebt, nichts anfangen. Es ist in den Figuren von M. Heidenhain die chromatische Substanz von der achromatischen (Linin) nicht zu unterscheiden. Die Bilder machen einen wirren Eindruck, wofür der Grund vielleicht darin zu suchen ist, dass die Kerne gequollen waren — dies scheint mir nicht unwahrscheinlich — oder dass 1) H. Hoyer: Dies Archiv Bd.34, Taf. XII, Fig. 1 und 2. 2) R. Heidenhain: Pflüger’s Archiv Bd. 43, Supplementheft, Taf. III, Fig. 21a—t. 3) Flemming: Dies Archiv Bd. 24, Taf. IV, Fig. 9, 11 und 12. 4) M. Heidenhain: Dies Archiv Bd. 43, Taf. XXV, Fig. 1—10, 602 Bernhard Rawitz: durch die excessive Verdünnung der Schnitte die Kerne zerschnitten wurden und ihr Strukturbild daher unklar werden musste; viel- leicht aber sind beide Momente an der Erzeugung so sonderbarer Bilder Schuld. Betrachten wir jetzt die Zellsubstanz. Wenn die Struktur derselben mit einem Worte bezeichnet werden soll, so muss man sagen, sie ist unbestimmt. Einen durch sich kreuzende Fäden bewirkten netzartigen Bau, wie man ihn an anderen Zellen trifft, kann man hier nicht erkennen, eine granuläre Zusammensetzung im Sinne Altmann’s ist sicher nicht vorhanden und homogen ist die Zellsubstanz auch nicht. Ich glaube nicht, dass die gewählte Färbungsmethode — adjektive Verwendung der basischen Ani- line, — bei welcher der Zellleib einen hellrothvioletten (Fuchsin) bez. hellrosafarbenen (Safranin) Ton angenommen hat, ein feineres Strukturverhältniss verdeckt, zumal diese Methode an anderen Objekten die intimsten Einzelheiten sichtbar macht. Die unbe- stimmte Struktur der Zellsubstanz der uns hier beschäftigenden Gebilde, insonderheit die Abwesenheit jedes Fadengerüstes in denselben, gestattet daher auch nicht, einen Zusammenhang der Zellsubstanz mit dem Liningerüst des Kern zu supponiren. Während ich für die ruhende Hodenzelle von Salamandra maculosa einen direeten Zusammenhang des Fadengerüstes des Kernes mit dem Cytomitom nachweisen konnte, ist hier ein soleher Nachweis unmöglich, weil ein Uytomitom nieht existirt oder, wie ich vor- sichtiger mich ausdrücken will, nicht zu existiren scheint. Ob das Maschenwerk des Oytomitoms hier so dieht ist, dass dadurch der Eindruck der unbestimmten Struktur hervorgerufen wird, oder ob die Zellsubstanz eine mehr gleichmässige Beschaffenheit be- sitzt und nieht aus Filar- und Interfilarsubstanz besteht, lässt sich nicht entscheiden. Jedenfalls liegen, wie die mikroskopischen Bilder lehren (Fig. 2—14, Taf. XXXID, die Verhältnisse hier anders wie z. B. in der Hodenzelle des Salamanders, der Kern erscheint in Folge dessen in der Lymphdrüsenzelle von Macacus selbstständiger, ist unabhängiger von der Zellsubstanz, als dies bei dem früher von mir untersuchten Objekte der Fall war. Die in den allermeisten Fällen zu beobachtende excentrische Lage des Kernes bedingt, wie bereits bemerkt, dass an der einen Seite des Kernes die Hauptmasse der Zellsubstanz gelegen ist, während er an seinen anderen Seiten nur von einem schmalen Ueber die Zellen in den Lymphdrüsen von Macacus eynomolgus. 603 Saume derselben umgeben ist (Fig. 2—10, Taf. XXX). Oft erscheint, wie dies ebenfalls schon einmal hervorgehoben wurde, der schmale Saum von fast unmessbarer Feinheit. Für eine sehr grosse Zahl von Zellen ist die Beschreibung des an ihnen zu beobachtenden Details mit den vorstehenden Zeilen erschöpft ; sie bieten weiter nichts bemerkenswerthes dar, namentlich fehlen in ihnen die jetzt zu schildernden Gebilde. In einer nicht minder beträchtlichen Zahl nämlieh findet sich noch in der Hauptmasse der Zellsubstanz ein stets kreisrund begrenzter, also wohl kugeliger, Körper, welcher sich ungemein intensiv ge- färbt hat; ich halte denselben für die Attraktionssphäre der Lymphdrüsenzellen (Fig. 2—14 a, Taf. XXXI]). Die Sphäre ist homogen, zeigt absolut keine weitere Struktur, weder eine fädige noch eine Zusammensetzung aus Mark- und Rindenzone (van Beneden), ein Imnenkorn, welches als Gentrosoma zu deuten wäre, ist in ihr nur in ganz seltenen Fällen und dann auch nur so undeutlich zu erkennen, dass ein Irrthum in der Beobachtung nicht auszuschliessen ist ; den meisten Sphären fehlt ein Centrosoma. Die kleinsten Sphären, 0,75 u, trifft man in den kleinsten (Fig. 6a, Taf. XXXID), die grössten, 4 u, in den grössten Zellen (Fig. Da, Taf. XXXII, während die Zellen mittlerer Grösse auch mittelgrosse Sphären, 2—3 u, besitzen (Fig. 2—4, T—1l1la, Taf. XXXID. Zellenumfang und Sphären- grösse sind einander also direkt proportional. Während ich in der Hodenzelle des Salamanders einen be- sonderen, durch etwas intensivere Tingirbarkeit sich auszeichnenden, die Sphäre konzentrisch umgebenden Zellsubstanzhof ausnalımslos feststellen konnte (efr. dies Archiv Bd. 44, Taf. XXXIID, ist von einer ähnlichen Bildung hier nichts zu beobachten. Die Zellsubstanz verhält sich um die Sphären herum bei diesen Objekten ganz indifferent, zeigt gar keine Besonderheiten, weder einen konzen- trischen Hof noch, wie Meves!) m der Hodenzelle von Sa- lamandra zu sehen glaubte, eine radiäre Anordnung. In den meisten Zellen liegen die Sphären in relativ be- trächtlicher Entfernung vom Kerne (Fig. 2, 3, Da, Taf. XXX), so dass zwischen Sphäre und Kern noeh Zellsubstanz vorhanden ist; man kann sagen, dass die Sphären im Mittelpunkte der 1) Meves: Dies Archiv Bd. 44 Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 40 604 Bernhard Rawitz: Hauptmasse der Zellsubstanz sich finden. Fälle, wie deren einer in Fig. 4, Taf. XXXI abgebildet ist, wo die Sphäre so weit vom Kerne entfernt liegt, dass sie fast den Rand der Zelle be- rührt, gehören nicht zu den häufigen Erscheinungen. Auch solche Zellen sind selten, in denen die Sphäre nicht in der Hauptmasse der Zellsubstanz sondern in einem schmalsten Ab- schnitte derselben (Fig. Ta, Taf. XXXII) anzutreffen ist, und ebenfalls ungewöhnlich ist die Erscheinung, dass die Sphäre zwar in der Hauptmasse der Zellsubstanz, aber hier dem Kerne dieht angelagert gefunden wird (Fig. Sa, Taf. XXX). Wie erwähnt, sind zwerchsackförmig eingebogene Kerne in den Zellen der mesenterialen Lymphdrüsen von Macacus nur selten zu finden. Wo sie aber vorkommen und wenn die be- treffende Zelle eine Sphäre besitzt, dann liegt letztere in der bald mehr bald minder tiefen Einbuchtung des Kernes (Fig. 9 und 10a, Taf. XXXII) der Kernmembran dicht angeschmiegt. Auch hier zeigt die Zellsubstanz in der Umgebung der Sphäre keinerlei Besonderheiten. Denkt man sich in den Zellen, welehe in den Fig. 2—10 auf Taf. XXXII abgebildet sind, eine Axe durch die Mitte der Sphäre gelegt und durch die Mitte des Kermes verlängert, so wird man finden, dass die betreffenden Zellen einen bilateral- symmetrischen Bau besitzen. Auch hier also, bei den Zellen der Lymphdrüsen von Macaecus, trifft man dasselbe Verhalten an, welches ich schon bei den Hodenzellen von Salamandra darthun konnte und das von van Beneden, Rabl und Flemming als ein allgemein gültiges nachgewiesen wurde; ich halte daher die Einwände, welche M. Heidenhain!) gegen diese Auf- fassung erhoben, für belanglos. Die vorstehende Schilderung zeigt uns das Verhalten der überwiegenden Mehrzahl derjenigen Zellen der Lymphdrüsen, die überhaupt eine Attraktionssphäre besitzen. Es möge jetzt noch die Beschreibung einiger Abweichungen folgen. Ein gewissermaassen pikantes Interesse gewährt jene Zelle, deren schon einmal gedacht wurde und deren Eigenthümlichkeit darin besteht, dass ihr Leib in Form zweier halbmondförmiger Kappen dem Kerne aufliegt (Fig. 11, Taf. XXXII). Die eine 1) M. Heidenhain: Dies Archiv Bd. 45. Ueber die Zellen in den Lymphdrüsen von Macacus eynomolgus. 605 Kappe hat sich viel blasser gefärbt als die andere, erscheint dünner und schwächer und ruft den Eindruck hervor, als ob die Zellsubstanz nicht mehr normal sich verhalte. Die andere Kappe dagegen hat durchaus normales Aussehen, ist intensiv tingirt und beherbergt die ziemlich umfangreiche Sphäre. Hier bei dieser Zelle kann von einer bilateralen Symmetrie natürlich nicht gesprochen werden. In einer anderen, normal gestalteten Zelle (Fig. 12a, Taf. XXXII) besass die Sphäre, welche mit zu den grössten überhaupt beobachteten gehörte, brodlaibförmige Gestalt und hatte sich der Oberfläche des Kernes dicht angeschmiegt. Eine dritte Zelle war dadurch merkwürdig, dass hier statt einer drei Sphären vorhanden waren (Fig. 15a, Taf. XXX), von denen die mittlere grösser war als die beiden seitlichen und sieh von ihnen auch durch ihre intensivere Tinktion unterschied. Ob es sich in diesem Falle um einen Sphärenzerfall oder eine Sphären- theilung handelt oder ob die dunkel tingirten Körper nur Cen- trosomen von allerdings ungewöhnlicher Grösse sind, lässt sich kaum entscheiden. Endlich sei noch der nur ein einziges Mal gefundenen Zelle gedacht, deren Kern bisquitförmige Ein- schnürung zeigte, wie sie der amitotischen Theilung eignet (Fig. 14, Taf. XXXI). Hier waren zwei Sphären vorhanden, und zwar lagen dieselben zu beiden Seiten des Kernes in den Einbuchtungen desselben, der Kermnmembran dieht angeschmiegt. Auch bei dieser Zelle ist es, wie bei der vorigen, fraglich, ob die dunkel tingirten Körper als Sphären oder als ungewöhnlich grosse Centrosomen angesprochen werden müssen. Die in der Zellsubstanz der Lymphdrüsenzellen von Macaets gefundenen, sich intensiv färbenden Körper habe ich als Attraktionssphären gedeutet. Das ganze Verhalten dieser Gebilde widerspricht aber in vielen Punkten dem bisher an Lymph- drüsenzellen, Leukoeyten, Bindegewebszellen ete. Beobachteten, sodass ich zu einer eingehenden Begründung meiner Deutung verpflichtet bin. Rekapituliren wir zu dem Zwecke zunächst das, was von anderer Seite über die Sphären von Leukocyten und ähnlichen Zellen mitgetheilt worden ist. 606 Bernhard Rawitz: Flemming!) beschreibt an Leukocyten aus dem Perito- neum der Salamanderlarve die Sphäre mit folgenden Worten (pg. 282, 1. e.): „Bei der hier benutzten Methode und an den grossen Leukocyten des Salamanders sieht man die Sphäre bald ziemlich regelmässig, bald verwaschen radiär gestreift, und den Centralkörper in ihr als ein einfaches stark lichtbrechendes Korn“. Und ganz entsprechend der Beschreibung sind die dieser Abhandlung beigegebenen Figuren (Taf. XIV 1. e.): ein kleines Korn, das im Centrum eines hellen Hofes gelegen ist, welcher eine in dem Korn (Centrosoma) centrirte radiäre Streifung be- sitzt. An Endothel- und Bindegewebszellen, also an fixen Zellen, hat Flemming in einer anderen Abhandlung ?) Sphären be- schrieben, welche zwei, häufig ungleich grosse, Centrosomen be- sitzen. Die Strahlung der Sphären war nur in wenigen Fällen gut ausgesprochen, meist war sie nicht zu sehen und seine Ab- bildungen (Taf. XXXVII 1. e.) zeigen auch nur in einem Falle eine deutliche Strahlung, sonst nur einen kleinen, hellen, nicht sehr scharf konturirten Hof um die Centrosomen. Solger?) zeichnet bei einer Pigmentzelle vom Hechte eine ungemein deutliche, strahlenförmig gebaute Sphäre. Hansemannt) findet in pathologischen Präparaten vom Menschen ebenfalls die Sphären. von strahligem Bau und in ihnen ein Centrosoma gelegen. Und so wird für sehr viele Objekte ganz entsprechend der von ihfem Entdecker van Beneden?) gegebenen Schilderung die Attraktionssphäre als ein strahlig gebautes Gebilde beschrieben. Nur die Hodenzellen machten bisher hiervon Ausnahme. Für die Sphäre dieser Gebilde der Vertebraten hat, soviel ich weiss, 1) W. Flemming: Ueber Theilung und Kernformen bei Leuko- eyten und über deren Attractionssphären. Dies Archiv Bd. 387, pag. 249—289. 2) W. Flemming: Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. Dies Archiv Bd. 37, pag. 685— 751. 3) Sol&er: Zur Kenntniss der Pigmentzellen. Anatomischer An- zeiger Bd. VI, 1891, No. 6. 4) Hansemann: Ueber Centrosomen und Attraktionssphären in ruhenden Zellen. Anatomischer Anzeiger Bd. VIII, 1893. 5) van Beneden et Neyt: Nouvelles recherches sur la fecon- dation et la division mitosique chez l'ascaride megalocephale. Bulle- tins de l’acad&mie royale de Belgique. 3me Serie, t. XIV, 1887. Ueber die Zellen in den Lymphdrüsen von Macacus eynomolgus. 607 einen strahligen Bau nur Hermann!) und zwar nur bei den Spermatogonien des Frosches gefunden, während er an den Spermatocyten des Proteus anguineus eine ungewöhnlich grosse runde, aber nicht scharf begrenzte (wie gequollen aussehende) Sphäre beschreibt. Strahligen Bau im Innern der Sphäre an ruhenden Hodenzellen von Salamandra haben M eves?), Drüner?) und ich *) stets vermisst. Wenn ich die Meinung der Autoren über Leukoeyten, denen noch van der Stricht zuzurechnen ist, dessen Angaben aller- dings eine gewisse Unvollkommenheit anhaftet, richtig deute, so ist die um das oder die Centrosomen zu beobachtende Strahlung die Attraktionssphäre selber und nicht etwa eine Struktur- eigenthümlichkeit der an die Sphäre anstossenden Partie der Zellsubstanz. In einem gewissen Gegensatze zu den obigen An- gaben steht eine Beobachtung von M. Heidenhain ), wonach erstens an einkernigen Wanderzellen in der Darmwand von Salamandra die „öfters hell umrandete* Sphäre keine radiäre Streifung besitzt und zweitens an mehrkernigen Leukocyten des- selben Thieres von der nieht immer strahligen Sphäre „sich ein Strahlensystem weit in das Protoplasma der Zellen hinein“ fort- setzt (l. ec. pg. 425). Auch im Innern der Sphären von Riesenzellen aus dem rothen Knochenmarke des Kaninchens konnte M. Heidenhain eine Strahlung mit Sicherheit nicht finden. Betrachtet man die Abbildungen, welche der letztgenannte Autor einer neueren Abhandlung beigegeben hat ®) und welche sich auf die sessilen Leukoceyten und auf die Wanderzellen im rothen Knochenmarke des Kaninchens beziehen, so sieht man, nament- lieh in Fig. 2, 9 und 16 (Taf. XXV der letzteitirten Arbeit), die Sphäre in Form eines zwar zart aber doch deutlich konturirten Hofes die beiden Centrosomen umgeben. Von einer Strahlung 1) Hermann: Dies Archiv Bd. 37. 9) Meves: Dies Archiv Bd. 44. 3) Drüner: Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft, Bd. 29. 4) Rawitz: Dies Archiv Bd. 44. 5) M. Heidenhain: Ueber die Centralkörperchen und Attrak- tionssphären der Zellen. Anatomischer Anzeiger Bd. VI. 1891. Cfr. auch: Kern und Protoplasma, in: Festschrift für v. Kölliker. Leipzig 1892. 6) M. Heidenhain: Dies Archiv Bd. 43. 608 Bernhard Rawitz: in ihrem Innern und emer von ihr ausgehenden Strahlung in die Zellsubstanz hinein ist nichts abgebildet. So ständen scheinbar, im Hinblick auf die Angaben von M. Heidenhain, die hier mitgetheilten Beobachtungen über das Verhalten der Attraktionssphären in den Lymphdrüsenzellen von Macacus nieht ohne Analogon da. Aber eben nur scheinbar ist eine solche Analogie vorhanden, thatsächlich herrscht zwischen dem von M. Heidenhain und dem von mir Beobachteten eine grosse Differenz. Denn M. Heidenhain sieht in jeder Sphäre von Leukoeyten zwei Centrosomen, ich aber vermisse hier in den Lymphdrüsenzellen die Centrosomen in den meisten Fällen und wo ich sie finde, erscheinen sie so undeutlich, dass es fraglich sein kann, ob es sich dabei nicht um Täuschungen handelt. Dieser von mir konstatirte Mangel eines Centrosoma bildet auch den Gegensatz zu den oben ceitirten Beobachtungen anderer Forseher. Nun kennt man wohl Attraktionssphären mit Centro- somen, man hat die Behauptung von der Existenz nackter Cen- trosomen aufgestellt, aber, soviel ich weiss, hat man Sphären ohne Centrosomen bisher. weder beschrieben noch abgebildet. Ja die Auffassung, welcher M. Heidenhain in seiner zuletzt erwähnten Arbeit Ausdruck verliehen und die von vielen For- schern getheilt wird, geht sogar dahin, dass das OGentrosoma etwas Konstantes, die Attraktionssphäre dagegen etwas Inkon- stantes sei, letztere könne fehlen und bilde überhaupt kein selbst- ständiges Organ der Zelle. Da muss sich natürlich. die Frage aufdrängen, ob das Ge- bilde, was ich hier in meinen Objekten als Sphäre beschrieben, überhaupt als solehe und nicht vielmehr als Centrosoma zu be- trachten ist. Das Fehlen einer radiären Struktur der Zellsubstanz um dies Gebilde einerseits, die Homogenität derselben andererseits können nicht als Beweismittel gegen seinen Werth als Sphäre angeführt werden. Denn einmal ist eine radiäre Anordnung der Zellsubstanz um die Sphäre nicht unbedingt nothwendig, wie aus den Angaben über Leukocyten von M. Heidenhain und den Beobachtungen an Hodenzellen erhellt, und ferner zeichnen letzterer Autor wie auch Flemming Sphären, deren Inneres keine radiäre Struktur besitzt. Dann spricht meines Erachtens gegen die Deutung als Centrosoma vor allem die Grösse der Ge- Ueber die Zellen in den Lymphdrüsen von Macacus eynomolgus. 609 bilde. Nach Flemming!) messen im den fixen Zellen des durch die Grösse seiner Elemente ausgezeichneten und darum so werth- vollen Salamanders die Centrosomen 0,5 u, in den Leukoeyten desselben Thieres bis zu 1,5 u. In meinen Objekten dagegen schwankt, wie oben angegeben (von den kleinsten Zellen kann hierbei wegen ihrer geringen Häufigkeit abgesehen werden), das Maass der Sphären mittelgrosser Zellen zwischen 2 nnd 3 u: ein Unterschied, der, erwägt man die Grössenverhältnisse der Zellen bei beiden Thierarten, sehr in Betracht kommt. Denn es ist nicht anzunehmen, dass die grossen Zellen von Salamandra kleinere Centrosomen besitzen sollten als die kleinen Zellen von Macaecus, zumal alle übrigen Bestandtheile des Zellkörpers bei Salamandra um ein Vielfaches grösser sind als bei Macacus. Ausserdem aber wird diese Betrachtung noch gestützt durch die Angaben derjenigen Autoren, welche an Säugethieren gearbeitet haben. Hansemann (l. e. pg. 58) sagt, dass die Centrosomen in den Bindegewebszellen eines Mammacareinoms „etwa die Grösse eines sehr kleinen Coceus“ hatten, und M. Heidenhain ?) findet beim Kaninchen die Durchmesser seiner Mikrocentren — ein Begriff, der sich durchaus nicht mit dem des Centrosoma deckt — zwischen 0,37 und 1,2 u, während die mittlere Grösse der Centrosomen unter 0,44 u liegen soll. Die von mir hier beschriebenen Gebilde besitzen also fast das 5- bis 6fache des vonM.Heidenhain gefundenen Maasses, wären also wahrhaft riesige Centrosomen. Und gerade dieses Umstandes halber glaube ich nicht, dass wir es mit Centrosomen zu thun haben, sondern halte die von mir beschriebenen Gebilde für die Sphären. Wo aber ist das Centrosoma ? Fehlt es wirklich oder wird es nur durch die von mir beliebte Färbungsmethode nicht zur Anschauung gebracht? Die letztere Vermuthung ist, wie ich glaube, hinfällig. Die adjektive Verwendung der basischen Ani- line zeigt, wie ich in einer früheren Arbeit (dies Archiv Bd. 44) dargethan habe, in der ruhenden Hodenzelle von Salamandra mit Leichtigkeit das Centrosoma, zeigt ferner, wie ich hier vorläufig bemerken will, die sogenannten Polkörperchen bei der Theilung auf das schärfste, sodass es nicht wahrscheinlich ist, dass sie ge- 1) W. Flemming: Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. Dies Archiv Bd. 37, pag. 702. 2) M. Heidenhain: Dies Archiv Bd. 43, pag. 477/8. 610 Bernhard Rawitz: rade hier versagen wird. Die Methode ist sogar, wie ich 1. e. hervorgehoben habe, anderen Methoden überlegen, denn Meves z. B. gelang der Nachweis der Centrosomen in den Spermato- gonien nur mit Schwierigkeit und nicht in allen Fällen konnte er dieselben sehen. Kann also meines Erachtens der Methode an dem Nicht- siechtbarsein des Centrosoma keine Schuld beigemessen werden, so müssen wir annehmen, dass dasselbe hier fehlt und dass wir es in der That mit einer Attraktionssphäre ohne Cen- trosoma zuthun haben. Die „protoplasmareichen* Lymphdrüsen- zellen von Macacus stehen somit im Gegensatz zu allen bisher auf Attraktionssphären und Centrosomen untersuchten Gebilden. So scharf dieser Gegensatz aber auch ist, als einen wesent- lichen kann ich ihn nicht betrachten. Wir wissen zur Zeit noch so herzlich wenig von den Centrosomen und Sphären, kennen diese Gebilde nur an solehen ruhenden Zellen, welche Derivate des Mesoderm sind, während, so weit meine Kenntniss reicht, deren Existenz an ruhenden, vom Eetoderm oder Entoderm her- stammenden Zellen noch nicht nachgewiesen ist, dass wir wirklich kaum sagen können, was an diesen Zell- Organen wesentlich, was unwesentlich ist. Dass bisher von manchen Autoren (Platner, M. Heidenhain u. A.) das Centro- soma als das Konstante, nie Fehlende betrachtet worden ist, dürfte vielleicht oder wahrscheinlich weniger in der Natur der Sache begründet, als vielmehr durch die allgemein beliebte Methodik der Färbung bedingt sein. Es scheint sich bei der Erforschung von Centrosoma und Attraktionssphäre dasselbe zu wiederholen, was wir bei der Erforschung von Zell- und Kern- theilung erlebt haben. Im Anfange wurden die Vorgänge am Kerme allein studirt, weil bei der gewählten substantiven Ver- wendung der basischen Aniline die Kernfiguren so scharf hervor- gehoben wurden, dass sie das mikroskopische Bild und damit das wissenschaftliche Denken beherrschten. Nachdem durch Heranziehung eines ungewöhnlich günstigen Objektes die Auf- merksamkeit auf die Zellsubstanz wieder hingelenkt war und nachdem man gelernt hatte, durch komplizirte Methoden deren Einzelheiten deutlicher zu machen, weicht die Ueberschätzung des Kernes allmählich einer richtigeren Würdigung des Verhält- nisses beider Zellbestandtheile zu einander. Und auch hier sind Ueber die Zellen in den Lymphdrüsen von Macacus eynomolgus. 611 es wiederum die Methoden, welehe beim Studium des neugefun- denen Zellorganes für die Erforschung des einen Bestandtheiles desselben günstiger sind als für die des anderen. Die substan- tive Verwendung von Kombinationen mehrerer Aniline (z. B. Flemming’s ÖOrangeverfahren), die adjektive Verwendung des Hämatoxylins zeigen die Centrosomen und deren Einzelheiten ausserordentlich viel deutlicher als die Sphäre. Ja ich möchte behaupten, dass wir, abgesehen von der Eizelle der Ascariden, die Sphären überhaupt mit den bisher allgemein gebräuchlichen Methoden nicht gut oder gelegentlich auch gar nicht zu färben im Stande sind. Darum ist die Prävalenz des Centrosoma ebenso wie die namentlich vonM. Heidenhain behauptete Unselbstständig- keit der Sphäre zur Zeit nur eine scheinbare, mehr eine subjektiv dem Forscher sich darstellende als eine objektiv den Dingen im- manente. Sowie es möglich ist, die Sphäre deutlich hervorzuheben, sie überall dort klar sichtbar zu machen, wo sie sonst nicht oder nur ungenau zu beobachten ist, müssen wir auch unsere Schätzung des Werthverhältnisses beider Gebilde zu einander modifiziren. Ich glaube es daher als emen Vorzug der von mir eingeführten adjektiven Verwendung der basischen Aniline betrachten zu dürfen, dass durch dieselbe die Sphären in chemisch exakter Weise mit einer sonst nicht zu erreichenden Deutlichkeit dargestellt werden, deutlicher vor allem, als dies mit den ganz werthvollen, aber färberisch unzuverlässigen Hämatoxylinlacken möglich ist. Es ist namentlich M. Heidenhain!), welcher in seiner Abhandlung über die Centralkörper in den Riesenzellen des rothen Knochenmarkes einen extremen Standpunkt einnimmt und die Bedeutung der Sphäre als eines besonderen Zellorganes ganz leugnet. Offenbar versteift sich dieser Autor viel zu sehr auf die van Beneden’schen Begriffsbestimmungen?). Wenn van Beneden die von ihm im Ascarisei gefundene Attraktionssphäre durch einen Kreis besonders starker Körnchen sich gegen die umgebende Eisubstanz abgrenzen lässt — M.Heidenhain nennt diesen Körnchenkreis „van Beneden’sches Mikrosomenstratum“ —, so ist damit durchaus noch nicht ein für alle mal festgestellt, dass, um die Worte Heidenhain’s anzuführen (l. e. pag. 399), „man von einer Astrosphäre (sphere attractive) nur dann sprechen 1) M. Heidenhain: Dies Archiv Bd. 483. 2) van Beneden et Neyt: ]. ce. pag. 51, 53, 57 und 63. 612 Bernhard Rawitz: kann, wenn die Hauptsache da ist, nämlich das van Beneden- sche Mikrosomenstratum oder der diesem entsprechende Contour ..* Das ist eine Verallgemeinerung eines an eimem bestimmten Ob- jekte gemachten Befundes, welehe der berühmte Entdecker der Attraktionssphäre sicher nicht für zulässig halten dürfte. So bald man Objekte wählt, welche keine „eentrirten Systeme“ im Sinne M. Heidenhain’s besitzen, und so bald man Sphären findet, die sich nicht scharf abgrenzen — denn auf die Ab- grenzung legt M. Heidenhain einen besonderen Werth —, trifft jene Definition nicht zu und man muss ihr dann dennoch etwas „abmarkten“. Es ist sehr wahrscheinlich, dass in allen Körper- zellen Sphären vorkommen, wenn dieselben auch noch nicht in allen gefunden sind, es ist aber mindestens ebenso wahrschein- lich, dass in den verschiedenen Zellen die Sphären ein ver- schiedenes Verhalten darbieten werden. Denn wie hinsichtlich der Funktion die einzelnen somatischen Zellen differiren, so wird dies auch hinsichtlich desjenigen Zellorganes der Fall sein, welches die Funktion höchst wahrscheinlich beherrscht. In dieser Beherrsehung glaube ich die physiologische Dignität der Sphäre erblieken zu sollen und muss daher die meiner Ansicht nach durch keine einzige einwandsfreie Beobachtung begründete, ganz vor- eilig aufgestellte Anschauung jener Forscher ablehnen, welche in den Attraktionssphären ein vorübergehendes, nur bei der Zell- theilung eime Rolle spielendes Organ erblicken wollen. Wie M.Heidenhain hinsichtlich der Negation der Sphären- selbständigkeit viel zu weit geht, so thut er dies auch, wo er positiv arbeitet, ich meine: neue Begriffe schafft. So halte ieh z. B. seinen Begriff des Mikrocentrum für durchaus unhaltbar. Der Autor sagt auf pag. 463 l. c.: „Wir haben in der Mitte der Astrosphäre der Leukoeyten nicht bloss zwei, drei oder vier färbbare Körperchen, sondern diese treten durch Vermittelung einer andersartigen Substanz zu einem einheitlichen Complex zu- sammen, welcher bei seinem zwar wechselnden, aber gesetz- mässigen Aufbau als ein stets doch in ähnlicher Weise wieder- kehrendes Strukturgebilde einfacher Art sich vorstellt. Dieses Gebilde, als ein Ganzes betrachtet, bezeichne ich weiterhin als das Mierocentrum der Zelle“ All das passt ganz gut für die von M. Heidenhain untersuchten Objekte, ist aber durch- aus unzutreffend für jedes andere zellige Gebilde; denn weder Ueber die Zellen in den Lymphdrüsen von Macacus eynomolgus. 613 bei den Lymphdrüsenzellen von Macacus, noch bei Hodenzellen, noch bei Eizellen sind die Vorbedingungen erfüllt, um den Be- griff des Mikrocentrum als einen allgemein giltigen erscheinen zu lassen. Es handelt sieh hier bei M. Heidenhain um eine offenbar richtige Beobachtung, die aber in durchaus nieht zu- treffender Weise verallgemeinert wird. Emanzipiren wir uns, um nach dieser mir nothwendig er- schienenen Abschweifung auf das Thema zurückzukommen, vor allen Dingen von einer Dogmatisirung der Begriffe und hüten wir uns den Dingen Gewalt anzuthun, lediglich um sie in ein bequemes Schema einreihen zu können. Würden wir an den van Beneden’schen Worten festhalten, so gäbe es Attraktions- sphären nur in sich furchenden Nematodeneiern und allenfalls noch in Amphibienleukocyten. Halten wir uns dagegen an den Sinn der van Beneden’schen Beobachtung, so werden wir als Attraktionssphären solehe Gebilde bezeichnen können, die durch ihre Färbbarkeit sich von der Zellsubstanz abheben, durch ihre Lage und ihre Beziehungen zur Zellsubstanz und zum Kerne in ganz bestimmter und klarer Weise charakterisirt sind. Ob in allen Sphären ein Centrosoma nachzuweisen ist oder nicht, dürfte namentlich bei dem geringen Umfange unserer augenblicklichen Kenntnisse Cura postrema sein. So glaube ich denn, dass die Gebilde, dieichin den Zellen der mesenterialen Lymphdrüsen von Macacus eynomolgus nachweisen konnte, hin- reichend charakterisirte Attraktionssphären ohne Centrosomen sind. II. Die Riesenzellen der Lymphdrüsen. ‘ Die zweite Zellart in den mesenterialen Lymphdrüsen von Macacus, welche zu einem eingehenderen Studium auffordert, sind die Riesenzellen. Dieselben kommen fast ausschliesslich in der centralen Partie des Organes, der sogenannten Marksubstanz, vor, während sie in der Rinde nur in sehr wenigen Schnitten und dann nur sporadisch anzutreffen sind. Auch diese Zellen liegen, wie die bisher behandelten „protoplasmareichen“, frei im Reti- eulum. Sie sind an manchen Stellen so zahlreich, dass sie fast das mikroskopische Bild beherrschen, während sie an anderen von den „protoplasmareichen“ an Zahl übertroffen werden. 614 Bernhard Rawitz: Sie sind Riesenzellen, weil ihre Maasse meist das 3 bıs Dfache des Maasses der mittelgrossen „protoplasmareichen“ Zellen betragen. Zwar haben die kleinsten unter ihnen, die kreisrund begrenzten, nur einen Durchmesser von 13,5 u, die mittlere Grösse der theils ovalen, theils runden Zellen aber schwankt zwischen 22,5 u und 30 u. Einzelne haben nur einen Kern, manche deren zwei, die meisten Zellen besitzen 5 oder 7, zuweilen findet man sogar 9 Kerne. Die Grösse der Zellen und die Zahl der Kerne stehen nieht nothwendig in einem Verhältnisse zu ein- ander, denn man sieht kleine Zellen mit zwei und mehr Kernen und grosse mit nur einem Kerne (z. B. Fig. 20 n, Taf. XXX). Die Kerne liegen durchaus getrennt von einander, wenigstens habe ich niemals auch nur die entfernteste Andeutung finden können, dass Verbindungsbrücken zwischen den Kernen existirten. Kerngebilde also, wie sie z. B. M. Heidenhain in den Riesen- zellen des rothen Knochenmarkes vom Kaninchen zeichnet, kommen in diesen Riesenzellen nicht vor. Man kann ferner, eine einzige noch zu erwähnende Ausnahme abgerechnet, eine bestimmte Gruppirung, gewissermaassen ein Prinzip in der Lagerung der Kerne im Innern der Zellsubztanz durchaus nicht wahrnehmen. In den einen Zellen liegen alle Kerne, wenn deren mehrere vor- handen sind, dem Centrum der Zelle genähert, in den anderen liegen sie alle excentrisch, oft sogar so, dass der eine oder der andere aus der Zellsubstanz herauszutreten scheint, in noch an- deren liegt ein Theil mehr central, ein anderer excentrisch. Und die Bilder, welche die Zellen in Folge der Lagerung der Kerne darbieten, sind so wechselnde, dass man bei jeder neuen Zelle, die man untersucht, erst sich in den Kernen zurecht finden muss, eheman an das Studium der feineren Einzelheiten denken darf. Von den „protoplasmareichen“ Zellen unterscheiden sich die Riesenzellen, mögen sie nun einkernig oder vielkernig sein, durch den Mangel einer Attraktionssphäre. Nur eine einzige Ausnahme habe ieh unter den vielen von mir untersuch- ten Zellen angetroffen und diese Ausnahme, da sie gewisser- maassen von den bisher beschriebenen zu den jetzt zu beschrei- benden Gebilden überleitet, soll zunächst geschildert werden. Die Zelle ist in Fig. 15, Taf. XXXU abgebildet. Sie besitzt 7 Kerne, enthält in der einen, bei der gewählten Orientirung linken, Ecke einen in einer Art Hohlraum der Zellsubstanz liegenden homogenen Ueber die Zellen in den Lymphdrüsen von Maeacus eynomolgus. 615 Körper und hat in ihrem Centrum eine Attraktionssphäre (Fig. 15a, Taf. NXXII). Letztere bietet pedantisch genau das gleiche Verhalten dar wie die Attraktionssphären der vorhin beschriebenen Zellen, sowohl was die Intensität der Tinetion wie das Aussehen im Allgemeinen anlangt. Ihre Anwesenheit hat auf die Kerme gewissermaassen richtend eingewirkt — dadurch unterscheidet sich diese Riesenzelle von allen anderen —; denn denkt man sich dureh die Sphäre eine Axe gelegt und diese nach oben und unten (in Bezug auf die Figur) verlängert, so liegen rechts von ihr 4 Kerne, links 5 Kerne und jener homogene Körper, sie findet sich also genau im Mittelpunkte der Zelle. Dass in dieser Zelle eine Sphäre vorkommt, ist auffällig, denn sie zeigt im Ganzen bereits mancherlei Veränderungen. Die Kerne sind zum Theil nieht mehr normal und liegen in Hohlräumen der Zelle, die sie nicht ausfüllen, das Vorhandensein eines homogenen Körpers deutet auf den Beginn jenes Prozesses der Zellumwand- lung hin, den wir noch näher kennen lernen werden. Die Zell- substanz ist dagegen fast normal, denn sie besitzt die unbestimmte Struktur, welche an den Zellen der Lymphdrüsen von Macacus stets zu finden ist, in einer Ausdehnung, die nicht korrespondirt mit dem Verhalten, das sonst an anderen Riesenzellen, welche homo- gene Körper enthalten, zu finden ist. Vielleicht hat die Existenz der Attraktionssphäre den Umwandlungsprozess aufzuhalten, wenn auch nicht zu unterdrücken vermocht. Das Interesse, welches die Riesenzellen darbieten, ist ge- knüpft an jenen eben erwähnten Umwandlungsprozess, der an der Zellsubstanz und an den Kernen abläuft und an dessen Be- schreibung ich jetzt gehen will. Dabei müssen die Veränderungen der Kerne von denen der Zellsubstanz gesondert geschildert wer- den, denn es laufen, und das gewährt wiederum einen ganz eigen- artigen Reiz, beide Veränderungen nicht parallel nebeneinander, sondern es kümmert sich gewissermaassen der Kern nicht um die Zellsubstanz und umgekehrt. Eine Zelle wie z. B. die in Fig. 17, Taf. XXXII hat einen gequollenen und fast völlig zer- störten Kern bei relativ geringer Veränderung in der Zellsubstanz und eine Zelle wie die in Fig. 21, Taf. NXXII zeigt trotz sehr be- trächtlieher Veränderung der Substanz relativ gut erhaltene Kerne. Die Veränderungen der Kerne, mit denen wir uns zunächst beschäftigen wollen, sind kurz als Kernsehwund zu bezeichnen 616 Bernhard Rawitz: Kerne, welche normal sind, bieten das im vorigen Abschnitte geschilderte Verhalten dar, also: deutlich ausgeprägte, wenn auch nieht sehr dieke Kernmembran, spärliches Chromatin, in Gestalt von einem oder wenigen Brocken vorhanden, deutliches, durch den geradlinigen Verlauf der Fäden starr aussehendes Lininnetz und kleine, intensiv sich färbende Körnchen in den Knotenpunkten und den Ansatzstellen desselben. Solche Kerne findet man in den Figuren 16, 18 und 19 bei » (Taf. XXXI). Die Veränderungen spielen sich an den eimzelnen Theilen des Kernes in der Weise ab, dass zunächst allenthalben die Fäden des Lininnetzes spurlos verschwinden, während die Körnchen, welche eben darum, wie im vorigen Abschnitte hervorgehoben wurde, als Gebilde sui generis (Nucleolen ?) betrachtet werden müssen, sowie die Chromatinbrocken erhalten bleiben (Fig. 21 und 24 bei n,, Taf. XXXXI). Im allgemeimen ist der weitere Verlaufder, dass jetzt das Chromatin spurlos verschwindet und nur noch die Körn- chen zurückbleiben, welehe an Zahl allmählich geringer werden und nur noch verstreut in dem von der Kernmembran begrenzten Raume zu finden sind (Fig. 17, 18, 19, 23, 24, 25, 27 bei n,, Taf. XXXII). Dann schwinden auch die letzten Körnchen, die Kernmembran, wie sich aus deren zerfetztem Aussehen schliessen lässt (Fig. 19 bei n,, Taf. XXXID, geht ebenfalls zu Grunde und endlich ist am Ende der Kern völlig und spurlos geschwun- den (Fig. 26 n,, Taf. XXXIl) und an seiner Stelle eine Lücke oder ein heller Fleck in der Zelle zurückgeblieben. Zuweilen aber ist nach dem initialen Schwunde des Lininnetzes der Prozess ein anderer. In solehen Kernen, welehe nur noch aus Kernmembran, Körnchen, Chromatinbrocken und Kernsaft be- stehen (Fig. 21 und 24 bei n,, Taf. XXX), gehen die Körmn- chen zu Grunde, während das Chromatin erhalten bleibt (Fig. 22 und 23 n,, Taf. XXXI), wobei es zuweilen vorkommt, dass der Kernsaft sich intensiv zu tingiren im Stande ist (Fig. 20. n,, Taf. XXX. Das Schicksal der so veränderten Kerne ist ein an- deres als das derjenigen, deren Chromatin geschwunden ist. Sie werden nämlich in Folge des Zerfalls der sie beherbergenden Zellsubstanz frei und man trifft daher, stellenweise in grosser Menge, freie Kerne in den Maschen des Retieulum der sogenann- ten Marksubstanz. Hier müssen die Kerne im nicht näher eruirbarer Weise zu Grunde gehen, denn man findet sie nicht Ueber die Zellen in den Lymphdrüsen von Macacus eynomolgus. 617 wie die später zu erwähnenden Produkte der Zellsubstanz in den Lymphgefässen. Das auffällig Erseheinende der geschilderten Vorgänge dürfte darin zu finden sein, dass beide Arten der Kernveränderung nebeneinander in derselben Zelle vorkommen können, wie dies ein Bliek auf die Figuren 23 und 24 Taf. XXXII lehrt. Betrachten wir nunmehr die Veränderungen der Zellsub- stanz, die entweder als Zellsehwund oder als Bildung homo- gener Körperchen oder endlich als Zellverflüssigung auftreten. Als Zellsehw und bezeichne ieh einen Prozess, dessen Resultat eine völlige Auflösung der Zelle ist. Derselbe wird da- durch eingeleitet, dass in der Zellsubstanz, deren normale Struktur auch bei den Riesenzellen allenthalben als unbestimmt zu bezeichnen ist, Verdünnungen auftreten. Man gewinnt beim An- blieke solcher Zellen nämlich den Eindruck (Fig. 16—18 bei v, Taf. XXXII), als ob; die Hauptmasse der Zellsubstanz — denn hier und nicht etwa um den Kern herum beginnt die Verände- rung an einer oder mehreren Stellen rarefieirt wäre. Die Färbung ist schwächer als die der Umgebung, die Zellsubstanz macht an diesen verdünnten Stellen den Eindruck, als ob sie leicht zerreisslich wäre. Eine scharfe Konturirung der Verdün- nungen ist nicht vorhanden, dieselben gehen vielmehr ohne deut- liche Grenze ganz allmählich in die normal beschaffene Zell- substanz über. Kleinere Zellen haben ein, zwei oder drei solcher initialen Verdünnungen, grössere (Fig. 19 », Taf. XXXII) zeigen deren eine sehr beträchtliche Menge. Es treten nach Einleitung des Prozesses immer mehr solcher Verdünnungen auf. Die Zellsubstanz schwindet dann im Innern derselben und wir haben nunmehr eine Blasenbildung im Zell- leibe vor uns, die der Zelle bei starker Entwickelung ein schau- miges Aussehen verleiht (Fig. 21, 22; Taf. XXXI). Die Blasen dehnen sich aus und durch Rarefieirung der zwischen ihnen liegenden, oft auf einen schmalen Streifen redueirten Zellsubstanz fliessen zwei oder mehrere solcher Blasen zusammen. In Fig. 20 Taf. XXXI ist eine Zelle abgebildet, welehe an einer Seite und in der Nähe des Kernes die sich verdünnende Zellsubstanz zeigt (v), während alles Uebrige blasig verändert ist (b). Die Scheidewände zwischen den Blasen sind hier sehr scharf ausge- prägt, sie werden, wie natürlich, von strangförmigen Resten der 618 Bernhard Rawitz: Zellsubstanz gebildet. Die betreffende Zelle fällt ausserdem durch ihre ungewöhnlich starke Konturirung auf, die fast den Eindruck erweckt, als sei sie von einer besonderen Membran bewirkt. Auchnoch an anderen Zellen, namentlich denen, welehe die zweite zu besprechende Veränderung durchmachen, findet sich eine solche starke Konturirung. Doch würde man fehlgehen, hier eine Membran als vorhanden anzunehmen; es handelt sieh vielmehr um den letzten Rest von Zellsubstanz, der durch die Blasenbildung peripher gedrängt ist und naturgemäss, infolge seiner Kompression, sich ungemein intensiv tingirt. Die Figuren 21 und 22 Taf. XXXII stellen Zellen dar, deren Blasen wesent- lich kleiner aber auch wesentlich zahlreicher sind, als in der in Fig. 20 Taf. XXXII abgebildeten Zelle. In beiden Figuren sieht man den sehr häufig zu machenden Befund, dass die Peri- pherie der Zelle rings um die Blasen herum unveränderte Zell- substanz besitzt. Das Schicksal der Zellen ist, wie man an einzelnen Exemplaren feststellen kann, offenbar eine Auflösung. Man trifft nämlich Zellen, deren peripherisch gelegene Blasen geplatzt sind und die dadureh wie zernagt aussehen.: Wahrscheinlich zerspringen all- mählich alle Blasen, dadurch schwindet die Zelle vollständig und die Kerne, falls sie nieht gleichfalls zu Grunde gegangen sind, werden frei. Leider kann ich hier nur eine Wahrscheim- lichkeit vorbringen, denn Zelltrüämmer, die als Reste solcher ver- änderter Zellen aufzufassen gewesen wären, habe ich nirgends getroffen, immer vielmehr kann man die zerstörten Zellen noch als Zellen diagnostiziren. Ebensowenig kann ich sagen, ob für solehe zu Grunde gegangenen Zellen ein Ersatz eimtritt oder nicht, und, wenn ersteres der Fall ist, woher der Ersatz kommt. Und auch darüber ist endlich nichts auszusagen, ob durch den Umwandlungsprozess, welchen die Zellen durchmachen, den Lymphbahnen Bestandtheile des Zellkörpers zugeführt werden. Meine Präparate gewähren gar keinen Anhalt, um zur Beantwor- tung der drei sich von selbst aufdrängenden Fragen auch nur eine Vermuthung aufstellen zu können. Eine andere Veränderung, weleher die Riesenzellen in den mesenterialen Lymphdrüsen von Macacus unterworfen sind, ist dieBildung homogenerKörpercehen. Kann man bei dem eben geschilderten Prozesse die einzelnen Phasen desselben sich aus Ueber die Zellen in den Lymphdrüsen von Macacus eynomolgus. 619 den zu beobachtenden Bildern rekonstruiren, so ist das hier eine Unmöglichkeit. Man trifft nur Zellen mit völlig ausgebildeten homogenen Körperchen an, aber nirgends findet man Andeu- tungen, welche auf die Art der Entstehung dieser Körperchen ein Licht werfen. Der Leib der Riesenzellen, welehe homogene Körperchen enthalten (Fig. 23 k, Taf. XXXID, erscheimt gewissermaassen durehlöchert und in den Löchern oder vielleicht richtiger Blasen liegen die betreffenden Körperchen (efr. auch Fig. 15 k und Fig. 24 k, Taf. XXXID). Die restirende Partie des Zellleibes zeigt (Fig. 23, Taf. XXXID) unverändertes Aussehen, also unbe- stimmte Struktur. Die Kerne dieser Zellen finden sich häufig in ebensolchen Blasen gelegen wie die homogenen Körperchen (Fig. 15 %k, 24 k, Taf. XXX); beide füllen die Blasen nieht aus. Die Körperchen sind ganz homogene, scharf konturirte Ge- bilde von kugeliger Gestalt, deren Durchmesser stets 4,5 u be- trägt; sie sind nicht mit rothen Blutkörperchen zu verwechseln. Die Grösse der letzteren entspricht nach W. Krause!) bei Affen derjenigen der rothen Blutkörperchen des Menschen, beträgt also im Mittel 7,7 uw. Die kleinsten rothen Blutkörperchen sind nach demselben Autor allerdings nur 4,7 « gross und dieses Maass würde dem der hier gefundenen Gebilde gleichen. Allein die rothen Blutkörperchen haben ausnahmslos eine centrale Delle, und eine solche fehlt hier stets. Dass die Körperchen kugelig und nicht etwa scheibenförmig sind, folgt daraus, dass man nie- mals schmale, also auf die hohe Kante gestellte, Gebilde trifft, sondern immer nur gleichmässig kreisrund begrenzte. Es wäre aber im höchsten Grade auffallend, dass, falls es sich wirklich um scheibenförmige Körper handelte, diese dann in allen Präpa- raten ausnahmslos auf der flachen Seite liegen und nicht gelegent- lich einmal eine andere Stellung einnehmen sollten. Ich halte diese homogenen Körperchen für,.gleichwerthig den von Flemming?) in den Lymphdrüsen des Rindes und des Kaninchens sowie in den Peyer’schen Knötehen gefundenen 1) W. Krause: Handbuch der menschliehen Anatomie. I. All- gemeine und mikroskopische Anatomie. 2) W. Flemming: Studien über die Regeneration der Gewebe. Dies Archiv Bd. 24. ® Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 41 620 Bernhard Rawitz.: Gebilden, die er als tingible Körper bezeichnet. H. Hoyer!) hat in den Lymphdrüsen des Hundes anscheinend etwas Aehn- liches gesehen, wenn er auch zu keinem klaren Entscheide kommen komnte. Die „tingiblen Körper“ Flemming's unter- scheiden sich von den hier. gefundenen homogenen Körpern hauptsächlich durch ihre Gestalt und dureh ihr Verhalten. Die- selben sind oft hohlkugelartige oder runde oder längliche Körper; die hohlkugelartigen bieten häufig verschiedenartiges Aussehen dar; die Grösse der Körper ist ferner eine wechselnde. Hier handelt es sieh um ganz homogene, kugelige, stets gleich grosse Gebilde. Findet man in einer Zelle kleinere Körper, so dürften es solche sein, welche nicht gänzlich in die Schnittebene gefallen sind. Flemming traf seine Körper nur in Zellen an, wenn er auch die Möglichkeit, dass sie frei im Retieulum liegen könnten, nicht ausschliesst; Hoyer fand seine Bildungen frei zwischen den Zellen liegen. Das Material, an dem ich untersuchte, wenn es auch über die Entstehung der homogenen Körper keinen Aufschluss giebt, lehrt doch deutlich deren Schicksal kennen. Die Körper treten nämlich dadurch, dass die Blasen, in welchen sie liegen, platzen, aus der Zelle heraus und finden sich dann frei in der Umgebung ihrer Ursprungsstellen und auch in weiterer Entfernung von den- selben (Fig. 24 k, Taf. XXXI]); stellenweise sind diese freien Körper überaus zahlreich. Zellen, die ihre homogenen Körper entleert haben oder zu entleeren im Begriffe sind, sehen wie mit einem Locheisen ausgeschlagen aus (Fig. 24, linke Zelle, Taf. XXXID. Später springen auch die Blasen, welche die Kerne enthalten, wodurch diese frei und die Zellen selber zerstört werden; beide fallen offenbar dem Untergange anheim. Die homogenen Körper aber trifft man massenhaft in den Lymphgefässen der Drüse zwischen der körnig geronnenen Lymphe. Und auch in den Gefässen haben sie meist ihre kugelige Gestalt bewahrt und nur hie und da ist durch die in Folge der Gerinnung der Lymphe eingetretene Schrumpfung und durch die damit bewirkte Kom- pression die Gestalt eine mehr flache. Diese homogenen Körper sindalso, so weit meine Präparate lehren, die einzigen morphotischen Ele- 1) H. Hoyer: Beitrag zur Kenntniss der Lymphdrüsen. Dies Archiv Bd. 34. Ueber die Zellen in den Lymphdrüsen von Macacus eynomolgus. 621 mente, dieausdenLymphdrüsen in denKreislauf -übertreten. Aus dem Umstande, dass die homogenen Körper in die Lymphbahn gelangen, glaube ich auch das Reeht herleiten zu können, die Riesenzellen, in welchen sie entstehen, nicht als blutkörperehenhaltige Zellen und demgemäss auch die Körper, um darauf noch einmal zurückzukommen, nicht als Blutkörperehen deuten zu müssen. H. Hoyer hat (l. e. p. 222) in den Lymph- gefässen der Lymphdrüsen des Hundes „blutkörperchenhaltige Zellen“ gesehen und zwar in grosser Menge „nach voraufgegan- genem Blutergusse am Darme“, spärlich in den Lymphbahnen normaler Lymphdrüsen. Aber grade aus dieser letzteren Angabe geht hervor, dass es sich bei dem Hoyer’schen und bei meinem Objekte um ganz verschiedene Gebilde handelt. Denn niemals habe ich die Zellen mit ihrem Inhalte in den Lymphgefässen der Drüsen angetroffen, sondern nur die freien homogenen Körper immer also, nach meiner Auffassung, die Zellproaukte. Zuweilen findet man in blasig veränderten Zellen in geringer Anzahl homogene Körper (Fig. 22 k, Taf. XXX) und in Zellen mit homogenen Körpern einige kleinere und grössere Blasen (Fig. 23 b, Fig. 24b, Taf. XXXID. Ich halte dafür, dass es sich dabei um ein Nebeneinander beider Prozesse handelt und nicht etwa um enNacheinander, d. h. um eine Entwickelung des körperchen- haltigen Zustandes aus dem blasigen. Die dritte Art der Veränderung, welche man an Riesen- zellen antrifft, ist eine Verflüssigung, wenigstens glaube ich einige allerdings nur selten beobachtete Bilder so deuten zu sollen. Man trifft nämlich Zellen, die Folgendes erkennen lassen (Fig. 25 und 26, Taf. XXXID. An der einen Seite der meist ovalen Gebilde liegt die Hauptmasse der Zellsubstanz, welche, wie dies die er- wähnten Figuren zeigen, sichelförmige Gestalt besitzt. Diese Hauptmasse ist im allgemeinen am stärksten entwickelt in der Nähe des stumpfen Poles der ovalen Zelle und wird zum spitzen Pole hin immer schmaler, sodass sie von diesem aus nur noch einen sehr feinen, strichförmigen Saum darstellt, der bis zum stumpfen Pole auf der der Hauptmasse entgegengesetzten Seite sich erstreckt. Die Zellsubstanz, deren Struktur eine unbestimmte ist, gleicht somit einem Siegelringe, dessen Höhlung von einer besonderen Substanz ausgefüllt wird. In der grössten Anhäufung der Zellsubstanz findet sich in den einen Zellen der stark ver- 693 Bernhard Rawitz: änderte Kern (Fig. 25 n,, Taf. XXXIlI), dessen Anwesenheit eine buckelförmige Hervortreibung gegen das Innere des Ringes be- dingt. In den meisten Zellen ist der Kern aber vollständig zer- stört und an seiner Stelle nur noch ein Loch oder ein heller Fleck zu sehen (Fig. 26 n,, Taf. XXXI]I). Der Inhalt des von dem ring- förmigen Zellsubstanzsaume umschlossenen Raumes wird von einer Substanz erfüllt (Fig. 25, 26 und 27 g, Taf. XXXIJ), die sich bei der gewählten adjektiven Verwendung der basischen Aniline sehr blass gefärbt hat. Sie erscheint wie aus einzelnen sehr kleinen Körnehen zusammengesetzt, die dicht an einander stehen, den Hohlraum der Zelle prall ausfüllen und dem Ganzen ein zart granulirtes Aussehen geben. Eine ebenso aussehende und ebenso sich färbende Substanz finden wir in den Lymphgefässen dieser Drüsen, wo sie die ge- ronnene Lymphe darstellt. Mit letzterer halte ich den erwähnten Zelleinschluss für identisch und glaube somit, dass wir im ihm das Resultat eines Verflüssigungsprozesses der Zellsubstanz zu erblicken haben. Dem eventuellen Einwande möchte ich gleich begegnen, dass die von mir beschriebenen Zellen mit feinkörnig geronnenem Inhalte keine Zellen, sondern Quer- sehnitte von Lymphkapillaren oder kleineren Lymphgefässen seien. Einen derartigen Einwand habe ich mir, als ich diese Zellen zum ersten Male sah, selber gemacht, konnte ihn aber sofort ent- kräften durch Vergleich mit wirklichen Lymphkapillaren. Die Wandung der letzteren besitzt niemals, auch nicht auf Schräg- schnitten, ein solehes Aussehen, wie es in den Figuren 25 und 26 Taf. XXXI dargestellt wurde; vor allem aber ist die Wand der Kapillare homogen, die der kleinen Gefässe geschiehtet, während hier die unbestimmte Struktur der Zellsubstanz, wie sie in den Lymphdrüsenzellen von Macacus stets beobachtet wird, ganz unverkennbar ist. Zum Schlusse will ich noch eine Zelle erwähnen (sie ist in Fig. 27 Taf. XXXII abgebildet), die als Repräsentantin einer aller- dings nur selten zu treffenden Zellform betrachtet werden kann. Es finden sich nämlich in ihr die Veränderungen, welche sonst an drei verschiedenen Zellen auftreten, veremigt. Sie zeigt an zwei Stellen eine blasige Entartung der Zellsubstanz (Fig. 27 b), enthält an einer anderen Stelle homogene Körper (k) und ist zum grösseren Theile verflüssigt (g). Bei x sieht man in der Ueber die Zellen in den Lymphdrüsen von Macacus eynomolgus. 623 granulirt geronnenen Flüssigkeit Reste der Zellsubstanz als zarten Strang und als ovale Insel. Die Lymphdrüsen werden als die Orte angesehen, in welchen durch Theilung Zellen entstehen, die in die Bahnen des Kreis- laufs gelangen. Von einer solehen Produktion morphotischer Ele- mente konnte ich in den von mir untersuchten mesenterialen Lymphdrüsen von Macacus nichts beobachten. Dagegen gelang es zu konstatiren, dass hier in Riesenzellen homogene, 2120 strukturlose Korper sich bilden, die-durch Zerstörung der Zellen frei werden und dann in die Lymphbahnen der Lymphdrüse und somit in den Kreislauf gelangen. Ob wirklich bei Macacus keine anderen körperlichen Bestandtheile aus den Lymphdrüsen in den Kreislauf übertreten, bleibe dahingestellt. Welche Bedeutung diesen Gebilden zukommt, welches ihre endlichen Schicksale sind: das zu erforschen war ich nicht in der Lage. Dazu bedarf es ausgedehnter Experimente an einem reichen Materiale, während eine nur gelegentlich ausgeführte, rein anatomische Untersuchung hierfür nieht ausreicht. Berlin, Mitte Mai 1895. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXII Sämmtliche Figuren betreffen Zellen aus mesenterialen Lymph- drüsen von Macacus eynomolgus. Fixirung: Flemming’sche Lösung; Färbung: Fuchsin oder Safranin nach Vorbeizung mit Tannin-Brech- weinstein (adjektive Methode). Fig. 1. Querschnitt durch eine mesenteriale Lymphdrüse. r = Rinden-, m — Marksubstanz; b = Bindegewebsstrang von ungewöhn- licher Breite; 9=Gefässdurchschnitte; k=Kapsel; 2=cfr. Text, Fig. 2—14. Verschiedene Zellen aus den mesenterialen Lymphdrüsen. Entworfen bei Compensationsocular 6, Apochromat, homogene Immersion 15 mm, ausgeführt mit Compensationsocular 8 oder 12. Die Kerne, welche deutlich hervortreten, sind nicht besonders bezeichnet. Das Chromatin derselben ist gelb ge- färbt, genau entsprechend der Färbung in den Präparaten. a= Attraktionssphäre. Bezüglich der Einzelheiten cfr. Text. Fig. 15—27. Riesenzellen ebendaher. Vergrösserung wie bei den vorigen Zellen. a= Attraktionssphäre, nur in Figur 15 vor- handen; n—n, = Kerne; über die verschiedenen Formen der- selben cfr. Text; v = Verdünnungen der Zellsubstanz; b= Blasen der Zellsubstanz; k = homogene Körper; g = granulirt geronnener flüssiger Inhalt; & = Zellsubstanzinsel. 624 W.Szymonowicz:; Beiträge zur Kenntniss der Nerven- endigungen in Hautgebilden. Von Dr. W. Szymonowicz, Assistent an der physiologisch-histologischen Anstalt in Krakau. Hierzu Tafel XXXIII und XXXIV. (Aus dem Il. anatomischen Institute zu Berlin.) A. Ueber Bau und Entwickelung der Nervenendigungen in der Schnauze des Schweines. Merkel gelangte in seinen Erwägungen über die physiolo- sische Funktion der Hautnervenendigungen zu einer sehr in- teressanten Folgerung, welche er in dem Satz ausgedrückt hat: „Die Nervenendigungen in der Haut der luftlebenden Wirbel- thiere sind verschieden gebaut nach der topographischen Lage, aber nicht nach der physiologischen Funktion, und es sind augen- scheinlich nur entwieklungsgeschichtliche, niemals physiologische Ursachen, welehe die Form der Nervenendigungen bedingen“ (6). Diese Ansicht ist gewiss sehr originell; doch ergeben sich grosse Schwierigkeiten, wenn man sich von ihrer Richtigkeit überzeugen will. Die einzige Methode, durch welche man mit einiger Wahr- scheinlichkeit zu einem bestimmten Schlusse in dieser Hinsicht kommen könnte, wäre die Untersuchung der menschlichen Haut, wobei es nöthig wäre, einzelne Stellen derselben, deren Gefühls- qualitäten man vorher genau bestimmen müsste, mittelst der neuen Methoden, auf ihren Gehalt an speeifischen Nervenend- apparaten zu untersuchen. Der Nachweis einer verhältnissmässig grösseren Anzahl Beiträge zur Kenntniss der Nervenendigungen in Hautgebilden. 625 einer bestimmten Art von Nervendigungen, an den, durch beson- dere Gefühlsqualitäten ausgezeichneten, Hautstellen würde ohne Frage für eine physiologisch speeifische Eigenschaft der ersteren sprechen und mithin gegen die Behauptung Merkel’'s zu ver- werthen sein. Ausserdem sind vielleicht manche Thatsachen aus der Nervenpathologie geeignet, Aufschlüsse über diese Frage zu liefern. In dritter Linie kommt auch das Studium der Entwickelung der Nervenendigungen in Betracht. . Ich beschloss daher die Entwickelung der Nervenendigungen an der Schnauze des Schweines zu prüfen, welches Object mir ganz besonders geeignet erschien. Denn in der That existirt wohl kaum irgend ein anderes Organ, welches in solcher Reich- haltigkeit mit den verschiedensten Nervenendigungen versorgt ist. Der Nervenreichthum ist hier dadurch bedingt, dass die Schnauze dem Thiere beim Heraussuchen der Nahrung als Tastorgan be- hilflich sein muss. Die Methoden, deren ich mich bei meiner Untersuchung bediente, sind folgende: a) Die Goldmethode nach Ranvier. In die aus 8 Theilen 1°/, Goldehloridlösung und 2 Theilen Ameisensäure bestehende Mischung, welche aufgekocht und sodann abgekühlt wurde, legt man im Dunkeln ungefähr !/, cem grosse Stückchen für die Dauer einer Stunde. Sodann setzt man die- selben, nachdem man sie im destillirten Wasser flüchtig abge- spült hat, in 20°/,iger Ameisensäure während 24—48 Stunden der Wirkung des Lichtes aus. Die so gefärbten Stückchen wurden in einem progressiv stärkeren Alkohol gehärtet und in Celloidin eingebettet. b) Die Methylenblaumethode nach Ehrlich. Das Verfahren gestaltete sich folgendermaassen: Mittelst des Doppelmessers wurden aus der lebensfrischen Schnauze Stücke von !/, mm Dicke geschnitten. Dieselben wurden auf einem Objektträger in eine Lösung von Methylenblau gelegt. Ich gebrauchte gewöhnlich beim erwachsenen Thiere 1 oder 2 Tropfen einer 1°/, Lösung von Methylenblau in 5—10 Tropfen einer !/,0/, Kochsalzlösung oder humor aqueus, während ieh bei Embryonen dieselben meistentheils durch Fruchtwasser ersetzte. Mit dieser Färbeflüssigkeit umgab und benetzte ich die Schnitte 626 W. Szymonowiez: und eontrolirte bei schwacher Vergrösserung den Gang der Fär- bung, welche gewöhnlich nach Verlauf von ®/, Stunden oder etwas später den Höhepunkt erreichte. Sodann warf ich die Stückehen in die Fixirungsflüssigkeit nach Bethe (13), in folgender Zusammensetzung: Ammoniummolybdat 1 gr Aqu. dest. 10 cem Wasserstoffsuperoxyd 1 eem Acid. hydroehl. offie. 1 Tropfen. Das Methylenblau wird hierin in eine sowohl m Wasser, als auch in Alkohol unlösliche Verbindung gebracht, so dass man im Stande ist die Stücke in Paraffin einzubetten und sogar nach- zufärben. Dem Herrn Bethe, welcher mir seine Methode in liebens- würdigster Weise schon längere Zeit vor ihrer Veröffentlichung mittheilte, spreche ich an dieser Stelle für sein bereitwilliges Entgegenkommen nochmals meinen besten Dank aus. Im Speciellen sind bei der Bet he’schen Methode folgende Einzelnheiten genau zu berücksichtigen, wenn man die Färbung in der Weise erhalten will, wie man sie unter dem Mikro- skope hat. Vor allem ist es nothwendig, die Flüssigkeit in kaltem Zu- stande anzuwenden. In Folge dessen stellte ich dieselbe im Winter vor das Fenster und an warmen Tagen in Eis. Fünf Stunden sind genügend um sämmtliches Methylenblau- in die unlös- liche Verbindung umzuwandeln, doch kann man auch ohne Schaden die Präparate bis zum nächsten Tage in der Fixirungs- flüssigkeit lassen. Letzteres ist sehr angenehm, da die nun fol- senden Manipulationen hintereinander vorgenommen werden müssen und immerhin eine Anzahl von Stunden in Anspruch nehmen. Sodann überträgt man die Präparate in fliessendes Wasser und spült dieselben darin während 2er Stunden, worauf sie in kalten ab- soluten Alkohol für die Dauer von !a—!|, Stunde eingelegt werden. Während dieser Zeit wechselt man den Alkohol, über- trägt sodann die sorgfältig entwässerten Schnitte in Xylol, welches nach einigen Minuten gewechselt wird, um den Alkohol, welcher etwa noch im Gewebe zurückgeblieben ist und die Färbung beein- trächtigen würde, vollständig zu entfernen. Solche Präparate kann man schon nach Verlauf einer Stunde Beiträge zur Kenntniss der Nervenendigungen in Hautgebilden. 627 in Paraffin einbetten. Ich verwendete gewöhnlich ein bei ea. 50° C. schmelzendes Paraffin und liess die Stücke 20 Minuten in dem- selben. Die mittelst des Mikrotoms angefertigten Schnitte wurden mit Alaunkarmin nachgefärbt, oder wurden ungefärbt in diek- flüssigen Canadabalsam eingelegt. Zur Controlle wurden jedesmal von demselben Objeete Stücke in gesättigter Lösung von Sublimat (in 0,6°/, NaCl) oder in Flemming'scher Mischung fixirt. Ferner wurde die Heidenhain’sche Eisenhämatoxylin- färbung nach Sublimat und Färbungen mit den gebräuchlichen anderen Farbstoffen (Alaunkarmin, Hämatoxylin, Safranin, Bis- marckbraun) angewendet. Ich muss jedenfalls bemerken, dass beide zur Färbung der Nerven angewandten Methoden sehr launenhaft sind und dass die Färbung oft aus ganz unbekannten Ursachen nicht gelingt. Mit der Goldmethode erhielt ich gute Bilder namentlich der freien intraepithelialen Nervenendigungen, dagegen färbten sich bei der Methylenblaumethode alle vorhandenen Formen der Nerven- endigungen sehr distinkt. Als Material für meine Untersuchungen verwendete ich den oberen Theil der Scheibe, mit welcher die Schnauze des Haus- schweines endet. Die Untersuchung der Nervenendapparate in der Schnauze eines ausgewachsenen Schweines, ergab nachstehende Formen von Nervenendigungen: | 1. Freie intraepitheliale Nervenendigungen. 2. Die Nervenendigungen in den Merk el’schen Tastzellen. 3. Zwei Formen von Endkolben. 4. Freie dendritische Nervenendigungen an der Grenze der Epidermis und der Cutis. 5. Die Endigungen in den Tasthaaren. ad 1. Die markhaltigen Nervenfasern, aus denen die in- traepithelialen Nervenendigungen hervorgehen, steigen im Innern der sehr langen, dünn ausgezogenen Papillen fast senkrecht in die Höhe, verlieren an der Grenze der Epidermis und der Leder- haut ihre Scheiden und treten erst im oberen Theil der Papille in die Epidermis hinein. Die Axeneylinder verlaufen zwischen den 628 W.Szymonowiez: Epithelzellen des sehr mächtig entwiekelten Rete Malpighii bis an das Stratum granulosum in leicht ziekzackförmigen Linien nach oben, und theilen sich während dieses Verlaufes mehrfach. Von den Nervenhauptfasern zweigen sich Nebenäste unter verschie- denen Winkeln ab, sodass die Fasern mit ihren Zweigen oft reichhaltige Dendriten darstellen. Manchmal biegt ein Nebenast im Bogen nach unten um, um sich wieder in die tieferen Schichten der Epidermis zurück zu begeben. Die Endigung dieser Nervenfasern erfolgt in verschiedenen Höhen der Rete Malpighii. Oefters sieht man die äusseren freien Enden des Axeneylinders knopfförmig angeschwollen. Niemals bemerkte ich Anastomosen zwischen zwei Hauptnervenfasern, ich sah jedoch öfters, dass eine Faser sich diehotomisch in zwei Aeste spaltete, welche sich nach kurzem Verlaufe wieder zu einer Faser ver- banden. In der dadurch gebildeten, meist länglich unregel- mässigen Masche (Fig. 2) befanden sich eine oder mehrere Epidermiszellen. Ein derartiges Auseinandergehen und wieder- holtes Zusammentreffen beobachtete ich mehrmals unzweifelhaft, und die genaue Prüfung mittelst der Immersion schloss die Mög- lichkeit der blossen Uebereinanderlagerung der Fasern aus. Es lässt sich jedoch nieht mit Sicherheit entscheiden, ob etwa in diesem Falle die Fasern, nachdem sie die Masche gebildet haben, nieht zusammenfliessen, sondern nur eng neben einander gelagert eine Strecke weit verlaufen. Die intraepithelialen Nervenfasern sind in ihrem Verlaufe nicht immer von derselben Dicke, sondern sie haben im Gegen- theil gewöhnlich zahlreiche Varieositäten, die jedoch für post- mortale Aenderungen zu betrachten sind, denn im Augenblicke, in welchem die Färbung entsteht, lassen sie sich nicht beobachten, und treten erst mit der Zeit auf. Man kann sowohl an Gold-, wie an Methylenblau-Präparaten die Erscheinung, welehe Ranvier beobachtete, bemerken, dass die Varieositäten umso reichhaltiger und deutlicher sind, je mehr sich die Nervenfaser der Oberfläche der Epidermis nähert, derart, dass oft die nahe dem Stratum granulosum gelegenen äussersten Enden aus Körnchen gebildet erscheinen, welche keinen Zu- sammenhang mehr untereinander haben. Diese Erscheinung gab Ranvier (7) Anlass zur Annahme, dass auch der Nerv an der stetigen Proliferation der Epidermis theilnimmt und dass zugleich 4% Beiträge zur Kenntniss der Nervenendigungen in Hautgebilden. 629 mit der Verhornung und der Absehuppung der oberen Schichten derselben, die äussersten Enden der Nervenfasern fortwährend zu Grunde gehen. ad 2. Tastkörperehen von Merkel. Wenn man den untersten Theil der zwischen den Papillen liegenden Schichten des Rete Malpighii betrachtet, so bemerkt man Zellen, die sich von den gewöhnlichen Epithelzellen unter- scheiden. Die Fixirungsflüssigkeiten, welche die Zellen am deutlichsten zur Anschauung bringen, sind die 1°, Osmiumsäure und diejenigen Flüssigkeiten, die Osmiumsäure enthalten. Im wesentlichen bediente ich mich der Flemming’schen Flüssig- keit und einer Mischung, welche aus gleichen Theilen einer eon- centrirten Sublimatlösung und einer 1/, Osmiumsäure (Kosta- necki) bestand. An so fixirten Präparaten bemerkt man, dass die von Merkel entdeckten Zellen in grösserer Anzahl zu Gruppen ver- einigt liegen, zwischen denen man auch einige Epithelzellen der untersten Epidermisschichte beigemengt findet. Die Merkel’ schen Zellen sind ellipsoidische, gewöhnlich mit der längeren Axe der Hautoberfläche parallel liegende Gebilde ; sie erscheinen hell und blasig und enthalten einen grossen und fast ebenso hellen Kern, in welehem man einen oder mehrere Kernkörperchen beobachten kann. Die Zellen sind umgeben von einem deut- lichen Contour, welcher wahrscheinlich einer Membran entspricht. Der Körper der Zellen ist sehr zart und der Schrumpfung sehr leicht unterliegend. Viele Fixirungsflüssigkeiten, vor allem eine gesättigte Sublimatlösung, veranlassen eine so starke Schrumpfung des Inhaltes der Körperchen, dass der längliche Kern mit einem Saum des Plasma umgeben, einer Wand der Umhüllungsmembran angelagert war und der grösste Theil des Raumes, den die Zelle ursprünglich einnahm, leer blieb. Was ihr Verhältniss zu den Nerven anbelangt, so stimmen die drei hauptsächlich in Betracht kommenden Untersucher dieser Nervenendigungen in manchen Punkten nicht mit einan- der überein. Merkel (4 und 6), der Entdecker der fraglichen Körperchen, behauptet nämlich, dass der Axeneylinder in das Plasma der Tastzelle übergeht und betrachtet sie als terminale Ganglienzelle. Nach seiner Ansicht „geht die Schwann'sche Scheide in die 630 WW. Szymonowiez: Hülle der Zellen direkt über“ und was das Verhalten der in diesen Endgebilden auslaufenden Fasern betrifft, behauptet er „dass die Nervenfasern sich auch noch im Epithel theilen und zwei oder mehrere Tastzellen versorgen.“ Bonnet (5), welcher die Entdeckung Merkels be- stätigte, hat das Verdienst, dass er mittelst der Goldmethode den Zusammenhang der Körperchen mit der Nervenfaser nach- gewiesen hat, welcher aus den bisherigen, mittelst der Osmium- säure gewonnenen Präparaten, fast nur zu vermuthen war, Uebrigens wiederholt er fast wörtlich die Beschreibung von Merkel mit dem Unterschiede, dass er die von Merkel als Tastzellen bezeichneten Gebilde, mit dem Namen „Endknospen“ belegt, und die Axeneylinder in den Kernen enden lässt. Ranvier (8) beschrieb im Jahre 1880 den Zusammenhang der Nervenfaser mit der Zelle derart, dass der Axenceylinder auf der Oberfläche der Zelle einen Meniskus bildet und dass die Menisei unter einander durch dünne Fasern in Verbindung stehen. Endlich beschreibt Bonnet (9) im Jahre 1885 neuerlich diese Nervenendigungen, indem er im Gegensatze zu Ranvier behauptet, dass die Nervervenfasern mit Tastmenisken innerhalb der Zellen zwischen Kern und Membran enden, bestreitet dagegen die Verbindung der einzelnen Tastmenisci durch feine marklose Fasern unter einander und stellt die Behauptung auf, dass für jedes einzelne Körperchen auch ein Axencylinder bestimmt ist, so dass die Zahl der zur Epidermis gehenden Nervenfasern im geraden Verhältnisse zur Menge der dort befindlichen Tast- zellen steht. Die widersprechenden Befunde so hervorragender Forscher erklären sich vor Allem daraus, dass mit der Goldmethode nur in den seltensten Fällen sich alle vorhandenen Nervenelemente färben, während zu gleicher Zeit auch andere Gewebsbestand- theile sich mehr oder weniger intensiv tingiren. Dagegen färben sich bei Anwendung der Methylenblaumethode sämmtliche vor- handenen Nervenelemente, während Plasma und Kerne vollkommen farblos bleiben. Dazu kommt noch, dass man, wie schon oben auseinandergesetzt wurde, durch die Fixirungsmethode nach Bethe in Stand gesetzt ist, beliebig dünne Schnitte anzufertigen, dieselben nachzufärben und in Canadabalsam einzubetten, eine Methode, deren Vortheile auf der Hand liegen. Wenn man noch Beiträge zur Kenntniss der Nervenendigungen in Hautgebilden. 631 berücksichtigt, dass das mobybdänsaure Ammonium ein verhält- nissmässig gutes Fixirungsmittel für die Gewebe ist, so erscheint die Methode allein geeignet, den Bau der Endigungen vollkommen aufzuklären. Die mittelst Methylenblau gefärbten Präparate zeigen nach- stehende Einzelheiten:, Ein aus mehreren markhaltigen Nerven- fasern bestehendes Bündel läuft in mehr oder weniger schrägem Verlauf zum Grunde der Epidermis hin. Eine Strecke weit vor der Basis der Epidermis löst es sich in seine einzelnen Fasern auf, welche nach welligem Verlaufe die Epidermis erreichen. Vor dem Eintreten in dieselbe verlieren sie ihre Hüllen und er- scheinen als nackte Axencylinder zwischen den Epithelzellen. Jeder einzelne Axeneylinder theilt sich in einige Aestchen, von denen jedes in einem Tastmeniskus endigt. Da die Tastzellen in zwei, drei oder mehreren Reihen angeordnet sind, verlaufen einige Axencylinder, indem sie die ersten Reihen überschreiten, zu einer nächsten Reihe, um daselbst einen Meniskus für höher liegende Tastzellen zu bilden. Oefters sieht man, dass eine Nervenfaser ein dünnes Zweigchen abgiebt, welches in einen Meniskus ausläuft, der Hauptast wendet sich aber weiter auf- wärts, wo er noch mehrere in Menisken endigende Zweigchen abgiebt (Pie. 6). Die Tastmenisei sind flache, schalenförmige Gebilde, welche von einer Seite den Tastzellen anliegen. Der mittlere Theil ist etwas dicker als die Ränder. Auf den Schnitten erscheinen die Menisci von länglicher Gestalt und sichelförmig leicht ausgebogen, so dass sie mit der concaven Seite sich an die Tastzelle dicht anlegen. Der Meniskus kann unter- oder, was viel seltener vorkommt (Fig. 6), oberhalb der Zelle liegen, und nicht wie Ranvier behauptet, immer nur unterhalb (10), Das Ganze sowie das gegenseitige Verhältniss von Axeneylinder, Meniskus und Zelle erinnert an das Verhältniss des Stieles, des Fruchtbechers und der Nuss bei der Eichel. Manchmal bemerkt man, dass der Axencylinder in den Meniskus von der Seite her eintritt (Fig. 6, 8). Die Menisei sind, entgegen der Ansicht Bonnet’s, durch ganz dünne Fasern mit einander verbunden (Fig. 6, T). In der Regel erhält jeder Meniskus eine eigene Nerven- faser, doch habe ich auch Fälle genug beobachtet, in denen, im Widerspruch mit der Beobachtung Bonnet’s, eine Nervenfaser 632 W. Szymonowiez: erst einen Meniskus versorgt, und dann von ihm zu einem ande- ren Meniskus zieht, welcher sonst keine selbständige Faser er- hält. Diese Verbindung kann daher nicht als eine der oben beschriebenen dünnen Verbindungsfasern aufgefasst werden; der Befund zwingt vielmehr zu der Annahme, dass die ursprüngliche Faser erst den einen und dann den anderen Meniskus bildet (Fig. 6). Das Verhältnis der Menisken zu einander ist sehr ver- schieden und hierüber geben die Zeichnungen 6 und 7 einen besseren Begriff, als umfangreiche Beschreibungen. Ueber das Verhältniss des Meniskus zur Zelle belehren uns am besten die mit Alaunkarmin nachgefärbten Methylenblau- präparate, in welchen wir die Lage des Kernes genau sehen (Fig. 7). Hier sieht man, dass der Kern ringsum von einer hellen Zone des Plasma, welches den Kern vom Meniskus trennt, umgeben ist, was uns wieder von der Richtigkeit der diesbezüglichen An- schauung Ranvier’s überzeugt. Ich bemerkte mehrmals, dass ein sehr dünner Axeneylinder, hervorgegangen aus der Vereinigung von Ausläufern zweier Menisei, sich in die oberen Schichten der Rete Malpighii begab, um nach kurzem Verlaufe wieder nach unten umzubiegen, dadurch eine Schleife zu bilden und wieder in einem Meniskus zu enden (Fig. 8). ad 3. Endkolben. In der Schnauze des Sehweines kommen drittens Endkolben eigenthümlicher Art vor, welche bis jetzt noch nicht genauer be- schrieben worden sind, abgesehen von einer kurzen Angabe Jobert's: „Les nerfs, qui cheminent dans les papilles, se terminent dans de petits eorpuscules tres-simples, analogues & ceux de la con- Jonetive; ils sont tres-petits et assez diffieiles a apercevoir“ (2)!). Diese Endkolben liegen im Corium in der Basis der Papillen. Sie sind ungemein lang und. wellenförmig oder spiral gewunden. Die Stellung der Längsachse der Kolben zur Oberfläche der Haut ist eine wechselnde, bald mehr senkrecht, bald mehr parallel, sehr häufig schief. Ihr Bau ist in der That sehr einfach (Fig. 1). Man kann hier 1) Bereits während der Correctur der Arbeit wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass im Lehrbuch der mikroskopischen Anatomie von Lawdowski und Owsjannikow (14) sich eine kurze Notiz über die Endkolben in der Schnauze des Schweines befindet. Die beige- gebene Abbildung (301) entspricht jedoch nicht ganz den Bildern, welche ich gefunden und abgebildet habe. Beiträge zur Kenntniss der Nervenendigungen in Hautgebilden. 633 einen Innenkolben unterscheiden, welcher gegen das Ende etwas keulenförmig anschwillt. Innerhalb desselben liegt der intensiver blau gefärbte Axeneylinder, welcher am Ende öfters eine knopf- förmige Anschwellung aufweist. Der Innenkolben ist von nur wenigen Bindegewebsschiehten umgeben, welehe auf den nach- gefärbten Präparaten eine unbedeutende Anzahl länglicher Kerne enthalten. Aehnliche Körperehen bemerkte Jobert (1) beim Wasch- bären und fügte eine Zeichnung hinzu, welche an die Körperchen in der Schnauze des Sehweines erinnert. Bei dieser Gelegenheit machte Jobert die Bemerkung, dass die Endkolben, wenn sie sich in den äusseren Schichten der Lederhaut befinden, einen einfacheren Bau aufweisen, wie in den tieferen Schichten. Was die Vertheilung der Endkolben betrifft, so muss ich . bemerken, dass manchmal sich deren mehrere auf einem Schnitte befinden, während man auf anderen Schnitten nicht einen einzigen vorfindet, welcher Umstand für die ungleichförmige Vertheilung dieser Körperchen spricht. Ich glaube, dass ich hierher ebenfalls das Gebilde. einbe- ziehen muss, welches ich in der Fig. 3 dargestellt habe. Das- selbe besteht eigentlich aus einigen (bis 7) am Ende verdiekten Terminalfasern in der Form von Endkolben, welche aus der Ver- zweigung einer einzigen Nervenfaser entstanden sind. Die Enden dieser Endkolben sind stark keulenförmig angeschwollen. Bei näherer Betrachtung kann man bemerken, dass alle diese Endi- gungen mit einer gemeinsamen dünnen Schichte von Bindegewebe umgeben sind. Axeneylinder und Innenkolben konnte ich nicht unterscheiden. Es gelang mir nicht, eine grössere Anzahl von diesen Gebilden zu finden, welche man vielleicht zu den durch Hoggan beschriebenen Formen rechnen könnte (11). ad 4. Eine vierte Form bilden freie Nervenendigungen an der Grenze der Epidermis und der Lederhaut (Basalmembran), welche nach Lage und Gestalt den von mir vor einigen Jahren beschriebenen, freien Nervenendigungen an der Glashaut der Tast- haare entsprechen (Fig. 5). Auch hier bestehen sie aus Axen- eylindern, welche Varicositäten aufweisen, sich mehrfach theilen und irreguläre Dendriten bilden. Ich muss bemerken, dass ich diese Endverzweigungen, welche das Bild eines Endplexus her- vorrufen können, namentlich an jenen Stellen stärker entwickelt fand, wo Merkel’s Körperchen entweder ganz fehlten oder nur 634 W. Szymonowieä: in unbedeutender Menge vorkamen. Da sie oft unmittelbar der Basalmembran anliegen, so folgen sie genau den Vertiefungen und Unebenheiten der Epidermisgrenze, jedoch konnte ich nie bemerken, dass von ihnen Aestehen zwischen die Epithelzellen abgegeben werden. Diese freien Nervenendigungen auf der Basalmembran, scheinen den „terminaisons hederiformes“ von Ranvier (10) zu entsprechen. ad 5. Fünftens kommen in der Schnauze des Schweines noch Nervenendigungen in den Tasthaaren vor. Ihr Bau ist im Allgemeinen in den Tasthaaren verschiedener Thiere sehr ähnlich. Gewöhnlich finden sich bloss quantitative und nicht qualitative Unterschiede. Da ich Gelegenheit hatte, diese Endigungen in den Haaren der weissen Maus genauer zu prüfen und im zweiten Theile dieser Abhandlung dieselben zu beschreiben beabsichtige, so will ich, um Wiederholungen zu vermeiden, nur die unter- scheidenden Punkte hervorheben. Wenn man die mit Osmiumsäure fixirten Präparate betrach- tet, bemerkt man in der äussersten Schichte der äusseren Wurzel- scheide, gleich unter der Glashaut eben solche Merkel’sche Zellen, wie wir sie im unteren Theile der Epidermis gesehen haben. Dieselben bilden hier eine Schicht m der Gegend des oberen Theiles des venösen Sinus und unterhalb der Talgdrüsen. Auch ist der Theil der Scheide, welcher die Merkel’schen Tast- zellen enthält, durch eine unbedeutende Anschwellung kenntlich. An solchen Präparaten sieht man, wie die Fasern auf die Gegend der Wurzelscheidenanschwellung zulaufen und dicht an der Glas- haut die Markscheide verlieren. An den mittelst Gold und Methylenblau gefärbten Präparaten lässt sich dann noch weiter feststellen, dass der Axeneylinder die Glashaut durehdringt und sich mit den Menisken verbindet, deren Verhältniss zu den Merkel’schen Zellen dasselbe ist, wie in der Epidermis. Doch besteht hier ein Unterschied hinsichtlich der Form der Menisei, indem sie nicht flächenförmige concav-convexe Gebilde dar- stellen, sondern als mehr längliche, flache Gebilde der Zelle dieht anliegen, mit der Längsaxe auf die Axe des Haares senk- recht gestellt. Auch hier trifft man zahlreiche Verbindungen der Menisci untereinander. Die Tastmenisei liegen der Tastzelle von oben, seltener von unten an; im ersten Falle sind sie mit der Beiträge zur Kenntniss der Nervenendigungen in Hautgebilden. 635 Coneavität nach unten und aussen, im zweiten nach oben und gegen die Haaraxe zu gewendet. Ausserdem findet man noch freie Nervenendigungen an der Glashaut, ähnlich jenen, welehe ich bei der weissen Maus sah. Dieselben befinden sich unterhalb der Gegend, in welcher die Merkel’schen Zellen liegen, nämlich unter der Wurzelscheiden- anschwellung. Die freien Nervenendigungen gehen aus einem Axeneylinder hervor, welcher sich hirschgeweihartig verästelt, dessen varicöse Aestehen einen geschlängelten Verlauf haben und erweiterte und flache Endigungen auf der Glashaut bilden (Fig. 4). Beim Schweine sind die Verästelungen jedoch weniger reichhaltig als bei der Maus. Aehnliche Endigungen bemerkte Ranvier in den Tasthaaren. (10). Nach aussen von diesen freien Nerven- endigungen verlaufen die markhaltigen Nervenfasern, welche sich nach oben zu den Merkel’schen Zellen begeben. Die Zeich- nung des mittelst Methylenblau gefärbten Präparates giebt hier- von einen besseren Begriff, als eine umständliche Beschreibung. Den Nervenring fand ich niemals. So stellt sich der Nervenendapparat in der Schnauze eines ausgewachsenen Schweines dar. Jetzt schreite ich zum zweiten Theile meiner Abhandlung, welche sich mit der Entwickelung der Nervenendigungen befasst. Vor Allem muss ich bemerken, dass die die Entwickelung der Nervenendigungen behandelnde Litteratur äusserst dürftig ist. Ausser einigen hie und dort zerstreuten kurzen Bemerkungen, welche sich auf gewisse Stadien der Entwicklung der Nerven- endigungen beziehen, existirt überhaupt nur eine umfangreiche Ab- handlung von Asp (12), welcher die Entwiekelung der Nerven- endigungen im Schnabel der Ente und namentlich der Grandry’- schen und der Herbst’schen Nervenkörperchen untersucht hat. Bei der Prüfung des embryonalen Materials bediente ich mich nicht der Goldmethode, denn ich hielt das embryonale Ge- webe für zu zart, um dasselbe der Wirkung der Säuren aus- setzen zu können. Was die Endkolben betrifft, so muss ich ge- stehen, dass es mir nicht gelungen ist, dieselben in meinem em- bryonalen Materiale, trotz dessen Reichhaltigkeit, herauszufinden. Ich will aber deswegen nicht behaupten, dass dies ein Beweis Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 42 # 636 W.Szymonowiez: ihres sehr späten, etwa postfötalen Auftretens ist, denn der Grund meiner erfolglosen Untersuchungen kann in ihrem spärlichen Vor- handensein und in der Lokalisirung an gewisse begrenzte Stellen liegen, wie wir es ja bei dem ausgewachsenen Thiere gesehen haben. Das Ergebniss meiner Untersuchungen bezüglich der Entwiekelung der Nervenendigungen in den Tasthaaren will ich nicht mittheilen, denn ich betrachte diese Untersuchungen so lange für nicht abgeschlossen, bis ich dieselben an einem geeig- neteren Materiale wiederhole. Ich beschränke mich demnach gegenwärtig auf die Beschreibung der Ergebnisse meiner Unter- suchungen über die Entwickelung der intraepithelialen und Merkel’schen Nervenendigungen. Ich verwendete nachstehendes Material: Embryonen von 30 em Schnauzensteisslänge 1 Tracht, 26—28em 1 Tracht, 25cm 1 Tracht, 22—23em 1 Tracht, 19em 1 Tracht, 18cm 1 Tracht, 15cm 2 Trachten, 12—135 1 Tracht, 12cm 1 Tracht, 11 em 1 Tracht, 10 em 1 Tracht, 9cem 2 Trachten, 8!/,cm 1 Tracht. Bevor ieh zur Schilderung des Verhaltens der Nerven und der Entwiekelung der Nervenendigungen schreite, will ich das Verhalten der Epidermis in verschiedenen Entwickelungsstadien kurz beschreiben. In dem jüngsten untersuchten Stadium, nämlich bei einer Länge von Sem vom Ende der Schnauze bis zum Steiss, besteht die Epidermis der Schweinsschnauze aus mehreren Zellschichten und namentlich aus einer oder zwei basalen Reihen protoplasma- reicher, kubischer und einigen Schichten heller Zellen von un- gleichmässiger Form und bedeutender Grösse. In den späteren Stadien nimmt die Dieke der Epidermis zu. Im Stadium von 12cm finden wir gewöhnlich 2—3 basale Schichten kubischer Zellen mit einem sich stark färbenden und etwas körnigen Plasma versehen und oberhalb derselben mehrere Schichten grosser heller Zellen, deren Inhalt nicht gefärbt ist. Der Inhalt dieser Zellen degenerirt, so dass man davon einen unregelmässigen Klumpen in der Mitte der Zelle sieht, in welchem man zuweilen den Kern zu erkennen vermag. Im Stadium von 22—23 cm Länge lösen sich endlich diese Zellen auf und das Epitrichium trennt sich ab. Gleich- zeitig beginnt die Verhornung der äusseren unter dem Epitrichium liegenden Schicht. Im Stadium von 22—23 cm beginnt auch Beiträge zur Kenntniss der Nervenendigungen in Hautgebilden. 637 die Bildung der Papillen. Jetzt fängt auch die Grenzlinie zwischen der Epidermis und der Lederhaut einen leicht wellen- förmigen Verlauf zunehmen an, während bei den jüngeren Stadien die Grenze geradlinig verlief. Indem ich die in der Flemming’- schen Flüssigkeit und im Sublimat fixirten Präparate untersuchte, überzeugte ich mich, dass das unzweifelhaft wichtigste Moment in der Bildung der Papillen einerseits durch die Proliferation der Epithelzellen, andererseits durch widerstandsfähige Punkte im Corium, als welche sich die Capillargefässschlingen darstellen, gebildet wird, denn dieselben treten schon in den vorangehenden Stadien an bestimmten Stellen dieht an die Epidermis heran und leisten nachher natürlicher Weise der sich ausbildenden und in die Lederhaut einwachsenden Epidermis Widerstand. In den späteren Stadien verdiekte sich die Epidermis und die Papillen verlängern sich immer mehr durch das tiefere Einwachsen der Epidermis in die Lederhaut. Da ich meine Untersuchung mit den spätesten Stadien be- gann und auf die jüngsten zurückschritt, will ich in derselben Ordnung meine Befunde beschreiben. Wenn man mit ÖOsmiumsäure hergestellte Präparate von Embryonen von 30, 26—28 und 25 em Länge betrachtet, sieht man die Merkel’schen Zellen sammt allen Merkmalen, wie bei einem ausgewachsenenen Thiere ; sie liegen ebenfalls in Gruppen bei einander und sind in zwei oder drei Reihen angeordnet. Zwischen den einzelnen Tastzellen liegen immer einige gewöhn- liche Epithelzellen. Die mittelst Methylenblau gefärbten Präpa- rate zeigen Tastmenisci, welche nicht so m die Fläche ent- wickelt sind, wie bei einem erwachsenen Thiere (Fig. 9). Ich bemerkte ebenfalls keine Verbindungen unter den Menisken. An den mittest Alaunkarmin oder Bismarckbraun nachgefärbten Prä- paraten sieht man, dass die Kerne der Tastzellen bedeutend grösser sind, als in den daneben befindlichen Epithelzellen und dass sie eine grössere Verwandtschaft zu Farbstoffen haben. Die Menisei sind vom Kern durch einen dünnen Plasmasaum ge- trennt. Die intraepithelialen Nervenfasern gehen nicht immer durch die Papille, sondern treten oft in die Epidermis in der Gegend der Epitheleinsenkung, d. h. im der Gegend der Merkel’schen Körperchen ein. Die intraepithelialen Endigungen laufen, indem 638 W.Szymonowiez: sie Seitenäste abgeben, in einer ziekzackförmigen Linie nach oben und dringen bis zur Reihe der verhornenden Epithelzellen vor, indem sie schliesslich einen deutlichen Zerfall in Körnchen aufweisen. Ich bemerkte überhaupt im embryonalen Material eine grössere Neigung der Nervenfasern zur Bildung von Varicosi- täten, was wahrscheinlich in der Zartheit der embryonalen Nervenelemente und im schnelleren Absterben derselben seinen Grund hat. Ebenso bemerkte ich bei den Epithelial- und Tastzellen der Embryonen eine gewisse Neigung, sich mit Methylenblau schwach zu färben, vor allem an den Rändern des Schnittes, was wahrscheinlich wieder eine postmortale Erschemung ist. Bei Embryonen von 22—23 cm Länge beginnen eben die Papillen zu entstehen. Wir sehen die Merkel’schen Zellen nicht nur am unteren Ende der leicht wellenförmig verlaufenden basalen Schicht, sondern auch in den etwas höheren (2. und 3.) Schichten. Hier gelangt zu jedem Meniskus eine besondere Ner- venfaser, welche sich von dem an die Epidermis herantretenden Nervenbündel abtrennt. In diesem Stadium liegen die Merkel- schen Zellen am unteren Ende der sich bildenden Epidermis- vertiefungen mehr oder weniger dieht gruppirt. Man sieht bei 22--23 em langen und Jüngeren Stadien nur wenige Intraepithelialfasern, dafür aber sind dieselben, nament- lich im oberen Theile reichlicher baumartig verästelt und dringen nicht bis in die äussersten Epithelschichten ein (Fig. 10.) Wenn man die in der Osmiumsäure hergestellten Präparate eines 18 und 15 cm langen Foetus betrachtet, kann man zwischen den geradlinig verlaufenden basalen Epithelschichten die Merkel- schen Zellen noch gut erkennen (Fig. 12). Dieselben unterscheiden sich von anderen eubischen Epithelzellen dadurch, dass sie grösser, ellipsoidisch und hell sind und dass sie verhältnissmässig grosse, ebenfalls helle Kerne besitzen. Die mittelst Methylenblau hergestellten Präparate weisen deutlich Tastmenisken auf, welehe innerhalb der unteren Epider- misschicht mehr oder weniger gleichmässig vertheilt sind. Man sieht auf solchen Präparaten, wie der Nerv vor dem Herantreten an die Epidermis sich pinselförmig auflöst und eine grössere Anzahl benachbarter Tastzellen von den Fasern eines Nervenbündels Beiträge zur Kenntniss der Nervenendigungen in Hautgebilden. 639 versorgt wird. Man bemerkt, dass von den in die Epidermis eintretenden Fasern einige sich an Menisken heranbegeben, an- dere dagegen nach oben gehen, um daselbst freie Nervenendi- gungen zu bilden. Bei 12 em langen Embryonen bemerken wir auf mit Me- thylenblau gefärbten Präparaten noch Menisken (Fig. 11); die intraepithelialen Endigungen überschreiten kaum die untersten Schiehten der Epidermis. Das Stadium der 10 em langen Foeten ist, soweit ich mich überzeugen konnte, das jüngste, in welchem beobachtet werden kann, dass die Nervenfasern die Grenzlinie der Epidermis und des Corium überschreiten und dass sie durch Verflachung und Ver- diekung der Enden und Anschmiegung an die Zellen etwas nach Art der Menisken zu bilden beginnen. An den mittelst Osmiumsäure hergestellten Präparaten sind wir in diesem Stadium nicht im Stande die Merk el’schen Zellen zu unterscheiden, welche wir erst im Stadium von 12— 13 em, d. h. zu der Zeit, zu welcher wir die Menisken deutlich sahen, sicher erkennen können. Auf den mit Osmiumsäure und Sublimat fixirten Präparaten kann man sich überzeugen, dass die Merkel’schen Zellen bei 11 em langen Embryonen aufzutreten und sich allmählich von anderen Epithelzellen zu unterscheiden beginnen und dass diese Unterscheidungsmerkmale nach und nach in den späteren Stadien immer deutlicher werden. In jüngeren als 10 em langen Stadien wies die Färbungs- methode mittelst Methylenblau bloss Bündel von Nervenfasern auf, welche gegen die Epidermis zu verliefen, jedoch die Grenzlinie nicht überschritten. Das Stadium von 10 cm Schnauzensteisslänge dürfte dem- nach die Grenze bilden, in welcher wir bei Embryonen Nerven- endigungen in der Epidermis zum ersten Mal erblicken. Wenn wir die in verschiedenen Stadien der Entwickelung gemachten Beobachrungen zusammenfassen, so ergiebt sich fol- gendes: 1. Die Merkel’schen Tastzellen sind epithelialen Ur- sprungs. 2. Sie sind entstanden durch Differenzirung epithelialer Zellen. Die Differenzirung ist bedingt durch das Herantreten einer Nervenfaser und Bildung eines Tastmeniskus. 640 W. Szymonowiez: 3. In Stadien vor der Bildung der Papillen sind die Tast- menisken mehr oder weniger gleichmässig vertheilt. Während der Bildung der Papillen gerathen die Merkel'schen Zellen in den unteren Theil der Epidermis, welcher Einsenkungen zwischen den Papillen darstellt und bilden Gruppen am Grunde derselben. 4. Die Verbindung der Menisken unter einander tritt erst in späteren, als 30 em langen Stadien ein. 5. Das Stadium von 11 em Länge muss als das erste be- trachtet werden, in welchem die Nervenfasern in die Epidermis einwachsen und Menisken bilden. 6. Intraepitheliale Nervenendigungen sind schon bei Em- bryonen von 11 cm Länge vorhanden. In den Stadien von 20—26 em verästeln sich die Nerven- fasern bis zu den äussersten Schichten der Epidermis, in späteren Stadien dringen sie nur bis zur Verhornungsgrenze vor. Wenn wir aus diesen Ergebnissen Schlussfolgerungen bezüg- lich der von Merkel aufgeworfenen Frage ziehen wollen, so gelangen wir zu der Ueberzeugung, dass aus den entwickelungs- geschichtlichen Untersuchungen keine Thatsache als Beweis für die Richtigkeit der Behauptung Merkel’s beigebracht werden kann, wonach „die Nervenendigungen in der Haut der luftleben- den Wirbelthiere nach der topographischen Lage, aber nicht nach der physiologischen Funktion verschieden gebaut wären und wo- nach es nur entwiekelungsgeschichtliche, niemals physiologische Ursachen wären, welche die Form der Nervenendigungen be- dingen sollten“. Wir kennen zwei Arten von Nervenendigungen in der Epi- dermis; die oben beschriebenen Untersuchungen belehren uns über ihre entwickelungsgeschichtliche Entstehung, dennoch sind dieselben nicht im Stande uns aufzuklären, warum innerhalb der Epidermis zwei durchaus verschiedene Arten der Nervenendigungen auftreten, vor "allem nicht, warum die einen Nervenfasern, in- dem sie in die Epidermis einwachsen, eine Aenderung in den epithelialen Zellen hervorrufen, andere dagegen nicht. Es nahmen doch auch jene Nervenfasern, welche in den oberen Schichten die intraepithelialen Nervenendigungen bilden, ihren Weg durch die unteren Schichten der Epidermis und ver- Beiträge zur Kenntniss der Nervenendigungen in Hautgebilden. 641 liefen dieht an den Zellen derselben, ohne jedoch darin eine Aenderung hervorzurufen. Dies lässt sich, meiner Auffassung nach, nicht durch eine grössere Empfindlichkeit der unteren Zellschiehten, durch eine grössere Reactionsfähigkeit derselben auf die Berührung mit den Nerven erklären; denn in diesem Falle müssten wir verlangen, dass eine und dieselbe Faser im unteren Theile mit den Tast- menisken im Zusammenhange wäre und im oberen Theile freie intraepitheliale Endigungen bildete. Indessen sehen wir hier im Gegentheil besondere Fasern, welche für eine oder die andere Form der Endigungen bestimmt sind. Ich glaube also, dass das negative Ergebniss der ent- wickelungsgeschiehtlichen Untersuchungen die ganze von Merkel aufgeworfene Frage gerade auf das physiologische Gebiet ver- weist. Jedenfalls ist die durch Merkel angeregte Frage so interessant, dass es sich verlohnen würde, weitere Untersuchungen anzustellen, um eine sichere Entscheidung nach der einen oder der anderen Seite hin zu bringen. Schliesslich erfülle ich die angenehme Pflicht, dem Herrn Professor Dr. OÖ. Hertwig, unter dessen Leitung ich diese Untersuchungen im II. anatomischen Institute in Berlin ausgeführt habe, für dessen liebenswürdige und schätzbare Anleitungen meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Gleichfalls erlaube ich mir, dem Assistenten des Instituts, Herrn Dr. Kopsch, für seine jederzeit bereitwillige Unterstützung bestens zu danken. (Aus dem physiologisch-histologischen Institute in Krakau.) B. Die Nervenendigungen in den Tasthaaren !) (mit schwellkörperhaltigen Haarbälgen). Obwohl die Nervenendigungen in den Tasthaaren bereits mehr- fach untersucht worden sind, habe ich mich trotzdem entschlossen 1) Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden bereits zum grössten Theile im J. 1892 im 22. Bande der Abhandlungen der Krakauer Akademie der Wissenschaften in polnischer Sprache veröffentlicht. 642 W. Szymonowiez: das Thema noch einmal genauer zu bearbeiten, und zwar haupt- sächlich aus dem Grunde, weil sogar die Forschungen der jüngsten Zeit bezüglich des Ortes, in welchem die Nerven auslaufen, sowie . bezüglich des Baues der Nervenendigungen selbst, nicht überein- stimmen. Als Untersuchungsobject fand ich die weisse Maus, weil sie des Hautpigmentes entbehrt, besonders geeignet. Ausserdem aber untersuchte ich auch noch die Tasthaare des Hausschweines- und des Maulwurfes. Ich nahm immer die Tasthaare der Ober- lippe und der Wange. Bei meinen Untersuchungen bediente ich mich vor allem zweier Methoden. Ich fixirte die Präparate in i °/, Osmiumsäure, härtete dieselben im progressiv stärkeren Alkohol und bettete sie schliesslich in Celloidin ein. Ferner bediente ich mich der Goldmethode nach Ranvier, wie ich dies oben (im ersten Theile der gegenwärtigen Abhandlung) näher beschrieb. Daselbst sind auch die Ergebnisse der auf die Nervenendigungen in den Tast- haaren des Schweines bezüglichen Untersuchungen angegeben. Bevor ich jedoch an die Beschreibung der Nervenendigungen selbst schreite, halte ich es für geboten, einige Bemerkungen über den Bau der Tasthaare vorauszuschicken. Die Tasthaare haften im subeutanen Bindegewebe und sind von Bündeln in verschiedenen Richtungen durchlaufender, quer- gestreifter Muskeln umgeben, mit welchen sie im Zusammenhange stehen. Von aussen ist das Haar vom Haarbalg umgeben, welcher aus zwei Schichten, der äusseren dieken und der inneren dünnen besteht. Zwischen diesen zwei Schichten befindet sich der Blut- sinus, welcher dem in den gewöhlichen Haaren an diesem Orte stark entwickelten Gefässnetze entspricht (Gurlt). Der Blutsinus reicht von der Haarpapille hinauf bis zu der Gegend, in welcher sich die Talgdrüsen befinden. Die äussere Schicht geht demnach in die innere Schicht des Haarbalges einmal unten neben der Haar- papille, das zweitemal oben unter der Talgdrüse über. Die innere Schieht wird im oberen dritten Theile ihres Verlaufes nach oben immer dicker, sie hat im Ganzen die Gestalt eines umgekehrten Kegels, und stellt am Längsschnitt die Form eines Keiles dar, weshalb sie auch „konischer Körper“ heisst. Von der inneren Beiträge zur Kenntniss der Nervenendigungen in Hautgebilden. 643 Wand des Blutsinus verlaufen Bindegewebsbalken quer zur äusseren Wand. Bei der Maus und dem Maulwurfe gibt es keine Balken im oberen Theile des Blutsinus, dagegen bemerken wir einen Ring- wulst. Dieser Ringwulst (Bourrelet annulaire — Ranvier, schild- förmiger Körper — Dietl) umfasst das Haar nach aussen von der inneren Schieht des Haarbalges in der Gestalt eines nicht vollständigen Reifens, denn er nimmt blos ?/, oder ®/, des Um- fanges ein. Am Querschnitt des Haares nimmt er die Gestalt einer mehr oder minder kreisförmigen Sichel an. An der Stelle, welehe der Ringwulst nicht umgibt, d. i. an der entgegengesetzten Seite des Blutsinus, befindet sich ein lockeres Bindegewebe, welches den Raum zwischen den Enden der Sichel ausfüllt. Wenn wir das Haar der Maus der Länge nach durch- schneiden, so stellt der Ringwulst die Gestalt einer Niere dar, welche mit der Convexität nach aussen gewendet ist. Dieser an die innere Wand des Blutsinus angeheftete Ringwulst theilt ihn in zwei Theile, den oberen ohne Balken oder den Ringsinus und den unteren mit zahlreichen Bindegewebsbalken. Der Ringwulst besteht aus schleimigem Bindegewebe, indem sich zwischen den Bindegewebsfasern, welche von der inneren Wand des Blutsinus ausgehen, viele grosse stern- oder spindelförmige Zellen mit grossen runden Kernen befinden. Unter der inneren Schicht des Haarbalges liegt die von ihm dureh die Glashaut getrennte Haarscheide. Die Haarscheide be- steht, wie bei den gewöhnlichen Haaren, aus zwei Schichten, der äusseren und der inneren. Die mehrschiehtige äussere entspricht dem Stratum eylin- drieum und Stratum spinosum der Haut. Im oberen Theile des Blutsinus erweitert sie sich mehr oder weniger. Diese Erweite- rung erinnert bei der Maus der Gestalt nach an eine, an dem dünneren Ende aufgestellte, Birne. An der Stelle, an welcher der dünnere Theil der Scheide in den diekeren übergeht, ist der Ringwulst angeheftet, oberhalb wird sie wieder dünner und bildet eine Einschnürung. Das Bindegewebe umfasst ringförmig die Einschnürung der Scheide oberhalb der Erweiterung. Ueber der Einschnürung erweitert sie sich von neuem und geht in die Malpighi’sche Schicht der Haut über. Die Talgdrüsen durch- dringen die Scheide oberhalb der Erweiterung. Die äussere 644 W. Szymonowicez: Schicht der äusseren Scheide ist in der Gegend der Erweiterung aus grossen, hellen, blasenförmigen Zellen mit grossen, runden und blassen Kemmen zusammengesetzt. Es sind dies dieselben Zellen, welche Merkel zum ersten Male in der Schnauze des Schweines und in der Haarscheide beschrieb. Die innere Schicht der Scheide besteht wie bei gewöhnlichen Haaren aus zwei Schichten, der äusseren (Henle’s) und der inneren (Huxley’s). Die letztere kann auch mehrschichtig sein. Cutieula pili und Vagina pili unterscheiden sich gar nicht von denselben Theilen der gewöhnlichen Haare. Oft findet man in einem Haarbalg zwei Haare stecken. Die Haarpapille ist ge- wöhnlich gross. Die Anordnung der quergestreiften Muskeln, welche zur Bewegung der Tasthaare dienen, ist sehr verwickelt. Einige derselben laufen von dem oberen Theile des einen Haar- balges zum unteren Ende eines zweiten. Die Contraction dieser Muskelfasern bewirkt, dass die Haare sich nach vorne in die Höhe heben. Andere Fasern entspringen im Bindegewebe an einer Seite des Haares, umgeben es in der Form eines Bandes und nehmen ihren weiteren Verlauf nach dem Orte zu, von welchem sie ausliefen. Dieses Band liegt dem Haare an und zwar entgegengesetzt von der Seite, an welcher ihr Anfang und Ende gelegen ist. Einige Fasern des Bandes heften sich an die Seiten des Haarbalges an und verlaufen nach oben. Sie haben die Aufgabe, bei der Contraction der einen oder anderen Hälfte des Bandes das Haar um seine Axe zu drehen umd gleich- zeitig in die Höhe zu heben. Ferner erscheint eine Reihe von Muskelfasern, welche in verschiedenen Richtungen verlaufen und wahrschemlich zu den äusseren Gesichtsmuskeln gehören ; sie verdunkeln das ganze Bild der Muskeln, welche die Bewegung der Haare bedingen. Es ist überhaupt schwierig, in diesem Geflechte der Muskelfasern, welches bei der Maus sehr stark entwickelt ist, sich zu orientiren. Da ich in Bezug auf die Blutversorgung keine Untersuchungen angestellt habe, verweise ich auf die Abhandlung Bonnet’s. Die geschichtliche Entwickelung der Anschauungen über den Bau der Nervenendigungen übergehe ich gleichfalls, da dieselbe in den Abhandlungen Merkel’s und Bonnet’s (24. 26) aus- führlich dargestellt ist. Beiträge zur Kenntniss der Nervenendigungen in Hautgebilden. 645 Nun gehe ich an die Darstellung der Innervation der Tasthaare auf Grund meiner eigenen Untersuchungen heran. An jedes Haar tritt von unten ein Nervenbündel, welches aus 80—150 markhaltigen Nervenfasern zusammengesetzt ist. Dieses Bündel befindet sich, insoweit ich mich an meinen Präparaten überzeugen konnte, immer an jener Seite des Haares, welche von den quergestreiften Muskeln nieht umgeben ist. Es durchdringt immer in !/, des unteren Theiles des Haarbalges dessen Aussen- wand, indem es sich gleichzeitig in 2 bis 4 dünnere Bündel theilt. Hierbei verschmilzt das Epineurium mit der äusseren Schicht des Haarbalges zusammen, wodurch eine Verdiekung der letzteren eintritt. Die Nervenbündel zerfallen an der inneren Seite des Haar- balges in zahlreiche dünne Bündel und gehen in Bindegewebsbalken quer in den inneren Balg über. Sie theilen sich unterwegs in einzelne Fasern und lagern sich auf die Art, dass sie das Haar ringsherum umgeben. Es ist selbstverständlich, dass einige Fasern spiralförmig verlaufen müssen, um an die entgegengesetzte Seite des Haares zu gelangen. An die birnenförmige Erweiterung der Scheide angelangt, lagern sich einige derselben tiefer, um an die Glashaut am unteren Ende der Scheidenanschwellung zu gelangen, andere dagegen verlaufen über diesen tiefer liegenden Nerven nach oben (Fig. 1,2, 4,5, 9). Die tiefer liegenden Fasern zerfallen, indem sie die Markscheide verlieren, in einige nackte Axeneylinder, welche Endverzweigungen bilden und von unten in Kelchform die Erweiterung der Scheide umgeben (Fig. 1,:2, 4 5, 9). In den Endverzweigungen theilen sich einzelne Axenceylinder in eine Menge Aestehen, welche sich weiter verzweigen und mit ihrer Form bald .an ein Hirschgeweih, bald an einen reich verzweigten Baumast erinnern (Fig. 8, 9). Diese sehr reich- haltige Endverzweigungen stellen hie und da ein förmliches Ge- flecht dar und scheinen stellenweise ein Netz zu bilden. Im ganzen Verlaufe sind sie nicht gleichförmig stark, sondern haben unregelmässige, varicöse Anschwellungen. Dass dieses Geflecht unmittelbar an der Glashaut liegt, davon kann man sieh sehr leicht an dünnen Längs- und Querschnitten überzeugen. Die Fasern dieses Geflechtes dringen nirgends durch die Glashaut durch, sie liegen demnach zwischen ihr und dem Bindegewebe des inneren Haarbalges im unteren Theile der Scheidenanschwellung. 646 W.Szymonowiez: Wir finden zwar in der Literatur eine Unterscheidung zwischen einem äusseren und inneren Nervenplexus, welche beide durch den Uebergang der markhaltigen Nervenfasern von einem Bündel zum anderen gebildet werden. Die Fasern dieser beiden Geflechte endigen jedoch alle nur m Merkel’schen Tastzellen. Deshalb kann man das tiefe Geflecht der früheren Autoren mit dem von mir beschriebenen Geflecht der marklosen Nervenfasern nicht identifiziren. Die Fasern der Endverzweigungen sind in ihrem Verlaufe fast immer unterbrochen, was man wahrscheinlich als postmortale Veränderung oder als einen ungünstigen Einfluss der angewandten Goldmethode betrachten kann. Der Endplexus ist am reichsten bei der Maus entwickelt; beim Maulwurf und dem Hausschweine ist er minder mächtig. Bei beiden letzteren Thieren sind die äussersten Endigungen verbreitert und abgeflacht. Von den freien Nervenendigungen auf der Glashaut macht Ranvier (29) nachstehende Erwähnung: „...les fibres nerveuses qui arrivent au poil au-dessous du bourrelet annulaire ne traver- sent pas toutes la membrane vitree; on en remarque qui s’arr&tent aA sa surface externe et qui, s’aplatissant contre elle, se terminent par des bourgeons en forme de spatule.* Riechiardi (28) be- schreibt beim Ochsen ein aus marklosen Nervenfibrillen gebildetes Geflecht. Andere, äusserlich gelegene markhaltige Nervenfasern ver- laufen oberhalb der soeben beschriebenen Endverzweigungen und nehmen sodann ihren Weg unter dem Ringwulste gegen den oberen umfangreicheren Theil der (birnenförmigen [Maus]) Schei- denanschwellung (Fig. 1,2,4,5,9). Hier verlaufen einzelne Fasern an ihrer Aussenfläche nach oben, wie die Meridiane am Globus. Man bemerkt öfters, dass diese Fasern sich in ihrem Verlaufe in zwei oder drei Fasern theilen, welche parallel verlaufend sich nach oben richten. Diese Fasern durchbohren in verschiedenen Höhen die Glasscheide, biegen gegen die Haaraxe um und sodann nach unten ab, endlich kommen sie mit den äusseren Zellen der Scheidenanschwellung in Berührung. An einem vergoldeten tan- gentialen Schnitte des oberen Theiles der Scheidenanschwellung sieht man neben den, an der Glashaut verlaufenden Nervenfasern, unter ihr liegende Zellen, welche die äussere Schicht der Scheide bilden. Ueber jeder dieser Zellen befindet sich eine dunkle, Beiträge zur Kenntniss der Nervenendigungen in Hautgebilden. 647 dieke Linie, welehe mit dem Axeneylinder in einem unmittel- baren Zusammenhange steht und welche ebenso wie die Nerven- faser violett gefärbt ist. Diese dieken Linien sind also die letzten Enden der Nervenfasern und heissen nach Ranvier Tast- menisei. Die Nervenfaser kann von oben oder von der Seite zu dem Tastmeniskus gelangen (Fig. 6, 7, 10). Manchmal (Maulwurt) sind die Tastmenisci an einer Nervenfaser, welche Aestchen beiderseits abgiebt, so angebracht, wie die Blätter an einem Stengel (Fig. 10). Am unteren Rande des Meniskus bemerkt man eine quer- ovale Zelle, welehe im Ganzen dunkler gezeichnet ist. An einem solehen Durchschnitt ist das Bild vollkommen ähnlich jenem, welehes die Nervenendigungen in den unteren Schichten der Epidermis in der Sehweinsschnauze darstellen. Manchmal er- scheinen diese Körperchen unregelmässig, sind mehr in die Länge gezogen und haben von unten eine zweite, zu der oberen parallel verlaufende, dünnere, violette Linie, welehe die untere Begren- zung der Zelle zu sein scheint. Um von der Gestalt der Menisei einen richtigen Begriff zu haben, muss man verschiedene Durch- schnitte eines Haares beobachten, an welchen man sie in ver- schiedenen Richtungen durchschnitten sieht. Wenn wir das Haar längs durchschneiden, werden die violetten, langen Menisci so getroffen, dass sie sich als kurze, dieke, dunkelviolette Linien, welche längs der Oberfläche der Scheideanschwellung gelagert sind, darstellen (Fig. 2). Am Querschnitte des Haares treten sie wieder in Gestalt von Linien auf, welche leicht bogenförmig gekrümmt, dieht unter der Glashaut liegen und mit ihrer Convexität nach aussen gekehrt sind. Dieselben sind jedoch an diesem Durchschnitt verhältniss- mässig dünner und länger, als an einem Tangentialschnitte. Die Bilder, welche wir an den Längs- und Querschnitten des Haares erhalten, sprechen dafür, dass die dieken, langen, vio- letten Linien, welehe wir an dem Tangentialschnitte bemerken, nicht das Bild des optischen Durchschnittes eines Meniskus, d. h. eines schalenförmigen Gebildes, wie dies Ranvier und Riehiardi annnehmen, darstellen, sondern dass diese Nerven- endigung hier ein mehr spindelförmiges, bogenförmig leicht ge- krümmtes Gebilde ist, welches mit seiner Convexität nach auf- wärts und aussen gewendet ist, und mit der Concavität, welche 648 W.Szymonowiez: nach unten und gegen die Haaraxe gewendet ist, die Zelle um- fast. Auf Grund meiner Präparate kann ich auch der Ansicht Merkel’s und Bonnet’s nicht beipflichten, als ob der Axen- eylinder innerhalb dieser Zellen enden würde, indem ich in Uebereinstimmung mit Ranvier der Ansicht bin, dass die Axeneylinder mit den Tastmenisken enden, welche mit der Tastzelle in unmittelbarer Berührung stehen. Ueberdies gelang es mir nachzuweisen, dass der Axeneylinder, entgegen der An- sicht Bonnet’s, sich unter der Glashaut in 2, 3, oder 4 Aeste theilen kann, von welchen jeder einen Tastmeniskus bildet (Fig. 7) und dass die Tastmenisei mittelst der dünnen, mit Gold violett gefärbten Fasern mit einander anastomosiren (Fig. 6, 7). Sehr oft bemerkt man an Tangentialschnitten, dass ein Meniskus einen starken, auch violett gefärbten Ausläufer an einen anderen abgibt, indem er dadurch sein Entstehen veranlasst und ihn mit der Nervenfaser verbindet. Oberhalb der Scheidenanschwellung finden wir bei der Maus und dem Maulwurfe im ringsum verlaufenden Binde- gewebe ein ringförmiges Nervengeflecht (Fig. 1, 2, 5), welches aus mehreren markhaltigen und marklosen Nervenfasern besteht. An den mittelst der Goldmethode angefertigten Präparaten be- merkt man in diesem Nervenring zahlreichere Nervenfasern, als in den mittelst Osmiumsäure gefärbten, was für das Vorhanden- sein von marklosen Nervenfasern spricht. Einige Autoren be- haupten, dass dieser Nervenring aus Nervenfasern besteht, welche von unten herantreten und in der Scheidenanschwellung keine Endigungen bilden. Nach Bonnet dagegen sind dies Fasern, welche von Hautnerven herrühren und nach unten in die Gegend des Bindegewebsringes sich begeben; es ist iım nämlich nie ge- lungen, den Zusammenhang dieses Ringes mit den unteren Nervenfasern zu bemerken, andereseits hat er öfters wahrgenommen, dass Nervenfasern vom Ringe gegen die Hauptpapillen verliefen. Mit dieser letzteren Ansicht bin ich vollkommen einverstanden. Nur beim Maulwurfe konnte ich einmal sicherstellen, dass zum Nervenring von unten ein Nervenbündel gelangte, welches an der Bildung anderer Nervenendigungen nicht theilnahm, und dann von der Seite, oberhalb des Ringsinus, direkt an den Nervenring herantrat. Es gelang mir niemals wahrzunehmen, dass die Nervenfasern die erste äussere Zellenreihe der Scheideran- Beiträge zur Kenntniss der Nervenendigungen in Hautgebilden. 649 sehwellung überschritten und zwischen den tiefer liegenden Epithelzellen oder überhaupt innerhalb der Glashaut freie Nerven- endigungen bildeten. Schliesslich komme ich der angenehmen Pflicht nach, dem Herrn Professor Dr. Cybulski, in dessen physiologischer An- stalt ich die Untersuchungen vornahm, für die mir gütigst er- theilten Rathschläge und Anleitungen meinen besten Dank aus- zusprechen. Literatur-Verzeichniss zu Aufsatz A. 1. M. Jobert, Contribution A l’&tude du systeme nerveux sensitif. Journ. de l’anat. et de la physiol., Paris 1870—11. 2. Derselbe, Etudes d’anatomie comparce sur les organes du tou- cher chez divers mammiferes, oiseaux, poissons et insectes. Anna- les des sciences naturelles, einquieme serie. Zool. T. XVI, Paris 1872. 3. Mojsisovics, Ueber die Nervenendigung in der Epidermis der Säuger. Sitzber. d. k. Akad. d. Wiss. in Wien, III. Abth., LXXTI. Bd., 1875. 4. Fr. Merkel, Tastzellen und Tastkörperchen b. d. Hausthieren u. b. Menschen. Arch. f. mikr. Anat., Bd. XI, 1876. 5. R. Bonnet, Studien über die Innervation der Haarbälge d. Haus- thiere. Morphol. Jahrb. Bd. IV, 1878. 6. Merkel, Ueber die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut d. Wirbelthiere. 1880, Rostock. 7. L. Ranvier, On the Terminations of Nerves in the Epidermis. Qu. Journ. of mier. sc. 1880, Vol. XX. 8. Nouvelles recherches sur les organes du tact. Comptes rendus de l’acad. des sciences. 1880, T. 91. 9. Bonnet, Ueber die Merkel’schen Tastzellen in der Haut. Ges. f. Morph. u. Physiol. in München. Aerztl. Intelligenzblatt München 1855, XXXII. Jahrg. 10. Ranvier, Trait& technique d’histologie. II. Ed., Paris 1889. 11. G. Hoggan, Neue Formen v. Nervenendigungen in der Haut von Säugethieren. Arch. f. mikr. Anat., 23. Bd. 12. G. Asp, Zur Lehre über die Bildung der Nervenendigungen. Mitth. embr. Inst. Wien 1885. 13. A. Bethe, Angaben über ein neues Verfahren ‚der Methylenblau- fixation. A. f. mikr. An., Bd. XXXXIV, 189. 14. M. Lawdowski u. Ph. Owsjannikow, Lehrbuch d. mikr. Anat. d. Menschen u. Thiere. II. Bd. St. Petersburg. 1888. (Russisch.) 650 16. 17: 18. W.Szymonowiez: Literatur- Verzeichniss zu Aufsatz B. 1851. Gegenbaur, Untersuchungen über d. Tasthaare einiger Säugethiere. Zeitschrift für wiss. Zoologie, Bd. III. . 1859. Leydig, Studien über die äussere Bedeckung der Säuge- thiere. Archiv f. Anat. und Physiol. v. Reichert und Du Boys- Reymond. 1862. Gurlt, Untersuchungen über die hornigen Gebilde des Menschen und der Haussäugethiere. Müller’s Archiv. 1862. Leo Vaillant, Note sur les poils du tact de mammi- feres. Gaz. med. Paris. 1866. Odenius, Beitrag zur Kenntniss des anat. Baues der Tasthaare. Deutsch in M. Schultze's Archiv f. mikr, Anatomie Bd. II. 1870. Burkardt, Ueber dieNervenendigungen in den Tasthaaren der Säugethiere. Centralbl. f. d. Med.-Wissenschaft, Berlin. 18711. Beil, Ueber Nervenendigungen in den Haarbälgen einiger Tasthaare (schwellkörperlose Haare). Inaug.-Diss. Göttingen. 1871. Paladino e Lanzillotti-Buonsanti, Sulla minuta struttura e sulla fisiologia dei peli tattili. Estratto dal Bulletino dell’ Associazione dei Mediei e Naturalisti per mutua istruzione. Nr. 1871. 1571. Paladino, Sulla terminazione dei nervi cutanei delle labbra. Bullet. dell’ Assoc. dei Mediei e Natur. Napoli, No. 10. 1571. J. Schöbl, Die Flughaut der Fledermäuse, namentlich die Endigung ihrer Nerven. Arch. f. mikr. Anatomie Bd. 7. 18711. Derselbe, Das äussere Ohr der Mäuse als Tastorgan. Arch. f. mikr. Anatomie Bd. 7. 1872. Wjeliky, Ueber die Nervenendigung in den Haarbälgen der Säugethiere. Hoffmann’s Jahresberichte 1872. 1872. Jobert, Recherches sur les poils du tact. Annales des sciences nat. V. Serie, Zool. Tom XV], Article No. 5. 1872. Sertoli u. Bizzozero, Sulla terminazione dei nerv nei peli tattili. Milano. 1872. L. Stieda, Die angeblichen Terminalkörperchen an den Haaren einiger Säugethiere. Arch. f. mikr. Anat. Bd. VIN. 1871—1873. Dietl, Untersuchungen über die Tasthaare. Sitzungs- berichte der k. Akademie d. Wissensch. 1. Abth. Bd. LXIV, Juli- heft 1871; 2. Abth. Bd. LXVI, Juliheft 1872; 3. Abth. Bd. LXVIII, Decemberheft 1873. 1873. J. Schöbl, Ueber die Nervenendigung an den Tasthaaren der Säugethiere, sowie über die feinere Structur derselben. M. Schultze’s Arch. f. mikr. Anat. Bd. IX. 1873. L. Stieda, Zur Kritik der Untersuchungen Schöbl’s über die Haare. Arch. f. mikr. Anat. Bd. IX. Beiträge zur Kenntniss der Nervenendigungen in Hautgebilden. 651 19. 1873. Redtel, Der Nasenaufsatz des Rhinolophus Hippocrepis. Zeitschrift f. wiss. Zoologie Bd. XXIII. 20. 1875. Moisisowics, Ueber die Nervenendigungen der Epi- dermis der Säuger. Sitzungsberichte d. k. Akademie d. Wissen- schaften Bd. LXXI. 21. 1876. Merkel, Tastzellen und Tastkörperchen bei den Haus- thieren und beim Menschen. M. Schultze's Arch. f. mikr. Ana- tomie Bd. XI. 22. 18716. Arnstein, Die Nerven der behaarten Haut. Sitzungs- berichte d. k. Akad. d. Wissensch. Bd. LXXIV. 23. 1878. L. köwe, Bemerkungen zur Anatomie der Tasthaare. Arch. f. mikr. Anatomie Bd. XV. 24. 1878. R. Bonnet, Studien über die Innervation der Haarbälge der Hausthiere. Morphol. Jahrb. Bd. IV. 25. 1878. A. Rossi, Intorno alle terminazione dei nervi nella pelle delle ali dei Pipistrelli. Rendicont. Accad. Sc. Bologna pag. 174. 26. 1880. Fr. Merkel, Ueber die Endigungen der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbeithiere. Rostock. Cap. VI.: Nerven der Haare, pag. 147—157. 1850. Ranvier, Nouvelles recherches sur les organes du tact. Comptes rendus de l’acad. des sciences. T. 91. 28. 1853. S. Riechiardi, Intorno alla distribuzione dei nervi nel follicolo dei peli tattili con apparato vascolare erettile del Bos taurus. Jahresber. Bd. XI. 29. 1889. L. Ranvier, Traite technique d’histologie. Ed. II. Paris, pag. 701— 704. 180) -] Figuren-Erklärung zur Tafel XXXIII und XXXIV. Die 12 blauen und rothen Zeichnungen auf der Tafel XXXIII beziehen sich auf die Abhandlung A. Die übrigen (1—4) auf der- selben und die ganze folgende Tafel (XXXIV, Fig. 5—10) auf die Ab- handlung B. Tafel XXXIII A. Alle Figuren wurden mit der achrom. homog. Immersion von Zeiss (1/j, Apert. 1.25) und Ocul. 1 bei einer Tubuslänge von 160 mm, mit Anwendung des Zeichenapparates nach Abb& gezeichnet. (Ver- grösserung 385.) Sodann wurden die Figuren vom Lithographen ver- kleinert, so dass die Vergrösserung gegenwärtig ca. 260 lin. beträgt. Die Figuren 1—11 sind nach mit Methylenblau gefärbten und mit Bethe’s Flüssigkeit fixirten Präparaten gezeichnet. Fig. 7 u. 9 sind mit Alaunkarmin nachgefärbt. Die in Fig. 1—8 dargestellten Prä- parate stammen von ausgewachsenen Thieren, die Präparate Fig. 9 bis 12 von Embryonen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45. 43 Fig. Fig. Fig. o Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. ie 2 5 (er) 10. 11. W. Szymonowicz: Der spiral gewundene Endkolben. Man sieht den Axencylinder, Innenkolben und die Bindegewebsschichten. Das kleine Stück rechts unten, gehört wahrscheinlich einem zweiten Endkolben. Intraepitheliale Nervenfasern, welche eine längliche Masche bilden. Ein aus 7 Endkolben zusammengesetztes Endkörperchen. Oberhalb des Körperchens ist die untere Grenze der Epidermis angedeutet. Freie Nervenendigungen auf der Glashaut des Tasthaares. Die letzten Enden (oben) sind angeschwollen und verflacht. Freie Nervenendigungen auf der Basalmembran. Von beiden Seiten sieht man von unten eine Nervenfaser antreten, zer- fallen und einen Endplexus bilden. . Ein senkrechter Schnitt des unteren Theiles, der zwischen den Papillen eingesenkten Epidermis, welcher eine grössere Gruppe von Merkel’schen Tastzellen aufweist. Oben sieht man die angedeutete Epithelzellengrenze, unten zwei herantretende Nervenfasern, links wahrscheinlich einen Theil eines Endkolbens. Wie oben, mit Alaunkarmin nachgefärbt. Wie oben (6). Merkel’'sche Tastzellen, von welchen man zwei Schlingen nach oben aufsteigen und wieder nach unten zurückkehren sieht. Wie oben (6) von einem 30 em langen Fötus. Ein senkrechter Schnitt dureh die Epidermis eines 22—23 cm langen Fötus. Man sieht intraepitheliale Nervenendigungen und unten Merkel’sche Tastzellen mit Tastmenisken. Von einem 12 em langen Fötus. Man sieht die Nervenfasern an die Epidermis herantreten und einige Tastmeniseci bilden. Die Cutis hat sich mit Methylenblau schwach gefärbt. . Senkrechter Schnitt durch die Haut eines 15 cm langen Fötus. Fixirt in Flemming'scher Flüssigkeit, gefärbt mit Safranin. Man sieht zwischen den Zellen der unteren Epidermisschicht drei Merkel'sche Zellen. Die oberen Schichten der Epi- dermis sind aus degenerirten Zellen aufgebaut. — (Siehe Text.) B. Alle Figuren sind nach vergoldeten Präparaten hergestellt. 1, 5, 6, 7, 8, 9, 10 nach Zeichnungen, Fig. 2, 3, 4 nach Mikro- ’ ? ? , ’ I Oo ? oO ’ I Photogrammen. Fig. 1—9 die weisse Maus, Fig. 10 Maulwurf. L: Von unten gelangt das Nervenbündel. Die einen Fasern des- selben bilden am unteren Ende der birnenförmigen Scheiden- anschwellung Endverzweigungen, andere gelangen unter dem Ringwulst und enden in den quer länglichen Körperchen. Oben der Nervenring, oberhalb desselben die Talgdrüse und über dieser die Hautnervenfaser. An beiden Seiten sieht man den Blutsinus und den an zwei Stellen quer durch- Beiträge zur Kenntniss der Nervenendigungen in Hautgebilden. 653 Fig. 4. schnittenen Ringwulst, unten die Bindegewebsbalken und seit- wärts die Muskeln. Das Haar ist an dieser Stelle nicht durch- schnitten, denn es lag tiefer. (Vergr. ca. 90.) . Die Scheidenanschwellung im Längsschnitt. Von beiden Seiten der im Blutsinus liegende, quer durchschnittene Ringwulst, oben ein dunkler Nervenring. Von unten gelangen die Ner- ven und bilden Endverzweigungen, welche den unteren Theil der Scheidenanschwellung kelchförmig umfassen. Einige der- selben verlaufen, indem sie unter den Ringwulst gelangen, nach oben und bilden endlich, indem sie die Glashaut durch- dringen, Endigungen, welche hier quer durchschnitten sind und deshalb als kurze, starke Linien erscheinen, zu welchen hie und dort Axeneylinder gelangen. (Vergr. ca. 110.) . Tangentieller Schnitt durch den oberen Theil der Scheiden- anschwellung. Unten der Ringwulst. Oberhalb desselben die Tastmenisken, zu welchen Axencylinder gelangen. Höher sind die Epithelzellen angedeutet. (Vergr. ca. 110.) Haarscheidenanschwellung. Am unteren Ende der Erweiterung das Endgeflecht der tief liegenden Fasern, oberhalb desselben an beiden Seiten verlaufen andere Fasern nach oben und enden im oberen Theile der Anschwellung in quer länglichen Körperchen. Rechts der Blutsinus mit dem Ringwulst. An der linken (entgegengesetzten) Seite füllt das lockere Binde- gewebe den Blutsinus aus, die hellen Stellen im oberen und unteren Theile entsprechen den durch den tangentiellen Schnitt abgetragenen Theilen der Haarscheidenanschwellung. (Vergr. ca. 100.) Tafel XXXIV. 5. Wie oben Fig. 1 und 2. (Vergr. ca. 120.) Der tangentielle Schnitt geführt durch den oberen Theil der Scheidenanschwellung der Art, dass an der Oberfläche die Nervenfasern verlaufen. Tiefer liegt die Glashaut und unter ihr liegen die Tastmenisci mit den Tastzellen. Die quer länglichen Tastmenisei anastomosiren mit einander; in der Mitte bemerkt man einen sich theilenden Axencylinder; pa- rallel zu jeder stärkeren Linie (Tastmeniscus) verläuft von unten eine dünnere (die Grenze der Zelle). (Vergr. ca. 240.) . Wie Fig. 6. Hier liegen aber die Epithelzellen an der Ober- fläche, tiefer die Glashaut und unter derselben die Nerven, welche nach oben verlaufen. (Vergr. ca. 350.) . Freie Nervenendigungen auf der Glashaut im unteren Theile der Scheidenanschwellung. (Vergr. ca. 600.) . Der untere Theil der Scheidenanschwellung des Präparates in Fig. 4. Man sieht genau freie Nervenendigungen. (Vergr. ca. 240.) . Tasthaar eines Maulwurfes.. Im unteren Theile sieht man 654 W.v. Nathusius: freie Endverzweigungen auf der Glashaut. Seitwärts den Ringwulst und im oberen Theile die Tastmenisci, von welchen einige (rechts oben) auf dem Axencylinder so angebracht sind wie die Blätter an einen Stengel (siehe Text). (Vergr. ca. 270.) das Haar angedeutet. Oben ist Einschluss eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- und Bindegewebe enthaltend. Von W. v. Nathusinus, Halle (Saale). Hierzu Tafel XXXV und 15 Abbildungen im Text. Fig, 1. Durchschnitt durch Schale und Eiweiss des gekochten Eies. Natürl. Grösse. A ist die Höhlung,, in welcher der Einschluss lag, B die Dotterhöhle. Die punktirte Linie a, b zeigt die Richtung des in Fig. 15 (S. 685) abgebildeten Schnittes durch das Eiweiss, Im Dezember 1893 erhielt ich dureh die Güte von Professor Kohlschütter hier die eine Hälfte eines in weich gekochtem Zustande durehschnittenen Hüh- ner-Eies nebst einem eigenthüm- lichen Körper, welcher sich ne- ben dem Dotter in dem Ei ge- funden hatte. Fig. 1 stellt die Schnittfläche des Eies in natür- licher Grösse dar. A ist die Höhle, in welcher olne Zweifel der Körper gelegen hatte, D die Dotterhöhle. Fig. 2 A ist der Körper bei 4facher Grösse in der Ansicht gezeichnet, wie er sich, nachdem das Ganze einige TageinSpiritusgelegen hatte,dar- stellte: 3 ist seine Schnittfläche, der Linie a, b von A entsprechend. Er war nun äusserlich röthlich missfarbig, auf dem Schnitt gelb- lich mit Braunroth marmorirt, wie dies auf der Zeichnung an- Einschl. eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 655 nähernd durch Punktirung dargestellt ist. Der Stiel war abgerissen. In Fig. 1 scheint am unteren Ende von A noch ein Eindruck seines Ansatzes in dem Eiweiss bemerklich zu sein, der weitere Verlauf dieses Stieles muss aber in der an- F. Fig. 2. Der Einschluss bei #/ı. A Ansicht. Die punktirte Linie a, b zeigt die Richtung des Durch- schnitts B. Bei demselben ist @ die Rindenschicht Latschenberger’s. b hell durchscheinende Knorpelmasse, theilweise verknöchert. e Gruppe von grösseren Vakuolen von 0,1—0,075mm Durchmesser. Sie stehen noch etwas dichter gedrängt, was der kleine Maassstab darzustellen nicht gestattete. d Beim Auslösen des Einschlusses haften gebliebenes Eiweiss. Auch starke Vergrösserung lässt zwischen letzterem und dem Einschluss eine Membran nicht erkennen. deren Eihälfte gelegen haben, die nicht aufbewahrt war. Das Eiweiss war nur so weich gekocht, dass es sich so zur wei- teren Behandlung nicht eignete: auch die Form und das Wesen des Einschlusses so undeutlich, dass zunächst Alles zum Erhär- ten in Spiritus gelegt wurde. Das Eiweiss, und auch wohl der fragliche Körper waren nun so geschrumpft, dass letzterer die Höhle A von Fig. 1 nicht mehr ausfüllte. Dass dies ursprüng- 656 W. v. Nathusius: lich der Fall gewesen, konnte nicht bezweifelt werden. Bevor die Resultate der näheren Untersuchung beschrieben werden, ist ähnlicher in der Literatur vorkommender Fälle zu gedenken. Dass wirkliche Fremdkörper, z. B. kleine Nägel und del., in Eiern gefunden sind, habe ich von so autoritativen Stellen be- haupten hören, dass ich es nicht in Zweifel ziehe, obgleich mir bestimmte, sozusagen urkundliche Nachweise solcher Funde nicht bekannt geworden sind. Wiekmann’s neuere Beobachtung }), dass bei dem Legeakte ein derartiger Prolapsus des Uterus stattfinde, dass seine untere Oefinung blossgelegst wird, indem er sich nach aussen umstülpe, würde es verständlich machen, wie Fremdkörper, an der Uteruswandung klebend, nach dessen Zurückziehung mit einem sich neu bildenden Ei in solche Be- rührung kommen können, dass sie, besonders wenn es kleine harte Körper sind, in die noch weichen Eihüllen mechanisch eingedrückt werden und bei deren weiterer Ausbildung einwachsen. Dies sind Möglichkeiten. Genauere Untersuchungen solcher Fälle sind mir, wie schon gesagt, nicht bekannt geworden, dagegen mehrere, wo die Annahme, es handle sich um einen „Fremdkörper“ durch die Untersuchung nicht bestätigt ist. So hat Bambeke?) einen Fall beschrieben, wo bei dem abnormen Einschluss eines Hühner-Eies der Finder die Frage aufgeworfen, ob es sich um ein gekeimtes Samenkorn — von Vieia faba — handeln könne? Die äussere Aehnlichkeit mit dem mir vorliegenden Objekt ist nach Bambeke's Ab- bildungen so auffallend, dass ich gleich an jene Abbildung er- innert wurde. Bambeke ist nicht im Zweifel über die ani- male Natur des Objekts geblieben und beschreibt dasselbe als bohnenförmig, 15 mm lang, 10mm breit und Smm dick, von rothbrauner Farbe, harter horniger, oder knorpeliger Konsistenz. Auch hier war ein halb durchsichtiger, gelblich gefärbter Stiel (Pedieule) von 7'/;, mm Länge und fast 1 mm Dicke vorhanden. Der Körper war durch.das distale Ende dieses Stiels mit der Dotterhaut verbunden. Diesen Befund hebe ich um so mehr hervor, als Bambeke in seinen 1) Entstehung der Färbung der Vogeleier. Münsteri.W. 1893, S. 14. 2) Note sur une inclusion rencontree dans un oeuf de poule. Gand. Vanderhaeghen 1884. (Separat a. d. Festschrift z. Jubiläum d. mediz. Gesellschaft zu Gent.) Einschl. eines Hübner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 657 Erörterungen die Bedeutung desselben abzuschwächen sucht, und füge deshalb noch hinzu, dass er in Querschnitten des Stiels, während dessen äussere Schichten in die des Körpers übergehen, in der Axe ein verfilztes feines Fasergewebe gefunden hat, wel- ches nach der davon gegebenen Abbildung mit den Fasergeweben der Dotterhaut identisch erscheint. Bambeke hat den Einschlnss nach Härtung in Alkohol durch Schnitte und verschiedene Färbungen untersucht. Ich werde erst später auf seine Deutungen der erlangten Resultate eingehen, bemerke aber vorläufig, dass seine Zeichnungen leider geringen Werth haben, weil das Maass der Vergrösserungen nicht angegeben ist!). Von grossem Werth waren mir Bambeke's Hinweise auf die frühere Literatur, namentlich auf eine Mittheilung von Latschenberger?). Nach dessen Beschreibung war der in einem Hühner-Ei gefundene Einschluss von der Grösse einer grossen Haselnuss, und Gestalt einer Bohne. Er hatte an der Stelle, welche dem „Nabel“ der Letzteren entspricht, einen kurzen, dicken, sich rasch verjüngenden Stiel, an welehem ein Faden ausceimg, der zur Dotterhaut führte, Dierziemlieh undeutliche Abbildung des gauzen Objekts kann ich hiermit nicht in Uebereinstimmung bringen: vielleicht war Letzteres schon geschrumpft oder beschädigt. Die nähere Untersuchung ergab als Inhalt: Blutgefässe, Bindegewebsstränge, Uebergänge der Letzteren in lockeres Binde- gsewebe, ein mit der Wharton’schen Sulze vergleichbares Grund- gewebe. Blutkörperchen, mit welchen die Gefässe „vollgestopft“ sind, und von Extravasaten herrührende Blutkörperchen waren zum Theil in eine aus ihrem Zerfall herrührende „körnige Masse“ verwandelt. Die Zeichnung eines Schnittes durch eine Region des Ob- 110 am 1) Dass die Angabe der benutzten Objektive und Okulare dieses nicht ersetzt, muss jeder Kundige wissen, ist auch auf grösseren wissen- schaftlichen Kongressen — m. E. zuletzt in Moskau — hervorgehoben, und doch scheint diese Nachlässigkeit, die um so weniger entschuldbar ist, als jetzt so viele und bequeme Methoden der mikroskopischen Messung bestehen, immer mehr um sich zu greifen. 2) Ueber einen eigenthümlichen Einschluss eines Hühner-Eies. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XII, 1876, S. 359 ın. T. XVI. jekts ist im Maassstab von beigefügt. In dieser schwachen 658 W,v. Nathusius: Vergrösserung kann sie nur zur Situirung des im Text Beschriebe- nen dienen. Es ist derselben zu entnehmen, dass die Blut- gefässe so gedrängt liegen, dass ihre Querschnitte theils gruppen- weis eng zusammenstehen. Nach dem Maassstabe der Zeichnung hat das Lumen des einen Gefässes 0,55 mm Durchmesser. Dieses Gefäss enthielt nach der Figurenerklärung keine erkennbare Blut- körperchen, sondern eine aus deren Zerfall herrührende „körnige Masse“. Latschenberger unterscheidet in gewissem Sinne eine „Rindenschieht“, die aus sehr dichtem fasrigen Bindegewebe bestehen soll; indess zeigt die Abbildung auch in dieser Rinden- schicht Blutgefässe, so dass sie doch nicht wesentlich von den centralen Schichten verschieden sein dürfte. Schliesslich erklärt er, namentlich auf Grund des Zusam- menhangs durch den Stiel mit der Dotterhaut, das Objekt als „zusammen mit dem Eidotter auf dem Eierstock des mütterlichen Organismus erwachsen“. Wie der „Lumor* aus dem Ovarium entstanden, d. h. aus welchen Ele- menten desselben er sich entwickelt hat, wird nicht erörtert. Ein Versuch, den Verlauf nach der Ablösung aus dem Ovarium vermuthungsweise darzustellen, geht von der Voraussetzung aus, dass das Eiweiss und die übrigen Eihüllen eine mechanische Apposition von Sekreten des Ovidukts seien, und scheint mir nieht gelungen. Bambeke stellt seine Befunde sogar tabellarisch mit denen Latschenberger’s zusammen und zieht das Resultat, dass beide Eiuschlüsse bezüglich ihres inneren Baues im Gegen- satz gegen die Aehnlichkeit bei äusserlicher Betrachtung ver- schieden sind). Die Berechtigung eines solehen Ausspruches kann nicht zugegeben werden. Bambeke zählt als die von ihm gefundenen Bestandtheile auf: Faserzüge (des traindes fibrillares), eine amorphe Substanz, Körnchen, die in Zügen oder Haufen angeordnet sind (des granulations disposdes en traindes ou en amas) und fügt nach deren Erörterung im Einzelnen hinzu, dass also in seinem Objekt weder fibrilläres Bindegewebe, noch Schleim- gewebe, noch erkennbare Blutkörperchen, also keiner derjenigen Be- 1) Par consequent, autant les deux inclusions se rassemblent ä lexamen macroscopique, autant elles different, par contre, au point de vue de leur texture. Einschl. eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 659 standtheile, die Latschenberger gefunden habe, existire !). Dies ist zu viel gesagt. Die „Faserzüge“ sind dasselbe, was Latsch en- berger als Bindegewebsstränge bezeichnet: der Ausdruck Binde- gewebe wird ja in sehr verschiedenem Sinne gebraucht. Die in Zügen oder Haufen angeordneten Körnchen, welche sich in Hämatoxylin und im Allgemeinen auch in Pikrokarmin färben, sind Latschenberger’s im „eine körnige Masse verwandelten Blutkörperchen‘ (körniges Eiweiss färbt sich nicht in dieser Art). Die Räume, in welchen sie enthalten sind, bezeichnet Latschen- berger kurz als Blutgefässe, ohne dass die für gewisse Blut- gefässe charakteristischen Wandungen erwähnt werden. Dass das Schleimgewebe — ein der Wharton’schen Sulze ähnliches lockeres Bindegewebe; Bambeke übersetzt tissu muqueux — fehlte, ist ohne wesentliche Bedeutung: auch ich habe Gewebe, welehe Latschenberger allenfalls hier gemeint haben könnte, nur in einzelnen Schnitten gefunden. Allerdings sind in Hühner-Eiern auch Einschlüsse gefunden, welche nur die für die normalen Eihüllen charakteristischen Strukturen enthielten. Dr. Anton Collin hat kürzlich einen solehen beschrieben ?), der sich neben einem normalen Dotter zwischen Eihaut und Eiweiss gefunden hatte, und irrigerweise für einen lebenden Parasiten gehalten war. Das in Alkohol konservirte, 33mm lange und bis 6,5 mm breite Gebilde hatte eine lederartige Haut, welche sich als aus einer dicken Lage von verfilzten Fasern, wie die der Schalenhaut, bestehend ergab. Der Inhalt war körnig-fasriges Eiweiss, wie es sich nach Ein- wirkung von Alkohol zeigt, und Collin charakterisirt das Ge- bilde kurz als ein dotter- und schalenloses Ei. Die Vermuthung, die er über die Art, wie es in ein normales Ei gelangt sein könnte, ausspricht, ist nur auf die so lange herrschende Voraus- setzung der mechanischen Bildung der Eihüllen begründet. Einen in der Struktur ähnlichen Einschluss aus einem ge- kochten Hühner-Ei, der aber von runderer Gestalt gewesen sein muss, erhielt ich kürzlich durch die Güte von Prof. Dr. von 1) Il existe done, dans notre inelusion, ni tissu conjonetif fibril- laire, ni tissu muqueux, ni vaisseaux sanguins, ni globules sanguins reconnaissables, en un mot aucune des parties constituantes que Latschenberger a rencontr&es dans la tumeur examinde par lui. 2) Reichenow, Ornithol. Jahresber. II. Jahrg. 1894. 660 W. v. Nathusius: Graff in Graz. So wie ich das Objekt erhielt, machte es nach Härtung in Spiritus den Eindruck einer plattgedrückten, faltigen, aber beschädigten Blase von ca. 1O mm Durchmesser. Mit Pikrokarmin gefärbte und in Glycerin-Gallert gelegte Schnitte zeigen eine peri- pherische Faserhaut von 140—130 u Dicke, also erheblich dicker als die normale Membrana testae (= ca. 114 u), sonst mit derselben identisch erscheinend: darunter schön geschichtetes, sehr durch- sichtiges, also derbes Eiweiss, und in der Mitte unregelmässig eingesprengt körnig-undurchsichtiges, also ursprünglich flüssiges Eiweiss. Es scheint, dass es sich bei Letzterem nur um Reste handelt, und der grössere Theil, vielleicht durch Druck, aus- gepresst ist. Dotter-Elemente, die sich in Pikrokarmin röthen, waren nicht nachzuweisen. Kalkkörnehen, welche eine frühere Untersuchung ergeben haben soll, konnte ich in meinem Material nicht mehr finden: vielleicht war dasselbe schon mit Säure be- handelt. Jedenfalls könnte das Vorhandensein von kohlensaurem Kalk nieht überraschen, da auch die innern Eiweisshäute Schalenrudimente bilden können !). Von diesen nur Eiweiss-Elemente enthaltenden Einschlüssen ist der Bambeke’sche ganz verschieden: er gehört zu derselben Kategorie, als der Latschenberger'sche und der mir vor- liegende, auf welchen ich nun näher eingehe. Schon die ersten Schnitte ergaben das Resultat, dass Knorpelgewebe zu seinen Bestandtheilen gehört, was um so mehr überraschte, als ich damals Latschenberger’s Arbeit noch nicht eingesehen hatte. In diesem Knorpel, später auch in anderen den Binde- substanzeharakter zeigenden Geweben, zeigten sich verknöcherte —- vorläufig sei dieser Ausdruck gestattet — Regionen. Schon der auf der Figur 2 B, Seite 655 im Text dargestellte Quer- schnitt des ganzen Gebildes zeigt auch bei dieser schwachen Vergrösserung bei b einen helldurchscheinenden Fleck, welcher 1) Ich besitze Schliffe einer Kalkschale, die sich innerhalb eines Hühner-Eies auf einer Faserhaut gebildet hat, welche den Dotter ein- schloss. Letztere ist der normalen Membrana testae durchaus ähnlich, nur um ca. Y/s, also erheblich dicker. Die Schale ist eine richtige Ei- schale mit Mammillen, Schalenkörperchen, Oberhäutchen etec., aber nur 0,20—0,19 mm dick — ca. ?2/, einer normalen Hühner-Eischale — und es fehlen ihr einige der speziellen Charaktere des Hühner-Typus. Einschl. eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 661 bei stärkerer Vergrösserung die bekannte Struktur des Knorpel- gewebes ergab. Neben dem Interesse, das die vorläufige Mit- theilung meiner Befunde an Näherstehende erregte, liess sie doch auch Zweifel an der Richtigkeit derselben Seitens soleher Forscher, auf deren Urtheil ich grossen Werth lege, hervortreten, und ver- anlassten eine Kritik der ersten Reihe von Präparaten, die ich vorlegen konnte, die mir sehr förderlich gewesen ist, da ich eine Berechtigung derselben nicht ableugnen konnte. Diese Zweifel sind theilweise dadurch erklärlich, dass die schon erwähnten Arbeiten Latschenberger's und Bambeke's wenig Be- achtung gefunden haben, sie enden allerdings, wie wohl gesagt werden darf, in einem gewissen non liquet; wesentlicher ist indess wohl, dass die Auffassung über die Bedeutung dieser und der früher schon untersuchten ähnlichen Abnormitäten, zu welcher ich ge- langte, auf einer Betrachtungsweise der Bildung der Eihüllen und besonders der doppel-dottrigen Eier beruht, welche der früher geltenden widerspricht. Ich glaube mich kürzer ver- ständlich zu machen, wenn ich hier schon ausspreche, dass meine Auffassung dahin geht, dass es sich um Zwillings-Eizellen han- delt, wo in dem einen Dotter schon früh — also parthenogene- tisch — eine abnorme Entwicklung stattfand, welche nicht zur Ausbildung von Organen führte, sondern nur von Geweben mehr oder weniger unbestimmten Charakters. Diese Entwicklung hat Hemmungen erlitten, und damit ist für die Gewebe theilweise ein gewisser Verfall eingetreten. Hieraus dürfte auch die Schwie- rigkeit folgen, durch Färbung der Schnitte viel zu erreichen. Aus diesen Verhältnissen erwachsen der erschöpfenden Untersuchung besondere Unbequemlichkeiten schon darin, dass die verschiedenen Gewebsformen ganz unregelmässig vertheilt sind. Wird ein neuer Theil des Objekts in Angriff genommen, so können sich ganz unerwartete Modifikationen der Struktur ergeben. Ich glaube auf den Versuch verzichten zu müssen, einen allgemeinen Bau des Objekts, wie dieses sonst Organismen gestatten, festzustellen. Als mir die Schwierigkeit entgegentrat, den beregten Zweifeln gegenüber meine Auffassung objeetiv zur Geltung zu bringen, habe ich eine neue Reihe von Präparaten von dem nunmehr während mehr als einem Jahre in Spiritus aufbewahrten Objekt gefertigt. Die Herstellung feiner Schnitte und die Pikrokarmimfärbung und damit von Uebersichtspräpa- 662 Wer. Narthamsumls: raten der interessanteren Stellen gelang besser. An den neuen Stellen wurden auch Modifikationen der verschiedenen Gewebs- formen gefunden, und auch mannigfache Uebergänge. Damit ist aber die Schwierigkeit einer klaren und präzisen Darstellung ge- wachsen. Wo die Gewebe deutlicher erkennbar sind, erinnern sie an verschiedenartige Formen der Bindesubstanzen, und es liegt nahe, wie dies auch Latschenberger gethan hat, sie demgemäss zu bezeichnen, um ermüdende und doch nicht ganz Fig. 5. Segment eines feinen Schnitts, stark mit Pikrokarmin gefärbt m j 14 N Ä S R ; i in Balsam. Ta ist nur eine durch die Feinheit des Schnittes ent- standene Spalte. D,D,b,b,b,b verknöcherte Gewebe. ce Knorpel, zu- weilen in grosszelliges und andere Gewebe übergehend. d lockeres Gewebe mit grossen Vakuolen. e,e,e ähnlich, aber die Maschen sind mit undeutlichen Gewebselementen, vielleicht auch kleinen Zellen ge- füllt. ff, fohne erkennbare Struktur, lebhafter, aber in verschiedenen Graden rothgefärbt, was in der Zeichnung durch die Punktirung an- gedeutet ist: abgestorbene Gewebe, welche mit den Kernen zerfal- lener Blutkörperchen gefüllt sind. Einschl. eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 663 erschöpfende Beschreibungen der Einzelheiten zu vermeiden; aber dieses birgt die Gefahr, hier äusseren Formähnlichkeiten einen Werth beizulegen, welchen sie für Gewebe, die unter abnormen Verhältnissen gewachsen, auch eine normale Beschaffenheit nicht erwarten lassen, nicht immer besitzen können. Diese allgemeinen Bemerkungen glaubte ich besser voraus- zuschicken, weil ich sie sonst in vielen Fällen wiederholen müsste, und ich bitte, es mit dieser Sachlage zu entschuldigen, dass ich eine verhältnissmässig grosse Zahl von Abbildungen geben muss, und in den Erläuterungen zu denselben mich doch nieht so kurz fassen kann, als ich möchte. Zunächst giebt Fig. 3 das Situationsbild einer Region, welche das ungeordnete Imeinanderwachsen verschiedener Gewebe in charakteristischer Weise darstellt. Dazu musste es in verhältniss- rm mässie schwacher Vergrösserung — -—- — entworfen werden. 2 1 Nach Beobachtung der einzelnen Stellen mit starken Systemen ist dann die Zeichnung ausgeführt, was ein gewisses Schematisiren bedingt. Vorläufig füge ich der darunter stehenden Erklärung nichts weiteres hinzu. Bei der Erörterung der einzelnen Gewebe beziehe ich mich auf diese Figur. Zunächst wende ich mich zum Knorpel. Fig. 4 ist das Segment eines feinen mit Pikrokarmin gefärbten Sehnittes durch die Knorpelmasse bei 500- facher Vergrösserung. Da- neben sind zwei einzelne besonders deutliche Zellen, die eine mit Sfacher Kern- theilung für sich gezeich- net. Wie häufig im Knor- pel sind die Kerne nur wenig stärker als die Zell- körper gefärbt. Die Bilder des Knorpelgewebes sind durch die „hyaline“ Grund- substanz, diezuweilen deut- lichen Kapseln der einzel- nen Zellen und dureh ihre auf die endogene Bildung m. Fig. 4. Feiner Schnitt durch den in dem Einschluss enthaltenen Knorpel. Daneben zwei einzelne Knorpelzellen, deren eine mit 3facher Kerntheilung. 664 W.v. Nathusius: - hindeutende Lage zu einander so charakteristisch, dass ich dieses Ge- webe unbedenklich als Knorpelgewebe bezeichnen zu können glaubte. Denselben Eindruck der äusseren Erscheinung haben auch diejenigen gehabt, welchen ich bezügliche Präparate vorlegen konnte. In Fig. 1 Taf. XXXV gebe ich in grösserem Maassstabe eine sorgfältig, ohne Jede Schematisirung ausgeführte Abbildung nach einer Stelle, wo die Kapseln deutlich sind. Ein weiterer Beweis, dass dieses Gewebe sich in Nichts von normalen hyalinen Knorpeln unter- scheidet, dürfte kaum zu führen sein. Nach dem vorhin Gesagten, würde ich auch keinen grossen Werth auf denselben legen. Dass die vorhandenen Unterschiede, namentlich in der Beschaffen- heit der „Zwischensubstanzen“ der verschiedenen Knorpelformen schon erschöpfend festgestellt seien, wird sich bezweifeln lassen. Bezüglich Fig. 1 sind noch die hellen Streifen zu erwähnen, die erst bei der sorgfältigen Untersuchung mit den starken Systemen welche das Zeichnen - erforderte, entgegentraten. Sie dürften nichts anderes sein, als Fasern, welche wegen ihres stärkeren Breehungs - Index bei der hohen Einstellung hell erscheinen. Darin würde sich eine Beziehung zu Faserknorpel zeigen, welcher aber bei dem singulären Vorkommen keine zu grosse Bedeutung beigemessen werden darf. Verknöcherungen. Die untenstehende Fig. 5 stellt bei schwacher nur 90facher Vergrösserung ein grösseres Seg- Fig. 5. Schnitt durch einen Theil der Knorpelmasse des Einschlusses, Ä N Ä : 90 n 3 mit Hämatoxylin gefärbt in Glycerin. 7° a, a Knorpel, der sich hell, aber ohne scharfe Grenze von dem umgebenden Gewebe abhebt. b In demselben liegender verkalkter Kern. ce Wahrscheinlich heller durchscheinender, nicht angeschnittener Knorpel. Einschl. eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 665 ment eines in anderer Richtung durch die Knorpelmasse gehenden stark mit Hämotoxylin gefärbten diekeren Schnittes dar. a,,« sind Theile der Knorpelmasse, die in ganz unregelmässiger Form in einem so stark gefärbten Gewebe des ziemlich dieken Schnittes liegt, dass seine Struktur wegen seiner Undurchsichtigkeit nicht zu erkennen ist. Der Knorpel hebt sich durch seine verhältniss- mässige Durchsichtigkeit, wenn auch nicht mit scharfer Grenze ab. Der etwas hellere Fleck e ist wahrscheinlich nicht ange- schnittener, aber durch das Gewebe durehscheinender Knorpel. Bei b liegt im Knorpel eine scharf abgegrenzte stärker licht- breehende Insel, welche schon dadurch den Eindruck von Ver- knöcherung macht. Zweifellos wird dies bestätigt durch die Gasentwieklung, welche von ihr ausgeht, wenn ein solcher Schnitt unter dem Mikroskop mit einigen Tropfen Salzsäure behandelt wird. Nach Beendigung der Gasentwicklung ist die Abgrenzung gegen den übrigen Knorpel vollständig verschwunden. Sie ist num nicht mehr von letzterem zu unterscheiden. Zu bemerken ist noch, dass sich die in dieser verknöcherten Masse befindlichen Zellkörper im Gegensatz zu den übrigen in Hämotoxylin stark färben. Ueber den Grund weiss ich keine Rechenschaft zu geben: natürlich verschwindet diese Färbung durch die Einwirkung der Säure. In vielen Schnitten kommen diese verkalkten Stellen vor, und machen sich zuweilen auch in unliebsamer Weise dadurch be- merklich, dass ihr Widerstand gegen das Messer die Sehnitte theilweise verdirbt. Durch ihren stärkeren Brechungsindex, durch die Knochen- körperchen ist das Vorkommen dieser Verknöcherungen, wenn man erst auf sie aufmerksam geworden, leicht zu erkennen. Aus der Textfigur 3 (S. 662) ergiebt sich die Art des Vor- kommens dieser Verknöcherungen in einer Region, wo sie häufig sind. Auch hier würde ich auf die Frage, wie weit dieses echtes Knochengewebe ist, ob neoplastisches oder metaplastisches oder dgl., die Antwort ablehnen. Dem Vorkommen von Knochen- kanälehen und der Gestalt der Höhlen, in welchen die Körper- chen liegen, habe ich besondere Beachtung geschenkt. Obschon Knochenbälkehen von nur 0,04—0,08 mm Dicke in einem gut ge- härteten Gewebe dem Schnitt keinen erheblichen Widerstand ent- gegensetzen, haben sie doch keine glatten Schnittflächen, und ein Schleifen steht selbstverständlich ausser Frage. Ich habe 666 W.v. Nathusius: frische Schnitte in Nelkenöl gelegt und ohne Verzug beobachtet. In einen Theil der Zellhöhlen dringt dasselbe ein, in andere nicht. Deren Form tritt dann zuweilen ganz deutlich hervor. | Nebenstehend sind zwei nicht ge- füllte, zackige Formen zeigende Höhlen und eine in welche das 1000 1 gezeichnet. Bei letzterer war der Kern des Körperchens und Oel eingedrungen ist, bei N Fig. 6. Einzelne Knochenkörper- ; chen oder Höhlen aus einem in Wei von der Höhle ausgehende y .. 1000. Kanälchen deutlich zu erkennen. Nelkenöl gelegten Schnitt. —. 1 IM h j 1 Zuweilen hat die verkalkte Sub- In a ist das Nelkenöl Kollständig stanz ein loekeres Gefüge, grenzt eingedrungen; das Bild ist voll- dig See Ri sich in kugelförmigen Vorsprün- kommen deutlich, dieses aber ein “ r Finzelfall. D, ce Zackige. Formen, 8 ab und lässt grössere, un- die häufig vorkommen, wo das Oel regelmässigere Zwischenräume. nieht eingedrungen ist, eckige Wir gelangen zu den Ge- Raual Farb innen websformen, welche Latschen- berger als Bindegewebsstränge, Bambeke als Faserzüge bezeichnet, wobei Letzterer die darin vorkommenden Lücken als „de petites espaces lacunaires“ erwähnt und abbildet. Fig. 2 Taf. XXXV ist nach einer sehr feinen Stelle eines ungefärbten in Glycerin liegenden Sehnittes. Nur ganz ausnahmsweise lassen sich in meinem Objekt die Lücken der Fibrillen so deutlich er- kennen. Letztere sind danach etwa 1,5 u dick. Die Zeichnung . 1000 ist bei er entworfen, weil das die Darstellung erleichtert. Die Beobachtung geschah mit den Zeiss’schen Aprochromaten von 0,25 und 0,4mm theoretischer Brennweite, was bei der Pro- Jektion auf Tischhöhe des Mikroskops und Oe. 6 nicht ganz 600 340 . nd und Fe entspricht. Die gezeichneten Faserschichten liegen ungefähr parallel der äusseren Fläche des Einschlusses und un- gefähr SO u unter derselben. Die hier umstehende Fig. 7 ist nach einem mit Pikrokarmin gefärbten und in Balsam liegenden 2 ; t | 30041 RER j ‚Sehnitt dureh die äussere Sehieht bei nur Ah Die Fibrillen sind nicht so deutlich und die Lücken oder Vakuolen grösser, aber es Einschl. eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 667 handelt sich offenbar um dieselbe Schicht. Fig. 8 ebenfalls nach einem Schnitte durch die äussere Schicht, schwach mit Häma- toxylin gefärbt, in Balsam und in demselben Maassstabe entworfen, ER FEB Fig 7. Nach einem in der Ebene des längsten Durchmessers des Ein- schlusses liegenden Schnitt durch die äussere Schicht. Mit Pikrokarmin 300 gefärbt, in Kanadabalsam Sn; ‘ Fig. 8. Schnitt in der Ebene der kürzeren Durchmesser des Ein- schlusses durch die äussere Schicht, Mit Hämatoxylin schwach ge- färbt, in Kanadabalsam _ 2 füge ich gleich hinzu. Bei manchen Aehnlichkeiten treten Ab- weichungen gegen Figur 7 hervor. 5b würde einer von Bam- beke erwähnten „amorphen Cutieula“ entsprechen. Mit solchen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45. 44 668 W.v. Nathusius: vagen Bezeichnungen scheint mir wenig gewonnen. Nur in ein- zelnen Schnitten habe ich dieses Bild gesehen: wo dieses, wie hier der Fall war, auch in der Zeichnung angedeutet, habe aber weiter nichts darüber zu sagen. Die mit a« bezeichneten Schichten sind von grösserer Bedeutung. Jedenfalls sind sie nicht kurzweg als zelluläres Gewebe zu bezeichnen. Es sind gedrängt stehende rundliche Hohlräumehen, in welchen ein Inhalt nicht zu erkennen, wahrscheinlich nicht vorhanden ist. Ganz ausnahmsweise zeigt sich in der inFig. 7 abgebildeten ausserhalb dieses Gewebes in der von meinen Vorgängern als Rinden- oder Cortical-Schicht be- zeichneten Sehiecht!) liegenden grösseren „Vakuole* ein kern- oder zellenartiges Gebilde. Bei einer so vereinzelten Beobachtung kann leicht Täuschung abwalten. Jedenfalls spricht schon die auch in der Zeiehnung wenigstens angedeutete sehr verschiedene Grösse — 11,54 u, wobei die kleinen vorwiegen —, dagegen, dass es sich um Zellen im gebräuchlichen Sinne handle. In den Schichten a von Fig. 7 gewisse Beziehungen zu den bei Fig. 6 in fibril- lärer Substanz liegenden „Vakuolen“ zu suchen, liegt nah; schon die gedrängte Lage der ersteren würde die Mögliehkeit, Fibrillen zu sehen, ausschliessen, auch wenn sie existiren sollten. Uebrigens finden sich an anderen Stellen auch eigentliche Zellgewebe, von den hierneben eine Abbildung bei starker Vergrösserung >) gegeben wird. Es sind verhältnissmässig kleine — 6—4u — stark liehtbrechende Zell- körper in spärlicher Zwischensubstanz, die sich in Hämatoxylin nicht gefärbt an haben, auch Kerne nicht zeigen, ob- lin gefärbten und mit Pi- gleich andere später zu erwähnende krin-Alkohol ausgewa- Kerne in demselben Präparat nach dem schenen Schnitt in Kana- Anuswaschen mit Pikrin-Alkohol starke dakalsım 1000 In der Färbung behalten haben. Es wird Veran- ee RN N lassung sein, hierauf zurückzukommen. sich Fasergewebe, wie in Das Wort Vakuolen ist schon der Figur angedeutet ist. vorhin gebraucht — nicht gern, da es Fig.9. Kleine Zellkörper 1) Diese Schicht ist hier nebenbei bemerkt nicht faserig, sondern feinkörnig, wie in den Zeichnungen angedeutet, und dadurch getrübt. Einschl. eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 669 einen mehr negativen Sinn hat und sehr verschiedene Dinge damit bezeichnet zu werden pflegen. Wodurch sich in ge- wissen Bindesubstanzen blasenförmige Gebilde in sehr ver- schiedenen Grössen bilden ist wohl eine noch dunkle Frage, welche grössere Beachtung verdienen möchte, als ihr bis jetzt geworden ist. In dem hier zu beschreibenden Objekt kommen sie zahlreich und in verschiedenen Grössen vor. Dabei fällt es auf, dass Latscehenberger ihrer gar nicht erwähnt. Dagegen spricht er von „kleinen Bläschen“, die man hier und da auf der Oberfläche des Einschlusses sehe. Diese habe ich nicht gefunden, ebensowenig Bambeke. Zwischen den Bläschen Latschenberger’s und den Gebilden, die ich, um eine kurze Bezeichnung zu haben, fort- fahren werde, Vakuolen zu nennen — Bambeke beschreibt und bildet sie ab als espaces lacunaires — bestehen vielleicht Be- ziehungen. Es handelt sich also um blasenförmige Hohlräume ohne erkennbaren Inhalt, die in verschiedenen Gewebsformen auftreten. Die grössten, die ich beobachtete, sind in Fig. 2 B. (Seite 655 des Textes) abgebildet. Der kleine Maassstab gestattet die genaue Wiedergabe der Grösse nicht: Messung hatte 0,1—-0,075 mm er- geben. Nur wenig kleiner sind die grösseren Vakuolen in der umstehenden Fig. 10, nach einem Schnitt durch die sogenannte Rindenschieht gezeichneten Gruppe. Die grössten Durchmesser erreichen TO u, die kleinsten gehen bis auf 13 u herunter. Der Schnitt ist stark mit Pikrokarnim gefärbt, die feinkörnig getrübte einschliessende Masse lebhaft geröthet, bis auf die Säume und die die einzelnen Vakuolen trennenden Wände, die gelb gefärbt sind, aber ohne scharfe Abgrenzung gegen die geröthete Substanz. In andern Schnitten finden sich, in andere Gewebsformen eingebettet, Gruppen von kleineren Vakuolen, deren Durchmesser zwischen 11 und 5u liegen. Die in Fig. 10 gezeichnete Region befand sich nur 0,2 mm unter der äussern Fläche. Eine andere Vakuolengruppe, in dem- selben Maassstabe gezeichnet, folgt hier in Fig. 11. Sie ist ein Später zu erwähnende feinere und besser gefärbte Schnitte gestatten zuweilen die Grösse dieser Körnchen bis unter 0,4 u heruntergehend zn schätzen. Sie werden nur als Detritus oder Präzipitate zu betrach- ten sein. 670 W.v. Nathusius: Theil der in der Situationszeiehnung Fig. 3 (Seite 662) in kleinerem Maassstab bei d angegebenen, liegt danach tiefer im Objekt. Die Wandungen sind bei Fig. 11 zarter, aber in dieser Beziehung zeigen andere Schnitte Uebergänge, und es ist wohl nicht zu be- .n'ı. n - um. -." -..m mı 2. =. FE A ee ununn nee Pour Pe zo - .. Fig. 10. Gruppe von Vakuolen aus der Rindenschicht aus einem mit , E Kan 300 ib 3 Pikrokarmin gefärbten Schnitt in Balsam. Der Pfeil zeigt senk- 1° recht auf die äussere Fläche des Einschlusses, die noch ca. 0,2mm entfernt ist. Die anscheinend strukturlose Grundsubstanz ist ziemlich stark roth gefärbt, aber die einzelnen Vakuolen gelb umsäumt, auch die dünneren Scheidewände gelb. zweifeln, dass es sich nur um eine Modifikation derselben Bildung handelt. Beachtenswerth ist, dass wie Fig. 3 bei e andeutet, das vakuolisirte Gewebe d in ein anderes übergehen kann, dessen Maschen einen Inhalt haben. Die Wandungen dieser Maschen lassen sich als etwas denen der Vakuolen von Fig. 11 ganz Aehnliches erkennen, wenn auch nicht überall deutlich verfolgen, aber leider ist der Inhalt so undeutlich, dass ich eine Zeichnung davon nieht zu geben wage. Zuweilen scheinen in demselben einzelne kleine Zellkörper zu liegen, zuweilen Kerne, aber in eine undeutliche Masse eingebettet, welche den Eindruck von Einschl. eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 671 Detritus macht. Differentielle Färbungen konnte ich nicht erzielen. Die Schwierigkeiten, welche ich Seite 661 u. ff. im Allgemeinen erörterte, machen sich hier in hohem Grade geltend. Latschenberger erwähnt lockeres Bindegewebe, Grund- gewebe, welches mit der Wharton’chen Sulze verglichen wird, was Bambeke mit tissu muqueux übersetzt. Letzteres zu beob- achten habe ich keine Gelegenheit gehabt, aber nach den Ab- bildungen der histologischen Handbücher müsste es etwas ganz anderes sein, als das mir in meinem Objekt Entgegengetretene. Fig. 11. Vakuolen-Gruppe mit zarteren Scheidewänden, die sich schwach geröthet haben und körnig erscheinen. Aus einem ähnlichen $ 300 : € Präparate als Fig. 10, aber mehr aus dem Innern. ap Die gezeich- nete Stelle entspricht d der Fig. 3 (S. 662). Dagegen finde ich, wenn auch nur an beschränkten Stellen, ein grosszelliges lockeres Gewebe mit spärlicher Zwischensubstanz. In Fig. 3, Taf. XXXV ist eine Abbildung davon gegeben. Die Pikrokarminfärbung hat nicht merklich gewirkt, und obgleich der Schnitt in Glycerin-Gallert liegt, ist das Bild ein sehr mattes, aber doch so weit deutlich, dass ich die einzelnen Zellen nach Messung naturgetreu zeichnen konnte. Auch die Kerne in vier derselben sind, wenn auch schwach konturirt, bestimmt zu er- . 900 kennen. Wie auch die bei = entworfene Zeichnung ergiebt, 672 W.v. Nathusius: gehen die Durchmesser der Zellen bis 36:17 u bei einer sehr länglichen, 34:20 u bei einer weniger gestreckten. 26:20 u ist häufig. Auffallend ist, dass die Membrane oder Kapseln der Zellen, deren Dicke ich auf ca. 1 u schätze, schwächer licht- brechend sind, als der Inhalt und die Zwischensubstanz, so dass sie bei tiefer Einstellung sich als helle messbare Streifen darstellen. Die Zeichnung ist nach hoher Einstellung entworfen, wo sie dunkel sind. Rechts bei a der Fig. 3, Taf. XXXV grenzt dieses Gewebe an Knochen, indem sich seine Zellen verkleineren und abflachen, links geht es in ein Gewebe über, dessen Struktur undeutlich ist. Offenbar enthält das bei 5 skizzirte Gewebe Kerne, die stark lichtbrechend hervortreten, Abgrenzung von Zellen ist aber nicht zu erkennen, Ganz andere Bilder werden erhalten, wenn intensiv mit Hämatoxylin gefärbt wird. In diekeren Schnitten werden be- sonders solche Stellen wie die bei / der Textfigur 3 (Seite 662), namentlich aus dem Innern des Objekts zu undurchsichtig, um Genaueres erkennen zu lassen, aber in zu dünnen Schnittstellen zeigt sich, dass diese Undurchsichtigkeit durch stark gefärbte, rundliche, aber meist etwas ovale Körperchen von etwa 2u längsten und 1,75—1,5u kürzestem Durchmesser bewirkt wird. Ausnahmsweise geht der längste Durchmesser bis 3 u, der kürzeste bis 1,25 u herunter. In Fig.4, Taf. XXXV ist aus einem ganz feinen Schnittrande eine Gruppe solcher Körperchen in ihrer Lage . 1000 zu einander bei - un dargestellt. Am besten zeigten sich mir diese Verhältnisse in feineren Schnitten, die stark mit Häma- toxylin gefärbt, dann aber mit Pikrin-Alkohol ausgewaschen und in Balsam gelegt sind. Nach einem solchen Präparat ist hier im Text Fig. 12 bei nur 59 facher Vergrösserung entworfen. Die Substanz des Schnittes ist durchweg gelb gefärbt, aber, da er aus dem Innern des Einschlusses ist, fast überall mit diesen Körperchen, die hier röthlich-violett er- scheinen, in mehr oder weniger gedrängten Massen durchsetzt. In der Zeichnung sind diese Körperchen und die Diehtheit ihrer Anhäufung durch Punktirung angedeutet, soweit dies die geringe Vergrösserung gestattete, denn Körperchen von nur 2u Durchmesser lassen sich selbstverständlich bei °°/, nicht naturgemäss darstellen. Dürfte angenommen werden, dass diese Körperchen die Kerne Einschl. eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 673 mehr oder weniger unterge- gangener Blutkörperchen sind, so wäre eine grosse Ueberein- stimmung mit Latschen- berger's Zeichnung und Be- schreibung (Seite 657 u. ff. von mir angeführt) vorhanden. Die Strukturen, welche die weni- gen nicht mit den Körperchen angefüllten oder durchsetzten Stellen des Präparates zeigen, sind bei der gleichmässigen Gelbfärbung und dem: Einle- gen in Kanadabalsam zu un- deutlich, als dass sie hier in Betracht kämen. Wir sehen also, ganz wie bei Latschen- berger, eng zusammenlie- gende „Blutgefässe“ mit Blut- körperehen oder deren Zer- fallsprodukten „vollgestopft“ theils im Querschnitt, theils im Längs- oder Schrägsehnitt, und ausserdem Letztere von „Extravasaten“ herrührend in den zwischen den Blutge- fässen liegenden Geweben. Ein gewisses Bedenken ge- gen den Ausdruck „Blutge- fässe* habe ich schon S. 659 angedeutet. Da ich auch bei Latschenberger einen Nachweis der zu solchen doch gehörigen Wandungen ver- misse, möchte ich vorläufig Fig. 12. Feiner Schnitt aus den inneren Regionen des Einschlusses mit Hämatoxylin gefärbt und in Pikrin-Alkohol ausgewaschen, in Kanada- i) F Ä . ; : ; Er balsam. = Durch die Punktirung sind die rothviolett gefärbten Körper- chen (Kerne von Blutkörperchen) angedeutet. Erläuterung im Text. 674 Ww. v. Nathmisımus® nur von „Bluträumen“, welche als Spalten in den Geweben die verschiedensten Formen haben könnten, sprechen. Die Bedeu- tung dieses Vorbehalts wird sich später ergeben. Meinem verehrten Freunde Professor Eberth verdanke ich eine Reihe mit dem Mikrotom in verschiedener Feinheit ge- schnittener, theils nur mit Hämatoxylin, theils mit Eosin und Hämatoxylin gefärbter Präparate, welche allerdings zufällig nicht durch die Knorpel und Knochen enthaltenden Regionen des Ein- schlusses gehen, sondern, wie ihre Gestalt zeigt, etwa die untere Hälfte — man vergleiche Fig. 2 B auf Seite 655 ım Text, — im Längsschnitt aus der Mitte darstellen. Die Feinheit der Schnitte neben der Grundfärbung, welche das Eosin gegeben hat, gestattet eine genauere Verfolgung und Wiedergabe der Einzel- heiten in. grösserem Maassstab, als dies bei Fig. 12 im Text ge- schehen konnte. Selbstverständlich folgt daraus, dass bei der über Dmal so starken Vergrösserung, auch nur erheblich kleinere Segmente gezeichnet werden konnten. Hierneben stellt Fig. 13 ein charakteristisches Segment in 300 facher Vergrösserung dar, welche die Wiedergabe der einzelnen Gewebselemente wenigstens annähernd in den entsprechenden Dimensionen gestattete. Dieser Maassstab ist auch deshalb gewählt, weil er den Vergleich mit andern Figuren — 6, 7, 9 und 10, Seite 666, 667, 668 und 680 erleichtert. Bei Fig. 13 ist a eine Region, wo die schon beschriebenen stark gefärbten Körperehen — vorläufig sollen sie als Kerne von Blutkörperchen bezeichnet werden — dünner und ziemlich gleichmässig vertheilt sind; a’, a’ und a’ sind mehr oder weniger scharf umschriebene Stellen, wo sie namentlich an den Rändern dichter stehen; darin kommen aber auch Flecke vor, wo sie fehlen. Bei Berücksichtung des ver- schiedenen Maassstabes und der verschiedenen Dicke der Schnitte lassen sich diese Vorkommnisse leicht auf die frühere Fig. 12 (Seite 673) zurückführen. «a/, a’ und a’ würden das sein, was Latschenberger als „Blutgefässe* bezeichnet. Bei a” kann allerdings leicht der Eindruck entstehen, als sei ce die Wandung eines quergeschnittenen Blutgefässes, wird aber die Art und Weise in Betracht gezogen, in welcher e sich in die a” umgebende, Schieht fortsetzt, so ergiebt sich, dass dieser Eindruck eine Täuschung war. c zeigt nur eine besondere Gestaltung der schon von meinen Vorgängern und von mir beschriebenen, auch Einschl. eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 675 Fig. 2 Taf. XXXV und im Text Seite 667 Fig. 7 abgebildeten fibrillären Gewebe. Die Eberth’schen Präparate zeigen Fibrillen nur andeutungsweise und selten, wohl aber tritt an feinen Sehnitt- stellen ein System feiner Längsspalten auf, welche trotz ihrer Kürze diesen Bändern oder Balken einen fasrigen Charakter geben. Letzterer zeigt sich aych in feinen Abzweigungen, welche o», ve K2) I op os .‘ 6 ° z . ’ 08 = 1, 2%} 4} o a0? £ Ss BR 2. = ° RAT .o c u s o n® une o a = KON „Too der K ws edroe £) oa u020 oa LTE nie oh rune RAR ware were ER AERO Sr A Sr Eee 3, Pan: S 9050 857 > 5 WIRST s er KERN { OD 2 WS SAFPEO SE: LRZDIRIIEO @ x LIOILDe ar Fig. 13. Aus einem feinen mit Eosin und?Hämatoxylin gefärbten Mi- {9} gi Be h krotom — Schnitt in Balsam er: Erklärung der Buchstaben im Text und in den farbigen Tafelfiguren 5, 6 und 7, welche Einzelnheiten bei starker Vergrösserung darstellen. sich zuweilen in die benachbarten Gewebe verlieren. In Fig. 13 ist auch ein feiner Faserzug angedeutet, welcher a von b trennt!). 1) Die Frage, ob diese Faserschichten nicht lediglich auf Fibrin- gerinsel zurückzuführen seien, ist mir entgegengetreten. Von Anderem abgesehen, müsste ich, so weit meine Kenntniss solcher Blutgerinsel 676 W.v. Nathusius: Ich möchte also, wie schon früher angedeutet, nur von Bluträumen, nicht von eigentlichen Gefässen sprechen. Die verschiedenen Ge- stalten dieser Räume sind durch die Gewebe bedingt, in welche die blutmassen eingedrungen sind, oder in welehen sie sich gebildet haben. 5, b der Fig. 13 besteht aus dicht gedrängten, hier schwach und wesentlich nur ‘durch das Eosin mehr röthlich ge- färbteu Zellen. In Fig. 5 Taf. XXXV, ist die in der Textfig. 13 { NR. A . 1000 mit d’ bezeichnete Stelle mit Wiedergabe der Färbung bei ee abgebildet. a ist dieses Gewebe, b die Faserschicht, ce und d die mit stark gefärbten Kernchen gefüllten Bluträume a’ und a’ der Fig. 13 entsprechend. An dieser Stelle hat der feine Schnitt die Zellkörper theilweise isolirt, ‚so dass Gestalt und Dimensionen sich genauer beobachten lassen, was an anderen Stellen nicht der Fall ist. Die Durchmesser sind ziemlich schwankend, von 4—6 u, bei den länglichen Formen bis 8u. Von Kernen finden sich in diesen und ähnlichen Präparaten nur zweifelhafte An- deutungen. Besser, wenn auch nieht annähernd mit derselben Schärfe und intensiven Färbung als die kleinen Kerne von Blut- körperchen treten diese Kerne mit etwa 3u Durchmesser in nur mit Hämatoxylin gefärbten Schnitten hervor, da dort die Zellkörper wenig oder gar nicht gefärbt sind. Die Eosinfärbung der letzteren ergiebt, dass eine kaum gefärbte, wenn auch spärliche Zwischen- substanz vorhanden ist. Nach der Grösse der Zellkörper und dem ganzen Bau ist anzunehmen, dass dies dasselbe Gewebe ist, das ich in meinen früheren Präparaten nur ausnahmsweise fand und schon in der Fig. 9 (Seite 668 im Text), abgebildet habe. Die mir entgegengetretene Frage, ob dieses Gewebe einen epI- dermoidalen Charakter habe, muss ich verneinen. Dann müssten die Zellen, mangels einer Zwischensubstanz polygone Formen haben, was nicht der Fall ist. Wie bedenklich es sein würde, für diese abnormen Ge- webe Bezeichnungen zu suchen, welehe denen bekannter normaler Gewebe der Bindesubstanz entsprechen, zeigt Fig. 6Taf. XXXV, aus geht, erwarten, dass dann die Blutkörperchen oder deren Reste vor- zugsweise in ihnen vorkämen. Es verhält sich aber gerade umge- kehrt. Auch in diesen Faserzügen kommen einzelne stark gefärbte Kernchen vor, wie fast überall in unserm Objekt, aber da wo diese Kerne in Massen liegen, fehlen die Faserzüge. Einschl. eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 677 demselben Präparat entnommen und ebenfalls bei — — gezeich- 1 net. Aus dem eben besprochenen Zellgewebe treten nur einzelne Zellkörper z. B. bei db, b, b deutlich hervor. Der grösste Theil konnte nur unbestimmt angedeutet werden. Bei ce tritt in das abgebildete Segment ein Theil eines mit stark gefärbten Kern- chen erfüllter Blutraum hinein. d, d sind einzelne und in ganz kleinen Gruppen eingesprengte Kerne verfallener Blutkörperchen. Dann ist eine Anzahl von Vakuolen vorhanden, von denen einige mit a bezeichnet sind. Dass sie nicht durch Herausfallen von Zellkörpern entstanden sein können, ergeben die viel grösseren Dimensionen. Endlich sind mit e,e 2 Gebilde bezeichnet, welche nach der starken Färbung Keme sein müssten. Sie finden sich ganz unregelmässig vertheilt, zuweilen in Gruppen, aber in diesen doch immer durch ähnliche Zwischenräume getrennt in allen diesen Schnitten. Ihre intensive Färbung, ihre scharfe Begrenzung in regelmässiger Gestalt, und ihre Grösse von etwa Du unter- scheiden sie von den übrigen Gewebs-Elementen ohne Weiteres. Mehr weiss ich von ihnen nicht zu sagen. Solche Stellen wie die in Fig. 6 abgebildete simd für das Wesen dieser Gewebe sehr charakteristisch darin, dass so verschiedenartig scheinende Elemente so anscheinend regellos durch einander geworfen vor- kommen, und somit je nachdem das eine oder das andere Ele- ment vorherrschend geworden ist, der ganze Eindruck ein ande- rer wird, auch allerlei Uebergänge vorhanden sein können. Dass die Vakuolen in den verschiedensten Grössen und Verhältnissen vorkommen können, ist schon früher beschrieben, und es tritt z. B. das in der Textfigur 8 (S. 667) bei a abgebildete Ge- webe, das ich als ein vakuolisirtes bezeichnen musste, in ge- wisse Beziehungen zu dem in Fig. 5 und 6 Tafel XXXV abge- bildeten, obgleich letzteres doch als Zellgewebe bezeichnet werden musste. In Fig. 7 Taf. XXXV ist noch ein nur ganz ausnahmsweise zu beobachtendes Vorkommniss aus demselben Präparat abge- bildet. In dem die Bluträume einschliessenden Fasergewebe liegt, wie dies häufig der Fall ist, eine Gruppe der stark ge- färbten Kerne, aber jeder derselben ist in eine ovale Scheibe eingeschlossen, welche sich, kaum oder gar nicht gefärbt, scharf von dem einschliessenden Gewebe abhebt. Die Durchmesser 678 W.v. Nathusius: dieser Scheiben liegen, wie die nach genauer Messung ausgeführte Zeiehnung ergiebt, zwischen 10 und 6u. Die Mittelwerthe der Grösse von Blutkörperchen aus Hühnerblut haben die bekannten Weleker’schen Messungen, wie ich der Angabe Rollet’s in der Strieker'schen Gewebelehre entnehme, zu 12,1u für die längeren, 7,2 u für den kürzeren Durchmesser ergeben. In Anbetracht der Verkürzungen, welche die Perspektive bei den hier abgebildeten Objeeten, da sie nicht frei schwimmen, sondern in das Gewebe eingebettet sind, ergeben muss, und den sonstigen Einwirkungen, welchen sie unterlegen sind, reicht diese Ueber- einstimmung hin, um sie als Blutkörperchen betrachten zu kön- nen, welehe ausnahmsweise dem Zerfall entgangen sind. Wenig- stens ist es schwer, sie anders zu deuten. Auf dieses, wenn auch vereinzelte Vorkommen lege ich deshalb Werth, weil ich, wie auch nicht verschwiegen wurde, einen positiven Beweis dafür, dass die mehrfach erwähnten stark gefärbten Kerne von Blutkörperehen herrühren, nicht zu führen weiss. Wiederum liegt das Argument nahe: Was sollten sie sonst sein? Dieses Argument ist aber doch ein derartiges, dass ich es durch einige Erörterungen unterstützen möchte, zumal die Frage weiterhin wieder auftreten wird. Die braunrothe Farbe lässt einen Blutgehalt voraussetzen. Von Latschenberger ist doch nicht zu erwarten, dass er die Angabe, es handle sich um Blutkörperchen, ohne genügenden Grund gemacht habe. Wenn er ausserdem auch „in eine körnige Masse verwandelte Blutkörperchen“ findet, so liegt es nahe, in den von mir gesehenen Körperchen die Kerne dieser verwan- delten Blutkörper zu sehen. Ihre gleichmässige Grösse und die Art ihrer Vertheilung schliessen den Gedanken aus, dass sie ein Präzipitat sein könnten. Nach ihren Dimensionen können sie schwerlich Zellen, sondern nur Kerne sein. Ob an Kerne eines besonderen Gewebes gedacht werden könnte, wird später noch- mals zu erörtern sein. Uebrigens ist sogar Bambeke nicht abgeneigt, den Ur- sprung seines Einschlusses in einem Blutgerinsel — coagulum sanguin zu sehen, und ich möchte hier noch eimiger anderer Ei-Einschlüsse gedenken, die theilweise in der Literatur schon erwähnt sind, und bei denen es sich um Blutgehalt handelt. Bambeke zitirt aus einer Notiz von H. Landois, dass sich Einschl. eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 679 in den normalen Eiweissschichten kleine Massen von brauner oder sogar schwärzlicher Farbe finden, welche nach Landois bekannter Auffassung der Eibildung, aus krankhaften Hämorrhagien des Ovidukts, die sich mit dem Eiweiss mischen, entstehen sollen. Aus dem Zitat ist nicht zu ersehen, woher es entnommen ist: vermuthlich aus Humbold I 1882. Ich besitze durch Landois Güte eme andere Arbeit desselben !), in welcher er S. 8 sagt: „Auch habe ich verschiedentlich sehr feste Eiweissgerinsel in nicht geringen Klumpen, wie auch Stücke geronnenen Blutes etwa von Haselnussgrösse zwischen dem normalen Eiweiss der Hühner-Eier vorgefunden.“ Professor von Graff erwähnt bei Gelegenheit der Uebersendung des früher beschriebenen Einschlusses brieflich, dass er vor einiger Zeit einen rothbraunen, der inner- sten Eiweissschicht angehörigen Körper untersucht und als Blut- Koagulum erkannt habe. Dass man in dem Eiweiss sonst normal erscheinender Hühner-Eier kleine — das letzte, dessen ich mich erinnere, mochte nur 1 mm gross sein — rothe Partikel findet, welehe den Eindruck von Blut machen, ist nichts ganz Seltenes. Ich habe sie leider nur unter Umständen gesehen, welche die genauere Untersuchung verhinderten, und sie bisher nicht zu der Kategorie der grösseren, einen festen Körper bildenden blut- haltigen Massen gerechnet, sondern diese Blutbildung im Eiweiss als eines der vielen ungelösten Räthsel betrachtet, welche das Ei noch immer darbietet. Was jene grösseren Massen ausser koagulirtem Blut noch enthalten haben können, entzieht sich natürlich meinem Urtheil, aber ich glaubte die Fälle doch er- wähnen zu sollen, weil sie zeigen, dass den hier behandelten Einschlüssen wenigstens ähnliche nicht so ganz selten sind, und weil ich bei der membranösen Struktur der Eiweisshülle be- zweifeln muss, dass durch eine mechanische Mischung vön Blut mit Eiweiss solehe Körper entstehen könnten. Bambeke erwähnt noch, S.3 des Separatabdr., eines schon von Valisneri?) angeführten Falles, wo das Ei einen abge- rundeten fleischigen Körper enthielt, der mit dem Parenchym der 1) Missbildungen bei Hühner-Eiern. Münster i. W. 1877. Viel- leicht ein Separatabdruck, dessen sonstige Publikation nicht ersichtlich ist. 2) Opere t.II, p. 76, No. 12; auch in Js. Geoffroy Saint-Hilaire. Histoire generale et particuliere des anomalies. Bruxelles 1837, t. II, p-. 240. 680 W. v. Nathusius: Leber vergleichbar war. Leider habe ich diese Notiz nicht weiter verfolgen können, denn eine gewisse Analogie mit den uns beschäftigenden Fällen ist hier wohl anzunehmen. Wir haben gesehen, dass diese Objeete in Einzelheiten mehr oder weniger abweichen. Ich habe hier noch einzufügen, dass der Rest des „Stiels“ an dem von mir untersuchten Objekt zu kurz und zu verwelkt und vertrocknet war, als dass es mir gelang, brauchbare Quer- schnitte herzustellen. Aufweichen in Ammoniak und Zerzupfen ergab Faserenden von 1,5—0,8 u Dicke. Mit Hämatoxylin gefärbt und in Balsam gelegt maassen diese Fibrillen nur 0,65—0,5 u. Ein Zusammenhang derselben mit den Fibrillen der „Rinden- sehicht“ des Einschlusses schien unverkennbar. Die vonBambeke gefundenen der Dotterhaut ähnlichen feinen Fasernetze habe ich nieht gefunden. Ihr Vorkommen war auch wohl nur in den weiter abliegenden Theilen des Stiels zu erwarten, die mir nicht vorlagen. Dass Latschenberger diese Einschlüsse als zusammen mit dem Eidotter auf dem Eierstock des mütterlichen Organis- mus erwachsen erklärt, habe ich S. 658 schon angeführt. Bam- beke sprieht sich in dieser Beziehung ziemlich unbestimmt aus, scheint aber mehr zu der Annahme zu neigen, dass es sich um ein aus dem Ovarium herrührendes Blutkoagulum handle, das zufällig mit dem Eiin Verbindung getreten sei, obgleich er die Eier mit doppeltem Dotter erwähnt und zugiebt, dass unsere Kenntnisse von der Ent- wicklung der Eier im Ovarium die Annahme gestatten, dass sich zwei Dotter in demselben Follikel entwickeln, und dass es nicht unmöglich erscheine, dass der eine dieser Dotter schon im Follikel einer krankhaften Degeneration unterlegen sei; aber er kann eine so tief greifende Modifikation des Dotters nicht verstehen. Was den auch von ihm festgestellten Zusammenhang des Stiels des Einschlusses mit der Dotterhaut betrifft, so denkt er an ein mechanisches Verkleben. Hiergegen lässt sich Manches ein- wenden. Dass sich aus einem Blutkoagulum die bindegewebigen Bestandtheile dieser Einschlüsse, und sogar Knorpel und Knochen entwickeln sollen, ist jedenfalls viel befremdlicher, als dass dies in einer Eizelle geschieht: an einen vollständig entwickelten Dotter ist dabei ja nicht zu denken; aber es scheint mir fördern- der, hier nicht ausführlicher negativ kritisch, sondern positiv den Einschl. eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 681 Bambeke’schen Zweifeln entgegenzutreten, und meine Auf- fassung wird kürzer darzulegen sein, wenn ich vorweg aus- spreche, dass es sich nach derselben um doppel- dottrige Eier, oder ‚vielmehr um Zwillings- Eizellen handelt, deren eine diesen auffallenden Entwick- lungsgang genommen hat. In einen abgeschlossenen Organis- mus, wie das Ei vom Ovarium her ist, mögen kleine harte Fremd- körper durch mechanische Gewalt eindringen und dann eimheilen können, nie aber Blutkoagula und dgl. Hierbei handelt es sich um die Gesammtauffassung der Ei- hüllen als aus der Dotterhaut organisch gewachsen, was natürlich nicht ausschliesst, dass das Material zu ihrem Aufbau Sekreten des Ovidukts entnommen wird, welche durch Osmose in das Ei gelangen. Hier ist nicht der Ort, das Beweismaterial, das ich in vielen Arbeiten hierfür erbracht zu haben glaube, zu rekapitu- liren; aber bezüglich des Wesens der Eier mit doppeltem und mehrfachem Dotter glaube ich doch auf eine frühere Arbeit!) zu- rückkommen zu müssen, da sie wenig beachtet zu sein scheint, was sich vielleicht aus ihrer Publikation in einer speziell ornitho- logischen Zeitschrift erklärt. Man hat von der Hypothese der mechanischen Bildung der Eihüllen ausgehend, die Entstehung der: ja ziemlich häufig vorkommenden zweidottrigen Eier so er- klären wollen, dass die beiden Dotter aus verschiedenen Follikeln stammend, zufällig im Ovidukt zusammentreffen und so gemein- sam vom Eiweiss umhüllt werden. Für die komplizirteren Fälle der „Eier im Ei“, d. h. wo ausser dem Hauptdotter noch ein oder mehrere vollständige Eier mit Dotter, Eiweiss und Schale im Eiweiss liegen, musste man immer unwahrscheinlichere Er- klärungen erfinden, wie z. B. „antiperistaltische Bewegungen“ des Eileiters u. dgl. Auf Einzelheiten gehe ich nieht ein und ver- weise bezüglich soleher Erklärungen auf eine Mittheilung von Wahlgren?), welche durch ein Gänseei veranlasst ist, das „aus einer grossen Menge Eiweiss und zwei verschiedenen Dottern“ bestand, aber ausserdem noch ein ganzes Ei mit Schale, Dotter und Eiweiss enthielt. Bald nach dem Erscheinen jener Arbeit erhielt ich zwei doppeldottrige Gänseeier, und die oben erwähnte Arbeit giebt die Resultate ihrer Untersuchung, nachdem sie vor- 1) Cabanis, J. f. Ornithol., September 1872, No. 119. 2) Cabanis, J. £. Ornithol., Juli 1871, No. 112, 682 W. v. Nathusıus: her hartgekocht waren, was erforderlich ist, wenn man solehe Verhältnisse genau übersehen will. An diesen beiden Eiern ist das Interessante, dass während sie sich im Uebrigen ganz wie die meisten Doppeleier verhielten, ausser den die einzelnen Dotter umgebenden Faserhäutchen, ein gemeinsames, beide Dotter einschliessendes Häutchen vorhanden war, welches genau dieselbe Faserstruktur, als die partikularen Dotterhäutchen hatte. Das Verhältniss wird am’ kürzesten deutlich gemacht, wennich nebenstehend zwei schematische Skizzen gebe. Die Figuren- erklärung erläutert dieselben. Detailzeichnungen nach der Natur finden sich in der erwähnten Arbeit. Die für das Dotterhäut- chen charakteristische Faserstruktur macht sich schon auf Quer- schnitten des hartgekochten Eiweiss, am bequemsten im optischen (Querschnitt der in Falten gelegten Membran, durch eine eigen- thümliche Punktirung — Querschnitte der Fasern — geltend ; aber der Nachweis, dass diese gemeinsame Hülle ein richtiges Dotterhäutehen ist, war zu wichtig, als dass ich unterlassen hätte, auch an Flächenpräparaten, wo bei geeigneter Behandlung die Fasernetze sehr schön hervortreten, den Nachweis der mit dem Dotterhäutchen übereinstimmenden Struktur zu führen. Dass der Dotter schon im Ovarium mit diesem Faserhäutchen umgeben ist, hat Kramer nachgewiesen. Ich konnte es bestätigen; es ist also kein Produkt des Eileiters und somit der vollständige Be- weis geführt, dass diese Doppeleier Zwillinge waren, d. h. dass sie in einem und demselben Follikel des Ovariums entstanden. Dass man, um dieser einfachsten und naheliegendsten Auffassung der Doppeleier auszuweichen, zu den künstlichsten und sonder- barsten Erklärungsversuchen gegriffen hat, ist um so auffallender, als schon Gegenbauer in seimer klassischen Arbeit: „Ueber den Bau und die Entwicklung der Wirbelthier- eier“1) T. XI, Fig. 8 einen solehen Zwillmg aus dem Eier- stock eines Huhns als Follikel mit doppeltem Dotter abbildet. Unerwähnt darf allerdings nieht bleiben, dass ich andere Doppel-Eier untersucht habe, bei welchen ein derartiges gemein- sames Dotterhäutehen nieht nachweisbar war?). Glücklicher- 1) Reichert’s Archiv 1861, S. 491. 2) In Zeitschr. f. wiss. Zool. XIX. Bd., 3. Heft ist die Eiweiss- Struktur eines Doppel-Eies vom Huhn abgebildet, für welches dieses gilt, bei dem aber die Chalazen interessant sind, Einschl. eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 683 Fig. 14. Gänse-Ei mit doppeltem Dotter aus Schreitlauken. A Schematischer Durchschnitt in der Längsachse. Natürliche Grösse. a Schale. b Luftraum durch Eintrocknen des Eiweiss entstanden. c,ce die beiden Dotter. d,d die beiden besondern Dotterhäutchen. e das beide Dotter zusammen einschliessende Häutchen. Da diese Häut- chen in natürlicher Grösse nicht darstellbar sind, wurden sie viel dicker 0 i . 1 i Zain gezeichnet um ihre Beziehungen zu einander und zu dem Eiweiss deutlich zu machen, f ist die Stelle, welche bei: B in 400facher Vergrösserung wiedergegeben ist. Hier ist a die Faser- schicht des besonderen Dotterhäutchens, die gegen den Dotter durch eine sehr dünne strukturlos erscheinende Schicht abgegrenzt ist. Die Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45 45 684 W.v. Nathusius: Punktirung entsteht durch die optischen Querschnitte der Fasern, die sich bei Faltung der Häutchen zeigen. b Membranöse Eiweisslagen des Dotterhäutchens. c und e die beiden Faserschichten des gemein- samen Dotterhäutchens. d die zwischen ihnen befindlichen membra- nösen Eiweisslagen. f Flüssiges Eiweiss zwischen den besondern und dem gemeinsamen Dotterhäutehen, das nach der Koagulation feinkörnig und wenig durchsichtig erscheint. g Ebensolches Eiweiss ausserhalb des gemeinsamen Dotterhäutchens. A. Dotter mit Andeutung der Dotterkörper. weise erhielt ich, während dieses schon druckfertig war, durch die Güte von Dr. J. Albert in Münchenhof ein dort gelegtes doppeldottriges Enten-Ei, bei welchem ebenfalls das beiden Dot- tern gemeinsame äussere Faserhäutehen bestimmt nachzuweisen war. Der Fall steht also nieht ganz vereinzelt da, und wenn die Verhältnisse bei den Doppel-Eiern verschiedenartig sind, so kommt in Betracht, dass beim Vogel- und Reptilien-Ei die ganze Eihülle mit Ausnahme der Schale, ein System von Membranen bildet, das aus der Dotterhaut des Eierstock-Eies erwachsen sein muss. Theilweise ist bei diesen Membranen ihr Charakter als Faserhäute sehr leicht zu erkennen, wie bei der Schalenhaut: schwieriger schon bei den feineren Fasernetzen der Dotterhaut. Bei den ganz feinen Membranen, welche die Schichtung des Ei- weiss bewirken, glaube ich beim Huhn diese Fasernetze nach- gewiesen zu haben!). Dieser allerdings schwierige Nachweis wird bestätigt durch Uebergänge, welche sich z. B. m den Dotterhäutchen von Strauss und Kasuar zwischen feinsten Faser- und andern Schichten finden. Auch dass bei reifen Reptilien- Eiern nachweisbare Faserstruktur in den Dotterhäutchen, oder wie man sagen könnte, ein dem der Vögel ähnliches Dotter- häutehen überhaupt nieht vorhanden ist?), spricht dafür, dass ein Wesens-Unterschied zwischen den Eiweisshäutchen je nach der Deutlichkeit, mit welcher ihre Faserstruktur hervortritt, nicht zu statuiren ist. Besonders aber zeigt sich dies bei Teratologien. Ich habe Spur-Eier untersucht, deren mehrfache, rudimentäre Dotter in gut ausgebildete Faserhäutchen eingeschlossen waren, während in ändern bei den vollständigern Dottern Faserhäutchen 1) Z. f. wissensch. Zool. Bd. XVIII, H.2, Abbild. T.XVI, Fig. 28A. 2) Vgl. Eihaut von Python bivittatus ete. i. Z. f. wissensch. Zool. Bd. XXXVII. Einschl. eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 685 nieht nachweisbar waren. So ist es auch kein entscheidender Umstand, dass an dem Einsehluss, welcher uns beschäftigt, em Faserhäutehen nicht nachweisbar war. Die Höhle des Haupt- dotters des Eies, welches den Einschluss enthielt, war zwar mit einem theilweis isolirbaren Häutchen ausgekleidet, aber eine deutliche Faserstruktur habe ich auch in diesen nicht nachweisen können, was indess bei grösserer Sorgfalt vielleicht möglich ge- wesen wäre; aber das ganze Eiweiss schien wässriger als nor- males und schnitt sich auch nach dem Einlegen in Alkohol mangelhaft. Chalazen waren nicht zu demonstriren und die Schiehtung war nicht durchweg zu erkennen. In der bei Fig. 1A mit a—b bezeichneten Riehtung liessen sich Schnitte herstellen, wie einer derselben hier in Fig. 15 in Glycerin liegend bei durehfallendem Licht in ca. 6facher Grösse abgebildet ist. En Muse S ES 2 EEE EEE Fig. 15. Schnitt durch das Eiweiss, das den Einschluss und den Dotter umgiebt in der bei Fig. 1 (S. 654) durch die Linie a—b bezeichneten Ä 6 i a Richtung. ca. T Unter a liegt der Einschluss, unter b der Dotter. Das Punktirte ist ursprünglich flüssiges Eiweiss. Nach Aussen ist ge- schichtetes festeres Eiweiss, welches die äussere Lage bildet. Was in solehen Schnitten weniger durchsichtig erscheint, ist ursprünglich dünnflüssiges, nicht geschichtetes Eiweiss ge- wesen. Durch die Koagulation nimmt es diesen körnigen Charakter an. Die membranösen, mit diekflüssigem Eiweiss er- füllten Lagen bleiben bei der Koagulation durchsichtig, wie ich früher speeiell nachgewiesen habe!). Fig. 15 ergibt also, dass der Einschluss und der Dotter von dünnflüssigem Eiweiss um- 1) Z. f. wissensch. Zool. Bd. XVIII, H. 2 686 W.v. Nathusius: geben waren. Dadurch konnten zwei zufällig im Ovidukt zu- sammentreffende Körper nicht vereinigt werden. Dieses hätte nur durch die geschichteten festeren Eiweisslagen geschehen können, welche Fig. 15 an der äusseren Peripherie zeigt; dann müsste sich aber -ein gewisser Parallelismus zwischen dieser Schiehtung und den Einschlüssen zeigen, was nicht der Fall ist. Für das Wachsthum einer gemeinsamen Eiweisshülle um einen Zwilling sind alle Erklärungsversuche überflüssig. Zu „erklären“, warum lebende Organismen so und nicht anders wachsen, als wir sie finden, ist überhaupt nicht Aufgabe der Forschung: sie kann nur feststellen, dass und wie sie gewachsen sind. Uebrigens räumt Bambecke, wie S. 680 sehon angeführt ist, ein, dass die Annahme der Entwicklung von zwei Dottern in demselben Follikel wohl zulässig, und das Eintreten einer Degeneration des einen derselben wohl möglich sei: nur eine so weitgehende Degeneration ist ihm unannehmbar. Das etwas so Auffallendes das Verlangen nahe legen muss, Anknüpfungen an ähnliche Vorgänge zu suchen, ist anzuerkennen. Der glückliche Umstand, dass ich in dem von mir untersuchten Einschluss ausser den von Latschenberger angegebenen Geweben noch andere, wie Knorpel und Knochen fand, lenkte meine Gedanken auf die sog. Molen und die zuweilen in den Ovarien des Weibes ge- fundenen, verschiedene Gewebstheile — Knochen, Zähne, Haare — enthaltenden Gebilde. Die Molen sind früher wohl allgemein als Monstra, aus Embryonen entstandene Missbildungen betrachtet, woher die populäre Bezeichnung als „Mondkälber“. Diese Auffassung scheint Jetzt allgemein verworfen zu sein. Fachmänner — Gynäkologen und Anatomen —, die ich um Belehrung anging, weisen den Ge- danken einer Analogie zwischen den Molen und diesen Ei-Ein- schlüssen a limine ab. Die ältere Literatur über Molen ist sehr um- fangreich; so nimmt z. B. in dem Index-Katalog der Bibliothek des Surgeons General Office des Nordamerikanischen Heeres das Titel-Verzeichniss der Arbeiten unter „Pregnaney (Molar)* un- gefähr 6 gespaltene Quartseiten ein. Was ich im neueren eney- klopädischen Werken Bezügliches finden konnte, ist so dürftig, dass es als nichtssagend bezeichnet werden muss. Es scheint, dass die geltende Auffassung jetzt dahin geht, dass die Molen Einschl. eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 687 durch „Blutergüsse in die Eihäute* entstehen. Eine Vorstellung davon, wie Gebilde, die man doch stets nach ihrer Beschaffen- heit als gewachsen betrachtet hat, auf diese Weise entstehen sollen, kann ich mir nieht machen, und die Auffassung, dass die Molen wenigstens zum Theil „Abortiv-Eier“ seien, scheint doch auch noch vertreten zu sein. Ich beherrsche das Thema zu wenig, um mich zu einem näheren Eingehen berufen zu fühlen. Was das schon erwähnte Vorkommen von Zähnen, Haaren ete. in Ovarien-Cysten betrifft, so sind auch hier schon vor längerer Zeit Bedenken dagegen geltend gemacht, diese Cysten, wie geschehen, als ÖOvarien- oder Extrauterin - Schwanger- schaften zu betrachten, weil sie auch in Jungfräulichen Zuständen vorkommen. Einen ausführlichen Bericht über eimen solchen Fall hat Helfft!) gegeben. Er kam bei einem 15jährigen Mädchen vor, endete nach längerm Leiden bei Vereiterung der Cyste mit dem Tode, wonach die Sektion Haare, Zähne, Knochenstücke, aber durch das unverletzte Hymen emen unzweifelhaft jung- fräuliehen Zustand ergab. Obgleich Helfft zugiebt, „dass die Ovula oder Follikel die Grundlage der Cystenbildung abgege- ben“, bestreitet er die Berechtigung, hier von einer extrauterinen Schwangerschaft zu sprechen. WUebrigens wird noch eine ganze Reihe ähnlicher Fälle angeführt, bei welchen ebenfalls der jung- fräuliche Zustand zweifellos festgestellt werden konnte. Bei diesen Erörterungen ist die Möglichkeit einer partheno- genetischen Entwicklung der Ovula vollständig übersehen, was allerdings bei der damals noch sehr unvollständigen Kenntniss von dem Umfange des Gebietes, auf welchem Parthenogenesis eintreten kann, und den Zweifeln, welche in dieser Beziehung damals noch herrschten, begreiflich ist. Aus einer verdienstvollen historischen Zusammenstellung von 0. Taschenberg?) ergiebt sich wenigstens, dass die Grenzen, innerhalb deren Parthenogenesis stattfinden und bis zu welchen Entwicklungen sie auch bei Vertebraten führen kann, noch nicht zu ziehen sind. Speziell interessiren hier die Versuche Oellacher’s 1) Neue Zeitschr. f. Geburtskunde, Berlin 1852, XXXIII, 225—234. 2) Abh. d. naturf. Gesellschaft zu Halle, XVII, 18.2. 688 W.v. Nathusius: an unbefruchteten Hühner-Eiern!). Bisehoff’s Befunde bei einer Sau?), Hensen’s beim Kaninchen-Ei®). Für letztere entnehme ich die Hindeutungen der erwähnten Arbeit Taschenberg's. So dunkel auch die Art und Weise der Entwieklung der Gewebe in diesen Ei-Einsehlüssen ist, hat doch wohl der Gedanke eine gewisse Berechtigung, dass gerade diese ordnungs- und ziel- lose Entwicklung die Folge der Parthenogenesis ist. Für die Ausdrücke ordnungs- und ziellos wurde mir von anderer Seite der Ausdruck suppeditirt: es haben sich Gewebe, aber keine Organe entwickelt. Vielleicht ist dieses noch bezeichnender, und ich acceptire es gern. Im Verhältniss zu dem Thatsächlichen, das ich als selbst- gefunden berichten konnte, ist diese Mittheilung etwas lang ge- worden, da es geboten schien, gerade einer gewissen Unklarheit der Verhältnisse gegenüber auf die früheren hier einschlagenden Befunde Anderer näher einzugehen, und doch habe ich noch einer Arbeit zu gedenken, aus welcher mir Beziehungen entgegen- treten, welche ich nicht mit Stillschweigen übergehen möchte. Der Güte von Prof. His verdanke ich den Separatabdruck einer Arbeit: Offene Fragen der pathologischen Embryo- logie, welcheinden: Internationalen Beiträgen zur wissenschaftlichen Medizin B. 1 (Festschrift für Virchow) 1891 erschienen ist. Es handelt sich dabei um mensch- liche und thierische Embryonen, welche, nachdem sie aus irgend welchen Veranlassungen in ganz früher Zeit in ihrer anfänglichen Entwicklung stillgestellt, erst nach Monaten abortiv ausgestossen sind. In dieser Zeit sind Veränderungen der äusseren Gestalt, die auf Veränderungen der inneren Organe beruhen, in den ver- schiedenen Fällen in sehr verschiedenen Maassen eingetreten. So war bei Embryonen, deren Absterben, odes vielmehr Entwick- lungshemmung nach ihrer Grösse schon 14 Tage nach der Em- pfängniss eingetreten sein musste, in den bis zum Abortus ver- laufenen 6 Wochen eine derartige innere Umbildung eingetreten, 1) Spontaner Beginn der Furchung beim Hühner-Ei. Z. f. w. Zool. XXII, 1872, 181— 234. 2) Recherches sur la maturation et la chute periodique de l’oeuf de ’homme et des mammiferes. Ann. Se. nat. 3 Ser. Zool. T. 2, 1844, p- 135. 3) Medie. Centralblatt, 7. Jahrg. 1869, p. 403—404. Einschl. eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 689 dass Organ-Grenzen nur noch spurweise zu erkennen waren. Epidermis fehlte. Unter einer Membrana limitans kein eigent- lich abgestorbenes oder verkäs’tes, sondern ein lockeres, sehr zellenreiches Gewebe, mit zahlreichen kleineren Elementen, auch einzelnen grösseren mit hellem Protoplasma und Kern ete. Bei Embryonen, deren normale Entwicklung erst in späterem Alter die Hemmung erlitten, sind Organe noch mehr oder weniger zu erkennen, aber unscharf umgrenzt und von einer Menge kleiner Körner umlagert. Ich muss mir hier einige längere wörtliche An- führungen erlauben, da es bei jeder Aenderung der Fassung in so schwierigen Darstellungen unmöglich ist, dem Sinn des Autors ganz gerecht zu werden: „Solehe* — die oben schon erwähnten — „Körner durch- setzen die Spalten von Brust- und Bauchhöhle und selbst die epitheliale Lichtung des Verdauungsrohres. Die Grenzflächen dieser Spalten und Liehtungen sind wie bespickt davon, und ebenso die verschiedenen Räume des lockeren Bindegewebes. Was bei schwacher Vergrösserung in der Form von Körnern sich darstellt, sind die stark sich färbenden Kerne von zahllosen kleineren Zellen. Diese sind theils rundlich und oval, theils mit kleinen Spitzen besetzt, und wir gehen kaum irre, wenn wir sie als eine Brut von Wanderzellen bezeichnen.“ Von einem abortiven Kaninchenembryo, wo die Verände- rungen schon weiter fortgeschritten waren, heisst es: „Die ein- zelnen Durehschnitte durch den Embryo nehmen sich sämmtlich aus, als seien sie mit einer Sandbüchse überstreut worden. Die gesammte Fläche ist durchsetzt von kleinen Körnern, die Organ- grenzen sind verwischt und unscharf“ ete. Weiterhin noch: „Alle abortiven Embryonen stimmen darin untereinander überein, dass ihr Körper von kleinen Wanderzellen durchsetzt ist. Die alten Organgrenzen erscheinen daher wie im Nebel, unscharf und theilweise verzerrt; bei höhern Graden der Umwandlung schwinden sie bis auf gewisse Spuren.“ Als ich diese Beschreibungen las, trat mir manche Ueber- einstimmung mit dem, wofür ich in meinen Präparaten und in Latscehenberger’s Beschreibungen so schwer eine Deutung finden konnte, schlagend entgegen: allerdings auch zunächst in der Auf- fassung die Verschiedenheit, dass His die „Körnchen“ als die Kerne einer Brut von „Wanderzellen“, also eines die ganzen ent- 690 W. v. Nathusius: arteten Embryonen durchwuchernden eigenthümlichen Zellgewebes betrachtet, während ich, mit Latschenberger im Wesentlichen übereinstimmend, sie bei den Ei-Einschlüssen nur als die Kerne von Blutkörperchen ansehen zu müssen glaubte. Einen positiven Beweis kann ich, wie schon gesagt, hierfür nicht erbringen; aber ich möchte wenigstens für die Ei-Einschlüsse den Gedanken an Wanderzellen deshalb entschieden zurückweisen, weil nicht abzu- sehen ist, von wo und wie solche in das anfangs durch die Dotter- haut, später durch die verschiedenen Hüllen eingeschlossene Ei gelangen können. Vielleicht lässt sich überhaupt bezweifeln, dass es motivirt sei, in den von His beschriebenen Strukturen etwas wesentlich denen der Ei-Einschlüsse Entsprechendes zu sehen. Ich bin dazu gelangt dadurch, dass ich vor den Räthseln der letzteren nach einer langen Reihe verschiedenartig behandelter Sehnitte stehend, nun eine in wesentlichen Punkten so zutreffende Beschreibung in der. His’schen Arbeit über die entarteten Em- bryonen fand, dass sie mich geradezu frappirte. Hierbei tritt die Frage der Parthenogenesis in den Hinter- grund. His neigt sogar dazu, in diesen Embryonen gar keine ursprünglichen Teratologien, sondern eine erst nach zufälligem Absterben eingetretene Entartung der Gewebe zu sehen. Er be- rührt dann noch eine Frage, welche in die tiefsten Probleme der Naturphilosophie eingreift, nämlich die: mit welchem Recht die Ent- wieklungshemmung, welche bei diesen abortiven Embryonen ein- tritt, wirklich als em Absterben zu bezeichnen sei, da doch in ihnen eine Entwieklung lebender Zellen fortdauere. Bei dem Vergleich, welchen er mit einer Leiche zieht, in welcher sich Würmer entwickeln, scheint übersehen zu sein, dass es sich hier weniger um eine Frage des Fortbestehens des Lebens, als um das Fortbestehen der Individualität handelt; denn dass so lange wirkliches Zellenleben besteht, von einem Aufhören des Lebens überhaupt nieht die Rede sein kann, ist doch unzweifel- haft; aber die Frage der Individualität ist nicht nach willkür- lichen Definitionen deduktiv zu lösen, sondern nur induktiv; und bis wir alle einzelne Fälle vollständig übersehen können, werden die Definitionen mangelhaft bleiben. Weit entfernt, hier bei einem Thema, das allerdings noch sehr „offene Fragen“ enthält, ein weiteres Eingehen zu wagen, möchte ich mich noch dagegen verwahren, als ob ich beabsichtige, Einschl. eines Hühner-Eies, Knorpel-, Knochen- u. Bindegew. enthalt. 691 die Analogien, die mir in den His’schen abortiven Embryonen mit den Ei-Einschlüssen entgegentreten, zu überspannen; aber das glaube ich betonen zu dürfen, dass die verwirrten, anscheinend ordnungslosen Strukturverhältnisse der letzteren durch Vorgänge, wie His sie in den abortiven Embryonen beschreibt, verständ- licher erscheinen. Ganz hiervon abgesehen gelangte ich zu dem Resultate, dass diese bisher als Räthsel erschienenen Ei-Einschlüsse wahrschein- lich parthenogenetische Entwicklungen von Zwillings-Eizellen oder Doppel-Eiern und in ihrem Wesen dasselbe, als die merkwürdigen ÖOvarial-Cysten des menschlichen Weibes sind. Allerdings trifft auch hier die His’sche Bezeichnung als „offene Fragen“ zu, und wenn diese Mittheilung das erreicht, dass den namentlich bei den Eiern von Haushühnern so häufigen Abnormitäten mehr Be- achtung geschenkt und sie unter den Gesichtspunkten, welche hier wenigstens angedeutet sind, genauer als bisher untersucht werden, so hat sie ihren Zweck erfüllt. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXV. Fig. 1. Knorpel. Feiner Schnitt, mit Pikrokarmin ohne auffallende - Ri Ä 1000 } i Wirkung gefärbt, in Kanadabalsam, DI Bei hoher Einstel- lung, wo die Kapseln und Kerne der Zelien heller erscheinen, möglichst genau nach dem wirklichen Effekt entworfen. In der untersten Zelle zeigt auch der Kern eine Membran. Die hellen welligen Streifen müssen Fasern in der sonst hyalinen Grundsubstanz sein (S. 664). Fig. 2. Faserzüge mit Lücken aus einem ungefärbten Schnitt in Glycerin, nn der Oberfläche, in deren Richtung der Pfeil zeigt, parallel der- selben (S. 666). Fig. 3. Grosszelliges Gewebe. Mit Pikrokarmin gefärbter Schnitt ‚hohe Einstellung. Sie liegen etwa 80 u unter : i 500 > 4 \ in Glycerin-Gallert, En: hohe Einstellung, bei welcher die zar- ten Zellkapseln oder Membrane dunkel sind. Beim Senken des Tubus leuchten sie auf und sind dadurch bestimmt erkennbar. 692 Fig. Fig. . 6. W. v. Nathusius: Einschluss eines Hühner-Eies, etc. . Bei a grenzt das Gewebe an Knochen, bei D geht es in ein undeutliches Gewebe über, in welchem stark liehtbrechende Kerne, aber keine Zellengrenzen zu erkennen sind (8. 671). Kerne zerfallener Blutkörperchen aus einem vwanz feinen, stark mit Hämatoxylin gefärbten Schnitt in Kanada- 1000 ER : Ä Ä i balsam, Fe Die Färbung ist eigentlich blau, hier aber zur Vereinfachung des Drucks, wie die der folgenden Figuren in violett wiedergegeben (S. 672). Aus einem feinen mit Eosin und Hämatoxylin stark gefärbten Schnitt in Kanadabalsam, Das gezeichnete Segment 1000 1 entspricht der in der Textfigur 13 (S. 675) mit d’ bezeichneten Stelle. Erklärung der Buchstaben im Text S. 676 ff. R 1000 Aus demselben Präparat als Fig. 5, Fan Erläuterung und Buchstaben-Erklärung im Text S. 676 ff. Nicht zerfallene Blutkörperchen aus demselben, stark mit Eosin und Hämatoxylin gefärbten Präparat als Fig.5 u. 6, nn Erläuterung im Text S. 677 ff. Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. n. * Pr ‚ s Em Archiv fl mul Anatomie Ba..XXXXV. € Taf. 1. v.la Valette St. George gez. Luth.Anst. u. Werner Winter, Frankfurt*#M. FEN B er u u Fi i Mr, L N OT u a REES r I. EZ u Taf! n. | | 1 Soboita del. ae FF en PETER BEER ea) Lütbh.Ensi.vWerner Winter; Frankfurt ”M. Kr; an 7 3 RT Archiv f'mikroskop. Anatomie Ba.AXXM. ta del! J.Sobot r Frankfurt ?7M. Jith. Änst.n Werner a Winte, in ns [mikroskop. Anatomie Ba. XXXAV. “ ir 2 en | J.Sobotta del Lih.Arst.n Werner Allinter, Frankfurt ®M. 4 u » u ni Y r es eo in a an a hr nn Fr nr En u UT EZ Zuge Bd. XXXMV. Archiv f mikroskop. Anatomie 16° J. Sobotia del ON "RER hd: T [' I eu) N N AN Kr Archiv f mikroskop. Anatomie Ba.XXXXV. — EUER BEL EN Br .. fi 27 ars har RT, ß Sr ES (2 Mu 3 = ER er % N Lunar y, PR" . VE “7 REST RRLRST je ee es J. Sobotta del. Fat. UI. Jiüth. Anst.v. Werner AWinter, Frankfurt *M. » Q — Archür f mikroskop. Anatomie Ba.XXXXV R.Hrause del, AEPriE,! di; u Z f ey Then a.» ta 2 cr nu By 1 I Ar} #N Archiv f mikroskop. Anatomie Ba.XXAAV. 3 = — er — Taf: vn. * Fa ir f = dir so ni Aal | I Rn } dr DH IN ) Lama) HIN MI ill 7 EN [U IN; vu j NUN Inne u u Zen NN) ' 'e ‚.p id Archir f mikroskop. Anatomie Bd. AXXAV. Gez. w FE Meves. Taf: IX. 12 - I rt? ner Winter Frankfi rn Lih. Änst. v.We r ui ru ' Pr { ii 1 Yı) a f ’ 5 ie! j i IN s IN © f ver} 1] « Il, SET, j { Km } Hl Li ir | 14 77 I R j ) len PIE iS | ] ä 7 | j $ \ { » N LINENS } j ! PIRTalT | [' MIEHln Air Zn f } N wi j i f IERRUN al ll IM, 2 } IK: 5 4 l | } { RM] I ı j r | ! EDEN } £ ir I D ul f Fi Ir 1 ai era) SR en d | Taf. x. -— ur x m ie elle “® oT ee Iith. 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