ahnen m BR ten un 7a eh AH, : hrnveie Kar ee ne K aan a n SR ARE En Pade h N Ras. Mami [ ERDRIVES DIE WERTEN: un het We es air puma out 2 Area 3 NT it et Aula ne Serge a an iR Fi j ip) . ad N N B Un? } 1 h HENKE Fr 7 - u $ NN Si Aug l inne RE Wr am i Archiv für Mikroskopische Anatomie und Entwicklungsgeschichte herausgegeben von O. Hertwig in Berlin, v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Sechsundvierzigster Band. Mit 38 Tafeln und 28 Figuren im Text. Bonn Verlag von Friedrich Cohen 189. Ay PRINES #n AIYTER / Inhalt. Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). Von Dr. A. Looss in Leipzig. Hierzu Tafel I-II . Neue Untersuchungen über das Nierenepithel und sein Verhalten bei der Harnabsonderung. Von cand. med. H. Sauer. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Hierzu Tafel IV. Zellenstudien I. Von Dr. Georg Niessing in 1 aan bei Düsseldorf. Hierzu Tafel V A Neue Beiträge zur Frage der Chr ren in Fe SEN und Eireife. Von Dr. OÖ. vom Rath (Freiburg B.). Hierzu Tafel VI, VII und VII . Ueber die sogenannten Epithelkörper (Gandahe ren deae) in der seitlichen Nachbarschaft der Schilddrüse und der Umgebung der Arteria carotis der Säuger und des Men- schen. Von Dr. med. Alfred Schaper, Privatdocent und Assistent am anatomischen Institut der Universität Zürich. Hierzu Tafel IX . . Ueber die Entwickelung der Mäller Kenn Ganze en Menschen. None weNasel in-Berlin. ... 2.2.5 5 Die subeutane Methylenblauinjection, ein Mittel ; zur nme der Elemente des Centralnervensystems von Säugethieren. Von cand. med. Semi Meyer. (Aus dem II. anatomischen Institut der Berliner Universität.) Hierzu Tafel X Studien über die Structur des Knochengewebes. Von Dr. med. N. Matschinsky- Hierzu Tatel XI. s Zur Frage über den feineren Bau des sy AN. More systems bei den Säugethieren. Von A. S. Dogiel, Professor der Histologie an der Kaiserl. Universität St. Petersburg. Hierzu Tafel XII, XIII und XIV 21 0 RN On Centrosom und Sphäre in den Spinalganglienzellen des Frosches. VonM.v.Lenhossek in Tübingen. Hierzu TafelXV und XVI Die Nerven der Chromatophoren bei Fischen. Von Professor Eberth in Halle a. S. und Dr. R. Bunge, Assistent an der Anatomie in Halle a. d. S. Hierzu Tafel XVII und XVII Ueber den Bau der Spinalganglienzellen bei Säugethieren, und Bemerkungen über den der centralen Zellen. Von Walther Flemming in Kiel. Hierzu Tafel XIX a Die Struetur der Nervenzellen der Retina. Von A. S. Dogiel, Professor der Histologie an der Universität St. Petersburg. Hierzu Tafel XX & Beitrag zur Kenntniss des ante Eben en rocken Blurkörber- chen beim Hühnerembryo. Von Dr. Adolf Dehler, II. As- sistenten am anatomischen Institut der Universität Würzburg. (Aus dem Institut für Vergleichende Anatomie, Embryologie und Histologie des Herrn Geheimrath von Kölliker.) Hier- zu Tafel XXI. 2 Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen mit Besonleker Böker sichtigung des Unterhautfettgewebes des Menschen. Von Seite 168 370 379 394 414 IV Inhalt. Dr. med. et phil. Arnold Sack in Heidelberg. Hierzu Tafel XXII und 8 Figuren im Text NIE A» Zur Mechanik der Eiablage bei Rana fusca. Von M. Nuss- baum. Hierzu Tafel XXIII . Die Entwicklung der unpaaren und sn os er Te- leostier. Von Dr. phil. R.G. Harrison. Hierzu Tafel XXIV, XXV, XXVI und XXVIM Ueber die Selbständigkeit der v lichen a en een Kein, bestandtheile während der Embryonalentwicklung von Cycelops. Von Dr. Valentin Häcker, a. o. Professor und Assistent am zoologischen Institut der Universitäi Freiburg i. b. Hierzu Tafel XXVII, XXIX und XXX. AEWERFEN Die Identität des Paranuclearkörperchens der gekernten Ery- throcyten mit dem Centrosom. Von Dr. Ludwig Bremer, St. Louis, Missouri . ne RT EN Ueber die Bedeutung der Gianuzzi'schen Halbmonde. Von Dr. Hellmuth Küchenmeister. (Aus dem anatomischen In- stitut der Universität Rostock.) Hierzu Tafel XXXI. Ueber die ersten Anlagen der Hauptanhangsorgane des Darm- kanals beim Frosch. Von Dr. Arthur W. N Hierzu Tafel XXXII und XXXII . Ueber die Bedeutung der eirkulären Be in der Eenokhine der Schultze’schen Doppelbildungen von Rana fusca. (Ein Beitrag zur experimentellen Morphologie und Entwicklungs- geschichte) Von Georg Wetzel. (Aus dem II. anatomi- schen Institut zu Berlin.) Hierzu Tafel XXXIV und 5 Figuren im Text. ; Re 7 1 ET 0. Sole Zur Frage über den Bar Ber Milz. vn N. Kultschitzky, Pro- fessor der Histologie und Embryologie (Charkow). Hierzu Tafel XXXV und XXXVI rl AEFERRER oh: Zur Mechanik der Zelltheilung. Von W. Flemming in Kiel. Mit 4 Figuren im Text 3 Ein junger menschlicher Embryo und in era A Ban kreas bei demselben. Von Dr. med. A. Jankelowitz. (Aus dem II. anatomischen Institut zu Berlin.) Mit 11 Figuren im Text Ueber Muskelspindeln und intramuskuläre Nervenendigungen bei Schlangen und Fröschen. Von Dr. Chr. Sihler, Cleve- land, Ohio U. S. A. Hierzu Tafel XXXVI Beitrag zur Kenntniss vom feineren Bau der sympathischen ae lienzelle des Frosches. Von Dr. Adolf Dehler, Assistenten am anatomischen Institut der Universität Würzburg. (Aus dem Institut für vergleichende Anatomie, Histologie und Em- bryologie des Herrn Geheimrath von Kölliker.) Hierzu Tafel XXXVIII Nachtrag. Zur Frage nach dem Vor Ks Sa. Bednkacn bei den Pflanzen. Von Dr. Valentin Häcker, a. o. Professor und Assistent am zoologischen Institut der Universität Frei- huge? 1. 0B. 1067 20.002” Due SOSE Ben) SER 3 na ta Seite 431 479 500 oA —] Ne) 618 621 632 654 u | DD Ha 740 Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold)'). Von Dr. A. Looss in Leipzig. Hierzu Tafel I—-II. Der Bau der Bilharzia haematobia ist schon zu wiederholten Malen Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung gewesen. Zuerst gab Bilharz, der Entdecker des Wurmes, eine kurze Beschreibung desselben und der Hauptzüge seines inneren Baues?). Die Darstellung von Bilharz wurde ohne wesentliche Veränderungen oder Zusätze wiedergegeben von Küchenmeister?’), dagegen von Leuckart, der eine An- zahl der Bilharz’schen Originalexemplare aus der Sammlung . der Universität Halle erworben hatte, in einigen Punkten erwei- tert und ergänzt®). Der Erhaltungszustand des Materiales und ebenso die geringe Vollendung der Untersuchungsmethoden der damaligen Zeit gestatteten freilich noch kein allzu tiefes Ein- dringen in die Geheimnisse des Baues unseres Parasiten. Kurz nach Leuckart liefert auch Cobbold°) eine Beschreibung des Wurmes, die zum Theil zwar auf die eigene Untersuchung 1) Ich habe in dem Folgenden mehrfach Bezug genommen auf meine Arbeit: Recherches sur la Faune parasitaire de l’Egypte, die in den M&moires de I’Institut &gyptien To. III. erscheinen soll und eine Beschreibung der von mir in Egypten beobachteten Parasitenformen enthält. Das Manuskript dieser Arbeit ist bereits Ende des Jahres 1894 abgeschlossen und zum Drucke gegeben worden, welcher letztere aber sich so verzögert hat, dass die gegenwärtige, später geschriebene Arbeit früher erscheint. Damit erklären sich verschiedene, sonst un- verständliche Hinweise in ihrem Texte (Zus. während der Correctur). 2) Ein Beitrag zur Helminthographia humana etc. v. Siebold. Zeitschr. f. wissensch. Zool. IV, 1853, pag. 59 ft. 3) Küchenmeister, Die in und an dem Körper des lebenden Menschen vork. Parasiten, Leipzig 1855, pag. 212, Taf. VI, Fig. 1—13. 4) Leuckart, Die menschl. Parasiten ete. 1. Aufl. 1863, pag. 617 ff. 5) Cobbold, Entozoa ete. London 1864, pag. 197 ff. Archiv f, mikrosk, Anat. Bd, 46 1 B A. Looss: eines bei einem Affen (Cereopitheeus fuliginosus) ge- fundenen Männchens gegründet ist, aber kaum etwas Neues ent- hält, sondern wesentlich die Angaben von Bilharz und Leuckart reproducitt. Der Erste, der wieder einen bedeutsamen Sehritt weiter that, war Fritsch, indem er vor allem die inzwischen mehr ausgebildete Schnittmethode seinen Untersuchungen dienstbar machte. Ausserdem war Fritsch durch R. Koch, der 1886 Egyp- ten zur Erforschung der Cholera bereiste, in den Besitz neuen, indess auch nicht vortheilhaft eonservirten Materiales gekom- men. Die ersten Ergebnisse seiner Untersuchungen legte Fritsch in einer kurzen, vorläufigen Mittheilung nieder !); ehe die zuge- hörige, ausführliche Arbeit erschein ?), hatte Chatin, der dureh Dr. Innes und Dr. Fouquet in Cairo ebenfalls mit Unter- suchungsmaterial versehen worden war, die Resultate seiner Be- obachtungen in 2 Mittheilungen veröffentlicht °). Dieselben bestätigen in vielen Punkten die Ansichten von Fritsch, bringen daneben aber auch eimiges Neue, von dem freilich in der Folge manches als irrig sich erwiesen hat. Kurz darauf giebt auch Blanchard eime Darstellung der Bilharzia- anatomie ®%), aus der nicht mit Sicherheit zu entnehmen ist, ob ihr eigene Untersuchungen zu Grunde liegen. Der Umstand, dass der Verfasser in einigen Punkten von Fritsch und Chatin abweicht, deren Angaben er in der Hauptsache aber bestätigt, dürften zu Gunsten der letzteren Annahme spre- chen. Es mag gleich hier erwähnt sein, dass die von Blan- ehard gegebene Beschreibung der Bilharzia mit nur gerin- gen Aenderungen wörtlich abgedruckt ist in einer jüngst erschie- nenen Broschüre desselben Verfassers: Les Hematozoaires’). Bei 1) Fritsch, Zur Anatomie der Bilharzia haematobia Cob- bold. Zool. Anzeiger No. 199, 1885, pag. 407—411. 2) Fritsch, Zur Anatomie der Bilharzia haematobia (Cob- bold). Archiv f. mikroskop. Anatomie, XXXI, 1888, pag. 192 ff. 3) Chatin, Sur l’anatomie de la Bilharzie. Comptes rendus etc. To. CIV, 1887, pag. 595, und De l’appareil exereteur et des organes genitaux chez la Bilharzie, ibid. pag. 1003. 4) R. Blanchard, Traite de Zoologie me&dicale. Paris 1889, To. I, pag. 686 ff. 5) Laveran et Blanchard, Les Hematozoaires de l’homme et des animaux. Bibliotheque medicale fondee par M, Charcot etM, Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 3 Gelegenheit der Neubearbeitung seines Parasitenwerkes hat dann Leuekart!) die Organisation der Bilharzia nochmals unter- sucht, nunmehr mit Hülfe der jetzigen, vervollkommneten Unter- suchungsmethoden ; gleichzeitig standen ihm ausser Exemplaren der Bilharzia haematobia auch Individuen der inzwischen von Sonsino?) neu entdeckten Bilharzia erassa zum Ver- Debove, dirigee par M. Debove. Paris 189, Vol. II, pag. 40 ff. Blanchard ersetzt hier, auf Grund der Prioritätsgesetze, den Namen Bilharzia Cobbold durch den von Weinland vorgeschlagenen: Schistosomum, weil dieser eher veröffentlicht sei, als der Cob- bold’sche. Was diese Frage anbelangt, so kann ich über die Richtig- keit der Angabe Blanchard’s kein Urtheil fällen, da mir die ent- scheidende Publication Weinland’s (An Essay of the Tapeworms of Man, Cambridge, U. S. 1858) nicht zugänglich ist. Dagegen lese ich in Cobbold, Entozoa, pag. 197: Weinland has expressed to me his willingness to abandon the title Schistosoma in favour of Bilhar- zia, which he admits has the priority! Demnach scheint mir doch die Prioritätsfrage hier noch nicht vollkommen gelöst; anderer- seits halte ich aber in unserem Falle den ganzen Streit für überflüssig. Die Gesetze über die Priorität sind doch schliesslich nur deshalb auf- gestellt worden, um willkürliche Neubenennungen zu verhüten und Doppelbenennungen zu vermeiden, nicht aber, um solche zu schaffen. Der Name Bilharzia ist von den Gelehrten aller Nationen adoptirt, jeder weiss, was Bilharzia ist und dass die Bilharziose von der Bilharzia verursacht wird; der Name Schistosomum ist nie ein- gebürgert gewesen und mancher dürfte noch heute kaum wissen, dass die Bilharzia einmal einige Monate lang Schistosomum geheissen hat. Er hat ferner für die Geschichte der Bilharzia keinerlei Bedeutung und gewinnt erst jetzt eine solche, allerdings zweifelhafter Natur da- durch, dass er an Stelle des allgemein angenommenen bisherigen treten soll. Damit ist aber, nach meiner Auffassung wenigstens, dem eigent- lichen Zwecke des Prioritätsgesetzes nicht entsprochen. Denn es liegt doch kaum in seinem Sinne, dass völlig bedeutungslose und halb ver- gessene Namen ohne Bedürfniss wieder ausgegraben werden und Geltung erhalten sollen, natürlich nur so lange, bis an einer noch un- erwarteteren Stelle wieder ein anderer auftaucht, der älter ist und dann folgerichtig an ihre Stelle zu treten hätte. Bei einer solch rein for- malen Handhabung des Gesetzes kommt "unsere Nomenclatur in ab- sehbarer Zeit nicht zur Ruhe; ich behalte demnach für unseren Wurm den Namen Bilharzia bei. 1) Leuckart, Parasiten des Menschen. 2. Aufl. Leipzig und Heidelberg, 1893, pag. 468 ff. 2) Sonsino, Intorno ad un nuovo parassita del bue. Rendice. dell’ Accad. delle se. fisiche e math. di Napoli. Maggio 1876, 4 A. Loloss: gleiche zu Gebote. So eröffneten denn auch diese Untersuchun- gen einen weit tieferen und weit vollkommeneren Einblick in den Bau unseres Thieres, man erfuhr zum ersten Male, dass die Bil- harzia, obwohl zweifellos ein typischer Trematode, doch in vieler Hinsicht sehr bemerkenswerthe Abweichungen von dem Baue der verwandten Distomen aufweist. Da aber Leuckart zu seinen Studien auch nur conservirtes Material verwenden konnte, so ist es begreiflich, dass ihm doch noch manche Or- ganisationsverhältnisse subtilerer Art zweifelhaft oder ganz unbe- kannt blieben. Es ist nun einmal Thatsache, dass die Beschaffen- heit von Material und von Untersuchungsmethoden schliesslich dem umsichtigsten Forscher gewisse Grenzen für sein Natur- erkennen setzt, die er nicht zu überschreiten vermag, ehe nicht die jeweilig zu Gebote stehenden Hülfsmittel eme Vervollkomm- nung erfahren. Die früheren Untersucher, speciell unserer Bil- harzia, haben zu den Hülfsmitteln ihrer Zeit in demselben Abhängigkeitsverhältniss gestanden, und es wäre ungerecht, heute für ihre Fehler und Irrthümer nur sie selbst und nicht in dem- selben Maasse auch ihre einfacheren und unvollkommeneren In- strumente und Methoden verantwortlich zu machen. Dagegen bedarf es, wenn man frisches oder wirklich gut conservirtes Material, verbesserte Untersuchungsmethoden und leistungsfähige optische Systeme zur Verfügung hat, oft keiner Anstrengung, um das zu erkennen, was den früheren Beobachtern . unklar oder ganz verschlossen blieb. Ich möchte von diesem Gesichtspunkte aus auch die hier mitgetheilten neuen Thatsachen aus der Anatomie und Histologie der Bilharzia betrachtet wissen; wenn es mir gelungen ist, etwas mehr zu sehen, als meine Vorgänger, so hat das vorzugsweise seinen Grund darin, dass ich unter günsti- geren Bedingungen arbeiten konnte, als jene. In der Annahme, dass die Untersuchung lebenden Mate- riales die Lösung einiger der von Leuckart betreffs der Bil- harziaorganisation noch offen gelassenen Fragen gestatten würde, bediente ich mich während meines Aufenthaltes in Egypten haupt- sächlich frischen Materiales zum Studium. In dem der Leitung des Herın Dr. Schiess Bey unterstehenden und prächtig ein- gerichteten Regierungshospitale zu Alexandrien war ich fast täg- lich in der Lage, unsere Würmer zu beobachten, musste aber bald einsehen, dass, abgesehen von einigen Kleinigkeiten, auf Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 5 dem eingeschlagenen Wege nicht viel zu erreichen war. In- dessen hatte ich dabei doch Gelegenheit, einen grossen Theil der von Leuekart über die Organisation der Bilharzia gemach- ten Angaben in Bezug auf ihre Richtigkeit zu bestätigen !). Um so mehr überraschte es mich darum, als in einer ganz neuerdings erschienenen Arbeit über die Bilharzia von Lortet und Vial- leton?) die Richtigkeit eben dieser Angaben vielfach in Zweifel gezogen und andererseits dafür Dinge behauptet werden, die von vorn herein mancherlei Bedenken wachriefen. Die Bedenken mehrten sich, je weiter ich die Arbeit las, nicht nur betreffs dessen, was die beiden Autoren über die Anatomie der erwach- senen Würmer, sondern auch dessen, was sie über den Bau der freien Embryonen mittheilen. Es sei mir verstattet, betreffs der letzteren hier einige Bemerkungen einzuschalten 3). Ich hatte bis dahin geglaubt, der Erste gewesen zu sein, der in den Bau des Embryonalkörpers einiges Licht gebracht, und denselben auf den Bau der verwandten Distomenembryonen zurückgeführt hätte. Lortet und Vialleton bedauern nun, dass es mir möglich gewesen sei (l. e. pag. 4) „eorreete Zeichnungen und Beschreibungen des Embryos zu veröffentlichen, den sie lange vor mir in seinen kleinsten Einzelheiten studirt, gezeichnet und einer grossen Zahl von Gelehrten in ihren Laboratorien zu Lyon gezeigt hatten“. Wenn dem wirklich so wäre, dann wäre es freilich recht sehr zu bedauern, dass ich ihnen zuvorgekommen, und das um so mehr, als die Herren — sie hatten seit Januar 1895 einen Bilharziakranken in Lyon zu ihrer ständigen Ver- fügung! — bei nur einigermaassen ernster Absicht doch schon Zeit gefunden haben müssten, ihre neuen Entdeekungen zu ver- öffentlichen! Mit diesen Entdeekungen scheint es aber doch recht 1) Die wesentlichsten Ergebnisse dieser Studien sind geschildert in meinen: Recherches sur la Faune parasitaire de l’Egypte. Me&m. de Institut Egyptien. To. III. 1895. 2) Lortet et Vialleton, Etude sur le Bilharzia et la Bilhar- ziose. Annales de l’Universit& de Lyon. To. IX, Fasc. 1. 1894. 3) Eine kurze Kritik der von Lortet uvd Vialleton über den Bau der Embryonen gemachten Angaben findet sich bereits in den Recherches sur la Faune parasitaire de l’Egypte, l. e. auf welche ich hiermit verweise. Es sind im übrigen auch dort nur die Hauptsachen einer Besprechung unterzogen; auf alle Einzelheiten einzugehen, ver- boten mir Zeit sowohl wie Raum. 6 A,Boo088: zweifelhaft bestellt gewesen zu sein. Ohne mich hier auf Einzel- heiten einzulassen, nehme ich nur Gelegenheit, nochmals, aber entschieden zu betonen, dass man aus der Arbeit der Herren Lortet und Vialleton über den Bau des Biiharzia- embryos, trotz der günstigen Bedingungen, unter denen die Ver- "fasser arbeiten konnten und trotzdem ihnen meine Beschreibung zum Vergleiche zu Gebote stand, nieht den Eindruck ge- winnt, als wären siezueinem auch nur genügenden Ver- ständniss der „kleinsten Einzelheiten“ gelangt, wie sie in ihren tönenden Worten glauben machen wollen! Auch in Bezug auf die Organisation der erwachsenen Bil- harzia weichen, wie erwähnt, die Ansichten, zu denen Lortet und Vialleton kommen, vielfach von denen der älteren Autoren ab. Ich habe es mir nun, schon in Verfolg meiner bereits in Alexandrien am lebenden Thiere begonnenen Untersuchungen, angelegen sein lassen, mit Hülfe von Schnittserien durch beson- dere zum Zwecke des Schneidens eonservirte Thiere die Nach- untersuchung fortzusetzen und hier zu einem eigenen Urtheile zu gelangen. Die Resultate, die ich durch Vergleich eines reich- lichen Materiales erhielt, sprechen nichts weniger, als zu Gunsten der beiden Autoren, wohl aber bestärken sie mich in dem Ur- theil, welches ich mir auf Grund ihrer Beschreibung des Embryos über ihre Arbeit gebildet habe. Ich will, um nicht ungerecht zu erscheinen, gleich hier betonen, dass sie in einigen, wenn auch nur wenigen Punkten im Rechte sind und thatsächlich unsere Kenntniss erweitert haben; trotz alledem aber würde man über ihrer Arbeit als einer nur mittelmässigen Leistung ruhig zur Tagesordnung übergehen, wenn es ihnen nicht beliebte, in der Darstellung einen Ton anzuschlagen, der mit dem In- halte in schreiendstem Widerspruche steht und damit die Kritik herausfordert. In der Vorrede, welche dem Ganzen vor- aufgelit, liest man gleich auf pag. 3, dass ihre „monographie anatomique, nous l’esperons, sera sur bien des points infiniment plus exaete que celles qui ont &t& publieces jusqu’a ce jour“! Dem setzt sich auf pag. 6 würdig der andere Satz an die Seite, dass ihre „magnifiques“ planches „sont incontestablement plus exactes que tout ce quia &te publie jusqu’& ce jour sur linteressant distome ... .*! Diese selbe Tonart geht durch die gesammte folgende Darstellung hindurch; sie muss bei dem Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold), 7 uneingeweihten Leser ungefähr den Eindruck erwecken, als könne alles über die Bilharzia bisher Geschriebene nur den Werth schwacher Dilettantenarbeit beanspruchen und als seien die Her- ren Lortet und Vialleton erst die Meister, denen die Wissen- schaft die endliche Lösung aller streitigen Fragen verdanke. Eine solehe Auffassung wäre indessen durchaus verkehrt; wir werden vielmehr auf den folgenden Seiten Gelegenheit haben, die Arbeit der beiden Herren nach ihrem wahren Werthe kennen zu lernen; es wird sich dabei zeigen, wie wenig Grund sie hatten, ihre eigenen Leistungen allen anderen so weitvoran- zustellen. Ehe ich auf den Gegenstand der Untersuchung selbst ein- gehe, wird es gut sein, über die Beschaffung und Be- handlung des Materiales einige Bemerkungen vorauszu- schicken. Die Würmer wurden, wie schon oben betont, speciell für eine spätere histologische Untersuchung auf Schnitten con- servirt. Infolge der gütigen und bereitwilligen Unterstützung, deren ich mich von Seiten des Herın Dr. Schiess Bey alle- zeit zu erfreuen hatte, kamen die Leichen, in denen Bilharzien mit Wahrscheinlichkeit zu vermuthen waren, möglichst bald, meist 4—8 Stunden nach dem Tode, zur Seetion. Die Würmer wurden mit Hülfe der „Methode Sehiess“!) gewonnen; das Blut der Pfortader wurde mit Hülfe eines Löffels aufgefangen und dann in einem flachen Glasbassin in möglichst dünner Schicht ausgebreitet; vielfach bediente ich mich auch, um es noch dureh- sichtiger und auch leichter flüssig zu machen, einer Verdünnung desselben mit dem 2—3fachen Volumen physiologischer Koch- salzlösung. Lässt man jetzt die dünne Flüssigkeitsschieht durch langsame Neigung des Tellers von einer Seite auf die andere fliessen, dann bemerkt man gegen einen dunklen Hintergrund die Würmer und auch die Weibehen unschwer als weisse Fäd- chen. Die auf solche Weise gewonnenen Thiere wurden dann in Salzlösung möglichst rein abgespült und sofort eonservirt. Zu letzterem Zwecke wandte ich in allen Fällen eine Lösung von ca. 1°/, Sublimat in 70°, Alkohol an; die Lösung wurde vor 1) Koch und Gaffky, Bericht über die Thätigkeit der zur Er- forschung der Cholera im Jahre 1885 nach Epypten und Indien ent- sandten Commission. Arbt. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamt Berlin 1887. Anl. VI, pag. 74. 8 A. Looss: dem Gebrauche auf 50—60° C. erwärmt. Um nun das lästige und für die Erzielung guter Schnitte so hinderliche Einrollen oder Verkrümmen der Thiere zu verhindern, brachte ich die- selben in ein wenig Kochsalzlösung auf einen Objeetträger, zog dann mit etwas Fliesspapier die Flüssigkeit in der Umgebung des Wurmes bis auf einen kleinen Rest ab und suchte das Thier nun mit Hülfe feiner Pinsel gerade zu strecken. War das ge- lungen, dann wurde der Rest der Salzlösung entfernt und mit Hülfe eines grösseren Pinsels jetzt ein Tropfen der heissen Alko- hol-Sublimatlösung aufgetragen. Die Abtödtung erfolgt sofort und die Würmer blieben dabei meist auch gestreekt. Wollte das letztere nicht ganz gelingen, dann wurden unmittelbar nach dem Auftropfen mit 2 feinen Pinseln Vorder- und Hinterende so lange festgehalten, bis völlige Durehtränkung der Gewebe und damit bleibende Streckung der Thiere eingetreten war. Hat man dabei noch Acht darauf, dass bei der Ausbreitung des Kör- pers keine Torsionen erhalten bleiben, die besonders bei den Männchen sehr beliebt sind und sieh schwer ganz vermeiden lassen, dann gewinnt man ÖObjeete, die vollständige und regel- mässige Schnittserien nach allen 3 Riehtungen des Raumes mit Leichtigkeit anzufertigen gestatten. Nach der Conservirung wur- den die Würmer in reinen Alkohol 70°/, überführt, dem zur Ent- fernung jedweden Sublimatrestes ein Tröpfehen Jodtinetur zuge- fügt war. Diese Objeete gaben bei der weiteren Behandlung zum Schneiden, die auf die gewöhnliche Weise erfolgt, ganz hübsche Präparate. In der Scehnittdieke unter 0,005 mm herab- zugehen, hat keinen Zweck; am besten ist eine solche von 0,0075 mm; als bestes Färbungsmittel erwies sich Haema- toxylin. Bei der nun folgenden Darstellung des an jenen Präparaten Beobaehteten halte ich es der leichteren Uebersichtliehkeit wegen für zweckmässig, bei jedem Organsystem erst eine kurze Wieder- holung dessen vorangehen zu lassen, was die früheren Beobach- ter über den Bau des betreffenden Organes bereits gesehen und in ihren Arbeiten beschrieben haben. Der Leser wird sich dann leicht ein Gesammtbild von dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse entwerfen können. Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobhold). 9 Grösse und Körperform. Die Grösse der beiden Geschlechter wird von den ein- zelnen Beobachtern ziemlich verschieden angegeben, besonders die des Männchens. Bilharz setzt sie (l. e. pag. 62) auf 3—4 Linien (=ca. 8 mm) fest, und zwar sollen diese Maasse augen- scheinlich für beide Geschlechter Geltung haben, da auch auf der von ihm gegebenen Abbildung das Weibchen kaum länger ist als das Männchen (l. e. Taf. V, Fig. 11), Leuckart schreibt dagegen dem letzteren eine Länge von 12—14, dem Weibehen eine solche von 16—19 mm zu. Fritsch fand un- zweifelhaft schon reife Männchen von nur 4 mm, Weibchen von nur 8 mm Länge, dagegen auch solche, welehe ungefähr die von Leuekart angegebenen Grössenverhältnisse aufwiesen. Er kommt daraufhin bereits zu dem ganz richtigen Schlusse, dass die Schwankungen der Körpergrösse für die Reife nieht wesent- lich sind (l. e. pag. 199). Von den noch folgenden Beobachtern werden Maasse, welche nach einer von beiden Seiten über die bis hierher bekannt gewordenen Grenzen hinausgehen, nicht an- gegeben. Meine eigenen Erfahrungen bieten in dieser Hinsicht auch nichts Neues; ich fand sehr kleine Männchen von kaum 4 mm Länge, die aber in allen sonstigen Einzelheiten mit den grösseren übereinstimmten, auch bereits wohl entwickelte Genitalien be- sassen. Die grösseren Exemplare lassen sich künstlich bis auf 16 mm ausdehnen, werden dabei aber unter gleichzeitiger Ver- kürzung der Seitenlappen entsprechend dünner; bringt man sie noch lebend in dünnen Alkohol oder andere, langsamer wirkende Conversirungsflüssigkeiten, dann ziehen sie sich unter der be- kannten Einrollung ziemlich stark zusammen. Die Dickenver- hältnisse des Körpers hängen natürlich wesentlich von der Län- genstreckung der Thiere ab. Am Kopfende, welches von dem vordern Saugnapfe eingenommen wird, beträgt der Querdurch- messer überall 0,23 bis 0,25 mm bei 0,17 mm Dicke; derselbe steigt dann gegen den Bauchsaugnapf hin allmählich bis auf 0,4, wobei die Dieke sich nicht wesentlich vermehrt. Hinter dem Bauehsaugnapfe, wo die bisherigen Grössenverhältnisse zunächst meist noch kurze Strecke unverändert gewahrt bleiben, erheben sich dann ziemlich unvermittelt die Seitenlappen; der Querdurch- 10 A. Looss: messer des Körpers steigt dann bis auf ea. 1 mm, wobei die Dicke ebenso schnell auf 0,12 bis höchstens 0,14 mm herab- sinkt. Aeusserlich sind diese Verhältnisse freilich nieht sichtbar wegen der Einrollung der Seitenränder, die den Körper nur 0,4 bis 0,5 mm dick, aber auch fast drehrund erscheinen lassen. Un- mittelbar vor dem Ende hat derselbe noch eine Breite von 0,18 mm und eine Dieke von 0,07 mm; wenn das Schwanzende etwas länger ausgezogen ist, erscheint es auf dem Querschnitte fast kreisrund. Der Mundsaugnapf bildet, wie schon gesagt, die vor- dere Endigung des Körpers und hat am Grunde einen Quer- durchmesser von 0,2 mm bei 0,14 mm Dicke; nach vorn erwei- tert er sich trichterförmig, seine dorsale Lippe hat eine Länge von 0,21 mm. Der Bauchsaugnapf sitzt stets eine Streeke vor dem Beginne der Seitenlappen und ist, was von keinem der bisherigen Beobachter angegeben wird, kurz, aber deutlich ge- stielt und kann in diesen Stiel zurückgezogen werden. Sein Durchmesser beträgt 0,28 mm, er ist also um ein Weniges grösser, als der vordere. Die Entfernung seines Centrums von dem Hinterende des Mundsaugnapfes wechselt sehr mit den Con- tractionsverhältnissen des Vorderleibes. Leuekart giebt (Paras. Il. Aufl. pag. 468) als Maximum 0,6 mm an; ich habe diese Ent- fernung in der Mehrzahl der Fälle ebenfalls eonstatirt, sie aber in anderen bis auf 1,1 mm steigen sehen. Im übrigen stimmen aber die hier angeführten Maassverhältnisse fast ganz mit den von Leuekart zuletzt gegebenen überein. Es ist, speciell von Leuckart, die Frage aufgeworfen worden, wie man sich die Entstebung des so eigenthümlich rinnenförmig gebildeten Hinterleibes des Männchens zu denken habe. Während er früher der Ansicht war (Paras. I. Aufl. pag. 620), dass die Bauchrinne durch blosse Einrollung eines sehr flach gewordenen Leibes zu stande komme, neigt er neuerdings der Ansicht zu (Paras. II. Aufl. pag. 478), dass diese Auffassung durch das Verhalten der Bauchrinne selbst nicht genügend be- gründet sei. Ich möchte nun, auf Grund von Thatsachen, die wir bei Besprechung des Hautmuskelschlauches kennen lernen werden, doch für die zuerst geäusserte Ansicht plaidiren. Es scheint mir ganz unzweifelhaft, dass wir in dem Hinterleibe des Bilharzia-Männchens mit seinem canalis gynaecophorus nichts Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 11 anderes, denn einen stark verbreiterten und nach der Ventralseite eingerollten Körpertheil zu erblicken haben. Die innere Oberfläche des Canalis würde demnach der Bauchfläche, die äussere Oberfläche des Körpers dem Rücken entsprechen. Analoga zu einem sol- chen Verhalten dürften z. B. einige Amphistomiden darstellen; so u. a. das Genus Homalogaster, welches nach Poi- rier!) durch einen verbreiterten und ventralwärts mit Saug- näpfehen besetzten Hinterleib sich auszeichnet, ferner Gastro- diseus, bei dem ganz ähnliche Verhältnisse herrschen, nur dass hier der verbreiterte Hinterleib schon die Fähigkeit besitzt, sich löffelförmig nach der Bauchseite einzukrümmen. Bei Bil- harzia ist diese Fähigkeit zum stehenden Charakter geworden, der mit der Lebensweise und den eigenthümlichen Geschlechts- verhältnissen der Thiere in direetestem Zusammenhange steht. Die Grösse des Weibehens geht bis zu 20 mm, über- trifft also stets diejenige des Männchens um ein bedeutendes; das kleinste Weibehen, das ich beobachtete, maass ca. 8 mm und zwar war es hier ganz augenfällig der Hinterkörper, der be- deutend verkürzt erschien. Während bei den grossen, reifen Weibehen die Schalendrüse eine ganze Streeke vor dem Ova- rium sich findet, und der nur noch ‘den unpaaren Darm und die Dotterstöcke beherbergende Hinterkörper gewöhnlich mehr als 2 Drittel der Körperlänge einnimmt, lagen bei dem in Rede stehenden Individuum Schalendrüse und Ovarium fast unmittelbar hintereinander und der Hinterkörper maass kaum !/, der Gesammt- länge. Dieses Weibehen war im übrigen entschieden noch nicht geschlechtsreif; ich habe seine hintere Hälfte auf Taf. XI Fig. 109 meiner Recherches sur la Faune parasitaire de ’Egypte ab- gebildet. Die Diekenverhältnisse des Körpers habe ich so ge- funden, wie sie von Leuekart in der I. Auflage des Parasiten- werkes angegeben werden; an der Leibesspitze treffen wir eine Breite von 0,06—0,07 mm, bei einer Dieke von nur 0,04 mm. Beide Dimensionen nehmen dann zu; auf der Höhe des Ova- riums wird der sonst stets querelliptische Querschnitt rund, oder selbst ein wenig längsoval (0,11:0,12 mm Durchm.), in Folge der besonderen Dieke des Ovariums; weiter hinten erfolgt aber — 1) Description d’helminthes nouveaux du Palonia frontalis. Bullet. de la Soc. philomath. 7. Ser. To. VII. Paris 1883. pag. 73. Pl.II. 12 A. Looss: wieder eine Abflachung dadurch, dass die Breite grösser wird als die Höhe. Am Beginne der Dotterstücke hat der Körper dann 0,28mm Breite gegen 0,21 mm Höhe; diese Maasse bleiben ungefähr dieselben bis an das Schwanzende, das sich ziemlich plötz- lich verjüngt und abgerundet endet. In der zweiten Auflage der Parasiten gibt dagegen Leuckart die Breite des Hinterleibes als nicht über 0,2 mm hinausgehend an, was ich für ganz er- wachsene Weibchen als entschieden zu niedrig finde. Dass der Vorderleib in der Quere 0,86 mm messen soll, ist wohl nur Druckfehler und steht für 0,086 mm. Betreffs der Grösse der Saugnäpfe und ihres gegen- seitigen Abstandes weichen meine Beobachtungen ebenfalls etwas von denen der früheren Beobachter ab. In der erstern Auflage seines Parasitenwerkes gibt Leuckart für beide Saugnäpfe einen Durchmesser von 0,08 mm an, die Länge des Vorderkör- pers beträgt 0,22 mm. Fritsch (l. e. pag. 200) misst die Saugnäpfe ebenfalls zu 0,08 mm, die Länge des Vorderleibes zu 0,225—0,35 mm. Neuerdings (Paras. II. Aufl. pag. 469) gibt Leuekart dagegen die Saugnäpfe als vorn 0,04 mm, hinten 0,06 mm messend an, der Vorderkörper soll 0,3 mm messen. Ich finde nun zunächst bei allen meinen Individuen den Mundnapf etwas grösser als den, wie beim Männchen kurz aber deut- lich gestielten Bauchnapf, nämlieh ersteren 0,07 mm, letzteren 0,059 mm in der Breite und 0,042 mm in der Länge messend. Die Länge des Vorderleibes sah ieh nie über 0,2 mm hinaus- gehend, doch kann das leicht nur Zufall sein. Fritsch legt in seiner Beschreibung des weiblichen Kör- pers besonders Gewicht auf die Verschiedenheiten, die sein Quer- schnitt in den verschiedenen Regionen darbiete. Leuekart hat schon für die Bilharzia erassa (l. ec. pag. 503 Anm.) darauf hingewiesen, dass wir es hier nicht mit thatsächlichen Verhältnissen, sondern mit Sehrumpfungserscheinungen zu thun haben. Ich kann diese Auffassung für die Bilharzia haema- tobia mit gutem Gewissen unterschreiben; an dem Körper des lebenden Thieres vor allem sieht man keine Spur der in Rede stehenden Verschiedenheiten auftreten, während allerdings selbst bei sorgfältiger Conservirung an dem zarten Vorderkörper be- sonders Deformirungen leieht auftreten können. Nur auf der Bauchseite des Hinterleibes, d. h. von der Vereinigung der Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 13 Darmschenkel an, habe ich eine ganz seichte Einsenkung oder richtiger Abflachung sehr regelmässig auftreten sehen. Selbst wenn hier aber eine wirklich normale Eigenthümlichkeit vor- liegen sollte, so dürfte man dieselbe doch kaum der Bauchrinne des Männchens, also dem Canalis gynaecophorus homolog setzen können, wie dies Fritsch thut (l. e. pag. 205). Ich nehme hier gleich noch Gelegenheit, mit etlichen Wor- ten auf die gegenseitige Lagerung der copulirten Individuen ein- zugehen. Es ist mir schon an Ort und Stelle aufgefallen, dass die Zahl der gefundenen Männchen stets eine bedeutend grössere war, als die der Weibchen, so sorgfältig ich auch das der Leiche entnommene Blut durchmusterte. In einigen Fällen fand ich so- gar nur Männchen, kein einziges Weibehen, und verhältniss- mässig recht selten copulirte Individuen. Ich verzichte hier darauf, meine Vermuthungen auszusprechen, wie dieses Factum zu er- klären sei. Bei den in Copulation gefundenen Pärchen lag nun das Weibchen in der verschiedensten Weise; das einzige, ziemlich constante Verhältniss war das, dass es mit seinem Vordertheile stets nur wenig aus dem Canalis gynaecophorus hervorragte und niemals so weit, dass es, ausgestreckt, mit seinem Vorderende das des Männchens überragt hätte!). An dem vorderen Ausgange des canalis gynaecophorus wird das Weibchen ausserdem ganz augenfällig am intensivsten festgehalten; ich fand Pärchen, wo es, unter Beibehaltung der Lagebeziehungen der Vorderenden, nur hier noch mit dem Männchen zusammenhing, während sem ganzer übriger Hinterleib frei nach aussen hervorhing. Diese Beobachtungen an den frischen, eben ihrem natürlichen Wohn- sitze entnommenen Parasiten dürften nun umsomehr für eine prineipielle Bedeutung gerade dieser Lagerung sprechen, als in der Nachbarschaft der betreffenden Verbindungsstelle die beider- seitigen Genitalöffnungen gelegen sind. Ausserdem aber stimmen sie in der besten Weise mit den Erfahrungen überein, die Leuckart (l. e. 2. Aufl. pag. 504) an copulirten Pärchen der Bilharzia erassa gemacht hat. Während die Hauptmasse des weiblichen Körpers in Bezug auf ihre Lage zum Männchen keinerlei Gesetzmässigkeit erkennen lässt, sind die Vorderenden 1) Vergl. hierzu die von mir Recherches sur la Faune parasi- taire Pl. XI, Fig. 107 gegebene Abbildung. 14 A. Looss: immer entsprechend orientirt und auch nicht allzu weit von em- ander entfernt. Dem gegenüber schreibt Fritsch bekanntlich der von ihm abgebildeten Lagerung (l. e. Taf. XI Fig. 1), wo das Weibehen weit aus dem Canalis gynaecophorus hervorragt und nur da, wo sein Ovarium liegt, noch mit dem Männchen zusammenhängt, eine prineipielle Bedeutung zu. Unterstützt wurde diese Meinung wesentlich mit durch die damals noch bestehende Unsicherheit betreffs der Existenz eines Laurer’schen Canales. Weder Chatin noch Fritsch war es gelungen, seiner mit Sicherheit ansichtig zu werden, wogegen aber auch sein Fehlen von ihnen nicht direct als erwiesen betrachtet wurde. Neuerdings hat auch Leucekart keine Spur von ihm entdecken können, ebenso Lortet und Vialleton: begreiflich, da er thatsäch- lieh nicht vorhanden ist. Somit bleibt aber für die Befruchtung des Weibehens keine andere Möglichkeit mehr bestehen, als dass dieselbe durch die weibliche Genitalöffnung hinter dem Bauch- saugnapfe geschieht. Die von mir beobachtete Lagerung der Individuen steht damit völlig in Emklang. Das Weibchen ist auf diese Weise jederzeit in die Lage versetzt, durch geringe Con- traction seines Vorderkörpers, seine Genitalöffnung in die Höhe der männlichen zu bringen; durch kräftige Schliessung des Canalis gynaecophorus wird es dann von dem Mäpnchen gegen seine Bauchwand und die Genitalöffnung gepresst, und einem Ueberfliessen von Spermamassen, welches übrigens durch die Muskalatur der Samenblase und ebenso diejenige des gesamm- ten Körpers unterstützt werden könnte, steht dann kein Hinder- niss mehr im Wege. Im Uterus bahnen sich die Samenfäden später ihren eigenen Weg nach hinten, genau wie das auch bei den Distomen beobachtet worden ist. Bisher war es freilich noch keinem der Beobachter gelungen, im Inneren besonders des Uterus, den sie ja zuerst zu passiren haben, Samenfäden aufzu- finden, während sie weiter hinten im Oviduct, kurz vor dem Keimstocke, von Leuckart stets in grösserer Zahl getroffen wurden (l. e. pag. 496). Ich besitze nun mehrere Präparate von weiblichen Würmern, wo auch im Uterus, vor der Schalendrüse und dem Ootyp, Samenfäden im Menge sich vorfinden, ein Fac- tum, welches entschieden zu Gunsten der eben angedeuteten Auf- fassung spricht. Es kann demnach heute keinem Zweifel mehr unterliegen, dass bei Bilharzia die Befruchtung durch die Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 15 einzige weibliche Genitalöffnung, die hinter dem Bauchsaugnapfe liegende, vor sich geht; damit sind dann auch die Vermuthun- gen, die Fritsch über die Existenz und die Bedeutung der muthmaasslichen Bauchrinne bei dem Weibchen hegt und die neuerdings auch von Lortet und Vialleton angenommen wer- den, hinfällig geworden (l. e. pag. 212). Haut. Da die Verhältnisse, welehe die Haut dem Beobachter dar- bietet, für die beiden Geschlechter ziemlich verschieden sind, so dürfte es sich empfehlen, sie für Männchen und Weibchen ge- trennt zu besprechen. Als für beide gemeinsamer Charakter mag zuvor noch hervorgehoben sein, dass sie allem Anscheine nach ziemlich zart und wenig widerstandskräftig ist, wie denn auch bei dem Aufenthalte der Würmer im Blute, also in einem von aggressiven Stoffen fast freien Mediun, keine grösseren An- forderungen an ihre Widerstandsfähigkeit gestellt werden. Um so eher aber machen sich nachtheilige Einflüsse oder Verände- rungen der Umgebung auch ihr gegenüber geltend; ich denke dabei besonders an die mit dem Tode des Parasitenträgers ein- tretende allmähliche Veränderung und Zersetzung des Blutes, die umsomehr auch auf die Würmer einwirken muss, je länger diese nach dem Tode noch in der erkalteten Leiche verharren. Es war, um hier möglichst intacte Objecete zu bekommen, vor allem mein Augenmerk darauf gerichtet, frische Leichen zu untersuchen. In der That gelang es mir vielfach, noch wohl- erhaltenes und lebendiges Material zu sammeln; war aber aus irgend einem Grunde die Leichenöffnung verzögert, dann zeigten sich auch die Parasiten halb oder ganz abgestorben, ihre Haut verändert oder bereits ganz abgefallen und dann auch die innere Organisation mehr oder minder verändert. Speciell betreffs der Haut galt es darum auch, in der Deutung des jeweilig Beob- achteten einige Vorsicht walten zu lassen und normale Verhält- nisse von nachträglichen Veränderungen möglichst zu unter- scheiden. Letzteres war um so mehr geboten, als ich bei meiner Abreise aus Egypten zur Vereinfachung des Transportes sämmt- liches zum Theil auch aus älteren Leichen gesammelte Bilharzia- material zusammen in einem Gläschen untergebracht hatte. In- folge der angewandten Vorsicht glaube ich aber, in den nun- i6 A, Loöss: mehr zu schildernden Befunden nur normale Verhältnisse aufzu- führen. Weibehen. Das Weibchen bietet in Bezug auf seine Körperbedeckung bedeutend einfachere Verhältnisse dar, als das Männchen. Von Bilharz (l. ec. pag. 62) wurde es als vollkommen glatt be- trachtet, ebenso von Leuckart (Paras. I. Aufl. pag. 618). Dagegen beobachtete Fritsch (Zool. Anz. pag. 408), dass es nicht durchgängig glatt ist, sondern feine eylindrische Stacheln trägt, die besonders im Schwanzabschnitt und in der Bauch- furche deutlich entwickelt sind; sie stehen ausserdem mit ihrer Spitze nach vorn. Nach Chatin (l. ec. pag. 595) sollen diese Stacheln des Weibehens sogar stärker und zahlreicher sein, als beim Männchen. In der ausführlichen Arbeit fügt Fritsch seinen ersten Angaben noch hinzu, dass die Stacheln bis etwa gegen die Körpermitte hin zu bemerken sind, und dass sie ausser- dem der Oberfläche anhaften. Blanchard (Traite pag. 640, Hematoz. pag. 46) bestätigt die Angaben von Fritsch in allen Punkten, betont aber Chatin gegenüber, dass die Stacheln beim Weibchen zarter seien als beim Männchen. Leuckart findet (l. e. pag. 474) ebenfalls auf dem Körper des Weibehens „hie und da, besonders am Hinterkörper“, einen äusserst feinen Stachelbesatz; die Spitzchen seien jedoch überallnach hinten ge- richtet, nieht nach vorn, wie es Fritsch beschrieben habe. Lortet und Vialleton (l. e..pag. 21) unterscheiden zwei Arten von Stacheln: starke, die sich mit Färbemitteln lebhaft tingiren und andere, die viel schwächer sind und sich nicht fär- ben; letztere nur finden sich auf dem Körper des Weibchens; wie und wo wird nicht weiter auseinander gesetzt. Meinen eigenen Beobachtungen nach wird die Körper- bedeckung des Weibehen gebildet von einer ziemlich dünnen Substanzlage, die sich in optischer und chemischer Hinsicht voll- kommen analog der Haut der übrigen Trematoden verhält, und deshalb auch so aufzufassen sein dürfte wie diese. Sie ist im Vorderkörper sehr dünn (0,004 mm), nimmt nach hinten aber etwas an Dieke zu und hat einen Durchmesser von 0,006 mm. Ich habe sie bei allen von mir untersuchten Weibchen glatt gefunden, d. h. ohne Stacheleinlagerungen, mit Ausnahme zweier ziemlich Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 17 beschränkter Bezirke. Einmal ist die innere Fläche der Saug- näpfe dicht mit ausserordentlich feinen Spitzchen bedeckt, welche sich über den freien Rand derselben hinaus noch etwas auf die Aussenfläche verfolgen lassen, und dann ist das letzte Schwanz- ende mit bedeutend stärkeren Spitzen bewaffnet. Ich habe die- selben an dem letzteren Orte aber kaum weiter, als bis zu dem blinden Ende des Darmes oder der Dotterstöcke nach vorn sich erstrecken sehen und glaube damit auch die vordere Grenze ihrer Verbreitung gefunden zu haben. Auch die früheren Autoren, die diese Bestachelung des weiblichen Hinterendes fast ausnahms- los eonstatiren, machen nirgends bestimmte Angaben über weiter vorn gefundene Hautstacheln. Die Spitzchen haften nicht der Haut an, wie Fritsch sich ausdrückt, sondern durch- setzen dieselben ganz nach Art der Hautstacheln bei den Disto- men; ein Factum, auf das Blanchard zuerst aufmerksam macht. Dagegen kann ich, im Gegensatze zu Leucekart, die Angabe von Fritsch bekräftigen, dass die Stacheln sehr oft ge- rade nach vorn gerichtet sind. Dabei handelt es sich freilich nicht um alle in ihrer Gesammtheit, sondern stets nur um ge- wisse Partieen; im allgemeinen haben sie nämlich keime be- stimmte Richtung, sondern stehen durcheinander, wie die Sta- cheln des Igels. Ihre Länge beträgt im Maximum ungefähr 0,0012 mm. Männchen. Die Körperbedeekung des Männchens ist in fast allen ihren Einzelheiten schon von Bilharz richtig erkannt worden (l. e. pag. 61): „Es besitzt am Vorderkörper eine glatte, weiche Haut, der Hinterkörper dagegen ist mit vielen Höckerchen besäet, die mit kurzen Haaren besetzt sind. Die beiden Saugnäpfe, sowie die innere Auskleidung des Canalis gynaecophorus sind mit un- zähligen äusserst kleinen Körnehen besetzt, doch bleibt die Mittel- linie des Kanales davon frei. In dem Kanale scheint ausserdem die Bewaffnung aus kleinen Spitzchen zu bestehen, während die- selbe in den Saugnäpfen von platten Körnchen herrührt“. Diese Beschreibung ist, wenn man die optischen Hülfsmittel von vor 40 Jahren in Betracht zieht, geradezu mustergültig zu nennen. Leuckart lässt darauf (Paras. 1. Aufl. pag. 618) die Spitz- chen auf der gesammten Körperoberfläche vorhanden sein; Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46 2 18 A. Looss: Fritsch (Arch. f. mikr. Anat. pag. 215) erkennt auf der Rückenfläche des Hinterkörpers die stacheltragenden Papillen, die auf der Bauchseite fehlen; nur gegen den Schwanz zu wird die Oberfläche des im übrigen glatten Canales wieder rauher; auch der vordere, eonische Theil des Körpers trägt nur niedrige, stumpfe Rauhigkeiten. Chatin bemerkt (l. e. pag. 595), wie schon erwähnt, dass bei dem Weibchen die Stacheln zahlreicher und stärker sind, als beim Männchen; in der mittleren Körper- region des letzteren sollen sie manchmal durch Formations seuti- formes ersetzt sen. Blanchard giebt (Traite pag. 637, He- matoz. pag. 42) ohne etwas neues hinzuzufügen, die Beobachtun- gen von Bilharz vollinhaltlich wieder. Leuckart (Paras. 2. Aufl. pag. 473) findet die Spitzchen wiederum ‚in weiter, wenn auch nicht völlig gleichmässiger Verbreitung auf der Körper- fläche der Würmer; überall ist die structurlose und auch im Ganzen nicht besonders dieke Cutieula von feinen Stacheln durch- setzt, die bald mehr, bald minderweit nach aussen hervorragen. Am ansehnlichsten ist die Entwickelung des Stachelkleides gewöhnlich auf der Bauchfläche der Seitenlappen‘‘; ferner finden sich auf der Innenfläche der Unterlippe feine, nach hinten ge- richtete Spitzchen. Nach Lortet und Vialleton endlich (l. e. pag. 21) finden sich bei dem Männchen zunächst die be- reits-oben charakterisirten Stacheln der ersten Art auf den Pa- pillen des Rückens und auf der Innenfläche des Canalis gynae- cophorus, allerdings nur in dessen wittlerem und hinterem Theile, während sie im vorderen fehlen; die Stacheln der zweiten Art, die sich nicht färben, finden sich auf der Aussenfläche des Kör- pers zwischen den Warzen. Nach dem, was ich beobachtet habe, verhält sich bei dem Männchen die Haut selbst vollständig gleich der des Weibehens. Sie hat auf dem Rücken des Hinterleibes gewöhnlich eine etwas grössere Dicke als auf der Bauchseite und dem Vorderkörper. Ausserdem ist sie aber im Ganzen bei stark zusammengezogenen Exemplaren durchgängig dieker (0,0075 mm, Fig. 3, 5, Taf. D, als bei stark ausgedehnten (0,0025 mm, Fig. 15, Taf. II); bei ersteren wird sie dann noch in mehr oder minder tiefe, unregel- mässig quer verlaufende Ringfalten zusammengelegt, welche letz- tere auch von Lortet und Vialleton beschrieben werden (ef. Fig. 5, Taf. D. Auf der gesammten Rückenseite bildet diese Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 19 Haut xveiterhin die bereits seit Bilharz bekannten Papillen oder Warzen, die auf dem Vorderkörper völlig fehlen und auch gegen das Schwanzende hin allmählich niedriger werden, um noch vor demselben gänzlich zu verschwinden. Die Papillen tre- ten, je nach den Contractionszuständen des Körpers, in sehr’ ver- schiedener Form in die Erscheinung. Bei denjenigen Indivi- duen, die ich im möglichst ausgestrecktem und zum Theil künst- lich gedehntem Zustande conservirt hatte, schienen sie auf den ersten Blick gänzlich verschwunden zu sein und erst bei Zu- hilfenahme stärkerer optischer Systeme erkannte man sie noch, vollkommen platt geworden und kaum über das Niveau der Haut hervorragend, dagegen an ihrer Härcheneimlagerung noch deutlich kenntlich (Fig. 6, Taf. I, Fig. 13, Taf. II). Bei mittel- starker Zusammenziehung des Körpers treten sie als mässig buckelförmige Erhebungen deutlich äusserlich hervor (Fig. 5, Taf. ID), und wenn endlich der Körper sehr stark zusammengezogen ist (in dieser Form haben die älteren Beobachter die Würmer wahrschemlich grösstentheils gesehen), dann werden die Papillen stark halbkugelig oder selbst keulenförmig nach aussen hervor- tretende Warzen, stehen dabei auch, wie das leicht verständlich ist, viel näher bei einander, als bei ausgedehntem Körper (Fig. 3, Taf. D. In der Haut, welche diese Warzen überzieht,; habe ich bei einer grösseren Anzahl, aber nicht bei allen Individuen, sehr deutlich eine centrale Durchbohrung beobachtet, die zwi- schen den die Warzen krönenden Haaren sehr deutlich zu erkennen war, und das sowohl auf Längsschnitten, wo diese Oeffnungen als Unterbrechungen der Haut, als auch in der Aufsicht, wo sie als feine runde Löcher erscheinen (Fig. 4 u. 5, Taf. I). Waren die Oeffnungen bei einem Individuum einmal zu beobachten, dann fanden sie sich auch überall bei demselben, waren sie nicht zu schen, dann fehlten sie auch überall. Was sie zu bedeuten haben, ob hier vielleicht gar Nervenendigungen vorliegen, darüber bin ich zunächst noch zu keiner definitiven Entscheidung ge- kommen. Unterhalb der Papillen weichen, wie ich das gleich hier erwähnen will, die Muskelzüge des Hautmuskelschlauches stets etwas auseinander, der Inhalt der Papillen wird gebildet von einem feinblasigen, mitunter etwas körnigen Parenchym, in wel- chem nicht selten auch ein Kern sichtbar ist. Was nun das Stachelkleid des männlichen Körpers an- 30 A. Looss: langt, so will ich zunächst erwähnen, dass die in die Riücken- papillen eingelagerten Spitzchen in der That vor denen des übrigen Körpers in gewisser Weise sich auszeichnen. Sie sind einmal viel zarter, schlanker, manchmal fast eylindrisch, sie färben sich ausserdem mit Haematoxylin auffällig stärker, als die sämmtlichen übrigen und scheinen auch nicht unbedeu- tend resistenzfähiger zu sein, als diese. Während die letzteren bei nieht mehr sehr frischen Würmern theils gequollen, theils ganz aufgelöst („ausgefallen“) sein können, habe ich dies bei den Härchen der Rückenwarzen nie bemerkt; dieselben sind stets in aller Deutlichkeit und in ihrer charakteristischen Gestalt vor- handen. Bereits Lortet und Vialleton haben bekanntlich zwei Gruppen von Hautstacheln unterschieden, von denen die einen auch sieh stärker färben sollen; in dieser Hinsicht bin ich mit ihnen vollkommen einverstanden. Das diese stärker färb- baren Stacheln aber auch derber sein sollen, als die anderen, kann ich ebensowenig zugeben, als dass sie sich weiterhin im Canalis gynaecophorus vorfmden. Die stärker färbbaren, dabei aber viel zarteren und nahezu eylindrischen Härchen finden sich nur auf den Rückenwarzen und stehen hier, wie Lortet und Vialleton ebenfalls beobachtet haben, meist vollkom- men parallel zu einander; sie ragen nur wenig weit aus der Haut hervor. Die übrigen Stacheln haben allenthalben eine deutlich eonische Gestalt und färben sich kaum stärker als die Sub- stanz der Haut, in welcher sie stecken; sie dürften analoge Bil- dungen sein, wie die gemeinen Hautstacheln so vieler Tremato- den, speeiell Digenen. In einer kleineren Ausgabe finden sie sich auf der Innenfläche beider Saugnäpfe, die schon von Bilharz und ebenso von späteren Autoren als chagrinartig rauh erkannt wurde; es handelt sich dabei aber nicht um feine Körnchen ete., sondern um wirkliche, wenn auch sehr feine Hautstacheln von kaum 0,0018 mm Länge. Als solche wurden sie, allerdings nur auf der Innenfläche der Unterlippe, von Leuckart erkannt; in Wirklichkeit bedecken sie jedoch nicht nur diese, sondern die gesammte Innenfläche beider Saugnäpfe und erstrecken sich von da noch weiter um den freien Rand derselben herum auf die Aussenfläche bis zur Basis der Näpfe, hier jedoch ‘an Dichte und zuletzt auch an Grösse allmählich abnehmend. Im Inneren Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 21 der Saugnäpfe sind sie mit ihren Spitzen immer mehr oder weniger nach dem Centrum gerichtet (Fig. 2, Taf. I, Fig. 11, Tan I). Eine wesentlich grössere Ausgabe der Stacheln findet sich auf der gesammten Unterseite des Körpers, die wie bekannt, die Innenfläche des Canalis gynaecophorus bildet. Sie beginnen hier genau mit dem Anfange des Canalis, d. h. unmittelbar hinter dem Genitalporus (Fig. 7, Taf. I); sie reiehen von hier aus bis an die Seitenkante, wo sie scharf abschneiden (Fig. 12, Taf. II), und bis an das äusserste Schwanzende. Innerhalb dieses Ver- breitungsbezirkes sind sie (mit Ausnahme der äussersten Grenzen) allenthalben von der gleichen Form und Grösse, 0,0027 mm lang und ca. 0,0003 mm an der Basis diek; sie stehen überall gleich dieht, sind aber mit ihren ein wenig aus der Hautoberfläche her- vorragenden Spitzen nicht ganz gleichmässig orientirt, sondern richten sich manchmal hierhin, manchmal dorthin. Dass sie, wie Bilharz beobachtet zu haben glaubt, in der Mittellinie der Bauchfläche fehlen, habe ich somit ebenso wenig constatiren können, wie das, dass sie nach den Angaben anderer Autoren, vorn oder anderswo niedriger oder ebenfalls ganz abwesend sein sollen. Letzteres ist allerdings sehr wohl möglich; wo es aber der Fall ist, da handelt es sich nicht mehr um einen normalen Zustand. Eine Zone ähnlicher Stacheln, wie die eben beschriebenen, findet sich endlich noch auf der Rückenfläche des Körpers, aber so, dass sie für gewöhnlich nicht siehtbar ist. Bei vollständiger Einkrümmung der Seitenlappen nach der Bauchseite bedeckt der eine und zwar, wie es scheint, vorwiegend der der rechten Seite den der anderen. Dieser zu innerst liegende Seitenlappen trägt nun auf seiner Aussenfläche, soweit er von dem anderen bei völligem Schluss des Canalis gynaecophorus bedeekt wird, eben- falls eine Ausstattung mit Stacheln (Fig. 12, Taf. ID). Dieselben bilden also in ihrer Gesammtheit ein Längsband, welches dicht hinter dem Beginne des betreffenden Seitenlappens seinen Anfang nimmt und hinten da aufhört, wo die Seitenlappen so klein wer- den, dass sie den völligen Schluss des Canalis nicht mehr zu bewirken vermögen. Die Breite des Bandes wechselt; vorn und hinten schmal endend, ist es in der mittleren Körperregion am breitesten, erstreckt sich jedoch nach dem Körperrande niemals 22 A. Looss: bis ganz an diesen hin, sondern endigt stets eine längere Strecke vorher, wie man auch auf der Figur 12 erkennt. Die Bedeutung dieses Stachelbandes ist ohne Weiteres klar; es ist ein Hülfsmittel, um einen möglichst festen und dauer- haften Schluss des Canalis gynaecopherus ohne beständige Mus- kelanstrengung des Thieres zu ermöglichen. Mit den Stacheln an der Innenfläche des von aussen aufliegenden Seitenlappens der anderen Seite zusammen wird es eine ebensolche Verbindung liefern, wie beispielsweise die feinen Börstehen, welche die bei- den Hälften eines Schmetterlingsrüssels zusammenhalten oder die feinsten Zähnchen in der Fahne der Feder. Die hier aufgeführten Stellen sind die einzigen der Körper- oberfläche des Männchens, welche mit Stacheln bewaffnet sind; die gesammte übrige Körperfläche ist durchaus glatt, und wenn von früheren Beobachtern noch an anderen Orten Stachelbildun- gen scheinbar gesehen worden sind, so dürfte das wohl nur auf Verwechselungen mit einer der hier genannten Stellen zurück- zuführen sein. Parenchym. Die ersten Mittheilungen über das Parenchym der Bilhar- zia macht Leuckart (Paras. 1. Aufl. pag. 620); es besteht nach ihm aus dichtgedrängten Bindegewebszellen, die freilich nur wenig gross und deutlich sind, deren scharf umschriebene Kerne (0,004 mm) aber überall in Masse aus dem durchsichtigen Parencehym hervorleuchten. Chatin schreibt (l. e. pag. 596) in lakonischer Kürze dem Parenchym eine netzförmige Struetur zu, die sich leicht constatiren lasse. Fritsch berichtet aus- führlicher (l. e. pag. 209) von einem von Bindegewebszellen gebilde- ten Maschenwerke, welches bei dem Weibehen infolge des ge- ringen Gesammtdurchmessers des Körpers besonders grob er- scheine. Die relativ grossen Kerne gruppiren sich gern unregel- mässig, während da, wo grössere Organe einlagern, das Zwi- schengewebe spärlicher werde und ärmer an Kernen erscheine. Beim Männchen bilden die sternförmig verzweigten Binde- gewebszellen mit den rundlichen, etwa 0,006 mm grossen Kernen, die stellenweise stärker angehäuft erscheinen, die Hauptmasse. Leuekart findet darauf bei Gelegenheit seiner neuen Unter- suchungen (l. e. pag. 471) die früher von ihm gegebene Dar- Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 23 stellung noch im Wesentlichen richtig; er fügt seinen älteren Angaben ergänzend hinzu, dass an vielen Stellen die Begrenzun- sen der Zellen allerdings so wenig.markirt sind, dass es den Anschein hat, als wenn die Kerne derselben in eine sonst kaum differeneirte Substanzmasse eingelagert seien. Anderwärts sieht man das Protoplasma im Umkreise dieser Kerme deutlich als scharf umschriebene, rundlicehe Ballen von meist 0,013 bis 0,014 mm gegen ihre Umgebung sich absetzen. Hier und da sind die Ballen auch aus dem umgebenden Gewebe ausgefallen, so dass dann an Stelle der Zellen blosse Lückenräume vorhan- den sind, deren Wände vielfach in direetem Zusammenhange mit den das Parenchym in reicher Menge durchziehenden Mus- kelfibrillen gesehen werden. Ausser diesen Parenchymzellen ent- hält die Grundsubstanz des Bilharziakörpers noch andere Zellen, helle Blasen von 0,016—0,022 mm mit grossen Kernen (0,006 mm), die im Gegensatze zu den mit mehrfachen Chromatinkörnern versehenen Kernen des ersteren meist nur einen einzigen Nucleo- lus enthalten und fast immer durch eine Anzahl zarter Proto- plasmastränge der Aussenwand verbunden sind. Obwohl die- selben, besonders bei dem Männchen, sowohl in der Tiefe, wie in den mehr peripherischen Körperschichten gefunden werden, steht Leuekart nicht an, sie für Drüsen- oder Schleim- zellen zu halten, und das vornehmlich deshalb, weil Zellen ganz ähnlicher Art jenes entschieden drüsige Gebilde um den Oesophagus zusammensetzen, auf welches wir weiter unten zu- rückkommen werden. Nach Lortet und Vialleton endlich ist das Parenchym (l. e. pag. 23) zusammengesetzt aus verästeten Zellen, deren vielfache Ausläufer mit denjenigen der benachbarten Zellen in Verbindung treten. Es entsteht so ein Netzwerk mit theilweise sehr dichten und sehr feinen, theilweise auch mit grösseren Maschen. Die Kerne der Zellen sind klein und rund. Zwischen den Maschen des parenchymatischen Netzwerkes ist eine amorphe, helle Substanz enthalten, die sieh nur leicht mit Carmin färbt und die man sehr deutlich erkennt, wenn man den Körper des Wurmes zu zerzupfen versucht. Bewerkenswerther Weise gelingt es dabei niemals, eine wirkliche Trennung der einzelnen Ele- inente zu erzielen, und ist es vor allem unmöglich, die Maschen des protoplasmatischen Netzwerkes zu sprengen. Innerhalb 24 A.Looss: (des Parenchyms trifft man hier und da noch grosse, kugelige, von einer hellen Zone umgebene Zellen; die Frage, ob hier Drüsen- zellen, oder die von Fritsch erwähnten Ganglienzellen vorliegen, wird von den Autoren nicht entschieden. Meinen eigenen Erfahrungen nach besteht nun das Paren- chym des Bilharziakörpers zunächst nieht aus verästeten Zellen, obwohl es gar nicht selten den Anschein hat, als ob in der That solche Zellen vorhanden wären. Im übrigen hat die Körpersub- stanz bei Männchen und Weibchen einen etwas verschiedenen Habitus, ganz abgesehen davon, dass sie bei dem ersteren auch noch von den- sehr zahlreichen Parenechymmuskeln durchsetzt wird, die bei dem Weibchen ganz fehlen. In Folge dieses letzteren Umstandes ist das Parenchym bei dem Weibehen auch am leichtesten zu analysiren; es besteht hier aus einfachen Blasenzellen, deren sehr zarte und blasse Wände dicht aneinanderschliessen und das bekannte Netzwerk darstellen. Der ursprüngliche Inhalt der Zellen ist durch eine helle Flüssigkeit ersetzt, die bei der Behandlung mit Reagentien nur ausserordentlich wenige Rück- stände lässt; wo solche vorhanden sind, was in der Tiefe des Körpers weniger häufig beobachtet wird als weiter nach aussen, der Wand zu, da erscheinen sie im mikroskopischen Bilde als feine, granulirte Masse, welche augenscheinlich dasselbe ist, was Lortet und Vialleton als amorphe, helle und schwach mit Carmin sich färbende Substanz zwischen den Maschen des parenchymatösen Netzwerkes beschreiben. Da unserer Auffassung nach diese Substanz nicht zwischen, sondern in den blasigen Zellen gelegen ist, so erklärt sich allerdings ziemlich einfach, dass es ihnen nicht gelang, die problematischen Sternzellen zu isoliren und von der „Zwischenmasse* zu trennen. Neben den hier beschriebenen Parenchymzellen, die augenscheinlich zu einer einzigen und einheitlichen Blase sich umgeformt haben, finden sich dann im Körper des Weibehens und zwar ziemlich häufig noch andere, bei denen im Innern nicht eine Blase, sondern eine Anzahl entstanden, welche durch sehr feine Lamellen von ein- ander getrennt bleiben und zwischen denen dann auch an einer Stelle noch der persistirende Kern liegt. Dieser scheint bei unseren Zellen dann thatsächlich einer sternförmigen Zelle anzu- gehören, weil die äussere Grenze derselben sich kaum mehr von den inneren Lamellen unterscheidet; wir haben hier einen Typus Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 25 der Parenchymzellen, der schon früher von mir und von Walter sehr häufig bei einer ganzen Reihe anderer Trematoden beobachtet wurde. Auch die Kerne der zuerst genannten Blasenzellen sind meistens noch vorhanden; sie messen durchschnittlich 0,004 bis 0,005 mm im Durchmesser wie die der anderen und liegen seltener im Innern, bei weitem häufiger der Wand der zugehörigen Zelle an- gedrängt; dann sind sie gewöhnlich noch von einem kleinen Hofe unveränderten Plasmas umgeben. Ausser diesen typischen Kernen der Parenchymzellen finden sich in dem Gewebe verstreut gewöhn- lich noch andere, kleinere, aber bedeutend stärker sich färbende kernartige Gebilde vor, deren Grössse 0,0025 mm kaum übersteigt. Man trifft sie besonders häufig im Körper von Individuen, die erst längere Zeit nach dem Tode des Parasitenträgers zur Conservirung kamen und deshalb selbst in ihrer Organisation bereits alterirt sind; ausserdem auch besonders in dem dünnen und besonders zarten Vorderkörper weit häufiger, als in dem derberen Hinterleibe. Was sie vermuthlich zu bedeuten haben, soll bei der Beschreibung des Parenchyms des Männchens erörtert werden, wo man dieselben Gebilde ebenfalls antrifft. Die bei der überwiegenden Mehrzahl der Trematoden ganz allgemein bis jetzt aufgefundenen, sogenannten Subeutieular- zellen sind auch bei der weiblichen Bilharzia vorhanden, wenngleich nur schwach entwickelt und deshalb wenig in die Augen fallend. Besonders im Hinterkörper aber bemerkt man regelmässig dicht unter der Haut eine stärkere Ansammlung noch protoplasmareicher, unregelmässig gestalteter Zellen, die manch- mal auf kleine Strecken hin eontinuirliche Reihen bilden (Fig. 28, Taf. III). Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass hier die bekannten Subeuticularzellen vorliegen. Wie schon erwähnt, hat bei dem Männchen das Paren- chym auf den ersten Blick ein ziemlich abweichendes Aussehen; es wird hier von so zahlreichen untereinander parallelen Dorsc- ventralmuskeln durchzogen, dass die feinen Parenchymlamellen unter diesen fast verschwinden. IJmVorderkörper des Männchens sind die erwähnten Muskelfasern aber bedeutend schwächer ent- wickelt, und hier zeigt es sich denn auch in ganz seiner normalen Form. Die einzelnen Zellterritorien lassen sich manchmal recht deutlich von einander trennen, die in den Zellen auftretenden Vaceuolen haben meist eine rundliche oder ellipsoidale Gestalt 26 A. Looss: (Fig. 11, 6 PZ). Die Kerne messen im Durchmesser ungefähr 0,005 mm. Unter ihnen bemerkt man jedoch stets, und bei manchen Individuen in ganz überwiegender Zahl andere, welche beträchtlich grösser (0,0065 mm und darüber) und bläschenförmig sind und deren Inhalt kein zusammenhängendes Nucleingerüst mehr zeigt, sondern aus einem einzigen grösseren Chromatinkörper und einigen wenigen kleineren Körnehen und Fädehen besteht. Diese Kerne finden sich vorzugsweise auch peripher gelagert; sie stimmen demnach in allen wesentlichen Eigenthümlichkeiten mit jenen Gebilden überein, deren Leuckart in seiner Beschreibung des Parenchyms Erwähnung thut, und die er als Kerne von Drüsenzellen in An- spruch nimmt. Nach eingehender Prüfung einer grösseren Anzahl von Präparaten verschiedener Individuen bin ich jedoch zu der Ueberzeugung gelangt, dass wir es mit ursprünglichen Verhält- nissen hier nicht zu thun haben. Bei Würmern, die in noch voll lebenskräftigem Zustande wenige Stunden nach dem Tode ihres Trägers zur Conservirung kamen und die auf die Einwirkung der conservirenden Flüssigkeit durch lebhafte Zusammenziehung ihrer Muskulatur reagirten, zeigen sich allenthalben nur die kleineren Kerne mit theilweise sogar sehr diehtem Nucleingerüst. Nur noch wenig lebenskräftige oder bereits ganz abgestorbene Thiere zeigen dagegen bei der ÜConservirung nur schwache oder gar keine Reaktionsbewegungen mehr und bei diesen Exemplaren zeigen sich im meinen Präparaten nun vorzugsweise jene grossen bläschenförmigen Parenehymkerne; bei einigen nur an der Rücken- seite und in dem zarteren Vorderkörper, bei anderen fast durch die ganze Dieke des Leibes. Im ersteren Falle sind die in der Nähe der eingerollten Bauchfläche gelegenen Kerne noch normal, was offenbar damit zusammenhängt, dass diese Körperseite vor den verändernden Einflüssen der Umgebung, d. h. der in Zer- setzung befindlichen Blutflüssigkeit des Trägers, durch die Ein- rollung mehr geschützt ist, als die freiliegende Rückenseite. So halte ich diese grösseren, bläschenförmigen Kerne des Parenchyms nicht für Kerne etwaiger Drüsenzellen und überhaupt nicht für ursprüngliche und normale Bildungen, sondern für die Produete einer allmählich eintretenden Zersetzung des Wurmkörpers. Bei soichen veränderten Individuen und besonders bei den so ausserordentlich zarten Weibehen findet man ferner unter den bläschenförmigen Kernen sehr häufig auch einfache, kleine und Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 27 mehr oder minder runde, sehr stark gefärbte Körner, an denen keine Structur mehr zu erkennen ist (ef. Fig. 10 Taf. II und Fig. 24 Taf. III. Ich glaube in diesen noch weiter vorge- schrittene Auflösungsstadien der Kerne sehen zu sollen, bei denen infolge völligen Absterbens der Kernsaft durch die Mem- bran ausgetreten ist und nur die Nucleinmassen zurückgeblieben sind. Solche strueturlose Nucleinklumpen sind wenigstens auch an- derwärts als Producte einer Kerndegeneration bekannt (Geschlechts- zellen von Salamandra und Triton nach Flemming und Hermann, von Ascaris nach O. Hertwig ete.). Wie schon erwähnt, wird im Hinterkörper des Männchens die Structur des Körperparenchyms durch die massenhaft dasselbe durehziehenden Dorsoventralmuskeln stark verdeckt; doch lässt eine aufmerksame Beobachtung auch hier leicht die bereits be- kannten Verhältnisse erkennen. Die Parenchymzellen sind hier augenscheinlich alle vacuolisirt und die Vacuolen selbst mehr oder weniger der Richtung der Muskeln entsprechend in die Länge gestreckt; die Form der Zellen dürfte ziemlich unregel- mässig sein und diese selbst in mannigfacher Weise in einander greifen. Die Muskeln ziehen ausnahmslos zwischen den Zellen hin, wie man von vorn herein nicht anders erwarten kann; sie treten zu gleicher Zeit aber in innige Verbindung mit den Wänden dieser Zellen, so dass auf den Schnitten die Muskeltibrillen viel- fach zerfasert erscheinen. Ich will die Existenz wirklicher, ver- zweigter Fibrillen damit durchaus nicht in Abrede stellen; die grösste Mehrzahl der Muskeln dürfte jedoch einfach und unver- ästelt sein. Dass die Parenchymfasern zwischen den Parenchym- zellen hinlaufen, erkennt man weiterhin sehr hübsch auf Frontal- schnitten durch die Mitte des Rückens, welche die Dorsoventral- muskeln ungetähr senkrecht treffen (Fig. 6, Taf. D. Die Querschnitte der Parenchymmuskeln erscheinen dann als feine glänzende Pünktchen, welche scheinbar an oder auf den Fasern des Parenchyms gelegen sind. Nun beschreiben Lortet und Vialleton (l.c. pag. 23) auf den Fasern des Parenchymmaschen- werkes (das sie bekanntlich aus verästelten Zellen bestehen lassen) granulations brillantes, tres refringentes, comme les fibres elles- memes, et qui, comme ces dernieres, ne se colorent pas par les rcactifs. Obwohl dieser letztere Charakter ihrer Angabe nach die Parenchymfasern stets von den sich stark färbenden Muskel- 238 A. Looss: fasern unterscheiden soll, so kann ich mieh doch des Argwohns nicht erwehren, dass diese granulations brillantes nichts anderes, als unsere quergeschnittenen Parenehymmuskeln sind. Andere Gebilde, auf die sich die Beobachtung Lortet's und Vialle- to.n’s könnte beziehen lassen, habe ich nieht gefunden und anderer- seits ist meinen Erfahrungen nach die Färbbarkeit der Paren- chymmuskulatur nicht so bedeutend, als es die beiden Autoren anzunehmen scheinen. Dass sie überhaupt die dorsoventralen Parenehymmuskeln in ihrer Mächtigkeit nicht voll erkannt haben, gcht deutlich aus ihren Figuren 24 und 25 hervor, wo diese Fasern kaum hervortreten, während sie in Wirklichkeit in dieser Körpergegend einem Querschnitt sein charakteristisches Gepräge verleihen. Das bei dem Weibehen deutlich, wenn auch schwach ent- wickelte, subeutieulare Zellenlager ist auch bei dem Männchen vorhanden; freilich bedarf es noch genauerer Beobachtung, um erkannt zu werden, da es innerhalb der muskulösen Rückenrinde gelegen ist. Am deutlichsten erkennt man es bei stark nach der Bauchseite eingerollten Individuen (Fig. 13, Taf. II); die Zellen sind ziemlich klein, aber charakteristisch durch ihre stärkere Färbbarkeit, ihre unregelmässige Forn und vor allem dadurch, dass ihrer nicht selten 2 und 3 zu einer Gruppe vereinigt ange- trotien werden, wie auch sonst; ihre geringe Massenhaftigkeit (dürfte im übrigen hier in vollem Einklange stehen mit der an- deren Trematodenarten gegenüber sehr dürftigen Entwickelung der Haut. Wie schon weiter oben erörtert, kann ich die von Leu- ckart als Drüsen- oder Sehleimzellen angesprochenen Elemente auf Grund der Untersuchung eines reichlicheren und auch verschieden erhaltenen Materiales nicht wohl als solche anerkennen. Ich habe überhaupt, von den ösophagealen Drüsen- zellen abgesehen, im gesammten Körper der Bilharzia nichts gefunden, was auf das Vorhandensein von Drüsenzellen hingedeutet hätte. Weder die sonst bei den Trematoden und speciell bei den Distomen so allgemein verbreiteten echten Hautdrüsen, noch die tiefer in das Parenchym eingebetteten sog. Kopfdrüsen ete. scheinen hier vorhanden zu sein. Dagegen finden sich nun bei Männchen und Weibchen durch die Grundsubstanz des ganzen Körpers verbreitet sehr Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 29 reichliche Ganglienzellen, auf die wir bei Besprechung des Nervensystemes zurückkommen werden. Muskulatur. Es wird sich empfehlen, die drei hauptsächliehsten Muskel- systeme des Körpers, die Saugnäpfe, den Hautmuskelschlauch, und die Parenehymmuskulatur, einer gesonderten Besprechung zu unterziehen. A. Sausnäapte, Die Saugnäpfe des Bilharziakörpers zeichnen sich auf den ersten Blick dureh ihre augenfällige Schwäche und geringe Leistungsfähigkeit aus. Mit diesem äusseren Aussehen steht ihr innerer Aufbau durchaus in Einklang; besonders die Saugnäpfe des Weibehens sind in hohem Grade arm an Muskeln. Trotz alledem finden wir aber im ihnen die auch sonst vorhandenen Muskelsysteme vollzählig wieder. Was zunächst ihre äussere Form anlangt, so ist dieselbe von Leuckart bereits zutreffend beschrieben worden; sie ist ausserdem bei Männchen und Weibehen ungefähr die gleiche, wogegen ihre Grösse sowohl, wie ihr Grössenverhältniss bei beiden Geschleehtern verschieden ist, wie wir oben bereits kennen lernten. Der Mundsaugnapf hat in den meisten meiner Präparate eine vollkommene Triehterform mit einfach konisch verlaufender Innenwand; in einigen wenigen hat der Innenraum jedoch Pokal- form, so dass die Wirkungsweise dieses Saugnapfes derjenigen entsprechen dürfte, die er auch sonst bei kräftigerer Ausbildung aufweist. Dadurch, dass die dorsale Wand bedeutend länger ist, als die ventrale, wird die Oeffnung stark ventralwärts geneigt, worauf ebenfalls schon Leuckart hinweist. Derselbe lässt weiterhin (l. ec. pag. 480) beide Näpfe gegen das Parenchym hin dureh „eine derbe Cutieularhülle* abgegrenzt sein; mir macht es dagegen den Eindruck, als ob hier eine einfache Muskelhaut vorläge. Es mag hierbei zunächst darauf hingewiesen werden, dass sich der vordere Saugnapf der Bilharzia m sehr charakte- ristischer Weise von dem sämmtlicher übrigen Distomen dadurch unterscheidet, dass er nicht in das Parenchym des Vorderkörpers eingelagert, sondern dem Leibe vielmehr aufgesetzt ist. Man sieht ihn infolge dessen auch auf Schnitten sehr bemerkens- 30 A.Looss: werther Weise nicht in einer Kugelfläche gegen das Parenchym abgegrenzt, sondern durch eine Ebene (cf. Fig.2, Taf. I), sodass er dadurch die ihm ‘sonst eigenthümliche, starke Individualität verliert und als eine direete Fortsetzung oder als ein Aufsatz des Körpers erscheint. Die Trennungsfläche, die ihn nach Art eines Septums von diesem scheidet, besitzt in der Mitte ein sehr kleines, nur 0,005—0,01mm im Durchmesser haltendes Loch für den Durehtritt des Oesophagus und ist meinen Beobachtungen nach hauptsächlich aus Muskelfasern gebildet, oder wenigstens mit solchen stark durchsetzt. Man bemerkt vorwiegend Radiär- fasern, die von der Durchtrittsstelle des Oesophagus ausstrahlen und zwischen sich zahlreiche, unregelmässig quer verlaufende Fasern erkennen lassen. Auch der Bauchsaugnapf ist durch eine solehe Muskelhaut von dem Parenchym geschieden, doch ist dieselbe hier bedeutend weniger auffällig (ef. Fig. 11, Taf. II, Fig. 21, Taf. III). Auch verlaufen die Fasern derselben etwas anders, wie wir bald weiter sehen werden. Eine weitere Eigenthümlichkeit des Bauchsaug- napfes, auf die bis jetzt noch nicht hingewiesen wurde, ist die, dass derselbe deutlich, wenn auch kurz gestielt ist (Fig. 11, 21). An seiner gewölbten, dem Parenchym zugekehrten Seite inseriren sich zahlreiche, im Verhältniss zu den gewöhnlichen Parenehym- fasern sehr starke Muskelfasern, die nach der Rückenfläche zu ausstrablen und den ganzen Napf zunächst in seinen Fuss und ddann in den Körper herein zu ziehen vermögen; auf diese Fasern ist übrigens von Leuekart bereits aufmerksam gemacht worden. Die innere Höhlung des Bauchsaugnapfes ist ziemlich flach und bei eonservirten Individuen vielfach ganz geschwunden, manch- mal sogar dureh eine convexe Fläche ersetzt (Fig. 21, Taf. IID. Dass beide Saugnäpfe bei Männchen und Weibehen besonders auf ihrer inneren Fläche mit Spitzchen besetzt sind, ist bereits bei Besprechung der äusseren Bedeekungen erwähnt worden. Was nun den histologischen Aufbau zuerst des Mundsaug- napfes anlangt, so finden wir zu äusserst an ihm eine Aequatorial- faserlage (Fig. 2, Taf. I), welehe die direete und unmittelbare Fortsetzung der äusseren Ringfaserschicht des Körpers ist. Sie geht über den vorderen Rand des Saugnapfes hinweg auf die Innenseite desselben über und repräsentirt nunmehr die innere Aequatorialfaserlage. Unter dieser Schieht folgt dann eine Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 31 zweite, deren Elemente einen longitudinalen Verlauf besitzen nnd allem Anscheine nach eine direete Fortsetzung der Längsfaserlage des Hautmuskelschlauches darstellen. Auch sie greifen über den freien Rand des Saugnapfes hinweg nach dessen Innenseite über und werden damit zu den inneren Meridionalfasern. Die einzelnen Fibrillen liegen hier nicht so dieht nebeneinander, wie die Ae- quatorialfasern, was man namentlich am Rande des Saugnapfes und auf seiner inneren Oberfläche beobachtet; erst gegen den Grund des Mundtrichters hin werden sie wieder dichter, was in ihrer Convergenz nach diesem Orte hin seinen Grund hat. Das Verhalten der bis hierher geschilderten Muskelelemente des Mundsaugnapfes ist insofern bewerkenswerth, als es in der That darauf hinzuweisen scheint, dass der Napf nur die besonders differeneirte, vorderste Partie des Leibes ist, ein Verhältniss, welches wohl einen ur- sprünglicheren Zustaud darstellt, als wir ihn bei den mit stark differeneirtem Mundnapfe versehenen Distomen finden. Die Masse der Saugnapflippen wird endlich durchsetzt von im Verhältniss spärlichen Radiärmuskeln, die in grösseren Abständen die wohl entwickelte parenchymatöse Grundmasse durchziehen. In dieser letzteren bemerkt man ausserdem eine ziemlich ansehnliche Zahl von Ganglienzellen, auf die wir bei Besprechung des Nerven- systemes zurückkommen werden. Die Structur des Bauchsaugnapfes entspricht der eben be- schriebenen des Mundsaugnapfes. Auch hier findet sich zu äusserst eine Aequatorialfaserlage, unter der eine aus spärlichen Elementen zusammengesetzte Meridionalmuskelschieht hinzieht. Beide Fasernsysteme setzen sich auch auf die Haut fort, welehe den Bauchsaugnapf gegen das Parenchym des Körpers und spe- ciell das des Saugnapffusses abscheidet (Fig. 11). Die Radiär- fasern scheinen hier etwas reichlicher, als im Mundsaugnapfe; in dem Grundparenchym bemerkt man ebenfalls reichliche Ganglien- zellen. | B. Hautmuskelschlaueh. Unter den älteren Arbeiten finden sich Angaben über den Hautmuskelscehlauch der Bilharzia nur in der ersten Auflage von Leuekart’s Parasitenwerk (pag. 620), Leucekart sagt daselbst, dass unter den Muskeln die Längsfasern bei weitem die ansehnlichsten sind, deutliche, isolirt nebeneinander hinlaufende Spindelzellen von 0,03 mm. Die Diagonalfasern liegen in verein- 33 A. Looöss: zelten, weit abstehenden Zügen. Diese Angaben sind unverändert reprodueirt in den beiden Arbeiten Blanchard’s und auch die ausführlichere Arbeit von Fritsch fügt dem bis dahin Bekannten nur wenig Neues hinzu. Nach Fritsch folgt beim Männchen (l.e. pag. 219) unter der Cuticula eine wesentlich längs gerichtete, zum Theil recht starke Muskulatur, deren Fasern in parallel ge- ordnete Bündel veremigt sind. An der Bauchseite sind diese Muskelbänder nur schwach entwickelt, dagegen fängt sich ein hauptsächlich quer angeordnetes System an geltend zu machen. Dieses beginnt jederseits als diehte zusammenschliessende Gruppen dorso-ventraler Muskeln. . .; abgesehen von diesen Muskelsystemen sind die eontractilen Fasern im Gewebe nur unregelmässig und spärlich vertheilt; eirculäre Fasern der Leibeswand, die dem Rücken des Körpers angehören sollten, kann Fritsch nicht finden. Beim Weibehen besteht der Hautmuskelschlauch haupt- sächlich aus längsgerichteten Fasern; Ringmuskeln sind als ge- schlossene Schicht nirgends kenntlich, obwohl vereinzelte platte, eontraetile Fasern zwischen der Cutieula und den Längsmuskeln vorkommen mögen (l.c. pag. 208). Chatin bemerkt betreffs der Muskulatur der Bilharzia, wiederum sehr kurz, dass sie eine mittelmässige Stärke besitze (l.e. pag. 596), was für das Männchen wenigstens kaum mit Recht behauptet werden kann. Ein wesentlich vollkommeneres Bild von dem Aufbau des Hautmuskelschlauches erhalten wir nun in der zweiten Auflage von Leuckart's Parasitenwerk. Leucekart erkennt jetzt bei dem Weibchen ein doppeltes Muskelsystem, eine einfache Lage von Längsfasern, die dieht unter der Cuticula hinziehen (l. e.pag. 475), und Parenehymmuskeln, die zumeist in dorso-ventraler Richtung die Grundsubstanz durchsetzen. Bei genauerer Untersuchung entdeckt man nach innen von den Längsfasern auch quer ver- laufende Fasern, freilich mehr vereinzelt und spärlich, „so dass man von einer besonderen Schicht von Ringmuskeln kaum sprechen kann“. Bisweilen hat es übrigens den Anschein, als ob auch nach aussen von den Längsfasern eine dünne Schicht von Ringfasern vorhanden sei; „was diese Bilder veranlasst, lässt sich jedoch überall auf eine Runzelung der Cutieula zurück- führen... .* Die Muskulatur des Männehens, die Leuckart vorwiegend an der muskelkräftigeren Bilharzia erassa Sons. studirt zu haben scheint, lässt sich trotz aller Eigenthümlichkeit Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 33 auf die einfacheren Verhältnisse des Weibehens zurückführen (l.c. pag. 476). Im Vorderleibe beobachtet man eine einfache Lage dicht gedrängter Längsfasern, die mit den darunter hinziehen- den Ringfasern den Hautmuskelsehlauch bildet und die vornehm- lich indorso-ventraler Richtung verlaufenden Parenehymmuskeln ein- schliesst. Weiter nach hinten, aber noch im Vorderkörper, wird die Längsfaserlage auf dem Rücken dicker und setzt sich daselbst bereits aus 4—5 Lagen von Fasern zusammen. Mit dem Beginne des Hinterleibes nimmt die Längsfaserlage reichlich den dritten Theil der Körperdicke und noch mehr in Anspruch. Unter ihr ziehen bogenförmig Querfasern hin, die eine ziemlich geschlossene Lage bilden und so die Rückenmuskulatur gegen die übrige Körpermasse in Form einer Rindenschicht absetzen. Im Gegensatze zum kücken findet man auf der Bauchseite eine mächtige Lage bogenförmig verlaufender Quermuskeln, und nur bei genauerem Zuschen erkennt man nach aussen von diesen noch eine einfache Lage dünnerer Längsmuskeln. Schliesslich hat Leuckart auch zuerst erkannt, dass die Hauptmasse der Muskeln desBilharziakörpers, mit Ausnalıme der Parenehymmuskeln, im Innern hohl sind, also sogenannte Röhrenmuskeln darstellen. Lortet's und Vialleton’s neueste Untersuchungsresultate weichen in mannigfacher Hinsicht von den eben geschilderten Leuekart's ab; dass sie dabei eine Vervollkommnung unserer Kenntnisse mit sich brächten, kann aber nicht behauptet werden. Lortet und Vialleton bestätigen zunächst Leuckart's Angabe betreffs des Hohlseins der Muskelfasern; ich komme weiter unten auf diese Verhältnisse zurück. Es liegen ferner nach ihnen die Längsfasern unmittelbar unter der Haut, bei dem Weibehen in einfacher Reihe und ebenso im Vorderkörper des Männchens, während sie bei dem letzteren vom Bauchsaugnapfe ab mehrschichtig sind und eine Art contraetiler Rinde darstellen. Sie sind von dem darunterliegenden Körper durch eine ligne bien nette getrennt, indessen finden sie sich auch unterhalb dieser Linie in der dorsalen Hälfte des Körpers, ja einige noch tiefer. Die Grenzlinie zwischen eontractiler Rindenschieht und Parenchym soll, wenn sie existirt, nur aus einer Verschmelzung von Paren- chymfasern hervorgegangen sein. Die ventralen Längsfasern liegen nur in einfacher Reihe, manchmal bilden sie nicht einmal eine eontinuirliche Lage, sondern fehlen hier und da, so dass Archiv f, mikrosk, Anat. Bd, 46, B) 34 A. Looss: man auf manchen Querschnitten nur einige Fasern getroffen findet. Querfasern finden sich nur auf der Bauchseite über den Längsfasern. Fibres obliques endlich, die unseren Diagonalfasern entsprechen dürften, finden sich bei Weibehen und Männchen, bei dem ersteren seltener, bei dem letzteren im Vorderkörper auf der Bauch- und Rückenseite. Betraehten wir nun zunächst den Hautmuskelschlauch des Weibehens, so bemerkt man allerdings zuerst die von der Mehrzahl der Autoren bereits beobachteten Längsmuskeln. Ich hätte hier den Mittheilungen Leuckart’s höchstens ergänzend hinzuzufügen, dass sie bis zu 0,0012 mm breite Bänder darstellen, die nicht vollkommen parallel zu einander hinlaufen und gelegent- lich auch dureh schräge Anastomosen untereinander in Verbindung zu treten scheinen. Aber diese Längsmusken bilden nieht die äusserste Lage des Hautmuskelschlauches, sondern es findet sich zwischen ihnen und der Haut eine zwar äusserst feine, aber vollkommen deutliche und wohl unterscheidbare Ringfaserlage vor. Man wird sich erinnern, dass bereits Leuckart ver- muthungsweise von einer solchen Faserlage spricht, die durch sie veranlasste Streifung aber auf eine Runzelung der Cutieula bezieht. Eine solche feine Runzelung der Haut ist allerdings ebenfalls vorhanden, doch sind die Runzeln niemals so regelmässig ange- ordnet, wie die Ringmuskeln; ausserdem erkennt man die letzteren aber auch, und zwar am besten, an Präparaten, bei denen die Cutieula verloren gegangen ist. Ueber die thatsächliche Existenz dieser Ringfaserlage kann somit kein Zweifel herrschen; die ein- zelnen Fasern sind höchstens halb so diek als die Längsfasern, dafür aber auch ungefähr noch einmal so dicht aneinandergelagert. Unter der Längsfaserlage findet sich nun endlich noch eine vollkommen deutlich ausgeprägte, wenn auch nicht leicht und nur an ganz flächenhaften Schnitten sichtbare Diagonalfaser- lage. Sie scheint im Hinterleibe stärker entwickelt zu sein, als im Vorderkörper, da sie in dem ersteren meist leichter zu erkennen ist. Es sind Fasern von ungefähr derselben Dicke, wie die der Ringfaserlage, doch ist diese Dicke nieht constant, da sich in den Verlauf einer Faser gar nicht selten spindelförmige Verdiekungen einschieben, die offenbar Contractionscentren re- präsentiren. Die Entfernung der einzelnen’ Fasern von einander wechselt in weiten Grenzen, und manchmal gelingt es sogar auf Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 35 grössere Strecken nicht, sie nachzuweisen. Einzelne unter ihnen sind möglicherweise schon von Leuckart gesehen worden, da er von vereinzelten und spärlichen „querverlaufenden“ Fasern im Inneren der Längsmuskelschicht spricht, diese aber auf eine Ringfaserlage bezieht. Ebenso haben Lortet und Vialleton Diagonalfasern bemerkt; dieselben sind nach ihnen bei dem Weibchen peu nombreuses und werden in einer beigegebenen Figur (14 Pl. III) auch als ganz vereinzelte und isolirt verlaufende Ele- mente gezeichnet. Die Existenz einer besonderen und wohl in- dividualisirten Diagonalfaserlage ist also von ihnen nicht erkannt worden. Fassen wir nunmehr das über den Hautmuskelapparat des Weibehens neu Beobachtete kurz zusammen, dann ergiebt sich, dass derselbe sich zusammensetzt aus einer dieht unter der Haut hinziehenden, sehr feinen Ringfaserlage; darauf folgt nach Innen eine ansehnlicher entwickelte longitudinale Faserschicht, und ganz zu innerst endlich ein zwar feines und nicht allenthalben regel- mässiges, aber doch geschlossenes Diagonalfasersystem ; mit einem Worte, dr Hautmuskelapparat des Bilharzia- weibehens zeigt keinerleiAbweichungen von dem, wie wir ihn äls die Regel bei den Di- stomen finden. Was nun das Männchen anbelangt, so hat Leuckart bereits festgestellt, dass dessen so ungleich complieirterer Muskel- schlauch sich auf die einfacheren Verhältnisse des Weibehens zurückführen lässt. Dieser Satz bleibt durchaus zu Recht bestehen, auch wenn wir die eben mitgetheilten neuen Thatsachen mit in Betracht ziehen. Ehe ich auf eine Schilderung meiner Befunde über den Aufbau des Muskelapparates beim Männchen eingehe, mögen zunächst einige Bemerkungen über den Bau der Muskel- fibrillen selbst Platz finden. Dieselben sind hohl, wie Leuckart ganz richtig gesehen hat. Ihre Dicke wechselt aber meinen Beobachtungen nach nicht unbeträchtlich und zwar so, dass bei den dieksten der äussere contractile Saum am dünnsten ist, während bei den zarteren Fasern eben dieser Mantel eontraetiler Substanz bedeutend dicker erscheint. Dieses Verhältniss geht soweit, dass bei manchen Würmern die Fasern zum Theil gar nicht mehr hohl, sondern vollkommen solid erscheinen. Es hat mir manehmal direet den Anschein erweckt, als ob die hohlen 36 A. Looss: Muskelfibrillen gar keine normalen Bildungen seien, sondern pa- thologische Zustände darstellen; dem ist andererseits aber entgegen- zubalten, dass wir bei einer ganzen Anzahl anderer Trematoden- formen (Temnocephala nach Brandes, viele Amphi- stomeen nach eigenen Beobachtungen) ebensolche hohle Fasern als unzweifelhaft normale Bildungen kennen, und ich möchte deshalb der oben geäusserten Vermuthung keinen grösseren Werth beimessen. Lortet und Vialleton geben nun an, diese hohlen Muskelfasern ebenfalls geschen zu haben; sie sollen sich (l. e. pag. 24) auf dem Schnitte als Ringe contractiler Substanz dar- stellen, die einen hellen Hohlraum umgeben; die contractile Substanz soll aber ringsum nicht von gleicher Dieke sein, sondern gewöhnlich die Form eines stark gefärbten Halbmondes darbieten. Als solehe sind die Faserquerschnitte auch auf den Abbildungen dar- gestellt (z. B. Fig. 25, Pl. VI); sie besitzen hier aber zugleich auch einen Durchmesser, der doppelt so gross ist, als der der stärksten gewöhnlichen Fasern (die in der überwiegenden Mehr- zahl nicht hohl gezeichnet sind) und genau gemessen den zwölften Theil der grössten Dicke des gesammten Körpers re- präsentirt. Da nun diese Abbildungen, wie Lortet und Vial- leton selbst hervorheben, so ungemein genau sind, so lässt sich aus den angeführten Grössenverhältnissen wohl der Schluss ziehen, dass die Autoren etwas für Muskeln gehalten haben, was. keine Muskeln sind. Damit erklärt sich zunächst auch ihre falsche Angabe über die Anordnung der contractilen Substanz, die bei den wirklichen Muskelfibrillen niemals vorkommt, und es erklären sich weiter auch ihre gänzlich unzutreffenden Angaben über die Verbreitung dieser Muskeln, auf die wir gleich zurückkommen werden. Ich will noch erwähnen, dass es, der Grösse, dem Aus- schen und der Lage der Pseudo-Musken in den Lortet'’schen Abbildungen nach, wahrschemlich feinere Exeretionscanäle ge- wesen sind, welche die erfahrenen Bilharziaforscher getäuscht haben. Nunmehr zum Aufbau des Muskelapparates selbst! Wie bei dem Weibchen, so folgt auch bei dem Männchen auf die äussere Haut nach Innen zu zunächst eine feine Ringmuskellage, be- stehend aus einer einfachen Reihe sehr feiner und dicht neben- einander hinziehender Fibrillen (RM Fig. 2,.6, 11, 12. ete. Taf. I und ID). Dieselben sind ohne Schwierigkeit zu erkennen Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 37 im Vorderkörper; im Hinterkörper, d. h. also, vom Beginne des Canalis gynaecophorus an, werden sie bedeutend zarter (Fig. 11, 12), lassen sich aber auf dem Rücken bei Anwendung genü- gend starker Systeme stets noch vollkommen deutlich erkennen. Schwieriger liegen die Verhältnisse auf der Bauchseite, da es mir hier in einigen Fällen nieht gelungen ist, sie mit aller Sicher- heit zu erkennen; in anderen Fällen waren sie dagegen so be- stimmt nachzuweisen, dass ihre Existenz auch an dieser Stelle als unzweifelhaft zu betrachten ist. Unter diesen Ringfasern folgen sodann die Längsfasern, die von Leuekart und ebenso von Lortet und Vialle- ton als äusserste Schicht des Muskelschlauches betrachtet wurden. Ich habe in Bezug auf ihr Verhalten den Angaben Leucekart’s wenig hinzuzufügen. In dem vordersten, direet auf den Mund- saugnapf folgenden Körpertheile liegen sie noch in einfacher Reihe nebeneinander. Das ändert sich jedoch schon ziemlich bald; es lagern sich mehrere Schiehten unregelmässig übereinander, und schon vor dem Fusse des Bauchsaugnapfes haben wir eine je nach der Contraetion des Körpers 0,006—0,009 mm dieke und aus 3—D Lagen von Fasern bestehende Schicht, die an der Bauchseite nur wenig dünner ist, als auf dem Rücken. Dieser hier erst angedeutete Gegensatz in der Ausstattung der beiden Körperseiten wird nun sehr ausgesprochen mit der Bildung der Seitenlappen und des Canalis gynaecophorus. Auf der Bauchseite kehren von diesem Punkte an die Längsmuskeln wieder zu einer einschiehtigen Gruppirung zurück: sie bilden hier aber stets und ausnahmslos eine nirgends unterbrochene, eontinuirliche und gleieh- mässige Schicht; die Angabe Lortet’s von Unregelmässigkeiten und Continuitätstrennungen in der ventralen Längsfaserlage beruhen zweifellos auf Irrthum. Im Gegensatze zur Bauchseite schwellen auf der Rückenseite die Längsmuskeln mächtig zur Bildung jener bekannten muskulösen Rinde an. Erst in unmittelbarer Nähe des Körperendes nimmt die Dieke dieser Rinde wieder ziemlich plötzlich ab (Fig. 8, Taf. I) und es bleibt zuletzt eine einfache Faserlage übrig, die in die der Bauchseite übergeht. Auch in der Nähe der Seitenränder des Körpers wird diese Längsfasersehicht ziemlich unvermittelt dünner und geht an dem Rande selbst in die ein- fache Längsfaserlage der Bauchseite über. Was die Zusammensetzung der contraetilen Rücken- 38 ‚ A. Looss: schieht im Besonderen anlangt, so sind hier noch einige Einzelheiten der Erwähnung werth, die den bisherigen Beobachtern entgingen. Zunächst mag mehr beiläufig darauf hingewiesen sein, dass die Angabe Leuckart’s, die Längsfaserlage des Rückens nehme reichlich den dritten Theil der Körperdieke und noch mehr in Anspruch, für Bilharziahaematobia keine Geltung hat. Die betreffende Angabe bezieht sieh augen- scheinlich auf die muskelkräftigere Bilharzia erassa; bei B. haematobia hat die dorsale Längsfaserlage ungefähr ein Viertel der Körperdieke oder noch etwas weniger im Durchmesser; geringe Aenderungen können übrigens durch Contraetionsverhält- nisse auch hier bedingt werden. Dass die einzelnen Muskelfasern sich spalten und auf diese Weise mit einander in Verbindung treten, hat schon Leucekart beobachtet; die Verzweigung ist sogar, wie man auf günstigen Präparaten sieht, eine ziemlich reichliche und es kommt so zu einer ausgedehnten Anastomosen- bildung. Daneben zeigen aber die einzelnen Muskelfibrillen selbst noch eine ganz eharacteristische und augenscheinlich bedeutsame Anordnung, die ich bis jetzt nirgends erwähnt finde. Sie ver- laufen nämlich mit wenigen Ausnahmen nicht parallel zur Ober- fläche des Körpers, sondern treten in kurzen, im übrigen aber wechselnden Intervallen an die Haut heran, um sich hier zu in- seriren. Der zwischen zwei solehen Insertionspunkten gelegene Theil der Faser ist halbmondförmig gekrümmt (Fig. 13, Taf. II). Die Insertionspunkte der einzelnen Fasern liegen, soweit ich habe sehen können, ohne jede Regel angeordnet; immerhin aber ergiebt sich auf die geschilderte Art und Weise eine gewissermaassen segmentale Zusammensetzung der Muskelfasern, die an die der Arthropoden erinnert, und der ganz augenscheinlich die starke Einrollungsfähigkeit des Körpers nach der Bauchseite zu danken ist. Liefen diese dorsalen Muskeln als einheitliche und selbst- ständige Schicht durch die gesammte Länge des Körpers, so ist ohne weiteres einzusehen, dass sie bei einer Zusammenziehung die Rückenseite des Wurmkörpers verkürzen, also eine Krümmung nach der Rückenseite hervorbringen müssten. Durch die wiederholte Insertion an der Haut, durch das Entstehen einzelner Segmente also, und durch den nach innen gebogenen und von dem umgebenden Parenchym in dieser Lage fixirten Verlauf der Fasern zwischen den Fixationspunkten wird dagegen gerade der Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haemätobia (Cobbold). 39 umgekehrte Erfolg erzielt. Jedes einzelne Muskelstück wirkt ent- spreehend z. B. den Flexoren in den Gelenken der Arthropoden, und die Anastomosirung der Muskelfasern untereinander dient augenscheinlich zur gleichmässigen Vertheilung des Effeetes auf die gesammte Rückenfläche. So setzt also diese contraetile Längsfaserschicht des Rückens unsere Bilharzia in die Lage, sich uhrfederartig nach der Bauchseite einzurollen; dass die Bil- harzia erassa nach Leucekart stärker und kräftiger in dieser Weise sich einrollt, stimmt sehr wohl überein mit der stärkeren Entwicklung ihrer Rückenmuskulatur. Unter der Längsfaserlage findet sich nun im ganzen Körper des Bilharziamännchens noch eine wohl ausgebildete, an einzelnen Stellen freilieh nieht ohne weiteres als solche erkennbare Dia- sonalfaserlage. Im Vorderkörper des Männchens wurden Fibres obliques bereits von Lortet und Vialleton gesehen; dass dieselben hier aber eine selbstständige und zusammenhängende Schicht des Hautmuskelschlauches repräsentiren, scheinen die Autoren wiederum nieht bemerkt zu haben; wenigstens findet sich in ihrer Arbeit davon keinerlei Andeutung. In der That ist aber die Diagonalfaserschicht im Vorderkörper der männlichen Bilharzia in vollkommen typischer Weise ausgebildet (Fig. 2, Taf. I, Fig. 10, Taf. ID). Die einzelnen Fibrillen haben eine Dicke von kaum mehr als 0,0006 mm und stehen 0,0075 bis 0,0113 mm von einander ab; die letzteren Maasse werden übrigens, wie auch die Riehtung der Fasern selbst, durch die Contractions- verhältnisse des Vorderkörpers mannigfach verändert. Diese Diagonalfaserlage setzt sich nun ohne jedwede Unter- breehung auch auf den Hinterkörper fort, um erst gegen das Schwanzende hin allmählich schwächer zu werden und in dessen unmittelbarer Nähe schliesslich augenscheinlich ganz aufzuhören. Jedenfalls habe ieh hier nichts Bestimmtes von einer regelrechten Faserschicht mehr auffinden können. In Bezug auf ihr Aussehen nimmt unsere Muskelschieht im Hinterkörper aber ein etwas differentes Aussehen an. Am leichtesten ist sie noch zu erkennen auf dem Rücken, wo sie die Längsfaserlage gegen das darunterliegende Parenchym abgrenzt (Fig. 4, Taf. D. Es ist also, wie schon Leuekart durchaus richtig angiebt, diese Faserlage scharf von dem Parenehym ge- schieden, und sie ist auch eonstant von diesem geschieden, 40 A. Looss: und wir baben somit ein fundamentales Verhalten vor uns. Lortet und Vialleton freilich sind hierin anderer Ansicht; in nombre de cas haben sie die Trennungslinie zwischen dorsaler Längsmuskulatur und Parenehym nicht gefunden; es soll dann vielmehr die Muskellage ganz allmählich m das Parenchym über- gehen (l.c. pag. 25). Nach dem, wasich an meinen Präparaten überall und ausnahmslos gesehen habe, kann ich diese Angaben nieht bestätigen; trotz der so sehr gerühmten Peinlichkeit ihrer Untersuchungen haben die Herren Lortet und Vialleton hier entweder ungenügend beobachtet oder das Beobachtete nicht zu deuten verstanden. Allerdings springt, namentlich auf Quer- schnitten und ebenso auch auf Längsschnitten, diese Faserlage nicht sofort in die Augen, und man muss schon etwas genauer hinsehen, um sie zu erkennen; vorhanden ist sie aber trotzdem. Es ist auch durchaus falsch, dass nach den französischen Autoren die Längsmuskellage des Rückens allmählich gegen die Bauchseite hinab aufhören soll; dieselbe ist in Wirklichkeit so scharf begrenzt, wie nur irgend denkbar, und zwar eben durch die Diagonal- faserschicht. Unterhalb dieser letzteren ist, was man auf Schnitten nach allen 3 Riehtungen des Raumes in ganz der nämlichen Weise feststellen kann, keine einzige Längsfaser mehr vor- handen bis zu der Längsfaserlage der Bauchseite. Da nun auch das Aussehen der von Lortet und Vialleton unterhalb der Diagonalmuskeln gezeichneten (ef. Fig. 24, Pl. V ihrer Arbeit) so- genannten Muskelfasern ein solches ist, wie es von wirklichen Muskelfasern nie zur Schau getragen wird, so ergiebt sich ohne grosse Schwierigkeit der Werth der von ihnen entdeckten neuen Thatsache! Die Entscheidung, dass wir es in der unterhalb der mus- kulären Rindenschicht des Rückens hinziehenden Querfaserlage mit Diagonalmuskeln zu thun haben, ist nicht ganz leicht und gelingt am besten bei lang ausgestreckten Thieren. Hier kreuzen sich nämlich die einzelnen Fasern unter einem Winkel, der merk- lieh geringer ist, als 180°; bei Individuen, die sich stark zu- sammengezogen haben, wächst dieser Winkel dagegen und nähert sich bis auf einen kleinen Unterschied dem Werthe eines gestreckten, so dass die einzelnen Fasern dann auf den ersten Blick rein querverlaufende zu sein scheinen; als solche sind sie denn auch von Leuckart, der sie zuerst bemerkt hat, aufgefasst worden. Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 41 Eine genaue Untersuchung guter Frontalschnitte, die den Rücken treffen, lehrt aber auch in dem Falle starker Contraetion des Körpers bald, dass hier nicht reine Quer-, sondern Diagonalfasern vorliegen; an Sagittalschnitten kann man überdies den glatten Uebergang der unverkennbaren Diagonalfasern des Vorderkörpers in die des Hinterkörpers nachweisen. Während auf der Rückenseite die sich kreuzenden Diagonal- fasern stets noch einen, wenn auch oft einem flachen sehr nahe kommenden Winkel mit einander bilden, werden sie an der Bauchseite mit dem Beginne des Hinterkörpers, d. h. von dem Anfange des Canalis gynaecophorus an, reine Querfasern; sie repräsentiren die schon von Leuekart beobachtete und beschriebene, starke innere Ringfaserschicht der Bauchseite. Auf gut getroffenen sagittalen Längsschnitten kann man diesen Ueber- gang ohne Schwierigkeit verfolgen (Fig. 7, Taf. I); ausserdem stimmen unsere Querfasern auch dureh ihre Schiehtung noch mit den echten Diagonalfasern überein. Die einzelnen Fibrillen liegen dieht gedrängt und vollkommen parallel neben einander; im übrigen habe ich dem, was wir über sie bereits wissen, nichts Wesentliches weiter hinzuzufügen. Ueberblicken wir nun die hier geschilderten Thatsachen noch einmal, so ergiebt sich, dass bei Bilharzia Weibchen und Männchen in Bezug auf den Bau und die Zusammensetzung ihres Hautmuskelschlauches nieht nur prineipell unter einander, sondern auch mit den übrigen Trematoden, speciell den Distomeen, überein- stimmen. Sie besitzen zu äusserst eine Ringmuskulatur, darunter eine Längsfaser- und zu innerst schliesslich eine Diagonalfaserlage; beim Männchen zeigen inFolge der eigenthümlich verändertenKörpergestalt alle 3 Schichten Abweichungen von dem gewöhnlichen Verhalten, ohne dassaber dabei der ursprüngliche Aufbau selbst verwischt würde. Die Thatsache nun, dass dem so ist, dass die Innenfläche des Canalis gynaecophorus von einem Hautmuskelschlauche ge- bildet wird, der dem der Körperoberfläche nicht nur völlig gleich gebaut ist, sondern auch die direete Fortsetzung desselben dar- stellt, veranlasst mich zu der weiter oben (pag. 10) ausgesprochenen Schlussfolgerung, nämlich der, dass der Canalis gynaecophorus als durch ventrale Einrollung eines in eigenthümlicher Weise verbreiterten Hinterleibes, nicht aber als eine besondere Bildung, wie etwa eine Aushöhlung oder ähnliches aufzufassen sein dürfte. 42 "A. Looss: C. Parenchymmuskeln. Bilharzia besitzt nur eine einzige Art von Parenchym- muskeln, diese dafür aber auch in ganz ungewöhnlicher Menge; es sind die von allen Autoren gemeldeten Dorsoventralmuskeln. Sie stehen stets ungefähr senkrecht auf der Bauch- und Rücken- fläche und daher kommt es, dass sie unter sich nicht parallel, sondern mehr oder minder radiär angeordnet liegen (Fig. 12, Taf. II). Letzteres kommt am deutlichsten zur Anschauung auf Querschnitten durch Individuen mit stark eingerollten Seitenlappen. Dass diese Parenehymfasern nicht unbeträchtlich dünner sind, als die Muskeln des Hautmuskelschlauches, hat Leuckart be- reits betont; während ich diese Angabe also bestätige, bin ich in Bezug auf einige weitere Punkte aber zu einer etwas abweichen- den Ueberzeugung gelangt. Zunächst sind, soweit ich habe sehen können, die Parenehymmuskeln in der allergrössten Mehrzahl einfach und unverästelt, während Leuekart ihnen „in Menge abgehende, feine Seitenäste“ zuschreibt, die „mit ihren Ver- zweigungen der zwischenliegenden Leibessubstanz ein maschiges Aussehen geben“ (l.e. pag. 479). Ich habe schon weiter oben (pg. 27) betont, dass ich die Existenz wirklich verzweigter Muskelfasern nicht gänzlich leugnen will; in den meisten Fällen scheint mir aber der Anschein einer Verästelung durch die mit- geschnittenen Wände der Parenchymzellen hervorgebracht zu werden, die dicht und fest den zwischen ihnen hindurchtretenden Fibrillen sich anlagern. Sehr oft laufen weiterhin zwei oder mehrere Fasern eine Streeke weit unmittelbar neben- oder über- einander hin, um erst später sich zu trennen; auch dadurch kann der Anblick einer Verzweigung hervorgebracht werden. Die Parenehymfasern spannen sich, wie wir wissen, zwischen Bauch- und Rückenseite aus und endigen in ihrer unmittelbaren Nähe. Dass sie nicht an die Cutieula selbst herantreten, habe ich für andere Formen schon früher wahrscheinlich zu machen versucht; in der That sieht man sie auch bei der Bilharzia nirgends mit voller Sicherheit direet an die Haut sich ansetzen, sie endigen vielmehr augenscheinlich im Parenechym zwischen den Fasern des Hautmuskelschlauches. Wenn ich nun auch nicht say in Abrede stellen will, dass einzelne von ihnen mit der Diagonalfaserlage in Verbindung treten, so sieht man doch an günstigen Präparaten die meisten mehr oder minder tief in die Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 43 dorsale Längsmuskellage eintreten und in dieser in der Nähe der Haut aufhören (Fig. 6, Taf. I. Unsere Parenchymfasern dürften somit nicht wohl als Ausläufer der Diagonalmuskeln an- zusehen sein, sondern als selbständige Elemente, wie bei den übrigen Trematoden. Einzelne der Parenchymfasern zeigen endlich ganz unzweifel- hafte Kerne, eine Thatsache, die wiederum Leuekart zuerst festgestellt hat. Nur liegen dieselben nieht innerhalb der dorsalen Längsfaserlage, sonderen vorzugsweise im Innern des Parenchyms; eine Verwechselung mit Kernen der Parenchymzellen ist hier ab- solut ausgeschlossen (ef. Fig. 5, 6, Taf. I), einmal weil diese letzteren niemals die langgestreckte, spindelförmige Gestalt der echten Muskelkerne aufweisen, sondern vor allem deshalb, weilmanin einzelnen, allerdings nicht häufigen Fällen, die von den Kernen ausgehenden Fasern auf längere Strecken verfolgen und so ihre Natur als Muskelfasern feststellen kann. Im Uebrigen steht dieser Fund durchaus nich vereinzelt da, da man nicht nur bei Trematoden, sondern vor allem bei diversen Cestoden (Leuckart, Hamann ete.) an den Parenchymmuskeln unzweifelhaft kern- haltige Anschwellungen beobachtet hat. . Auffällig bleibt dabei nur, dass es bis jetzt nicht hat gelingen wollen, bei erwachsenen Formen dieselbe Ausstattung auch an den Elementen des Haut- muskelschlauches nachzuweisen. Das bis jetzt über die Parenehymmuskulatur der Bilhar- zia Mitgetheilte bezieht sich nun ausschliesslich auf das Männchen; bei dem Weibchen ist es mir nieht geglückt, an irgend einer Stelle zweifellose Parenchymmuskeln aufzufinden. In den 9 In- dividuen, die ich in Schnitte nach den 3 Richtungen des Raumes zerlegt untersucht habe, weist das Parenchym seinen rein netz- förmigen oderschwammigen Bau auf, und höchstens da, wo massigere Organe in dasselbe eingelagert sind, erhält es in der unmittel- baren Nachbarschaft dieser Organe ein fibrilläres Gepräge. Dieser Umstand besitzt aber nach dem, was wir von den ver- wandten Arten kennen, nichts Auffälliges mehr; er dürfte vor allem nicht dazu angethan sein, in dieser Struetur des Parenehyms etwas Prineipielles zu sehen. Echte Parenehymmuskelfasern sind jedenfalls in diesem fibrillären Parenehym nicht zu erkennen, sund noch weniger finden sich Spuren von solchen in dem normalen Parenchym (ef. die sämmtlichen Figuren der Tafel III). Aus 44 A. Looss: diesem Grunde muss ich dem Weibehen, abweichend von Leuckart, den Besitz typischer Parenehymmuskeln absprechen, natürlich dass dieselben dann auch nicht an die inneren Organe sich ansetzen und als Dilatatoren derselben wirken können (ef. Leuekart l.e. pag. 476). Das letztere dürfte im übrigen schon von vorne herein als überflüssig erscheinen, indem, wie wir bald sehen werden, Oesophagus sowohl wie Darm ihre eigene, typische Muskulatur besitzen. Darmapparat. Weibehen. Die anatomischen Verhältnisse des Darm- canales beim Weibchen sind bereits von Bilharz in seiner ersten kurzen Beschreibung im Wesentlichen richtig dargestellt worden; vor allem betonte Bilharz das Fehlen eines besonderen Pharynx. In der ersten Auflage seines Parasitenwerkes spricht sich Leuekart über diesen letzteren Punkt nicht näher aus, berichtet aber weiter, dass der hintere, unpaare Theil des Darm- rohres meist etwas spiralig gewunden sei (l.e. pag. 618). Die ersten eingehenderen Angaben über den Bau des Darms rühren von Fritseh her. Nach ihm soll der Darm direet hinter dem Munde zu eine pharyngeale Erweiterung in Form eines Pokales zeigen, der eine dürftige Muskulatur besitzt; noch dürftiger ist dieseibe an den folgenden Abschnitten, doch werden speeciellere Angaben hierüber nieht gemacht. Dieht über dem Bauchsaug- napfe theilt sich der Darm in die beiden Schenkel, die sich un- mittelbar hinter dem Eierstock wieder vereinigen und nunmehr als gemeinsamer und undeutlich spiralig gedrehter Canal bis gegen das Hinterleibsende ziehen. Nach der Vereinigung erkennt man muskulöse Ringfasern um die Tunica propria des Darms; das un- regelmässig entwiekelte Epithel trägt Auflagerungen von körnigen Protoplasmafäden, die zu Bündeln verkleben, doch werden an- hängende, von dem verdauten Inhalte herrührende Tröpfehen nicht gefunden (l.e. pag. 209). Blanehard wiederholt in der Haupt- sache die Angaben von Fritsch; er erwähnt den weiten, pokal- förmigen und mit schwacher Muskulatur ausgestatteten Pharynx und lässt den unpaaren Theil des Darmes ebenfalls schwach spiralig sewunden sein (l.e. pag. 47). Chatin sprieht ebenfalls von einem ziemlich entwickelten, wenn auch wenig muskulösen Pharynx; durch die Theilung des Oesophagus entsteht nach ihm der Magen mit Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 45 seinen zwei Branches gastriques, die sich schliesslich wieder vereinigen; an dieser Stelle inserirt sich ein petit caecum median, das er intestin zu nennen vorschlägt. Seine schwache Ent- wickelung ete. erlaube freilich nicht, ihm einen grösseren fune- tionellen Werth beizulegen (!). Eine vielfach erweiterte und berichtigte Schilderung des Darmeanales und seines Baues finden wir in der zweiten Auflage von Leuckart's Parasitenwerk (l. ec. pag. 481 ff.); da wir auf die histologischen Einzelheiten später noch zu sprechen kommen werden, so sei hier nur das Anatomische aus Leuckart's Dar- stellung kurz angefühtt. Leuckart weist zunächst, zum ersten Male seit Bilharz Zeiten, die Angaben über die Existenz eines muskulösen Pharynx bei der Bilharzia zurück; er erkennt die wirkliche Form des Oesophagus und seine sehr charakteristische Verbindung mit dem eigentlichen Darm; er entdeckt das eigenthümliche Drüsenlager im Umkreise der Speise- röhre und beschreibt Parenehymmuskeln, welche an den Oeso- phagus sich ansetzen und so als Dilatatoren desselben wirken sollen. Ferner wird darauf hingewiesen, dass bei dem Weibchen die Theilung des Oesophagus in die Darmschenkel erst hinter dem Bauchsaugnapf erfolge, ein Verhalten, welches Chatin und Fritsch übersehen hätten; der Enddarm zieht schliesslich in leichten Spiralwindungen bis in die Nähe des Hinterendes. Lortet und Vialleton fügen diesen Angaben Leuckart's, was das Anatomische anlangt, kaum etwas Neues hinzu; sie rechnen die trichterförmige Höhlung des Mundsaugnapfes dem Verdauungscanal zu und betrachten es als eine structure parti- euliere, dass diese von der äusseren Cutieula bekleidet ist. Das perioesophageale Zellenlager wird ebenfalls beschrieben, doch sollen einzelne von dessen Elementen „möglicherweise Nervenzellen“ sein; eine Angabe, in der man unschwer eine Concession an die von Fritsch früher vertretenen Ansichten erblicken kann. Sie beobachten ferner Dilatatormuskeln am Oesophagus und schreiben dem Darm je nach dem Contraetionszustande des Thieres einen bald gestreckten, bald leicht spiralig gewundenen Verlauf zu (l.c. pag. 30 f.). Auf Grund meiner eigenen Beobachtungen kann ich nun, was das anatomische Verhalten des Darms anlangt, die Angaben Leucekart’s bis auf einige Kleinigkeiten bestätigen, Es fehlt 46 A. Looss: zunächst em muskulöser Schlundkopf; der Oesophagus hat viel- mehr von seinem Beginne im Grunde des Mundtrichters an bis zu seiner Theilung in die Darmschenkel ganz die gleiche Be- schaffenheit. Er besitzt bei den erwachsenen Weibchen eine Länge bis zu 0,2mm und zeigt in allen Fällen eine doppelte Anschwellung, jede von spindelförmiger Gestalt, die durch eine leichte Verengung von einander geschieden sind. Die letztere liegt stets an der Stelle, wo das Nervensystem den Darm über- brückt, und ist allem Anscheine nach eine eonstante Eigenthüm- keit des Oesophagus. Von den beiden Erweiterungen ist die hintere, die dem Uebergange in die Darmschenkel unmittelbar voraufgeht, stets die grössere, auch wenn keine Ansammlung von Nahrungsstoffen in ihr anzutreffen ist; sie misst in den meisten meiner Präparate 0,015 mm. Die Theilungsstelle des Darms wird vonLeuekart im ausdrücklichen Gegensatze zu Chatin und Fritsch, hinter den Bauchsaugnapf verlegt, während sie nach den genannten Autoren vor demselben oder wenigstens auf der Höhe desselben gelegen sein sollte. Bei der bestimmten Art und Weise, in der Leuekart seine Angabe macht, kann an dem beobachteten Faetum natürlich nicht gezweifelt werden; ein normales Verhalten dürfte die Theilung des Darms hinter dem Bauchsaugnapfe aber kaum darstellen, denn ich habe die- selbe bei den von mir untersuchten 9 Weibchen kein einziges Mal beobachten können. Ueberall lag vielmehr die in Rede stehende Stelle vor der Mitte des Bauchsaugnapfes, so dass auf einem dureh die letztere gehenden Schnitte stets bereits beide Darmschenkel gänzlich isolirt getroffen waren, wie es auch in Fig. 21, Taf. III zu sehen ist. Ueber den weiteren Verlauf der Darmschenkel stimmen meine Beobachtungen mit denen der älteren Autoren überein. Die Darmschenkel, die im Vorderkörper noch eine recht geringe Weite haben, nehmen nach hinten all- mählich an Caliber zu, doch hängen diese Verhältnisse sehr von den jeweiligen Füllungszuständen ab. Die ansehnlichste Weite hat der unpaare Theil des Darms, von dem ich mir nieht recht erklären kann, wie so ihn Chatin klein und unbedeutend nennen konnte. Da er im Durchschnitt, bei erwachsenen Weibehen wenigstens, die doppelte Länge und den 6—-8 fachen Querdurch- messer (essind diesnatürlich nur Mittelzahlen!) der paarigen Schenkel aufweist, so umfasst er 40—60 mal so viel Raum als diese, und das Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 47 braucht man nicht gerade als unbedeutend zu bezeichnen. Alle Autoren sind im übrigen darin einig, dem unpaaren Endtheile des Darmes einen leicht spiralig gewundenen Verlauf zuzu- schreiben, der nach Lortet und Vialleton weiter eine Folge der Contraction des Thierkörpers sein soll. Das letztere ist nun ganz bestimmt nieht der Fall, wenigstens habe ich unter einer grossen Zahl Weibehen auch im ausgedehnten Zustande keines mit völlig glattem und geradem Darme gesehen. Aber auch die Existenz von Spiraltouren im Verlaufe des Darmrohres kann ich nicht zugeben. Beobachtet man ganze Thiere, so sieht man alle Theile desselben durchaus auf dem gleichen Niveau, und ganz das gleiche Resultat ergiebt sich auch bei der Unter- suchung von Serienquer- und sagittalen Längsschnitten, wo der Durchschnitt des Darmes stets gleichweit von der ventralen Körper- wand entfernt bleibt. So könnte man ihm höchstens einen in einer Ebene ziekzackförmigen Verlauf vindieiren; noch wahr- scheinlicher dünkt es mir aber, dass wir es hier mit ganz kurzen und sehr regelmässig alternirenden Seitenzweigen zu thun haben, die nur durch die starke Füllung mehr oder minder verwischt werden. Bei der Untersuchung ganz junger Weibchen, die erst wenig Inhalt in ihrem Verdauungstrakt aufweisen, kommt dagegen dieser Bau viel deutlicher zum Ausdruck ). Da die histologische Structur des Darmes bei Weibchen und Männchen durchaus die gleiche ist, so wird sich dieselbe auch am besten für beide Geschlechter gemeinsam besprechen lassen. Werfen wir deshalb zuvörderst noch einen Blick auf die anatomischen Verhältnisse unseres Organsystems bei dem Männchen. Auch hier ist es Leuckart gewesen, welcher uns in der zweiten Auflage seines Parasitenwerkes zum ersten Male ein genaueres Bild von der Topographie des Ver- dauungstraktes entworfen hat, nachdem schon vorher Fritsch (l.e. pag. 216) darauf hingewiesen, dass auch bei dem Männchen hinter der Keimdrüse eime Vereinigung der beiden Schenkel stattfindet, wie bei dem Weibehen. Leuekart erkennt nun zunächst, dass diese erste Wiedervereinigung nicht, wie Fritsch angiebt, nahe hinter der Keimdrüse, sondern erst kurz vor der 1) So z.B. in dem von mir Faune paras. de l’Egypte, l. ce. Pl. XI, Fig. 109 abgebildeten Thiere. 48 A. Looss: Körpermitte stattfindet, dass sie weiterhin auch noch nicht die definitive ist, sondern dass auf ‘dieselbe von Neuem Trennungen und dann Wiedervereinigungen stattfinden können bis zu drei oder vier Malen. Da bei einem zweiten Männchen, das er untersuchte, Abweichungen in Bezug auf das Verhalten der Darmschenkel sich zeigten, so kommt er bereits auf die Vermuthung, dass „das Verhalten der männlichen Darmschenkel bei der Bilharzia haematobia nicht überall genau das gleiche sei“ (l. e. pag. 485 f.), wohingegen bei der Bilh.erassa Aehnliches nicht zu beobachten war. Lortet und Vialleton verlegen die erste Vereinigung der Darmschenkel noch weiter nach hinten, bis vers la partie posterieure du corps; es folgen auf diese Ver- schmelzung noch bis zu drei und vier Malen Trennungen und Wiedervereinigungen dicht aufeinander, theilweise durchAnasto- mosen, sodass schliesslich der unpaare Theil des Darmes nur zanz. k wr z/ist (|; c.,pag.»3&.ugBl. DU .Fie,,8). Wie man sieht, lauten also die Angaben über die Configu- ration des Darmeanales bei dem Männchen ziemlich abweichend und theilweise sogar einander direet widersprechend. Der Grund hiervon ist num einfach der, dass unser Organsystem in der That in den verschiedenen Individuen en ausserordent- lieh wechselndes Verhalten zeigt, so wechselnd, dass es wahrseheinlich schwer sein dürfte, überhaupt zwei Individuen zu finden, bei denen es genau die gleichen Verhältnisse aufwiese. Hierbei ist allerdings, wie ich gleich betonen will, von dem Darmapparate als Ganzem der Oesophagus auszunehmen. Zwar zeigt auch dieser in den einzelnen Individuen des Wurmes ein recht wechselndes Aussehen, es lässt sich bei ihm aber eine Normalform ohne weiteres erkennen. Dieselbe ist bereits von Leuekart charakterisirt worden; die Speiseröhre zeigt, wie beim Weibchen, constant zwei Erweiterungen, die an derjenigen Stelle, wo das Nervensystem über sie hinwegzieht, durch einen deutlich und regelmässig verengten Abschnitt verbunden sind. In Bezug auf ihre Weite wechseln die beiden Erweiterungen recht beträchtlich, indessen lässt sich wiederum constant beob- achten, dass die hintere von beiden die mächtigere ist (ef. Fig. 1, A—D, Taf. I). Während ich die vordere nicht weiter als 0,05 mm gefunden babe, besitzt die hintere ein Lumen von gelegentlich 0,07 mm, ist in anderen Fällen aber auch nur 0,06 mm weit. Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 49 Vor ihrem Eintritt in den gabeligen Darm verengt sie sich unter allen Umständen wieder; in einzelnen Fällen gehen ihre Wände dann glatt in die des Magendarmes über, in anderen bilden sie bei diesem Uebergange einen zapfen- oder muttermundartigen Vor- sprung; letzteres Verhalten ist bereits von Leuckart beobachtet worden, repräsentirt aber keinen constanten Charakter. Was nun die Darmschenkel anlangt, so bezieht sich die oben aufgestellte Behauptung von dem ausserordentlich wechseln- den Verhalten des Darmes auf sie. Ich habe zum Beweise dieser Behauptung in der Figur 1, Taf. I vier beliebige Individuen aus meinen Präparaten abgebildet, bei denen sich der Darm leicht und auch in seinen Einzelheiten mit Sicherheit beobachten liess. In A bleiben die beiden Darmschenkel verhältnissmässig sehr lange getrennt, ähnlich, wie es Lortet und Vialleton be- schreiben, nämlich bis zu 5mm hinter der Theilungsstelle, das ist in unserem Falle 0,7 mm der Gesammtlänge. Diese erste Ver- einigung erfolgt nicht durch direetes Zusammentreten der Schenkel selbst, sondern durch eine Queranastomose, wie das sehr häufig vorkommt. 0,25mm hinter der Anastomose erfolgt dann die definitive Verschmelzung der Schenkel zu einem unpaaren Darm, der noch 1,5 mm Länge besitzt und 0,5 mm vor der Schwanz- spitze endigt. Auch in B liegt die erste Verbindung der Darm- schenkel noch ziemlich weit hinter dem Uebergange des Oeso- phagus in den Magendarm, nämlich nicht ganz 4 mm, bei 7,5 mm Totallänge des Wurmes. Die erste Communieation erfolgt dureh eine schr dünne Anastomose; 0,17 mm dahinter folgt eine zweite und noch 0,4 mm weiter treten die Darmschenkel dann zu einem einfachen Canale zusammen. Dieser spaltet sieh jedoch später noch zweimal auf immer kürzere Strecken in gesonderte Uanäle, das erste mal auf 0,355 mm in einer Entfernung von 0,9 mm hinter der hervorgehenden Verschmelzungsstelle, das zweite mal auf nur 0,12mm 0,2mm hinter der zweiten Vereinigung. Das letzte, unpaare Darmstück ist hier 0,6 mm lang und endigt 0,23 mm vor der Schwanzspitze. In C liegt die erste Verbindung der Darm- lumina dureh eine Anastomose nur 2,5 mm hinter dem Ursprunge derselben aus dem Oesophagus; es erfolgt hier eine viermalige Versehmelzung der Schenkel selbst, wozu sich ausser der oben genannten noch 3 Queranastomosen gesellen, so dass im Ganzen 8 Verbindungsstellen der beiden Darmschenkel existiren, wie man Archiv f. mikrosk, Anat, Bd. 46, 4 50 A. Looss! in der Figur sehen kann. Das letzte, unpaare Darmstück ist hier 1,95 mm lang und endigt nahezu Imm vor der Schwanz- spitze. In D endlich liegt die erste Vereinigung der Därme nur 1,5 mm hinter der Gabelungsstelle, das ist, bei einer Gesammt- länge des Thieres von 6,7 mm, am Ende des ersten Drittels dieser letzteren, also auch ziemlich nahe (nur 0,75mm) hinter dem letzten Hoden. Der Darm theilt sich hier gleich nach dieser ersten Verschmelzung noch einmal auf eine kurze Strecke (0,25 mm), um von da an einfach bis 0,6 mm vor das Schwanzende zu ver- laufen. Endlich besitze ich noch ein Präparat des Wurmes, in welehem der Darm vor der Körpermitte durch Verschmelzung der beiden Schenkel unpaar wird und in dieser Form, ohne weitere Theilung, bis gegen das Körperende nach hinten zieht. Er hat also hier eine Gestaltung, die vollkommen mit der bei dem Weibehen auftretenden übereinstimmt. | Die hier angeführten Beispiele dürften wohl genügen, um die oben aufgestellte Behauptung zu rechtfertigen. Bemerkens- werth bleibt übrigens noch die verschiedene Entfernung, in welcher der Darm vor dem Hinterende aufhört; theilweise dürften diese Differenzen freilich auch in der wechselnden Streekung des letzteren ihre Ursache haben. Was nun das histologische Verhalten des Darm- apparates betrifft, so habe ich oben schon gesagt, dass es für Weibehen und Männchen durchaus dasselbe ist, hier also auch für beide gemeinsam besprochen werden kann. Als äusserste Umhüllung finden wir an. dem Darmapparate in seiner ganzen Ausdehnung eine doppelte Muskellage, die freilich nicht an allen Stellen und in allen Präparaten gleich deutlich nachzuweisen ist. Am stärksten und deshalb am deutlichsten ist sie an dem Oeso- phagus, wo sie aus einer äusseren Längsfaser- und einer inneren Ringfaserlage zusammengesetzt ist. Bereits Fritsch erwähnt eine Muskulatur der Speiseröhre und schreibt namentlich der „pharyngealen Erweiterung“ einen kräftiger muskulösen Bau zu, freilich ohne sich weiter über die Zusammensetzung des Muskel- apparates zu äussern; nur nach der Vereinigung der Darmschenkel soll die Darmwandung unter Ausbildung muskulöser Ringfasern um die Tunieca propria an Dieke gewinnen. Leuckart giebt zuerst genaueres über den muskulösen Bau des Oesopha- sus an; derselbe besitzt Ringmuskeln von ziemlicher Dicke, Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 51 die in continuirlicher Lage über die ganze Länge des Rohres hinziehen; Längsmuskeln hat Leuekart hingegen nicht nach- zuweisen vermocht (l.e. pag. 482). Auch besondere, den Chy- lusdarm umfassende Ringfasern, wie Fritsch sie annehme, hat er nicht auffinden können (l.e. pag. 487). Lortet und Vialleton erkennen dagegen an dem Oesophagus besonders auf Querschnitten deutliche Längsmuskelfasern, die um den An- fangstheil desselben eine ziemlich ununterbrochene Lage bilden, hinter dem Nervensystem aber allmählich abnehmen und schliess- lieh ganz schwinden. Der Darm besitzt nach ihnen einen eben- falls ziemlich eontinuirlichen Belag von Ringmuskelfasern. Diese über die Ausstattung des Darmapparates mit Muskeln vorliegenden Angaben lauten also ziemlich abweichend; trotz alledem aber ist fast keine von ihnen unrichtig. Wie schon oben erwähnt, besitzt zunächst der Oesophagus auf seiner äusseren Wand nicht nur Ringfasern, wie es Leuckart, und nicht nnr Längsfasern, wie es Lortet und Vialleton beschreiben, sondern beide Fasersysteme sind gleichzeitig vorhanden. Sagittal- schnitte, besonders des Männchens, die den Oesophagus gerade anschneiden, zeigen (Fig. 14, Taf. II) beide Fasersysteme deut- lich; auf tieferen Sagittalschnitten erkennt man dagegen die Ringfasern, auf Querschnitten (Fig. 10) die Längsfasern deutlicher. Beide Fasersysteme scheinen die directen Fortsetzungen der ent- sprechenden Bildungen an der Innenwand der Mundhöhle zu sein; sie sind auch, wie es bereits Leuckart betont, ziemlich kräftig (0,001 mm), die Ringfasern dichter gelagert, als die aussen aufliegenden Längsfasern; der gegenseitige Abstand der letzteren wird dabei um so grösser, je mehr der Oesophagus in der oben erwähnten Weise aufgetrieben ist. Längs- und Ringmuskeln setzen sich mit dem Uebergange des Oesophagus in den Darm auf dessen Schenkel fort, werden hier aber schwächer und ihre Elemente spärlicher. Besonders bei dem Männchen sind sie im Hinterkörper gar nicht mehr leicht, und meist auch nur an flachen Anschnitten des Darms nachzuweisen; leichter gelingt das letztere bei dem Weibchen (Fig. 26, Taf. ID. Die innere Auskleidung des Darmrohres hat, worauf Leuekart zuerst hinwies, im Oesophagus eine durchaus andere Beschaffenheit, als in den paarigen Darmschenkeln. Leuckart beschreibt diese Auskleidung des Oesophagus als eime Lage 4 59 A. Looss: ziemlich hoher Zellen, deren protoplasmatische Substanzmasse nicht bloss der Länge nach gestreift, sondern meist sogar zer- schlitzt ist, sodass es, besonders im hinteren Abschnitt, den An- schein gewinnt, als wenn die Tunica propria mit einem dichten Besatze feinster Zotten versehen wäre, deren Spitzen frei in den Innenraum hineinragen (l. e. pag. 483). Diesen Angaben wider- sprechen nun Lortet und Vialleton, indem sie vor allen Dingen betonen, dass es ihnen mit keinem färbenden Reagens gelungen ist, in der Zottenschichte Kerne nachzuweisen (l. c. pag. 31). Sie bezweifeln daraufhin die von Leuckart sta- tuirte epitheliale Natur der in Rede stehenden Substanzlage und vermuthen in ihr vielmehr eine modifieirte Cutieula; die Zotten sollen, anstatt zelligen Elementen zu entsprechen, eine Art euti- cularer Verlängerungen darstellen, die mit Carmin wie die Stacheln der Haut färbbar, aber unendlich viel robuster sind, als diese. Abgesehen von dieser letzteren Zusammenstellung nun, die mir ziemlich unglücklich erscheint, muss ich aber im Uebrigen die Angaben der beiden Forscher vollinhaltlich bestätigen: es ist das in der ganzen, grossen Arbeit Lortet's und Vialleton’s einer der wenigen Punkte, wo ihre gepriesenen, unendlich genauen Untersuchungen etwas Neues und dabei wirklich auch Richtiges bringen! Die innere Belegschicht der Oesophagealwandung lässt nirgends eine Spur von Kernen erkennen, verhält sich aber im Uebrigen genau so, wie esvon Leuckart geschildert worden ist. Sie präsentirt sich als ein dichter Pelz von feinen, meist nach rückwärts, aber auch unregelmässig durcheinander gerichteten Zotten, deren Länge, meinen Beobachtungen nach, in der ganzen Ausdehnung des Oesophagus ziemlich dieselbe bleibt. Eine Aus- nahme hiervon macht nur der Anfangstheil des Schlundrohres, wo man die Zöttehen allmählich in die eutieulare Auskleidung der Mundhöhle übergehen sieht (Fig. 2, Taf. I); ihre normale Höhe im übrigen Oesophagus beträgt 0,0037 mm. Unter solehen Umständen dürfte es zweifellos sein, dass wir es in dieser Sub- stanzlage nieht mit einem Epithel, sondern mit einer Fortsetzung der Cutieula zu thun haben, ein Factum, was auf das Beste har- monirt mit dem, was wir von den verwandten Trematodenformen wissen. Auch bei diesen ist bekanntlich die Auskleidung des Oesophagus eine der äusseren Körperbedeckung durchaus analoge Masse, die erst bei dem Uebergang in die eigentlichen Darm- » Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 53 schenkel plötzlich und unvermittelt dem echten Darmepithel Platz macht. Unsere Bilharzia bildet von dem gewöhnliehen Verhalten nur insofern eine Ausnahme, als bei ihr die Auskleidung der Speise- röhre nicht glatt, sondern in die beschriebenen Zöttehen zerspalten ist; die von Lortet und Vialleton versuchte Zusammen- stellung der letzteren mit den Stacheln der äusseren Haut halte ich um deswillen für verfehlt, weil diese nicht, wie die Zöttchen, Verlängerungen der Haut selbst, sondern selbstständige Einlage- rungen in dieselbe darstellen. Auf den scharfen und durchaus unvermittelten Uebergang der Zöttehenschieht des Oesophagus in das echte Epithel des Darmes hat Leuckart schon hingewiesen. Man bemerkt an der Uebergangsstelle auch gar nicht selten das von Leuckart beschriebene, muttermundartige Hineinragen des Oesophagus- endes in den weiten Anfangstheil des paarigen Darms; den Werth eines constanten Charakters besitzt dieses Verhalten jedoch, wie schon erwähnt, nicht. Es ist vielmehr abhängig von der Contraetion des Vorderkörpers und den Ausdehnungsverhältnissen des Darmapparates; man findet bei Vergleich eines grösseren Materials alle Uebergänge von dem typischen muttermundartigen Vorspringen bis zu einem einfach glatten Uebergehen beider Darm- abschnitte ineinander. Was das Epithel der Darmschenkel anlangt, so habe ich dem bisher bereits Festgestellten kaum etwas hinzuzufügen. Die Zellen desselben sind nirgends durch scharfe und deutliche Grenzen von einander getrennt, und deshalb nur an ihren deut- lichen runden oder ovalen Kernen erkennbar. Die Form wechselt mit den Dehnungsverhältnissen des Darmes von einer sehr flachen von nur 0,0015 mm Höhe, in der die langgestreckten Kerne buckelförmig nach aussen hervorragen, bis zu einer solchen von gelegentlich 0,025 mm Höhe. Das Protoplasma ist, was schon Leucekart angiebt, fein senkrecht gestreift; übrigens nicht nur in der Nähe des Pylorialtheiles, sondern auch anderweit im Darme. Die innere Begrenzungsfläche der Epithelzellen endlich ist nirgends regelmässig und wird durch feine Ausläufer oder unregelmässige Fortsätze sehr oft mit den im Darme befindlichen Nahrungspartikeln in Verbindung gesehen. Diese Nahrung, deren Reste man, wie bekannt, sehr all- gemein im Innern unserer Bilharzien vorfindet, verdient noch, 54 A. Looss: mit einigen Worten besprochen zu werden. Gewöhnlich wird der Darminhalt der Würmer beschrieben als geronnenes, schwärz- lich gewordenes Blut (Fritsch), oder als fenkörmiges Gerinnsel mit zahlreichen, meist ausgeblassten und auch sonst veränderten Blutkörperchen (Leuekart); auch Lortet und Vialleton erwähnen besonders im Vorderdarm noch deutlich erkennbare Blutkörperchen (l. e. pag. 32). Das erwähnte Gerinnsel, das in den meisten Fällen eme braune bis tiefschwarze Farbe aufweist und dadurch den Darm unserer Thiere schon für das blosse Auge deutlich kenntlich macht, habe ich ebenfalls überall ge- funden, und es ist besonders der unpaare Theil des weiblichen Darmes, der fast stets sehr stark mit ihm gefüllt ist. Auch an ihrer runden Form und der blassgelblichen Farbe leicht kennt- liche rothe Blutzellen kommen in diesem Gerinnsel gelegentlich vor, aber, meinen Beobachtungen nach, so selten, dass man kaum die dunkle Farbe des Gerinnsels von ihnen ableiten kann. Dagegen finden sich in allen den 23, auf Schnitten von mir untersuchten Individuen innerhalb des Gerinnsels und vielfach auch frei im Darm sehr zahlreiche andere Gebilde vor, die von keinem der bisherigen Bilharziauntersucher erwähnt werden. Es sind dies vollkommen typische Zellen von 0,005 mm — 0,012 mm Durchmesser, also beträchtlich wechselnder Grösse, die sich mit Farbstoffen ziemlich intensiv färben. Sie besitzen alle einen Kern, der in einzelnen Fällen rund, in anderen unregelmässig, mehrfach und mehr oder minder tief eingekerbt ist, und schliess- lieh in 2 oder 5 kleinere Theilstücke zerfallen sein kann. Sein Durchmesser wechselt zwischen 0,005 und 0,008 mm; er nimmt also einen beträchtlichen Theil der Zelle em und färbt sich ausserdem sehr stark. Weiter hinten im Darm findet man diese Zellen seltener, dagegen sind sie vorn und besonders im Oeso- phagus und an der Ursprungsstelle der paarigen Darmschenkel oft in grossen Mengen, bis zu 100 und mehr auf einem Schnitte anzutreffen. Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, dass wir es im diesen Zellen mit Nahrungsobjeeten unserer Bilharzien zu thun haben, und dass diese dem Körper des Menschen entstam- men; es fragt sich nur, was für Zellen es sind. Die Entscheidung (dieser Frage dürfte keinerlei Schwierigkeiten bieten; die so sehr wechselnde Grösse der Zellen, die relative Grösse des Kernes und vor allem dessen eigenthümliche Gestaltverhältnisse setzen Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 55 es ausser Zweifel, dass hier Leukoeyten vorliegen. Diese That- sache ist nun, abgesehen davon, dass sie bisher unbekannt war, insofern von noch erhöhtem Interesse, als sie möglicherweise einen Rückschluss auf die Herkunft oder wenigstens den früheren Aufenthalt unserer Würmer zulässt. Als von vornherein zweifel- los kann wohl angenommen werden, dass diese die Leukoeyten nicht aus dem Blute der Pfortader aufgenommen haben; da in dem kreisenden Blute, wie man dureh Zählungen festgestellt hat, je nach den Umständen auf 300-—500 rothe Blutkörperchen erst ein farbloses kommt, so müsste man den Parasiten die Be- fähigung zuschreiben, ihre Nahrung in ganz bestimmter und zu- gleich einigermaassen umständlicher Weise auszuwählen. Das hat aber wenig Wahrscheinlichkeit für sich, viel weniger jedenfalls, als die andere Annahme, dass die Thiere ihre Nahrung an einem Orte aufgenommen haben, wo solche weisse Blutzellen ihnen in grösserer Menge zu Gebote stehen. In dieser Hinsicht dürfte nun vor allem die Leber in Betracht zu ziehen sein, da dieselbe einmal in direeter Nähe gelegen ist, und da sich anderer- seits nicht nur die Herkunft der Leukocyten, sondern auch die des braunen oder schwarzen Pigmentes aus den Leberzellen auf solche Weise erklären liesse. Jedenfalls dürfte, wenn es sich um die Erforschung des früheren Aufenthaltsortes der Pfortaderwürmer handelt, die Leber nicht ausser Acht zu lassen sein; ich will bei dieser Gelegenheit verrathen, dass ich sie schon früher stark in Verdacht gehabt und auch jetzt noch in demselben Verdachte habe. Bei meinen Versuchen zur Aufklärung der Lebensge- schichte der Bilharzia bin ich bekamntlich zu der Ueber- zeugung geführt worden, dass die Ammenzustände des Wurmes bereits im Menschen zu suchen seien; ich habe daraufhin bei meinen Versuchsthieren speciell die Leber scharf ins Auge ge- fasst — leider aber nichts gefunden. Das oben geschilderte massenhafte Auftreten von Leuko- eyten in dem Darme der Bilharzien wird übrigens dadurch noch bedeutend auffälliger, dass man gar nicht selten bei männliehen Würmern Blut im Innern des fest geschlossenen Canalis gynae- cophoras antrifft. Beträchtlich sind die Mengen dieses Blutes allerdings nie, da ich, wie ich weiter oben schon mitgetheilt habe, die Thiere vor der Conservirung immer erst in Salzlösung reinigte. Kleine Blutmassen haben sich aber, wie gesagt, be- 56 AAr0 088 : sonders an geschützteren Stellen erhalten, und im diesen findet man gelegentlich auch Leukocyten, die sich in niehts von den im Innern des Darmes befindlichen unterscheiden. Nur ihre Zahl ist verschwindend, und das ist insofern von Bedeutung, als man viel- leicht die Häufigkeit der Leukocyten im Darme auch mit der Annahme eines veränderten Mengenverhältnisses der weissen Blutzellen zu den rothen in dem von den Parasiten bewohnten Blute zu erklären suchen könnte. Dass eine solche Annahme grundlos ist, be- weist eben das Verhalten des Blutes ausserhalb des Wurmes. Durch die Untersuchungen Leuckart’s sind wir schliess- lich noch mit einer sehr bemerkenswerthen Ausrüstung des Oeso- phagus bekannt geworden. Er berichtet darüber, dass die Aussen- fläche der Oesophagealwand einen Belag von plasmareichen Kern- zellen trägt, die mit Ausnahme des verengten Mittelstückes (1. e. an der Stelle, wo das Nervensystem das Schlundrohr überbrückt) so dieht gedrängt liegen, dass dadurch fast der Eindruck eines Aussenepithels entsteht. In dem hinteren Abschnitte des Mund- darmes gesellt sieh zu dieser Auflagerung noch eine massenhafte Ansammlung von Drüsenzellen, die vereinzelt auch schon vor dem Nervenhalsbande gefunden werden. Dieselben bilden einen locker gefügten Ballen von kugeliger Gestalt, der allseits den Oeso- phagus umgiebt und von kräftigen Muskelfasern durehsetzt wird, die in radiärer Riehtung sämmtlich gegen den letzteren hin- laufen, sich aber schliesslich in ein plexusartiges Netzwerk feinster Fibrillen auflösen und dadurch mit der ösophagealen Wand in Verbindung treten (l. e. pag. 482). Leuckart fasst diese Muskelfasern, die sich peripher den Parenchymfaserzügen bei- mischen, als Dilatatoren auf und vindieirt ihnen beim Nahrungs- erwerb dieselbe Rolle, die sonst bei den Trematoden der Pharynx übernommen hat. Die” dünnen Ausführungsgänge, die man nicht selten an den Drüsenzellen beobachtet, sind sämmtlich gegen den Oesophagus gerichtet und man wird deshalb annehmen können, dass ihr Inhalt demselben nach Art eines Speichels zu- fliesse. Lortet und Vialleton berichten ungefähr dasselbe wie Leuekart, ohne etwas wesentlich Neues hinzuzufügen. Dafür stellen sie die Vermuthung auf, dass „möglicherweise eine gewisse Zahl dieser periösophagealen Zellen dem centralen Nervensystem angehören“; sie machen damit, wie ich gelegent- lich schon hervorhob, augensehemlich eine Concession an die Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 57 ältere, bereits von Leuckart als irrthümlieh begründete An- gabe vonFritsch (l. e. pag: 214 u. 221), dass um den Pharynx und hinter dem Mundsaugnapfe gangliöse Zellgruppen gelegen wären; was Lortet und Vialleton selbst beobachtet, und welche selbständige Meinung sie sich gebildet, erfährt der Leser leider nicht. Auf Grund der Untersuchung meines reicheren und auch besser conservirten Materials bin ich nun im Bezug auf das Verhalten dieses ösophagealen Aussenbelages zu einer von der- jenigen Leuekart's etwas abweichenden Ansicht gelangt. Zu- nächst kann es keinem Zweifel unterliegen, dass wir auf der ganzen Ausdehnung des Oesophagus nur eine einzige Art von Zellen haben, welehe die äussere Umhüllung bilden. Allerdings sind dieselben in der vorderen Hälfte etwas kleiner und stehen hier auch weniger gedrängt; sie chen aber ohne jede Unter- brechung unter dem Nervenhalsbande hinweg (s. Fig. 10, Taf. II) in die hintere, bedeutend massigere Ansammlung über und haben auch vorn und hinten im Prineip durchaus das gleiche Aussehen. Das letztere wechselt indessen nicht unbeträchtlich in den ver- schiedenen Individuen. Nur bei verhältnissmässig wenigen, aber gerade denen, deren Erhaltungszustand der augenfällig beste war, präsentiren sich die Drüsen als normale, birn- oder flaschen- förmige Zellen mit feinkörnigem, gleichmässig vertheilten Proto- plasma und runden Kernen von 0,0056 mm Durchmesser; die Grösse der Zellen wechselt, wie erwähnt (vorn sind sie ea. 0,017 mm lang, hinten dagegen bis zu 0,0376 mm), und noch mehr ihre Gestalt; doch sind ihre spitzen Enden alle sammt und sonders dem Oesophagus zugewandt und lassen sich hier mit- unter sehr hübsch in lange, fadenförmige Ausführungsgänge ver- folgen, die erst unmittelbar auf der Aussenwand des Oesophagus endigen (Fig. 14, Taf. II). Bei anderen, ebenfalls gut erhaltenen Individuen zeigen sich in diesen Zellen kleine, helle Vaeuolen, oft zu mehreren, zwischen denen das körnige Plasma noch sicht- bar ist; manchmal ist auch der ganze Zellkörper etwas aufge- trieben, wie von einer hyalinen Flüssigkeit erfüllt, und nur am Rande bemerkt man noch Reste des körnigen Plasmas (Fig. 2, Taf. ID. Bei weniger gut erhaltenen Individuen endlich sind die Zellen stark aufgetrieben und von einer Anzahl grösserer Vacuolen so erfüllt, dass die plasmatische Wand nur noch ausser- 58 A. Looss: ordentlich dünn ist, und auch der Kern oft an die Wand ge- drückt oder zwischen den Vaeuolen zusammengepresst erscheint. Der zuerst geschilderte Erhaltungszustand unserer Zellen ent- spricht zweifellos dem natürlichen am meisten; ob die blasige und mässig vaecuolisirte Erscheinungsform bereits als patho- logisch verändert oder als Stadium aus der Seeretionsthätigkeit aufzufassen ist, dürfte nicht so leicht zu entscheiden sein; ich möchte fast der ersteren Ansicht zuneigen. Die stark vaecuolisirte Erseheinungsform endlich ist sicher pathologisch. Wir haben also um den Oesophagus in ganzer Ausdehnung ein Lager gleichartiger Zellen, die hinten am mächtigsten sich ansammeln und ganz zweifellos Drüsenzellen repräsentiren; zu der Ansicht, dass eine Anzahl von ihnen dem Nervensystem an- gehören, also Ganglienzellen darstellen, wird bei etwas mehr als oberflächlicher Prüfung kaum Jemand mehr kommen. Es fragt sich nun aber, welche Function diese Drüsen haben dürften. Der Möglichkeiten liegen zwei vor; es kann sich einmal um echte Speicheldrüsen handeln, andererseits aber auch um Lieferantinnen der starken eutieularen Auskleidung des Oesophagealrohres. Für die erstere Auffassung, der bereits Leuekart Ausdruck ge- geben hat, spricht einmal die Analogie mit anderen Trematoden- formen und ferner der Umstand, dass die in den Anfangstheil des Darmes aufgenommenen zelligen Nahrungsmassen hier augen- scheinlich ziemlich schnell verändert und aufgelöst werden, wie wir oben sahen, so dass nur wenige weiter nach hinten gelangen. Für die zweite Möglichkeit spräche die relativ bedeutende Grösse und Menge der eutieularen Stäbchen, über deren Herkunft an dieser Stelle wir kaum eine Aufklärung erhalteu. Ich will indess nieht verhehlen, dass mir die Deutung Leuckart’s die bei weitem grössere Wahrscheinliehkeit für sich zu haben scheint. Es erübrigt nun noch, mit einigen Worten der von Leuekart beschriebenen, von Lortet und Vialleton adoptirten sog. Dila- tatormuskeln des Oesophagus zu gedenken. Was zunächst die letztgenannten beiden Autoren anlangt, so beschreiben und zeichnen sie (l. e. pag. 26 u. Pl. III, Fig. 13) dorso-ventrale Parenchymmuskeln, welche die Substanz des Gehirns durch- setzen und von denen einzelne am Oesophagus sich inseriren und als Dilatatoren wirken sollen. Zunächst muss ich die Dureh- setzung der eentralen Nervenmasse durch Muskelfasern in Zweifel Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 59 ziehen, und zwar auf Grund von Thatsachen, die wir bei Be- sprechung des Nervensystems kennen lernen werden. Nicht minder muss ich aber die Insertion der Muskeln an dem Oeso- phagus und damit ihre Natur als Dilatatoren desselben bestreiten. Was solehe Dilatatoren überhaupt gerade unter dem Nervensystem be- zwecken, wo sie Lortet und Vialleton beobachtet haben wollen, vermag ich nicht recht einzusehen; aber auch am übrigen Oesophagus, und ebenso an dem weiteren Verlaufe des Darmes existiren sie nicht, soweit meine 23 Schnittserien nach allen 3 Riehtungen des Körpers maassgebend sein können. Auf Quer- schnitten kann man sich zunächst positiv davon überzeugen, dass ausser dorso-ventral verlaufenden keine anderen Parenchym- fasern im Bilharziavorderkörper existiren; es können somit nur von oben und unten, nicht aber von den Seiten echte contractile Fasern an den Oesophagus herantreten; dorsale und ventrale, also diametral gegenüberliegende Fasern allein aber dürften wohl kaum wirklich erweiternd auf das innere Lumen wirken können, selbst wenn sie an der Schlundwand ihr Ende fänden. Von letzterem Verhalten habe ich mich aber nirgends mit Sicherheit überzeugen können, um so öfter und um so deutlicher habe ich aber zu eonstatiren vermocht, dass auf den Oesophagus zusteuernde Fasern dieht über dessen Wand hinweg und zwischen den Wurzeln der periösophagealen Drüsen hindurch nach der anderen Seite hin- über sieh begeben. Man sieht dies an Querschnitten, vor allem schön aber an Sagittalschnitten, die gerade den Oesophagus an- schneiden (Fig. 2, 10). Im Uebrigen scheint mir bei der doch immerhin ansehnlich entwickelten eigenen Muskulatur des Oeso- phagus die Existenz solcher Dilatatormuskeln zum mindesten ent- behrlich zu sein. Aehnlieh liegen die Verhältnisse auch am Darm; wo es hier den Anschein hat, dass Parenehymmuskeln an dessen Wand heran- treten, überzeugt man sich doch meist leicht, dass die betreffenden Muskeln darüber oder darunter hinweglaufen. Besonders in den Winkeln, die die seitlichen Ausbuchtungen desselben mit dem Haupttraetus bilden, kommen sie oft zu mehreren zusammen, laufen aber auch hier von oben bis unten durch, wie man z. B. auf Fig. 12, Taf. II sehen kann. 60 A. Looss: Nervensystem. Der Erste, der ein Nervensystem der Bilharzia überhaupt erwähnt, ist Fritseh (l.e. pag. 214 und 221). Freilich hat derselbe an dem ihm vorliegenden, mangelhaft eonservirten Mate- yial nur wenig eruiren können, und sprieht neben „multipolaren Zellen mit bläschenförmigen Kernen“, welche sich zwischen den Muskelbündeln eingestreut finden und die gangliöser Natur sein sollen, „dürftige Zellenanhäufungen am Pharynx und hinter dem Mundsaugnapfe“ als pharyngeale Ganglien an. Leuckart er- kennt (Paras. 2. Aufl. pag. 482f.) dagegen zum ersten Male mit Bestimmtheit das Nervenhalsband, welches den verengten Theil des Oesophagus überbrückt und in den Seiten in je zwei Nerven sich spaltet. An der Theilungsstelle sind kleine Zellen, wahr- scheinlich Ganglienzellen, eingeschlossen ; die Nerven selbst haben sich trotz ihrer nicht unbedeutenden Stärke aber leider nur wenig weit verfolgen lassen. Aus diesem Baue und dieser Lagerung des Nervensystems schliesst Leuekart weiter, dass die von Fritsch als Nervenzellen beschriebenen Zellenanhäufungen sehr wahrscheinlich nicht das Nervensystem, sondern die bekannten ösophagealen Drüsenzellen darstellen. Soweit Leuckart; Lor- tet und Vialleton können, trotzdem ihre Monographie so unendlich viel exacter ist, als die bisher veröffentlichten, den von Leuckart beschriebenen Bau des Nervensystems nicht er- kennen (l.e. pag. 26 ff... Weder auf Totalpräparaten, noch auf Frontalschnitten können sie eine ähnliche Anordnung des Organs eonstatiren, und nur auf Querschnitten finden sie einen Bogen feinstreifiger Substanz mit eingestreuten Kernen, der von Dorso- ventralmuskeln durchsetzt wird und einen wichtigen Theil des Centralnervensystems darstellen soll. Dieser Centraltheil findet sich in ihren Präparaten weiterhin stets nur auf einem einzigen Schnitte; der vorhergehende und der nachfolgende enthalten keine Spur mehr davon (abgesehen von schief gegangenen Schnitten) und der ganze Befund genügt ihnen, die thatsächliche Existenz der von Leuekart beschriebenen und gezeichneten Längsnerven in Zweifel zu ziehen (l.e. pag. 28: „. . il nous parait assez diffi- eile de dire si les nerfs longitudinaux que Leucekarta figures en avant et en arriere de sa eommissure transversale, laquelle r&pond bien &videmment & notre organe eentral, existent r&ellement“). Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 61 Es kann für den Fortschritt der Wissenschaft nur als ein Glück bezeichnet werden, dass „exacte“ Untersuchungen dieser Art nicht häufig vorkommen. Und wenn schon jemand nicht im Stande ist, sei es aus Mangel an genügendem Material, sei es aus Gründen persönlicher Natur, das vor ihm von anerkannten Forschern bereits klar und sieher Erkannte ebenfalls zu sehen, dann sollte er wenigstens nicht in seinen Publikationen einen Ton anschlagen, der wohl dem Niehtkenner vielleicht imponirt und ihm Sand in die Augen streut, den Fachmann aber nur heraus- fordert. Anstatt infmiment plus exacte zu sein, als die bisherigen Beschreibungen der Bilharziaanatomie, bleibt die Arbeit Lortet’s und Vialleton’s, trotzdem sie die zeitlich jüngste ist, ein gutes Stück hinter allen zurück; sie erscheint aber noch dürftiger, wenn man erfährt, was sich überhaupt von dem Nervenapparate sehen lässt. Es ist zunächst keineswegs schwer, an dem leben- den, ebenso wie an dem ganzen, in Canadabalsam oder Damar- harz eingeschlossenen Wurme das Nervenhalsband und die von ihm jederseits nach vorn und hinten abgehenden Nerven zu sehen; Bedingung ist nur, dass man ordentliche Präparate her- stellt. Zur Erkenntniss weiterer Einzelheiten bedarf es allerdings der Anfertigung gut orientirter Serienschnitte; ich habe eingangs schon gesagt, dass ich bei der Conservirung meines Materials hierauf Rücksicht genommen, und so habe ich denn über den Bau des Nervensystems auch noch weitere Aufschlüsse erhalten. Was die Lage der Hirncommissur anbelangt, so habe ich den Angaben Leuekart's nichts hinzuzufügen; bei dem ‘ Weibehen hält sie die gleiche Lagerung ein, wie bei dem Männchen, d. h. sie liegt etwas vor der Mitte der Entfernung zwischen den beiden Saugnäpfen und über der verengten Stelle des Oeso- phagus. Histologisch besteht sie fast ausschliesslich aus Fasern, und namentlich habe ich nirgends zellige Elemente in ihr Inneres eingelagert gefunden (Fig. 10 und 19). Die beiden seitlichen Anschwellungen, in die sie übergeht, die Gehirnganglien also, finden sich bei dem Männchen zu den Seiten der Speiseröhre, deren Verlauf durch das Nervenband nur wenig nach der Bauch- seite abgelenkt wird. In dem weiblichen Vorderkörper, wo die Raumverhältnisse viel beschränkter sind, wird dagegen der Oeso- phagus durch die Gehirneommissur fast ganz der Bauchwand an- gedrückt, so dass die gangliösen Anschwellungen selbst immer 68 A. Looss: halb dorsal von demselben liegen bleiben (Fig. 19). Das Nerven- system nimmt hier auf dem Querschnitte fast den ganzen Innen- raum des Körpers ein; trotzdem bleiben seine Grössenverhältnisse aber noch ganz bedeutend hinter denjenigen des Männchens zu- rück. Während der Querschnitt Fig. 19 0,06 mm in der Breite und 0,039 mm in der Höhe misst, nimmt das Nervenband eine Breite von 0,04mm ein, ist selbst 0,006 mm diek und die Gang- lien haben einen Durchmesser von 0,014mm; beim Männchen (Fig. 10) hat die Hirneommissur eine Länge von O,llmm und ist je nach den Individuen 0,02—0,025 mm dick; die Ganglien sind in dorso-ventraler Richtung etwas in die Länge gezogen, 0,06 mm lang und 0,02 mm dick. Von Lortet und Vialleton ist nun bekanntlich die Behauptung aufgestellt worden, dass die Gehirneommissur von Muskelfasern, und zwar Parenchymmuskeln, durchsetzt werde. Ich kann diese Angabe, was speciell die Commissur anlangt, nicht bestätigen. Allerdings hat es auf Querschnitten manchmal den Anschein, alsob dies in der That der Fall wäre; bei Zuhülfe- nahme starker Vergrösserungen, die Tiefenunterschiede deutlich zum Ausdruck bringen, erkennt man jedoch auch hier schon, dass die betreffenden Fasern über oder unter dem Nervenbande hinziehen. Es erscheint mir im Uebrigen ziemlich erklärlich, dass Lortet und Vialleton dieses Verhalten nicht erkannt haben. Ihre ausdrückliche Betonung des Umstandes, dass man das cen- trale Nervenband stets nur auf einem einzigen Schnitte getroffen finde, führt zu dem Schlusse, dass ihre Schnitte im Mittel 0,025mm dick sind; die Gehirneommissur hat nämlich diesen Durchmesser und vertheilt sich daher auf meinen Schnittserien auch auf mindestens 4, theilweise aber auch auf 5 Schnitte. Auf dem ersten und letzten dieser sieht man nun das von Lortet und Vialleton beobachtete „Factum“, dass dorso-ventrale Muskel- fasern durch die Fasermasse des Nervensystems hindurchtreten, auf den mittleren nicht; begreiflich, da diese Fasern eben nicht durch, sondern dieht über und unter dem Nervenbande vorbei- laufen. Deutlich lassen sich diese Verhältnisse auf Sagittalschnitten erkennen (Fig. 2, Taf. I). Hier sieht man die dorso-ventralen Parenehymmuskeln dicht um den Querschnitt des Nervenbandes herumlaufen, durch welch letzteres sie aus ihrer geraden Richtung abgelenkt werden; ein zweifelloser Durchtritt der Muskelfibrillen Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 63 durch die Nervenmasse ist nirgends zu constatiren. Etwas schwieriger wird das Bild schon, wenn man bei Durchmusterung der letztge- nannten Sehnitte auf die seitlichen Ganglien kommt. Hier scheinen manchmal thatsächlich Fasern durch die Nerven hin- durchzutreten, da man über und unter ihnen noch Nervensubstanz eonstatirt. Nimmt man nun hier Querschnitte zu Hülfe, dann zeigt sich, dass die Substanz der Ganglien wiederum gänzlich frei von durchsetzenden Fasern ist, wohl aber zwängen sich die letzteren in die innersten Winkel hinein, welehe die austretenden Nerven und die Ganglien selbst bilden. Sie schnüren die Wurzeln der Nerven oft sogar etwas ein und so kann in der That sehr leicht der Anschein erweckt werden, dass diese Fasern durch die Sub- stanz der Ganglien selbst hindurchtreten, was aber in Wirklich- keit nicht der Fall ist. Anders liegen, worauf ich schon hier hinweisen will, die Verhältnisse für die hinteren Längsnerven; wir werden binnen Kurzem hierauf zu sprechen kommen. Auch die Gehirnganglien bestehen histologisch vor- wiegend aus Fasern; Lortet und Vialleton sprechen da- gegen von einer vorwiegend vorhandenen Punktsubstanz, da sie die feinen Fasern wohl nicht gesehen haben. Zu den Fasern gesellen sich in den Ganglien weiterhin auch Zellen, freilich nieht eigentlich in dieselben eingeschlossen, sondern äusserlich den- selben anliegend, wie es übrigens vielfach bei den Trematoden beobachtet worden ist. Diese Ganglienzellen sind bei dem Männchen in ganz ansehnlicher Zahl vorhanden; sie liegen am diehtesten in der Nähe der Ganglienoberfläche, finden sich aber vereinzelt bis nahe an die Körperperipherie heran. Beim Weib- chen ist in Folge der Kleinheit aller Verhältnisse nieht viel zu sehen; es finden sich zwar auch in der Nachbarschaft des Nerven- systems grössere Zellen, doch sind dieselben nicht bestimmt als eehte Ganglienzellen kenntlich. Die letzteren haben bei dem Männchen eine unregelmässige, meist deutliche Ausläufer zeigende Gestalt und erreichen 0,01—0,015 mm grösste Längenausdehnung. Ihr Protoplasma zeichnet sich stets durch starke Färbbarkeit aus; der ovale Kern von 0,005—0,006 mm Länge bleibt dagegen ziemlich hell und hat im Innern, excentrisch gelegen, ein stark gefärbtes Kernkörperehen und einige feine Chromatinfäden. Von diesen seitlichen Nervencentren strahlen nun die peri- pheren Nerven aus; zwei davon hat Leuekart bereits 64 A. Looss: aufgefunden, dieselben, deren Existenz von Lortet und Vialle- ton bezweifelt wird. Meinen Beobachtungen nach gehen nun von jedem Ganglion 5 Nerven aus, deren Existenz ich sicher er- kannt habe. Ich bin mir aber selbst nicht sicher, hiermit alle thatsächlich aus dem Hirn austretenden Nerven vor mir zu ha- ben; manchmal glaubte ich noch andere zu erkennen; eine be- stimmte Entscheidung war jedoch nicht möglich. Von den er- wähnten 5 Nerven (ef. hierzu Fig. 18, Taf. II) gehen 3 nach vorn und 2 nach hinten. Unter den ersteren lässt sich sehr deutlich ein dorsaler, ein lateraler und ein ventraler erkennen; der erstere und letzte sind ungefähr gleich stark; der laterale ist etwas stärker und dürfte derjenige sein, den Leuekart beobachtet hat. Alle 3 Nerven lassen sich sehr schön bis in die Muskelmasse des Mundsaugnapfes hinein verfolgen, der dorsale geht sogar bis in die unmittelbare Nähe des Vorderrandes, wo er verschwindet. Ob diese vorderen Längsnerven unter einander in Verbindung stehen, kann ich mit Bestimmtheit nicht sagen; sicher ist es aber, dass sie stärkere Seitenzweige entsenden, und zwar der Dorsalnerv kurz vor dem Eintritt in den Mundsaugnapf nach der Seite und unten, der Ventralnerv etwas weiter rück- wärts nach innen (Fig. 18). Auch im Innern des Saugnapfes betrachtet man Seitenzweige der Nerven und hier ist es ziemlich wahrscheinlich, dass dieselben Verbindungen der Hauptnerven herstellen. Nach dem hier Mitgetheilten dürfte es keinem Zweifel unterliegen, dass die vorderen Längsnerven des Bilharziamännchens sich durchaus analog verhalten, wie die der übrigen Distomen; beim Weibehen habe ich wegen dessen ausserordentlicher Zart- heit nichts Bestimmtes ermitteln können. Abweichend und ganz charakteristisch verhalten sich nun die hinteren Längsnerven. Einer derselben, und zwar der bei weitem mächtigste, begiebt sich nach der Bauchseite und ent- spricht wohl dem hinteren Bauchnerven der Distomeen; der andere, bedeutend dünnere, verläuft dorsal und dürfte dem Dorsalnerven der Distomeen zu homologisiren sein. Ob ein Lateralnerv, wie bei diesen, existirt, habe ich nicht festzustellen vermocht; in einzelnen Fällen hatte es den Anschein, als ob ein solcher vor- handen sei, bei den anderen Individuen war jedoch keine Spur von ihm zu entdecken. Rücken- und Bauchnerv ziehen nun nach ihrem Austritt aus den Gehirnganglien nach hinten; während 22 Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). #5 der letztere aber seine relative Lagerung in der Nähe der ven- tralen Körperwand unverändert beibehält, fängt der Dorsalnerv bald an, nach den Seiten des Körpers herabzusteigen. So sehen wir ihn auf der Höhe des Bauchsaugnapfes (Fig. 11, Taf. II) bereits eine rein laterale Stellung einnehmen; er behält dieselbe von jetzt an, dagegen fängt nunmehr, d. h. hinter dem Bauch- saugnapfe, der Ventralnerv an, nach der Seite heraufzusteigen ; in der Höhe der Geschlechtsöffnung, da wo die Seitenlappen auftreten, treffen beide Nerven zusammen und vereinigen sich nunmehr zu einem einzigen Strange von ganz bedeu- tender Dicke, der in den Seitenlappen die ganze Länge des Körpers durchzieht, und unter allmählicher Abnahme seiner Stärke bis in unmittelbare Nähe des Exeretionsporus sich ver- folgen lässt. So sehen wir ihn in ZZN der Fig. 12, Taf. II eine Höhe von fast 0,04mm und eime Breite von 0,05 mm be- sitzen, während er in dem Schnitte Fig. 8, Taf. I, der noch den unpaaren Theil des Excretionsgefässstammes trifft und ca. 0,1 mm vor dem Körperende gelegen ist, zwar bedeutend an Dicke ab- genommen, aber nichts an Deutlichkeit verloren hat. Leider habe ich nicht feststellen können, ob schliesslich eine Vereinigung der beiderseitigen Hauptlängsnerven zu Stande kommt, wie sonst vielfach bei den Distomeen; manchmal hatte es den Anschein, als ob dem in der That so wäre. Diese Hauptlängsnerven entsenden nun eine augenschein- lich ganz beträchtliche Zahl von Quernerven. Im Vorderkörper, da wo Rücken- und Bauchnerv noch getrennt sind, stellen die- selben ganz bestimmt auch Querverbindungen zwischen den ersteren her. So sieht man auf Fig. 11, Taf. II m NV P und NDP die Durchschnitte der Längsnerven, die rechts ganz deutlich durch feine Faserstränge bogenförmig mit einander zusammen- hängen; links ist die Verbindung nicht in den Schnitt gefallen, auf dem Nachbarschnitt aber ebenfalls unverkennbar zu sehen. Weiter sieht man aber auch nach dem Rücken zu diese Quer- faseistränge sich fortsetzen und der Körperwand gleichlaufend bis unter den Rücken hinziehen (RN ibid.). Obgleich ich hier eine volle Verbindung mit der Gegenseite nicht beobachtet habe, so dürfte es doch kaum zweifelhaft sein, dass eine solche doch stattfindet, dass also um den Rücken herum geschlossene Ring- nerven vorhanden sind. Da man nun auch auf der Bauchseite Archiv. f. mikrosk. Anat. Bd. 46. 5 4) 66 A. Looss: Nervenstränge beobachtet, welche von dem ventralen Längsnerven der einen Seite nach dem der anderen Seite hinlaufen, so hat allem Anscheine nach unsere Bilharzia ein ganz ähnliches System von geschlossenen Ringnerven, welche die Längsnerven unter einander in Verbindung setzen, wie die Distomeen und wahr- scheinlich alle Trematoden. So, wie hier geschildert, liegen die Verhältnisse zunächst aber nur im Vorderkörper. Mit dem Uebertritt der Längsnerven in den Hinterleib erfolgt alsbald ihre Verschmelzung; kurz vor derselben sieht man sie noch durch eine kurze Queranastomose mit einander verbunden, die einer Commissur entspricht. Von der Vereinigung ab hört nun zwar die Abzweigung von Quer- nerven nicht auf, dieselben werden im Gegentheil sogar sehr zahlreich und folgen sich in sehr kurzen Abständen (Fig. 1C, Taf. T), aber es ist mir nieht mehr recht geglückt, eine volle Verbindung um den Rücken herum zur Ansicht zu bekom- men. Der Austritt der Quernerven aus den Längsstämmen ist sehr deutlich, es findet sich sehr bemerkenswerther Weise fast überall auch ein nach innen und ein nach aussen laufendes Faserbündel auf demselben Niveau, aber die Weiterverfolgung in dem dichten Muskelapparate hat ihre Schwierigkeiten. Sicher dürfte sein, dass nach innen zu, d. h. also auf der Bauchseite, eine direete Communication der Querfaserstränge eintritt. Nach aussen zu laufen die Nerven zunächst auch der Bauchseite noch parallel; wenn und wie sie aber nach dem Rücken heraufbiegen, habe ich nieht gesehen, dagegen sieht man sie dann auf der Rückenseite gelegentlich wieder auf kurze Strecken der Diago- nalfaserlage parallel hinziehen, genau wie im Vorderkörper. Auf diem Querschnitt Fig. 8, Taf. I, also ganz kurz vor dem Schwanz- ende, sieht man sie ebenfalls noch in der geschilderten Weise sieh verhalten, namentlich die ventrale Verbindung ist hier fast vollständig getroffen. Unter solehen Umständen ist denn, wenn auch nicht die Gewissheit, so doch wenigstens die Wahrscheinlieh- keit vorhanden, dass auch hier ein geschlossenes System von Ring- nerven besteht, wie im Vorderkörper. Von den Ringnerven sieht man gar nicht selten wiederum Seitenzweige abgehen (Fig. 8 und 11), die sich aber nur sehr wenig weit verfolgen lassen und augenscheinlich in die Muskulatur des Körpers eintreten, um diese zu innerviren. Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 67 Ob im Körper des Weibehens in Bezug auf das Ner- vensystem dieselben Verhältnisse herrschen, wie ich sie eben für das Männchen geschildert habe, muss dahingestellt bleiben. Mit Sicherheit beobachten lässt sich überall nur der Hauptlängs- nerv und auf Querschnitten auch dieser nicht leicht. Dagegen kann man ihn auf Längsschnitten meist sehr hübsch erkennen und auch bis weit in das Hinterende, das nur noch Darm und Dotterstöcke enthält, hinein verfolgen. Von Ringnerven habe ich aber nichts bemerken können. In histologischer Beziehung ist über dieses periphere Nervensystem nicht viel zu sagen. Die Stränge bestehen aus- schliesslich aus Fasern, die bei den am besten erhaltenen männ- liehen Individuen ziemlich stark sind und 0,0028 mm im Durch- messer besitzen. Sie sind sehr blass und treten gerade hierdurch in dem dichten und von zahlreichen Muskeln durchsetzten Paren- chym sehr schön hervor (Fig 12 HLN, Taf. I). Bei minder gut erhaltenen Individuen, und namentlich in dem zarteren und hinfälligeren Vorderkörper, fallen sie dagegen sehr stark zusammen, bis auf ein Drittel ihres ursprünglichen Durchmessers, und sind dann durch grössere Zwischenräume von einander ge- wennt (Fig. 2 NS, Tat. I). Ich wies nun schon oben vorgreifend darauf hin, dass, was den Durchtritt von dorso-ventralen Parenchymfasern durch die Nervenmassen anlangt, die hinteren Längsnerven sich abwei- chend von der Hirneommissur verhielten. Das ist in der That der Fall: an den vereimigten Hauptlängsnerven des männlichen Hinterkörpers laufen die Parenchymmusken zwischen den Nervenfasern hindurch (Fig. 11, Taf. II), wie man auf Schnit- ten nach allen 3 Richtungen des Raumes ohne Weiteres consta- tiren kann. Es erweisen sich überhaupt die vereinigten Längs- nerven gar nicht so einheitlich, wie man von vorn herein viel- leicht vermuthen sollte. Aller Orten lösen sich vereinzelte Ner- venfibrillen oder noch öfter Bündel von 3, 4 und mehr Fasern aus dem Ganzen los, verlaufen eine Zeit lang isolirt neben dem- selben her, um sich schliesslich wieder dem Hauptstrange einzu- fügen. Manchmal erfolgt eine solche Trennung sogar auf ziem- lich ansehnliche Strecken hin, und die auf diese Weise entstehen- den Lückenräume werden von den Parenchymmuskeln zum Durch- tritt benutzt. Es entstehen dann förmliche muskulöse Septen 68 A. Looss: zwischen den Theilstrecken des Längsnerven, Septen, die aber mit der Wiedervereinigung der Collateralstränge aufhören, um bei einer neuen Trennung wiederum zu beginnen. Ganglienzellen sind, wie schon oben angedeutet, in den Verlauf der Nerven selbst nicht eingeschaltet, wohl aber finden sie sich nicht nur in der Nähe deı, Nervenstränge, sondern auch anderwärts im Parenchym in ziemlich ansehnlicher Zahl ver- streut. Sie haben durchaus dasselbe Aussehen und dieselbe Grösse, wie diejenigen, die wir in der Umgebung der Gehirn- ganglien kennen lernten, und wie diejenigen, die sich im Innern der beiden Saugnäpfe in relativ grosser Zahl finden. Bei nicht mehr wohl erhaltenen Individuen des Wurms verändern auch sie ihr Aussehen, sie werden stark vaecuolisirt, sodass sie bei An- wendung schwächerer Systeme wie geschrumpft aussehen; ihr Kern wird erst stark aufgetrieben, sinkt aber ebenfalls zusammen und repräsentirt einen mehr minder unregelmässigen Klumpen stark färbbarer Substanz. Dass diese Ganglienzellen sammt und sonders durch feine Ausläufer mit den grösseren Nervenstämmen in Verbindung stehen, dürfte nach unseren anderweit gemachzen ‚Erfahrungen kaum einem Zweifel unterliegen; beobachten lässt sich davon freilich nichts. Fxeretionsapparat. Die Seitengefässe und der Endtheil des exeretorischen Appa- rates sind bei der männlichen Bilharzia bereits von Bil- harz gesehen worden. Derselbe fand (l. e. pag. 59), dass an dem etwas eingekerbten Schwanzende ein kleiner Canal sich öffnete, der kurz vorher aus zwei dünneren Gefässen entstanden war; die letzteren liessen sich, ohne weitere Verzweigungen zu zeigen, nach vorn eine Strecke weit verfolgen, verloren sich aber dann. Auch weiter vorn sah Bilharz jederseits ein ziemlich geräumiges Wassergefäss, konnte aber sein Verhältniss zu dem Endtheile nicht klarstellen. Leucekart (Parasiten, I. Aufl. pag. 620 u. 621) bestätigt diese Angaben für das Männchen und findet den Expulsionsschlauch auch bei dem Weibehen, ohne hier freilich von Randgefässen etwas erkennen zu können. Chatin beschreibt (l. e. pag. 1003) ebenfalls den unpaaren Endtheil des Gefässsystemes und die an diesen nach vorn sich anschliessen- den Gefässe, lässt aber an der Vereinigungsstelle dieser beiden Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 69 noch ein medianes Gefäss sich inseriren, das sich ebenfalls bald in zwei divergirende Aeste spaltet. Bilharzia hat nach ihm also 4 Längsgefässe, ähnlich dem Distomum elavatum. Von den Längsgefässen gehen „mehrere“ Seitenzweige ab, welche zahlreiche Verästelungen entsenden; die Gefässe haben eine Eigenmembran, die auf ihrer inneren Oberfläche femkörnig ist (l. e. pag. 1005). Fritsch beobachtet (l. e. pag. 210) bei dem Männchen zwei Längsstämme von sehr ungleichem Caliber, deren einer gelegentlich dem Darme an Weite gleichkommen, sich von ihm aber durch den Mangel eines eigenen Epitheles unterscheiden soll. Seitliche Aeste der Hauptstämme sind noch hier und da für ganz kurze Strecken im Parenchym kenntlich, verschmelzen aber sehr bald mit den Parenchymlücken in so hohem Maasse, dass eine weitere Verfolgung ausgeschlossen bleibt. In der Nähe des Schwanzendes fliessen beide Canäle und ebenso ein dritter mittlerer, nur schwach entwickelter, zu einer kurzen Cloake zusammen, die schliesslich als enger Porus exeretorius mündet. In der Nähe des Schwanzendes sollen auch die En- dothelauskleidungen der Gefässe deutlicher werden. Beim Weib- chen kann Fritsch die Längsgefässe bis sehr weit nach vorne verfolgen; unter dem blinden Ende des Darms treten beide in nahe Berührung unter auffallend unregelmässig gestaltetem Lu- men, das auf einem Querschnitte oft 3 mal getroffen wird. Erst kurz vor dem etwas dorsal gelegenen Porus wird das Lumen einfach. Die Gefässlücken sind hie und da von endothelialen Schüppehen bekleidet, und in dem Endtheile gewinnt man die Vorstellung, dass hier im Leben ein Wimperbesatz auf niedrigen Zellen vorhanden ist, der aber vielleicht nicht den ganzen Innen- raum gleichmässig bedeckt (l. ec. pag. 209 und 212). Blan- chard bestätigt in einigen Punkten die Angaben von Chatin und Fritsch, kommt in anderen aber zu abweichenden Resul- taten. So sind die Längsgefässe nach ihm bei dem Männchen (Traite ete. pag. 638, Hematoz. pag. 43) nicht verästelt; sie vereinigen sich hinten und nehmen an dieser Stelle noch einen kleinen medianen Canal auf, der sich auf eine kurze Strecke in der Medianlinie nach vorn verfolgen lässt. Beim Weibchen (Traite ete. pag. 640, Hematoz. pag. 48) lassen sich zwei weite Ca- näle bis gegen die Mitte der Körperlänge verfolgen; dieselben anastomosiren untereinander und sind mit einem Flimmer- 70 A, Doo0ss: epithel ausgekleidet. Die Exeretionsblase ist 0,08—0,18 mm lang. Leuckart (Parasiten, 2. Aufl. pag. 487) verfolgt die Längsstämme auf Querschnitten beinahe durch die ganze Länge des Wurmkörpers; er findet neben den Hauptgefässen m den Sehnitten oft noch einzelne feine Lumina getroffen, die bisweilen auch mit den ersteren in Zusammenhang gesehen werden und widerlegt so die Behauptung von Blanchard, dass die Haupt- sefässe nicht verästelt seien. Die Gefässe selbst besitzen dünne und anscheinend structurlose Wandungen, die der Epithelbeklei- dung entbehren. Das, was endlich Lortet und Vialleton über den Exeretionsapparat mittheilen und abbilden, ist dürftig, wie die ganze übrige Arbeit und obendrein, wie wir gleich sehen werden, zum grössten Theile falsch. Die Längsgefässe und ihre Vereinigung im Hinterkörper haben sie glücklich gesehen und von dem Weibehen auch abgebildet; auf den beiden abgebildeten Querschnitten des männlichen Körpers aber (Fig. 24 u. 25, Pl. VI) sucht man vergebens nach einer Darstellung der Ex- ceretionsgefässe, die von Bilharz 1853 beschrieben, dann 1865 von Leuckart, 1883 von Fritsch, 1893 nochmals von Leuekart m ihren Zeichnungen dargestellt wurden. Und da- bei behaupten die Herren Lortet und Vialleton, dass ihre Abbildungen infiniment plus exactes seien que tout ce qui a ete publie jusqu’a ce jour! Es ist übrigens nicht ganz unmöglich, dass sie die Exeretionsgefässe doch abgebildet haben, dann aller- dings in einer Form, die deutlich beweist, dass ihnen keine Ahnung von ihrer wahren Natur gekommen ist; wir haben früher (pag. 36) bereits hierüber gesprochen. Die Längsgefässe nehmen nach Lortet und Vialleton reihenweise Seitenzweige auf, die sich in das Parenchym öffnen; die Wandung aller Gefässe erscheint absolut structurlos.. Nach hinten zu verdickt sich die Wand der Canäle und entsendet feine Fortsätze in das Parenchym ; Kerne sind in dieser verdiekten Wandung aber nicht nachzuweisen. An dem unpaaren Endtheile endlich findet man der amorphen Wand aussen anliegend rundliche Zellen, die wie die Elemente eines Epitheliums regelmässig hinter einander ange- ordnet sind. „C’est la une disposition tout & fait en dehors de ce que nous avons vu jusqu’i ei pour le systeme exereteur. Il est elair, d’ailleurs, que cette portion du systeme est tout & fait spe- ciale et, autant que l’on en peut juger, est douee de proprietes Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 71 partieulieres. Sur les nombreux animaux chez lesquels nous l’avons examinee, nous ne l’avons jamais trouvee pourvue de constrietions ou de dilatations qui, partout ailleurs, t@moignaient de la eontractilite des eanaux exer6teurs (l. e. pag. 30). Solche Erweiterungen und Verengerungen eonstatirten die Verff. an den Endstücken der paarigen Gefässe; was sie aber weiter mit dem oben wörtlich Reprodueirten im Sinne haben könnten, ist mir leider verschlossen geblieben. Wenn ich nun zur Darstellung meiner eigenen Befunde übergehe, so mag zunächst betont sein, dass der exeretorische Apparat bei Männchen und Weibehen nicht nur, wie schon Fritsch hervorhebt, ähnlich, sondern in den wesentlichsten Zügen sogar gleich gebaut ist. Das, was an Abweichungen vor- handen ist, dürfte lediglich in der beträchtlich verschiedenen Körpergestalt beider Geschlechter seine Ursache haben. Von “einigen Autoren ist weiterhin augenscheinlich Werth darauf ge- legt worden, dass bei dem Weibehen unser Organsystem relativ stärker ausgebildet sei, oder dass wenigstens die Gefässe sich durch grösseres Caliber von denen des Männchens unterscheiden. Allerdings macht man eine solche Beobachtung gar nicht selten; dass ihr aber eine grössere Bedeutung beizulegen sei, glaube ich nicht, denn fast eben so oft findet man die Exeretionscanäle der männlichen Individuen relativ ebenso weit, wie diejenigen der weiblichen. Infolge der starken Ausstattung der Männchen mit Muskeln, die bei der Abtödtung und Conservirung der Thiere den ganzen Körper stark zusammenziehen, werden aber die Exeretionscanäle mit zusammengepresst und erscheinen dann meist nur noch als femme Spalten im Parenehym. In dem Kör- per des Weibchens ist eine Muskulatur nur minimal entwickelt “und so findet man bei diesen die Exeretionscanäle auch aus- nahmslos klaffend und in ihrer ursprünglichen Weite vor. Der Porus exceretorius liegt bei beiden Geschlechtern leicht dorsal, was Fritsch bereits bemerkt hat. Er führt in einen kurzen, unpaaren Canal, der nach aussen, ähnlieh wie bei den Disto- meen, durch einen hier schwach entwickelten Sphinetermuskel abge- schlossen ist. In der Umgebung dieses Sphineters sind bei den verschiedensten Trematoden und von den verschiedensten Autoren bereits grössere Anhäufungen von Kernen beschrieben worden; bei Betrachtung der von Lortet und Vialleton gegebenen 72 A. Looss: Abbildung der weiblichen Excretionsblase (l. e. Pl. II, Fig. 5) erkennt man in der „epithelialen“ äusseren Bekleidung unschwer die hier in Rede stehenden Kerne wieder. So mag. dies wohl für die beiden Autoren eine „disposition tout A fait en dehors“ dessen sein, was sie bis jetzt an dem excretorischen Apparat ge- sehen haben, für uns aber kaum. Die Weite des unpaaren Exeretionscanales ist wechselnd, an der Mündung stets am niedrigsten, gegen die Theilung hin am höchsten (0,012—0,024 mm); auch die Länge schwankt in ziemlich weiten Grenzen, die bis zu einem gewissen Grade wenig- stens von der Contraetion der Schwanzspitze abhängen ; meinen Messungen nach zwischen 0,1 mm und 0,3 mm. Beim Weib- chen ist der Endtheil augenscheinlich regelmässig kürzer; ich fand ihn durchschnittlich 0,04 mm lang, dafür aber bis zu 0,015 mm weit. An seinem vorderen Ende theilt sich dieser unpaare Sammelraum in die bekannten beiden Längsstämme, die in den Seiten des Körpers ausserhalb und etwas dorsal von den Darmschenkeln die ganze Länge des Körpers durchsetzen und noch in der Höhe des Mundsaugnapfes nachzuweisen sind. Abgesehen von ihrer relativ grösseren Weite verlaufen bei dem Weibchen diese beiden Sammelcanäle fast stets auch in nahezu gestreckter Richtung, wohingegen man sie bei dem Männchen sehr oft starke Schlängelungen machen sieht. Letzteres ist nament- lich bei stark in der Länge contrahirten Thieren der Fall, wäh- rend gestreckt conservirte dasselbe Faetum weniger oder gar nicht zeigen; wir haben es also auch hier wieder nur mit einer Contraetions-Erscheinung zu thun. Das von Chatin, Fritsch und Blanchard beschriebene dritte, mediane Ge- fäss, welches mit den Längsgefässen zugleich in den unpaaren Endtheil eintreten soll, über dessen Existenz oder Nichtexistenz Leuckart und ebenso Lortet und Vialleton sich nicht näher äussern, ist nieht vorhanden; augenschemlich sind hier die früheren Beobachter durch die Seitenzweige der Haupt- stämme irre geleitet worden. Derlei Seitenzweige finden sich bei beiden Geschlechtern in augenscheinlich sehr grosser Zahl vor. Sie wurden bei dem Männchen schon von Fritsch und Chatin constatirt, darauf von Blanchard geleugnet, wogegen Leuekart ihr Vorkommen nochmals feststellte; alle Autoren spre- chen aber nur von einzelnen oder einigen, wenigen Seitenzweigen, Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 73 während deren Zahl in Wirklichkeit ziemlich hoch ist. Das letztere ist eine der wenigen Thatsachen, die von Lortet und Vialleton zuerst und zugleich richtig erkannt wurden. Für das Weibehen liegen be- stimmte Angaben über das Vorhandensein von Seitenzweigen an den Längsstämmen nicht vor, nur Blanchard lässt dieselben „unter sich anastomosiren*. Lortet und Vialleton zeichnen die Längsgefässe in ihren Tafeln, aber ohne Verzweigungen. In der That sind die letzteren bei dem Weibehen auch schwerer wahrzunehmen, als bei dem Männchen; im Hinterkörper, soweit die Dotterstöcke reichen, kann man sie schon auf Querschnitten erkennen (Fig. 28, Taf. III); schwieriger gelingt dies weiter vorn, doch geben hier gutgetroffene Längsschnitte recht instructive Bilder (Fig. 26, Taf. III, wo übrigens auch die älteren Autoren bereits aufgefallene Differenz in der Weite der beiden Exeretions- canäle ausgeprägt ist). Im Uebrigen lassen sich diese Seitenäste der Exeretionslängsstämme hier nur auf ganz kurze Distanz in das Parenchym hinein verfolgen; es ist deshalb auch über ihren Verlauf nichts Bestimmtes zu sagen, doch scheint derselbe in der Hauptsache ein longitudinaler zu sein. Die Seitenzweige theilen sich sehr bald wieder, die Verzweigungen gehen aber, soweit ich gesehen habe, nicht in einander über, es findet also keine Anastomosenbildung statt, sondern nur eine in der Hauptsache dichotomische Verzweigung der Seitenäste, ähnlich wie an der verästelten Exeretionsblase anderer Distomenarten. Bei dem Männchen verhalten sich die Seitenzweige in ganz entspre- chender Weise mit dem einzigen Unterschiede, dass hier ihre Länge bedeutender und auch die Zahl der Gabelungen eine grössere ist, und dass der Verlauf der Seitenzweige selbst ein fast rein querer wird. Sie verlaufen dabei ungefähr der Rücken- fläche parallel, der sie auch ziemlich angenähert liegen, sie biegen mit den Seitenrändern nach der Bauchseite des Körpers herab und treten in die Seitenlappen über; ihre äussersten Enden trifft man in nur geringer Entfernung von dem freien Rande dieser letzteren. Trotz des im allgemeinen der Rückenfläche parallelen Verlaufes der Gefässzweige sieht man sie jedoch vielfach auch mehr oder minder schräg zwischen Rücken und Bauch verlaufen, eine Erscheinung, die meines Erachtens wiederum hauptsächlich in der Contraetion des Körpers ihren Grund hat. Lortet und Vialleton schreiben dagegen den Zweigen einen theils der Ober- fläche parallelen, theils zu dieser ungefähr senkrechten Verlauf zu, 74 A. Looss: Nach Innen von den beiden Exeretionshauptstämmen sind, wie ich noch erwähnen will, die Seitenäste viel weniger ent- wickelt, alsnach aussen zu; ganz fehlen sie jedoch auch hier nicht. Weiterhin habe ich bei dem Männchen, so wenig wie bei dem Weibehen, eine wirkliche Anastomosenbildung zwischen den ein- zelnen Gefässtheilen beobachtet; soweit man die einzelnen Lu- mina auf Schnitten verfolgen kann (am besten gelingt dies auf Sagittalscehnitten dureh die eingerollten Seitenränder), gabeln sie sich wohl, verschmelzen aber nirgends wieder mit einem anderen. Sie endigen augenscheinlich blind, wie die dichotomischen Verästelungen der Endblase mancher Distomen (D. echina- tum ete.).. Lortet und Vialleton lassen dagegen die Sei- tenzweige der Hauptlängsstämme in das Parenehym sich öffnen; welehe Beobachtungen sie zu dieser Behauptung geführt haben, wird ebenso wenig angegeben, wie sich eine Andeutung darüber vorfindet, mit welchen Theilen des Parenchyms dieselben in Ver- bindung treten sollen. Da ein Lacunensystem zwischen den Zel- len dieses letzteren nieht vorhanden ist, so wüsste ich in der That nicht, wie eine solche Oeffnung vor sich gehen sollte. Vielleieht haben wir in der betreffenden Angabe aber nur eine Wiederholung der älteren von Fritsch, dass die Canäle sehr bald nach ihrem Ursprunge aus den Hauptstämmen „mit den Parenchymlücken in so hohem Maasse verschmelzen, dass eine weitere Verfolgung ausgeschlossen bleibt“ (l. e. pag. 219). Was nun die Wandungen des ganzen bisher beschrie- benen Gefässsystemes anbelangt, so sind dieselben überall von deutlichen Zellen gebildet. Letztere sind unter den bis- herigen Beobachtern nur von Fritsch gesehen worden, denn die von ihm hier und da beobachteten „endothelialen Schüpp- chen“, die gegen den Endtheil des Gefässsystems hin deutlicher werden, sind zweifellos nichts anderes als die wirklichen, aus- kleidenden Epithelzellen. Dieselben erstrecken sich aber, wie gesagt, ohne Unterbrechung durch das gesammte Canalsystem und sind, wenn die Gefässe stark ausgedehnt sind, meist nur an ihren grossen, weit buckelförmig in des Lumen vorspringenden Kernen erkennbar (Fig. 5, 12, 26 ete.). Sind jedoch die Ge- fässe zusammengefallen, dann erkennt man deutlich, dass deren Wand doppelt contourirt ist und aus einem wohl färbbaren Plasma besteht, innerhalb dessen dann die Kerne liegen. Manch- Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 75 mal erscheint diese Plasmalage auch nach innen zu feinkör- nig begrenzt, und das mag die Angaben von Chatin und Leucekart veranlasst haben. Ein solches Bild giebt aber nicht die vollkommen normalen Verhältnisse wieder; in Wirklichkeit tragen vielmehr die Epithelzellen in der ganzen Ausdehnung des Canalsystems auf ihrer Innenfläche einen Besatz mit langen und ausserordentlich feinen Wimperhaaren; die von Fritsch zunächst nur für den Endtheil des weiblichen Excretionsgefässapparates ausgesprochene Vermuthung, dass der- selbe im Leben ein Flimmerepithel trage, besteht demnach voll- kommen zu recht und beruht nicht auf einem Irrthume, wie es Leuekart nach seinen Präparaten annehmen zu müssen glaubt. Ich hatte diese Flimmerhaare bei dem Weibehen und auch im Endtheile des Gefässsystems bei dem Männchen bereits in Alexandrien an den lebenden Thieren gesehen. Eine genaue Untersuchung meiner Schnittpräparate liess es mich bei der Mehr- zahl der Individuen auch in den feineren Canälen überall in vollkommener Deutlichkeit wiederfinden, so dass an seiner that- sächlichen Existenz auch dort nicht zu zweifeln ist (Fig. 5, 26 ete.). Nur das unpaare Endstück des Gefässsystems entbehrt dieser Ausstattung, lässt aber die Kerne der Epithelialauskleidung noch deutlich erkennen }). Da somit das ganze auf Schnitten durch eonservirte Thiere sichtbare Gefässsystem der Bilharzia mit eigenen, zelligen Wandungen ausgekleidet ist, so muss ich es, entsprechend der früher von mir aufgestellten Eintheilung des exeretorischen Appa- rates ?), als eine reich entwickelte und gegliederte Endblase auf- fassen, wie wir sie ähnlich bei dem Dist. hepatiecum, echi- natum u. a. vorfinden. Das System der eigentlichen Gefässe würde demnach hinter diesem Endtheile folgen, wenn anders man aus dem Verhalten der verwandten Distomen Analogie- schlüsse ziehen will. Ich habe jedoch einige Zweifel, ob solche Schlüsse für die Bilharzia das richtige treffen würden. Wie ich schon früher mitgetheilt habe ?), ist es am lebenden Thiere 1) Vergl. hierzu auch meine Recherches sur la Faune parasitaire de l’Egypte, l..c. Pl. XI, Fig. 110. 2) Die Distomen unserer Fische und Frösche, Leuckart und Chun, Bibliotheca zoologica H. 16, 1894, pag. 170. 3) ef, Faune parasit. de l’Egypte, 1. c. 76 A.T008s: unmöglich, von den Gefässen und den Capillaren etwas zusammen- hängenderes zu erkennen; dagegen findet man bei beiden Ge- schlechtern ohne grössere Schwierigkeit die Flimmertrich- ter, die ausserordentlich klein, aber augenscheinlich sehr zahl- reich sind. Sie messen nur 0,007 mm in der Länge und haben an ihrer Basis eine Breite von 0,003— 0,004 mm. Bei genauerer Durchmusterung einiger meiner Serienlängsschnitte mit homogener Immersion fand ich nun bei Männchen und Weibchen (bei erste- rem nur, bei letzterem besonders im Vorderkörper) Gebilde (Fig. 15, Taf. II), die unverkennbar Flimmertrichter waren und auch in der Grösse mit den lebend beobachteten durchaus überein- stimmten. Diese Triehterchen, deren Zahl eine ganz ansehnliche ist, setzen sich nach hinten zu auf den Schnittpräparaten in einen schwach körnigen, oft auch etwas schaumigen, aber wohl gefärb- ten Strang fort, der meist nur wenig gebogen, nach kurzem Ver- laufe direet im das im Vorderkörper deutlich sichtbare Haupt- gefäss übergeht, oder wenigstens bis unmittelbar an dasselbe heran sich verfolgen lässt. Nicht selten treffen auch mehrere solcher Stränge nahe bei einander zusammen und treten unmittelbar darauf gemeinsam mit dem Hauptgefäss in Verbindung; einige- male endlich sah ich auch eine augenscheinliche Theilung der Stränge in der Mitte ihres Verlaufes (Fig. 15). Bei genauerem Zusehen entdeckt man nun in diesen körnigen Strängen ein ausserordentlich feines, aber scharf begrenztes, helles Lumen von nur 0,0006 mm Weite, das leicht geschlängelt die Stränge durchzieht und einerseits in das des Hauptgefässes, anderer- seits in die Höhlung des Trichters übergeht. Das interessanteste aber ist, dass in den Strängen selbst augenscheinlich je ein grosser, spindelförmiger Kern sich findet, der buckelförmig nach aussen vorspringt und ganz zweifellos zu ihnen gehört; man sieht da, wo er liegt, die Masse der Stränge etwas sich ver- dieken, während das innere Lumen in seiner Weite nicht alterirt erscheint. Die Deutung dieser Befunde kann keinem Zweifel unterliegen: Die Stränge sind Capillaren, deren Wan- dungen von dem Protoplasmakörper einer einzi- gen, langgestreekten Zelle gebildet werden. Nach dem Ende zu geht die Capillare, wie erwähnt, in den Trichter über; die protoplasmatische Wand wird auf diesem so dünn, dass sie auch bei Anwendung der stärksten Systeme als Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 77 scharfe Linie erscheint, die nur manchmal äusserlich noch eine ungemein dünne, körnige Auflagerung zeigt. Die Begrenzungs- linie des Triehters geht weiter an dessen Basis geschlossen um denselben herum, man erkennt hier nur eine ziemlich flach kup- penförmige Erhebung, die wie eine kleine Calotte der Trichter- basis aufsitzt und oft durch eme gerade Trennungslinie von dieser sich abhebt. Auf der Calotte sitzt im Innern die Wimper- flamme auf, die vielfach in derselben undulirenden Gestalt fixirt ist, die sie im Leben zeigt. Eine Längsstreifung ist in ihr nicht deutlich zu erkennen; ihre Färbung ist ein wenig intensiver, als die des Protoplasmas der Wandzelle und absolut dieselbe, wie diejenige der Oalotte. Nirgends habe ich eine Spur von der sonst so allgemein vorkommenden Deckelzelle, nirgends auch eine Spur wenigstens von ihrem Kerne gefunden, während in der Umgebung überall die sehr dunkel gefärbten Kerne der Parenchymzellen verstreut lagen. Schon bei der Untersuchung der Triehter des lebenden Thieres war es mir nie geglückt, der naturgemäss zu erwartenden Deckelzelle oder ihres Kernes an- sichtig zu werden; ich schob damals die Ursache auf die Klein- heit des Objeetes und die geringe Durchsichtigkeit des Körpers. Heute muss ich, auf Grund der hier eben geschilderten Erfah- rungen, die Sache jedoch anderes betrachten: es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Flimmertrichter der Bil- harzia keine Deckelzelle nach Art der Flimmer- triehter bei den verwandten Trematoden be- EIIZeN. Es wäre verfrüht, auf dieses vereinzelt dastehende Factum be- reits weitergehende Schlüsse gründen zu wollen. So viel kann man allerdings als sicher wohl jetzt schon annehmen, dass das Fehlen der typischen Deckelzelle mit der zelligen Natur der Capillarwand auf das innigste zusammenhängt; die ganze Capillare dürfte hier in der That nichts anderes darstellen, als eine aussergewöhnlich langgestreckte und in ihrer Mitte durchbohrte Zelle. Bekannt- lich sind die Flimmertrichter der Distomen und überhaupt der Plattwürmer bereit$ früher von Lang in dieser Art und Weise aufgefasst worden; für die von mir untersuchten Distomen bin ich neuerdings zu einer abweichenden Ansicht gekommen, für die Bilharzia kann dagegen die Richtigkeit der Auffassung Lang’s kaum mehr bezweifelt werden. Es erhebt sich darauf- 78 A. Looss: hin naturgemäss sofort die Frage, ob wirklich innerhalb der Ordnung der Trematoden eine so verschiedene Bildung der Ca- pillaren statt hat, oder ob nicht doch diejenigen der Distomen in einer etwas anderen Art aufgefasst werden müssen. Dass sie bei diesen durchaus kernlos sind, daran halte ich nach wie vor fest; möglicherweise könnte man aber, unter Berücksichtigung der bei Bilharzia herrschenden Verhältnisse, ihre Wandungen doch als die ausserordentlich in die Länge gestreckte Fortsetzung der Triehterwand, diese aber als Theil der Deckelzelle sich den- ken. Dass so stark ausgedehnte Partieen einer einzigen Zelle dann unmessbar fein werden müssen, wäre unschwer erklärlich, wohingegen bei Bilharzia, wo die Capillaren ganz ungewöhn- lieh kurz sind (ich habe sie kaum länger als 0,05 mm gefun- den), diese äussere Wandung dieker und leichter kenntlich blei- ben kann. Ein specifischer Unterschied zwischen Bilharzia und den Distomen besteht dann noch darin, dass bei der ersteren die Capillaren direet in die mit zelligen Wandungen versehenen und flimmernden Haupteanäle des Exeretionsapparates einmünden, während bei den letzteren ein viel längeres, oft den Körper mehrmals auf und ab durchziehendes Canalsystem zwischen beide sich einschiebt. So erhebt sich hier eine ganze Anzahl neuer Fragen, deren Beantwortung späteren Untersuchungen vorbehalten bleibt. Genitalapparat. Der Genitalapparat der Bilharzia, der sich in so charak- teristischer Weise von dem der verwandten Trematoden unter- scheidet, ist von den früheren Untersuchern unseres Wurms am genauesten studirt worden und deshalb auch am vollständig- sten bekannt. Es bleibt mir deshalb nur wenig richtig zu stellen oder zu ergänzen übrig. Beginnen wir zunächst mit dem Männchen. Männchen. Bereits Bilharz hat die wesentlichen Theile des männ- lichen Genitalapparates gesehen und auch in der Hauptsache richtig gedeutet. Er erkennt die in mehrfacher Zahl (4—5) vor- handenen Hoden kurz hinter dem Bauchnapfe im Beginne des Canalis gynaecophorus, vor diesen ein anderes, helles Bläschen mit einem Ausführungsgange, der an der Bauchseite mit ge- wulsteter Lippe frei nach aussen mündet (l. e. pag. 61). Leuckart Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 79 gibt (Parasiten 1. Aufl. pag. 621) die Zahl der Hoden auf 6—8 an, vermisst Cirrusbeutel mit Samenblase, und lässt den von der ventral gelegenen Genitalöffnung aufsteigenden Ausführungsgang fast geraden Weges nach hinten laufen und nur durch eine ge- wisse Dicke seiner Wandungen sich auszeichnen. Ein Zusammen- hang des Canales mit den Hodenblasen wurde nicht beobachtet. Chatin, der zum Zwecke der Untersuchung die Würmer in einer schwachen Alkalilösung macerirte, berichtet, dass die Ho- den in ihren peripheren Theilen von feinen Röhren gebildet werden, die sich nach unten zu in die Samencanälchen fort- setzen. Diese führen nach dem Vas deferens, welches nach kurzem Verlaufe sich gegen den Canalis gynaecophorus hin wendet. Vor seiner Endigung schwillt es in eine voluminöse seitliche Tasche an, die keine Spur von Samenblase, Cirrusbeutel ete. enthält und als sac prostatique bezeichnet wird (l. e. pag. 1004). Fritsch betont zunächst, dass die Mündung des Genitalapparates nicht direet hinter dem Saugnapfe, sondern in grösserem Abstande von demselben „in der Tiefe des Anfangsstückes vom Canalis gynae- cophorus verborgen“ liege. Er stellt ebenfalls das völlige Feh- len besonderer Begattungsorgane fest und erkennt, wie Bilharz, 5 dieht gedrängt liegende Hodenblasen, die durch häutige Aus- führungsgänge von erheblicher Weite zusammenhängen. Wo die Oberfläche der Leibeswand von dem gemeinsamen Ausfüh- rungsgange dieser Hoden beinahe erreicht ist, fügt sich linker- seits, wie eine Ausstülpung, ein anderer rundlicher Raum an, der den Hodenblasen an Grösse ungefähr gleich ist und den Fritsch als Samenblase anspricht. Blanchard wiederholt diese Angaben in voller Ausdehnung (Traite pag. 639, Hematoz. pag. 44). Leuckart gewinnt auf Grund seiner neueren Unter- suchungen einen wesentlich vollkommeneren Einblick in den Bau und den Zusammenhang der einzelnen Theile des männlichen Apparates (Parasiten 2. Aufl. pag. 488 ff.). Die Hoden stellen ein einziges, zusammenhängendes Gebilde dar; die einzelnen Ho- denbläschen eommunieiren bald durch eine weite Oeffnung mit- einander, so dass das eine bruchsackartig dem Nachbar ansitzt, bald durch einen engen und kurzen Canal, der dann meist der Bauchwand angenähert ist. Man darf somit den ganzen Hoden- apparat als einen zickzackförmig zusammengesetzten Canal be- trachten, dessen Schenkel sich blasenartig erweitern, um dann als 80 A. Looss: scheinbar isolirte Säckchen zwischen die dorso-ventralen Muskel- züge des Körpers sich einzuschieben: die von Fritsch be- schriebenen Speeialausführungsgänge der einzelnen Hodenbläs- chen existiren demnach nicht. Der Hoden hat weiterhin nur einen einzigen Ausführungsgang, der, anstatt direet nach der Genitalöffnung sich zu begeben, zunächst parallel der Bauch- fläche nach vorn zieht und von dort her in die halbmond- förmig gebogene Samenblase eintritt. Aus dem hinteren Ende dieser letzteren tritt dann der Duetus ejaculatorius aus und be- giebt sich direet nach der Genitalöffnung. Diese liegt dicht vor dem Eingang in den Canalis gynaecophorus; ein Penis fehlt, es hat auch nicht den Anschein, als wenn der Duetus selbst nach aussen sich ausstülpen könnte. In histologischer Hinsicht be- stehen die Hoden aus einer dünnen und structurlosen Tuniea propria; im Innern finden sich reife Samenelemente und Samen- bildungszellen, welche letztere zu Strängen zusammengeordnet sind, die manchmal sogar anscheinend eine feine Begrenzung und ein inneres Lumen erkennen lassen; Leuekart findet hier also Verhältnisse, wie sie ähnlich schon von Chatin beschrie- ben wurden. Der Samenleiter ist eine Fortsetzung der Tunica propria der Hoden, die Samenblase besitzt ebenfalls kein Epithel, dagegen mitsammt ihrem Ausführungsgange eine dieke und derbe Wand mit deutlicher, wenn auch dünner äusserer Muskelauflage- rung. Aehnliche Ringmuskeln umfassen auch den Duetus ejaeu- latorius; Drüseneimrichtungen fehlen. Lortet und Vialleton bestätigen (l. e. pag. 34f.), ohne etwas wesentlich Neues hinzuzufügen, diese Angaben von Leuekart — freilich in einer Weise, die mancherlei Bedenken wachruft und mehrfach den Eindruck erweckt, als ob die dem Ge- sehenen von den beiden Autoren gegebene Deutung wesentlich den Ansichten der früheren Untersucher zu Liebe erfolgt sei. Hodenblasen werden fünf angegeben; vor ihnen soll eine „Samen- blase (vesieule seminale de Leuckart)“ liegen, die stark zw ei- lappig sein könne und dann zwei Blasen zu bilden scheine. Diese sind auf den ersten Blick den Hoden ziemlich ähnlich (!) und könnten glauben machen, das 7 Hodenblasen vorhanden seien; indessen sollen sich die beiden vorderen Blasen deutlich von den Hoden unterscheiden durch ihren viel helleren Inhalt. Es wird hierzu auf eine Figur (25, Pl. V) verwiesen; auf dieser zeigen aber die in Rede Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 81 stehenden vorderen Blasen einen ebenfalls recht dunklen Inhalt, sie sind vor allem vollständig mit diesem angefüllt, wie die echten Hoden, und zum Ueberflusse findet sich in der Ab- bildung vor diesen beiden Körpern noch ein helles Bläschen gezeichnet, das in der Erklärung (im Texte ist es nicht erwähnt) als “vesieule et orifice genital* bezeichnet ist. Nach den durch- aus übereinstimmenden Angaben aller früheren Beobachter ist nun die wirkliche Samenblase meist ganz leer oder nur mit wenig Inhalt gefüllt; sie unterscheidet sich auf den ersten Blick von den undurchsichtig körnigen Hoden durch ihre vollkom- mene Durchsiehtigkeit und ist stets einfach. Genau dasselbe habe ich auch an allen meinen Präparaten beobachtet und es steht mir demnach ausser allem Zweifel, dass das von Lortet und Vialleton als vesicule et orifice genital bezeichnete Ge- bilde die wirkliche v6sieule seminale de Leuckart ist, das von ihnen zur Samenblase gestempelte Ding aber nichts anderes als ein ganz gewöhnlicher Hoden. Die Zahl der Hoden bei Bil- harzia beträgt zwar, soweit ich gesehen habe, stets 4 oder 5; aber in gar nicht seltenen Fällen sind die zwei oder drei vor- dersten Bläschen durch eine von der Peripherie ausgehende Ein- kerbung mehr oder minder tief in 2 Lappen gespalten (z. B. Fig. 12, Taf. I), hängen aber an der Basis stets noelı miteinander zusammen. Am tiefsten ist diese Einschnürung immer an den beiden vorderen, und diese können dann, wenn man nicht genau hinsieht, sehr wohl als zwei getrennte Bläschen erscheinen. Lortet und Vialleton haben dies jedenfalls gesehen, aber nicht verstanden; auf ihrer Abbildung erkennt man ohne weiteres die normalen 5 Hoden von denen die beiden ersten gespalten und daraufhin als gesonderte Blasen gezeichnet sind. Dadurch wächst die Zahl der Hoden scheinbar allerdings auf 7, und sie kann, wie auf der oben eitirten Fig. 12, Taf. I zu sehen ist, dureh die hinzutretende Spaltung auch des dritten Hodens sogar bis auf scheinbar 9 steigen; es beziehen sich auf solche und . ähnliche Bilder augenscheinlich die Angaben der älteren Autoren, die von 6 und 7 Hodenbläschen sprechen. Vielleicht beeinflusst durch Leuekart, der der Bilharzia „meist fünf“ Hoden zuschreibt (was ja vollkommen richtig ist), haben dann Lortet und Vialleton ebenfalls 5 Hodenblasen angenommen, unglück- licher Weise aber Individuen mit gelappten Hoden vor sich ge- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46. 6 1632) A.Looss: habt. Hier blieben nach Abzug von 5 Blasen vorn noch Gebilde übrig und es entstand so die vollkommen irrige Auffassung des Genitalapparates, wie man sie in ihrer Arbeit wieder gegeben findet und vor allem auch auf ihren Zeichnungen erkennt. Es ist das aber noch nicht alles. Auf der in Rede stehenden Abbildung Fig. 23, Pl. V. sieht man zwischen erstem und zweitem Hodenbläschen — nach der Auffassung Lortet’s und Vialleton’s zwischen der gelappten Samenblase und dem ersten Hoden — einen dunklen Zellenstrang quer durch den Körper laufen. Von diesem Zellenstrange wird im Texte gesagt: „Le petit cordon fonc& place entre la vesicule seminale et les testieules correspond sans doute au canal £troit qui, d’apres Leuckart, fait communiquer les glandes genitales mäles avee le reservoir seminal“ (l.c. pag. 35). Daraus geht zunächst her- vor, dass sie selbst bei aller gerühmten Genauigkeit ihrer Unter- suchungen den betreffenden Canal nieht aufgefunden haben, was ja auch begreiflich genug ist, wenn man die Stelle im Auge behält, wo sie ihn, ihrer Auffassung nach, suchen mussten. Dass aber ferner dieser quer durch den Körper ziehende Gang ihrer Auffassung nach, „sans doute* identisch sein soll mit dem von Leucekartklar und deutlich alsläng s verlaufend beschriebenen Ausführungsgänge der Hoden, ist eine etwas kühne Behauptung und passt eigentlich nicht zu der gerühmten Genauigkeit der Untersuchungen von Lortet und Vialleton. Gehen wir nun zu der Histologie der Hoden über, so sind ihre Angaben hier zum Theil ebenso bedenklich. Die äussere Wandung erscheint strueturlos, wie es Leucekart angiebt. Im Inneren erkennen sie zweifellos die Querschnitte vor Epithelial- röhren; sie lassen es ungewiss, ob hier die Hodenschläuche vor- liegen, die bereits Chatin gesehen habe!); auf Leuckart's entsprechende Mittheilungen wird nicht Bezug genommen. Be- trachtet man diese tubes testieulaires auf der gegebenen Abbildung -(l.e. Pl. VI Fig. 25), dann erkennt man hier im Inneren der Hoden 1) Chatin giebt an (l. ec. pag. 1004), seine Objekte in einer solu- tion alealine faible macerirt zu haben; Lortet und Vialleton neh- men Bezug hierauf, verwandeln aber die Methode Chatin’s in eine mac£ration dans un acide etendu (l.c. pag.55). Bei so musterhaften Untersuchungen, wie den ihrigen, könnte die Literatur schon etwas musterhafter eitirt werden! Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 83 eine Anzahl (3--4) unregelmässig runder, vollkommen leerer Hohlräume von höchstens dem 21/,fachen Durchmesser der Kerne der Hodenzellen. Die Wand der Hohlräume wird von einer ein- fachen Linie gebildet, in welcher eme oder zwei ganz flache, spindelförmige Verdiekungen wohl Kerne andeuten sollen. Da- neben finden sich kleinere ganz ähnliche Hohlräume, die bis zu der Grösse der Hodenkerne herabgehen! Unseren herkömm- lichen Anschauungen nach entstehen nun die Samenelemente, wo solehe Hodenröhrchen vorhanden sind, im Inneren dieser letzteren; auf der von Leuckart gegebenen Abbildung sind sie z. B. auch (ef. 1.e. Fig. 221 pag. 493) dieht mit zelligen Elementen, älteren Entwicklungsphasen der Samenkörper gefüllt. Lortets und Vialleton’s sogenannte tubes testieulaires sind dagegen dureh aus leer, die Entwieklungszustände der Samenelemente liegen zwischen den Quersehnitten der Röhren, und es ist deshalb im Interesse der Wissenschaft lebhaft zu bedauern, dass die Ver- fasser keinerlei Andeutungen machen über die Beziehungen ihrer sogenannten Hodencanälchen zu den entstehenden Samenfäden. Wenn ich nun zu einer Besprechung meiner eigenen Beob- achtungen übergehe, so mögen zuvörderst einige Bemerkungen zu dem anatomischen Baue des männlichen Genitalapparates Platz finden. Ich kann hier die von Leuekart gemachten Mit- theilungen vollständig bestätigen. Die Zahl der Hodenbläschen beträgt stets 4 oder 5; sie hängen in der Mittellinie des Körpers ventralwärts zusammen und treten von hier aus rechts und links alternirend nach den Seiten und besonders nach oben in den Körper hinein. Wie schon oben erwähnt, können die vorderen 2 oder (bei 5 Hoden) 3 dieser Bläschen sich spalten und dann zwei gesonderte Säckehen vortäuschen. Beide Theile vereinigen sich aber nieht nur, ehe sie mit dem gemeinsamen Ausführungs- gange in Verbindung treten, sondern sie stehen auch nach der- selben Seite, alterniren also nicht. Der erwähnte Aus- führungsgang der Bläschen ist, wie Leuckart ebenfalls betont,, nicht als besonderes Organ, sondern als gemeinsame Basis, quasi als ein Vorhof aufzufassen, an welchem die einzelnen Bläschen seit- liche Aussackungen darstellen. Das hindert aber nieht, dass er meist von den Bläschen selbst ein wenig sich abhebt, und dann auf glücklich getroffenen Frontalsehnitten als einheitlicher Gang erscheint (Fig. 16, Taf. II). Die Samenbildungszellen treten 34 A. Looss: nicht in ihn hinein (wenigstens normalerweise nicht) sondern be- schränken sich auf die Säckchen. Der Ausführungsgang der Hoden, oder, wie man jetzt richtiger sagen würde, des Hodens, der Samenleiter, läuft gerades Weges nach vorn und tritt von unten und vorn her in die Samen- blase ein. Die von Leucekart geschilderten Lagenverhältnisse dieser letzteren wechseln übrigens nicht unbeträchtlich mit dem Contraetionszustande der Thiere. Bei lang ausgestreekten Würmern ist die Samenblase lang, fast schlauchförmig und gerade gestreckt, ihr hinteres Ende reicht nicht bis an die vordere Hodenblase heran; bei stark zusammengezogenen Individuen dagegen ist sie halbmondförmig gebogen mit schräg nach vorn gerichteter Con- vexität, sie liegt dieht vor und theilweise neben der ersten Hoden- blase. Die Genitalöffnung findet sich stets (Fig. T, Taf. I) genau am Eingange in den Canalis gynaecophorus, niemals im Grunde desselben, wie Fritsch angiebt; der Mündungstheil selbst kann gelegentlich in Gestalt einer kurzen, papillenförmigen Erhebung von 0,02 mm Höhe und ungefähr demselben Durchmesser nach aussen sich erheben, liegt in anderen, ebenso häufigen Fällen aber völlig im Niveau der Umgebung. Gehen wir nun über zu einer Besprechung des histolo- gischen Aufbaues des Genitalapparates, so ist auch hier das Meiste schon von Leuekart richtig gesehen worden. Die „dieke und derbe Wand“, die nach ihm die Begrenzung von Samenblase und Duetus ejaeulatorius bildet, hat meiner Erfahrung nach ein vollkommen euticulaartiges Aussehen. Sie lässt nirgends eine Spur von Kernen erkennen, zeigt sich dagegen schon in der Samenblase nach Innen zu in zahllose kleine Zöttchen zer- spalten (Fig. 7, Taf. D), die offenbar dieselben Gebilde sind, die anderwärts den Duetus ejaeulatorius auskleiden; in dem Duetus ejaeulatorius selbst werden diese Zöttehen bedeutend höher und ähneln vollkommen denen des Oesophagus. Der Ductus hat eine ziemlich ansehnliche Ringmuskulatur, die sich bedeutend schwächer und schwerer sichtbar auch auf die Wandung der Blase fortsetzt. In der unmittelbaren Umgebung des Ductus zeigt sich im Parenchym des Körpers weiterhin eine ziemlich auffällige Anhäufung vonKernen ; das Plasma der zugehörigen Zellen habe ich dagegen kaum deutlich abgegrenzt gefunden, und vermag so nicht bestimmt zu sagen, was diese Kerne zu bedeuten haben; gleichwohl ist es nicht un- Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 85 wahrscheinlich, dass die zugehörigen Zellen mit der eutieularen Auskleidung im Inneren in Beziehung stehen. Die Wandung des Samenleiters und der Hoden lässt Leuekart durch eine strueturlose Tunica propria gebildet sein; diese Angabe ist irrig. Man findet vielmehr in der Begrenzung beider (Fig. 16, 17, Taf. II) sehr deutliche und gar nicht so spärliche, flache Kerne, deren Vorhandensein den zelligen Ursprung der Hodenmembran und ebenso der des Samenleiters zweifellos macht. Was nun schliesslich die Struetur des Hodenblaseninhaltes anlangt, so haben Chatin und Leuekart (die Angaben Lortet’s und Vi- alleton’s zählen wohl kaum noch mit) diesem eine strangartige Anordnung zugeschrieben ; die Samenelemente sollen in besonderen, dureheinandergescehlungenen Röhrchen entstehen. Ich muss nun offen bekennen, dass ich mich auf Grund meiner eigenen Beob- achtungen an Bilharzia haematobia, so sehr ich mich auch bemühte und so viele Exemplare ich auch untersuchte, von der Existenz solcher Canälchen im Inneren der Hodenbläschen nirgends mit eimiger Sicherheit habe überzeugen können. Wie bei wohl allen übrigen Trematoden — der von Chatin angestellte Ver- gleich der Hodenröhrehen der Bilharzia mit den Schläuchen des verästelten Hodens von Distomum hepatieum ist be- reits von Leuckart als verfehlt zurückgewiesen worden — stellte bei den meisten meiner Individuen der Hodeninhalt eine einzige, zusammenhängende Masse dar, m der sich keinerlei strangartige Anordnung oder irgend welche Lückenräume nach- weisen liessen. Bei einigen anderen Exemplaren, deren übrige (Gewebe sich mangelhafter eonservirt erwiesen, war der Hoden- inhalt durchsetzt von mehr oder minder zahlreichen, hyalinen Blasen, die ich aber nach der Lage der Dinge als nichts anderes auffassen kann, denn als Produete des allmählichen Zerfalles der Hodenmasse. Die Blasen haben im übrigen durchaus das Aus- sehen, wie die von Lortet und Vialleton gezeichneten „Durchsehnitte der Samencanälchen“, erweisen sich aber bei Untersuchung der Nachbarschnitte als runde, allseitig geschlossene, aber wie dort vollkommen leere Gebilde. So kann ich die Zu- sammensetzung der Bilharziahoden aus einzelnen Röhrchen nicht bestätigen; mir scheint vielmehr, als ob das ganze Hoden- bläschen als das Homologon eines Samencanälchens zu be- trachten sei. 86 A. To0oss: Der Inhalt der Hodenbläschen, und vor allem die Entstehung der Samenfäden, ist schwer zu analysiren. Einmal sind die Ele- mente, um die es sich hier handelt, ausserordentlich klein, dann aber scheint mir auch nicht ohne weiteres sicher, ob man die im Präparat sichtbaren Verhältnisse auch als noch normale an- sehen kann. Allerdings zeigen in der Mehrzahl meiner Präparate die Kerne noch recht hübsch ihre Structur, Fäden, Schleifen der chromatischen Substanz, Nucleolen u. s. w. Ich habe deshalb auch versucht, aus den einzelnen Stadien den Process der Sperma- tozoenbildung zu erschliessen, möchte die folgende Darstellung je- doch nur unter aller Reserve geben (Fig. 17, 1—8, Taf.D). Die Untersuchung wird vor allem erschwert durch den Umstand, dass die einzelnen Phasen der Samenbildung augenscheinlich völlig regellos durcheinandergermischt sind, dass man also nicht, wie anderwärts so oft, durch die Lagerung der Elemente zu einander einen Rückschluss auf ihre zeitliche Aufeinanderfolge machen kann. Die kleinsten Zellen, die sich in dem Hodeninhalte vor- finden, haben runde Kerne von 0,0028 mm Durchmesser; das Protoplasma ist fein körmnig, aber sehr schwach begrenzt. Die Kerne haben ein sehr dichtes Nucleingerüst und erscheinen des- halb stark gefärbt (1, Fig. 17). Allmählich quellen sie auf, und dabei wird ihr Gerüst lockerer, so dass man jetzt im Inneren einen auffällig schwächer als das Gerüst gefärbten Nucleolus er- kennen kann (2, Fig. 17). In manchen Kernen derselben Grösse findet man an Stelle des gewöhnlichen Gerüstes einen augen- scheinlich zusammenhängenden Kernfaden im lockeren Knäuel- stadium (3), dagegen keinen Nucleolus mehr; ob hier nun eine Theilung der Samenzellen stattfindet, kann ich nicht sagen, da es mir nicht geglückt ist, irgend welche andere Phasen einer Theilungsfigur aufzufinden. Noch grössere Kerne des Hodenin- haltes, die jetzt bis zu 0,0056 mm messen, zeigen wiederum das Stadium 2 mit sehr loekerem Kerngerüst und Nucleolus (4). Nun scheint sich dieses Kerngerüst abermals zu einem Faden umzu-. gestalten, der aber frühzeitig schon in einzelne Bruchstücke zer- fällt; die letzteren ziehen sich an die Kernmembran heran, so dass jetzt das Innere mit dem Kernkörper vollkommen hell wird (5). In anderen Kernen derselben Grösse findet man die Chromatin- fäden hauptsächlich an einem Pole des Kernes angesammelt (6), der bisher leicht gefärbte Kernsaft wird immer blasser und der Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 87 Nucleolus verschwindet. Die Kerne quellen jetzt noch etwas mehr auf und repräsentiren nunmehr ovale, ganz farblose Bläschen, an deren einem Pole stark gefärbte, kurze Chromatinstäbehen zu einem halbmondförmigen Körper sich zusammendrängen (7, 8; diese Elemente haben ebenfalls eine unverkennbare Achnliehkeit mit den von Lortet und Vialleton in ihrer Abbildung ge- zeichneten Durchschnitten der Hodencanälchen und könnten auch Originale derselben darstellen). An die erwähnten, kurzen Chro- matinstäbehen scheint nun die Bildung der Samenkörper anzu- knüpfen, vielleicht dass sie sich sogar direct in dieselben ver- wandeln; gewisses war hierüber freilich nicht zu eruiren. Die reifen Samenfäden sind schon von Leuekart erkannt worden; sie besitzen eine Länge von 0,0018mm und lassen in ihrem vorderen, angeschwollenen Theile oft einen hellen Hohlraum erkennen, gleich als ob sie bereits wieder etwas Kernsaft aufge- nommen hätten. Im übrigen habe ich sie so gefunden, wie es Leuckart beschreibt. Sie finden sich bei den meisten der von mir untersuchten Individuen regellos vertheilt zwischen den Samenbildungszellen in den Hoden vor (Fig. 17), sammeln sich aber besonders in dem : der Bauchfläche zugekehrten Theile, durch den die einzelnen Hodenbläschen mit einander eommunieiren. Die Samenbildungs- zellen lassen diesen Theil frei, so dass er als Ausführungsgang fun- girenkann. Durch ihn gelangen die reifen Elemente nach der Samen- blase, wo man gewöhnlich auch eine Zahl von ihnen vorfindet. Zwischen ihnen treten sehr regelmässig auch runde, scharf be- srenzte Tropfen einer wenig färbbaren, sehr feinkörnigen Masse auf, die ganz wie ein Sekret aussehen. Da jedoch besondere Drüseneinrichtungen an dem Genitalapparate fehlen, so bleibt nur die Annahme übrig, dass die Tropfen dieser Substanz in den Hoden selbst bei oder neben der Bildung der Samenfäden ent- stehen. In der That findet man daselbst in den Zwischenräumen „zwischen den Samenbildungszellen sehr regelmässig eine fein- körnige Masse, die hier nur noch nieht zu Tropfen zusammen- geflossen ist. Weibehen. Die Hauptbestandtheile des weiblichen Genitalapparates sind sehon von Bilharz gesehen und theilweise auch richtig 88: A. Looss: gedeutet worden. So fand er zu den Seiten des unpaaren Dar- mes die Dotterstöcke mit ihrem Ausführungsgange, vor der Wiedervereinigung der Darmschenkel das Ovarium mit seinem Ausführungsgange, und hinter dem Bauchsaugnapfe die Genital- öffnung (l. e. pag. 60f.. Leuekart fügt (Paras. 1. Aufl.) diesen Angaben von Bilharz zunächst nur wenig hinzu, da- gegen bringt Fritsch in seiner vorläufigen Mittheilung (l. e. pag. 409 f.) eine beträchtliche Zahl neuer Daten. Er beschreibt hinter der Genitalöffnung eine museulöse Erweiterung des Leitungsappa- rates; er erkennt zum ersten Male die Erweiterung des Uterus, die von Bilharz als „Kapsel“ bezeichnet worden sein soll?) und deutet sie als Schalendrüse. Dieselbe hat die Gestalt einer oben leicht zugespitzten Frucht auf kurzem Stiele und ist innerlich von einem regelmässigen Epithele ausgekleidet, welches die Schale abscheidet. Die fertigen Eier sind als Ausgüsse des Innenraumes dieser Erweiterung zu betrachten und erhalten einen Seiten- oder einen Endstachel, je nachdem der am Hinterende in den Eibildungs- raum einmündende „Oviduct“, der dem Stiele der Frucht ent- spricht, seitlich oder rein termimal herantritt. Der Oviduet empfängt unmittelbar vor seinem Eintritt in den Raum den Dottergang; beide Gänge ziehen dann, sich umeinander schlängelnd, nach hinten, wo sie mit ihren respectiven Drüsen in Verbindung treten. Der Vitelloduet soll wegen seines unpaaren Auftretens und seiner relativen Weite als verlängerte Dotterblase angesprochen werden können; der Oviduet entspringt aus dem hinteren Ende 1) Ich will hier bemerken, dass ich in der Originalmittheilung von Bilharz diese Bezeichnung nicht habe finden können. Derselbe hat das in Rede stehende Organ überhaupt nicht gesehen, beschreibt vielmehr (l.e. pag.60) einen „Eierleiter“, der aus dem Eierkeim-Organ 'hervorkommend, „zwischen den beiden Darmästen nach vorne ver- läuft, vollkommene, mit Eierkeimen und Schalen versehene Eier enthält und an dem hinteren Rande des Bauchnapfes mündet“. Aus den übrigen Mittheilungen pag. 74 und 455, l. e., besonders aber aus der Erklärung der Fig.K, Taf. XVII geht dagegen unzweifelhaft her- vor, dass er mit dem Namen Kapsel nicht die Erweiterung des Uterus, sondern ein mit Seitenstachel versehenes, im Uterus gelegenes Ei meinte, Dass dasselbe in der Erweiterung gelegen war, scheint nach der Figur allerdings anzunehmen, indessen fand er die „Kapseln“ auch anderwärts im Uterus und ebenso in den Organen der Bilharzia- kranken, Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 89 des Keimstockes, was früher schon von Leuekart gesehen worden war. Endlich glaubt Fritsch auch, enen Laurer- Stieda’schen Gang, der eine Begattungsscheide darstelle, auf- gefunden zu haben. Die Ergebnisse der Untersuchungen C ha- tin’s (l.e. pag. 1004) bleiben in mehrfacher Hinsicht hinter denjenigen von Fritsch zurück. Das Ovarium soll nach ihm von dem Uterus bedeckt und seitlich gelegen sein; es erstreckt sich von hinten nach vorn und steht durch einen ziemlich kurzen Oviduet mit der Schalendrüse in Verbindung; demnach scheint Chatin den Austritt des Keimganges aus dem Ovarium an dessen Vorderende zu suchen. Die „Schalendrüse“ wird im derselben Weise beschrieben, wie es von Fritsch geschehen ist; der aus der Drüse hervorkommende Uterus bildet un- mittelbar nach seinem Austritt eine beträchtliche Erweiterung, die nach Form und Lagerung dem Receptaculum seminis der Egel entsprechen soll. Bevor er ausmündet, bildet der Uterus dann nochmals eine Erweiterung. Auch Chatin glaubt endlich einen Laurer’schen Gang gesehen zu haben, und zwar „in der dem Oviduet, dem Dottergang und dem Uterus gemeinsamen (?) Gegend“; eine äussere Oeffnung wurde aber nicht beobachtet. In der ausführlicheren Arbeit fügt Fritsch seinen bereits oben ceitirten Mittheilungen in der Hauptsache nur histologische Einzelheiten hinzu, auf die wir später zu sprechen kommen werden. Nebenbei gesagt, ist daselbst bezüglich eines Punktes, über den wir ebenfalls später zu sprechen haben werden, die Ausdrucksweise so unklar, dass es besonderer Aufmerksamkeit bedarf, den Autor zu verstehen; in der That sind auch bereits Missverständnisse dadurch hervorgerufen worden. Blanchard (TraiteE pag. 641, Hematoz. pag. 48) schliesst sich in seiner Darstellung hauptsächlich an die Mittheilnngen von Fritsch an. Das Ovarium ist nach ihm (wie auch nach Chatin) ge- lappt (lobe), die Dotterstöcke werden als 2 Organe aufgefasst, die in der Mittellinie durch einen gemeinsamen Canal verbunden sind. Der Eileiter Fritsch’s (von der Schalendrüse bis zu der Erweite- rung vor der Mündung reichend) wird als Uterus, der Uterus von Fritsch (die Erweiterung selbst) als Samenreservoir bezeichnet. Die Beobachtungen Leuckart's (Paras. 2. Aufl. pag. 494 ff.) be- stätigen und erweitern, was den anatomischen Bau des weiblichen Genitalapparates betrifft, in vielen Punkten diejenigen von 90 A. Looss: Fritsch; ein wesentlicher Fortschritt ist vor allem die Er- kenntniss und richtige Deutung der Schalendrüse. Nicht die von Fritsch mit diesem Namen bezeichnete fruchtförmige Er- weiterung des Uterus ist die Schalendrüse, sondern ein Complex kömiger Zellen, die im Umkreise der Erweiterung liegen und Ausführungsgänge nach dem von hinten in sie eintretenden ge- meinsamen Endstücke des Keim- und Dotterleiters entsenden. In der Erweiterung selbst vermisst Leuekart das von Fritsch, Chatin und Blanchard beschriebene Epithel, und fasst diese selbst als ein dem Ootyp der Distomen entsprechendes Ge- bilde auf. Kurz vor der Mündung des Uterus findet er endlich ebenfalls eine Verdickung desselben, die aber hauptsächlich durch eine Diekenzunahme der Wandungen an dieser Stelle bedingt wird. Weitere neue Thatsachen, die Leuekart noch mittheilt, betreffen in der Hauptsache histologische Verhältnisse. Die Er- gebnisse der Untersuchungen Lortet’s und Vialleton’s weichen in folgenden Punkten von denen der früheren Autoren ab. Der gemeinsame Dottergang lässt deutlich und scharf zwei Theile unter- scheiden. Ein hinterer, der den unpaaren Darm in ganzer Länge auf der Ventralseite begleitet, ist stets absolut frei von Muskelauflage- rungen auf seiner Wand; der vordere, der zahlreiche Spiraltouren um den Oviduct beschreibt, hat solche Muskelauflagerungen. Die Dotterfollikel sind einfach, nicht gelappt, wie Fritsch sie zeichnet (l. e. Fig. e pag. 206). Die Schalendrüse wird in derselben Weise aufgefasst wie von Fritsch, Chatin und Blanehard; sie geht nach vorn in die Vagina über, die man indifferenterweise Uterus o der Vagina nennen kann (]. e. pag. 36). Die von Leuekart beschriebenen Drüsenzellen haben die Verff. niemals beobachtet. Keimgang und Dottergang münden ‘gesondert, Seite an Seite in den „Schalendrüsenraum‘ und nur bei einer Längsstreckung scheine es, als ob beide Canäle gemein- sam einmündeten. Bei verschiedener Contraction des Körpers soll dann der Austritt der Vagina aus dem Schalendrüsenraum gelegentlich auch auf die Seite geschoben werden können, was für die Entstehung der Eier mit Seitenstachel von Bedeutung sei. Die von verschiedenen älteren Beobachtern (Fritsch, Cha- tin, Leuckartete.) aufgefundenen Erweiterungen und Verenge- rungen des Uterus finden sie bei ihrem Materiale nirgends und Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 91 betrachten in Folge dessen den Endtheil des Leitungsapparates von der Schalendrüse an als einheitliches Ganze. Wenn ieh nun zur Darstellung meiner eigenen Beobachtungen übergehe, so muss ich gleich von vorne herein bemerken, dass ich neue anatomische Thatsachen von irgend welcher Bedeutung nicht zu verzeichnen habe; in Bezug auf den feineren Bau der einzelnen Organe dürfte sich dagegen noch einiges bisher Unbe- kannte ergeben. Das Övarium habe ich in der Mehrzahl der Fälle so getroffen, wieesFritschundLeuckart beschreiben; es repräsentirt in ganz jungen Weibehen einen stumpf spindel- förmigen oder länglich ovalen Körper von 0,35mm Länge, wo- gegen es bei alten Weibehen bis über 1 mm heranwächst. Seine Form wird dann unregelmässiger, das hintere Ende kolbig, das vordere allmählich verjüngt, die Seitenränder leicht eingebuchtet oder einander gleichlaufend geschlängelt; niemals aber habe ich eine gelappte Form des Keimstockes gesehen, wie es mehrfach angegeben worden ist. Es nimmt, namentlich in seinem hinteren Abschnitte, einen beträchtlichen Theil des Körperquerschnittes ein und wölbt die Rückenwandung nicht selten mehr oder minder stark nach aussen hervor. Dass die Lagerung des Keimstockes eine durchaus mediane ist, hat im Gegensatz zu Chatin, der sie als seitlich angiebt, bereits Leuckart berichtigt. Auf Total- präparaten findet man den Keimstock allerdings regelmässig seitlich, doch kommt das von dem bei der Präparation angewandten Drucke her; auf Querschnitten liegt er stets median. Der Inhalt wird aus Keimzellen verschiedener Entwicke- lung gebildet, aber ähnlich wie in dem Hoden der Männchen ist auch hier die Anordnung der einzelnen Stadien nicht so regel- mässig, dass ein bindender Rückschluss auf ihre Aufeinanderfolge möglich wäre (Fig.29, Taf. III). In dem blinden Ende bemerkt man, der Wand innen anliegend, deutlich selbstständige Zellen von ovaler Form, 0,0068 mm längerem Durchmesser (der übrigens der Wand parallel läuft) und ovalen Kernen von 0,0046 mm grosser Axe. Ein Theil von ihnen, der allgemein hinter der eben angegebenen Grösse ein wenig zurückbleibt, färbt sich desto stärker mıt Reagentien (Fig. 29, 1), ein anderer ist weniger gefärbt (2, Fig. 29). Beide Zellenarten sind aber ohne Ge- setzmässigkeit durch einander gemischt und bedecken die ge- sammte Innenwand des Keimstockes mit Ausnahme von ungefähr .92 A,Looss: ‚dem letzten Drittel oder Viertel seiner Länge. Hier fehlen sie; auch erstrecken sie sich auf der Bauchseite nicht selten weiter nach hinten, als nach dem Rücken zu. Sie repräsentiren gleich- zeitig aber nur die äusserste Schichte einer 0,025 mm und noch darüber in der Dieke messenden Lage von Zellen, welche die Wand des Keimstockes in der oben angegebenen Ausdehnung bedeckt, und die sich bei augenfällig gut erhaltenen Weibchen als zusammenhängende Masse scharf von dem inneren, anders aussehenden Inhalte absetzt. Gegen dem Innenraum zu werden die Zellen dieser Wandschicht ein wenig grösser (3, Fig. 29), und zu gleicher Zeit zeigt ein bemerkenswerth hoher Procent- satz von ihnen scharf gezeichnete Kerntheilungsfiguren, namentlich lockere Knäuelformen. In dem von der Wandschicht frei ge- lassenen Innenraum des Keimstockes liegt eine Zellenmasse, die den Eindruck macht, als ob sie von hinten nach vorn flösse oder passiv geschoben würde. Die Kerne dieser Zellen (die Leiber sind unregelmässig zusammengepresst und kaum von ein- ander zu trennen) übertreffen im Hinterende des Ovariums an Grösse nur unwesentlich die der Wandschicht. Sie lassen im Inneren noch einen lockeren Fadenknäuel und einen in der Tiefe gelegenen Kernkörper erkennen (4, Fig. 29). Etwas weiter nach vorne sind die Kerne bereits auf 0,0075mm gewachsen; in ihrem Inneren findet man jetzt ganz constant 2 Kernkörper, den einen davon rund und ziemlich stark gefärbt, den anderen etwas blasser, unregelmässig gestaltet und durch feine Chromatinfäden noch hier und da mit der Membran des Kernes in Verbindung stehend (5). Je mehr die Zellen nun von hinten her nach vorn, d. h. dem Ausführungsgange zugeschoben werden, desto mehr vergrössern sich die Kerne und der eine (dunkler gefärbte) der beiden Kern- körper, während der andere klein bleibt (6). Sind die Eizellen dann auf dem Niveau angekommen, wo der zellige, innere Wand- belag: des Keimstockes aufhört, dann ergiesst sich der Strom in die Breite bis an die Eigenmembran des Ovariums heran und Jetzt beginnen sich auch die einzelnen Eizellen von einander zu isoliren. Wegen ihrer unregelmässig vieleckigen Form sind sie auch jetzt noch schwer zu messen; isolirte (aus dem Keimgange) haben 0,0017 mm im Durchmesser mit Kernen von 0,0103 mm; in den letzteren ist jetzt der zweite Kernkörper völlig geschwun- ‚den, dagegen hat der andere eine Grösse von 0,004mm erreicht Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 93 (Fig. 30). Diese Maasse sind, wie man sieht, um ein geringes kleiner, als die von Leuekart zuletzt angegebenen (0,018 be- zügl. 0,012 mm Paras. 2. Aufl. pag. 496), dagegen etwas grösser als die früher angegebenen (0,015 bezüglich 0,008 mm, Paras. 1. Aufl. pag. 622). Bei der Mehrzahl der von mir beobachteten weiblichen Würmer waren nun die eben geschilderten Verhältnisse, wie sie das Ovarium der besterhaltenen Exemplare zeigte, nicht mehr ohne Weiteres zu erkennen; vielmehr war hier, wenigstens im Hinterende, soweit der zellige Wandbelag reicht, der Inhalt mit Ausnahme der ganz wandständigen Zellen gleichsam durchein- ander geschüttelt. Trotz alledem waren in allen Kernen die Strueturen, und besonders die Fadenknäuel, in voller Schärfe er- halten geblieben; die reifen Eizellen nahmen, wie sonst, den breitesten Theil des Keimstockes ein. Wie die einzelnen, hier geschilderten Phasen aus der Ent- wiekelung der Eizellen untereinander zusammenhängen oder muth- masslich auseinander hervorgehen, habe ich nieht näher zu eruiren versucht; ich möchte auch mit der Beschreibung der Phasen selbst die Kritik nicht heraus fordern. Die äussere Begrenzung des Keimstockes wird von allen bisherigen Beobachtern als strueturlose Tuniea propria angegeben; das stimmt jedoch nicht, denn sie lässt stets, wenn auch nicht überall gleich gut, flache eingelagerte Kerne erkennen und docu- mentirt damit ihren zelligen Ursprung. Am spärlichsten sind diese Kerne gegen das vordere, ‚d. h. dass blinde Ende des Keim- stockes hin. Nach dem Ausführungsgange zu werden sie dagegen zahlreicher und damit sehr leicht sichtbar; in unmittelbarer Nachbar- schaft der Mündung des Keimganges endlich entsteht nicht selten (ef. Fig. 25, Taf. II) ein vollkommen typisches Epithel von 0,004mm Höhe, dessen Zellen fein senkrecht gestreift und mit Kernen von 0,004--0,005 mm Durchmesser ausgestattet sind. Auf seiner Aussenseite lässt dieses Epithel weiterhin deutlich eine einfache Lage unregelmässig paralleler Ringmuskelfasern erkennen, die aber um so mehr der Beobachtung sich entziehen, je weiter man an dem Ovarium nach dem blinden Ende zu fortschreitet. Weit entfernt, allmählich in den Eileiter sich zu verjüngen, wie man das bis jetzt angenommen hat, setzt sich der Keimstock vielmehr sehr scharf durch einen dem Schluckapparat der 54 A.Looss: Distomen entsprechenden Ovarialsphincter gegen den Keimgang ab (Fig. 25). Derselbe ist freilich nicht immer gut und deutlich zu beobachten, was mit seinen wechselnden Contractionsverhält- nissen zusammenhängt. Manchmal präsentirt er sich nur in Ge- stalt einer triehterförmigen Verjüngung der Ovarialbasis gegen den Anfang des Keinleiters hin; manchmal erscheint er aber auch in Gestalt einer deutlich markirten spindelförmigen Erweite- rung zwischen Ovarialbasis und Beginn des eigentlichen Keim- ganges. Seine Wandung wird dabei in allen Fällen gebildet von dem Epithele der Ovarialwandung, welches sich in der oben zu- letzt geschilderten Form in ihn hinein fortsetzt. Die Kerne der Zellen (Zellgrenzen sind nicht deutlich zu erkennen) liegen hier einander so nahe, dass man auf einem Querschnitte oft 4 und 5 findet (Sph. Fig. 25, Taf. II). Aeusserlich liegt diesem Epi- thele, jetzt bedeutend verstärkt, eine Ringmuskulatur auf, zu der sich möglicherweise, aber nicht scharf erkennbar, eine Längs- faserlage gesellt. Die Wirkungsweise des ganzen Apparates ist aus dem Zustande der Fig. 26 leicht zu erschliessen; während der einfach trichterförmigen Ruhelage treten in Folge der im Keimstocke herrschenden Turgenscenz die reifsten Keimzellen bis in die Spitze des Trichters. Weiter können sie hier zunächst nicht, denn die Ausflussöffnung des Trichters, d. h. der Ueber- gang in den Keimleiter, ist viel zu eng, nämlich nur 0,005 mm weit, wogegen die Eizellen bekanntlich 0,017 mm gross sind. Soll aber eine derselben nun doch hinausbefördert werden, dann beginnt eine leise Contraetionswelle von hinten her; die der Spitze des Trichters zunächst gelegene Keimzelle wird wie in der Figur ersichtlich abgefangen, und jetzt mit Gewalt durch die enge Oeffnung hindurchgepresst. Keimgang. Der Keimgang wendet sich, wie bekannt, fast sofort nach seinem Austritt aus dem Keimstocke ventralwärts, um unter dem letzteren hin nach vorn zurückzukehren. Ich habe indessen auch ein Weibchen angetroffen, wo er, anstatt direct nach vorn umzubiegen, erst auf eine Entfernung von noch 0,144 mm gerade nach hinten zog um nun erst umzukehren. In Bezug auf seinen sonstigen Verlauf habe ich nichts weiter zu sagen; dass er nicht „sehr kurz“ ist, wie Chatin behauptet, haben die folgenden Autoren schon berichtigt. Seine Länge scheint übrigens gesetzmässig mit dem Alter der Thiere zu wachsen. Ich habe Zur Anatomie und Histologie ‘der Bilharzia haematobia (Cobbold). 95 weiter oben schon von einem ganz jungen Weibehen gesprochen, bei dem die Vereinigung von Keim- und Dottergang bereits unmittel- bar vor dem Vorderende des hier noch kurzen Ovariums stattfand. Bei einem etwas älteren Individuum von 0,41 mn Ovariallänge liegt die betreffende Vereinigung 0,11 mm vor der Spitze des Keimstockes; bei erwachsenen Individuen endlich beträgt die Entfernung zwischen den beiden in Rede stehenden Punkten 0,77mm und darüber. Aus diesen Maassverhältnissen ergiebt sich, dass z. B. Leuckart für seine Untersuchungen nur jüngere Individuen zur Verfügung gehabt hat; es beträgt nach ihm die ganze Länge des Keimganges nur 0,6—0,7 mm, während die Vereinigung von Keim- und Dottergang nur 0,1—0,25mm vor der Spitze des Ovariums gelegen sein soll. Bei erwachsenen In- dividuen ändern sich wie gesagt, diese Entfernungen noch ganz bedeutend. Histologisch besteht die Wand des Keimganges aus einem flachen Epithel, dessen nieht übermässig zahlreiche, aber voll- kommen deutliche Kerne flach buckelförmig in das Lumen hin- ein vorspringen (Fig. 25, 26, Taf. III). In einigen Fällen habe ich hier, in Uebereinstimmung mit Leuekart, beobachtet, dass die innere Oberfläche des Keim- leiters nicht glatt, sondern vielfach zerschlitzt aussieht und nach hinten in unregelmässige feine Spitzen ausläuft. Man könnte daraufhin. vermuthen, dass ähnlich wie bei den Distomen, der Keimgang auf seiner inneren Oberfläche im Leben mit einem Flimmerepithel ausgestattet sei. Leider habe ich, so lange mir lebendes Material zu Gebote stand, auf diese Verhältnisse nicht geachtet, und so kann ich jetzt in der Frage keine bestimmte Entscheidung treffen. Aeusserlich liegt dem Epithel eine einfache Lage feiner Ringfasern auf. Die letzteren sind, ohne das Epithel, bereits von Lortet und Vialleton, das Epithel ist ohne die Mus- kulatur bereits von Leuckart erkannt worden. Dass nament- lich an der hinteren Umbiegungsstelle der Keimgang vielfach grössere Ansammlungen von Samenfäden, daneben aber auch Ei- zellen in verschiedener Zahl enthält, habe ich ebenso häufig und regelmässig beobachtet, wie Leuckart. Zu der Lage und Anordnung des Dotterstockes habe ich ebenfalls nichts Neues hinzuzufügen. Was mich Wunder 6 A. Looss: nimmt, ist aber das, dass alle Autoren bisher „die Dotterstöcke* als paarige Organe beschreiben, trotzdem sie in keiner Weise Andeutungen irgend welcher Duplieität verrathen. Wir haben einen in der Mittellinie des Bauches nach hinten verlaufenden Dottergang, dem, wie bei Bilateralthieren nicht anders angängig, rechts und links symmetrisch die Dotterfollikel anhängen, also doch wohl ein durchaus einheitliches, unpaares Organ. DBetreffs der Form der seitlichen Dotterfollikel behaupten Lortet und Vialleton, dass dieselben durchaus einfach, nicht gelappt seien, wie es Fritsch auf einer seiner (schematischen) Figuren angegeben habe. Nun ist zwar in der That diese Figur (Fig. e pag. 206) nicht ganz richtig, da die Einkerbung der Drüsen- masse nicht nach innen, sondern nach aussen gerichtet sein müsste (ef. Fig. 27, Taf. III); gelappt, und zwar so tief gelappt, dass die einzelnen Läppchen mehr isolirten und gestielten Bläschen gleichen, sind die Dotterfollikel aber doch, und sie gleichen da- mit den Dotterstöcken der verwandten Formen. Freilich liegen bei Bilharzia die einzelnen zunächst zusammengehörenden Bläschen immer vertical übereinander und sind deshalb auf Totalpräparaten (Lortet Fig. 10, Pl. II) nicht sichtbar, wohl aber auf Querschnitten wie in Figur 28. Die Wand der Dotter- bläschen erschien mir lange Zeit dünn und structurlos; erst bei mehrmals wiederholter Untersuchung fand ich in ihnen zweifel- lose, aber sehr spärliche und auch flache kernhaltige Verdickun- gen, die eine zellige Structur dieser Wand beweisen und sie damit als derjenigen der Dotterfollikel bei den Distomen ete. entsprechend erscheinen lassen. In dem bauchständigen, medianen Dottergange, dessen Wandungen schon von Leuckart als zellig erkannt wurden (l. ec. pag. 497), was Lortet und Vialleton wiederum leugnen (l. e. pag. 37), sind die Epithelzellen der Wand, d. h. nur in ihren Kernen deutlich erkennbar, bei weitem häufi- ger und deshalb leichter zu bemerken. Manchmal glaube ich hier auch bereits auf der Aussenfläche eine feine, unregelmässige Ringmuskulatur erkannt zu haben; indessen ist das nicht ganz sicher. Lortet und Vialleton sprechen dem medianen Dottergange bekanntlich, soweit er unter dem Darme verläuft, jede Ausstattung mit Muskelfasern ab und gründen darauf ihre Theilung des gesammten Dotterleitungsganges in 2 Hälften. Ich glaube kaum, dass dieselbe haltbar sein wird; denn der unter Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 97 dem Keimstocke hinweggehende Hauptdottergang hat ganz die- selbe Structur, wie der hintere, unter dem Darm liegende Ab- schnitt; höchstens, dass weiter nach vorn zu an ihm die äussere Muskelauflagerung auffällig stärker und damit deutlicher wird. Von dem Hauptdottergange, der also von dem Vorderende des Dotterstockes nach der Schalendrüse hinzieht, wird nun in den früheren Arbeiten mehrfach ausdrücklich behauptet (z. B. Fritsch, zool. Anz. pag. 410, A. f.) m: A. pag. 211,0 Lortet und Vialleton pag. 38), dass er sich um den ebenfalls ge- wundenen Keimgang „herumwindet“. Diese Angabe erweckt ein vollständig falsches Bild von den gegenseitigen Lagebeziehungen der beiden Canäle; dieselben laufen in Wirklichkeit stets in dem gleichen Sinne nebeneinander nach vorn, ohne Drehung um- einander. Dabei liegt in dem mikroskopischen Bilde der Keim- sang meist rechts, der Dottergang links, wie man es bei Jüngeren Weibehen meist auch noch ohne Schwierigkeit beobachten kann. Bei alten, erwachsenen Thieren jedoch machen beide Canäle ziem- lich ansehnliche Schlängelungen und es hat dann allerdings leicht den Anschein, als ob sie durchemander geschlungen wären. Man überzeugt sich aber auch hier, auf Schnitten sowohl, wie auf Totalpräparaten, am besten und leichtesten natürlich am lebenden Thiere, zweifellos davon, dass keine Umeinanderdrehung statt- findet; wohl schieben sieh die Schlingen beider Gänge bald über-, bald untereinander, kehren aber stets auf derselben Seite auch wieder zurück. Eierleiter und Dotterleiter vereinigen sich, wie bekannt, schliesslich zu einem ziemlich kurzen, gemeinsamen Canale, der in den erweiterten und eigenthümlich umgebildeten Anfangs- theil des Uterus eintritt. Ueber die Lage dieser Vereinigungs- stelle habe ich schon oben einiges mitgetheilt; was nun die Ver- einigung selbst anlangt, so ist dieselbe zuerst von Fritsch in seiner vorläufigen Mittheilung beschrieben worden (l. e. pag. 410); in der ausführlichen Arbeit (l. e. pag. 211) sagt dagegen der- selbe Autor, dass beide Gänge unterhalb der Schalendrüse dieht benachbart, d. h. also doch wohl getrennt, münden. Leuekart erkennt dagegen die Vereinigung von Keim- und Dottergang zu einem kurzen, unpaaren Stücke, das seinerseits erst in die Uteruserweiterung eintritt, wiederum zweifellos (l. ©. pag. 497). Nach. Lortet wnd Vialleton sollen weiter Archiv £f. mikrosk. Anat, Bd. 46, b ( 98 A. Looss: beide Gänge sich doch gesondert in den erweiterten Uterus- anfang inseriren, und der Anschein einer gemeinsamen Einmün- dung soll nur durch passive Dehnung des Ganzen hervorgerufen werden (l. e. pag. 39). In Wirklichkeit existirt dieses Verbin- dungsstück aber deutlich auch bei nicht gedehnten, und ebenso auch bei ganz jungen Thieren; es kennzeichnet sich ausserdem ‚als eonstante und wichtige Partie des weiblichen Genitalappara- tes dadurch, dass es, wie Leucekart bei Bilharzia erassa zuerst mit Deutlichkeit erkannte, die Ausführungsgänge der wirk- liehen, echten Schalendrüsenzellen in sich aufnimmt (Fig. 26, 23, Taf. III). Dieselben sind bei den jüngsten von mir beobachteten Bilharzien bereits deutlich vorhanden, lassen sich aber bei diesen auf dem Schnitte kaum, mit um so grösserer Deutlichkeit dagegen während des Lebens erkennen!). Bei älte- ren Individuen sind sie überall und vollkommen deutlieh auch auf Schnitten erkennbar, nur Lortet und Vialleton haben trotz der gerühmten Genauigkeit ihrer Untersuchungen „niemals etwas Aehnliches“ beobachtet (l. e. pag. 38). Die Zellen haben auch bei Bilharzia haematobia durchaus das von Leuckart geschilderfe Aussehen, ihre Grösse finde ich dagegen etwas bedeutender (0,013 mm gegen 0,009 mm nach Leuckart); der Kern misst 0,005 mm. Sie liegen besonders in den Seiten und auf dem Rücken, nur spärlich auf der Bauchseite, welche der gemeinsame Keim-Dotterleiter einnimmt (Fig. 23). Nach vorn und hinten erstrecken sie sich ziemlich weit, so dass ihre Ausführungsgänge theilweise emen Weg von 0,11 mm zurückzu- legen haben. Diese Ausführungsgänge sind auf den Schnittprä- paraten und besonders Querschnitten nicht gerade leicht heraus- zufinden, leichter auf Längsschnitten, zweifellos und in voller Ausdehnung dagegen bei dem lebenden Thiere. Sie treten hier deutlich in den gemeinsamen Keimdotterleiter, und zwar haupt- sächlich dessen vorderen Theil (Fig. 27), und wahrscheinlich auch noch in den allerhintersten Abschnitt der unmittelbar fol- genden Erweiterung des Uterus ein. Dieser erweiterte Anfangstheil des Uterus ist bei ganz jungen Weibehen erst sehr wenig markirt, und würde vielleicht kaum auffallen, wenn man sein Vorhandensein an dieser 1) ef. hierzu Faune paras, de l’Egypte. Pl. XI, Fig. 109. Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 99 Stelle nicht von vorn herein erwarten müsste; bei älteren Weibchen ist er dagegen stets scharf und klar ausgebildet, auch seit Fritsch von allen Beobachtern constatirt worden. Seine Deutung ist freilich wechselnd; von Fritsch, Chatin, und neuerdigs wieder von Lortet und Vialleton als Schalen- drüse aufgefasst, wurde er von Leuckart als eine dem Ootyp der verwandten Trematoden entsprechende Bildung an- gesprochen. Diese letztere Deutung ist nach der ganzen Lage der Dinge die allein richtige, und ich werde den in Rede stehenden Abschnitt von jetzt ab auch so bezeichnen. Er setzt sich stets ziemlich scharf auch gegen den folgenden, dünneren Uterus ab und hat bei erwachsenen Weibchen eine „Länge von 0,1 mm oder etwas darüber; sein grösster Querdurchmesser liegt gewöhnlich hinter der Mitte und beträgt je nach der Füllung 0,04—0,05 mm, kann aber auch bis auf 0,09 mm heranwachsen. In histologischer Hinsicht bietet der Ootyp einige Eigen- thümlichkeiten dar. Von Fritsch, Chatin und Lortet und Vialleton wird beschrieben, dass er im Inneren von einem deutlichen, aus grossen Zellen bestehenden Epithel ausgekleidet werde; Fritsch bemerkt dazu noch, dass die Zellen dieses Epi- theles „in Längsreihen“ angeordnet seien (l. e. pag. 210), was von Lortet und Vialleton (l. e. pag. 38) dahin gedeutet wird, als habe Fritsch eine Schichtung der Zellen übereinander an- genommen; das ist aber durchaus nicht der Fall, und so wird denn auch ihre Verbesserung der Angabe Fritsch’s gegen- standslos. Da sie ferner die echten Schalendrüsenzellen nicht auffmden konnten, so fassen sie natürlich das Epithel des Ootyps als Lieferanten der Schalenmasse auf, ähnlich wie das vor Ent- deekung der Schalendrüsen von Fritsch und Chatin geschehen war. Leuckart hat dagegen das specifisch gebaute Epithel des Ootyps nicht auffinden können und hält aus diesem und auch aus anderen Gründen die Deutung als Schalendrüse für unrichtig (l. e. pag. 499). Wie sich dieser negative Befund möglicher- weise erklärt, werden wir bald sehen; bei erwachsenen Weibchen ist die epitheliale Auskleidung aber wirklich vorhanden und zwar ganz in der von Fritsch beschriebenen und gezeichneten Art und Weise. Sie wird gebildet von nur undeutlich gegeneinander abgegrenzten, manchmal fein senkrecht zur Fläche gestreiften Zellen, deren Kuppen sich hier und da buckelförmig nach innen 100 A. Loos5: vorwölben; ihre Höhe wechselt sehr (zwischen 0,009 und 0,0025 mm), die Kerne haben einen Durchmesser von 0,003—0,004 mm. Nach hinten setzt sich dieses Epithel in die zellige Auskleidung zu- nächst des gemeinsamen Keimdotterleiters und dann in die der getrennten Gänge fort. In dem Keimdotterleiter bemerkt man fast immer die beiden, bereits von Leuekart beobachteten (l. e. pag. 497), einander gegenüberstehenden Kerne (Fig. 24 VOD). Nach vorn geht das Epithel des Ootyps in die Auskleidung des Uterus über. So, wie hier geschildert, findet man die Verhält- nisse aber nur bei den reiferen Weibehen; und auch bei diesen machen sich noch mancherlei Verschiedenheiten geltend, insofern nämlich das in Rede stehende Epithel nicht immer regelmässig die ganze Innenwand des Ootyps auskleidet. Es hört nach vorne zu mitunter eher auf, als der Uebergang in den Uterus erfolgt, manchmal auf der Rücken- oder Bauchseite noch eher als auf der entgegengesetzten; ganz vermisst habe ich es aber bei keinem der zahlreichen, von mir untersuchten älteren Individuen. Bei den jüngeren aber, und speeiell bei einem, konnte ich keine Spur von ihm auffinden; der Ootyp war hier erst ganz wenig angeschwollen, und die charakteristische Auskleidung des Uterus war auch in ihm in ganzer Ausdehnung erkennbar; nach hinten folgte dann die ganz normale, zellige Auskleidung des Keim- dotterganges. Wie dieses Factum zu erklären sein mag, weiss ich vor der Hand noch nieht anzugeben; jedenfalls aber beziehen sich auf ähnliche Befunde die oben angeführten abweichenden Beobachtungen Leuckart's. Dem Epithel des Ootyps liegt äusserlich weiterhin eine ziemlich kräftige Ringmuskellage auf, die Fortsetzung der entsprechenden Ausstattung des Keim- und Dotterganges. Besonders am Hinterende des Ootyps, also am Uebergang in den Keimdotterleiter, scheint diese Muskulatur einen recht kräftigen Sphineterapparat zu bilden, so dass die Communication hier manchmal nur 0,003 mm leichte Weite auf- weist. Im Ootyp selbst liegt der Ringmuskulatur äusserlich noch eine feine Längsmuskellage auf, die an dem Sphineter am deut- lichsten zu erkennen ist. Von der Existenz besonderer Dilatator- muskeln, die nach der Körperwand hinziehen würden, habe ich mich dagegen an keiner Stelle des Apparates zu überzeugen vermocht. In diesem Ootyp erfolgt nun die Bildung der beschalten Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold).. 101 Eier, wie man denn auch diese, in der Bildung begriffen oder eben gebildet, ziemlich häufig in ihm antrifft. Von den früheren Autoren sind mehrfach Versuche gemacht worden, die beiden so charakteristisch verschiedenen Formen der Eier, die mit End- und mit Seitenstachel versehenen, auf die Form- oder Contrae- tionsverhältnisse des Ootyps zurückzuführen. Fritsch, als der Erste, der übrigens irrthümlicherweise die mit Endstachel ver- sehenen Eier als die selteneren und ihre Bildung als Ausnahme auffasst (l. ec. pag. 211), führt die Bildung derjenigen mit Seiten- stachel auf eine nicht rein terminale, sondern etwas seitliche Ein- mündung des „Oviductes“ in den Hohlraum des Ootyps zurück. Nachdem nun Fritsch vorher ausdrücklich den von der Genital- öffnung nach der Schalendrüse führenden Theil des Leitungs- apparates als „Oviduet“ bezeichnet hat, müsste man hier folge- richtig zu der Anschauung kommen, dass er mit den Worten „an der nach unten meist etwas excentrisch lagernden Einmün- dungsstelle des Eileiters* (pag. 210) die zwar etwas ventral, aber vorn gelegene Verbindung desselben mit der Schalendrüse meine. Im direeten Anschlusse hieran werden die Beziehungen dieser seitlichen Einmündung, wiederum des „Oviduetes“, zu dem Seitenstachel der Eier geschildert und erst eine Seite später zeigt sich, aber ohne dass besonders darauf hingewiesen wird, dass Fritsch auch den hinten aus der „Schalendrüse* herauskom- menden und nach dem Keimstocke führenden Gang als Oviduet bezeichnet. Man gewinnt dann die Ueberzeugung, dass der Ver- fasser auch vorher das Richtige gemeint hat, dieselbe kommt aber etwas spät und Missdeutungen können leicht eintreten; dass das geschehen ist, werden wir gleich sehen. Der Ansicht von Fritsch, dass die verschiedene Lage des Eistachels in der wechselnden Lage des Eileitereintrittes in den Eibildungsraum ihre Ursache habe, ist nun von Leuckart mit Recht entgegen- gehalten worden (l. e. pag. 500), dass dann die Bildung der beiderlei Eiformen auf verschiedene Individuen vertheilt sein müsste, während doch schon Bilharz beobachtet hatte, dass beide sehr oft nebeneinander in demselben Weibehen gefunden werden. Ausserdem konnte Leuckart eine seitliche Einmün- dung des Keimdotterganges in den Ootyp bei seinen Objeeten nirgends constatiren. Lortet und Vialleton fassen nun that- sächlich die Angaben von Fritsch in der oben erörterten, irr- 102 A. Looss: thümlichen, aber für Ausländer durchaus begreiflichen Weise auf; sie schreiben Fritsch die Ansicht zu (l. e. pag. 39), dass er in der vorderen, theils terminalen, theils lateralen Insertion der Vagina (Lortet und Vialleton benennen den „Oviduet“ Fritsch’s mit diesem Namen) den Grund für die bald endstän- dige, bald seitliche Lage des Eistachels suche. Lortet und Vialleton acceptiren diese Anschauung! Sie können also bei aller Genauigkeit ihrer Beobachtungen gar nicht gemerkt haben, dass im Uterus die Eier mit ihren Stacheln nach hinten gerichtet sind, obwohl das bereits Bilharz klar und deutlich gezeichnet hat (l. e. Taf. XVII, Fig. X). Bei einigem Nachdenken, so sollte man meinen, müsste ihnen ausserdem ein mit seiner Spitze nach vorn gekehrter Eistachel für die Ausstossung der Eier aus den Genitalwegen etwas unpraktisch erschienen sein. Nichts von alledem! Unter Berücksichtigung der Einwürfe Leuckart’s, die sich aber, wie wir jetzt wissen, auf einen ganz anderen Theil beziehen, nehmen sie zur Erklärung nicht mehr eine constante, theils terminale, theils laterale Insertion des Uterus in die Scha- lendrüse an, wie Fritsch, sondern suchen die Differenzen in der Lagerung der Mündungsstelle durch Contraetionszustände zu erklären. Es soll durch Contraetionen des Körpers, welche na- türlich auch die Form der Schalendrüse (i. e. also des Ootyps) beeinflussen, eine ursprünglich vorn gelegene Einmündung zeit- weise auch auf die Seite gedrängt werden können, wodurch dann Eier mit Seitenstachel entstehen (l. e. pag. 40). Dem ist nun zuvörderst nochmals entgegenzuhalten, dass die Entstehung der Eistacheln nicht an den vorn aus dem Ootyp austretenden Uterus, sondern an den hinten eintretenden gemein- samen Keimdottergang anknüpft. Ich bin auf Grund verschie- dener Beobachtungen, die ich zu machen Gelegenheit hatte, weiterhin zu der Ueberzeugung gekommen, dass überhaupt die Art des Eintrittes des Keimdotterganges in den Ootyp, den ich im übrigen, wie Leuckart, nur rein terminal gesehen habe, nicht maassgebend ist für die Lagerung des Stachels an dem fertigen Ei, sondern nur die jeweilige Lage, die eben das Ei zur Zeit seiner Bildung in dem Ootyp einnimmt. Unter normalen Verhältnissen wird sich dasselbe, wie leicht einzusehen ist, mit seiner Längsaxe in der Längsaxe des Ootyps orientiren ; es füllt auch bei seiner Grösse den Innenraum desselben ziemlich Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 103 vollständig aus, was Fritsch ja bereits betont hat. Sein Hinter- ende liegt demnach dieht über der Eintrittsstelle des Keimdotter- ganges und bei der Umhüllung mit der Schale, die, wie ich anderwärts beobachtet habe, unter Druck von Seiten der Ootyp- wände und unter leichtem Rollen oder gleichsam Kneten erfolgt, tritt auch eine kleine Menge von Schalensubstanz in den zusam- mengezogenen Keimdotterleiter und formt dessen Innenraum ab. Auf diese Weise entsteht dann an dem hinteren Pole des Eies das bekannte, feine Spitzehen der Schalensubstanz. Die Eier mit Seitenstachel liegen nun, wie ich mehrfach gesehen, nicht der Länge nach in dem Ootyp, sondern sehief zu dessen Axe. Es befanden sieh in diesen Fällen öfters ausser dem Ei noch andere Inhaltsmassen, besonders abortive Ei- und Dotterzellen im Ootyp, so dass das Ei, welches normalerweise den Innenraum ganz ausfüllt, nicht genügend Platz hatte und zur Seite gedrängt wurde. Dabei ragte ein verhältnissmässig ganz ansehnlicher Theil desselben in den Eintritt des Keimdotterganges hinein, der jetzt offenbar nieht im Stande ist, sich völlig zu schliessen und auf diese Weise die Bildung des grossen und starken Seiten- zapfens zu verhindern. In andern Fällen mögen es nicht, wie hier, Dottermassen ete. sein, welche das im Ootyp sieh bildende Ei aus seiner gesetzmässigen Stellung herausdrängen, sondern vielleicht früher gebildete, aber noch nicht ganz aus dem Ootyp entfernte Eier; vielleicht endlich kommen hierbei auch noch an- dere Ursachen in Betracht. Sicher bleibt unter allen Umständen, dass nur die Lage, welche das in Bildung begriffene Ei im Ootyp gerade einnimmt, es ist, welche die verschiedene Lagerung des Eistachels herbeiführt. An seinem vorderen Ende geht das Ootyp nun über in den Uterus, wie ieh schon betont habe, die allein richtige Bezeich- nung dieses Theiles des Leitungsapparates. An diesem Uterus sind nun von verschiedenen Beobachtern (Fritsch, Chatin, Leuekart) mehrfach besondere Abtheilungen, die sich durch abweichende Weite, verschiedene Ausbildung der Muskulatur und der inneren Auskleidung als gesonderte Partieen kenntlich machen sollen, beschrieben worden. Nur Lortet und Vialleton können keine irgendwie selbstständigen oder in bestimmter Weise mar- kirten Abtheilungen auffinden und halten demnach den gesamm- ten Uterus für durchaus einheitliches Gebilde. In diesem Punkt ‚104 A.Looss: stehen nun meine eigenen Erfahrungen mit den ihrigen vollkom- men in Einklang; auch mir ist es nicht geglückt, weder an leben- den Thieren, noch an Totalpräparaten, noch endlich auf Sehnitt- serien an dem Uterus irgend welche eonstant auftretenden Verdiekungen oder Erweiterungen zu erkennen, die man als selbstständige Bildungen hätte auffassen können. Es geht aus den Mittheilungen der älteren Autoren nicht mit Bestimmtheit hervor, ob sie ein reichlicheres Vergleiehsmaterial benutzten; immerhin dünkt es mir wahrscheinlich, dass die von ihnen be- schriebenen, scheinbaren Sonderabtheilungen des Uterus nichts als zufällige, locale Verdiekungen, Contractionen ete. waren. Der Uterus zieht bei jungen Würmern in fast gerader Linie von dem Ootyp nach der Genitalöffnung hin; bei älteren zeigt er in seinem Verlaufe zahlreiche Windungen, die jedoch seitlich dieDarmschenkel nicht überragen; auf dem ganzen Verlaufe aber finden sich nirgends auffällige Volumsehwankungen; nach der Genitalöffnung verjüngt er sich ganz allmählich und hat kurz vor der Genitalöffnung nicht mehr als 0,015 mm Dicke; über das Aussehen, welches er bei starker Füllung mit Eiern zur Schau trägt, habe ich bis jetzt keine Erfahrung. Seine Länge wechselt mit dem Alter ziemlich bedeutend, ist auch von den Autoren recht verschieden angegeben worden. Fritsch (l. e. pag. 205) nennt (für ein Weibchen von 8 mm Länge) 0,6 mm, also reichlich den 13. Theil der Gesammt- länge; Leuckart findet dagegen (l.e. pag. 501) bei „grösseren“ Würmern schon einen Uterus von fast 2mm Länge. Meinen Erfahrungen nach steigt dieselbe noch höher ; ein Exemplar von 10,8 mm wies ihn über 2,27 mm, ein etwas grösseres, dessen Kör- permaass ich nicht mehr feststellen kann, über 2,5 mm lang auf, also schon von ungefähr dem fünften Theile der Gesammtlänge. Das Maximalmaass, welches .ich gefunden habe, ist 3,25 mm; die Länge des zugehörigen Thierkörpers kann ich leider auch nicht mehr angeben. Histologisch besitzt der Uterus äusserlich ein doppeltes System von nicht ganz regelmässig verlaufenden Ring- und Längs- muskeln, von denen die ersteren zu innerst liegen. Beide Faser- schiehten gehen direct in die des Ootyps über. Was die innere Auskleidung anlangt, so hat Fritsch hier „ein deutliches Epithel nicht erkennen können“ (l. e. pag. 210); Leuckart spricht von einem flachen Epithelbelage, der in dem birnförmigen Endstücke Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 105 (i. e. dem Ootyp) eine etwas stärkere Entwickelung besitze (l. c. pag. 500), Lortet und Vialleton endlich lassen sie ebenfalls gebildet sein von einer „Epithellage, deren Struetur sehr schwer zu erkennen ist“. Der Innenrand derselben ist nieht geradlinig, sondern decoupe en festons saillants, die nach dem Lumen des Canals zu vorspringen und dieses manchmal vollkommen ver- schliessen können (l. ec. pag. 41). Ich meinerseits bin nun zu der Ueberzeugung gekommen, dass bezüglich der inneren Aus- kleidung des Uterus von einem typischen Epithele keine Rede sein kann, da sich in ihr nirgends Spuren von Kernen auffinden lassen. In einer meiner Frontalsehnittserien ist der Uterus auf eine Länge von 2,54 mm seiner Axe parallel getroffen und in dieser ganzen, auf einmal übersehbaren Länge ist nichts von Kernen zu bemerken, ebenso wenig wie auf irgend einem der anderen Serien- und Total-Präparate. Dagegen zeigt sich die auskleidende Masse, die eine ziemlich gleichmässige Höhe von 0,002 mm besitzt, nach innen zu in der bereits von Lortet und Vialleton gesehenen Weise in feine Stäbchen oder Zöttchen zerschlitzt, die bis auf ihre geringere Grösse durchaus denen gleichen, die wir im Oesophagus bereits vorfanden. Demnach erscheint es zweifellos, dass wir es hier entweder mit einem völlig metamorphosirten Epithel, oder aber mit einer Art Cuti- cula zu thun haben; bedeutungsvoll für letztere Auffassung könnte im Uebrigen der Umstand sein, dass der Uterus äusserlich manch- mal ziemlich auffällig von zahlreichen Kernen des Parenchyms begleitet wird. Eine definitive Lösung der Frage wird aber nur der Verfolg der Entwicklungsgeschichte bringen können. Die Genitalöffnung liegt, wie bekannt, dieht hinter dem Bauchsaugnapfe, und wird von dem freien Rande desselben nicht selten ganz bedeckt. Auszeichnungen irgend welcher Art habe ich an ihr nicht aufgefunden (Fig. 22, Taf. II). Leipzig, 30. Mai 1895. 106 A. Looss: Erklärung der Abbildungen auf Tafel I—III. Die Figuren sind sämmtlich mit Hülfe des Abbe’schen Zeichen- apparates entworfen; Zeichenfläche in der Höhe des Objecttisches. Die in Klammern den Figuren beigesetzten Vergrösserungen sind durch direete Vergleichung der Objecte mit den Zeichnungen festgestellt. Durchgehende Buchstabenbezeichnung. "BR = Bauchrinne. BSN = Bauchsaugnapf. C = (uticula. CC = Cerebraleommissur. DE = Ductus ejaculatorius. DG = Dottergang. DM = Diagonalmuskeln. Dr = Drüsenzellen. DSt = Dotterstock. Ex == Exeretionsgefässe oder Blase. GC = Cerebralganglion. GZ = Ganglienzellen. H = Vorderstes Hodenbläs- chen. HLN = Hauptlängsnerv des Hin- terkörpers. J = Darm. LM = Längsmuskeln. MSD = Mündungen der Schalen- drüsen. NDA = Vorderer Rückennerv. NDP =Hinterer Rückennerv. NLA = Vorderer Seitennerv. NS = Nervensystem (Gehirn). NVA = Vorderer Bauchnerv. NVP = Hinterer Bauchnerv. Od =Eileiter. Oe = Oesophagus. PG =Porus genitalis. PM = Parenchymmuskeln. PZ = Parenchymzellen. RM = Ringmuskeln. RN = Ringnerven. RSN = Retractormuskeln des Bauchsaugnapfes. SB = Samenblase. SD = Schalendrüsen. Sp = Spermatozoen. Sph = Ovarialsphincter. SZ = Subeutieularzellen. Ur 7 Uterus VOD = Gemeinsamer Keimdotter- leiter. Z — Rückenwarzen des Männ- chens. Tafel I (Männchen). Vier verschiedene Männchen, um die wechselnde Gestaltung Der Schnitt trifft den Fig. 1 des Darmapparates zu zeigen; in (ist ausserdem das Körper- nervensystem eingezeichnet. Fig. 2. Sagittalschnitt durch den Vorderkörper. verdiekten Anfangstheil des Oesophagus in der Mitte, den verschmälerten hinteren nur ganz oberflächlich, so dass dort die Muskulatur zu erkennen ist. Fig. 3. Aus einem Sagittalschnitt durch ein sehr stark contrahirtes Thier; die Rückenpapillen treten sehr stark nach aussen her- vor, in den dorsalen Längsmuskeln zeigen sich viele Con- tractionscentren. Zur Anatomie und Histologie der Bilharzia haematobia (Cobbold). 107 Fig. 13. Fig. 14. Fig. 15. Fig. 16. Aeusserste Parthie von einem Sagittalschnitt; man sieht die hier wenig vorgewölbten Warzen von der Fläche, ausserdem den Hautmuskelschlauch; unten in der Mitte quergeschnittene Parenchymfasern. Seitlicher Sagittalschnitt durch ein mässig contrahirtes Indivi- duum, der einen der Hauptlängsstämme des Exeretionsappa- rates trifft; Diagonalmuskeln unter der Rückenrinde. Aus einem Querschnitt durch den Rücken eines stark gestreck- ten Thieres. Rückenpapillen völlig verflacht, Parenchymzellen, Längsfasern des Rückens zwischen den Parenchymzellen lie- gend und nach innen durch die Diagonalmuskeln scharf be- grenzt. Medianer Sagittalschnitt durch Duetus ejaeulatorius und An- fangstheil der Samenblase. Ductus etwas gebogen und des- halb im mittleren Theile von der Oberfläche gesehen, ebenso die obere Partie der Samenblase. Kernanhäufung um den Ductus. Querschnitt kurz vor dem Schwanzende. Keine Rückenwarzen mehr, einfacher Excretionscanal, ventrale Commissur der bei- den Hauptlängsnervenstämme. Reife Spermatozoen aus der Samenblase. Tafel II (Männchen). Querschnitt durch den Vorderkörper auf der Höhe des Nerven- systems. Drüsenzellen um den Oesophagus. Querschnitt ungefähr durch das Centrum des ziemlich stark in seinen Fuss hineingezogenen Bauchnapfes. Retractormus- keln desselben; 2 Längsnervenstämme jederseits mit verbin- denden Commissuren. Querschnitt durch den Hinterkörper. Der linke Darmschenkel macht unmittelbar unter der Schnittfläche eine Biegung, ein Bündel Parenchymfasern zieht in dem Winkel hindurch. Stachelband auf dem inneren Seitenlappen. Äus einem Sagittalschnitte durch ein der Längsaxe nach stark eingerolltes Thier. Theilung der dorsalen Längsmuskeln und Insertion derselben an die Oberfläche; Subeuticularzellen; verflachte Rückenpapillen. Aus einem Längsschnitt durch den Oesophagus; im oberen Theile nur noch seine äussere Längsmuskulatur von dem Schnitte mitgenommen. Ausführungsgänge und augenschein- liche Mündung der Drüsenzellen in den Oesophagus. Exceretionscanälchen mit Endtrichtern und Kernen aus einem Schnitte durch den Vorderkörper. Frontalschnitt, der zufällig den gesammten Ausführungsappa- rat der Hodenbläschen trifft, rechts und links die Eingänge in die Bläschen, deren mehrere gelappt (ef. pag. 83). Im Par- 108 A.Looss: Zur Anatom. u. Histol, d. Bilharzia haematobia (Cobbold). Fig. Fig. 19. r enchym Querschnitte von Parenchymmuskeln, unten Anschnitt des Canalis gynaecophorus, Parthie aus einem Hoden (cf. pag. 86). Reconstruction des Nervensystems. Oesophagus mit seinem Drüsenbelag, vier Hodensäckchen mit Verbindungs- und Aus- führungsgang. * = Verbindungsstelle der beiden hinteren Nerven. Tafel III (Weibchen). Querschnitt durch den Körper auf der Höhe des Nerven- systems; Oesophagus mit seinem Drüsenmantel stark ventral- wärts gedrängt. Dasselbe, etwas weiter hinten durch die ösophagealen Drüsen- massen. Querschnitt auf der Höhe des Bauchsaugnapfes; die Darm- schenkel sind bereits völlig isolirt. Querschnitt durch die Genitalöffnung, die gerade angeschnit- ten ist. Querschnitt zwischen Genitalöffnung und Ootyp; Darmlumina mit Epithel, Uterus mit Cutieula. Querschnitt durch den gemeinsamen Keimdottergang, in wel- chem gerade ein Ei. Darmlumina sehr eng, Schalendrüsen- zellen deutlich sichtbar. Dasselbe durch den Ovarialsphincter, Darmlumina beträchtlich grösser, Keim- und Dottergang mit ihren epithelialen Wan- dungen. Frontalschnitt, etwas schräg, durch das Ende des Keimstockes. ÖOvarialsphineter, Keimgang mit. Samenfäden, Dottergang. * — Uebergang zwischen Sphincter und Keimgang. Sagittalschnitt: durch Ootyp und Schalendrüse; Epithel des ersteren wohl entwickelt, im Innern ausser Keim- und Dotter- zellen zahlreiche Spermatozoen; letztere auch zahlreich noch weiter vorn im Uterus. Querschnitt durch den Hinterkörper mit unpaarem Darme und Dotterstöcken; Dottergang auf der Bauchseite. . Entwicklungsstadien der Keimzellen’ aus dem Keimstocke (cf. Pestepad. Ole.) Reifes Ei aus dem Keimgange. 109 (Aus dem physiologischen Institut zu Breslan.) Neue Untersuchungen über das Nierenepithel und sein Verhalten bei der Harnabsonderung. Von cand. med. H. Sauer. Hierzu Tafel IV. Sekretorische Veränderungen der Epithelien von Drüsen wurden seit den grundlegenden Forschungen Heidenhain’s (12) vielfach gefunden. Inbetreff der Niere verliefen aber die Unter- suchungen ohne Erfolg, zumal hier eine sekretorische Verände- rung von vornherein anzunehmen nieht nothwendig schien, da ja die Nieren Drüsen sind, die nicht aus sich heraus Sekretions- material bereiten, sondern zum grössten Theil bereits schon im Blute vorgebildete Stoffe ausscheiden. Erst in neuester Zeit machten auch an diesem Organ einige Histologen auf sekretori- sche Unterschiede der Epithelien aufmerksam. Besonders war es Disse (3), welcher solche Veränderungen an der Niere eingehend beim Menschen und bei Säugethieren zum Gegenstand der Unter- suchung machte. Seine Ergebnisse fanden aber bei Physiologen berechtigte Zweifel, da Disse (3) keine einschlägigen Versuche an Thieren angiebt, sondern nur aus histologischeif Verschieden- heiten an einzelnen Nierensehnitten sekretorische Veränderungen ableitet. Professor Heidenhain betraute mieh mit der Aufgabe, die sekretorischen Veränderungen, welehe Disse (3) an den Epithelien der gewundenen Kanälchen beobachtet hat, an Thier- versuchen zu prüfen. Seit Heidenhain (10, 11, 12) sich mit der Histologie der Niere in dem Jahre 1874 beschäftigte, hat die Technik so grosse Fortschritte gemacht, dass sich bei der An- wendung und Prüfung der heutigen Methoden eine genauere Er- kenntniss der histologischen Bestandtheile der Niere erwarten liess. Hierbei hatte ich zwar manche Hindernisse zu überwinden, aber es ist mir doch gelungen, Resultate zu erhalten, welche, wie 116 H. Sauer: ‘ich zu glauben wage, zur Förderung der Histologie und Physio- logie der Niere beitragen werden. Beim Studium der Nierenepithelien begegnete ich grossen Schwierigkeiten. Sie bestehen in der Fixation des frischen Ge- webes und der sich daran anschliessenden Technik. Erst nach zahlreichen Misserfolgen gelangte ich zu befriedigenden Ergeb- nissen. War ich aber so selbst durch eine Reihe von Irrthümern gegangen, welche mir meine ersten mikroskopischen Nieren- schnitte aufdrängten, so konnte ich um so sicherer bei der Durch- sicht der diesbezüglichen Literatur zu der Ueberzeugung kommen, dass die Forschungen einzelner Histologen, so auch die von Disse (3) angestellten Untersuchungen vielfach Ergebnisse ent- halten, deren Grund in einer für die Nierenepithelien nicht aus- reichenden Fixationsmethode zu suchen ist. Es sei mir daher verstattet, zuerst über meine gewonnene mikroskopische Technik zu berichten. Untersuchungs- und Fixationsmethoden für das Nierengewebe. Schon die Untersuchung frischen Gewebes ist wegen der ausserordentlichen Empfindlichkeit der Epithelien sehr erschwert. Die als physiologisch bezeichnete 0,6 °/, Kochsalzlösung hat für dieses Gewebe keine Berechtigung. Sie lässt die Nierenzellen aufquellen und zerstört ihren normalen Bau. Von anderen Zusatz- flüssigkeiten benutzte ich Serum, Augenkammerwasser und den Urin des Thieres, wie es Schachowa (38) empfiehlt. Am besten hat sich mir das Augenkammerwasser bewährt oder die Beob- achtung des frischen Gewebes ohne Zusatzflüssigkeit. Bei letz- terer Untersuchungsmethode muss man aber ziemlich schnell vor- gehen, da in kurzer Zeit theils durch Verdunsten des Gewebs- saftes, theils durch innere Quellung das mikroskopische Bild un- kenntlich wird. Als Isolationsflüssigkeit benutzte ich 5°%/, molybdänsaures Ammoniak, 5°/, neutrales chromsaures Ammoniak, Ranvier’schen Drittelalkohol und Jodserum, bereitet aus Amnionflüssigkeit und aus Augenkammerwasser. Ueber den Werth dieser einzelnen Agen- tien möchte ich mich erst bei meinen Anschauungen über die Histologie der gewundenen Kanälchen äussern. Um Nierenstückchen zu fixiren ist es höchst wünschens- Neue Unters. tb. d. Nierenepithel u. sein Verh. bei d. Harnabsonder. 111 werth, die Drüse sogleich nach dem Tode dem Thiere zu ent- nehmen. Hierin liegt ein grosser Uebelstand für die Pathologie, da sie nicht im der Lage ist, die Organe gleich nach dem Ab- leben, sondern erst nach mehreren Stunden zur mikroskopischen Bearbeitung verwerthen zu können. Bei manchen Gewebsarten mag es ja nicht so von Belang sein, als gerade bei der Niere, wo schon in verhältnissmässig kurzer Zeit nach dem Tode stö- rende Veränderungen eintreten. Von den gebräuchliehsten Fixationsmitteln habe ich eine grosse Zahl geprüft, auch einige neue mir zusammengesetzt, be- friedigende Resultate gewann ich an Säugethiernieren zuerst gar nicht. Ich bediente mich daher eine Zeit lang ausschliess- lieh des Frosches als Versuchsobjekt, da ich an diesem Thiere schneller zu genügenden Resultaten gelangte; denn nach meinen Erfahrungen fixiren sich die Nieren von Warmblütern nicht so leicht als die von Kaltblütern. Zudem machte ieh noch die Be- obaehtung, dass die verschiedenen Abtheilungen der Harnkanäl- chen am Frosche von ein und derselben Fixirungsflüssigkeit nicht in gleicher Treue festgehalten werden. Einmal war die zweite Abtheilung mit hohen Zellen und Bürstenbesätzen gut erhalten, dagegen die vierte Abtheilung, die Stäbehenkanälchen schlecht, und bei einer anderen Flüssigkeit fand ich das Gegentheil. Die grosse Schwierigkeit, Nierenstückchen gut zu fixiren, kann ich mir nur aus dem hohen Quellungsvermögen des Gewebes erklären und die Verschiedenheit der Erhaltung in einzelnen Kanalab- schnitten, vermuthe ich, wird darin ihren Grund haben, dass wie die hohen Zellen den Stäbchenepithelien gegenüber eine andere physiologische Verriehtung haben, ebenso diese beiden Kanalab- schnitte eine verschiedene chemische Zusammensetzung ihres Protoplasmas aufweisen. In dieser Auffassung haben mich auch die Versuche Fischer’s (4) bestärkt. Was sehen wir eigentlich in einem mikroskopischen Bilde? Nicht mehr das lebendige, thätige, niemals ruhende Protoplasma der Zelle, sondern die Leiche der Zelle, ein Gerinnungsbild der Eiweisskörper in der Zelle, je nachdem das eiweissfällende Mittel auf dieselbe eingewirkt hat. Verschieden ist aber die Einwir- kung der einzelnen Fixationsmittel auf denselben Eiweisskörper und desselben Fixationsmittels auf verschiedene Eiweisskörper. So hat Fischer (4) in sehr geschickter Weise Holundermark- 119 H. Sauer: "zellen mit mehreren Eiweisskörpern von verschiedener Constitution injizirt und dann mit eiweissfällenden Flüssigkeiten, besonders mit Osmiumsäuregemischen und chromsauren Salzen behandelt. Im mikroskopischen Bilde bestand der Niederschlag aus Körn- chen verbunden durch Fäden und die Grösse der Körnehen war verschieden, je nachdem z. B. eine 3°/, oder 10°/, Peptonlösung verwendet wurde. Besonders prägnant waren Körnehen und Fä- den bei der Fällung dureh die Altmann ’'sche Flüssigkeit aus- gebildet. Gestützt auf diese Ergebnisse, meint Fischer (4), könnten die Granula noch eine andere Deutung zulassen, als Altmann (1) sie giebt. Die Befunde Fischer’s (4) kann ich nur bestätigen. Ich habe dieselben Untersuchungen wiederholt und noch Sublimat und 10°/, Salpetersäure als Fällungsmittel hinzugenommen. Sal- petersäure bewirkt in Hühnereiweiss einen grobkörmigen Nieder- schlag, während Sublimat in dieser Lösung feinere Gerinnsel, unregelmässige Körnung verbunden durch Ausläufer verursacht. Aus 10°/, Peptonlösung fällt dureh Sublimat ein sehr grober, unregelmässiger Niederschlag aus, bei 2°/, Peptonlösung können dagegen in den Gerinnungsbildern sehr deutlich feine Körn- chen verbunden durch Fäden unterschieden werden. Aus diesen Untersuchungen lernte ich verstehen, wie leicht wir bei unseren Fixationsmitteln in Bezug auf Strukturverhältnisse falschen Schlüs- sen ausgesetzt sind. So muss ich gegen die Altmann ’schen Granula, wie sie sich mir bei der Niere gezeigt haben, nur mein Bedenken aussprechen. Aber nieht nur die Struktur der Zelle ist bei der Fixation den Gefahren von Kunstprodukten ausgesetzt, sondern auch der Zell- leib und die ganze Form der Zelle. Gerade diese Fehlerquellen können bei der Entscheidung über sekretorische Veränderungen an den Epithelien viele Irrthümer herbeiführen. In der That kann ich die abweichenden Ansichten von Omer van der Strieht (42), Nicolas (32) und Disse (3) gegenüber meinen Ergebnissen nur diesem Umstande zuschreiben. Kommt die Fixationsflüssigkeit mit dem Gewebssaft der Zelle in Berührung, so entstehen in Folge der verschiedenen endos- motischen Spannung Strömungen. Es treten eiweisshaltige Tropfen aus den Zellen in die Lichtung der Kanälchen, wie ich es unter dem Mikroskop verfolgen konnte, als ich zu frischen Gewebs- Neue Unters. üb. d. Nierenepithel u. sein Verh. bei d. Harnabsonder. 113 schnitten Fixirungsflüssigkeiten hinfliessen liess. Dabei werden bereits gefällte Eiweissgerinnsel mit in das Lumen gezogen, die Bürstensäume reissen auseinander und lösen sich auf ganzen Streeken ab. Oder die Zelle quillt durch das Fixationsmittel auf. Das kann sie besonders dahin, wo der geringste Wider- stand ist, in das Lumen des Kanälchen hinein. Auf diese Weise . entstehen Zellkuppen, welche, da der Inhalt auf ein grösseres Volumen gebracht worden ist, heller erscheinen gegenüber dem peripheren Theile der Zelle. In meinen ersten Nierenschnitten sah ich derartige Erscheinungen und war nahe daran, aus solchen mikroskopischen Bildern Thatsachen zu folgern in ähnlicher Weise, wie Omer van der Strieht (42), Nicolas (31, 32), Disse (3) und van Gehuchten (8) ihre Sekretionstheorien ab- geleitet haben. Als ich jedoch durch bessere Fixationsmittel und genauer ausgearbeitete Technik allen Anforderungen genügende mikroskopische Nierenschnitte erhielt, musste ich mir sagen, dass meine ersten Nierenpräparate durch Kunstprodukte entstellt waren. Was ist denn der Maassstab für einen tadellos erhaltenen, normalen Nierenschnitt, um Kunstprodukte von der Hand zu weisen? Nach meinen an gegen 500 Nierenstückehen gewonne- nen Erfahrungen muss ich als Erforderniss hinstellen: ein freies Lumen, nicht angefüllt mit Eiweissgerinnseln oder zerstörten Zellen; der Bürstenbesatz immer klar und deutlich vorhanden, nirgends fehlend, zerrissen oder von der Epithelauskleidung ab- gehoben, und eine Protoplasmastruktur, welche eine gleichmässig vertheilte Gerinnung der Eiweisskörper in der Zelle erkennen lässt, so dass nicht eine Anhäufung derselben an der Peripherie und damit das Auftreten von hellen Zellkuppen oder gar in das Lumen hinemragender Eiweisstropfen bemerkt wird. Von diesen Gesichtspunkten ausgehend habe ieh die Fixa- . tionsmittel geprüft und recht viele verwerfen müssen. Eingehend studirte ich die Osmiumsäure in Dampfform, in 1°/, Lösung und in den verschiedenen Gemischen von Flemming, Altmann, Hermann und Fol, weil diese Flüssigkeiten von den jüngsten Forschern auf diesem Gebiete am meisten benützt worden sind. Ich halte sie alle für die Niere nicht geeignet. Osmiumsäure in Dampfform dringt nur sehr oberflächlich ein, lässt das Protoplasma im peripheren Theile sieh zusammen- klumpen, während die innere Zone hell aufquillt. Der Bürsten- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46 0) 114 H. Sauer: 'saum wird fast gar nicht erhalten. In gleicher Weise verhält sich die 1°/, Lösung. Die Flemming’sche Flüssigkeit hat mir an der Oberfläche ihrer Einwirkung in sehr vereinzelten Kanäl- chen befriedigende Resnltate geliefert, jedoch waren sie wenig zahlreich im Vergleich zu dem übrigen ganz schlecht erhaltenen Nierenschnitt. Es könnte mir hier der Vorwurf gemacht werden von denjenigen Histologen, welche ausschliesslich mit der Flem- ming’schen Lösung gearbeitet haben, dass ich sonstige Fehler begangen haben müsse, weil sie doch brauchbare Bilder erhalten haben. Diesem Vorwurf werde ich aber begegnen, wenn ich nachher meine weitere Technik in der Behandlung der fixirten Schnitte angeben werde. Im Gegentheil: ich habe mit jener Lösung dieselben Bilder erhalten wie Nicolas, Disse und An- dere, und doch musste ich mir sagen, hier im Nierengewebe hat die Flemming’sche Flüssigkeit Kunstprodukte geschaffen. Es ist schon oft bemerkt worden, dass diese Flüssigkeit ein vortreff- liehes Fixationsmittel für die Kerngebilde ist, dagegen ein wenig gutes für das Protoplasma. Diese Beobachtung muss ich durch- aus bestätigen. Die durch die Flüssigkeit in den Nierenzellen (Tubuli eon- torti) hervorgebrachten Kunstprodukte sind folgende: Das Aussehen der Zellen ist ein sehr unregelmässiges; manche sind dunkel gekörnt, das Protoplasma ist in ihnen stark geronnen. Daneben finden sich ganz helle Zellen, deren Grenzen noch wahrzunehmen sind, in denen man aber vergeblich nach einer Protoplasmastruktur sucht. In einigen Kanälchen ist ein Lumen überhaupt nieht zu sehen. An seiner Stelle findet sieh fixirtes Protoplasma, welehes im peripheren Theile dafür fehlt, so dass diese Zone der inneren gegenüber hell erscheint. In noch .an- deren Kanälchen ragen grössere oder kleinere „Eiweisstropfen“ aus den Zellen in das Lumen und berühren sich gegenseitig mit ihren oberflächlich geronnenen Eiweissmembranen. Auf Dureh- schnitten erblickt man dann in der Lichtung des Kanälchens ein gröberes oder feineres Netzwerk. Einen Bürstenbesatz, welchen ich beständig an den Rindenkanälehen gefunden habe, zeigen diese Nierenschnitte selten unverletzt, meistens auseinander ge- rissen, abgehoben, oder er ist gar nicht erhalten. Diese Be- schreibungen stimmen ganz überein mit den Zeiehnungen, welche Disse (3) in seiner Arbeit in den Figuren 7, 5, 9 giebt. Neue Unters. üb. d. Nierenepithel u. sein Verh. bei d. Harnabsonder. 115 I An Froschnieren waren die Ergebnisse mit der Flemming '- schen Flüssigkeit etwas besser als an Säugethiernieren, wie ja überhaupt diese sich schwerer fixiren lassen wie jene. Mag also unzweifelhaft die Flemming sche Flüssigkeit für manche Ge- webe und namentlich für Kernstrukturen ganz Hervorragendes leisten, für die Niere kann sie nieht den Anspruch eines guten Fixationsmittels machen. Im gleicher Weise sind die Gemische von Fol und Hermann ungeeignet. Von Osmiumsäurepräpa- raten hat mir die Altmann sche Flüssigkeit noch die besten Ergebnisse geliefert. Ich habe manche schöne Schnitte bei Froschnieren erzielt, doch sie sind in Folge der Granulabildungen nicht einwandsfrei. Von Chrompräparaten prüfte ich Müller ’sche Flüssigkeit, 5°/, ehromsaures Ammoniak, 1 °/, Chromsäure, Chromameisensäure (Rabl), Chromessigsäure (Flemming) und Platinchlorid-Chrom- säure (Merkel). Die Resultate waren bei allen diesen Lösungen wenig befriedigend. Sie haben das Gemeinsame, dass sie die Nierenepithelien schrumpfen lassen. Oefters versuchte ich 5°), chromsaures Ammoniak und Müller’sche Flüssigkeit, weil sie früher sehr viel zum Fixiren der Niere angewendet worden sind. Die Eiweisskörper der Zelle fällen sie in grober Form und brin- gen so ganz willkürliche Gerinnungsbilder hervor, wie ich bei der Histologie der gewundenen Kanälchen noch erwähnen werde. Die Epithelien lösen sich sehr oft von der Membrana propria ab. Bürstenbesätze werden gar nicht erhalten und dem ist wohl der Umstand zuzuschreiben, dass sie erst entdeckt wurden, als man die chromsauren Salze verliess und Sublimat zum Fixiren ver- wendete. Die Chromsäure hat mir gute Dienste in der Perinyi’- schen Flüssigkeit geleistet. Wenn ich auch noch bessere Fixa- tionsmittel als diese aufzuweisen hatte, so kann ich sie für die Niere doch nieht empfehlen. Die Stückchen müssen aber ziemlich klein genommen werden, da in tieferen Schichten die Güte zu wünschen übrig lässt. Die Chromsäure lässt sich in der Perinyi’- schen Flüssigkeit auch durch Pikrinsäure ersetzen. Als Fixationsmittel für das Nierengewebe sind Pikrin- Schwefelsäure (Kleinberg), Silbernitrat, Formalin und Aceton ganz zu verwerfen. Sublimat-Kochsalzlösung (Heidenhain), das allgemein 116 H. Sater: beste Fixirungsmittel bietet für Säugethiernieren nichts besonders Gutes. Ich habe dieselbe auch heiss angewendet, nur vereinzelte Stellen im mikroskopischen Bilde sind brauchbar. Vielfach treten starke Schrumpfungen ein, so dass einzelne Zellen und der 3ürstenbesatz auseinanderreissen, oder es heben sich auch die Epithelien von der Membrana propria ab. Ganz brauchbar ist die Sublimatfixation bei Nieren von Kaltblütern. Die Schrumpfung wird etwas vermieden durch Sublimat-Essigsäure, aber auch sie genügt nicht allen Ansprüchen. Ein Gemisch von Sublimat- Kochsalzlösung und gesättigter Pikrinsäure zu gleichen Theilen giebt schon bessere Resultate. Besonders erhält dieses Mittel die Protoplasmastruktur sehr schön. Von Quecksilberpräparaten habe ich noch mehrere geprüft aber, ohne Erfolg. Pikrin-Salpetersäure (Mayer) hat sich für Froschnieren brauehbar gezeigt, wenigstens für die Epithelformen; Kernstruk- turen werden dagegen schlecht. Mit Vortheil verwandte ich ferner 10°/, Salpetersäure. Protoplasmastruktur, Zellform und Bürsten- besatz werden recht gut erhalten, nur ist auch hier der Uebel- stand, dass die Salpetersäure ungünstig auf die Kerne einwirkt. Diese schlechte Eigenschaft wird wesentlich gemildert, wenn man die Salpetersäure mit Alkohol kombinirt. Rothstein (37) be- - riehtet davon recht gute Erfolge, erklärt aber nicht die Zusam- mensetzung. Ich habe in verschiedenen Prozentgehalten diese beiden „Agentien kombinirt. Gleich gut ist die Zusammensetzung von 10cem eone. Salpetersäure mit 90 cem 90 %/, oder absoluten Alkohols. Allein für sieh ist der absolute Alkohol zum Fixiren von Nieren in Folge starker Schrumpfungen nicht zu gebrauchen. Vermieden habe ich diese Schrumpfungen, indem ich zu 80 cem abs. Alkohols 20 cem Essigsäure hinzufügte. Am besten aber von allen Fixationsmitteln hat sich mir die Zusammenstellung nach van Gehuchten bewährt: Alkohol abs. 60, Chloroform 30, Eisessig 10. Mit dieser Flüssigkeit, verbunden mit sorg- fältiger Weiterbehandlung habe ich tadellose Bilder erhalten. Nächst ihr kann ich am meisten Salpetersäure-Alkohol und Perinyi’sche Flüssigkeit für die Niere empfehlen. Ausser einem guten Fixationsmittel kommt es noch auf eine sehr sorgsame weitere Behandlung der Nierenstückcehen an, sonst ist die Möglichkeit, dass noch nachträglich Kunstprodukte ent- Neue Unters. üb. d. Nierenepithel u. sein Verh. bei d. Harnabsonder. 117 stehen, nicht ausgeschlossen. Hat man Flüssigkeiten benützt, welche in fliessendem Wasser ausgewaschen werden müssen, so ist es sehr zu empfehlen, mit der Entwässerung durch Alkohol allmählich vorzugehen. Ich habe in der Regel mit 30 °/, Alkohol angefangen. Bei sehr rascher Wasserentziehung durch abs. Al- kohol können in einem recht gut fixirten Präparate noch nach- träglich beträchtliche Schrumpfungen und damit Zellzerstörungen eintreten. Aus Alkohol-Chloroform-Eisessig habe ich nach 3—5- stündiger Einwirkung ohne Schaden die Stückchen direkt in abs. Alkohol übertragen. Zur Verdrängung des Alkohols beim Ueber- gange zum Paraffin habe ich Xylol, Bergamottöl und Chloroform geprüft, wesentliche Vortheile hat mir keines gegenüber den an- deren gezeigt. Das Haupterforderniss ist auch hier, jeden schrof- fen Uebergang zu vermeiden. Aus dem abs. Alkohol bringe ich die Stückchen in 2 Theile Alkohol zu 1 Theil Xylol, nach meh- reren Stunden in 1 Theil Alkohol zu 2 Theilen Xylol, alsdann in reines Xylol und gleichzeitig in den Wärmeschrank von 37°. Sind die Stückchen vollkommen aufgehellt, werden sie in dem- selben Ofen in Xylol, das mit Paraffin gesättigt ist, übertragen. Nach ungefähr 6 Stunden kommen sie in einem zweiten Wärme- schrank von 42° in reines Paraffin vom Schmelzpunkt 40. Nach weiteren 5 Stunden bringe ich die Gläschen mit den Nieren- stückchen in einen dritten Wärmeschrank von 58°. Haben sie hier die Temperatur des Ofens erreicht, so kommen die Stückehen schliesslich in Paraffin vom Schmelzpunkt 56 und nach weiteren 2 Stunden werden sie in Papierkästehen eingebettet. Auf diese Weise erhielt ich Nierenschnitte, welche allen Anforderungen genügen konnten, wenn sie noch geeignet gefärbt waren. Beim histologischen Studium der Niere ist auf eine gute Färbung sehr grosses Gewicht zu legen. Als ich beim Beginn meiner Arbeit in der mikroskopischen Teehnik noch nicht so bewandert war, habe ich z. B. den Bürstenbesatz vielfach über- sehen, weil er durch die gewöhnlichen Färbemittel nicht deut- lich hervortrat. Durch Versuchen habe ich dann gerade für die Bürstenhärchen einen ganz spezifischen Farbstoff gefunden im Rubin S. Die aufgeklebten Schnitte werden für 1—2 Stunden in 1,5°/, Eisenalaunlösung gebeizt, in Wasser abgespült und in 0,5°/, Hämatoxylinlösung gebracht, welcher ich auf 100 cem un- gefähr 5eem einer 1°/, Lösung von Kaliumhypermanganat hin- 118 H. Sauer: zufüge. Nach 3 Stunden (die Schnitte können auch länger ver- weilen), werden sie in Leitungswasser abgespült und in der Eisenalaunlösung entfärbt. Es ist gut, diese zweite Lösung zu verdünnen, da die Entfärbung sonst zu schnell vor sich geht ; denn nur so weit entfärbe ich, dass die Protoplasmastruktur noch einen schönen bläulichen Ton behält. Die Bürstenbesätze werden (dabei ganz hell. Der Zusatz von hypermang. Kali giebt den Kernstrukturen ein tiefes Schwarz und die Körnchen im Proto- plasma nehmen einen schönen, blauen Ton an. Nach dem Ab- spülen in destillirtem Wasser werden die Schnitte “entwässert. Beim 90°, Alkohol angelangt gebe ich auf 15 cem des Alkohols 2—5 Tropfen einer gesättigten Rubinlösung. Ihre Einwirkung darf nnr einige wenige Minuten dauern, da das Rubin sehr in- tensiv färbt. Durch diese Doppelfärbung erhalten die Schnitte eine sehr prägnante Differenzirung: Membrana propria und Bür- stenbesätze werden intensiv roth gefärbt, das Protoplasma erhält je nach der längeren Einwirkung eine Mischfarbe von Blau und Roth und die Kernstrukturen erscheinen tief schwarz. Neuere Anschauungen über die Histologie der gewundenen Kanälchen. . An Präparaten, welche in der beschriebenen Weise behan- delt und gefärbt worden sind, bin ich zu einer Auffassung der Histologie der gewundenen Kanälchen gelangt, wie sie zuerst Rothstein (37) ausspricht. Bestärkt werde ich in meiner An- schauung noch dadurch, dass ich unabhängig von Rothstein zu derselben gekommen bin, indem ich von seiner Arbeit erst Kenntniss erhielt, als ich mir bereits meine Meinung gebildet hatte. Für die Richtigkeit einer Sache ist es immerhin von Werth, wenn von mehreren ohne gegenseitige Kenntnissnahme dasselbe gefunden wird. Da aber Herr Geheimrath Heiden- hain nicht völlig mit meiner Ansicht übereinstimmt, muss ich hier genauer auf die bisherige Histologie der gewundenen Kanäl- chen eingehen. Kölliker (16), Leydig (24), Henle (15), Ludwig und Zawarykin (27) und Schweigger-Seydel (39) er- klären sich übereinstimmend dahin, dass das Epithel der gewun- (denen Kanälchen trüb und körmnig sei, auch grössere oder kleinere Fetttröpfehen enthalte. Zellgrenzen wurden ausser von Kölli- Neue Unters. üb. d. Nierenepithel u. sein Verh. bei d. Harnabsonder. 119 ker (16) nicht wahrgenommen. Eingehend beschäftigte sich Heidenhain (10, 11) mit der Protoplasmastruktur der gewun- denen Kanälchen. Er kam seiner Zeit zu Ergebnissen, die von allen damaligen Ansichten abweichen. „Nach meinen Wahrneh- mungen“, sagt er, „sind die Epithelien der Tubuli eontorti nicht einfache Zellen, sondern sehr komplizirt organisirte Bildungen. Ein beträchtlicher Theil des Zellprotoplasmas hat wesentliche Ummwandlungen erlitten: er ist in eine grosse Zahl sehr feiner eylindrischer Gebilde zerfallen, welche ich als Stäbchen bezeichnen will. Der Tuniea propria mit äusseren Enden aufsitzend, durch- ziehen sie die Epithelschicht in radiärer Richtung, eingebettet in eine sehr geringe Menge formloser Grundsubstanz. Die Stäb- chen hüllen die in bestimmten Abständen liegenden von mehr oder weniger ansehnlichen Resten nicht differenzirten Protoplasmas umgebenen Kerne mantelartig ein. Was man früher als feine Körnchen in der Grundsubstanz der Zelle beschrieb, ist der Hauptsache nach nichts als die Summe der optischen Querschnitte der Stäbehen.“ Nach seinen Forschungen haben ferner die Stäb- chen nicht die gleiche Länge, indem sie nach der Mitte der Zelle kleiner werden. Die äussersten längsten greifen mit den freien Enden der Stäbchen einer Nachbarzelle in einander. Von der Fläche gesehen zeigt das um den Kern sich befindende, nicht differenzirte Protoplasma abgerissene, verästelte Fortsätze. Diese Anschauungen gewann Heidenhain hauptsächlich an Isolationspräparaten mit 5°/, ehromsauren oder molybdänsauren Ammoniak. Nach Heidenhain hat Aehnliches Schachowa (38) gesehen und Krause (19) berichtet auch von einer helleren centralen Zone, in welcher der Kern sich befindet und einer ba- salen dunkleren, welche im Stäbchen zerfallen ist. Seitdem wer- den allgemein diese histologischen Befunde anerkannt, und in den gebräuchlichsten histologischen und physiologischen Lehr- büchern sieht man noch heut die Bilder, wie sie Heidenhain in seiner Arbeit unter Figur 7 und 8 zeichnete. Zwar wurden von einigen Forschern die Stäbehenbildungen vielfach gar nicht mehr wahrgenommen, weil die Osmiumsäuregemische oder andere für die Niere ungeeignete Flüssigkeiten sie nicht fixirt hatten, W. Kruse (20) beobachtete dagegen dieselben von der Mem- brana propria bis zu dem Grenzkontour, auf welchem die Bürsten- härchen aufsitzen. In jüngster Zeit aber, wo wir weit bessere 120 H. Sauer: technische Hülfsmittel erlangt und die Objekte mit stärkeren Vergrösserungen ansehen, kann es uns nicht Wunder nehmen, wenn die von Heidenhain (10, 11, 12) erzielten Resultate durch neuere Befunde erweitert und modifizirt werden. Thor Rothstein (37) erklärt die Heidenhain’schen Stäbehen nur für scheinbare Stäbehen. Sie bestehen vielmehr aus Reihen von Körnehen, welche durch Protoplasmafäden untereinander verbunden sind, weshalb Rothstein (37) die Bezeichnung Kugelfäden wählt. Haben die Körnchen eine mehr längliche Form, deren Spitzen sich fast berühren, und ziehen zudem zwei Protoplasmafäden mit alternirenden Körnchen sehr nahe anein- anderhin, so kann bei schwächerer Vergrösserung sehr leicht eine Stäbehenbildung mit rauhen Begrenzungslinien vorgetäuscht werden. Die Auffassung Rothstein’s (37) kann ich nach meinen Nierenbefunden nur bestätigen. vecht augenscheinlich finde ich die Anordnung der Körnehen und Fäden bei Nieren von Hunden, welehe durch Alkohol-Chloroform-Eisessig fixirt worden sind. Auch Perinyi’sche Flüssigkeit und Salpetersäure-Alkohol lassen dieselben Erscheinungen erkennen und besonders deutlich Sublimat-Pikrinsäure. Wie bereits erwähnt kommt es bei dieser Flüssigkeit vor, dass in Folge von Schrumpfungen bisweilen die Epithelien von der Membrana propria sich ablösen, aber nicht in ihrem ganzen Umfange, sondern einige Protoplasmafäden mit ihren Körnehen bleiben noch im Zusammenhang mit der Tuniea propria, so dass man an solchen Stellen recht überzeugend die erwähnte Anordnung beobachten kann. Allerdings ist es erfor- derlich, recht dünne Schnitte zu erzielen. Ueber 3u dürfen sie keinesfalls betragen, wünschenswerth ist es, sie noch femer zu erhalten. Mitunter ist es mir gelungen, auf 10 u 6 Schnitte zu bekommen. Mein Augenmerk war aber auch darauf gerichtet, an frischen Gewebsschnitten die Richtigkeit der neueren Beobachtung be- stätigt zu finden. Doch die Durehsichtigkeit lässt hier viel zu wünschen übrig. Einzelne blasse Körnchen fallen leicht ins Auge und färben sich gut durch Methylviolett oder Dahlia, die zarten Protoplasmafäden kann man aber, da sie von Gewebssaft um- geben sind, kaum unterscheiden. Isolationspräparate geben da- gegen denselben Aufschluss wie gut fixirte Nierenschnitte. Zum Neue Unters. üb. d. Nierenepithel u. sein Verh. bei d. Harnabsonder. 121 Maceriren benutzte ich am meisten das unschädliche Jodserum. Die Stückehen lassen sich aus dieser Flüssigkeit sehr schön mit Dahlia färben. Durch Zerzupfen so gefärbter Partikelehen in Glycerin habe ich dieselben Isolationsbilder erhalten, wie sie Rothstein (37) abbildet. Die Körnehen werden durch Dahlia intensiv blau gefärbt, während die Protoplasmafäden ziemlich hell bleiben. Gleiche Resultate liefert auch der Drittelalkohol. Anders stellen sich die Verhältnisse, wenn man Nieren- sewebe in 5°/, ehroms. Ammoniak zerzupft. Man isolirt alsdann vielfach helle, eylindrische Gebilde, von zwei dunklen Seiten- kontouren eingefasst, welche bei sehr starker Vergrösserung oft Rauhigkeiten zeigen. Heidenhain hat dieselben bei schwächerer Vergrösserung (Hartn. Obj. VII, Zeichenprisma, Vergr. 440) im Archiv für mikroskopische Anatomie Band X, Tafel I, Figur 5 und 7 abgebildet. Er hält diese stäbchenartigen Gebilde auch heute noch für die in der Zelle präformirten Bildungen, hat aber nichts dagegen, dass ich meine abweichende Auffassung mittheile, nach welcher dieselben aus zwei parallelen mit Körnchen besetz- ten Protoplasmafäden bestehen, die durch einen Eiweissnieder- schlag mit einander verklebt sind. Meine Auffassung von den Heidenhain’schen Stäbchen finde ich dadurch gestützt, dass an den Ausführungsgängen der Speicheldrüsen, wo bisher auch Stäbehenbildungen wahrgenommen wurden, nach neueren Untersuchungen von R. Krause(18) die Stäbchen aus Reihen von Körnchen bestehen, welche durch Proto- plasmafäden untereinander verbunden sind. Zur vollständigen Histologie der gewundenen Kanälchen gehört noch der Bürstenbesatz. Ihn will ich aber erst besprechen, wenn ich in folgendem über sekretorische Veränderungen an diesen Kanälchen berichtet habe, da er von Disse und den meisten bisherigen Forschern mit der Sekretion in Beziehung ge- bracht worden ist. Sekretorische Ergebnisse an Thierversuchen. Alle bisherigen Beobachter haben, wenn sie sich über sekre- torische Verschiedenheiten an den Nierenepithelien äusserten, die- selben nur aus dem verschiedenen Aussehen der mikroskopischen Schnitte, die von beliebigen Thieren hergenommen wurden, abge- leitet. Diesbezügliche systematische Thierversuche scheint keiner 122 H. Sauer: ‘von ihnen zu Hülfe genommen zu haben, da solcher nirgends Erwähnung gethan wird. Sie sind aber meines Erachtens für die Beurtheilung von sekretorischen Veränderungen unbedingt nothwendig. Erst wenn in die Ureteren des Thieres Kanülen eingelegt und längere Zeit beobachtet worden sind, ob Harn reich- lich heraustropft oder nicht, wenn man also den ganzen Sekretions- zustand des ganzen Organes kennt, kann man Veränderungen im mikroskopischen Bilde beurtheilen, welche durch bestimmte Eingriffe, z. B. durch Einführung harntreibender Mittel in das Blut, herbei- geführt werden. Denn einem weiten oder engen Lumen kann ich nicht ohne weiteres eine Phase der Sekretion zudiktiren und nach dem Maassstabe sekretorischer Veränderungen bei anderen Drüsen, solche an den Nierenepithelien zu erklären, ist ganz ver- fehlt, da ja die Niere nicht Sekretionsstoffe in sich ausarbeitet. Auf diesen Punkt ist ganz besonderes Gewicht zu legen. Alle Drüsen, an denen bisher mit Sicherheit sekretorische Veränderungen beobachtet sind, häufen während der Sekretionspausen in ihren Zellen Sekretionsmaterialien an, welche aus dem Zellprotoplasma durch chemischen Umsatz entstanden sind. Diese „Sekretions- drüsen“ im engeren Sinne sind wohl zu unterscheiden von den „Exkretionsdrüsen“, welche im Blute vorgebildete Bestandtheile ausscheiden, ohne dass vorher eine Anhäufung derselben in den Drüsenzellen stattfindet. Noch Niemand hat in der Säugethier- niere eine Anhäufung von Harnstoff ete. während der Sekretions- pausen nachweisen können. A. Veränderungen der Nierenepithelien während der Sekretion bei Amphibien. Im Anfange meiner Versuche benutzte ich ausschliesslich den Frosch als Versuchsobjekt. Durch 10°/, Salpetersäure, Alcohol- Salpetersäure und Perinyi'sche Flüssigkeit erhielt ich gute mikroskopische Schnitte, sodass ich eventuelle Verschiedenheiten während der Sekretion bemerken musste. Die Versuche zielten zuerst daraufhin, die Wassersekretion d. h. die Absonderung von Seiten der Glomeruli oder, wie ich ihn kurz bezeichnen will, den Glomerulusstrom auf ein Minimum zu beschränken, ohne dabei die Nieren selbst zu schädigen; zu diesem Zweck verwahrte ich Frösche in trockenen Gefässen und überzeugte mich durch Kathe- terisiren, ob sie Harn secernirten. In den Behältnissen wurden Neue Unters. üb. d. Nierenepithel u. sein Verh. bei d. Harnabsonder. 123 sie ein bis sechs Tage gelassen. Es ist vortheilhaft, sie in kühle Temperatur zu bringen, da sie sonst schon nach dem zweiten Tage im Trockenen sterben. Von diesen Trockenfröschen unter- suchte ich die Nieren in verschiedenen Zeiten von ein bis sechs Tagen. Bei wiederholten Versuchen bekam ieh immer dieselben Bilder. Mikroskopischer Befund. Die zweite Abtheilung von den vier verschiedenen Harnkanälchen des Frosches, die wohl den gewundenen Kanälchen bei Säugethieren in der physio- logischen Funktion, nicht aber in ihrem histologischen Bau ent- spricht, zeigt fast durchgängig ein enges Lumen (Fig. 1), mitunter nur eine schmale Spalte. Die einzelnen Zellen sind nach dem Lumen zu gut abgegrenzt, nach der Tunica propria hin verschwinden allmählich die Grenzen. Ihre Gestalt ist meist eylindrisch oder kegelförmig, die Protoplasmastruktur zeigt regelmässige Körnung. Nach dem Lumen zu tragen die Zellen einen regelmässigen, un- unterbrochenen Bürstenbesatz. Bei guter Fixation und richtiger Färbung kann man immer die einzelnen Härchen unterscheiden. Färbt man zu stark mit Rubin, so kann der Bürstenbesatz wohl mehr einem homogenen Saume gleichen. Vom Zellkörper werden sie durch eine zarte aber scharfe Linie getrennt. Ob dieselbe aus einzelnen Körnchen wie bei Säugethieren besteht, habe ich nicht entscheiden können. Unter diesem zarten Kontour befindet sich noch mehrfach ein schmaler gestrichelter, etwas dunkler gefärbter Saum. Sein Erscheinen möchte ich mir nicht damit erklären, dass die Bürstenhärchen sich ein wenig in das Protoplasma der Zelle erstrecken, sondern es sind vielleicht die unteren Enden von Bürstenhärchen, welche sich auf Abhängen von Zellkuppen befinden, da doch selten ein Schnitt gerade durch die Höhen der Kuppen gehen wird. Die Zellkerne weisen in ihrer Struktur nichts Besonderes auf. Sie liegen regelmässig nahe der Tunica propria. Die Kanälchen der vierten Abtheilung haben Stäbehenepithel. In gut fixirten Schnitten kann ich auch hier Körnehen und Fäden unterscheiden, und zwar sind die Körnehen beim Frosch verhält- nissmässig klein und an Zahl gering, die Fäden stark, sodass bei schwächerer Vergrösserung nur diese in die Augen fallen. Zell- grenzen sind an diesen Epithelien nicht wahrzunehmen, auch entbehren sie eines Bürstenbesatzes. Das Lumen ist infolge des 124 H. Sauer: gegenseitigen Druckes der Kanälchen nicht immer gleichweit oder rund, im Durchschnitt aber gleich der Höhe der Zellbe- kleidung. Im Gegensatz zu dieser Versuchsreihe, wo die Wassersekretion auf ein geringstes Maass herabgesetzt wurde, suchte ich in einer zweiten Versuchsreihe an Fröschen die Harnsekretion beträchtlich zu steigern. Hierzu bediente ich mich verschiedener Mittel. Einige Frösche setzte ich längere Zeit ein bis drei Tage ins Trockene; alsdann wurden sie wieder in Wasser gebracht. Bei anderen injizirte ich in den dorsalen Lymphsack Harnstoff- oder Koehsalzlösungen. Um in möglichst kurzer Zeit Polyurie hervor- zubringen, liess ich direkt in die Vena centralis Lösungen von Harnstoff, Kochsalz, Zucker und Ferroceyankalium einfliessen. In die Kloake wurde jedesmal eine Kanüle eingelegt, um das Ein- treten und die Grösse der Harnsekretion zu beobachten. Mikroskopischer Befund. Die Präparate zeigen einen auffallenden Unterschied, das Lumen der Kanälchen der zweiten Abtheilung ist weit. Die Epithelzellen sind vielfach nicht mehr gleichmässig hoch, sondern zeigen ein wellenförmiges Niveau. Oft ragen einzelne Zellen noch etwas weiter in die Liehtung vor, andere sind dagegen niedrig. Die Protoplasmastruktur zeigt keine Unterschiede im Vergleich mit den Befunden der ersten Versuchs- reihe. Die Bürstenbesätze sind überall vorhanden und bereits bei schwächerer Vergrösserung (Apoch. 4 mm) deren einzelne Härchen zu unterscheiden, besonders an solchen Zellen, welche kuppen- oder kegelförmig in das Lumen hineinragen, da dann auf der Wölbung der Zelle die Härchen nicht mehr alle parallel ziehen, sondern etwas divergiren. Die einzelnen Zellgrenzen sind im centralen Theile wohl noch deutlich ausgeprägt, verschwinden aber sehr schnell im peripheren. Die Zellkerne unterscheiden sich im Aussehen und in der Lage durch Nichts von denen der zuerst beschriebenen Versuchsreihe. An einzelnen Schnitten von stark serernirenden Nieren habe ich beobachtet, dass die Epithelien sich dunkler färben. Den Unterschied erkläre ich mir aber da- durch, dass die gleichen Massentheilchen bei den sezernirenden Drüsen anf ein kleineres Volumen beschränkt und so die einzelnen Protoplasmaelemente der Zelle einander näher gerückt sind. Die Kanälchen der vierten Abtheilung gleichen vollkommen denen aus der ersten Versuchsreihe. Allgemein möchte ich noch Neue Unters. üb. d. Nierenepithel u. sein Verh. bei d. Harnabsonder. 1% hinzufügen, dass die Nieren im Zustande der Anurie sich besser fixiren lassen, als Nieren im Zustande der Polyurie. Hatte ich ein Uebermaass von harntreibenden Substanzen welches den nor- malen Gehalt des Blutes weit überstieg, den Versuchsthieren einverleibt, so waren die mikroskopischen Präparate nicht zu gebrauchen (Fig. 11), da massenhaft Veränderungen der Nieren- zellen eingetreten waren, wie sie bei abnorm hoher Koncentration des Blutes durch krystalloide Substanzen an den Zellen vieler Ge- webe des Organismus sich einfinden. Solche Veränderungen sind also für die Nierenzellen nicht charakteristisch und haben mit ihrer besonderen Function Nichts zu thun. Der Bürstensaum zeigte sich vielfach auseinandergerissen, und an diesen Stellen buchteten sich Eiweisstropfen in das Lumen vor. In anderen Kanälchen hatten diese ihren Zusammenhang mit der Zelle bereits verloren, sie lagen massenhaft in der Lichtung. Das Innere der Tropfen enthielt noch ein sehr zartes Fadennetz, Zellbestandtheile, welche beim Hervorquellen der Eiweisstropfen aus der Zelle mitgerissen worden sind. Es waren dieselben mikroskopischen Bilder, wie sie Omer van der Strieht (42) an Säugethiernieren, Nicolas (31,32) für die Nieren von Embryonen und van Ge- hucehten (7, 8) für die Zellen des Mitteldarms, der Larve von Ptychoptera eontaminata beschrieben haben. Sie erblicken in diesen histologischen Verschiedenheiten einzelne Phasen der Se- kretion und leiten daraus eine Sekretionstheorie ab, wonach die Absonderung auf Kosten der Zelle vor sich gehe. Ich kann mich durch derartige Bilder (Fig. 11) nicht bestimmen lassen, ihre Sekretionstheorie anzunehmen oder bestätigt zu finden. An meinen Präparaten betrachte ich die erwähnten Erscheinungen als Kunstprodukte. Eine Sekretion in Tropfen, welche von einer Hülle umschlossen und noch Protoplasmabestandtheile ein- schliessen, ist physiologisch für die Niere unmöglich; denn dann müsste die Summe dieser Zellreste im Harn angetroffen werden. Der normale Harn ist aber frei von jeglichen Zellelementen. Ferner erhielt ich auch solche Bilder nicht mehr, wenn die Sekretion nicht derartig durch harntreibende Substanzen gesteigert wurde, dass das damit überladene Blut direkt schädigend auf die Niere wirkte, und aufs peinlichste die technische Behandlung der Sehnitte beobachtet wurde. Ob die sekretorischen Verände- rungen, welche im wesentlichen nur in einer verschiedenen Weite 196 H. Sauer: der Liehtungen der Kanälehen bestehen, rein mechanisch zu er- klären sind, oder andere Gründe haben können, will ich später bei den sekretorischen Veränderungen an Säugethiernieren im Zusammenhange besprechen. B. Veränderungen der Nierenepithelien während der Sekretion bei Säugethieren. Von einer verschiedenen Höhe der Zellen in den gewundenen Kanälchen bei Säugethieren und der damit bedingten Form des Lumens wird zwar von vielen Forschern berichtet, wodurch diese Erscheinungen aber hervorgerufen werden, ob verschiedene Phasen der Sekretion die Ursache bilden, darüber sprechen sich die meisten Untersucher nicht aus. Eine relative Dieke der Epithelien aus den gewundenen Kanälchen im Gegensatz zu anderen Kanal- abschnitten heben Ludwig und Zawarykin (27) hervor. Schweigger-Seidel (39) lässt die Weite des Lumens eine schwankende sein, W. Krause (19) beschreibt die Liehtungen der Kanälchen als sternförmig. Ausführlicher berichtet W. Kruse (20): „War eine kontinuirliche Zelllage vorhanden, so war die Dieke der Protoplasmaschieht entweder überall auf dem Durch- messer konstant, oder dieselbe zeigte auf dem Durchmesser bald leichte, wellige Erhebungen, die in der Gegend der Kerne sassen ... Es macht dann den Eindruck, als ob die kuppenförmige Verdiekung der Zellsubstanz schliesslich soweit führt, dass die Thäler sich zu vollkommenen Spalten zwischen den Zellen vertiefen“. Hervor- wölbungen der Zellen und Buchten zwischen ihnen erwähnt auch Lorenz (26). Der erste, welcher Formenverschiedenheiten der Epithelien in den gewundenen Kanälchen auf die Sekretion zurückführt, ist Rothstein (37). Er beschreibt in seiner vorläufigen Mittheilung nur die ruhende Zelle und erklärt, der nicht secernirende Theil des Tubulus eontortus zeige als Lichtung einen schmalen Spalt. Genauere Angaben über das sekretorische Verhalten der Epithelien erhalten wir bald darauf vnOmer van der Stricht (42): Les produits de la seeretion renale s’aceumulent A linterieur des cellules Epitheliales sous forme d’amas liquides presentant l’aspect des stries, des boules ou des vesicules de volume tres variable, d’une apparenee homogene hyaline analogue au contenu des canalieules eontournds. Ils sont deverses A linterieur de ces Neue Unters. üb. d. Nierenepithel u. sein Verh. bei d. Harnabsonder. 127 derniers par des intersticees plus ou moins larges du plateau. Des amas liquides volumineux font souvent irruption A travers la eutieule de revetement A linterieur des canalicules. Ils la soulövent et l’entrainent quelquefois A leur chute“.. Omervan der Strieht (42) hat mit Hermann'scher Flüssigkeit fixirt, einem Mittel, welches sich mir für das Nierengewebe als ganz unzureichend erwiesen hat, da bei seiner Einwirkung zu leicht Kunstprodukte entstehen. Das Auftreten von Vakuolen, ohne dass dieselben an frischem Gewebe vorhanden sind, ist eine häufige Eigenschaft der Osmiumsäuregemische. Das Hervortreten von Tropfen durch den zerrissenen Bürstenbesatz oder dieser theilweise von der Zelle abgehoben , alle diese Erscheinungen . sprechen für eimen schlechten Erhaltungszustand der mikrosko- pischen Schnitte. Hierdurch hat sich der Untersucher zweifellos ver- leiten lassen, den oben beschriebenen Sekretionsvorgang als that- sächlich bestehend anzunehmen, der nach meinen Erfahrungen keinen Anspruch auf Uebereinstimmung mit dem natürlichen Verhalten machen kann. Die letzte und bisher ausführlichste Arbeit über sekretorische Veränderungen an den Nierenepithelien von Menschen und Säuge- thieren hat Disse (3) uns überliefert. Thierversuche giebt er nicht an, so dass er wohl nur aus der Verschiedenheit der mikros- kopischen Bilder derselben Niere seine Auffassung vom sekreto- rischen Verhalten der Epithelien gewonnen hat. Auf seine Er- gebnisse will ich am genauesten eingehen, da sie ja die Veran- lassung zu meinen Versuchen wurden. Disse (3) unterscheidet an den gewundenen Kanälchen vier Formen: 1) „Kanäle mit weitem, eylindrischem Lumen und niedrigem, einen Bürstensaum tragendem Epithel, dessen einzelne Zellen sich nicht gegen einander abgrenzen. 2) Kanäle mit engerem, aber noch annähernd eylindrischem Lumen und kegelförmigem Epithel, die Zellen desselben zeigen Andeutungen von Grenzen, besitzen keinen Bürstensaum mehr und lassen hellere Parthien, oft helle Höfe um die Kerne erkennen. Der Zellleib erscheint kömig, das basale Ende weist keine Stäbehenstruktur auf. 3) Die Kanäle haben ein enges, unregelmässiges Lumen und Epithel aus hohen prismatischen oder kegelförmigen gut ab- 128 H. Sauer: gegrenzten Zellen, die keinen Bürstensaum tragen und einen dunklen basalen, einen hellen ventralen Abschnitt aufweisen. 4) Die Kanäle haben kein Lumen und werden vom Epithel ganz ausgefüllt; die einzelnen Epithelzellen sind hoch, kegelförmig, gut abgegrenzt und zeigen den hellen centralen, wie den dunkeln basalen Abschnitt scharf gesondert. Im centralen Abschnitt liegt der Kern. Das Protoplasma des basalen ist in Stäbchen zerfallen“. Auf Grund dieser mikroskopischen Befunde kommt Disse zu der Schlussfolgerung, dass die Verschiedenheiten in den Epi- thelien der gewundenen Kanälchen nicht auf verschiedenen Zell- formen beruhen, sondern dass sie nur der Ausdruck für ihre Thätigkeit sind, hervorgerufen durch einzelne Phasen der Sekretion. Indem er hierfür die Ergebnisse Nussbaum’s (34) an den Vornieren von lebenden Tritonen und die Beobachtungen von Kühne und Lea für das Pankreas im Auge hat, erklärt er, die Zellen im den Kanälchen unter Nr. 1 seien sekretleer, die- jenigen unter Nr. 2 und 3 in Füllung mit Sekret begriffen und die unter Nr. 4 beschriebenen Epithelzellen befänden sich im Zustande praller Anfüllung mit Sekret. Den Bürstenbesatz findet Disse nur an den leeren Zellen entwickelt. Sobald mit der Anfüllung des Sekretes das Volumen der Zelle zunimmt, ver- schwindet wieder der Bürstenbesatz. Dies sind in kurzer Zusammenfassung die wesentlichen Punkte der Untersuchung von Disse (3). Um eine richtige Kritik für seine Auffassung zu finden, werde ich erst meine Ergebnisse, welche ich an Thierversuchen gewonnen habe, gegenüberstellen. Erste Versuchsreihe. Wie bei meinen Versuchen am Frosch war auch bei den folgenden an Säugethieren der leitende Gedanke, Nieren im Zu- stande der Anurie und Polyurie zur mikroskopischen Betrachtung zu bringen. Als Versuchsthiere benutzte ich Hund, Kaninchen, Igel, Ratte, Maus und Meerschweinchen. Um schonender vorzu- sehen, wurde den Thieren zuerst nur Trockentutter verabreicht. Kaninchen und weisse Mäuse liess ich auch hungern und dürsten, wobei diese Thiere sich recht ruhig verhielten. Bei Hunden und Kaninehen wurden noch zwei Stunden vor dem Tode Kanülen in die Ureteren eingelegt, um so den Zustand der Anurie sicher beobachten zu können. Nach dem Tode, den ich nicht durch Neue Unters. üb. d. Nierenepithel u. sein Verh. bei d. Harnabsonder. 129 Chloroform herbeizuführen empfehle, da die Nieren beeinträchtigt werden, wurden sie sofort dem Thiere entnommen, kleine Stückchen in die für geeignet befundenen Fixirungsflüssigkeiten gebracht und entsprechend weiterbehandelt. Mikroskopischer Befund: Die Lichtungen der gewundenen Kanälchen sind zum überaus grössten Theil eng, seltener trifft man eine lange Spalte (Fig. 3), meistens ist das Lumen sternförmig (Fig. 4), so dass man auf Quersehnitten beim Hunde drei oder vier Hervorbuchtungen und eben so viele Ein- senkungen, bei anderen Thieren deren noch mehrere erblickt. Die Liehtungen sind vielfach so eng, dass die gegenüberliegenden Bürstenhärchen sieh mit ihren freien Enden berühren. Der Bürsten- besatz bekleidet die Epithelien in allen gewundenen Kanälchen ohne jegliche Unterbrechung, sowohl auf den Hervorwölbungen als in den Einsenkungen. Die einzelnen Härchen sind bei richtiger Nüaneirung der Färberei immer deutlich zu erkennen. Bisweilen zeigten sie mir nicht die gleiche Länge, sondern erschienen in den Buchten der Zellauskleidung niedriger. Es kann jedoch auch eine Täuschung sein, weil die Härchen an solehen Stellen dieht aneinander gedrängt sich gegenseitig berühren. Der Bürstenbe- satz erhebt sich auf einer dunkel gefärbten Linie, welehe bei stärkerer Vergrösserung (Hom. Im. 0,2mm und Oe. 6 oder 8) sieh in einzelnen Körnchen auflöst, deren Anordnung noch der- artig ist, dass sie auf einer Wölbung der Zellauskleidung etwas weiter von einander entfernt, in den Einsenkungen dichter an- einander gereiht sind, so dass hier der Grenzkontour zwischen Härchen und dem übrigen Zellleibe besonders dunkel gefärbt hervortritt. Die Protoplasmastruktur zeigt ein gleichmässiges Aussehen von Reihen und Körnehen verbunden durch Fäden. Nicht immer ziehen die Heidenhain’schen Stäbchen genau parallal von der Tuniea propria bis zu der dunklen Grenzlinie, sondern öfters liegen einzelne Fäden mit ihren Körnchen im peri- pheren Theile durcheinander. Die Kerne liegen sehr nahe der Tunica propria. Bemerkenswerthes habe ich an ihnen nicht zu erwähnen. An den wenigen Stellen im mikroskopischen Schnitt, wo die Liehtungen der Kanälehen nieht zu einem Spalte verengt sind, kann man sie immerhin relativ eng bezeiehnen, wenn sie auch dureh kleine Abflachungen der Zellkuppen etwas erweitert sind Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46 9 130 H. Sauer: (Fig. 5). Zellgrenzen habe ich beim Hunde niemals wahrgenommen. Zu bemerken, wenn auch nicht immer vollkommen ausgeprägt, sind sie beim Kaninchen, Katze, Igel, Ratte, Maus und Maulwurf. Zweite Versuchsreihe. Hatte ich in den soeben beschriebenen Bildern gewundene Kanälechen von Nieren vor mir, welche sich im Zustande der Anurie befanden, so war es meine weitere Aufgabe, Nieren zu starker Sekretion zu veranlassen und sie in dieser Phase für die mikroskopische Betrachtung zu fixiren. Grössere Thiere, Hund und Kaninchen bieten hierfür keine Schwierigkeiten. Um bei ihnen starke Sekretion hervorzurufen, wurden in die Vena jugu- laris Lösungen von Harnstoff, Zucker und Kochsalz injieirt. Am wirksamsten hat sich nach Limbeck (25) eine 5°/, Kochsalz- lösung ergeben. Man kann von ihr ohne jegliche Gefahr für das Thier 5cem und noch mehr auf einmal in die Vene einfliessen lassen. Es vergeht kaum eine Minute, so tropft der Harn aus den in die Ureteren eingelegten Kanülen sehr reichlich ab. Um aber die Nieren nicht allzusehr zu überlasten — denn in diesem Falle fixiren sich die Kanälchen schlecht — liess ich zuerst alle 5 Minuten 2 cem der Kochsalzlösung aus der Bürette in die Vene ein- fliessen. Nachdem in dieser Weise 20 cem injieirt waren, liess ich 5 cem auf einmal einströmen und bei der nächsten gleich grossen In- jektion wurde das Thier im Augenblick des reichlichsten Abtropfens des Harns getödtet. Herr Geheimrath Heidenhain hatte die Güte, mir an zwei Kaninchen Polyurie durch den Cl. Bernard’'schen Zuckerstich zu bewirken. Bei jedem Versuche wurde der Urin auf Eiweiss untersucht, damit pathologische Verhältnisse ausge- schlossen wurden. Die Reaktion des rasch sezernirten Harns war immer alkalisch. Als makroskopischen Befund habe ich von den Nieren dieser Versuchsreihe noch zu berichten, dass die Rindenschicht ein blass gelblich braunes Aussehen darbot, im Gegensatz zu denen der ersten Versuchsreihe, wo die Rindenschicht sich dunkelroth gegen die weisse Markschicht abhob. Mikroskopischer Befund. Die weitaus grösste Zahl der gewundenen Kanälchen zeigt ein weites Lumen, nicht gerade immer rund oder oval, sondern meistens ist noch die eine oder andere Stelle der Epithelauskleidung etwas vorgewölbt (Fig. 6 und 7). Daneben kommen noch vereinzelt einige Kanälchen Neue Unters. üb. d. Nervenepithel u. sein Verh. bei d. Harnabsonder. 131 mit weniger weitem (Fig. 5) und engem Lumen vor (Fig. 4), ein Beweis, dass nicht alle gewundenen Kanälchen gleichmässig sezerniren. Der Bürstenbesatz ist immer vorhanden und in tadel- los erhaltenen Schnitten nie zerrissen oder abgehoben durch hervorquellende Eiweisstropfen. An den Bürstenbesätzen sind die einzelnen Härchen gut gesondert zu unterscheiden. Die dunkle Grenzlinie, auf welcher die Härchen aufsitzen, besteht aus einer Reihe von Körnchen. Die Protoplasmastruktur zeigt die Heidenhain’schen Stäbchen als Reihen von Körnchen, verbunden durch Fäden von der Tunica propria bis zum Bürstenbesatz ziehend, und zwar ist hier die An- ordnung der Fäden ausschliesslich eine parallele (Fig. 7). Die Zellkerne liegen nahe der Membrana propria, sekretorische Ver- änderungen habe ich an ihnen nicht wahrzunehmen vermocht. Nieren im Zustande der Anurie und Polyurie habe ich auch an ein und demselben Thiere hintereinander gewonnen. Ein Hund oder Kaninchen bekam zwei Tage lang nur Trockenfutter. Im ersten Theile der Operation wurde ihnen alsdann eine Niere - herausgenommen. Sehr zu empfehlen ist dabei, die Kapsel von der Niere zu lösen und hierauf den Stiel abzubinden. Auf diese Weise vermeidet man, da ja auch aus der Kapsel Gefässe ein- treten, eine allzugrosse Anstauung von Blut in der zu entfernenden Niere, eine Fürsorge, welche im Interesse der zarten histologischen Verhältnisse und der leichten Beeinträchtigung des sehr empfind- lichen Nierengewebes geboten ist. Von der herausgenommenen Niere wurden alsbald Stückchen fixirt. In den Ureter der noch bleibenden Niere wurde eine Kanüle eingelegt und in die grosse Halsvene in der beschriebenen Weise 5°/, Kochsalzlösung inji- eirt. Nach reichlichem Abtropfen des Harns aus der Kanüle fixirte ich auch die zweite Niere. Die mikroskopischen Befunde entsprechen vollkommen denen der ersten und zweiten Versuchs- reihe. Der Vergleich war nur insofern interessanter, als von demselben Thiere zwei verschiedene Phasen der Sekretion beob- achtet werden konnten. Einen Befund an einem Sammelrohr, wie ihn Fig. 10 zeigt, möchte ich nicht unerwähnt lassen. Nur zweimal fand ich bei Hunden diese dunkler gefärbten, etwas gekörmt erscheinenden Einlagerungen (e) in der Grösse eines Zellkernes. Sie waren fast in jeder Zelle der Sammelrohre anzutreffen, mitunter auch zu 133 H. Sauer: zweien. Ihre Bedeutung ist mir nicht klar geworden. Jedenfalls sind es aber keine Kunstprodukte, da diese Einlagerungen bei zehn verschiedenen Fixationsmitteln, welche ich an dieser Niere prüfte, sichtbar waren. Vielleicht werden sie von späteren Unter- suchern noch genauer beobachtet und erkannt. Wenn ich zum Schlusse meiner zahlreichen Thierversuche die Ergebnisse zusammenfasse, so habe ich übereinstimmend von den Nieren des Frosches und von Säugethieren folgende Resultate zu berichten. I. Die Sekretion hat keinen Einfluss auf die Protoplasma- struktur der gewundenen Rindenkanälehen; Heidenhain’sche Stäbchen und Bürstenbesätze zeigen in allen Phasen der Sekretion das gleiche Aussehen. Die Zellkerne ändern niemals ihre Lage. II. Sekretorische Veränderungen sind nur an den Liehtungen der gewundenen Kanälchen zu bemerken: a) Ist die Harnabsonderung auf ein Minimum herabgesetzt, so zeigen sie an Längs- und Querschnitten als Lumen eine enge Spalte, die einzelnen Zellen sind hervorgewölbt und hoch. b) Ist die Harmabsonderung maximal gesteigert, so ist das Lumen weit, die einzelnen Zellen sind abgeflacht und niedrig. ec) Nieren, welche zu beliebigen Zeiten ohne Berücksichti- sung der Sekretion Thieren entnommen worden sind, zeigen ausser diesen beiden extremen Erscheinungen noch viele Zwischen- stufen, indem die Liehtungen durch Hervorwölbungen und Ab- flachungen einzelner Zellen mehr oder weniger verengt oder er- weitert werden. Wie stellen sieh meine Untersuchungen zu den Befunden von Disse? Nach der Form des Lumens würden seine Kanälchen mit weitem Lumen mit meinen aus der zweiten Versuchsreihe und die mit engem Lumen mit denen der ersten Versuchsreihe über- einstimmen, in dem histologischen Bau und in der Auffassung der Sekretionsphasen der Zellen gehen aber unsere Ansichten voll- kommen auseinander. Der Grund hierfür liegt erstens in einem schlechten Erhaltungszustand, welchen Disse zweiffellos in seinen mikroskopischen Präparaten gehabt und zweitens in einer nicht richtigen Deutung histologischer Verschiedenheiten. Disse (3) betrachtet die Epithelien unter Nr. 1 als sekret- Neue Unters. üb. d. Nierenepithel u. sein Verh. bei d. Harnabsonder. 133 leer. Beginnt die Harnabsonderung, so füllen sich die Zellen von der Peripherie aus mit Sekret. Es sammle sich besonders um den Kern an, so dass dieser von einem hellen Hofe umgeben erscheint. Mit der Zunahme der Anfüllung rücke der Kerm immer inmitten der Sekretansammlung nach dem Lumen hin. Dadurch entstehe eine dunkle periphere Protoplasmazone, während der eentrale helle Theil zu einer Sekretblase anschwelle. Hat die intracellulare Spannung eine bestimmte Höhe erreicht, so er- folge die Entleerung des Sekretes durch Filtration. Der centrale Zellabschnitt kollabire und hiermit trete der Kern wieder in den basalen Theil zurück. In dieser Weise lässt Disse die Sekretion vor sich gehen. Einen positiven Beweis für die Richtigkeit seiner Auffassung bringt er uns nicht bei. Ein soleher kann nur geliefert werden durch Vergleich der Nieren soleher Thiere, deren Harnabsonderung unterdrückt oder auf ein Minimum herabgesetzt ist, mit den Nieren von lebhaft Harn bildenden Thieren. Diese Zustände sind nur experimentell herzustellen und derartige Ver- suche hat Disse (3) nicht gemacht. Seine Theorie gründet sich nur auf Verschiedenheiten der Harnkanälchen derselben Niere. Diese Verschiedenheit der Bilder hat aber die Einwirkung der Flemming’schen Flüssigkeit hervorgerufen, welche Disse (3) für das beste Fixationsmittel für Nierengewebe hält. Bei meinen Versuchen erhielt ich durch die Flemming'sche Flüssigkeit dieselben mikroskopischen Nierenschnitte, wie sie jener Forscher beschreibt, jedoch an der Hand besserer Fixationsmittel lernte ich einsehen, wie viele Kunstprodukte in ihnen entstanden waren. Die helle eentrale Zone, welche Disse (3) als Sekretblasen auffasst (Fig. 9 seiner ‚Arbeit) und das Netzwerk blasser Fäden, welches infolgedessen auf Querschnitten sichtbar wird und das Lumen auszufüllen scheint, entsprechen nicht dem natürlichen Verhalten. In dem Augenblick, wo die Fixationsflüssipkeit mit den Epithelien und deren Gewebssaft in Berührung kommt, treten vielmehr aus den Zellen Eiweisstropfen aus, ein Vorgang, den man direkt unter dem Mikroskop beobachten kann. Die Tropfen legen sich mit ihren Wandschiehten aneinander und nehmen das ganze Lumen ein. Auf einem Querschnitt wird man alsdann ein Netzwerk feiner Fäden bekommen. Sie sind ein Kunstprodukt und haben mit der Histologie der Zelle gar nichts zu schaffen. Den sichersten Beweis, dass Disse (3) in seinen Präparaten einen 134 H2sSauer: schlechten Frhaltungszustand gehabt hat, liefert für mich der Umstand, dass er an solchen Kanälchen keine Bürstenbesätze be- obachten konnte, die doch nach Lorenz (26) und meinen Untersuchungen immer vorhanden sind. Hatte sich Disse durch Kunstprodukte für eine falsche Auffassung bestimmen lassen, so war er wenigstens in seinem Urtheil vorsichtiger als Omer van der Stricht (42) und Nieolas (31, 32). Sie lassen das Sekret in den Zellen in Form von geschlossenen Bläschen sich ansammeln, von der Tunica pro- pria nach dem Lumen hin vorrücken, dabei sich dureh Vereinigung mehrerer Bläschen vergrössern, schliesslich den Bürstensaum durch- brechen, und indem sie noch feine Protoplasmareste in sich ein- schliessen, in das Lumen fallen. Man muss aber doch fragen, wo denn die Wandschichten der Bläschen und die mitgerissenen Protoplasmareste bleiben. Man müsste sie zunächst in den Hen- le’schen Schleifen und den Sammelröhren antreffen und schliess- lich im Harn wiederfinden. Der normale Harn ist aber frei von geformten Elementen und von Eiweiss, mithin kann er nicht in Tropfenform, welche von einer Hülle eingeschlossen sind, sezer- nirt werden. Eine gleiche Sekretionstheorie wie jene hat auch van Gehuchten (7, 8) für die Zellen des Mitteldarmes der Larve von Ptychoptera contaminata beschrieben. Wenn ich von meinen Nierenpräparaten aus schliessen darf, was allerdings nicht unbedingt sicher ist, würde ich bei der Betrachtung seiner Bilder an die Möglichkeit von Kunstprodukten denken. Ein nicht geeigneter Erhaltungszustand, den Disse (3) in seinen Präparaten zweifellos gehabt hat, begründet aber nicht allein die Verschiedenheit seiner Anschauungen und meiner Er- gebnisse. Wenn er erklärt, die niedrigen Zellen in den Kanälchen mit weitem Lumen seien sekretleer, die hohen Zellen in denen mit engem Lumen in praller Füllung mit Sekret begriffen, und wenn er zwischen diesen beiden extremen Erscheinungen noch Zwischenstufen in der Sekretfüllung unterschieden hat, so ist Disse (3) nur durch Kombinationen der Verschiedenheiten im Aussehen der einzelnen Kanälchen dahin geführt worden, sich sein Urtheil zu bilden. Er hielt die niedrigen Zellen für sekret- leer, weil er als Analoga die sekretorischen Befunde an Speichel- drüsen und Pankreas hereinzog. Damit giebt uns aber Disse keinen positiven Beweis für die Richtigkeit seiner Eintheilung Neue Unters. üb. d. Nierenepithel u. sein Verh. bei d. Harnabsonder. 135 in sekretleere und sekretvolle Zellen. Sich auf die Befunde an Speicheldrüsen und Pankreas zu stützen, muss ich für nicht statt- haft erklären, da jene Drüsen Sekretionsmaterial aus sich heraus arbeiten, die Nieren dagegen Stoffe, die fast alle im Blute schon vorgebildet sind, nur in konzentrirterer Form ausscheidet, wobei höchstens einfache Synthesen, wie die der Hippursäure, zu Stande kommen. Eines aber scheint Disse und ebenso die anderen Forscher, welche über diesen Gegenstand gearbeitet haben, ganz zu übersehen. Sie sprechen alle von einer Sekretansammlung sogar in Tropfen und Blasen. Da hätten sie doch nachsehen sollen, wie das Sekret in ihnen beschaffen ist. Denn wir müssen in den Nieren zwei Sekretionsströmungen gesondert auseinander halten, die der harnfähigen Substanzen aus den Kapillaren durch die gewundenen Kanälchen und die Wassersekretion, bewirkt durch die Thätigkeit der Glomerulusepithelien. Die Wasserse- kretion kann aufhören, wieder beginnen und je nach ver- schiedenen Einflüssen besonders gesteigert werden. Diese Vor- gänge kann man an Kanülen, welche in die Ureteren eingelegt werden, genau verfolgen. Die Wassersekretion wird daher bei einer Beurtheilung über sekretorische Veränderungen besonders beobachtet werden müssen und deswegen sind Thierversuche un- erlässlich. Auf diese Weise gewann ich meine Ergebnisse über sekretorische Veränderungen an Nierenepithelien, und es ist wohl dann nicht zu verwundern, wenn meine Resultate von den bis- herigen Arbeiten, welche über diese Frage veröffentlicht worden sind, abweichen. Wenn ich einen beliebigen Nierenschnitt unter dem Mikroskop betrachte, so kann ich ihm nicht so ohne weiteres ansehen, in welcher Phase der Sekretion die einzelnen Kanälchen sich befunden haben. Indem ich erst an die Betrachtung der mikroskopischen Bilder kam, nachdem ich durch die in die Ure- teren eingelegten Kanülen die Gewissheit hatte, die eine Niere hat stark sezernirt, bei einer anderen war von einer Absonderung kaum etwas zu bemerken, nachdem ich also den jeweiligen Se- kretionszustand der ganzen Drüsen kannte, ist es mir möglich gewesen, über sekretorische Veränderungen der Epithelien ein Urtheil abzugeben. Noch eine Abweichung, welche gleichmässig von Disse (3), van Gehuchten (8) und Nicolas (32) vertreten wird, möchte ich hier mit ein paar Worten berühren, nämlich der 136 H. Sauer: "Gebrauch der Bezeichnungen ruhende und thätige Zelle. Disse (3) erklärt in seiner Arbeit: „Ruhende Zellen sind frei von Sekret, thätige mehr oder weniger angefüllt. Den Abschluss der Thätig- keit bildet die Ausstossung des Sekretes“. Nach dem Sprachge- brauch der Physiologie nennt man eine Drüsenzelle thätig, wenn sie äussere Arbeit leistet, wie auch ein Muskel thätig ist, wenn er äussere Arbeit leistet, d. h. Gewichte hebt, oder nach aussen Spannungen entwickelt. Ist der thätige Muskel durch Verbrauch seines Arbeitsmateriales erschlafft, so tritt in ihm neue Ansamm- lung von Arbeitsstoffen ein, d. h. er leistet innere Arbeit. Den Muskel in letzterem Zustande wird Niemand „thätig“ nennen. Ebenso wenig darf die Drüsenzelle, welche Sekretionsmaterial in sich anhäuft, als thätig bezeichnet werden; denn es handelt sich hier um innere chemische Leistung, nicht um eine äussere Arbeit, wie sie bei eintretendem Sekretionsstrom sich kund giebt. Von weiteren sekretorischen Veränderungen, welche Disse (3) an den Nierenepithelien ausser der Formenverschiedenheit der Lichtungen beobachtet hat, habe ich bereits eine Lageveränderung des Zellkernes erwähnt. Sie ist auf den ungeeigneten Erhaltungs- zustand seiner Präparate zurückzuführen. Ich habe nie bemerken können, dass der Kern in einzelnen Sekretionsphasen seine Lage ändere. Er befand sich immer nahe der Membrana propria. Der Einwirkung der Flemming'’schen Flüssigkeit ist es auch zu- zuschreiben, dass Disse eine Stäbchenstruktur nur vorübergehend an seinen ganz mit Sekret gefüllten Zellen gesehen hat. In diesen Fällen stimmt er inbetreff der Heidenhain’schen Stäb- chen der Auffassung Rothstein’s (37) bei. Als direkte Kunstprodukte muss ich ferner die von Disse erwähnten Halb- monde (Fig. 5 s. Arb.) bezeichnen. Er erklärt sie nach der Ansicht Stöhr’s (41) damit, dass entleerte Zellen inmitten ge- füllter sich befinden. Ich habe zweimal derartige Gebilde beob- achtet an Nieren, welche durch abs. Aleohol recht schlecht fixirt waren und kaum noch ein normales Aussehen darboten. Der sicherste Beweis, dass die Nierenschnitte Disse’s an guter Er- haltung zu wünschen übrig lassen, ist der, dass er die Bürsten- besätze nur an sekretleeren Zellen vorfindet, an allen anderen aber nicht. An dem unversehrten Vorhandensein dieses zarten Gebildes kann man die Güte der Präparate bemessen, Neue Unters. üb. d. Nierenepithel u. sein Verh. bei d. Harnabsonder. 137 Der Bürstenbesatz an den Epithelien der normalen Nieren. Ueber sein normales Vorkommen an den Epithelzellen der gewundenen Kanälchen ist bereits viel geschrieben und gestritten worden. Die besten und genauesten Angaben verdanken wir bisher der umfangreichen Arbeit von Lorenz (26). Trotzdem hat sich eine einheitliche, allgemein anerkannte Ansicht noch nicht geltend gemacht. Und doch wäre dies sehr wünschenswerth; denn der Bürstenbesatz ist ein allezeit vorhandener, histologischer Bestandtheil der Zelle. Daher möchte ich es nicht versäumen, ihn eingehender abzuhandeln. Ich war in der glücklichen Lage, ihn genauer studiren zu können, indem ich gute Fixationsmittel zur Verfügung hatte und vor allen Dingen im Rubin S. eine Farbe gefunden habe, welche spezifisch die Bürstenhärchen deut- lich hervortreten lässt. Sie liefert bedeutend prägnantere Bilder als die von Lorenz (26) benutzte Färbung mit Lithioncarmin und Indulin. Die Entdeckung des Bürstensaumes duch Nussbaum (33) und die kürzeren, vorübergehenden Beobachtungen und Bemer- kungen über denselben von Cornil(2), Klein (15), Solger(40), Renson (36), Lebedeff (23), Henerage Gibbes ()), Janösik (14), Langhans (22) und Marchand (28) will ich hier nicht zur Betrachtung heranziehen. Sie sind in früheren Arbeiten besonders vor Lorenz (26) genauer besprochen worden. Die ersten eingehenderen Untersuchungen über dieses Gebilde beriehtet uns Tornier (43). Er fand Bürstenbesätze als einen normalen Bestandtheil in den Nieren von Amphibien und Säuge- thieren. Die einzelnen Härchen beobachtete er nicht immer gleich lang, auch nicht vollkommen parallel nebeneinander, mit- unter vermochte er nur einen homogenen Saum zu erkennen, oder zuweilen auch diesen nicht. Infolge seines verschiedenen Verhaltens brachte er ihn in Beziehung zur Sekretion. Dass Tornier (43) solche Verschiedenheiten in seinen Präparaten beobachtet hat, führe ich auf seine nicht besonders geeignete Fixation und Färbung zurück. Das Sublimat macht für das Nierengewebe zu starke Schrumpfungen, die Färbung mit Häma- toxylin und Kali bichromieum ist viel zu diffus, Gerade auf 138 H. Sauer: die Färberei der Nierenschnitte kommt es sehr an. Bei zu schwacher Färbung kann der Bürstenbesatz übersehen werden, bei allzu starker bekommt er das Aussehen eines homogenen Bandes, die einzelnen Härchen sind nicht mehr zu unterscheiden. Immerhin waren die Ergebnisse Tornier’s (43) schon ein grosser Fortschritt. Einzelne Härchen berichtet W. Kruse (20) gesehen zu haben, aber sie waren nur an einzelnen Stellen vor- handen. Lorenz(26) ist der erste, welcher den Bürstenbesatz als einen beständigen Befund der normalen sekretorischen Zelle erklärt. Selbst im embryonalen Zustand hat er ihn schon aus- gebildet gefunden. Ueber das regelmässige Bestehen des Bürstenbe- satzesberichtetnochNicolas(32): „Dans la portion des canalieules Wolffiens que l’on regarde comme portion seeretante e’est A dire dans celle qui fait suite direetement a la capsule glomerulaire, chaqua cellule pr&sente sur sa surface une rangee des bätonnets eylindriques, bien distinets les uns des autres et r&egulierement alignes“. Verschiedenheiten in der Struktur des Bürstenbesatzes will dagegen Omer van der Stricht (42) gesehen haben; an der ruhenden Zelle sei er homogen, an der thätigen gestrichelt. Disse (3) hat ihn überhaupt nur an der ruhenden, sekretleeren Zelle beobachtet. Seine Befunde wie die Omer van der Stricht’s (42) werden aber durch den ungeeigneten Erhaltungszu- stand ihrer Präparate bedingt. Ganz vereinzelt steht die Ansicht Rothstein’s (37) da, dass die Härchen aus einzelnen Körn- chen bestehen. Ich habe niemals auch nur die leiseste An- deutung davon bemerkt. Nach meinen Untersuchungen ist der Bürstenbesatz normaler Weise immer an den Epithelien der gewundenen Kanälchen vor- handen. Hund, Kaninchen, Igel, Maulwurf, Ratte, Maus, Meer- schweinchen, Taube, Ringelnatter, Schildkröte, Frosch und Triton, alle diese Thiere zeigten mir an ihren Nieren im mikroskopischen Bilde einen regelmässigen Bürstenbesatz, an dem die einzelnen Härchen bei richtiger Färbung stets gesondert zu unterscheiden sind. DieLänge der Härchen ist bei den einzelnen Thieren nicht gleich. Beim Kaninchen erschienen sie mir etwas kürzer als beim Hund und länger wiederum bei Ratte und Maus. Sehr niedrig im Vergleich zu den hohen Epithelzellen sind die Härchen bei der Ringelnatter und der Schildkröte, bei welchen Thieren ich übrigens keine Stäbchenkanäle entdecken konnte. Neue Unters. üb. d. Nierenepithel u. sein Verh, bei d. Harnabsonder. 139 Von dem Zellkörper ist der Bürstenbesatz durch eine dunkle zarte Linie geschieden, welche bei Säugethiernieren mit Hülfe stärkerer Vergrösserungen (Homog. Im. 0,2mm und Oeul. 6 oder 8) sich in einzelne Körnchen auflöst. Dieselben haben nicht immer eine gleiche Entfernung von einander. Ist das Lumen eng und sternförmig, so sind die Körnchen auf den Her- vorwölbungen etwas weiter von einander entfernt, in den Ein- buchtungen dagegen dichter aneinandergedrängt. An den Nieren von Reptilien und Amphibien habe ich nur eine zarte aber be- stimmte Grenzlinie wahrgenommen, keine Auflösung in Körnchen. Die Sichtbarkeit dieser dunklen Kontour ist sehr der Färberei unterworfen. Daraus erkläre ich mir die abweichende Ansicht der meisten Forscher. Tornier (43) und W. Kruse (20) beobachteten eine dunkle Linie. Lorenz (26), der sonst die genauesten Angaben über den Bürstenbesatz macht, hat nichts von dieser Linie bemerkt. Seine Färbung ist nicht ausreichend gewesen. Nicolas (32) beschreibt die Verhältnisse, wie ich sie gefunden habe „une ligne pointillee*, nur hat er sie nicht immer wahrgenommen, was ich mir aus der ungleichmässigen Fixation der ÖOsmiumsäure erklären kann. Auch Disse (5) findet eine Linie „die aus nebeneinanderliegenden, knötchen- artigen Verdickungen der einzelnen Härchen gebildet wird“. Verhältniss des Bürstenbesatzes zu den Heiden- hain’schen Stäbchen. Tornier (26), der zuerst diese Frage aufwarf, konnte keinen Zusammenhang zwischen den Stäbehen und Härchen finden, vermuthete ihn nicht einmal, da bei Amphibiennieren die Bürstenbesätze nicht die Stäbchenkanäle, sondern die der zweiten Abtheilung mit den hohen gekörnten Zellen bekleiden. Desgleichen konnte Lorenz(26) bei seinen Untersuchungen keine Beziehung des Bürstenbesatzes zu den Heidenhain’schen Stäbehen ent- decken. Er fand bei seiner Fixation mit konzentrirter Sublimat- lösung zwischen den Härchen und den Stäbchen noch einen homogen aussehenden Protoplasmasaum. Eine derartigeErscheinung habe ich an meinen Präparaten nie wahrgenommen. Disse (3) versuchte die Härchen rückwärts in die Zelle hinein zu verfolgen. An den Kanälchen aber unter Nr. 1, an denen allein er einen Bürstenbesatz fand, brachte seine Fixation keine Heidenhain’- 140 H. Sauer: ‚schen Stäbchen zur Wahrnehmung, so dass er auch keinen Zu- sammenhang der Stäbehen mit den Härchen beobachten konnte. Für eine wahrschemliche gegenseitige Beziehung beider Gebilde tritt W. Kruse (20) ein. Wenn er auch nicht bei seinen Untersuchungen bestimmt die Behauptung aussprechen konnte, dass die Heidenhain’schen Stäbehen in die Bürsten- härchen übergehen, so ist er doch entschieden mehr für diese Annahme als dagegen. Auf seiner Seite steht auch Nicolas (32). Er schreibt: „Bien plus il est facile de voir en maints endroits, que la zone protoplasmiques immediatement sous-Jacente A la brosse a pris des caracteres assez speeiaux. Elle a une apparence strice resultant de ce quelle est traversee par des minces filaments parallöles qui semblent n’&tre que le prolonge- ‚ment des bätonnets de la surface et qui s’enfoncent plus ou moins profondement dans linterieur du corps cellulaire*. Nach meimen Untersuchungen kann ich ein bestimmtes Urtheil nicht fällen. Oefters habe ich an Hundenieren, an den die Heidenhain’schen Stäbehen am deutlichsten ausgeprägt sind resp. ich in Reihen liegen- de Körnchen verbunden durch Protoplasmafäden am genauesten beobachten konnte, die Protoplasmafäden in die Bürstenhärchen übergehen sehen. Zur allgemeinen Thatsache möchte ich aber die Befunde noch nicht erheben. Bei der Beurtheilung dieser feinsten Gebilde mit sehr starken Vergrösserungen, kann man doch mancher Täuschung anheimfallen. Vielleicht vermögen andere Forscher, wenn sie ihre Aufmerksamkeit auf die neuere Ansicht der Heidenhain’schen Stäbchen lenken, mit zu Hülfe- nahme noch besserer mikroskopischer Technik einen Zusammen- hang der Stäbehen mit den Härchen zu bestätigen. Dass bei Amphibien Stäbehenkanäle ohne Bürstenbesätze und hohe gekörnte Epithelzellen mit diesen Härchen vorkommen, wird kaum den Rückschluss gestatten dürfen, wie es seiner Zeit Tornier (43) that, dass die Heidenhain’schen Stäbchen und die Bürsten- besätze, wo sie an Säugethiernieren zusammen vorkommen, in keiner gegenseitigen Beziehung stehen. Funktionelle Bedeutung des Bürstenbesatzes. | Von den bisherigen Untersuchern der Nierenepithelien wurde ausser von Lorenz (26) und Nicolas (32) der Bürstenbesatz nicht als ständiger histologischer Bestandtheil der Zellen angetroffen. Neue Unters. üb. d. Nierenepithel u. sein Verh. bei d. Harnabsonder. 141 Daher kam es, dass fast jeder über die Funktion dieses Gebildes eine abweichende Ansicht ausspricht. Histologen urd Physiologen erklärten den ‚Bürstenbesatz als normal und brachten ihn in Be- ziehung mit der Sekretion. Forscher auf dem Gebiete der pathologischen Anatomie waren allzusehr geneigt, ihn als eine bei Nierenerkrankungen auftretende Erscheinung hinzustellen. So sind Lebedeff (23), Marchand (28), Langhans (22) und Werner (44) schr im Zweifel, ob der von ihnen nur stellenweise beobachtete, gestrichelte Saum normal oder patho- logisch ist. Als direkt krankhaft bezeichnet ihn Oertel (35). Seiner Anschauung wird aber von allen widersprochen. Oer- tel (35) konnte erst 10 Stunden nach dem Tode die Nieren diphtheritisch Erkrankter untersuchen und hierzu benutzte er noch ein sehr unzureichendes Fixationsmittel, den abs. Alcohol. Es wird so kaum zu verwundern sein, dass seine Nierensehnitte nicht mehr normal aussehen. Von denjenigen Forschern, welehe die Frage nach einer funktionellen Bedeutung des Bürstenbesatzes erwähnen, erklärte Nussbaum (45) die Härchen für vergängliche Gebilde; nur während der Sekretion seien sie vorhanden. Klein (15) und Renson (36) wollen die Härchen in flimmernder Bewegung ge- sehen haben. Tornier (43) war der Ansicht, dass das ver- schiedene Verhalten ‘der Besätze auf funktionelle Veränderlich- keit hinweise. Durch Unterdrückung der Harnsekretion wollte er die Bürsten zum Verschwinden bringen, da nach seiner Mei- nung die Härchen während der Sekretion aus dem Zellleibe vor- gestreckt würden. Einige Gifte wie chlorsaures Kali, glaubt Tornier (45), regten die Epithelien besonders an, ihre Bürsten- haare weit vorzustreecken. W. Kruse (20) sehreibt der obersten Schieht der Epithelien die Fähigkeit zu, sich physiologiseher Weise im Härchen umzubilden. Lorenz (26), dem das Verdienst gehört, als erster den Bürstenbesatz als ständigen Befund der normalen Zellen beobachtet zu haben, schreibt ihm keine Be- deutung für die Funktion der Zelle zu. Er erklärt ihn vielmehr analog der Frenzel’schen Auffassung (5, 6) als ein Schutzgebilde der Zellauskleidung. Bei seinem Fehlen trete in der weitaus überwiegendsten Anzahl der Fälle Eiweiss im Harn auf. Dieser Ansicht von Lorenz (26) stimmen Omer van der Stricht (42) und Nicolas (32) bei. In dieser Auffassung ist aber sicherlich 142 H. Sauer: Nicolas zu weit gegangen, wenn er bei seinen Untersuchungen an embryonalen Nieren, wo ein Bürstenbesatz fehlte, mit den Worten erklärt: „L’embryon des Mammiferes se trouve done par son rein dans les m&mes conditions qu’une adulte atteint de nephrite*, und hierauf den Eiweissgehalt der Amnionflüssigkeit zurückführt. Die neuesten Untersuchungen von Nagel (29, 30) und seine Zusammenstellung der diesbezüglichen Litteratur er- gaben keine positiven Beweise, woher der Eiweissgehalt des Fruchtwassers stammt. Das stellenweise Fehlen des Bürsten- besatzes in den Präparaten von Nicolas (32) möchte ich eher einer nicht ausreichenden Fixation zuschreiben. Ein ungenügen- der Erhaltungszustand in seinen Nierenschnitten hat auch Disse (3) zu einer irrthümlichen Ansicht über den Bürstenbesatz geführt. Weil er ihn nur an den sekretleeren Zellen (Fig. 1 s. Arb.) be- obachtet hat, bei der Sekretion aber nicht, so erklärt er sich das Verschwinden desselben auf eine rein mechanische Weise durch die intrazellulare Spannung bei der Anfüllung der Zellen mit Sekret. Durch meine Thierversuche war ich besonders in der Lage, der funktionellen Bedeutung des Bürstenbesatzes Aufmerksamkeit zu schenken. Meine Beobachtungen gehen dahin, dass er nor- maler Weise immer vorhanden und den Phasen der Sekretion nicht unterworfen ist. Er ist keine intermittirende Erscheinung, sondern ein histologischer Bestandtheil der Zelle. Aus diesem Grunde kann ich keine andere Vermuthung über ihn aussprechen, als dass er als Theil der Zelle an der Gesammtleistung der Zellen der gewundenen Kanälchen, an der Ausscheidung der harnfähigen Stoffe betheiligt sein wird. Unsere heutige Physik ist leider noch zu weit entfernt, für diese zarten Schöpfungen der Natur die erwünschte Aufklärung zu ertheilen. Den Bürsten- besatz als besonderes Schutzgebilde aufzufassen ist vor der Hand nicht nothwendig, denn wenn bei seinem Fehlen im Harn Ei- weiss auftritt, so liegt eben der Grund darin, dass die normale Zelle eines ihrer Theile beraubt ist, und bei Nierenerkrankungen wird eine Schädigung der Epithelien an denjenigen Stellen am ehesten eintreten, wo der Widerstand am geringsten ist d. h. wo die Zellen mit ihren äussersten Gliedern, den Bürstenbesätzen frei in das Lumen ragen. Neue Unters. üb. d. Nierenepithel u. sein Verh. bei d. Harnabsonder. 143 Schluss. Durch meine Versuche ist die Thatsache festgestellt wor- den, dass Veränderungen an den Epithelien der gewundenen Kanälchen während der Harnabsonderung nur an dem Lumen derselben beobachtet worden sind. Ob aber diese Veränderungen rein mechanisch zu erklären sind, oder durch eine eigene Thätig- keit der Epithelzellen bedingt werden, darüber kann ich mit Sieherheit kein Urtheil abgeben. Eine diesbezügliche Erklärung würde sich nur in Hypothesen bewegen. Hoffentlich gelingt es bei erneuten Untersuchungen, die sekretorischen Verschiedenheiten der Nierenepithelien klar zu begründen. Meine Aufgabe war es zunächst, die Untersuchungen von Disse an Thierversuchen zu prüfen und daraufhin richtig zu stellen. Beim Scehlusse meiner Arbeit empfinde ich die angenehme Pflicht, Herrn Geheimrath Heidenhain meinen ergebensten Dank für die Anregung zur Arbeit und für gütige Ueberlassung des Materiales auszusprechen, ebenso bin ich Herrn Dr. Krause für bereitwilligste Unterstützung bei den Thierversuchen zu grossem Danke verpflichtet. Literatur- Verzeiehniss. 1. Altmann, Die Elementarorganismen und ihre Beziehung zu den Zellen. Leipzig 1890. 2. Cornil, Nouvelles observations histologiques sur l’&tat des cellules du rein. Journal de l’Anatomie et de la Physiologie par Robin et Pouchet. Tome XV. 1879. p. 402. 3. Disse, Ueber die Veränderungen der Nierenepithelien bei der Sekretion. Anatomische Hefte. 1. Abtheilung, Heft V. 4. Fischer, A., Zur Kritik der Fixirungsmethoden und der Granula. Anatomischer Anzeiger 1894, Bd. IX. Nr. 22. p. 678. 5. Frenzel, J., Ueber die Mitteldarmdrüse (Leber) der Mollusken. Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. XXV. 1885 p. 48. 6. Frenzel, J., Zum feineren Bau des Wimperapparates. Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. XXVIII. 1886 p. 59. 7. van Gehuchten, Recherches histologiques de la Ptychoptera contaminata. La Cellule T. VI. 1890. 8. Derselbe, Le m&canisme de la s&er&tion. Anatomischer An- zeiger 1891. Bd. VI. p. 12. 144 9. 10 11. 12. 13. 14. 15. 22. 23. H. Sauer: Gibbes, Henerage, Ciliated Epithelium in the Kidney. Quaterly Journal of mikroskopical Science, 1884 p. 191. 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Fixation: Alkohol-Chloroform-Eisessig Apochromat Zeiss 2 mm und Oecular 6. Hund, Querschnitt eines gewundenen Rindenkanälchens. Lumen sternförmig und eng, Zustand der Anurie. Fixation: Alkohol- Chloroform-Eisessig, Apochromat Zeiss 2 mm und Ocular 6. Hund, Querschnitt eines gewundenen Rindenkanälchens. Er- weiterung des Lumens und Abflachung der Zellen bei beginnen- der Sekretion. Fixation: Alkohol-Chloroform-Eisessig, Apo- chromat Zeiss 2 mm und Ocular 6. Hund, Querschnitt eines gewundenen Rindenkanälchens. Starke Sekretion, weites Lumen. Einzelne Zellen der Epithelaus- kleidung sind noch etwas vorgewölbt. Fixation: Alkohol- Chloroform-Eisessig, Apochromat Zeiss 2 mm und Ocular 6. Hund, Querschnitt eines gewundenen Rindenkanälchens. Se- kretion maximal gesteigert. Epithelauskleidung niedrig, Lumen sehr weit. Fixation: Alkohol-Chloroform-Eisessig. Apochromat Zeiss 2 mm und Oecular 6. Ratte, Querschnitt eines gewundenen Rindenkanälchens. Zell- grenzen vorhanden, Sekretion gering. Fixation: P£rinyi’sche Flüssigkeit, Apochromat Zeiss 2 mm und Oecular 6. Kaninchen, Querschnitt eines gewundenen Rindenkanälchens, geringe Sekretion. Zellgrenzen wahrnehmbar. Fixation: Al- kohol-Chloroform-Eisessig, Apochromat Zeiss 2 mm und Ocular 6. Hund, Schnitt durch ein Sammelrohr. Dunkler gefärbte, schwach gekörnte Zelleinlagerungen (e). Fixation: Alkohol-Chloroform- Eisessig, Apochromat Zeiss 2 mm und Oeular 4. Frosch, Querschnitt eines Kanälchens aus der zweiten Abthei- lung. Kunstprodukte: eiweisshaltige Tropfen ragen bei zer- rissenem Bürstensaume aus der Epithelauskleidung ins Lumen vor, andere haben bereits den Zusammenhang mit der Zelle verloren und führen Protoplasmareste mit sich. Diese Kunst- produkte waren durch ein Uebermaass von harntreibenden Mitteln entstanden. Fixation: Alkohol-Salpetersäure. Apo- chromat Zeiss 2 mm und Ocular 4. 147 Zellenstudien. Von Dr. Georg Niessing, in Heiligenhaus bei Düsseldorf. Hierzu Tafel V. I. Bei meinen Unlerinokonsen wurde von mir verschiedenes Material verwendet, weil eins allein nicht zu genügen schien, um die hier in Betracht kommenden Verhältnisse aufzuklären. Ich benutzte Leber und Milz vom gefleckten Erdsalamander und menschliche Embryoleber. Zu einem besonderen Studium habe ich auch das rothe Knochenmark vom Kaninchen gemacht um die nöthige Sicherheit in der Färbung mit Bordeaux-Eisenhäma- toxylin zu erlangen. Ich habe mich dabei bemüht, dieses Material ebenso herzurichten wie es M. Heidenhain gethan hat. Es wurde erwachsenen Kaninchen Blut entzogen und eine Trans- fusion gemacht; nach einigen Tagen war alles Knochenmark roth. Dieses Knochenmark sowohl wie auch das übrige Material wurde auf verschiedene Weise fixirt und zwar mit den bekannten Flemming’schen Gemischen, mit wässrigem Sublimat, mit Her- mann’schem Gemisch, und zwei anderen von mir versuchten Gemischen!). Als genügend erwiesen sich nur Sublimat und meine Gemische. Das Sublimat hat den Vorzug, dass die Färbungen nach dessen Anwendung gut gelingen. Die beiden von mir seit längerer Zeit versuchten Gemische machen oft eine Färbung überflüssig, sie fixiren feine Theile bedeutend besser als Sublimat 1) 1. Platinchlorid 10%, Lösung 25 Theile Osmium 20,, i 20 5 Eisessig 05 @ Ag. destill. 50 „ 100 Theile. II. Platinchlorid 10°/, Lösung 25 Theile Osmium 20/, e 20 R. Eisessig 05 = Sublimat, concentrirte wässt.Lösung 50 4 100 Theile. 148 Georg Niessing: und ermöglichen recht gute Färbungen, namentlich mit Bordeaux- Eisenhämatoxylin. Die Färbungen wurden hauptsächlich mit Bordeaux-Eisen- hämatoxylin ausgeführt. Es ist wohl nicht unbedingt nöthig, dass man erst Färbestudien am rothen Knochenmark des Kanin- chens treibt, ehe man die genannte Färbung sonst verwendet, allein ich habe es gethan, um sie auch nach anderen Fixi- rungsmitteln mit Sicherheit anwenden und gegebenen Falls die Art und Weise abändern zu können. Für den letzteren Zweck aber musste ich jene Färbung am rothen Knochenmark genau kennen und so war ich auch nicht eher zufrieden, als bis ich alle jene Funde gemacht hatte, welche M. Heidenhain!) bei den Lymphocyten und Riesenzellen geschildert hat. Die Safranin-Orangefärbung nach Flemming und Reinke habe ich gleichfalls verwendet sowie die Hermann’sche Fixirung mit nachfolgendem Holzessig. Die Färbungen mit Bordeaux-Eisenhämatoxylin, welche ich der Kürze wegen mit BEH bezeichnen werde, ergeben bei weitem die besten und sichersten Resultate bei den Differenzirungen der Centralkörper und Astrosphären. Die Reinke’schen Färbungen sind sehr werthvoll und oft nicht zu umgehen, lassen aber keinen Vergleich mit BEH zu. Im Uebrigen wurden die Präparate auf die übliche Weise behandelt. Es wurden Schnitte von 2—3 Mikra Dicke herge- stellt und gefärbt. Als Farben und Reagentien wurden nur reinste Fabrikate aus unsern besten Fabriken verwendet. Die Zeichnungen habe ich mit Hülfe eines Abbe’schen Apparates ausgeführt und zwar in jeder Beziehung möglichst getreu dem Original. Die Zelle muss für die Betrachtungen ihrer eigenen Orga- nisation und ihrer Lebensvorgänge als ein Individuum angesehen werden. Sie ist zwar oft fest mit ihren Nachbarn verbun- den, ihr innerer Organismus aber ist von ihnen getrennt und abgeschlossen, und sie bewahrt ihre Persönlichkeit so lange 1) Dr. Martin Heidenhain: Neue Untersuchungen über die Centralkörper und ihre Beziehungen zum Kern und Zellenprotoplasma. Dieses Archiv B. 43. 1894. Zellenstudien. 149 sie lebt. Möglich wird dies dadurch, dass die Zelle eine äussere feste Grenzschicht besitzt. Es mag wohl eine Anzahl Fälle geben, welche es wahr- scheinlich machen, dass die Zellgrenze nicht von einer Hautschicht gebildet werde. Reinke!) spricht dies direkt aus, er fasst die Leucoeyten als nacktes Mark auf. Diese Ansicht kann ich nicht theilen. Es ist wohl nieht nöthig, hier an die ungezählten posi- tiven Funde bei den verschiedensten Zellarten zu erinnern, es sprechen auch alle theoretischen Erwägungen dafür. Man muss zur Erklärung gewisser Vorgänge in der Zelle eine besondere Grenzschiceht annehmen, auch wenn man sie nie gefunden hätte. Es ist einleuchtend, dass die Zelle als Indivi- duum nicht anzusprechen wäre und auch nicht bestehen könnte, wenn sie nicht eine solche Hautschicht besässe. Dies ist ein Erforderniss ebenso für feinere chemische und physikalische als auch für gröbere mechanische Angriffe, denen sie ausgesetzt ist. Der Aggregatzustand der Zelle wird durch einen gewissen Koch- salzgehalt des umgebenden Mediums und der Zelle selbst auf- recht erhalten (etwa 0,6°/,). Vergrössert sich der Kochsalzge- halt des umgebenden Mediums, so schrumpft die Zelle, verringert er sich, so quillt sie in einem gewissen Maasse. Die Grenz- schicht dient nun offenbar auch dazu, den Einfluss solcher An- griffe, welche ein wechselnder Kochsalzgehalt der sie umgeben- den Stoffe hervorbringt, abzuschwächen und auszugleichen, ohne dass die Lebensfähigkeit der Zelle gefährdet wird. Als grobes Beispiel führe ich subeutane Einspritzungen von reinem Wasser an. Denkt man aber auch an grobe mechanische Angriffe auf die Zelle, welche im Körper selbst vorkommen bei der Bewegung der Gliedmassen ete., so ist ersichtlich, dass man sich nicht vorstellen könnte, wie ein Klümpchen Substanz von der Festigkeit des Schleims im Stande wäre, dem Druck und Stoss solchen Wider- stand zu leisten, wenn man nicht annimmt, dass dieses Klümp- chen eine Art Hülle in der Gestalt einer Grenzschicht des Proto- plasmas besässe, welche sehr elastisch ist, so dass sie ähnlich einem Gummiball immer wieder einer kugligen Form zustrebt. Es mag nun wohl Zellen geben, bei denen diese Zellgrenz- schicht sehr zart ist, weil sie einem schnellen Wachsthum unter- liegen und auch vor jeglichen Angriffen sehr geschützt sind wie 1) Reinke, Zellstudien. Dieses Archiv B. 43. 150 Georg Niessing: _ die Lymphoeyten des Knochenmarks, aber auch bei diesen ist man durch verschiedene in den folgenden Auseinandersetzungen liegende Gründe gezwungen eine Grenzschicht anzunehmen, wie man ja auch eine solche thatsächlich durch Fixirungs- und Färbungs- mittel darstellen kann. Man gewinnt auch die Ueberzeugung von der Existenz einer Grenzschicht, wenn man sich den Vorgang der Zellver- mehrung durch Theilung vergegenwärtigt. Hier findet am Schluss der Theilung stets die Bildung einer Trennungsfläche zwischen den beiden neuen Individuen statt und zwar vom Umfang d. h. der Zellgrenze aus nach der Mitte zu. Ob nun diese Grenzfläche eine doppelte ist oder als einfache gemeinsame Scheidewand besteht und bestehen bleibt, das fällt hier nicht ms Gewicht. Ist es nun sicher, dass die Zelle durch ihre Grenzschicht im Stande ist, die verschiedensten Angriffe auszuhalten, ohne den geringsten Schaden zu nehmen, so ist aber auch ebenso sicher, dass eine Verletzung dieser schützenden Hülle zum Tode der Zelle führt. Ich komme also zum Schluss. Die lebenden Zellen sind mit einer besondern Grenzschicht umgeben, und wir haben stets mit der Existenz derselben zu rechnen. Ueber ihre Struktur will ich anderen Orts Beobachtungen vorführen. Nunmehr gehe ich zur Beschreibung der Zellorgane, soweit sie im Protoplasma ihre Lage haben, über. In den ruhenden Leber- und Milzzellen finde ich gewöhn- lich zwei Centralkörper, manchmal auch drei, Fig. 1, welche aber meistens so dicht zusammenliegen, dass sie sich zu be- rühren scheinen. Oft ist auch nur ein feines Körperchen sicht- bar, in welchem Falle dann anzunehmen wäre, dass wirklich nur ein Centralkörper vorhanden ist, oder dass die Centralkörper so gruppirt sind, dass sie für die mikroskopische Betrachtung von einer Seite als ein einziges erscheinen. Die Anwesenheit nur eines Centralkörpers würde mit andern bekannten Thatsachen nicht im Widerspruch stehen, denn es lässt sich sehr wohl denken, dass nach einer Zelltheilung, bei der an jedem Pol nur ein Körperchen vorhanden war, dies noch eine Zeit lang in der Jungen Zelle als einziges bestehen bleibt, und dass erst später beim Wachsthum der Zelle eine Vermehrung eintritt. Zellenstudien. 151 Die Gestalt der Centralkörper ist rund, ihre Grösse ver- schieden oft auch in derselben Gruppe. Besteht die Gruppe aus mehr als zwei Körpern, so sind sie regelmässig nicht gleich gross. Sie grenzen sich nicht immer scharf gegen ihre Um- gebung ab. Dies ist erklärlieh und hat seinen Grund in der Strahlung, die von ihnen ausgeht. M. Heidenhain hat zwischen den Centrosomen eine gefärbte Zwischensubstanz gefunden und sie primäre Centrodes- mose genannt. Er behauptet — ohne einen Beweis dafür zu bringen —, dass aus ihr die spätere Centralspindel bei der Theilung entstehe. Er sagt, diese Centrodesmose bilde bei Ueberfärbung zusammen mit den Centralkörpern einen schwarzen Fleck, die Verklumpungsfigur und verliere -bei stärkerer Farbentziehung all- mählich die Farbe, während die Centralkörper sie behalten. Dies kann ich nicht bestätigen. Ich habe wohl gefunden, dass die ganze Astrosphäre schwarz gefärbt bleiben kann, während der Kern keine Eisenfarbe mehr hat, aber eine Centrodesmose habe ich nicht gefun- den. Diese angebliche Centrodesmose soll sich nach Heidenhain dadurch bilden, dass nach einer Neubildung eines Centrosomen dureh Knospung aus einem alten sich Substanz aus beiden Körpern ausspinne. (Heidenhain zeichnet diese Desmosen nebst Knos- pungen stark vergrössert, 6000fach!, etwa 4mal so gross als er sie geschen hat, ohne zu bemerken, dass dies Schematisirungen sind, denn eine solche Vergrösserung liefern Zeiss’sche Linsen und Zeichenapparat nicht; dadurch wird unser Urtheil über diese von ihm beschriebenen Verhältnisse sehr getrübt.) Dies alles ist schwer erklärlich oder annehmbar. Eine Knospung aus den Be- funden beweisen zu wollen ist doch etwas gewagt. Zieht man die absolute Kleinheit der Verhältnisse in Betracht, so muss man gestehen, dass es doch stets Zweifeln begegnen wird, wenn derartige Beobachtungen vorgeführt werden, wie die Knospung der Centrosomen. Dass es Centrosomen verschiedener Grössen in einer Gruppe und in wechselnder Entfernung zu einander giebt, das ist oft wahrzunehmen. Liegen nun zwei verschieden grosse Central- körper dieht an einander, so braucht dies doch noch keine Knos- pung zu sein. Sie könnten ja auch ein wenig über einander liegen und sich theilweise decken. Man kann sich. leicht über- zeugen, dass hier auch die besten Mikrometerschrauben nicht 152 Georg Niessing: ausreichen, um so minimale Abweichungen mit Sicherheit fest- _ stellen zu können. Soll aber die Knospung mit nachfolgender Desmose zu Recht bestehen, so muss diese doch so zur Beob- achtung kommen, wie sie nach Heidenhain entstanden ist, also eine Desmose erst zwischen Centralkörper I und II und dann eine zwischen I und III oder II und III. Man müsste also stets einen Winkel sehen, an dessen Spitze und an dessen Schenkel- enden Oentralkörper liegen, während die Schenkel die Desmosen bilden. Heidenhain zeichnet aber Dreiecke, also allen dreien gemeinschaftliche Desmosen. Das stimmt nicht. Heidenhains Satz „omnis centrosoma e centrosomate* ist demnach durch seine Beobachtungen weder bewiesen, noch annehmbar, noch auch formell richtig, denn er müsste heissen: omne centrosoma e centrosomate. ' Auch Reinke (l. e.) glaubt an die Knospung der Central- körper nicht. Es bereitet auch diese Annahme der Knospung in der That Schwierigkeiten bei der Erklärung, in welcher Weise ein Theil der Fibrillen sich an die junge Centrosomenknospe an- heften soll. Dieser Vorgang ist viel leichter zu verstehen, wenn man von der Annahme ausgeht, dass die Centralkörper sich durch eine einfache Theilung vermehren, nur kann man dann schwerlich in den Centralkörpern solide Körper erblicken wie Heidenhain sie definirt. Man wird unwillkürlich dahin ge- führt, sie als Körperchen zu betrachten, welche aus einer grossen Anzahl feinster Körnehen bestehen, welche unter sich und mit den Ursprüngen der Fibrillen durch ein enges Netz verbunden zu denken sind. Bei der Theilung würde dann die Hälfte oder ein Theil der Körnchen sich absondern und dieses Netzwerk einen gewissen Theil der Fibrillen mit herüber nehmen in die beiden Hälften. Dies wäre eine Art der Centrosomen Vermeh- rung, welche theoretisch wenigstens denkbar ist. Ich will aber später Beobachtungen vorführen, welche wohl im Stande sind, diese Annahme zu stützen, so dass sie nicht einfach aus der Luft gegriffen erscheint. Reinke ist durch seine Untersuchungen zu ähnlichen Schlüssen gelangt, doch meine ich, dass seine An- schauung eine etwas andre ist. Er nimmt an, dass kleine Körper- chen in den Fibrillensträngen und im Netzwerk des Protoplasmas zerstreut angeordnet sind — dies lässt sich auch leicht fest- stellen — und mechanische Centren bilden, dass dann ferner aus Zellenstudien. 153 engerer Gruppirung dieser Centren Centralkörper zweiter Ordnung entstehen können und ebenso aus weiterem Zusammenschluss echte Centrosomen. Er behauptet ferner, dass in den mechanischen Centren (Centralkörpern III. Ordnung) potentiell überall Centralkörper I. Ordnung vorhanden seien und dass mithin jederzeit an irgend einer Stelle im Protoplasma durch engere Gruppirung echte Cen- tralkörper entstehen können. Der Meinung bin ich nicht, wenn ich auch die mechanischen Centren an den Fibrillensträngen gern anerkenne und an andrer Stelle an einem geeigneteren Objecte vorführen werde. Die Entstehung der Centralkörper beziehungsweise die Art ihrer Vermehrung ist also noch nicht aufgeklärt und wird auch schwerlich am fixirten Objeet zu beobachten sein. Die Centralkörper liegen gewöhnlich in der Nähe des Kerns, oft in einer Kernbucht. Sie haben auf der einen Seite den Kern, auf der andern eine grössere Protoplasmamasse. Beziehungen zum Kern sind in der Zellenruhe an Leber und Milzzellen nicht nachweisbar aber doch wahrschemlich (Fig. 1). Ihre Lage be- stimmt sich dadurch, dass sie der Ausgangspunkt für eine Proto- plasmafaserstrahlung sind (Fig. 2). Diese Fasern oder Fibrillen des Protoplasmas sind an den Centralkörpern befestigt, wenigstens muss man dies aus ihrer Thätigkeit und späteren Betheiligung an den Vorgängen der Mitose schliessen, und gehen von diesen nach allen Richtungen in das Protoplasma; oft kann man sie bis zur Zellgrenze ver- folgen. Fig. 2, 3, 4. Gefärbt sehen sie aus wie feinste schwarze Linien, manch- mal gekrümmt oder wellig. Fig. 3. Es zeigt sich aber, dass sie meistens mit sichtbaren Körnchen besetzt sind, so zwar, dass die Körnchen Verdiekungen der Linien bilden (Fig. 2) oder, dass sie ihnen seitlich ansitzen. Fig. 3, 4. Es ist wohl möglich, dass die seitlich ansitzenden Körnchen eine Contraetion der Fibrillen vermitteln und die in den Fibrillen liegenden die Con- traction selbst ausführen, allein einer solchen Anschauung stehen noch Widersprüche entgegen. Ich finde die Körnchen beider Gattungen, die hier oft schwer zu scheiden sind, bei Zellenruhe nicht stets in einer bestimmten Anordnung, etwa so wie sie von andern beschrieben ist, welche einen direkten Vergleich mit 154 Georg Niessing: einer quer gestreiften Muskelfaser zulässt. Doch haben die Fasern derselben Zelle in etwa gleichem Abstande von den Central- körpern eine stärkere Verdiekung, so dass diese Körnchen, wenn der Centralkörper nicht nahe am Kern, sondern frei im Proto- plasma liegt in einer Kugelfläche um die Centralkörper ange- ordnet sind und so das von v. Beneden geschilderte Körner- stratum darstellen. Fig. 4, 5, 6. Dass es thatsächlich eine Kugelfläche ist, davon kann man sich durch verschiedene Ein- stellung der Linse überzeugen. Die Grösse sowohl wie die Zahl der Körner des stratums schwankt sehr von den feinsten Pünkt- chen bis zu einer Grösse, welche den Centralkörpern nahe kommt, und zwar so, dass je kleiner die Kugelfläche ist, desto grösser die Körner sind und desto geringer ihre Zahl. Ist die Central- körpergruppe nahe am Kern gelegen, so erscheint der Theil der Kugelfläche, welchen der Kern einnimmt, wie ausgeschnitten, er fehlt. Fig. 6. M. Heidenhain behauptet, dass das Körner- stratum dadurch entstehe, dass mehrere Mikrosomen derselben Fibrille durch Contraetion so nahe an einander zu liegen kom- men, dass sie zu einem Körper verschmelzen. Hier ist zu ent- gegnen, dass zur Bildung soleher Körper ein ganz beträchtliches Stück der Faser nöthig wäre, ferner dass die Contraetilität der Fibrillen überhaupt sehr fraglich und noch nicht erwiesen ist. Es macht keine Schwierigkeiten, die Chromatinbewegung bei der Theilung sowie andere Effecete zu erklären, ohne eine Contracti- lität der Fibrillen anzunehmen. Es ist ferner kein Grund auf- findbar, warum gerade an dieser Stelle rings um die Central- körper eine stärkere Contraetion der Fibrillen stattfinden sollte. Auch die Annahme, dass benachbarte Körner nebst ihren inner- halb des stratums liegenden Fibrillen mit einander verschmelzen, hat wenig stützende Momente für sich, vielmehr müsste man dann in den Schnitten Kreise finden statt der regelmässig ge- lagerten Körner. Diese Dinge liegen jedesfalls nicht so einfach und harren noch weiterer Aufklärung. Ob die Fibrillen in ihrer ganzen Länge unverästelt sind, ist aus dem vorliegenden Objeet nicht zu entscheiden, an andern Objecten findet man Verästelungen und an diesen Stellen gröbere Körnchen befestigt. Nicht alle Fibrillen kann man bis an die Zellgrenze verfolgen (Fig. 7), und aus Gründen, welche ich später entwickeln werde, behaupte ich auch, dass nicht alle Zellenstudien. 155 Fibrillen bis an die Zellgrenze laufen, beziehungsweise an der Grenzschicht befestigt sind, sondern dass ein grosser Theil ent- weder mit der Kernhaut in Verbindung steht oder frei im Proto- plasma endigt. Die Zahl der Fibrillen ist, wenigstens bei Leber- und Milz- zellen, nicht annähernd zu schätzen, die Körnerzahl des stratums giebt dafür natürlicherweise keinen Anhalt. Eine Neubildung von Fibrillen kann wohl schwerlich zur Beobachtung kommen, man muss sie aber voraussetzen. Es wer- den nämlich eine grosse Anzahl von Fibrillen bei der Zelltheilung zu gewissen Zweeken derartig verbraucht, dass bei der nächsten Theilung nothwendig zur Erreichung derselben Zweeke neue Fibrillen gebildet werden müssen. Es werden die Fibrillen, welche die Centralkörper mit den Chromosomen verbinden, gegen das Ende der Theilung immer kürzer und schliesslich, bei Bil- dung der Tochtersterne ete., auf ein geringstes Maass ihrer Länge eingeschränkt. Ebenso werden die Fasern, welche der Gentral- spindel angehören, am Ende der Theilung so verändert, dadurch dass sie in der Mitte durch die neue Zellgrenze halbirt werden und am andern Ende durch die Dazwischenlagerung des Chromatins und dann des neuen Kerns, durch dessen Mitte sie ja vorher liefen, von dem Centralkörper vollständig abgeschnitten werden,. dass sie jedesfalls, wenn auch nicht zu Grunde gehen, so doch sicher nicht mehr ihren früheren Zwecken dienen können, näm- lieh eine Verbindung ete. zwischen zwei Centralkörpern zu bilden. Sobald nun eine neue Theilung beginnen will oder auch schon früher, müssen andere Fasern entweder durch Längenwachsthum oder durch Längsspaltung aus den alten, oder indem beides statt- findet, neu gebildet werden, welche bei der neuen Spindel die Rolle übernehmen, die beiden Pole zu verbinden. Es müssen aber auch die neuen sogenannten Zugfasern in doppelter Zahl im Vergleich zu den alten gebildet werden. Ich komme hierbei nothwendig auf eine alte Frage zu sprechen, welche noch immer der Lösung harrt, wie stellt sich die Verbindung der Central- körper mit den Chromosomen bei der Theilung her, nachdem vorher die Kernmembran beide Theile vollständig getrennt zu haben scheint. Die Antwort, wie dies thatsächlich geschieht, ist jedesfalls nicht leicht und einfach zu geben und ich habe in der Litteratur nirgends bis jetzt eine auch nur einigermaassen be- 156 Georg Niessing: friedigende Lösung derselben gefunden, wenigstens eine solche, die durch Vorführung von Beweisen eine besondere Würdigung verdient. (Die Hermann’sche Darstellung, wonach sich zu- nächst eine Centralspindel bildet und darnach erst von jedem Polkörper eine Emanation von Fibrillen nach den Chromosomen stattfindet, ist sicher falsch. Denn es lässt sich an demselben Objeet — Salamanderhoden — zeigen, dass beide Centrosomen Verbindungen mit allen Chromosomen haben noch ehe eine Cen- tralspindel sichtbar ist. Hermann hat zerschnittene Zellen vor sich gehabt.) Ich will hier nicht auf Einzelheiten eingehen, diese Sache soll an andrer Stelle eine eingehende Erörterung er- fahren, hier will ich nur für den vorliegenden Zweck bemerken, dass man doch immerhin im Stande ist, den Vorgang theoretisch sehr einfach und vollständig zu erklären. Am Ende der Theilung haben wir nämlich eine Verbindung des Centralkörpers mit allen Chromosomen an einem Pol. Es ist nun sehr wahrscheinlich, dass diese Verbindungen, die einmal bestanden haben, nicht wieder gelöst werden. Man kann sich leicht vorstellen, dass bei der Rückkehr der Zelle zur vollsten Ruhe doch diese alten Leitungen vom Üentralkörper nach den Chromosomen erhalten bleiben, wenn sie auch nicht als gerade Linien erscheinen, sondern in der Kern- ‚haut und den Lininsträngen des Kerms gewunden verlaufen. (M. Heidenhain bestreitet jede Verbindung der Centrosomen mit dem Kern in der Ruhe, er scheint sich also Hermann an- zuschliessen). Bei einer neuen Theilung wird diese alte Leitung sofort in Thätigkeit gesetzt, aber nun entsteht folgendes Ver- hältniss. Es war bisher eine Faser zwischen, einem Chromosomen und einem Centralkörper ausgespannt; es werden aber jetzt aus einem Centralkörper zwei, vielleicht durch einfache Theilung des alten, und aus einem Chromosom durch Längsspaltung zwei. Anstatt der einen früheren Verbindungsfaser müssen also zwei entstehen, nämlich von jedem Centrosom an je eins der beiden Chromosomen, also wo früher eine Faser nach meiner Annahme bestanden hat, müssen zwei entstehen. Hier ist also eine Neu- bildung von Fibrillen erforderlich, selbst dann, wenn man die unbewiesene Annahme macht, dass die Zugfasern oder Leitfasern der alten Zelle in der Tochterselle als solche bestehen bleiben. M. Heidenhain hat neuerdings den Satz aufgestellt, dass alle centrirten Fibrillen, womit die an den Centralkörpern ent- Zellenstudien. 157 springenden gemeint sind, mit dem andern Ende an der Zell- grenzschicht befestigt sind und er leitet daraus weiter her, dass den Fibrillen einer Zelle stets eme bestimmte Spannung und jeder die gleiche Anzahl Mikrosomen eigen sei, durch welche die Lage der Centralkörper sowohl als die des Kerns bestimmt würde. Er denkt sich den Kern hineingeschoben zwischen die centrirten Fibrillen, welche ihm dadureh Platz geben, dass sie stark ausgebogen und gedehnt werden. Hierzu muss ich zunächst feststellen, dass mir bis jetzt kein emziger Befund vorgekommen ist, bei dem die eentrirten Fasern sichtbar um den Kern herum biegen. Heidenhain sucht aber mit seiner Anschauung die Thatsache zu erklären, dass der Kern bei den Lymphoeyten oft eine nierenförmige bis hufeisenförmige und überhaupt eine poly- morphe Gestalt annimmt, indem er sagt, es könne aus irgend einem Grunde ein Theil der Fibrillen, welche um den Kern laufen, die Oberhand in der Spannung gewinnen und dann den Kern von zwei Seiten so drücken, dass er senkrecht zu diesem Drucke ausweiche und eine elipsoide Gestalt annehme. Ich halte diese Erklärung für nicht möglich, auch wenn man gelten lassen will, dass keine der Fibrillen am Kern inserirt, weil sie an inneren Widersprüchen leidet. Stellt man sich einen runden Kern vor, welcher zwischen die ceentrirten Fibrillen hineingeschoben wäre, und es geriethe — ganz willkürlich — eine Anzahl sich gegen- über liegender Fibrillen in Contraction, so würde der Kern, indem er durch den Druck eine elipsoide Form annähme, die Fibrillen, welehe um die spitzeren Enden des Kerns ziehen, stark ausbiegen und dehnen müssen. Bei Kernen, welche annähernd ringförmig geworden sind, müsste diese Dehnung der Fibrillen eine ganz bedeutende sein. Je stärker die Fibrillen gedehnt werden, desto stärker muss nun auch ihr Widerstand sein. Dieser Widerstand ist aber nach dem Heidenhain schen Spannungsgesetz von vornherein gleich dem Druck, der von den andern Fibrillen aus- geübt wurde. Der Druck muss also ohne Effeet auf die Gestalt des Kerns bleiben. Dieser Widerspruch liegt ohne Weiteres in dem „Spannungsgesetz“ selbst begründet. Es kommt aber noch etwas anderes hinzu. Es ist unmöglich aus einer Kugel ein Elipsoid von gleichem Volumen zu machen, ohne dass die Oberfläche vergrössert würde. Wenn man also mit einer Kernhaut rechnet, was wohl auch 158 Georg Niessing: Heidenhain thut, dann müsste diese bedeutend gedehnt werden, wenn ein kugeliger Kern zu einem länglichen oder ringförmigen gedrückt werden sollte. Den Widerstand, den hier die Kernhaut der hypothetischen Contraetion der Fasern leisten würde, halte ich für noch viel bedeutender als den der Fibrillen. Heiden- hain’s Versuch, die vielgestaltigen Kerne auf diesem Wege zu erklären, muss also wohl als vollständig missglückt angesehen werden. Er schliesst einen logischen Widersinn in sich. Meine letzte Betrachtung führt aber vielleicht auf eine an- dere Erklärungsweise, wenn man überhaupt die vielgestaltigen Kerne stets aus kugelrunden entstanden wissen will. Die viel- gestaltigen haben bei gleichem Volumen eine grössere Oberfläche, und es liegt der Gedanke nahe, dass die Kerne selbst ihre ganze Gestalt verändern und dabei ihre Oberfläche vergrössern zu be- stimmten physiologischen Zwecken. Als einer erscheint offenbar eine Vermehrung des Stoffwechsels. Sie bieten ihrer Umgebung eine grössere Oberfläche dar, also ist auch ein grösserer lebhafterer Stoffwechsel möglich, und gerade im rothen Knochenmark — Heidenhain’s Objekt — wird man ja einen sehr lebhaften Stoffwechsel annehmen müssen. Indessen ist die Polymorphie nicht bei allen Kernen gleich- werthbig und nur der Vergrösserung des Stoffwechsels dienlich zu achten. Ich werde an anderer Stelle ausführlich nachzuweisen suchen, dass die Vielgestaltigkeit in einer gewissen Form eine Vorbereitung des Kernes zur Theilung und zwar zur mitotischen Theilung ist. Um nicht missverstanden zu werden, will ich noch betonen, dass ich den eentrirten Fibrillen durchaus nieht jede Spannung absprechen will; ich bin aber nicht der Meinung, dass man, wenn auch nur in der Theorie ein Spannungsgesetz, wie es Heidenhain thut, für diese Verhältnisse gelten lässt. Dar- nach müssten alle Fasern einer Zelle auf die gleiche Länge ge- bracht, die gleiche Spannung haben. Daraus folgt, dass verkürzte Fasern dicker und gedehnte dünner erscheinen müssen. Dieser Voraussetzung entsprechen aber die Befunde vorläufig nieht. Auch Reinke hebt dieses besonders hervor, dass die längsten Fasern bei den Kriechformen der Leukoeyten die stärksten seien. Ich kann, wie schon erwähnt, einzelne eentrirte Fibrillen in meinen Präparaten bis an die Zellgrenze verfolgen und nehme Zellenstudien. 159 auch an, dass sie an der Zellgrenzschicht befestigt sind. Ein andrer Theil endigt wohl frei oder in Körnchen im Protoplasma und ein dritter wahrscheinlich an der Kernhaut. Dadurch wird die Stellung der Centralkörper in der Zelle und zum Kern voll- ständig gesichert. Ich kann den Befund Heidenhain’s nicht bestätigen, dass bei Abhebungen des Protoplasmas vom Kern keine Zacken an diesen zu sehen seien, welche man nach Durch- reissung der befestigten Fibrillen sehen müsste. Ich finde vielmehr bei solehen Abhebungen feinste Brücken von den Oentralkörpern nach dem Kern gehend (Fig. 3). Ich sagte oben, die Lage der Gentralkörper bestimme sich dadurch, dass sie der Ausgangspunkt einer Protoplasmastrahlung seien. Damit ist ausgesprochen, dass jeder Centralkörper seine eigene Strahlung hat. Wir haben nun zwar in den Befunden keinen bestimmten Anhalt dafür, denn es ist in der Zellenruhe keinerlei Kreuzung von Strahlen bemerkbar, noch auch erscheint das Körnerstratum um die Centralkörper doppelt, wie man dies doch erwarten müsste. Fasst man aber diese Verhältnisse so auf, wie sie wirklich liegen, dass nämlich infolge der diehten Aneinanderlagerung der Centralkörper die Fasern so dicht zu liegen kommen, dass man nicht mehr sagen kann, welchem von beiden Körpern sie angehören, so ist es erklärlich, dass man nicht im Stande ist, zwei Strahlensysteme oder mehr zu unter- scheiden. Gleichwohl setze ich nicht willkürlich und ohne Grund zwei Strahlensysteme voraus, denn man ist sehr wohl im Stande, diese fraglichen Systeme sichtbar zu machen, sobald nur die Central- körper soweit auseinander rücken, dass uns die Strahlenbeider nicht mehr gleichlaufend, sondern inWinkeln zu einander erscheinen können. In der Zellenruhe tritt nun noch eime andre Erscheinung mit den Centralkörpern auf, die sogenannte Astrosphäre, auch Attraetionssphäre genannt. In dem Worte selbst liegt seine Er- klärung, es ist eine Kugel, welehe grösstentheils von den Strahlen der Centralkörper gebildet wird. Diese Erklärung ist aber nicht ganz zutreffend, insofern als das Wort nicht die ganze Strahlen- ausbreitung in der Zelle bezeichnen soll, sondern eine bestimmt abgrenzbare Kugel in deren Mitte die Centralkörper liegen. Es ist also nur eine kurze Strecke der Strahlen von den Uentral- körpern aus gerechnet in den Begriff dieses Wortes gefasst. Es handelt sich aber hier nicht um eine überflüssige Wort- und Be- 160 Georg Niessing: griffsvermehrung, sondern um eine thatsächlich und sehr deutlich auftretende Erscheinung an den ruhenden Zellen. Man sieht nämlich die Centralkörper in einem kugligen Körper liegen, wie auch van Beneden es schilderte, au centre de chacune des spheres se voit un globule. Bei entsprechend mit BEH ge- färbten Leberpräparaten fällt die Astrosphäre sofort in die Augen, so dass sie schon bei schwächeren Vergrösserungen nicht bloss sichtbar, sondern auffällig ist. Sie erscheint dann als ein meist kugelrunder (Fig. 3, 5, 7, 8), oft aber auch ausgezackter (Fig. 4. 9, 10), sich ziemlich scharf abgrenzender Körper, dessen Durch- messer sehr schwankt, öfters aber ungefähr auf em Viertel des Kerndurchmessers zu schätzen ist. In einer Zelle ist stets nur eine Astrosphäre sichtbar. Sie ist natürlich nicht in allen Zellen, aber doch bei einem grossen Theil derselben zu finden, so dass schon eine oberflächliche Durchmusterung eines Präparats eine ganze Anzahl vor Augen führt. Sie liegen nicht immer an den Kern gepresst, sondern oft ganz frei im Protoplasma. Es entsteht nun die Frage, ob diese Astrosphären Kunster- zeugnisse sind oder obsie thatsächlich in der Zelle vorgebildet waren. Es liegen für den ersten Fall keinerlei triftige Gründe vor, sondern alles spricht dafür, dass die Astrosphären, so wie wir sie sehen auch in der lebenden Zelle vorhanden sind. Sobald man näm- lieh gute Fixirungsmittel anwendet oder entsprechende Färbungen, so erscheinen die Astrosphären ohne weiteres. Durch meine Fixi- rungsmittel werden die Astrosphären schon im ungefärbten Präparat deutlich und zwar mit denselben Eigenschaften wie im gefärbten Präparat sichtbar. Nach Sublimatfixirung und BEH sieht man sie als hochrothe Kugeln mit einem schwarzen Punkt in der Mitte, der Centralkörpergruppe, während das Zellprotoplasma mehr rosa gefärbt ist. Heidenhain behauptet, dass die Färbung der Astrosphäre bei den Lymphoeyten nur quantitativ von der des Protoplasma verschieden sei. Dies widerspricht den eben ge- schilderten Befunden bei den Leberzellen, es ist hier die Quantität und die Qualität der Farbe eine verschiedene. Und wenn man hier mit Heidenhain der Farbenreaktion Bedeutung beimessen will, ist man berechtigt, die Astrosphäre für etwas Besonderes Andersartiges zu halten, als einen bloss abgegrenzten Bezirk der Protoplasmastrahlung. Heidenhain sucht dies dadurch zu erklären, dass er sagt, die Grenze der Astrosphäre werde von Zellenstudien. 161 dem Körmnerstratum gebildet und die Räume zwischen den Fibrillen innerhalb des Stratums würden absolut so eng, dass hier ein andrer Stoffwechsel und also auch andere Reaktionen Platz greifen als ausserhalb desselben. Wäre dies der Fall, dann müssten sich eben aus diesem Grunde die Astrosphären nach dem Centrum zu dunkler färben, während gerade das Umgekehrte, wie ich noch zeigen werde, stattfindet. Andrerseits trifft es anch nicht zu, dass das Körnerstratum die Astrosphärengrenze bilde. Man findet Astrosphären ohne Stratum und Strata ohne Astro- sphären (Fig. 8, 6), man findet aber auch das Stratum ausserhalb der Astrosphäre liegen (Fig. 4, 7), so dass hieraus hervorgeht, dass beide Dinge unabhängig von einander bestehen können. Wenn man die neuesten Arbeiten über die Centralkörper und Astrosphären vergleicht, so muss gegenüber der Heiden- h ain’schen Auffassung, dass die Astrosphäre kein eigenes Organ, keinen Körper, sondern nur einen physikalisch mit den übrigen Zellräumen gleichartigen Bezirk der Strahlung bildet, dıe Me- wes’sche!) Darstellung der Astrosphären - Verwandlung auf den ersten Blick Verwunderung erregen. Er schildert die Astrosphäre als einen soliden Körper — ohne besonderes Gewicht auf das Vorhandensein einer Strahlung in ihr oder eines Centralkörpers zu legen, welche er auch nicht abbildet —, er lässt diesen in Stücke zerfallen, sich verkrümeln in kleinste Körnehen, welehe sich mit Chromatin, das aus dem Kern ausgewandert ist, beschweren, und sich in andrer Jahreszeit wieder gruppiren und consolidiren. Dabei spielen auch noch andre Körper, nach Mewes, echte Nebenkerne und rundliche Ballen sowie andre runde Körper, über dieMewes nicht die geringste Auskunft geben kann, eine Rolle. Ich kenne aus eigenen Unter- suchungen jene grossen Körper, die Mewes schildert, schon lange, habe sie später wieder untersucht und bin nun mit Hülfe der neuesten Färbetechnik im Stande gewesen, feinere Theile daran zu erkennen. Sie entsprechen allerdings allen Anforderungen, die in der Defi- nition der Astrosphäre gegeben sind. Man findet deutlich mit BEH schwarz gefärbte Centralkörper, wie auch eine Strahlung in ihnen, man kann auch diese Strahlen bis weit in das Proto- plasma hinein verfolgen. 1) Dr. F.Mewes, Ueber eine Metamorphose der Attractionssphäre in den Spermatogonien von Salamandra maculosa. Dieses Arch. B. 44, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46 11 162 Georg Niessing: Rawitz!) bestreitet jeden strahligen Bau der Astrosphäre bei den ruhenden Hodenzellen des Salamanders und behauptet, die Fibrillen liefen von der Zellgrenze nicht bis zum Centralkörper sondern nur bis zur Grenze der Astrosphäre und seien an dieser be- festigt. Deshalb hält er den Namen Attractionssphäre für den richtigeren. Dem muss ich, wie eben ausgeführt, widersprechen. Ob nun aber die vonMewes beschriebenen Verwandlungsformen namentlich die in feinsten Körnchen rings um den Kern vertheilte „Astrosphäre“ wirklich das ist, wofür es Mewes ausgiebt, das ist sehr zu bezweifeln. Er hält die Körnchen für die Astrosphäre. Wo ist dann aber die Centralkörpergruppe geblieben mit der Fibrillenstrah- lung? Eine Erklärung dafür willich weiter untenzu geben versuchen. Schenkt man aber den Mewes’schen Befunden sammt seiner Deutung Glauben, so würde sofort die Heidenhain’sche Auffassung hinfällig. Nach meinen Befunden bei den ruhenden Leber- und Milz- zellen ist die Astrosphäre durchaus strahlig gebaut und zwar sind die Strahlen grösstentheils sehr zart und in dichter Anordnung. Dieses strahlige Aussehen reicht indessen nur bis an die Grenze der Astrosphäre. Ein Theil dieser Strahlen ist stärker und dunkler gefärbt und dieser reicht weiter ins Protoplasma und oft bis an die Zellgrenze. An diesen Fibrillen sind dann auch die schon beschriebenen Körnchen sichtbar. Ob nun alle diese Fibrillen gleich- werthig sind, ist auf Grund des vorliegenden Materials nicht zu sagen. Ebenso wenig ist zu entscheiden, ob die Fibrillen inner- halb der Astrosphäre organisch miteinander verbunden sind; das soll an andrer Stelle an andrem Material gezeigt werden. Hier ist nur sicher, dass sie alle nach der Centralkörpergruppe centrirt sind. Dieser Umstand sowie auch die Rolle, welche die centrirten Fibrillen bei der Zelltheilung spielen, drängen zu der Annahme, dass sie an den Üentralkörpern befestigt sind und bleiben. Um nun kurz zu wiederholen, haben wir in den Astrosphären folgende physikalischen Verhältnisse, welche deutlich sichtbar, also wahr- scheinlich auch thatsächlich vorhanden sind. In der Mitte liegt die Centralkörpergruppe. Von ihr gehen eine Anzahl feinster und auch etwas gröberer Fibrillen aus; die feinsten sind nur bis zur Astrosphärengrenze sichtbar, die gröberen reichen darüber 1) Dr. Bernhard Rawitz, Centrosoma und Attractionssphäre in der ruhenden Zelle des Salamanderhodens. Dieses Archiv B. 44. Zellenstudien. 163 hinaus, oft bis zur Zellgrenzschicht. Die Grenze der Astrosphäre ist scharf. Ausserdem muss man noch die Zwischenräume zwischen den einzelnen Fibrillen (Heidenhain’s interflare Räume) in Betracht ziehen. Ueber die letzteren mögen hier noch einige Erwägungen Platz finden. Macht man die BEH Färbung etwas stärker oder lässt die Farbe etwas weniger ausziehen, so findet man bei Sublimat- präparaten (bei meinen Fixirungen auch ohne diesen Kunstgriff) Astrosphären, welche fast so schwarz gefärbt sind als die Central- körper, wobei aber die Räume in der Nähe der Öentrosomen heller bleiben und der schwarze Ton nach der Grenze zu stärker wird (Fig. 3, 9, 10). Die Centralkörper können dabei ganz deutlich erscheinen. Hier ist nun die Färbung ganz gewiss qualitativ anders als die des Protoplasmas. Diese Schwarzfärbung kann nicht allein dadurch bedingt sein, dass die Fibrillen sich stärker gefärbt haben, denn dann wäre einmal die Grenze nach aussen nicht so scharf, Fig. 9, andrerseits aber, und das ist der wichtige Punkt, müsste dann doch entsprechend der Zunehmen- den Dichte die Schwarzfärbung nach der Mitte zu an Stärke wachsen. Es müssen also andere Stoffe sein, welche diese Färbung verursachen. Und da bleibt nur übrig die Räume zwischen den Fibrillen dafür verantwortlich zu machen. Diese werden nach der Peripherie hin an Masse grösser, und müssten durch Schwarzfärbung den geschilderten Effect geben. So sind wir also dahin geführt worden in den interfilaren Räumen der Astrosphären einen besonderen Stoff anzunehmen, weleher von dem Zellprotoplasma verschieden ist und die Astro- sphäre zu etwas Besonderem macht. Weleher Art dieser Stoff ist, das kann man nur vermuthen. Es ist wohl möglich, dass wir in ihm das zu sehen haben, was Boveri Archoplasma genannt hat. Heidenhain leugnet zwar die Existenz eines Archoplas- mas, er hält es mit der Astrosphäre für identisch. Allein seine Ausführungen stehen mit den eben geschilderten Thatsachen in direktem Widerspruch und sind nicht im Stande, dieselben zu erklären. Vergleicht man nun noch einmal die Befunde von Mewes, so erscheinen diese jetzt in einem anderen Lichte, Sie lassen sich jetzt so erklären, dass es nur die interfilaren Stoffe sind, welehe sich in Stücke und Körnchen auflösen, ohne dass dadurch die Centralkörpergruppe mit den Fibrillen alterirt 164 Georg Niessing: wird. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Mewes die Central- körper überhaupt nicht hat sichtbar machen können, also auch über deren Verbleib nichts angegeben kann. Ueber die chemische Natur der Astrosphären, der Fibrillen, der Mikrosomen und Centralkörper Aufschlüsse zu geben, dürfte vor der Hand sehr gewagt sein. Heidenhain hat diese Frage für die Centralkörper ausführlich erörtert, doch wie ich meine, in sehr unglücklicher Weise. Heidenhain schliesst zunächst aus dem Lichtbrechungs- vermögen auf die Dichte der Centralkörper. Ein solcher Schluss ist nicht erlaubt. Die Diehtigkeit oder das Eigengewicht der Körper hat mit ihrem Lichtbrechungsvermögen nichts zu thun. Das letztere wird vielmehr durch die Gestalt und Anordnung der Moleküle bedingt. Ebenso wenig ist aus der Färbbarkeit mit einem Farbstoff, welche die Centralkörper mit andern Zell- oder Kernbestandtheilen gemein oder nicht gemein haben, ohne weiteres auf eine Stoffähnlichkeit oder Unähnlichkeit zu schliessen. Es kommen hier gewiss bei manchen Farben sehr abweichende Färbungseffeete vor, welche aber erst dadurch entstehen, dass das Fixirungsmittel auf die Eiweisskörper eingewirkt hat. Da wir aber meist Fixirungsmittel mit starken chemischen Affinitäten verwenden, so könnten zwei einander sonst sehr ähnliche Eiweiss- stoffe doch so stark in ihrer Reaktion verändert werden, dass sie sich einem Farbstoff gegenüber grundverschieden verhalten. Das sehen wir ja schon bei Färbungen mit derselben Farbe nach verschiedenen Fixirungen. Will man aus der Färbbarkeit abso- lute Schlüsse auf die chemische Verwandschaft der Eiweisskörper ziehen, so muss man doch immer sehr viele Färbungen zusammen- halten und diese Resultate verwerthen. Ich bin der Meinung, dass es nur ein äusserliches Interesse hat zu wissen, ob die Centralkörper dieselbe Färbung wie z. B. die Nukleolen annehmen oder nicht. Ihre Stoffähnlichkeit wird man daraus allein nicht behaupten dürfen. Erinnert man sich, wie gross der Färbungs- unterschied zwischen Nukleolen und Chromatin ist und wie dieser Unterschied bei der Theilung ganz verschwindet, oder wie aus ungleiehartigen Kerntheilen der Samenfadenkopf mit seiner ho- mogenen, sich doch so eigenthümlich gegen Farben verhaltenden Masse entsteht, so wird man das oben Gesagte zugeben. Freilich wenn man glaubt, eine spezifische Färbung für gewisse Zellbe- Zellenstudien. 165 standtheile gefunden zu haben, dann wird man Theilchen, welche sich stets ebenso färben, geneigt sein für gleichartig oder iden- tisch mit den sich spezifisch färbenden Theilen zu halten. Doch wird man nieht umhin können für die Identität andre zwingende genetische Beweise zu erbringen, da die Färbung doch höchstens als Fingerzeig ‘aber nicht als Beweis anzusehen ist. Nach diesen Auseinandersetzungen ist es klar, dass die Heidenhain’schen theoretischen Studien über die Substanz der Centrosomen nur einen geringen Werth haben, jedenfalls sind aber die Schlüsse, die er aus ihnen zieht, nieht richtig. Aus allem bisher Gesagten ist ersichtlich, dass ich mit dem Begriffe eines Centralkörpers den eines Mittelpunktes oder In- sertionspunktes für die Protoplasmastrahlungen verbinde. Heiden- hain sagt, er halte es für gewagt, bei einem ganz nackten Central- körper eine (unsichtbare) Strahlung anzunehmen. Ich möchte den Satz in gewisser Weise umkehren. Ich halte es für gewagt, ganz nackte Körnchen im Protoplasma für Centralkörper zu erklären. Wenn man die Heidenhain schen Zeichnungen der Riesenzellen des Knochenmarks studirt, so bekommt man den Eindruck, dass diese Körnchen wohl nichts anderes sein können als Centralkörper. Andrer Ansicht wird man aber, wenn man Knochenmarkpräparate selbst betrachtet. Die Färbungen des Knochenmarks mit BEH gelingen sehr gut und man ist leicht in den Stand gesetzt, die Heidenhain’schen Angaben zu con- trolliren. Da findet man nun in der That öfter Zellen, welche den Heidenhain’schen Zeichnungen vollständig entsprechen, welche genau jene schönen Bilder bieten mit den sauber gefärbten schwarzen Körnchen in Haufen oder zerstreut liegend im Proto- plasma der Kernhöhle. Man findet aber noch öfter Zellen, welche Unmengen solcher genau so gefärbter Körnchen enthalten, die aber dann nicht nur in der Kernhöhle, sondern auch ausserhalb des Kernes und namentlich zahlreich in der Nähe der Zellgrenze sich finden. Heidenhain hat selbst schon darauf aufmerksam gemacht, er hält diese Körnchen für Zellmikrosomen. Das mag auch richtig sein, nur fehlt uns jetzt ein Unterscheidungsmerkmal zwischen Zellmikrosomen und Centralkörpern. Und dies fällt sehr ins Gewicht, wenn man bedenkt, dass sich in einem Schnitt alle Uebergänge finden können zwischen einer Zellmikrosomen-Färbung und der saubersten Centralkörperfärbung. Doch dies ist nicht 166 Georg Niessing: nur bei den Riesenzellen der Fall. Man findet ebenso bei den Lymphoeyten des Knochenmarks fast regelmässig in emer Zelle ausser den Körnchen, welche man für die Centralkörpergruppe halten möchte, an einer andern Stelle ein oder mehrere genau wie Centralkörper aussehende pechschwarz gefärbte Körnchen. Auch hier fehlt ein Unterscheidungsmerkmal. Heidenhain kann, wenn vielleicht für geschlossene Mikrocentren in Riesen- zellen, so doch gewiss nicht für jedes einzelne liegende Körnchen den Beweis nach seiner Definition erbringen, dass dies ein Centralkörper ist. Denn ich kann genug Präparate vorführen, wo man thatsächlich nicht mehr im Stande ist, die Zellmikrosomen von den Centralkörpern zu scheiden. Weiss man dies aber, dann muss man auch zugeben, dass die Unsicherheit in der Unter- scheidung stets auch bei einem anscheinend tadellos gefärbten Präpa- rate da sem muss. Ob man aber die grossen Mikrocentren in den Riesenzellen überhaupt für Centralkörpergruppen zu halten hat, das mag Heidenhain selbst beweisen. Eine Strahlung oder eine Astrosphäre habe ich nie bei ihnen gesehen; auch ist man sehr enttäuscht, dass Heidenhain nicht eine einzige Polymi- tose einer Riesenzelle mit den vielen Polen und Spindeln dureh eine Zeichnung vorgeführt hat. Ist es nun jedem unbenommen, gewisse Körnchen in seinem Präparat für Centralkörper zu halten, so muss man doch, wenn man Studien über deren Eigenschaften vorführen will, seine Leser auch überzeugen, dass man sich nie über die Natur der Körper in Irrthümern befunden hat. Dazu fehlt es uns aber noch an einer Definition, welche es ermöglicht, jeden Körper mit Bestimmtheit als Centrosomen zu erkennen. Die Heidenhain’sche Definition „Centralkörper sind scharf umgrenzte solide (durch Eisenhämatoxylin unter Umständen spe- ceifisch färbbare) Granula von sehr geringer Grösse. Sie besitzen die Fähigkeit zu assimiliren, zu wachsen und sich durch Knos- pung zu vermehren. Sie zeigen in hohem Maasse die Neigung Gruppen zu bilden, wobei sie innerhalb der Gruppe durch eine bei Gelegenheit ihrer Vermehrung zwischen ihnen sich ausspinnende Substanz aneinander gekettet sind. Sie können entweder für sich allein oder als Gruppe vereinigt die Ursprungspunkte für die Fäden eines centrirten Systemes abgeben“ leistet in dieser Beziehung garnichts, ganz abgesehen davon, dass sie in einzelnen Theilen nicht Stich hält. Zellenstudien. 167 Anders steht es aber, wenn die Centralkörper von einer Strahlung umgeben sind, wenn sie im Mittelpunkte einer sicht- baren Fibrillenstrahlung liegen, hier dürften keine Zweifel mehr bestehen. Ich meine also, die Definition muss so gefasst sein, dass sich die sicheren Erkennungsmerkmale in ihr finden, nur eine solche Definition hat einen praktischen Werth. Da wir aber nur ein solches untrügliches Merkmal bis jetzt kennen, so erübrigt sich alles andre als unnöthiges Beiwerk. Die Definition muss lauten: „Centralkörper sind Zellorgane in Gestalt kleinster Körnchen, welche die Ursprungspunkte der Protoplasmafibrillenstrahlung bilden“. Heiligenhaus, Anfang Mai 1895. Erklärung der Abbildungen auf Tafel V. Die Fixirungen sind mit dem ersten der von mir versuchten Ge- mische gemacht, wo nicht mit Sublimat angegeben. Die Färbung ist überall Bordeaux R-Eisen-Hämatoxylin. Zeichnungen mit Oellinse 1,30 Ap. Fig. 1. Zelle aus der Milz von Salamandra maculosa, drei Centro- somen sichtbar, kräftige Strahlung nach dem Kern, keine Astrosphäre. Vergrösserung (stets direkt gemessen) 1700. Fig. 2. Desgleichen. Zwei Centrosomen mit sehr deutlicher Strahlung nach allen Seiten theilweise bis zur Zellhaut zu verfolgen. Die Fibrillen sind mit Körnchen und verdickten Parthieen be- setzt. Keine Astrosphäre. Der Kern ist nicht ausgezeichnet. Hier und bei Fig. 1 liegt das Mikrocentrum frei im Proto- plasma. Vergr. 1700. Fig. 3. Zelle aus der Leber von Sal. ınac. In dem hufeisenförmigen Kern liegt die Centralkörpergruppe als Klumpen sichtbar in einer schwarz gefärbten Astrosphäre, welche am Rande dunkler ist. Die Fibrillen verlaufen wellig, sie sind mit grossen schwarzen Körnehen (Mikrosomen) besetzt. Die Astrosphäre ist etwas vom Kern abgehoben und zarte Fasern verbinden sie mit dem Kern. Sublimat. Vergr. 2400. Fig. 4. Desgleichen. 2 Centralkörper von einer deutlichen, sich nicht an den Kern schmiegenden Astrosphäre umgeben. Vom Mikrocentrum gehen einige gerade Strahlen bis zur Zellhaut. Die sichtbaren Körner liegen weit ausserhalb der Astrosphäre. Sublimat. Vergr. 2400. Fig. 5. Desgleichen. Der Kern ist zerschnitten. Frei in der Zelle liegt die Centralkörpergruppe mit einer kugeligen Astrosphäre, an deren Grenze ein Körnchenkranz sichtbar ist. Die Strahlen 168 Georg Niessing: sind sehr zart und laufen nach allen Richtungen in das Plasma. Sublimat. Vergr. 1700. Fig. 6. Desgleichen. Der Kern ist nicht gezeichnet. ‘In einer Bucht desselben liegen zwei Centralkörper mit einem schönen regel- mässigen Körnerstratum. Die Körner sind länglich und in ihrer Achse laufen Fibrillen. Die Zeichnung stellt nur die unterste Ebene des Schnittes dar, etwas näher dem Auge liegen im Schnitt die andern Körner, kleinere Kreise bildend. Sublimat. Vergr. 1700. Fig. 7. Desgleichen. Im Kern ist nur das Chromatin gezeichnet. Frei im Plasma liegen 2 Centrosomen mit einer Astrosphäre. Eine Anzahl Fibrillen mit Körnern ausserhalb der Astrosphäre sicht- bar. Sublimat. Vergr. 1700, Fig. S. Zelle aus der Leber eines menschlichen Embryos. Zwei ge- sonderte, scharf gefärbte Centrosomen liegen in einer Astro- sphäre. Einige Strahlen laufen als gerade Linien in das Plasma. Vergr. 2400. Fig. 9. Zelle aus der Leber von Sal. mac. ‘Frei im Plasma liegt die schwarz gefärbte Astrosphäre in der Mitte des Mikrocentrum. Die Astrosphäre ist nach der Peripherie zu allmählich dunkler gefärbt. Schwarz gefärbte Strahlen laufen vereinzelt bis zur Zellhaut. Die Astrosphäre ist ausgezackt, die Grenze scharf Im Kern nur ein Nukleolus gezeichnet. Sublimat. Vergr. 2400. Fig. 10. Desgleichen. Frei im Plasma liegt eine ausgezackte Astro- sphäre, in deren Mitte die Centrosomengruppe. Die Fibrillen lassen sich nach allen Seiten weit in das Protoplasma ver- folgen. Die Astrosphäre ist nach ihrer Grenze zu sanft dunkler gefärbt als in der Mitte, in ihrer Struktur sind Unmengen feinster Körnchen namentlich auch an ihrer Grenze bemerk- bar. Im Protoplasma ist noch eine Gruppe von Körnchen freiliegend sichtbar, welche einer Centralkörpergruppe ähnlich sieht. Der Kern ist zerschnitten. Vergr. 2400. Neue Beiträge zur Frage der Chromatin- reduction in der Samen- und Eireife. Von ‘Dr. ©. vom Rath, (Freiburg B.). Hierzu Tafel VI, VII und VII In der vorliegenden Arbeit sollen meinen früheren Publika- tionen über die Reduetionsfrage theils Ergänzungen, theils neue Beobachtungen hinzugefügt werden. Ergänzungen wurden noth- Neue Beiträge z. Frage d. Chromatinreduetion in d. Samen- u.Eireife. 169 wendig, da gewisse Phasen in der Samen- und Eireife, deren prinzipielle Bedeutung sich erst mit dem allmählichen Abklären der Gesammtfrage herausgestellt hat, gegenwärtig eine wesent- lich grössere Berücksichtigung verlangen, als zur Zeit, als ich (gegen Ende der achtziger Jahre) meine diesbezüglichen Studien begann, nothwendig schien. Vor Allem sind es die Vorbereitungen zu den beiden letzten, unmittelbar aufeinander folgenden Theilungen der Reifeperiode in der Spermatogenese und Ovogenese, welche ein ganz besonderes Interesse beanspruchen, und hier ist die Hauptfrage die, wie entstehen die bekannten, der ersten Theilung der Reifephase vorausgehenden Vierergruppen, und in welcher Weise werden die vier Einzelstücke jeder Gruppe auf die Tochter- zellen vertheilt? Die Diskussion dieser von mir früher Nr. 11a, 11b, Ile schon eingehend besprochenen Frage wird im vorlie- genden Aufsatze im Vordergrund stehn, und die Abbildungen auf Taf. VI—VII beziehen sich fast lediglich auf diesen Zeitabschnitt der Samen- und Eireife. Dass neue empirische Befunde auf diesem zwar schon viel bearbeiteten Gebiete immer noch von der grössten Wichtigkeit sind, braucht kaum erwähnt zu werden, da wir bis zum heutigen Tage noch kein Objeet kennen gelernt haben, bei welehem sämmtliche Phasen der Samen- und Eireife in gleich günstiger Weise der Beobachtung zugänglich gewesen wären. Auch Ascaris megalocephala ist für die Entscheidung mancher wichtiger Fragen in der Samen- und Eireife völlig ungeeignet. Der direete Anstoss zu diesem Aufsatze erfolgte durch zwei Publikationen von Rückert über die Reductionsfrage Nr. 12c und 12d, in welchen unter Anderem auch meine hierhergehörigen Arbeiten einer scharfen Kritik unterzogen werden, zumal aber meine Untersuchungen über die Spermatogenese von Gryllotalpa Nr. 11a und 11b. Bevor ich nun meine Diskussion, die ich wieder mit der Samenreife von Gryllotalpa beginne, eröffnen werde, möchte ich zuvor noch einige einleitende Bemerkungen vorausschicken. Vor Gryllotalpa hatte ich bereits eine grosse Menge anderer Objecte (Crustaceen, Myriapoden, Inseeten, Würmer, Mollusken und Vertebraten) auf ihre Samen- und Eibildung untersucht, aber wieder fallen lassen, da in Folge einer zu grossen Zahl von Chromosomen und einer ungenügenden Grösse der Zellen und Kerne keine überzeugenden Resultate zu erwarten waren. Die Samenbildung von Gryllotalpa schien mir dagegen für die Be- 170 O.vomRath: antwortung einiger bestimmter Fragen günstig zu sein, da bei- spielsweise die Vierergruppen in besonderer Deutlichkeit wahrnehm- bar waren. Ich schrieb nun damals meine Resultate nieder, wie ich sie empirisch feststellte, ohne jede Rücksicht auf theoretische Speculationen oder empirische Befunde anderer Au- toren. Diese völlige geistige Unabhängigkeit war für die vor- liegende Frage von grösster Wichtigkeit. Ich eruirte zunächst, dass die Vierergruppen durch eine nur einmalige Längstheilung und Ausfall einer Quertheilung ent- stehen, nicht durch doppelte Längsspaltung des Chromatinfadens, wie es nicht nur durchgängig vor mir, sondern auch nach mir von vielen berufenen Autoren behauptet wurde. Diese neue Entstehungsweise der Vierer- gruppen, die ich zuerst für die Samenbildung von Gryllo- talpa und später für die Samen- und Eibildung vieler anderer Objecte festgestellt habe, wurde dann auch von Haecker Nr. 5 bei der Eireife von Copepoden gesehen und schliesslich im vorigen Jahre durch Rückert bestätigt Nr. 12. Dass ich früher dies für die Entscheidung der Reductionsfrage so überaus wichtige Resultat nieht mit besonderem Nachdruck hervorhob, erklärt sich aus meinem damaligen Bestreben, zunächst alle theo- retischen Speculationen bei Seite zu lassen, bis erst durch eine Reihe übereinstimmender empirischer Befunde eine wirkliche Basis für weitere Schlussfolgerungen gegeben wäre. Dass aber gerade meine Gryllotalpa-Arbeit für das Verständniss der Ring- und Viererbildung vor den beiden letzten 'Theilungen von besonderer Wiehtigkeit war, wird Niemand in Abrede stellen. Vor mir hatte bekanntlich Henking Nr. 6 bei der Samenbildung von Pyrrhocoris ebenfalls Ringe und Vierergruppen gesehn, aber anders, und wie jetztallgemein angenommen wird, unrichtig gedeutet. Einige Zeit nach meiner Gryllotalpa-Arbeit erschien dann die Brauer’- sche Arbeit über die Eireife von Branchipus Nr. 3a, in welcher auch auf deutliche Vierergruppen, denen aber keine Ringbildung vorangeht, hingewiesen wird, doch sollen die Vierer durch dop- pelte Längsspaltung des Chromatinfadens entstehn. Wenn wir nun dazu übergehn, die von Rückert gegen meine Gryllotalpa-Arbeit erhobenen Bedenken kritisch zu prüfen, ist es nothwendig, genau den Wortlaut meiner Angaben, sowie den der Rück ert’schen Angriffe miteinander zu vergleichen. Es Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduction in d, Samen-u.Eireife. 171 wird sich schliesslich herausstellen, um das Resultat gleich vor- weg zu nehmen, dass an meiner gesammten Darstellung auch nicht ein Wort geändert zu werden braucht, dass aber, um jeden Zweifel auszuschliessen und jedem Missverständnisse vorzubeugen, einige Abbildungen, welehe sich auf die Ring- und Viererbildung beziehen, eingeschoben werden können. Ich habe mich daher entschlossen noch einmal die grosse Zahl meiner Präparate durch- zusehn, um die betreffenden Stadien, die in den Abbildungen ein- zufügen sind, auszulesen, was mir viel Zeit und Mühe verursachte, da gerade diese Uebergangsstadien, vermuthlich wegen ihrer kurzen Dauer, nur auf wenigen Präparaten gesehen werden, und die ge- sammte Untersuchung überhaupt nur mit den besten Oelimmersionen angestellt werden kann. Auf neu hergestellten Präparaten habe ich nichts wesentlich Neues finden können, was ich allerdings auch nicht erwarten durfte, da ich früher mein Object mit der denkbar grössten Sorgfalt bearbeitet hatte. In Betreff der Con- servirung verweise ich auf meine älteren Angaben (N. 11b). Wie in meinen früheren Arbeiten, will ich auch in dieser, im Wesentlichen die Hert wig’sche Terminologie beibehalten. Ich unterseheide demnach in der Samen- und Eibildung folgende Perioden: Aus den Theilungen der Urgenitalzellen gehen durch Mitosen indifferente Keimzellen hervor, von welchen bei der geschlechtlichen Differenzirung die Ursamen- und Ureizellen ihren Ursprung nehmen. Letztere vermehren sich durch mitotische Theilungen dureh mehrere Generationen hindurch, und diese Periode nenne ich die Vermehrungsperi- ode (Periode I). Es folgt hierauf eine Wachsthums- und Ruheperiode, während welcher die Sexualzellen als Samen- mutter- und Eimutterzellen bezeichnet werden. In dieser Periode II kommen mancherlei Variationen bei verschiedenen Thiergruppen vor, und es kann ein eigentliches Ruhestadium mehr oder weniger vollständig m Wegfall kommen, wie wir nachher noch näher besprechen werden. In der Periode III oder Reifungsperiode theilen sich die Samenmutter- und Eimutter- zellen zweimal hinter einander, ohne dass zwischen diese Thei- lungen ein Ruhestadium des Kernes eingeschaltet wäre. Durch diese beiden letzten Theilungen entstehen zuerst Samen- und Ei- tochterzellen, und dann Samen- und Eienkelzellen. Die Samen- enkelzellen (Spermatiden = unreife Samenzellen) machen noch 172 0. vom Rath: “eine mehr oder weniger komplieirte Umwandlung durch und heissen dann Spermatozoen (Spermatosomen = reife Samenzellen). Diese Periode IV, welche nur in der Spermatogenese vorkommt, bezeichne ich als die Umwandlungsperiode. Wenn für den vorliegenden Zweck eigentlich nur die Wachs- thums- und Reifeperiode in Betracht kommt, so will ich doch aus später zu ersehenden Gründen auch meine Angaben über die Periode I, welche die Theilungen der Ursamenzellen betrifft, wiederholen, dagegen kann die letzte Phase, die Periode der Umwandlung der unreifen Samenzellen oder Spermatiden zu reifen Samenzellen oder Spermatozoen, hier gänzlich ausser Acht bleiben, und bitte ich die diesbezüglichen Angaben in meiner älteren Ar- beit nachlesen zu wollen. Nr. 11b. A. Spezieller Theil. I. Die Periode der Theilungen der Ursamenzellen (Sperma- togonien) von Gryllotalpa: vulgaris. Die ersten jungen Gryllotalpa-Männchen erbeutete ich an- fangs Mai und ich fand in den Hoden derselben eine überaus rege Theilung der Ursamenzellen vor. Die Hoden waren zu dieser Jahreszeit noch sehr klein und es hatten die einzelnen Follikel bei weitem nieht die Hälfte ihrer späteren Grösse er- reicht. In jedem Follikel sah ich mehrere Generationen von Ur- samenzellen gleichzeitig in den verschiedenen Phasen der Caryomi- tose, die bei sämmtlichen Generationen in gleicher Weise zu verlau- fen schien und keine Abweichung von dem gewohnten Schema der Mitose der Somazellen erkennen liess. In den Fig. 1—9 habe ich die verschiedenen Theilungsstadien der Reihe nach darzu- stellen versucht; die Abbildungen selbst bedürfen kaum einer weiteren Erklärung. Fig. 1 stellt eine Ursamenzelle im Ruhe- stadium dar; der bläsehenförmige Kern lässt eine deutliche Mem- bran erkennen und das gesammte Chromatin ist in Form eines feinmaschigen Netzwerkes vertheilt; meist fallen zwei intensiv tingirte Nucleolen auf, die bei den Vorbereitungen der Thei- lungen sehr lange persistiren und sich erst im letzten Knäuelstadium allmählich der Beobachtung entziehn. Der Beginn einer Theilung wird dadurch kenntlich, dass zuerst das feine Maschenwerk grober wird (Fig. 2), und sich dann das Chromatin von der Kernmembran Neue Beiträge z. Frage d. Chromatinreduction in d. Samen- u.Eireife. 173 zurückzieht und nach einer Seite hin in Form eines unregelmässig gestalteten Klumpens zusammenballt Fig. 3. (Man vergleiche die ähnlichen Vorgänge, welche Hermann (Nr. 6) beim Salamander beschrieben hat.) Der Klumpen besteht aus fein gekörnelten Chro- matinfäden und einzelne derselben treten aus dem Klumpen hervor und durchsetzen hier und dort den scheinbar leeren Kernraum. Das gesammte Chromatin ordnet sich jetzt in Form eines einzelnen dünnen, vielfach verschlungenen Fadens an, der selbst aus Linin besteht und an welchem die kleinen Chromatinkügelehen perlschnurartig aneinander gereiht sind (Knäuelstadium). Dieser Faden, welcher den gesammten Kern in vielen Windungen und Krümmungen durchsetzt, wird allmählich dicker, indem die Chro- matinkügelchen (Mikrochromosomen) offenbar durch die Contrac- tionen des Linins mehr und mehr mit einander verkleben, wodurch der Faden ein höckeriges Aussehen gewinnt (Fig. 4). Bei gut eon- servirten Präparaten kann man um diese Zeit bei Anwendung starker Vergrösserungen deutlich eine bereits vollzogene Längs- spaltung des Fadens erkennen; die so entstandenen Schwester- fäden trennen sich aber nicht von einander, vielmehr sind die- selben an vielen Stellen noch miteinander verklebt (Fig. 4a u. 4b). Der Doppelfaden zerfällt nun seinerseits durch Quertheilungen in 12 gleich grosse Segmente, bei denen gleichfalls die Schwester- fäden mit einander vereimigt bleiben. Für dieses Stadium sind Zupfpräparate von grosser Wichtigkeit, da man auf diesen die Zahl 12 mit Sicherheit feststellen kann, während auf Schnitten manch- mal durch Anschneiden der Segmente eine grössere Zahl zur Anschauung Kommt. In Figur 4a habe ich eine Abbildung eines Kernes mit quergetheiltem Faden nach einem Schnitt und in Figur 4b nach einem Zupfpräparat gegeben. Die einzelnen Segmente verkürzen sich jetzt mehr und mehr und stellen sich schliesslich als 12 runde Chromosomen in der Aequatorial- ebene auf. Ich habe mich vergeblich bemüht an einem sol chen Chromosom eine Andeutung davon zu erkennen, dass es eigentlich aus zwei Hälften besteht, die dann auf der Höhe des Aequators endgültig von einander getrennt werden. Durch die schon im Knäuelstadium durch Verdoppelung des Chro- matinfadens vorbereitete und jetzt zum Vollzug kommende Längs- spaltung werden nun die 12 Chromosomen getheilt und nach Jedem Pol der Spindel wieder 12 Chromosomen (aber von der 174 Ö.vom Rath: - halben Grösse) angezogen. Bei Conservirung mit Pikrinessig- osmiumsäure sind an der Spindel bei der Seitenansicht die Cen- trosomen und eine Strahlung um dieselben deutlich zu erkennen (Fig. 5). Da die Spindelfiguren vom Pol aus gesehen und auch von der Seite aus betrachtet (Fig. 5 u. 6) sehr häufig sind, gelang es mir nicht selten, die Zahl 12 für die Chromosomen aller Gene- rationen der Ursamenzellen als typisch festzustellen, von welehen bei der Seitenansicht der Spindel meist fünf bis sieben zu er- kennen sind (vergl. Fig. 5). Werfen wir nun noch einen Blick auf die Fig. 4a u. 4b zurück, so erkennen wir bereits früh im Knäuelstadium zwei auseinanderweichende winzige Centrosomen; ich muss hier aber bemerken, dass ich letztere nur bei Anwen- dung bestimmter Conservirungs- und Färbungsmethoden in ganz seltenen Fällen nach längerem Suchen mit den stärksten Ver- grösserungen auffinden konnte, ich möchte daher über ihr erstes Auftreten nichts Sicheres behaupten; in ruhenden Zellen mit bläschenförmigen Kernen habe ich bei Gryllotalpa nie eine Spur eines Centrosomas oder einer Attractionssphäre erkennen können. Wenn nun auch, wie ich vorhin betonte, die Caryomitose sämmt- licher Generationen der Ursamenzellen in gleicher Weise zu ver- laufen scheint, so fallen doch Bilder auf (Fig. Se), bei welchen von den 12 Chromosomen stets zwei und zwei einander genähert sind, ohne aber durch eine chromatische Brücke verbunden zu sein. Wie diese paarweise Gruppirung zu Stande kommt, war mir nicht möglich zu eruiren. In meiner Arbeit über die Spermatogenese von Salamandra N. 11e betonte ich dann, dass durchgängig in den Arbeiten über die Reductionsfrage sowohl bei der Spermatogenese als bei der Ovogenese die Zahlenverhältnisse der Chromosomen und die Kern- theilungsvorgänge sowohl bei den Ursamen- als Ureizellen unge- nügend bekannt gegeben wurden, was in erster Linie an der Kleinheit dieser Zellen liegt. Gerade meine wichtigen Resul- tate bei den Ursamenzellen von Salamandra maculosa bestimmten mich meine älteren Präparate über die Kerntheilungen der Ur- samenzellen von Gryllotalpa noch einmal durchzusehn. Ich sprach mich hierüber wie folgt aus: Bei Gryllotalpa habe ich die Theilungen der Ursamenzellen als gewöhnliche Mitosen bezeichnet, aber gleichzeitig auf zwei Punkte aufmerksam gemacht, welche nicht in das Schema der Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduction in d.Samen- u.Eireife. 175 gewöhnlichen Mitose passen. In Fig. 3 habe ich ein Knäuel- stadium abgebildet, welches den Gedanken an eine heterotype oder homöotype Theilung nahe legt; ich habe dieses Stadium mit ähnliehen Vorgängen, die Hermann beim Hoden des Sala- manders beschrieben hat, verglichen, 1. e. p. 107. Ferner habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass von den 12 Chromosomen, welehe man in den Dyastern zählt, vielfach zwei und zwei ein- ander auffällig genähert sind; eime Erklärung für diese paarweise Gruppirung konnte ich nicht geben. Eine erneuerte Durchsicht meiner diesbezüglichen Präparate liess mich zwar nicht mehr er- kennen wie früher, die Bilder sind leider überaus klein, und man ist obendrein auf Kombiniren angewiesen, ich glaube aber jetzt, dass mindestens die letzte Theilung dieser Ursamenzellen nach einem Modus der Mitose mit doppelwerthigen Chromosomen verläuft; welches Schema es ist, konnte nicht entschieden wer- den, da wir es mit Kugelchromosomen und nicht mit Schleifen zu thun haben. Auf Grund eines grossen vergleichenden Mate- rials halte ich es jetzt für sicher, dass bei den Theilungen der Urei- und Ursamenzellen zum mindesten die letzte vom Schema der Somamitose abweicht. Was daher die von mir l. ec. p. 117 und 118 gegebenen Zahlenverhältnisse anbetrifft, so muss bemerkt werden, dass die angeführten Zahlen bei den Theilungen der Ursamenzellen keineswegs auf sämmtliche Theilungen der Ursamenzellen Geltung zu haben brauchen, vielmehr in erster Linie sich auf die Tochterkerne der letzten Theilung beziehen. Wenn bereits bei den ersten Theilungen der Ursamenzellen oder gar noch früher Mitosen mit doppelwerthigen Chromosomen vor- kommen, so kann die Chromosomenzahl scheinbar nur die Hälfte betragen, wie das Beispiel von Salamandra lehrt. Die für die Species typische Zahl der Chromosomen wird am besten bei den Somazellen z. B. in den Mitosen des Darmes festgestellt, falls die Grösse der Theilungsfiguren ein Zählen ermöglicht. Auch schon bei der Furchung und Blastodermbildung können die Mi- tosen in verschiedener Weise erfolgen, so dass diejenigen, welche nach dem doppelwerthigen Schema verlaufen, nur die Hälfte der typischen Zahl der Chromosomen erkennen lassen und daher eine Reduction vortäuschen. Wir sehen so, mit welcher grossen Vorsicht man beim Feststellen der Zahlenverhältnisse der Chromo- somen zuwege gehen muss. Es wäre von grossem Werthe, wenn 176 O.vom Rath: man die Mikrochromosomen, welche jedes Einzelchromosom zu- sammensetzen, zählen könnte. II. Die Periode der Reifung und der beiden letzten Theilungen'). Die Vorbereitungen zu einer neuen Theilung werden da- durch kenntlich, dass plötzlich und fast gleichzeitig sämmtliche ruhenden Zellkerne im gesammten Hoden in das Knäuelstadium eintreten, während nur einige wenige Zellen am blinden Ende der Follikelim Ruhezustand verharren und welche aus Analogiegründen als Regenerationszellen gedeutet werden können. Die verschie- denen Prophasen der Theilung habe ich in den Fig. 10—15 dar- gestellt. Bereits im Stadium des feinen Knäuels Fig. 12 konnte ich bei Pikrinessigosmiumsäure-Behandlung die Längsspaltung des Fadens erkennen, es fehlte aber, wie ich auf Zupfpräparaten feststellen konnte, jede Andeutung der bald nachher erfolgenden Quertheilungen, die im Stadium des groben Knäuels (Fig. 15) unverkennbar sind. Ein Nucleolus ist bis in dies Stadium (Fig. 11) deutlich wahrnehmbar geblieben, während ein zweiter (Fig. 12) völlig unsichtbar geworden ist. Soviel steht fest, dass die Nucleoli an dem Aufbau des chromatischen Fadens keinen direeten Antheil nehmen. Wie bei den Theilungen der Ursamen- zellen habe ich zwei winzige auseinanderweichende Centrosomen in seltenen Fällen bereits zur Zeit des feinen Knäuels erkennen können (Fig. 12). Auch bei den Theilungen der Tochterzellen möchte ich mich bei der Kleinheit des Objecetes in Betreff des ersten Auftretens der Centrosomen sowie über die Bildung der Spindel jeglichen Urtheils enthalten und nur erwähnen, dass mir hin und wieder Bilder zur Anschauung kamen, die für eine Ent- stehung der Spindel innerhalb des Zellplasma zu sprechen schienen (Fig. 12) und eine unverkennbare Aehnliehkeit mit den diesbe- züglichen Abbildungen Hermann ’'s (Nr. 6) beim Salamander ver- yiethen. Während aber früher bei den Ursamenzellen durch Quertheilungen des Doppelfadens stets 12 Segmente hervorgingen (Fig. 13b), wird der Doppelfaden jetzt nur an 6 Stellen der Quere nach durchgeschnürt; es kann folglich jeder der jetzt entstan- denen Abschnitte zwei Segmenten homolog gesetzt werden. Die Fadenabschnitte verkürzen sich nun und die Schwesterfäden jedes 1) Die Zahlenangaben der Abbildungen beziehen sich auf meine alte Gryllotalpa-Arbeit (Nr. 11b). Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduction in d.Samen- u. Eireife. 177 Doppelsegmentes verlöthen an ihren freien Enden miteinander (Fig. 13d), und so entstehen im Kerne 6 Chromatinringe, von denen jeder 4 Fadenstücken oder 4 Chromosomen homolog ist. Diese 6 Ringe jedes Kernes liegen der Kernperipherie dicht an, so dass man nur durch Heben und Senken des Tubus die Sechszahl feststellen kann; meist verdecken ein oberer und ein unterer Ring einander, so dass scheinbar nur 5 Ringe vorhanden sind. Dies Stadium (Fig. 13d), welches, wie wir nachher noch sehn werden, von grosser Wichtigkeit ist, hat nur kurze Dauer und kommt relativ selten zur Anschauung. Viel häufiger sieht man das nächstfolgende Stadium, in welchem sich aus jedem Ring 4 sternchenförmige, durch Linin mit einander verbundene Chromosomen herausdiffereneirt haben (Fig. 14 u. 15). Wir sehen so 6 Gruppen von je 4 Chromosomen oder 24 Einzelehromosomen. Es sind aber nun nicht nur je vier Chromosomen miteinander durch Linin verbunden, vielmehr sieht man auch feine Lininfäden von gekörneltem Aussehn zwischen den Chromosomen verschiedener Gruppen verlaufen, so dass sämmtliche 24 Chromosomen in einem gewissen Zusammenhang stehen, und späterhin durch die Con- tractionen des Linins von der Kernperipherie in das Kerninnere zusammengezogen werden. Da nun die 4 Chromosomen jeder Gruppe keineswegs in einer Ebene liegen, sind von einigen Gruppen oft nur zwei Chromosomen sichtbar, da die zwei ande- ren durch sie verdeckt werden (Fig. 15). : Sowohl für das Ring- stadium als für dieses Gruppenstadium sind Zupfpräparate von grossem Werthe. In Fig. 14 habe ich das Gruppenstadium etwas schematisirt nach einem Zupfpräparat und in Fig. 15 nach einem diekeren Schnitt in natürlichen Lageverhältnissen abgebildet. Mit grösster Aufmerksamkeit habe ich die Verbindungsfäden zwischen je 4 Chromosomen studirt, aber niemals eine Spur von chromatischer Substanz wahrgenommen, so dass die 4 Chromo- somen jeder Gruppe als Einzelehromosomen und nicht die Gruppen selbst als Einheiten aufgefasst werden müssen. Welche Bedeu- tung diese Frage hat, werden wir weiter unten noch besprechen. Die Zahl der Chromosomen ist folglich vor der ersten Theilung der Reifeperiode, aber nach der Ruheperiode (Periode II) von 12 auf 24 verdoppelt. Eine nähere Betrachtung einer sol- chen Gruppe (Fig. 14 u. 15) zeigt, dass die 4 Chromosomen in Form eines Vierecks (an den Ecken eines Quadrates) angeordnet sind; Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46. 12 178 OÖ. vom Rath: wie wir gleich noch näher ausführen werden, wird bei der ersten Theilung das Viereck durch eine dem einen Paar der Seitenwände parallele Theilungslinie getheilt und bei der zweiten Theilung ist die Theilungslinie senkrecht auf der ersten, geht also dem anderen Paar der Wände des ursprünglichen Vierecks parallel. Durch die beiden Theilungen entstehen so aus jeder der 6 Gruppen von 4Chromosomen 4 Spermatozoen, deren Jedes 6 Chromosomen und zwar je 1 Chromosom aus jeder Gruppe erhält. Der Verlauf der beiden Theilungen ist folgender: Anstatt, dass sich die 24 Chromosomen sämmtlich in der Aequatorialebene der Spindel aufstellen, ordnen sich die 24 Chromosomen (die Jetzt völlig rund erscheinen) in 2 parallelen Kränzen von je 12 Chromosomen an, sie stellen sich „zweireihig“ auf (Fig. 16 u. 19) und es wandern jetzt nach jedem Pol 12 ungetheilte Chromosomen, somit erhält jede Tochterzelle 12 Chromosomen, von denen auch wieder zwei und zwei einander genähert sind, ohne aber durch Chromatin miteinander verbunden zu sein (Fig. 17). Es stellen sich also bei der Spindelbildung jeweils die im Viereck angeord- neten Ohromosomen so in der Aequatorialebene auf, dass diese durch die Hälfte des Vierecks geht und dasselbe einer Seite parallel in zwei Hälften theilt. Hiermit ist die erste Reduetions- theilung vollzogen und die typische Zahl 12 (die auf 24 ver- doppelt war) wieder hergestellt. Bei der gleich auf die erste Theilung mit Ueberspringen des bläschenförmigen Ruhezustandes des Kernes erfolgenden zweiten Theilung (Fig. 22—25), die wie gewöhnlich senkrecht auf die erste stattfindet, werden auch jeweils die 2 zu einander gehörenden Chromosomen (Paarlinge) getrennt und jede der vier Enkelzellen (Fig. 25) hat jetzt 6 Chromosomen, womit die zweite Reductionstheilung vollzogen ist. Bei diesen Vorgängen ist vor allem dies festzustellen, dass beim Beginn der vorletzten Theilung die Zahl der Chro- mosomen das Doppelte der typischen Zahl beträgt, dass dann bei der vorletzten Theilung die verdoppelte Zahl auf die gewöhnliche Zahl redueirt und bei der letzten Theilung die gewöhnliche Zahl auf die Hälfte herabgesetzt wird. Betrachten wir nun einmal die beiden letzten Theilungen (Reductionstheilungen) vom rein histologischen Standpunkte aus, Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduction in d.Samen- u.Eireife. 179 so fallen sofort mehrere erhebliche Abweichungen von dem ge- wohnten Schema der Caryomitose auf, wie sie sonst im Thierreich nur noch bei der Bildung der Richtungskörper beschrieben sind. Erstens: Zwischen den beiden sofort aufeinander erfolgenden Theilungen gehn die beiden Tochterzellen nieht wie gewöhnlich ein Ruhestadium ein, womit zusammenhängt, dass die zweite Theilung ohne die gewohnten Vorbereitungen (Knäuelbildung und Fadenspaltung) stattfindet; zweitens ist zu beachten, dass bei beiden Theilungen auf der Höhe des Aequators keine Durch- schnürung der einzelnen Chromosomen stattfindet, vielmehr werden zweimal hintereinander die nur durch Linin miteinander verbun- denen Chromosomen (Paarlinge) definitiv von einander getrennt. Bei der Beurtheilung dieser eigenthümlichen Kerntheilungen wird man zunächst daran denken, dass die Theilungen der Chromosomen, welche sonst in der Aequatorialebene stattfinden (aber stets durch die Längsspaltung des Chromatinsfadens im Knäuelstadium vor- bereitet sind), bereits vorzeitig stattgefunden haben; es kann folglich die eine der beiden Trennungen der Chromosomen auf diese vorzeitige Spaltung des Chromatinfadens zurückgeführt werden, ob dies nun aber die erste oder die zweite Theilung ist, kann nach den Präparaten nicht mit Sicherheit entschieden werden, ich möchte eher an die zweite Theilung denken. Gegen diese Beschreibung der Reduetionsvorgänge bei Gryllotalpa erhebt Rückert folgende Bedenken: Ist nun der Beweis geliefert, dass die Reifung bei Gryllotalpa wirklich in dieser Weise vor sich geht? Ich glaube nein. Denn weder die Entstehung der Ringe, noch ihre Differenzirung zu Viererkugeln ist in überzeugender Weise dargelegt. Was den ersten Punkt anlangt, so sind in Fig. 13b die sechs Chromatinstäbe zu sehn, welche eine Längsspaltung insofern erkennen lassen, als ihre Chromatinkörner zweireihig angeordnet sind, die Spalthälften sind aber noch in ihrer ganzen Länge untereinander verbunden. Der Text springt gleich zu Fig. 13d über, in welcher an Stelle der sechs Stäbe ebensoviele, schon fertige Ringe vorhanden sind. Wie entstehen diese? So frage ich mit Boveri. Aus den Ab- bildungen ist nicht zu entnehmen, dass sie wirklich durch End- verklebung der Spalthälften sich bilden. Im Gegentheil, die in der Beschreibung übrigens nicht berücksichtigte Fig. 13e ist geeignet, eine ganz andere Vorstellung über die Entstehung der 180. Ö.vomRath: _ Ringe bei dem Leser zu erwecken. Hier sind die Stäbe hufeisen- förmig gekrümmt und es wird wohl jeder Unbefangene diese Hufeisen als Zwischenstufe zwischen den geraden Stäben der Fig. b und den Ringen der Fig. d ansehn, d. h. annehmen, dass die Ringe dureh völligen Schluss der Hufeisenfiguren sich bilden. Dann würde also aus jedem Stab unter Biegung und unter Ver- löthung seiner freien Enden ein Ring hervorgegangen sein, mit dessen Entstehung die Längsspaltung gar nichts zu thun hätte. Eine solehe Bildungsweise der Ringe würde, wenn das Weitere so verläuft, wie es vom Rath annimmt, eine Reduction im Sinne Ishikawas zur Folge haben, d. h. es würden bei den Reifungs- theilungen Elemente von einander geschieden werden, die aus- schliesslich durch Quertheilung des Fadens entstanden sind. Dass vom Rath dies in Wirklichkeit nieht annimmt, geht ja ganz klar aus der Beschreibung (nicht aus der Figurenerklärung) her- vor, aber es wird doch wohl niemand behaupten, dass die durch vom Rath vorgeführten Stadien, die von ihm postulirte Ent- stehung der Ringe wahrscheinlieh zu machen oder gar zu be- weisen im Stande seien. Wie steht es nun mit der Umwandlung der Ringe in Viererkugen? In Fig. 15d der eitirten Arbeit finden sich noch vollständig intakte Ringe, die sich nicht als eine Gruppe von vier sternehenförmigen Chromosomen erweisen, wie in der vorläufigen Mittheilung gesagt wird; auch im Text, der ausführlichen Arbeit ist ein solcher Bau nicht mehr erwähnt; es heisst hier nur, dass das Stadium relativ selten zur Anschauung kommt und dass im nächsten Stadium sieh aus jedem Ringe „vier sternchenförmige Chromosomen herausdifferenzirt haben“. Auf welche Weise dies geschieht, wird nicht gesagt und ist auch aus den Abbildungen nieht zu ersehen, denn die folgenden Figuren 14 und 15 zeigen gleich die fertigen Viererkugeln, deren Einzel- stücke schon weit von einander entfernt sind. Es ist aber klar, dass hier ganz verschiedene Möglichkeiten der Differenzirungen gegeben sind. Es kann der Ring durch Querspaltung in vier Stäbe zerfallen, was der Anschauung vom Rath’s entsprechen würde, er könnte aber auch eben so gut durch Quertrennung in nur zwei Stäbe zerlegt werden, die eine nochmalige Längs- theilung erleiden und sich verkürzen, was mit der Entstehung der Vierergruppen bei Ascaris sich in Einklang setzen liesse. Es hat also vom Rath auch dafür den Beweis nicht erbracht, dass Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduction in d. Samen- u. Eireife. 181 die Viererkugeln in der von ihm gewünschten Weise aus den Ringen hervorgehn. Ein soleher Nachweis wäre aber gerade jetzt noch nothwendiger als zu der Zeit, in welcher seine Arbeit erschien, nachdem inzwischen Brauer für Ascaris eine entgegen- gesetzte Ansicht in plausibler Weise demonstrirt hat.“ An einer anderen Stelle pag. 339 spricht sich Rückert dahin aus, dass er meine bei Gryllotalpa vertretene Auffassung zwar für richtig halte, dass ich aber den Beweis für die Richtigkeit meiner An- sicht schuldig geblieben wäre. „Ich bin hier nieht in der Lage (sagt Rückert) dem thatsächlichen Befund widersprechen zu müssen, schon deshalb nicht, weil es sich hier um ein anderes Objeet handelt, als um das meime. Im Gegentheil, da meine eigenen Beobachtungen an den ringbildenden Copepoden Diapto- mus und Heterocope in wesentlichen Punkten mit der Auffassung übereinstimmen, die vom Rath bei der Spermatogenese der Maul- wurfsgrille gewonnen, so zweifle ich nicht, dass die thatsäch- lichen Verhältnisse in der Hauptsache so liegen werden, wie er sie auffasst.‘“ Auf die Rückert’sche Kritik meiner Gryllotalpa-Arbeit habe ich folgendes zu erwiedern. Zunächst habe ich nieht wie Rückert bei der Eireife der Copepoden nur eine bestimmte Phase, welche sich auf die Ent- stehung der Vierergruppen bezieht, untersucht, vielmehr die ge- sammte Spermatogenese der Maulwurfsgrille; ich habe demge- mäss für alle Perioden der Samenbildung Abbildungen gegeben und keine Phase besonders bevorzugt. Die Zahlenverhältnisse der Chromosomen wurden ebenfalls für alle Perioden festgestellt. Dass ich nun nicht alle im Texte beschriebenen empirischen Be- funde abgebildet habe, kann Niemanden wundern; ich hätte an Stelle einer Tafel, deren eine grosse Zahl bringen müssen. Ich gebe zu, dass die für die Entstehung der Ringe und Vierergruppen gegebenen Abbildungen allein den im Texte beschriebenen Ent- stehungsmodus nicht in unzweideutiger Weise beweisen, ich frage aber: wozu ist denn eigentlich der Text da? Wenn nun Rückert behauptet, dass ich die Entstehung der Ringe und Vierergruppen gar nicht einmal wahrscheinlich gemacht hätte, so muss ich dem doch gleich gegenüber halten, dass dieser Autor bei seinen Stu- dien über die Eireife der Copepoden, die Ringe und Vierer in der- selben Weise in Wort und Bild enstehen lässt wie ich es für Gryllo- 182 O.vomRath: talpa, Salamandra, Rana sowie für die Eireife mariner Copepoden früher beschrieben habe. Wenn ferner Rückert meint, dass jeder „Unbefangene“ eine andere Entstehung der Ringe als ich „postu- lirte“* und eine andere Entstehung der Vierer als ich „gewünscht“ herauslesen würde, so muss ich wiederholen, dass ich bei der Anfertigung meiner Arbeit gar nichts postulirt oder gewünscht, vielmehr einfach meine empirischen Beobachtungen niederge- schrieben habe. Ich muss die ausdrücklich beschriebenen Phasen doch wohl wirklich gesehen haben, sonst hätte ich die Entstehung der Ringe und Vierergruppen schwerlich in einer völlig neuen, von der alten Annahme direct abweichenden Weise, dar- stellen können, die sich obendrein als völlig richtig herausgestellt hat. In der vorliegenden Arbeit habe ich nun meinen früheren Ab- bildungen einige neue eingefügt und ich denke, dass damit jetzt auch jeder Unbefangene zufrieden gestellt sein und keine andere Deutungen mehr versuchen wird. Hätte ich übrigens meiner früheren Arbeit gar keine Abbildungen beigegeben, so hätte Rückert einfach erklären müssen, dass seine eigenen Befunde in allen wesentlichen Punkten mit meinen Angaben im besten Einklang stehen; der einzige Vorwurf, der mir etwa gemacht werden kann, ist der, für die Phase der Ring- und Viererbildung nicht die genügende Zahl von Abbildungen gegeben zu haben. Gehen wir jetzt zu einer speciellen Beschreibung der Ent- stehung der Ringe und Vierergruppen über: Den Abbildungen, welche ich des besseren Verständnisses halber aus meiner früheren Arbeit entnommen habe, ist ausser der neuen Nummer die alte in Klammern beigefügt. In Fig. 1 (Fig. 9) sehn wir die letzte Generation der Ursamenzellen im bläschenförmigen Ruhezustand des Kernes. Wenn nun wirklich bereits im Dyaster oder Dispirem der letzten Theilung der Ursamenzellen eine Verdopplung der Chromosomen dureh vorzeitige Längsspaltung des Chromatinfadens stattgefun- den haben sollte, wie ich es für Salamandra beschrieb, aber auf meinen Gryllotalpa-Präparaten niemals erkennen konnte, so ist auf jeden Fall diese Verdopplung in dem Ruhestadium des Kernes völlig unkenntlich geworden. Erst in den Prophasen der nächstfolgenden Mitose (1 Reifungstheilung) ist eine Längsspaltung des Fadens wahrnehmbar Fig. 4 (Fig. 12). Schon in einem frühen Knäuelstadium, in welchem von einer Längsspaltung Neue Beiträge z.Frage d.Chromatinreduction in d, Samen- u. Eireife, 183 noch jede Andeutung fehlte, sah ich dagegen neben dem Kern zwei winzige, dunkel tingirte Centrosomen Fig. 3 (Fig. 11). Dieser Befund beweist schon allein, dass zwischen den Centrosomen und Nucleolen kein genetisches Verhältniss besteht wie es bei anderen Objeeten von verschiedenen Autoren angenommen wurde, da in diesem Stadium beide Nucleolen noch deutlich sichtbar sind und erst wesentlich später sich der Beobachtung entziehn. Es erfolgt nun eine Quertheilung des längsgespaltenen Chromatin- fadens in 6 längsgespaltene Segmente, während bei den übrigen Mitosen dieses Thieres, vielleicht mit Ausnahme der letzten Thei- lung der Ursamenzellen, stets eine Quertheilung in 12 längsge- spaltene Segmente zu bemerken ist. Da nun ein Ausstossen oder eine Atrophie von Chromatin in einer nachweisbaren Weise nicht stattgefunden hat und jedes der 6 Segmente durch besondere Länge und stärkeres Volumen auffiel, sprach ich die Ansicht aus, dass in Wirklichkeit jedes der 6 Segmente aus 2 Segmenten der gewöhnlichen Mitose bestehe, indem eime Querspaltung zwischen je 2 Segmenten ausfiel und durch die Vereinigung von je 2 solcher hintereinander gelegenen Segmente Doppelsegmente hervorgegangen seien. Auf das Vorkommen von solchen „doppel- werthigen Segmenten“ werden wir nachher noch zu sprechen kommen. Wenn ich nun auch für dies Stadium der Samenreife von Gryllotalpa keineswegs den direeten Beweis der Doppel- werthigkeit der Segmente beibringen konnte, so habe ich doch die „scheinbare“ Zahlenreduction der Chromosomen in einer plau- siblen Weise erklärt. Bei der Samenreife von Salamandra maculosa habe ich später den direeten Beweis der Doppelwerthigkeit der Segmente der Mitosen der Ursamenzellen liefern können, indem ich nachwies, dass bei der vierten Generation der Ursamenzellen, welche erst durch meine Untersuchungen bekannt wurde, die Doppel- segmente sich in Einzelsegmente auflösen; ähnliche Verhältnisse wurden bei anderen Objeeten mittlerweile durch andere Autoren beschrieben. Bei dem Stadium der Quertheiluing des Doppelfadens in 6 längsgespaltene Segmente beginnen nun die Rückert’schen Einwände. Es heisst da zunächst: „In Fig. 13b sind die sechs Chromatinstäbe zu sehn, welche eine Längstheilung insofern er- kennen lassen, als ihre Chromatinkörner zweireihig angeordnet sind, die Spalthälften sind aber noch in ihrer ganzen Länge 184 O. vom Rath: untereinander verbunden.“ Die Längsspaltung tritt in der Fig. 13b allerdings nicht besonders deutlich in Erscheinung, da der Litho- graph einen zu starken Schatten zwischen die Spalthälften ge- legt hatte. Da nun aber die Längsspaltung im vorhergehenden Stadium schon vor den Quertheilungen sehr deutlich Fig. 4 (Fig. 12) zu sehn ist, kann an der Existenz der Längsspaltung gar kein Zweifel sen. Ich erinnere beiläufig daran, dass längsgespaltene Segmente häufig wieder nachträglich mit einander verbacken, woran theils die Conservirung, theils nicht näher zu erkennende andere Gründe die Ursache sind; auf solehe nachträgliche Ver- backungen hat beispielsweise Flemming mehrfach aufmerksam gemacht. Wenn nun Rückert die Längsspaltung: in diesem Stadium (Fig. 13b) nicht zugeben will, müsste er zugestehn, dass Chromatinkörner nicht immer einreihig im Knäuel angeordnet sind, sondern auch zweireihig nebeneinander stehen können. Dies Zugeständniss wäre aber für Rückert verhängnissvoll, indem er sich an einer anderen Stelle sehr scharf darüber äussert, dass Weismann die Möglichkeit ausgesprochen hat, dass gelegentlich die Ide zweireihig angeordnet sein können. Die Weismann’schen Ide sind aber nichts anderes als die Unterabtheilungen eines Chromosoms (= Idanten), und Ide und Mikrochromosomen decken sich im Wesentlichen. Ein zweiter Einwand Rückert’s ist folgender: „Wie ent- stehn die 6 geschlossenen Ringe der Fig. 7 (Fig. 13d) aus den 6 längsgespaltenen Segmenten?“ (Rückert nennt meine Seg- mente Stäbchen, was mir nicht recht passend zu sein scheint, da es sich um bogenförmige oder hufeisenförmig gekrümmte, durch Quertheilung entstandene Abtheilungen (Segmente) des ursprünglichen Knäuels handelt. Rückert betont nun aus- drücklich, dass die Figur 13e geeignet sei, bei jedem Unbefangenen die Ansicht hervorzurufen, dass die hufeisenförmig gekrümmten Stäbchen sich völlig schliessen und so die Ringe entstehn. „Dann würde, sagt dieser Autor, aus jedem Stab unter Biegung und unter Verlöthung seiner freien Enden ein Ring hervorgegangen sein, mit dessen Entstehung die Längsspaltung gar nichts zu thun hätte.“ Auf den ersten Blick hat dieser Einwand etwas bestechendes, bei näherem Zusehn erweist er sich aber als völlig haltlos. Meine alte Figur 13a kann ganz wegfallen, da sie nach einem Schnitt gezeichnet wurde, auf welchem begreiflicher Weise Neue Beiträge z. Frage d. Chromatinreduction ind. Samen-u.Eireife. 185 weder die Zahl der Segmente noch deren wirkliche Länge zur Anschauung ‘kommen konnte, da die Segmente angeschnitten wurden. Die übrigen Figuren der Abbildung 13 sind aber, wie be- reits früher erwähnt wurde, nach Zupfpräparaten gezeichnet und stellen ganze Zellen dar. Ich habe die drei Figuren 13b, eu. d mit geringfügigen Veränderungen copirt und eine neue Figur 5b, welehe unmittelbar neben solehen Bildern gesehen wurde, hinzu- gefügt. Die Aufeinanderfolge der Abbildungen konnte nun weder früher noch heute mit Sicherheit angegeben werden, da man hier leider auf Combiniren angewiesen ist und obendrein diese Stadien nur selten und auf Zupfpräparaten sogar nur sehr selten zur Anschauung kommen. Gehn wir nun von den fertigen 6 Ringen der Fig. 7 (Fig. 13d) aus, so könnte man ohne Kenntnissnahme meines Textes allerdings zwei Möglichkeiten für die muthmass- liche Entstehung derselben anführen. Rückert meint, jeder Unbefangene würde 13e auf 13b folgen lassen und durch völligen Schluss der Hufeisen die Ringe herleiten. Wenn aber dieser Entstehungsmodus der Ringe wirklich der richtige wäre, würde jeder Ring in Wirklichkeit ein Doppelring sein, da ja die hufeisen- förmig gebogenen Segmente bereits längsgespalten sind. Derartige Doppelringe sind nun aber bis jetzt niemals beobachtet worden, und ihr Vorkommen ist schon deshalb sehr unwahrscheinlich, als bei der ersten Theilung jeder Tochterkern die Hälfte eines sol- chen Doppelringes erhalten würde; damit würden nicht identische Idanten von einander geschieden werden und nicht die Spalthälften der durch die Längsspaltung entstandenen Schwestersegmente und die Theilung wäre eine ächte Reductionstheilung, gegen welche kein Mensch einen Einwand erheben könnte. Dass nun aber ein soleher völlig alleinstehender Entstehungsmodus von Ringen bei Gryllotalpa in Wirklichkeit nicht stattfindet, vielmehr die Ringe genau so entstehn wie ich es früher im Texte angab, näm- lich durch Verlöthung der freien Enden der Schwesterdoppel- segmente, geht mit Sicherheit aus der neu eingefügten Figur 6 her- vor. Dieser Entstehungsmodus von Ringen ist zur Zeit hinlänglich bekannt, indem wir beispielsweise bei den Prophasen der hetero- typen Theilung ganz ähnliche Vorgänge kennen gelernt haben. Wer meine Untersuchungen über die heterotype Theilung des Salamandrahodens und die ersten Furchungszellen von Ascaris megalocephala N. I1d gelesen hat, wird sich davon überzeugt 186 O.vomRath: ‘ haben, dass Ringe aus längsgespaltenen hufeisenförmigen Seg- menten in der von mir angegebenen Weise entstehn, ohne dass die Hufeisen sich schliessen, indem vielmehr die an den ur. sprünglich freien Enden der Schwestersegmente verlötheten Schenkel eine Verzerrung zu einer Achterfigur und dann zur Ringform erfahren. Beiläufig möchte ich hier noch erwähnen, dass meine diesbezüglichen Untersuchungen über die hetero- type Mitose der ersten Furchungszellen von Asearis durch eine kurz nachher erschienene, von meiner Untersuchung völlig unabhängige Arbeit von Herla N. 7, in allen wesentlichen Punkten bestätigt wurde. Herla glaubt allerdings Ascaris megalocephala univalens vor sich zu haben, während es sich nach meinen Präparaten um bivalens handelt. Jeder „Unbe- fangene* wird, falls er auf dem Gebiete der Kerntheilungs- vorgänge und der Reductionsfrage Vorkenntnisse besitzt, meine Entstehung der Ringe von vornherein auch ohne die neu einge- fügte Figur 6, welche die gesammte Frage allein schon zu Gunsten meiner alten Deutung entscheidet, als recht plausibel ansehen müssen; hat der Unbefangene aber keine diesbezüglichen Vor- kenntnisse, so kann man ihm nur rathen, eigene Deutungen der Befunde anderer Autoren zu unterlassen, da dadurch nur un- nöthige Schwierigkeiten in eine ohnehin schon schwierige Frage künstlich hineingetragen werden. Späterhin werden wir übrigens noch sehn, dass derselbe Entstehungsmodus von Ringen ebenfalls von anderen Objeceten in genau derselben Weise wie bei Gryllo- talpa von mir nachgewiesen wurde, ja dass derselbe Modus von Rückert selbst für die Eireife der Copepoden beschrieben wurde, nachdem ich allerdings für marine Copepoden schon früher eben- falls diesen Modus festgestellt hatte. Rückert erhebt nun auch gegen meine Darstellung der Entstehung der Vierergruppen aus den Ringen Bedenken. Ich hatte die Entstehung der Ringe und Vierer- gruppen wie folgt beschrieben. Die 6 Fadenabschnitte (Segmente) verkürzen sich und die Schwesterfäden verlöthen an ihren freien Enden mit einander und so entstehn im Kern 6 Chromatinringe, von denen jeder 4 Fadenstücken (Segmenten) oder 4 Chromo- somen homolog ist. Diese 6 Ringe jedes Kerns liegen der Kern- peripherie dicht an, so dass man nur durch Heben und Senken des Tubus die Sechszahl feststellen kann; meist verdecken ein oberer und ein unterer Ring einander, so dass scheinbar nur Neue Beiträge z. Frage d. Chromatinreduction ind. Samen-u.Eireife. 187 5 Ringe vorhanden sind. Dies Stadium, welches, wie wir nach- her noch sehn werden, von grosser Wichtigkeit ist, hat nur kurze Dauer und kommt relativ selten zur Anschauung. Viel häufiger sieht man das folgende Stadium, in welchem sich aus jedem Ring 4 sternehenförmige, durch Linin verbundene Chro- mosomen herausdiffereneirt haben. Dagegen bemerkt Rückert: „Es kann der Ring durch Querspaltung in vier Stücke zerfallen, was der Auffassung vom Rath’s entsprechen würde, er könnte aber ebensogut durch Quertrennung in nur 2 Stäbe zerlegt wer- den, die eine nochmalige Längstheilung erleiden und sich ver- kürzen, was mit der Entstehung der Vierergruppen bei Asearis sich in Einklang setzen liesse.“ Zunächst ist die Entstehung der Vierergruppen bei diesem Spulwurm keineswegs über jeden Zweifel erhaben, wenn aber wirklich die Vierer in der eben von Rückert angegebenen Weise bei Gryllotalpa entstehn würden, entspräche die Pildung derselben gar nicht der der Vierer bei Ascaris. Bei Ascaris megalocephala gibt es gar keine Ringbildung, es kann demnach bei diesem Spulwurm auch keine Längsspaltung der Ringhälften eintreten, vielmehr soll die angebliche zweite Längs- spaltung desChromatinfadens unmittelbar auf die erstefolgen. Würde thatsächlich bei Gryllotalpa die Viererbildung sich in der von Rückert erwähnten Weise vollziehn, so würde zwischen der ersten und zweiten Längsspaltung ein relativ langer Zeitraum liegen, in welchem wichtige andere Veränderungen von Statten gegangen sind, z. B. Quertheilung des längsgespaltenen Fadens, ferner Ringbildung der durch die Quertheilung entstandenen Seg- mente. Es muss hier auch daran erinnert werden, dass wenn die Ringbildung, wie vorher erwähnt wurde, nach dem von Rückert als wahrscheinlich bezeichneten Modus verlaufen würde, jeder Ring bereits ein Doppelring wäre; würde dann noch eine zweite Längsspaltung eintreten, hätten wir gar 4 in einander geschachtelte Ringe. Der Einwand, eine zweite Längs- spaltung hätte übersehen werden können, kann übrigens den Arbeiten sämmtlicher Autoren, welche eine nur einmalige Längs- spaltung annehmen, also auch den Rückert’schen Unter suchungen gemacht werden. Mir scheint dass der letzte Einwand Rückerts der schwächste von allen ist. Die Ringe und Vierer entstehn, wie ich in meiner vorstehenden Diseussion gezeigt und dureh Einfügen einiger neuen Abbildungen direct beweisen 188 O.vomRath: konnte, genau so wie ich es früher angegeben hatte. Der weitere Verlauf der Samenreife von der Bildung der Vierergruppen an ist fernerhin ebenfalls so, wie ich es in meiner alten Arbeit be- schrieben habe. In Figur 11 sehn wir in der Seitenansicht und in der Figur 12 vom Pole aus wie die Vierer sich allmählich in einer Spindel gruppiren und sich schliesslich im Aequator auf- stellen. Figur 13 zeigt dann die Vierer in der Seitenansicht im Aequatorialplattenstadium; in Figur 14 sehn wir die kranz- förmige Anordnung der Chromosomen vom Pol aus betrachtet; die 12 anderen Chromosomen werden durch die 12 gezeichneten verdeckt. Alles Uebrige bitte ich in der alten Arbeit N. 11b nachzusehen. Was übrigens die vier sternchenförmigen Chromo- somen anbetrifft, die ich in meiner vorläufigen Mittheilung er- wähnte, in der definitiven Arbeit aber nicht weiter besprach, so betrifft dies ein Uebergangsstadium zwischen den Ringen und den Vierergruppen, ich habe dasselbe nur selten zur Anschauung bekommen. Das Chromatin der Ringe lässt zuerst 4 knoten- förmige Anschwellungen erkennen und auf diese Knoten oder Kugeln (Fig. 8) zieht sich allmählich das gesammte Chromatin zurück, so dass die Kugeln schliesslich nur noch durch Linin untereinander in Verbindung stehen. Ob nun wirklich die erste Theilung der Reifeperiode ebenso eine Reductionstheilung ist wie die zweite, wie ich es in meinen Arbeiten angab, oder wie Rückert will, eine Aequationstheilung, soll am Schluss des Aufsatzes des Näheren in Verbindung mit anderen Streitfragen besprochen werden. Ich will hier nur darauf hinweisen, dass man den eben entstandenen Vierergruppen und den im Aequator der ersten Reifungstheilung aufgestellten, unmöglich ansehn kann, in welcher Anordnung die Vierer sich im Aequator gruppirt haben, ob namentlich bei der ersten Thei- lung die durch die Längsspaltung des Chromatinfadens entstandenen Schwestersegmente zuerst von einander getrennt werden, oder ob zuerst die unterbliebene Quertheilung stattfindet. Während nun Rückert meine Gryllotalpa-Arbeit sehr ge- nau durchgelesen und auf wunde Punkte hin sehr sorgfältig ge- prüft hat, ist meiner Salamandraarbeit von demselben Autor keineswegs die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt worden. In Nr. 12e werden meine Befunde über die Reduction in der Sper- matogenese von Salamandra maculosa ganz beiläufig erwähnt, in Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduction in d.Samen- u. Eireife. 189 der anderen Arbeit Nr. 12d allerdings etwas eingehender, dagegen werden höchst wiehtige andere Befunde einfach ignorirt. Meine An- gaben über die Ring- und Viererbildung in der Samenbildung der Frösche werden mit keinem Wort erwähnt, obgleich dieselben, wie ich ausdrücklich hervorhob, mit den entsprechenden Vorgängen in der Samenreife von Gryllotalpa die grösste Aehnliehkeit haben, während innerhalb der Samenreife von Salamandra und Tritonen einerseits und der von Fröschen und Kröten andererseits einige Verschiedenheiten bestehn. Auch meine Angaben über die Ei- reife mariner Copepoden werden nur ganz kurz erwähnt; ich wies ausdrücklich auf die überaus grosse Uebereinstimmung der Vor- gänge in der Eireife dieser Thiere mit den Vorgängen bei der Samenreife von Gryllotalpa und Amphibien zumal aber Rana hin. Dass aber in der Samen- und Eireife von Arthropoden und Verte- braten die gleichen Vorgänge die Reduction herbeiführen, ist von der grössten Wichtigkeit. Die allgemeinen Gesichtspunkte meiner Untersuchungen wurden ebenfalls nur sehr dürftig her- vorgehoben. Ich gebe gern zu, dass es schwieriger ist, ein kri- tisches Referat völlig unparteiisch zu geben, als eine kritiklose Aufführung der wesentlichsten Resultate. Der kritische Referent kann Alles weglassen, was ihm für die Entscheidung der be- treffenden Frage nebensächlicher Natur zu sein scheint. Ist aber der Kritiker auf dem betreffenden Gebiete selbst Autor, so erweckt es leicht den Anschein, wenn prineipiell wichtige Resultate unbesprochen bleiben, als ob der Referent nicht völlig unparteiisch vorgegangen wäre. Dass es sich im vorliegenden Falle offenbar nur um ein Ueber- schen und nieht um ein absichtliches Ignoriren handelt, glaube ich nieht weiter betonen zu müssen. Ich habe seither die Ent- stehung der Ringe und Vierergruppen in der Spermatogenese der Frösche eingehender studirt und ich will im Folgenden an der Hand einiger Abbildungen diese Vorgänge noch etwas näher be- schreiben. Zuvor möchte ich aber von den an verschiedenen Stellen meiner Salamandra-Arbeit befindlichen beiläufigen Angaben über die Samenreife von Rana wenigstens den wichtigsten Passus wörtlich wiederholen: „Während die Samenbildung der Wassersalamander (unter- sucht wurden Triton eristatus, alpestris und palmatus) im Wesent- lichen mit der des Feuersalamanders übereinstimmt, fand ich einigermassen abweichende Verhältnisse in der Spermatogenese 190 Ö.vomRath: der Frösche. In Bezug auf die uns hier in erster Linie interes- sirenden Gesichtspunkte, Entstehung der Vierergruppen, Ringbil- dungen ete., zeigen letztere eine grössere Aehnlichkeit mit Gryllo- talpa. Die Prophasen der ersten Mitose vor der Reifungsperiode haben zwar bei Rana eine grosse Achnlichkeit mit den Knäuel- stadien der heterotypen und homöotypen Variante des Salaman- ders, dagegen fehlen die für die heterotype Mitose einerseits, die homöotype andererseits beschriebenen charakteristischen Eigen- thümlichkeiten der Metakinese. In gleicher Weise wie bei Gryllo- talpa vereinigt sich jedes chromatische Doppelsegment mit dem durch die Längsspaltung entstandenen Schwester-Doppelsegment, und aus je vier so verbundenen Segmenten entsteht wiederum ein Ring. Die Ringe sind offenbar in Folge starker Kontraetion der Segmente relativ klein, aber gleichmässig diek, während sie bei Gryllotalpa unregelmässig und höckerig waren. Aus jedem Ring differenziren sich nun in der bekannten Weise vier Kugel- chromosomen heraus. Das Ringstadium bei Rana dürfte ziem- lich lange andauern, da man dasselbe überaus häufig zur An- schauung bekommt, während dasselbe, wie früher schon betont wurde, bei Gryllotalpa nur in relativ seltenen Fällen von mir be- obachtet werden konnte. Die Ringe von Rana liegen wie bei Gryllotalpa, Salamandra ete. der Kernperipherie dicht an. Das Auftreten der Ringe und die Umwandlung der Vierergruppen findet in jedem Kern in gleichmässiger Weise statt, so dass man entweder nur Ringe oder nur Kugelehromosomen vorfindet.“ Einen wesentlichen Unterschied in der Samenreife von Rana esculenta und Rana fusea habe ich nicht auffinden können; auch schien mir die Zahl der Chromosomen in beiden Species 24 zu betragen. Bei einer der beiden Species, die ich vor Jahren als Rana fusca bestimmt hatte, war die typische Zahl auf jeden Fall 24 und es fanden sich 12 Ringe und 12 Vierergruppen vor, was mit den bis jetzt bekannt gewordenen Zahlenverhältnissen der Chromosomen in gutem Einklang steht. Auf die Theilungen der Ursamenzellen will ich hier nicht eingehen, da ich über diese Stadien keine besonders interessante Aufschlüsse erhalten habe. Auf jeden Fall folgt auf die letzte Theilung derselben wie bei . Gryllotalpa aber im Gegensatz zu Salamandra ein typisches Ruhe- stadium mit bläschenförmigem Kern. Die Prophasen der ersten Reifungstheilung sind von beson- NeueBeiträge z. Frage d.Chromatinreduction in d. Samen- u. Eireife. 191 derem Interesse, da die Spiremstadien eine grosse Aehnlichkeit mit denen der heterotypen und homöotypen Theilung des Sala- manderhodens aufweisen und das Chromatin in einem überaus lockeren Knäuel erkennen lassen. Die Längsspaltung des Chro- matinfadens ist bei geeigneter Conservirung recht früh kennt- lich und dann erfolgt eine Quertheilung in nur 12 längsgespaltene Segmente, während bei den übrigen Mitosen stets 24 Segmente (Chromosomen) zu zählen sind. Es handelt sich hier aller Wahrscheinliehkeit nach auch wieder um doppelwerthige Seg- mente, die ihren Ursprung dem Unterbleiben einer Quertheilung verdanken. Wie bei Gryllotalpa und anderen Objeeten habe ich auf ein etwaiges Ausstossen von Chromatin geachtet, ohne aber hierfür die geringste Andeutung zu finden. Auch von einer dop- pelten Längsspaltung des Chromatinfadens kann keine Rede sein. Wie bei der heterotypen Theilung der Ursamenzellen des Sala- manders bilden sich jetzt Ringe, indem die längsgespaltenen Segmente, oder besser gesagt Schwesterdoppelsegmente, an ihren freien Enden verlöthen. Es kommt aber hier ebensowenig wie bei Gryllotalpa und wie ich es nachher noch für die Copepoden be- sprechen werde zu einer wirklichen heterotypen Theilung mit den charakteristischen knopfförmigen Anschwellungen der Ringe im Aequator, vielmehr erfolgt zunächst eine auffallende Verkleine- rung der Ringe, die in der Zahl 12 mit grosser Häufigkeit ge- funden werden. Die Phase der kleinen Ringe ist offenbar von langer Dauer, doch ist die äussere Gestalt der Ringe eine recht verschiedene. Das Stadium der Verlöthung der durch die Längs- spaltung entstandenen Schwesterdoppelsegmente ist relativ kurz und ich fand nie 12 völlig geschlossene grosse Ringe gleich- zeitig, vielmehr war die Verlöthung bei einigen Ringen eine deut- liche, bei anderen Schwestersegmenten waren aber im gleichen Kern die Enden frei und die Segmente lagen einander dicht an. Ein solches Stadium habe ich in Figur 15 abgebildet. In Figur 16 habe ich das Stadium der kleinen Ringe wiedergegeben, doch liegt zwischen beiden Phasen eine Uebergangsform, in wel- cher die Ringe schon recht klein aber gleichmässig diek sind und eine Andeutung einer Viertheilung nicht erkennen lassen, die in der Abbildung Figur 16, welche auf dies Stadium folgt, ziemlich deutlich kenntlich ist. Durchgängig sieht man, dass jeder Ring aus zwei nur lose mit einander verbundenen Halb- 192 O.vomRath: bringen besteht und jeder Halbring lässt seinerseits wieder zwei Unterabtheilungen erkennen, die allerdings in einem festeren Zu- sammenhang stehen. Häufig genug sieht man nun, dass der Halbring aus 2 verbundenen Kugeln besteht und die beiden zu einander gehörigen Halbringe bilden so je eine Vierergruppe, deren Unterabtheilungen die Kugelform bald deutlich bald weniger deutlich erkennen lassen. Wenn nun die Vierergruppen sich all- mählich von der Peripherie dem Kerncentrum genähert haben und sich im Aequator der ersten Reifungsspindel aufstellen, er- kennt man je nachdem man eine genaue Seitenansicht oder eine schräge vor sich hat entweder die ganzen Vierergruppen oder nur zwei Abtheilungen derselben und die Figur hat mehr die Form von Ringen mit vier Unterabtheilungen als von vier selbständigen Kugeln, wie sie bei Gryllotalpa oder Salamandra so deutlich sind. Sobald aber die Tochterplatten nach den Polen ausein- anderwandern, erkennt man deutlich die zwei Kugeln jedes Halb- ringes. Dass bei der zweiten Theilung, die wieder mit Ueber- springen des bläschenförmigen Ruhezustandes des Kernes sofort auf die erste folgt, die beiden Kugeln jedes Halbringes von einander getrennt werden (Figur 21), ist nach den bis jetzt be- kannten Vorgängen bei anderen Objeeten nicht zu verwundern. Bei der ersten Theilung bekam jeder Tochterkern 12 Doppel- kugeln — 24 Chromosomen; bei der zweiten Theilung erhält jeder Toehterkern 12 einfache Kugeln = 12 Chromosomen. In Fig. 17 sehn wir die Vierergruppen in einer. Polansicht bevor sie sich im Aequator aufgestellt haben; je 2 Kugeln ver- decken die 2 anderen darunter gelegenen Kugeln. In Fig. 18 haben wir die Ansicht der ersten Reifungstheilung von der Seite in Fig. 19 vom Pol aus gesehn. In Fig. 20 haben sich die Tochterplatten getrennt und bewegen sich nach den Polen der Spindel. In Fig. 21 ist die zweite Reifungstheilung in der Seitenansicht und in Fig. 22 in der Polansicht dar- gestellt. Auf weitere Angaben über die Spermatogenese der Frösche möchte ich hier nieht weiter eingehen, da es mir nur darauf ankam, die Entstehung der Ringe und Vierergruppen etwas näher an der Hand von Abbildungen zu schildern wie früher und weil ich auf die grosse Aehnlichkeit der entsprechenden Vorgänge in der Samenbildung eines Inseets (Gryllotalpa) und der eines Wirbelthieres (Rana) nachdrücklicher hinweisen wollte, Neue Beiträge z.Frage d.Chromatinreduction in d.Samen- u.Eireife. 193 Dass bei Salamandra im Prineip dieselben Vorgänge stattfinden, brauche ich nicht zu wiederholen, doch ist bei Salamandra manche Abweichung von dem einfachen Modus der Entstehung der Ringe und Vierer, wie ich es für Gryllotalpa und Rana be- schrieb, zu erkennen. Auf eine nähere Besprechung der Sperma- togenese von Salamandra trete ich hier nicht noch einmal ein und ich verweise!) auf meine eingehende Arbeit N. Ile. Ich habe seit dem Erscheinen dieser Schrift meine Untersuchungen über die Spermatogenese und Ovogenese dieses Thieres zu ver- schiedenen Zwecken fortgesetzt und habe genau dieselbe Reihenfolge der Stadien, wie ich sie in Wort und Bild vorge- führt habe, auch im vorigen Jahre wieder eonstatiren können. Da ieh nun obendrein bei Tritonen und zumal bei Triton palmatus dieselben Vorgänge wie bei Salamandra zumal im Monate Juli mit grosser Regelmässigkeit bei einer grösseren Anzahl von 1) Wie ich ausführlicher zeigte, erfolgt bei Salamandra die Bil- dung der Kugelchromosomen keineswegs bei allen 12 Gruppen gleich- zeitig und auch in den Henking'schen Abbildungen von Pyrrho- coris sind in den Kernen zur Zeit der Umbildung theils Ringe, theils fertige Vierergruppen angegeben. Ob nun aber die vier Kugelehromo- somen, die aus dem Ringe sich herausdifferenziren, ihrer feineren Zu- sammensetzung und Qualität nach genau den vier Chromosomen ent- sprechen, die in die Ringbildung eingetreten sind, oder, um mit Weismann zu reden, ob die vier Kugelidanten dieselben Ide haben wie die vier Idanten, welche den Ring bildeten, ist nach den Präpa- raten nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Dass eine Umkombinirung der Ide bei der Entstehung des Ringes einerseits und der Bildung der Vierergruppen andererseits wohl stattfinden kann, muss zugegeben werden. Ich habe nun bei meinen vergleichenden Studien über die Sper- matogenese und Ovogenese bei manchen Metazoen zwar unverkenn- bare Vierergruppen, aber keine typischen Ringbildungen auffinden können, so dass, falls es überhaupt bei diesen Formen zu einer Ring- bildung kommt, dieses Stadium schnell vorübergeht, wahrscheinlich aber überhaupt gar nicht auftritt. Die beiden zusammengehörigen Doppelsegmente scheinen in diesem Falle einfach eine Trennung in Einzelsegmente und eine gleichzeitige Verkürzung auf Stäbchenform zu erfahren und. aus den vier Stäbchen entstehen durch weitere Kon- traktion vier Kugeln. In anderen Fällen kommt es zwar zu einer Ringbildung, aber nicht zu einer Viererbildung, es stellen sich dann die Ringe in dem Aequator der Spindel auf, sie werden durch die erste Theilung halbirt und durch die zweite Theilung werden dann die Halbringe geviertelt. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46. 13 14 OÖ. vom Rath: Exemplaren antraf, muss der Gedanke, dass die von mir vor- geführten Stadien nicht in den Entwicklungseyclus der Samen- zellen gehören, sondern Aberrationen darstellen, gänzlich fallen gelassen werden. Dass die Reductionsfrage gerade bei Salamandra maculosa besonders schwer zu entscheiden ist, habe ich früher selbst hervorgehoben und es hat auch Rückert wiederholent- lich darauf aufmerksam gemacht. Auch bei Triton ist die letzte Theilung der Ursamenzellen eine unverkennbar heterotype und diese Generation ist gleichfalls durch besondere Grösse ausge- zeichnet. Zwischen der vorletzten und und letzten Theilung liegt offenbar eine längere Pause, während welcher die Kerne wieder heranwachsen und dieselben befinden sich vor Beginn der letzten Theilung in einem ganz exquisitiven Ruhestadium, wie ich es l. e. Tafel VII für Salamandra abgebildet habe. Neben dem Kern fand ich auch bei Triton wie in Figur 4 für Salamandra gezeichnet ist, meist 2, hin und wieder aber nur 1 Kugel und ich zweifle nicht mehr daran, dass es sich thatsächlich um Sphären handelt, da ich innerhalb dieser Kugeln regelmässig ein oder zwei Oentrosomen antraf. Bei Salamandra habe ich in Fig. 4 in der Kugel rechts ein Centralkörperchen angedeutet, meine Präparate waren damals etwas dunkel gerathen, so dass in den tief schwarzen Sphären die als Centrosomen zu deu- tenden Körner nur hin und wieder zur Anschauung kamen. Meine Befunde bei Triton sind nun denen bei Salamandra so ähnlich, dass die Fig. 5—14 der Tafel VII ebensogut für Triton palmatus gelten können. Zwischen der letzten Theilung der Ursamenzellen und der ersten Reifetheilung fehlt auch bei Triton ein Ruhestadium. Im Dyaster der letzten Thei- lung findet nämlich wieder eine secundäre Längsspaltung der eigenthümlich verdiekten Schleifen statt und diese wandeln sich durch Verkürzung jedes Schleifenschenkels auf Kugelform und Durehbruch an der Umkniekungsstelle der Schleifen in Kugel- chromosomen um. Meine Darstellung des Reduetionsvorganges bei Salamandra maculosa hat im Grossen und Ganzen bei den Autoren Zustim- mung erfahren, auch Rückert findet meine Deutung plausibel. Flemming spricht sich allerdings in seiner bekannten vor- sichtigen Weise über meine Befunde folgendermaassen aus: „Ich gebe es angesichts der neuen Erfahrungen über diesen Neue Beiträge z. Frage d. Chromatinreduction in d.Samen-u. Eireife. 195 Vorgang und die bezüglichen Vierergruppen bis auf Weiteres als sehr wohl möglich zu, dass diese Deutung das Richtige trifft; nur müsste dann in diesem Stadium auch Neigung zu atypischen Mitosen bestehn, da ja, wie auch vom Räth zulässt, ein Theil der von mir beobachteten Formen pluripolar und gewiss nicht typisch war.“ Es kommen nun thatsächlich bei Salamandra maeulosa und bei Tritonen gerade bei den beiden letzten Thei- lungen der Reifephase aberrante Theilungen nicht eben selten vor, bei manchen Individuen sogar überaus häufig; ich fand aber pluri- polare Mitosen und sonstige Aberrationen ebenfalls bei den letzten Theilungen der Samenreife recht häufig bei Astacus und vielen anderen Metazoen. Beiläufig möchte ich bemerken, dass ich die verschiedensten Abweichungen der Mitose in den ersten Furchungs- zellen von Ascaris megalocephala bivalens und ebenso bei Echinus mikrotubereulatus antraf, ohne irgend eimen plausiblen Grund für solche auffälligen und häufigen Aberrationen, die man be- kamntlich mit leichter Mühe auch künstlich hervorrufen kann, ausfindig machen zu können. Dass nun meine Untersuchungen über die Reduction in der Samenreife von Salamandra und Rana von grosser Wichtigkeit waren, braucht nicht weiter hervorgehoben zu werden, da bei keinem Wirbelthier früher die Reductionsvorgänge in der Sper- matogenese bekannt waren und die Uebereinstimmung dieser Vorgänge mit denen der Arthropoden eine auffallende ist. Ueber die Eireife der Copepoden mit speeieller Berücksich- tigung der Frage von der Entstehung der Vierergruppen. Das Studium der Ovogenese der Copepoden hat sich be- kanntlich für die Beurtheilung einiger Phasen als besonders günstig herausgestellt, während dieselben Thiere für die Entschei- dung der Gesammtfrage der Reduction der chromatischen Elemente weniger geeignet sind. So ist zwar die Entstehung der Vierer- gruppen mit befriedigender Sicherheit festzustellen, die Theilungen der Ureizellen und die betreffenden Zahlenverhältnisse der Chro- mosomen sind aber. in Folge der Kleinheit der Zellen und deren Kerne nur recht ungenügend beschrieben worden. Dass aber gerade die Theilungen der Urei- und Ursamenzellen überaus wichtige Aufschlüsse über die gesammte Reduetionsfrage geben w 196 ÖO.vomRath: können, glaube ich an den Ursamenzellen von Salamandra maeu- losa deutlich genug bewiesen zu haben, da bereits bei den Ur- samenzellen, ja wie ich mehrfach feststellen konnte, schon wesentlich früher, nämlich bereits vor der geschlechtlichen Diffe- reneirung dieses Thieres, die indifferenten Keimzellen, die schein- bar redueirte Chromosomenzahl 12 statt 24 haben. In dem letzten Abschnitte dieses Aufsatzes werden wir auf diese und andere für die Reduetionsfrage besonders wichtige Gesichtspunkte noch näher zu sprechen kommen. Ueber die Eireife der Copepoden liegen bekanntlich Arbeiten von Ishikawa N. 10 über Diaptomus, vonHäcker N. 5 über Cyelops und Canthocamptus vor, ferner beiläufige Bemerkungen von mir über die Ei- und Samenreife hauptsächlich mariner Copepoden, N. I1eu. 11b, sowie neue Untersuchungen RückertsN. 12 über die Eireife von Cyelops strenuus, Heterocope robusta und Diaptomus gracilis. Da Rückert die Arbeiten seiner Vorgänger kritisch beleuchtet, werde ich die wichtigsten Punkte dieser Arbeiten und die Rückert’sche Kritik etwas näher besprechen. Rückert wollte durch seine Studien über die Ovogenese der Copepoden folgende Fragen beantworten: „Kommt bei den Copepoden und zumal bei Cyelops jene einfache, dem Schema der Weismann’schen Reduetionstheilung entsprechende Form der Reifung vor, wiesie Ishikawa für Diaptomus und Häcker für eiersacklose Weibehen von Cyelops beschrieben haben, oder werden auch hier, wie bei den andern, genauer untersuchten Thieren, schon in der Wachsthumsperiode vierwerthige Chromatin- portionen in redueirter Zahl gebildet. Ist das erstere der Fall, dann ist das Reduetionsproblem in einfacher Weise gelöst, trifft dagegen das letztere zu, dann erhebt sich die weitere Frage: Wie entstehn die Vierergruppen? In der Genese dieser Bildungen liegt, wie es jetzt den Anschein hat, der Schlüssel für die Lösung des Räthsels der Reduetion. Hier aber scheinen nach den bis- herigen Beobachtungen hauptsächlich zwei Möglichkeiten gegeben. Entweder die Gruppen bilden sich durch zweimalige Längsthei- lung des Fadens, dann ist die Herabsetzung ihrer Zahl auf die Hälfte noch nicht erklärt. Oder, sie entstehn durch nur ein- malige Längstheilung, zu der eine als verspätete Segmentirung aufzufassende Quertheilung hinzukommt. In diesem Fall würde — wenigstens für das betreffende Object — die Zahlenreduetion Neue Beiträge z. Frage d. Chromatinreduction in d.Samen- u. Eireife. 197 erklärt und die gesammte Reductionsfrage im Sinne Weismanns entschieden sein.“ Letztere Auffassung hat sich nun für viele Objeete z. B. Arthropoden und Vertebraten als richtig erwiesen. Die Untersuchungen von Rückert bei Copepoden er- streeken sich, wie der Autor selbst betont, keineswegs bis zum Ende der Eireifung, sondern umfassen nur die Bildung der Vierer- gruppen und ihre Einstellung in den Aequator der ersten Rieh- tungsspindel. Rückert glaubte diesen Abschnitt der Ovogenese für sich allein behandeln zu können, „weil in ihm alle diejenigen Vorgänge ablaufen, welche für das Problem der Chromatin- reduction augenblicklich in Betracht kommen“. Das Verhalten des Chromatins in dem weiteren Verlauf der Reifung d. h. bei der zweiten Richtungstheilung würde übrigens von den Autoren übereinstimmend dahin beantwortet, dass die vier Einzelstücke jeder Gruppe durch die beiden Reifungstheilungen von einander geschieden werden; daher setzt Rückert voraus, dass es sich bei den von ihm untersuchten Copepoden ebenso verhält. Die Angaben Häckers über Cyclops strenuus, den Rückert selbst eingehend wenigstens auf die Entstehung der Vierergruppen hin studirt hat, werden von letzterem Autor als unrichtig be- zeichnet. Bekamntlich hat Häcker für Weibchen von Cyelops strenuus, die keine Eiersäcke haben und solche mit Eiersäcken („Mehrgebährende Weibchen“) einen verschiedenen Modus der Eireife beschrieben. Bei eiersacklosen Weibchen kommen nach Häcker von den acht Doppelstäbchen bei der ersten Richtungstheilung vier Stück in den ersten Richtungskörper, während 4 im Ei ver- bleiben sollen. Gegen diese Angaben wird von Rückert energisch protestit. Nach Rückert verläuft die Eireifung bei Cyclops strenuus, der die Normalzahl von 22 oder 24 Chro- mosomen besitzen soll, in folgender Weise: „Die durch frühzeitige Längsspaltung entstandenen Doppelfäden des Keimbläschens ver- kürzen sich bei Beginn der Reifung zu Doppelstäben, deren Zahl redueirt ist und nach vollendeter Einstellung in den Aequator der ersten Richtungsspindel stets 11 betrug. Dieselben lassen noch, bevor sie die Aequatorialplatte bilden, eine Quergliederung in je zwei Unterabtheilungen erkennen. Sie zerfallen so in vier kurze Stäbchen, die durch einen breiten Längs- und Querspalt ge- schieden sind, und entsprechen somit den bekannten Vierer- 198 "Ö. vom Rath: gruppen. Die Genese der letzteren, in neuerer Zeit soviel um- strittenen Bildungen kann sonach hier nicht zweifelhaft sein. Sie entstehen durch einmalige Längs- und einmalige Quertheilung. Es muss ein eigenthümlicher Zufall gewaltet haben, dass Häcker, der doch gerade bei Cyelops nach einer Bestätigung seines Schemas gesucht hatte, die Quergliederung der Doppelstäbe und damit die wirklichen Vierergruppen übersehn hat. Und so bin ich in der eigenthümlichen Lage, auf der einen Seite seinen thatsächliehen Befunden gegenüber zu treten, während ich doch auf der anderen seinen theoretischen Anschauungen beipflichten muss.“ Nach meinen eigenen Präparaten verschiedener Cyelops- species muss ich Rückert Recht geben, indem bei der ersten Richtungstheilung nieht ganze Stäbchenpaare von einander ge- schieden werden, sondern jeweils die Einzelstäbe jedes Paares von einander getrennt werden. Ueber die Darstellung Häckers bei eiersacktragen- den Weibehen spricht sich Rückert folgendermaassen aus: „Häcker stützt sich auf ein verhältnissmässig sehr junges Stadium, in welchem sich das Chromatin an bestimmten Stellen der feinen Doppelfadenschlinge des Keimbläschens eoncentrirt. An diesen Stellen tritt zunächst eine winkliche Knickung des Doppelfadens auf, durch welche die Figur eines W gebildet wird. Sodann erfolgt an den Winkelscheiteln ein Durchbruch, und bilden nun die vier Schenkel des Doppelwinkels, indem sie sich parallel lagern ein Stäbehenbündel, d. h. eine Vierergruppe. Ich habe (sagt Rückert) eine derartige Entstehung von Vierer- gruppen bei Cyelops nicht gesehn und glaube auch nicht, dass sie hier existirt. Vierergruppen treten allerdings während der Reifung bei Cyelops wie bei allen anderen Thieren auf, sie sind aber nichts anderes, als die auch von Häcker wiederholt be- schriebenen und abgebildeten Doppelstäbe, die er ungetheilt in die Tochterzellen der ersten oder sogar in die der zweiten Rich- tungstheilung übergehn liess.“ Auch in Betreff der Zahlenver- hältnisse der Chromosomen finden sich bei Häcker und Rückert Verschiedenheiten. Die acht Doppelstäbe des Keimbläschens, welche Häcker in die Tochterkerne der ersten Richtungstheilung eintreten lässt, sind nach Rückert nicht zweiwerthig, sondern vierwerthig und viertheilig, wenn auch Häcker die Quertheilung derselben übersehn hat, es sind die bekannten Vierergruppen. Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduetion in d. Samen- u.Eireife. 199 Da aber diese Gruppen bei Copepoden ebenso wie bei allen anderen Thieren in der redueirten Zahl auftreten, so könne der von Häeker untersuchte Cyelops strenuus auch nicht 8 Chro- mosomen in seinen Furchungskernen führen, wie Häcker an- giebt, sondern müsse deren mindestens 16 besitzen. Ferner betont Rückert, dass in die ersten Richtungsspindel nicht 8 Doppelfäden eintreten, wie Häcker behauptet, vielmehr deren 11 bei einem Theil der Thiere auch vielleicht 12. Ich habe ebensowenig wie Rückert eine Entstehung von Vierergruppen bei eiersacktragenden Cyelopsweibchen verschie- dener Species in der von Häcker beschriebenen Weise gesehn, doch glaube ich, dass unter den von mir untersuchten eiersack- tragenden Cyelopsweibehen die Species Cyelops strenuus nicht vertreten war. Die Thiere waren früher, ohne genau bestimmt zu sein, von mir zu einem anderen Zwecke in grossen Klumpen geschnitten worden. Zunächst muss eine neue von Häcker in Aussicht gestellte Arbeit über die Vorstadien der Reifung (Archiv f. mikr. Anatomie) abgewartet werden, bevor die zwischen diesem Autor und Rückert bestehenden Meinungsverschiedenheiten endgültig entschieden werden können'). Dass das von Häcker für den Vorgang der Reduction gegebene Schema richtig ist, habe ich bereits in meiner Salamandra-Arbeit hervorgehoben, dies Schema passt aber, wie auch Rückert findet, besser auf meine Befunde, wie auf die von Häcker selbst mitgetheilten. Ueber den Sitz des Querspaltes der Doppelstäbcehen bei Cyelops strenuus macht Rückert einige Angaben, die für den letzten Abschnitt meines Aufsatzes, in welchem die Rückert’sche Stellung der Reductionsfrage gegenüber näher besprochen wird, von besonderer Wichtigkeit sind. Die Stelle lautet folgender- maassen: „Bei je zwei zusammengehörigen Hauptstäben ist der Querspalt immer an derselben Stelle. Die Unterbrechung eines Hauptstabes liegt derjenigen des anderen gerade gegenüber. Bei den verschiedenen Doppelstäben eines Kernes aber nimmt der Querspalt eine wechselnde Stelle ein wie die Figuren lehren. Nur einen Theil der Doppelstäbe trennt er genau in ihrer Mitte durch, so dass zwei Stäbchenpaare von gleicher Länge entstehn. 1) In Betreff der mittlerweile erschienenen Arbeit Häcker’s ver- gleiche die Nachschrift auf Seite 234. 1} 200 0. NaomaRiartıhe Viele Doppelstäbe zerlegt er in Paare von ungleicher Länge. So zählt man nicht selten in den Stäbehen des einen Paares je drei, in denen des anderen je zwei oder gar nur je ein einziges, allerdings dann etwas verdicktes Mikrosom. Wenn Jemand trotz des vorgelegten Beweismaterials noch daran denken wollte, dass die viertheiligen Chromatinportionen durch eine zweite Längsspaltung entstehen, so müsste er allein durch die sehr häufig ungleiche Länge der vier Stäbchen von dieser Ansicht bekehrt werden.“ _ | So wichtig und interessant nun auch die Angaben Rückerts über die Entstehung der Vierergruppen sind, so dürftig ist die Feststellung der Zahlenverhältnisse der Chromosomen bei diesem Cyclops strenuus. Da die Vierergruppen in der Zahl 11 oder 12 auftreten, wird geschlossen, dass in den Furchungszellen 22 Chromosomen vorhanden sein werden. Andere genauere Zahlen- angaben fehlen. Seine wichtigsten bei Heterocope robusta eruirten Resultate hat Rückert wie folgt zusammengefasst: „Im Keimbläschen von Heterocope sind dieselben Doppel- fäden vorhanden wie bei Cyelops; letztere liefern durch Quer- theilung die Vierergruppen. Ein Unterschied besteht darin, dass die Doppelfäden von Heterocope mit ihren Enden mehr oder weniger verbunden sind und mit ihren Mittelstücken auseinander weichen, infolgedessen unregelmässige Ringfiguren oder, bei gleichzeitiger Ueberkreuzung der Mittelstücke, Achterfiguren ent- stehn. Bei der späteren Verkürzung gleichen sich dann wie bei Öycelops die unregelmässigen Verbiegungen und namentlich alle Ueberkreuzungen aus. Es entstehn 16 Ringe von regelmässiger Form, vergleichbar den verkürzten Doppelstäben von Cyelops. Während nun bei der letztgenannten Species der Doppelstab nur eine einfache Quertheilung erfährt, tritt an jedem Ring von Heterocope ausser der als Quertheilung aufzufassenden Spaltung gleichzeitig noch eine weitere Trennung auf, welche als eine Lösung der verbundenen Fadenenden anzusprechen ist. Das Endproduct ist in beiden Fällen das gleiche, nämlich vier kurze Stäbe oder Kugeln.“ Wenn sich auch ohne Weiteres erkennen liess, dass die Einstellung der Vierergruppen von Heterocope ebenso erfolgt, wie bei Cyelops, so konnte doch nicht ermittelt werden, ob der Neue Beiträge z. Frage d. Chromatinreduction in d.Samen- u. Eireife. 201 ursprüngliche Haupt- oder Längsspalt hier ebenfalls in die Ebene des Aequators zu liegen kommt, oder vielleicht senkrecht zu dieser. In jüngeren Stadien lässt sich zwar, sagt Rückert, an einzelnen ge- eigneten Chromatinportionen der Längsspalt vom Querspalt unter- scheiden; wie sich aber derselbe einstellt, konnte deshalb nicht ermittelt werden, weil die betreffende Entwicklungsphase nicht zur Beobachtung kam. Ich habe selbst die Ovogenese von Heterocope saliens aus dem Titisee bei Freiburg untersucht und ich habe im wesent- liehen dieselben Vorgänge angetroffen, wie sie von Rückert für Heterocope robusta beschrieben wurden. Ganz ähnlich wie bei Heterocope verläuft die Vierbildung bei Diaptomus und wir müssen diese Vorgänge etwas näher be- sprechen, da Rückert gegen die Befunde von Ishikawa schwere Bedenken erhebt. Die Angaben dieses Autors über Diaptomus (Species?) sind nach Rückert in wesentlichen Punkten unriehtig. „Die acht hantelförmigen Figuren des Keim- bläschens seiner Fig. 25, welche in der ersten Richtungsspindel durcehschnürt, in der zweiten zu je vieren auf die Enkelzellen ver- theilt werden sollen, sind, wie ein Vergleich mit meinem Diaptomus gracilis ergiebt, Vierergruppen. Sie erscheinen in den Abbildungen der ersten Richtungsspindel (Fig. 26—29 1. e.) als Doppelkugeln, aus dem einfachen Grunde, weil in der Polansicht und häufig auch in der Seitenansicht der fertigen Aequatorialplatte das eine Kugelpaar durch das andere verdeckt ist. Schräge Ansichten der Spindel oder auch nur eine Combination von Pol- und Profil- ansichten hätten den Irrthum leicht vermeiden lassen. Diese Vierergruppen sind bei Diaptomus wie überhaupt bei allen Thieren, bei welchen sie bis jetzt gefunden wurden, in redueirter Zahl vorhanden.“ Ich habe selbst Diaptomus castor untersucht und sehr schön die Reifungsphase sowie die Vorbereitungen zur ersten Theilung studiren können und ich muss auf Grund meines Ob- jeetes Rückert unbedingt Recht geben. Auf meinen Präparaten sind die Vierergruppen bei Seitenansichten der Spindel ungemein deutlich. Gegen die Angabe Ishikawas, dass bei den Theilungen der Spermatogonien sowie der ersten Reifungsspindel Querthei- lungen der Chromosomen stattfinden, habe ich bereits früher N, 11b Einspruch erhoben. Bei solchen Quertheilungen würde, 202 O.vomRatnh: wie Rückert mit Recht bemerkt, in Bezug auf Reduction des Guten etwas zu viel geleistet. Rückert fasst seine Befunde über das Verhalten des Chromatins bei der Eireifung von Diap- tomus in folgender Weise zusammen: „Während der Wachsthums- periode des Keimbläschens existiren Doppelfäden, welche denen von Cyelops entsprechen, sich aber von ihnen dadurch unter- scheiden, dass ihre Enden meist verklebt sind. So entstehen ringartige Figuren, wie bei Heterocope. Indem die Doppelfäden sich wieder lösen und dazu der Quere nach theilen, bilden sich die Viererstäbehen.“ Es gelang Rückert ferner festzustellen, dass auch bei Diaptomus die dem Längsspalt entsprechende Trennungslinie sich in die Aequatorialebene der ersten Riehtungs- spindel einstellt, der Querspalt aber senkrecht zu dieser Ebene, woraus geschlossen wird, dass auch bei Diaptomus die erste Richtungstheilung eine Aequationstheilung ist. An einer andern Stelle sagt dann Rückert noch über die Bildung der Vierer bei Diaptomus: „Es kann nicht zweifelhaft sein, dass hier die Bildung der Vierergruppen so vor sich geht, wie sie vom Rath für Gryllotalpa und neuerdings für Euchaeta vertritt. Die Zahlen- verhältnisse der Chromosomen sind folgende: Die Ringe und Vierergruppen sind in der Zahl 16 vorhanden und konnten bei Diaptomus graeilis auch Zählungen an den Furchungskernen vorgenommen werden. Am ersten Furchungskern schwankte das Resultat zwischen 30 und 32. Rückert betont ferner, und dies ist von Interesse, „dass die Chromosomen bereits in der Tochter- platte der Furchungsspindel deutlich längsgespalten sind. Es ist sonach das Vorkommen einer verfrühten Theilung derselben nicht einmal auf die Kerne der Geschlechtszellen, geschweige denn auf die Reifungsperiode, wie man vielfach glaubt, beschränkt.“ Ferner verweist Rückert auf eine frühere Angabe, nach welcher auch in den Ureiern von Selachiern verfrühte Spaltung vorkommt. Unter den marinen Copepoden hat Rückert nur bei Calanus gracilis Reifestadien gefunden. Es konnte die erste Richtungstheilung bei verschiedener Schnittriehtung studirt und festgestellt werden, dass die gleichen Vierergruppen in der näm- lichen Stellung innerhalb der Aequatorialplatte sich fanden, wie bei den beschriebenen Süsswasserformen. Von besonderer Wichtigkeit ist es nun, wenn wir die Re- sultate Rückerts betrachten, dass genannter Autor für Cyelops Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduction in d.Samen- u, Eireife, 203 und Diaptomus feststellen konnte, in welcher Weise die Vierer- gruppen sich im Aequator der ersten Riehtungsspindel aufstellen. Es wurde nachgewiesen, dass der Längsspalt der Vierer sich in die Aequatorialebene einstellt, der Querspalt senkrecht zu ihr, Da- raus folgt, dass bei der ersten Theilung die beiden durch den Längsspalt getrennten Chromosomen von einander geschieden werden, bei der zweiten Theilung die Querstücke, vorausgesetzt wie Rückert ausdrücklich betont, dass die Reifung hier nicht anders verläuft als für alle anderen Objeete mit Vierergruppen von sämmtlichen Forschern übereinstimmend beobachtet wurde. Durch diese Befunde glaubt Rückert bewiesen zu haben, dass bei Cyclops und Diaptomus die erste Richtungstheilung eine Aequationstheilung, die zweite eine Reductionstheilung ist, doch wird des weiteren zugegeben, dass hiermit nieht entschieden ist, ob die Querstücke der zweiten Spindel (zukünftige Chromosomen des Vorkerns) in ihrer Ausdehnung noch genau den Stücken entsprechen, welche ursprünglich einmal in das Fadensystem eingetreten sein müssen. Dies letztere Zugeständniss ist von grosser Wichtigkeit. Wenn wir nun dazu übergehn, meine eigenen Studien über die Eireife mariner Copepoden zu besprechen, so will ich die wichtigsten meiner früheren beiläufigen Bemerkungen wörtlich vor- ausschicken, um zu zeigen, dass ich vor Rückert auf die grosse Uebereinstimmung in der Samenreife von Gryllotalpa, Sala- mandra, Rana, Triton und der Eireife von Copepoden auf Grund eigener Untersuchungen aufmerksam gemacht habe N. 11b u. e. Meine Angaben über Copepoden lauten wie folgt: Die Entstehungsweise der Vierergruppen in der Ovoge- nese, gleichgültig ob die Chromosomen in Schleifen-, Stäbehen- oder Kugelform auftreten, ist im Prineip die gleiche wie ich sie bei der Spermatogenese von Gryllotalpa, Rana, sowie Sala- mandra, Triton und anderen Metazoen feststellen konnte. Ein typisches Beispiel für diese Entstehung der Vierer- gruppen in der Ovogenese fand ich bei einem marinen Copepoden Euchaeta und ich will in Kürze die wichtigsten hierhergehörigen Momente hervorheben, da ich glaube, dass hierdurch das Ver- ständniss der Vierergruppen wesentlich erleichtert wird. Bei Euchaeta konnte ich feststellen, dass in der gesammten Periode II der Ovogenese (Ruhe- und Wachsthumsphase) ein mehr oder 204 O. vom Rath: _ weniger deutliches Doppelfadenstadium des Chromatins persistirt, welches bis auf den Dyaster der letzten Theilung der Ureizellen zurückzuführen ist. Vor der Reifungsperiode wird dieser chro- matische Doppelfaden durch Quertheilung nur in halb so viel Segmente zerlegt als bei den Theilungen der Somazellen. Es bleiben somit jeweils zwei hinter einander gelegene Segmente mit emander vereinigt und jedes dieser doppelwerthigen Seg- mente bildet jetzt mit dem durch die Längsspaltung (aus dem Dyaster) entstandenen Schwester-Doppelsegment durch Verlöthen der freien Enden einen grossen höckerigen Ring. Die Zahl der Ringe (auf welche es hier übrigens gar nicht ankommt) schien mir 12 zu betragen. Die Gestalt dieser gleich grossen Ringe, welche aus vier Segmenten (= vier Chromosomen) entstanden sind, ist sehr verschieden, manche haben die Form einer 8. Unmittelbar neben Kernen mit solchen grossen Ringen fand ich Kerne mit der gleichen Zahl ganz kleiner kreisrunder und gleichmässig dieker Chromatinringe, die offenbar durch Kon- traktion aus den grossen entstanden waren. Aus jedem dieser Ringe differenziren sich nun wiederum vier Kugelchromosomen heraus, die aber weder eine Chromatin- noch Lininverbindung unter einander erkennen liessen. Auch hier liegen die Vierer- gruppen zunächst der Kernperipherie an und treten dann im Aequator einer Spindel zusammen. Durch die beiden jetzt gleich auf einander erfolgenden Theilungen der Reifungsperiode werden die Vierer zuerst in Paarlinge zerlegt und dann die jeweiligen Paarlinge von einander separirt. Von einem gewissen Interesse ist es, dass im Aequator der ersten Spindel die Vierergruppen nicht diehtgedrängt neben ein- ander aufgestellt sind, dass vielmehr zwischen den einzelnen Gruppen jeweils ein Zwischenraum verbleibt, so dass jede Gruppe als solche bei der Seitenansicht deutlich kenntlich ist. Ganz ähnliche Bilder habe ich, beiläufig bemerkt, bei der Ei- reife von Artemia neuerdings beobachtet. Aus der vorstehenden Beschreibung geht hervor, dass wir in der Ovogenese bei Euchaeta Vorgänge antreffen, die in vielen Punkten mit den entsprechenden Verhältnissen in der Sper- matogenese von Gryllotalpa und Rana, in anderen mit ‘denen von Salamandra übereinstimmen und zwischen beiden Schemata vermitteln. Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduction in d.Samen- u.Eireife. 205 Es verläuft nun aber keineswegs bei allen Copepoden die Ovogenese in der für Euchaeta angegebenen Weise, vielmehr be- gegnete ich bei meinen vergleichenden Studien einer Fülle mehr oder weniger auffallender Abweichungen, die offenbar mit den verschiedenen biologischen Verhältnissen dieser Thiere in Be- ziehung stehen. Die Entstehung der Vierergruppen, mögen die- selben in Form von Kugeln wie bei Euchaeta oder als Stäbchen wie bei Cyelops auftreten, bleibt trotzdem im Prineip genau die gleiche und erinnert bald mehr an die Vorgänge bei Gryllotalpa und Rana, bald mehr an die von Salamandra und Triton. In allen Fällen fand ieh vor der Reifungsperiode doppelwerthigeCÖhromosomen, niemals aber eine Andeutung einer Viererbildung durch doppelte Längsspaltung des Chromatinfadens. Meine Unter- suchungen beziehen sich auf die Ovogenese von Euchaeta marina, Calanus gracilis, Heterocope saliens, Diaptomus castor, Cantho- camptus Species? und mehrere Cyelops-Arten. In Betreff näherer Einzelheiten über die Ovogenese der Copepoden des Süsswassers, z. B. Cyclops und Canthocamptus, verweise ich auf die Unter- suchungen von V. Häcker. Beiläufig möchte ich erwähnen, dass ich bei den genannten Copepoden auch die Spermatogenese bearbeitet habe und konstatiren konnte, dass auch in der Ei- und Samenbildung desselben Thieres mancherlei Verschiedenheiten auftreten können. Die Zellen und Kern- theilungsfiguren in der Samenbildung der Copepoden und zumal die Mitosen der Ursamenzellen sind aber so klein, dass ich meine diesbezüglichen Beobachtungen für eine weitere Besprechung für unzureichend hielt. Einige Angaben über Samen- und Eireife bei Copepoden habe ich bereits in meiner Gryllotalpa-Arbeit S. 115 gemacht; dieselben sind aber von den Autoren übersehen worden. Die betreffende Stelle lautet folgendermaassen: „Ich will hier aber nicht zu erwähnen unterlassen, dass bei manchen Thieren, und zumal bei den Copepoden die Vorbereitungen zu den beiden letzten Theilungen in der Ovogenese und Spermato- genese derselben Thiere wesentlich von einander verschieden sind. Besonders deutlich sah ich bei den marinen Copepoden Euchaeta und Calanus, dass die Spaltung des Chromatinfadens und Verdoppelung der Zahl der Chromosomen vor der ersten Theilung in der Ovogenese weit früher schon in der Periode II, 206 . -Ö.vom Rath: in welcher die Vergrösserung und Dotterbildung der Eimutter- zellen stattfindet, deutlich wahrnehmbar sind, während dieselben Vorgänge in der Spermatogenese derselben Thiere erst in Periode III (Reifungsperiode) stattfinden, so dass in der Eibildung die Ver- doppelung des Fadens noch weiter vorverlegt ist, als in der Samenbildung. Dieser frühzeitige Verdoppelungsprocess in der Ovogenese hängt aber unzweifelhaft damit zusammen, dass die Periode des Wachsthums der Eimutterzellen wegen der erheb- lichen Grössenzunahme und Dotterbildung der unreifen Eier wesent- lich länger andauert als die entsprechende Wachsthumsperiode (Periode II) in der Spermatogenese. Ich möchte daher auch keineswegs den Verdoppelungsprocess in der Ei- und Samen- bildung als einen von den beiden letzten Theilungen unabhängigen -Vorgang hinstellen. Auch die Art und Weise der Vorbereitungs- vorgänge vor den beiden letzten Theilungen sind bei vielen Cope- poden in der Ei- und Samenbildung desselben Thieres wesentlich von einander verschieden. In der Ovogenese konnte ich stets und besonders schön bei den marinen Formen Euchaeta und Calanus eine typische Ring- und Kranzbildung beobachten, ohne dass mir ähnliche Bilder in der Samenbildung derselben Thiere zur Anschauung gekommen wären.“ Im Frühjahr dieses Jahres habe ich nun gelegentlich eines fünfmonatlichen Aufenthaltes an der zoologischen Station in Neapel unter Anderem auch wieder Studien über die Eireife der Copepoden angestellt, um meine früheren Beobachtungen zu er- gänzen. Zu grossem Danke bin ich Herrn Dr. Giesbrecht verpflichtet, der in bekannter Liebenswürdigkeit eine genaue Be- stimmung meines frisch erbeuteten Materials vornahm und ebenso einen Theil meiner älteren Präparate auf die Richtigkeit der Bestimmung durchsah. Es war mir nämlich aufgefallen, dass zwischen den Copepoden, die ich bei einem früheren Auf- enthalte in Neapel (Frühjahr 1888) als Euchaeta bestimmt hatte und solchen, die gelegentlich an das zoologische Institut in Freiburg geschickt waren, in Bezug auf die Eireife grosse Verschiedenheiten auf meinen Schnittserien zu erkennen waren, die ich mir nicht recht erklären konnte. Es stellte sich jetzt heraus, dass ich mit Euchaeta marina, Euchaeta hebes und Euchaeta acuta auch einige Exemplare von Anomalocera patersonii gerade im Stadium der Reifungsphase geschnitten und als Euchaeta Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduction in d.Samen- u. Eireife. 207 marina angesehen hatte. Wenn nun auch alles, was ich für die Eireife mariner Copepoden im Allgemeinen als charakteristisch angab, völlig richtig ist und bestehn bleiben kann, werde ich natürlich im Folgenden zur Vermeidung von Missverständnissen genau die Verschiedenheiten in der Eireife von Euchaeta und Anomalocerahervorheben. Ausser Euchaetamarina, Euchaeta hebes, Euchaeta acuta und Anomalocera patersonii untersuchte ich auch noch eine Reihe anderer Formen, von denen ich aber nur die- jenigen besprechen werde, bei welchen ich die Entstehung der Vierer und die erste Reifungstheilung studiren konnte. Es sind Eucalanus attenuatus und Eucalanus longiremis, Pleuromma ab- dominale und Pleuromma graeile. Ich habe eine Reihe von Ab- bildungen der ersten Richtungsspindel auch von solchen Formen gegeben, die ich nur ganz kurz bespreche, um zu zeigen, in wie verschiedener Gestalt die Vierer sich im Aequator der ersten Reife- spindel aufstellen. Wie Rückert wählte ich solche Seitenan- sichten der Spindeln für meine Figuren aus, in welchen die vier Stücke jeder Gruppe grösstentheils dem Beschauer zugewendet sind, die übrigen Gruppen habe ich des besseren Verständnisses halber ebenso gezeichnet. Ich werde von meinen neuen Untersuchungen über die Ei- reife mariner Copepoden hier nur die wichtigsten und speeiell die Reduetionsfrage betreffenden Gesichtspunkte besprechen und andere Fragen z. B. die Veränderungen der Nucleolarsubstanz während der Eireife, das erste Auftreten der Centrosomen vor der ersten Reifungstheilung, die Dotterbildung ete. ausser Acht lassen. Es soll auch keineswegs eine aufeinander folgende ge- naue Einzelbesehreibung der Eireife der verschiedenen von mir untersuchten Formen gegeben werden, vielmehr will ich der Einfachheit und Kürze halber zuerst die wichtigsten Punkte aus der Periode der Theilungen der Ureizellen für alle Formen gleichzeitig diskutiren, und dann die Periode des Wachsthums und schliesslich die Periode der Reife besprechen. Da die Reifung auch bei den marinen Copepoden wie bei denen des süssen Wassers nach zwei verschiedenen Arten verläuft, habe ich einen typischen Vertreter eines jeden Modus für meine Abbildungen ausgewählt, und zwar Euchaeta marina und Anomalocera pater- soniil. Meine neu hergestellten Präparate wurden mit vorzüg- lichem Erfolg mit meiner Pikrinessigosmiumsäure conservirt, 208 Ö.vomRath: bei einer Einwirkungsdauer von etwa 1!/, Stunden. Auf Schnitten, die mit Safranin und Hämatoxylin gefärbt waren, traten die Centrosomen sowie die gesammte Spindelfigur der ersten Reifungs- theilung mit einer fast schematischen Klarheit zu Tage. Recht gute Resultate hatte ich auch mit einer Pikrinessigsublimatlösung, die ich bereits in einer eben erschienenen Arbeit empfahl. Ich giesse (wie Rabl) eine eoncentrirte wässerige Pikrinsäurelösung und eine eoncentrirte wässerige Sublimatlösung zu gleichen Theilen zusammen und setzte auf 1000 ebem etwa 4 cbem Eisessig zu. Die Präparate lassen sich sehr gut ausser mit den gewöhnlichen Farben auch nach dem Flemm ing’schen Safranin-Gentian-Orange- Verfahren oder aber der Heidenhain’schen Eisenhämatoxylin- Methode behandeln. Mit meiner Pikrinessig-Platinchloridosmium- säure hatte ich bei einer einstündigen Einwirkung gleichfalls vorzügliche Resultate. I. Periode: Ueber die Theilungen der Ureizellen. Ueber die Theilungen der Ureizellen der Copepoden liegen nur relativ dürftige und was die Zahlenverhältnisse der Chromo- somen angeht, keineswegs über allen Zweifel erhabene Angaben über Süsswasserformen vor. So günstig die Copepoden auch für das Studium einiger Phasen der Eireife z. B. der Entstehung der Vierergruppen sind, so wenig günstig sind sie gerade, wie ich bereits oben hervorhob, für die Periode der Theilungen der Urei- und Ursamenzellen. Rückert hat über diese Periode überhaupt keine Angaben gemacht, und dies ist sehr zu be- dauern, denn ohne eine genaue Kenntniss dieser Phase ist zwar die Entstehung der Vierergruppen aber keineswegs die Zahlen- reduetion der Chromosomen in völlig befriedigender Weise zu erklären. Bereits in meiner Salamandra-Arbeit habe ich auf die Wichtigkeit des Studiums der Urei- und Ursamenzellen mit Nach- druck hingewiesen und den Beweis hierfür durch eigene Unter- suchung der Ursamenzellen in überzeugender Weise liefern können. Bei den Ureiern der Copepoden habe ich nun selbst trotz vieler Bemühungen nur wenige aber immerhin erwähnenswerthe Resultate zu verzeichnen; die Zellen sind leider sehr klein und die Zahl der Chromosomen ist bei den meisten marinen Formen obendrein eine auffallend grosse. Immerhin konnte ich feststellen, dass Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduction in d.Samen- u.Eireife. 209 mindestens eine Generation der Ureizellen und zwar die letzte nach einem Schema der Mitose mit doppelwerthigen Chromo- somen und scheinbar redueirter Chromosomenzahl verläuft. Die Spiremstadien fallen durch den lockeren Knäuel auf, ferner findet man häufig das gesammte Chromatin an eine Kermseite hinge- drängt und nur wenige chromatische Fäden durchziehn den chromatinfreien Kernraum. Eine heterotype Mitose liegt nun sicherlich nicht vor, da niemals die charakteristische Tonnenform der Metakinese mit den knopfförmigen Anschwellungen zur Be- obaehtung kommt, vielmehr eine Mitose, welche wie die hetero- type Theilung im Salamanderhoden in den Prophasen der Thei- lung und in der scheinbar redueirten Chromosomenzahl (doppel- werthige Segmente) viele Analogien mit der heterotypen Theilung hat. Ueber derartige „halbzählige* Mitosen habe ich mich bereits früher eingehend ausgesprochen und meine Befunde stehen in gutem Einklang mit ähnlichen Beobachtungen Häckers!) 1) In Betreff der Mitosen mit doppelwerthigen Chromosomen besteht zwischen Häcker und mir nur scheinbar eine Meinungsver- schiedenheit, die sich lediglich auf eine zusammenfassende Bezeichnung aller Mitosen mit doppelwerthigen Elementen bezieht. Ich diskutirte diese Differenz bereits in meiner Schrift über die Constanz der Chro- mosomenzahl bei Thieren N. 11d wie folgt: Wie ich bereits in meiner Salamandra-Arbeit (4d) S. 123 anführte, hatte früher V., Häcker alle Varianten der gewöhnlichen Mitose mit doppelwer- thigen Chromosomen als „heterotype Kerntheilungen“ zusammen- gefasst, was aber nicht anging, da den meisten dieser Mitosen alles das fehlt, was für die heterotype Form besonders charakte- ristisch ist, z. B. die typische Tonnenform der Spindel bei der Metakinese mit den knopfförmigen Anschwellungen ete.; ferner wäre dann auch die homöotype Variante des Salamanderhodens, die sich von der heterotypen Form doch in vielen wesentlichen Punkten unter- scheidet, eine heterotype Mitose. In einer andern Arbeit hat dann genannter Autor die Verallgemeinerung des Begriffes der heterotypen Kerntheilung wieder fallen lassen und dafür die Bezeichnung „pluri- valente Kerntheilung“ eingeführt. Ich habe diese Bezeichnung in meiner Salamanderarbeit S. 124 als nicht besonders glücklich er- klärt und vermieden. Die Gründe, weshalb ich diese Bezeichnung nicht adoptirt habe, will ich hier kurz angeben, weil ich mehrfach mündlich nach denselben befragt wurde. Bei all den in Rede stehen- den Kerntheilungen mit doppelwerthigen Chromosomen handelt es sich gar nicht um plurivalente Kerntheilungen, sondern um Kerntheilungen mit plurivalenten oder richtiger bivalenten Chromosomen und es scheint mir eine derartige Abkürzung gewagt, wenn durch dieselbe Missver- Archiv f. mikrosk, Anat. Bd, 46. 14 310 Ö.vomRath: N. 5. Wie wir nachher noch näher besprechen werden, gelang mir ein Zählen der Chromosomen bei marinen Formen nur bei Anowmalocera patersonii und ich stellte die für diese Species typische Zahl an den relativ grossen und keineswegs seltenen Mitosen des Mitteldarmes fest. : Ich zählte stets 32 Chromosomen. Die Vierergruppen treten in der Zahl 16 auf und bei der ersten Reifetheilung werden die 64 Chromosomen auf 32 und bei der zweiten auf 16 redueirt. Bei der letzten Theilung der Ureizellen fand ich aber nur 16 Chromosomen, die ich ihrer Grösse und ständnisse entstehen können. Unter einer plurivalenten Kerntheilung kann man sich aber leicht etwas ganz anderes vorstellen, beispiels- weise eine Kerntheilung, bei welcher zwei oder mehrere Kerne einer Zelle gleichzeitig in Mitose treten, oder wenn in einem Kern mehrere Spindeln auftreten, wie bei den pluripolaren Mitosen, ferner auch eine Kern- theilung, bei welcher auf amitotischem Wege ein Mutterkern sich gleichzeitig in mehrere ungleiche Tochterkerne durchschnürt, wie ich es für die Randzellen (Follikelzellen) des Astacus-Hodens und für polymorphe Kerne der Sexualzellen der Amphibien beschrieben habe. Wenn ich nun in meiner Salamanderarbeit mehrfach der Kürze halber au Stelle von Mitosen mit doppelwerthigen Chromosomen den völlig indifferenten Ausdruck „halbzählige Mitosen“ verwendet habe, so sollte damit sicherlich nicht gesagt sein, dass auch alle halbzähligen Mitosen doppelwerthige Chromosomen hätten. Bekannt- lich gibt es genug Mitosen mit halber Chromosomenzahl, bei denen aber die Chromosomen unzweifelhaft einwerthige sind. Wenn sich beispielsweise überzählige ins Ei eingedrungene Spermatozoen noch weiter theilen, so haben dieselben in Folge der vorausgegangenen Reduetion nur die Hälfte einwerthiger Chromosomen. Dasselbe gilt für weitere Theilungen des zweiten Richtungskörpers. Ich habe übrigens lelbst in verschiedenen Schriften den Nachweis geliefert, dass bei der setzten Theilung in der Spermatogenese und Ovogenese nur die Hälfte der für die Species typischen Chromosomenzahl einwer- thiger Theilungseinheiten zur Anschauung kommt. Der Ausdruck halbzählige Mitosen, den ich übrigens nur als einen vorläufigen aus. gegeben habe, sollte absolut nicht die von Häcker vorgeschlagene Bezeichnung „plurivalente Kerntheilung“ ersetzen, sondern ganz all- gemein alle Mitosen mit halber Chromosomenzahl, gleichgiltig ob die- selben ein- oder zweiwerthig sind, zusammenfassen. Ich erwähne dies hier nur deshalb, weil bei der Korrektur meiner Salamandra-Arbeit ein Fehler übersehen wurde, der dem Wortlaute allein nach zu einer falschen Deutung Anlass geben könnte. Auf S. 109 heisst es „Mitose mit doppel- werthigen Schleifen (= halbzählige Mitose)“; das Gleichheitszeichen in der Klammer muss unbedingt gestrichen werden, wie sich übrigens aus der gesammten Darstellung und zumal der Anmerkung derselben Neue Beiträge z. Frage d. Chromatinreduction in d.Samen- u. Eireife. 211 ihrer Entstehung nach für „doppelwerthige* halten muss. Ver- muthlich ist zwischen je zwei hintereinander gelegenen Chromo- somen eine Quertheilung ausgefallen. Scheinbar ist nun im Dyasterstadium auch der letzten Mitose der Ureizellen die Normal- zahl wiederhergestellt, indem schon im Dyaster eine secundäre Längsspaltung der Chromosomen, die schon zur nächsten Mitose (1. Theilung der Reifephase) gehört, stattfindet. Bei Anomalocera entsprechen nun die 32 durch die vorzeitige Längsspaltung ent- Seite von selbst ergiebt. Ich bitte ferner auf Seite 106 Linie 18 der- selben Schrift an Stelle von Samenzellen „Somazellen* zu lesen. Meine Befürchtung erwies sich als sehr berechtigt, da genau in denselben Tagen, als meine Schrift N. 11d erschien, ein Aufsatz von Häcker N. 5e publieirt wurde, in welchem dieser Autor, gestützt auf das falsche Gleichheitszeichen meiner Bezeichnung, „halbzählige Mitosen“ eine andere Deutung zu geben versucht als ich es beab- sichtigt hatte. Durch meine rechtzeitige (gleichzeitige) Berichtigung ist der betreffende Passus der Häcker schen Arbeit einfach hinfällig geworden. Wenn nun Häcker vorschlägt, den Ausdruck halb- zählige Mitosen beizubehalten, den Begriff aber zu erweitern und unter dieser Bezeichnung alle Mitosen zusammenzufassen, bei welchen nur die Hälfte der für die Species typischen Chromosomenzahl gefun- den wird, gleichgültig ob diese Chromosomen einwerthig (z. B. über- zählig in’s Ei eingedrungene Spermatozoen) oder doppelwerthig sind, so ist dies doch gar nichts Anderes, als was ich selbst beabsichtigte und was sowohl aus dem gesammten Text als auch allein aus der bereits vorhin eitirten Anmerkung deutlich genug hervorgeht. Den weiteren Vorschlag Häcker’s, unter der Bezeichnung „plurivatente Mitosen“ als Unterabtheilung der halbzähligen Mitosen die Mitosen mit doppelwerthigen Chromosomen zu vereinigen, kann ich aus den oben erwähnten Gründen nicht beistimmen. Wesshalb übrigens Häckerin einer neuen N. 5f gegen Strasburger gerichteten Schrift, in welcher wieder von plurivalenten Mitosen geredet wird, mein Aufsatz N. 11d, in welcher meine obige Erklärung sich vorfindet, mit keinem Worte erwähnt, ist mir um so unverständlicher, als ich gerade in diesem Aufsatze Resultate beschrieb, die mit den von Stras- burger geschilderten in direetem Widerspruch stehen, mir aber recht gut begründet zu sein scheinen. Strasburger scheint mein in Rede stehender Aufsatz über die Constanz der Chromosomenzahl bei Thieren unbekannt geblieben zu sein, obschon dieser Aufsatz in der- selben Zeitschrift, in welcher Strasburger'’s Aufsatz erschien, einige Monate vorher publieirt wurde. Aus der Schrift Strasburger’s geht, beiläufig bemerkt, deutlich genug hervor, dass dieser Autor über den Stand der Reductionsfrage bei Thieren keineswegs genügend orientirt war, da derselbe beispielsweise die Entstehung der Vierer- gruppen durch „doppelte Längsspaltung“ als erwiesen ansieht, 913 Ö.vom Rath: standenen Chromosomen in Wirklichkeit 64 Chromosomen, die in den Vierergruppen vor der ersten Reifetheilung, wenn man jedes Stück der Vierer als ein Chromosom zählt, in ihrer wahren Zahl deutlich kenntlich sind, obschon jeweils vier Chromosomen in einem losen und je zwei und zwei von den vieren in innigerem Zusammen- hang stehn. Bekamntlich hat Häcker bei einigen Copepoden des süssen Wassers gefunden, dass die Längsspaltung des Chro- matins, welehe vor der ersten Reifetheilung beobachtet wird, durch die ganze Periode II verfolgt werden kann und bereits im Dyaster der letzten Theilung der Ureier gesehn wird. Zuerst hat Häcker allerdings irrthümlich die durch diese Längs- spaltung hervorgerufene Verdoppelung der Chromosomen als einen von den Reifungstheilungen unabhängigen Vorgang angesehn und als Diplose bezeiehnet. Ich habe dann auf Grund eigener Unter- suchungen über die Ovogenese von Euchaeta, Calanus, Cyelops, Diaptomus, Canthocamptus und Heterocope die Angabe gemacht, dass bei diesen Thieren ebenfalls die durch die gesammte Periode II zu verfolgende Längsspaltung der chroma- tischen Segmente bis auf den Dyaster der letzten Theilung der Ureier zurückzuführen ist und hier muss ich hinzufügen, dass ich dasselbe bei Euchaeta marina, bei Fuchaeta hebes und Euchaeta acuta sah, ferner bei Eucalanus attenuatus, Eucalanus longiremis, Pleuromma abdominale, Pleuromma graeile, Pontella, und Candare. Bei Selachiern hat Rückert die Längsspaltung im Dispirem der letzten Theilung der Ureier vorgebildet gesehn, und es konnte dieser Autor die Doppelfäden durch die lange Entwicklungs- periode des Keimbläschens hindurch kontinuirlieh verfolgen und feststellen, dass sie abgesehn von Structur und Grössenverände- rungen sich in der Hauptsache unversehrt erhalten, dass sie von einander getrennt bleiben, wie im Dispirem und selbst in ihrer gegenseitigen Lagerung bis zuletzt noch Verhältnisse erkennen lassen, die für die Tochterknäuel charakteristisch sind. Dass in der Spermatogenese ähnliche Vorgänge vorkommen können, habe ich bei den Ursamenzellen von Salamandra gezeigt, da hier die Vierer direet aus den durch die Längsspaltung der Schleifen im Dyaster der vierten Generation entstandenen doppelwerthigen Sehwesterehromosomen entstehn. Bei andern Formen wie bei Gryliotalpa, Rana, Astacus und vielen andern Metazoen tritt die Längsspaltung aber erst in der Periode III der Samenreife auf. Neue Beiträge z. Frage d. Chromatinreduction in d. Samen-u.Eireife. 213 Die Perioden des Wachsthums (Periode II) und der Reife (Periode III). Da bei der Entwicklung der Copepoden die Zellen nach der letzten Theilung der Ureier nicht wie bei den gewöhnlichen Mitosen aus dem Dispirem in den bläschenförmigen Ruhezustand des Kernes zurückkehren, vielmehr die Längsspaltung der chro- matischen Segmente durch die ganze Periode II bis zur ersten Theilung der Reifephase zu verfolgen ist, kann nicht von einer Ruheperiode, wohl aber von einer Wachsthumsperiode geredet werden. Das Keimbläschen wächst nämlich zu enormen Dimen- sionen heran, während gleichzeitig grosse Veränderungen an den chromatischen Segmenten bemerkbar werden; die zuerst stark tingirten und gedrungenen Chromosomen werden feinfaseriger und blasser und sind hauptsächlich in den peripheren Zonen des Keimbläschens zu sehn. Es findet dann wieder eine beträcht- liche Grössenabnahme des Keimbläschens statt und gleichzeitig werden die Chromosomen wieder kürzer und eompaeter, während ihre Färbbarkeit zunimmt. Da nun der erste Theil der Wachs- thumsperiode bei allen von mir untersuchten marinen Copepoden im Wesentlichen übereinstimmt, habe ich nur für eine Form von dieser Phase Abbildungen gegeben und zwar wählte ich Euchaeta marina aus, da ich von diesem Thier sämmtliche Phasen der Eireife in grosser Zahl studiren konnte. Von dem Augen- blick an, wo die Chromosomen ihren feinfaserigen Bau verloren haben und wieder compaeter und stärker färbbar geworden sind, beginnt eine Verschiedenheit der Eireife bei den einzelnen Formen aufzutreten, indem die einen wie bei Heterocope und Diaptomus eine Ringbildung erkennen lassen, während die anderen wie bei Cyelops keine Verlöthung der Enden der Schwesterdoppelsegmente eingehn. Für letztern Modus gab ich Abbildungen von Euchaeta marina Fig. 23—31, für ersteren von Anomalocera patersonii Fig. 32—34. Bevor ich auf eine nähere Beschreibung dieser beiden Reifungsmodi eingehe, muss ich vorausschieken, dass nur für Anomalocera die Zahlenverhältnisse der Chromosomen mit Sicherheit erkannt und auch in den Abbildungen wiedergegeben sind. Die auf Euchaeta marina bezüglichen Figuren sollen nur den Vorgang der Eientwieklung innerhalb der Periode II bis zur ersten Theilung der Periode III (erste Richtungsspindel) er- 214 O.vomRath: läutern helfen, während die Zahlenverhältnisse der Chromosomen ganz ausser Acht gelassen werden müssen, da ich nur einzelne besonders instructive Schnitte abgebildet habe, auf denen natür- lich nur ein Theil der Chromosomen zur Anschauung kommt. In Fig. 23 ist ein Dispiremstadium dargestellt, in welchem die bereits im Dyaster erfolgte Längsspaltung der Chromosomen deutlich erhalten ist und von dieser Figur 23—31 können wir diese ein- malige Längsspaltung der Segmente deutlich verfolgen. Bei Euchaeta marina, Euchaeta hebes und Euchaeta acuta ist inner- halb der Wachsthumsphase so gut wie gar kein Unterschied nachweisbar. In Figur 25 sehn wir, dass das Keimbläschen schon bedeutend gewachsen ist und erkannte ich bei Euchaeta marina auf einigen Präparaten mit grosser Deutliebkeit neben dem Keimbläschen zwei Centrosomen, während zwei Nucleolen zwischen den längsgespaltenen Chromatinsegmenten wahrnehmbar sind. Die Lininverbindungen, die ich nur bei stärkerer Einwirkung meiner Osmiumgemische zwischen den einzelnen Segmenten er- kennen konnte, sind so fein, dass ich sie gar nicht einmal in meinen Abbildungen angedeutet habe. Dass sich bei den von mir beobachteten marinen Copepoden in keinem Falle die Chro- mosomen zu einer einheitlichen Doppelfadenschlinge vereinigen ist ganz sicher. In Fig. 26 haben die früher nur leicht ge- bogenen Segmente eine starke Kniekung erfahren, während die Zahl der Nucleolen eine wesentlich grössere geworden ist. Im folgenden Stadium Fig. 27 hat das Keimbläschen bereits seinen grössten Umfang erreicht und die chromatischen Segmente sind länger und blasser geworden, während das Keimbläschen selbst mehr und mehr an die Peripherie des Eies herangerückt ist und auch die Dotterbildung begonnen hat. Es folgt nun ein Stadium, welches ich nicht abgebildet habe, da man von den längsge- spaltenen Segmenten und der in Auflösung begriffenen Nucleolar- substanz nur ganz undeutliche verschwommene Bilder erhält, die sicher keine Kunstproducte sind, da ich sie auf allen Präparaten der verschiedenen Euchaeta-Species, aber auch bei sämmtlichen anderen beobachteten Formen mit Regelmässigkeit bei verschie- dener Conservirung und Färbung antraf. Häcker hatte bei seinen Süsswasser-Copepoden beobachtet, dass bei Canthocamptus und bei halbpelagischen Cyelopiden von der letzten Theilung der Ureier bis zur Reifung eine längsgespaltene Fadenschlinge Neue Beiträge z. Frage d. Chromatinreduetion in d.Samen- u.Eireife, 215 persistirt, ohne dass ein eigentliches Ruhestadium sich einschiebt. In einer neueren Arbeit wird dann des Weiteren ausgeführt, dass der Fadenknäuel dann persistire, wenn eine rasche Eiproduction stattfindet, während ein feinfadiges Keimbläschenstadium einge- schoben wird, wenn eine Verzögerung der Eiablage eine Stauung eintritt. Ich habe das feinfädige Stadium bei den von mir untersuchten Süsswasser-Copepoden ausnahmslos gefunden, ohne aber damit die Richtigkeit der Häcker’schen Beobach- tungen für sein Objeet anzweifeln zu wollen. In Fig. 28 ist das Keimbläschen bis dieht an die Peripherie des Eies aufge- stiegen, das Chromatin ist wieder stärker tingirt und die chro- matischen Segmente zeigen wieder eine winklige Knickung. Dass Jedem hier sofort der Gedanke kommen muss, dass die Kniekungsstelle der späteren Durchbruchsstelle entspricht, ist nach früheren Angaben und zumal meinen Beobachtungen bei den Ursamenzellen von Salamandra recht nahe liegend. Das Keimbläschen schrumpft merklich zusammen und die chromatischen Segmente werden gleichzeitig kürzer Fig. 29, sie strecken sich mehr und mehr und lassen jetzt thatsächlich in vielen Fällen einen Durchbruch an der ursprünglichen Kniekungsstelle erkennen Fig. 30. Es haben sich somit die Schwesterdoppelsegmente an ihren Enden während der gesammten Periode II niemals zu Ringen verbunden, vielmehr blieben die durch die Längsspaltung entstandenen Spalthälften einander dicht und meist parallel an- liegend und entsprechen die Verhältnisse denen von Cycelops in allen wesentlichen Punkten. Von einer etwaigen zweiten Längs- spaltung kann gar keine Rede sein. In Figur 31 habe ich die erste Richtungsspindel abgebildet und sehn wir dasChromatin in deut- lichen Vierergruppen im Aequator angeordnet. Die vier kugelförmi- ‚gen Chromosomen jeder Gruppe haben sich durch Contraction aus je vier stäbehenförmigen Chromatinsegmenten, wie ich sie in Figur 30 abgebildet habe, in leicht zu verstehender Weise herausdifferenzirt?). 1) Nach Rückert weichen die Einzelfäden zwischen je zwei Kreuzungspunkten bei den Selachiern etwas weiter auseinander als bei Cyclops, doch legen sich auch nicht selten bei Selachiern die Spalt- hälften aneinander, während sich bei Cyelops Figuren finden, welche für die Selachier typisch sind. Gerade die häufigen Uebergangsformen, die ich bei marinen Copepoden auffand, beweisen auf das deutlichste, 216 O-vomsRash: Der zweite Modus ist durch eine Ringbildung der Schwester- doppelsegmente characterisirt und die Ring- und Viererbildung verläuft in derselben Weise wie es von Rückert für Heterocope und Diaptomus beschrieben wurde. Diese Vorgänge sind beson- ders typisch bei Anomalocera patersomii zu finden und ich habe dies Object besonders genau studiren können, da- die Thiere un- gemein häufig vorkommen und die Zellen wie ihre Kerne durch eine besondere Grösse ausgezeichnet sind. Die Theilungen der Ur- eizellen und die ersten Phasen der Wachsthumsperiode sind, wie bereits oben erwähnt worden, von denen von Euchaeta marina und sämmtlichen anderen von mir - beobachteten Formen nicht wesentlich verschieden. Nach dem aber die längs gespaltenen chro- matischen Segmente das feinfadige Stadium durchgemacht haben und wieder an Färbbarkeit gewonnen haben, sehn wir, dass die Schwesterdoppelsegmente sich zu Ringen verbunden haben, die oft die Form einer Acht zeigen. Die Verschmelzungspunkte sind häufig kenntlich, aber keineswegs immer Fig. 32. Neben solchen Keimbläschen mit grossen unregelmässigen Ringen trifft man das folgende Stadium, in welchem, wie ich es in Fig. 33 dargestellt habe, die Ringe recht klein geworden sind und meist eine Vier- theiligkeit, häufig auch nur eine Zweitheiligkeit verrathen. Die Zahl der grossen Ringe beträgt wie die der kleinen, sowie die der aus letzteren hervorgegangenen Vierergruppen 16, während die für Anomalocera patersonii nach Mitosen von Somazellen (Mi- tosen des Mitteldarmes) von mir als typisch festgestellte Zahl 32 ist und dementsprechend im Aequator bei dem Auseinanderrücken der Tochterplatten 64 Chromosomen gezählt werden. Bei der ersten Reifetheilung erhält jeder Tochterkern 32, bei der zweiten 16 Chromosomen. Bei der ersten Theilung sind auch nach der Aufstellung der Vierer im Aequator noch die zwei für jeden Toch- terkern bestimmten Chromosomen jeder Gruppe mit einander ver- bunden und diese werden erst bei der zweiten Theilung von einander getrennt. dass es nicht von principieller Bedeutung sein kann, ob die durch die Längsspaltung und den Ausfall einer Quertheilung entstandenen Schwesterdoppelsegmente sich zu Ringen vereinigen, indem die Enden der jeweiligen Schwesterdoppelsegmente mit einander verlöthen oder ob zwischen denselben keine innigere Verbindung zu Stande kommt, wie bei Euchaeta marina, Euchaeta hebes, Euchaeta acuta, Eucalanus attenuatus, Eucalanus longiremis u. a. Neue Beiträge z. Frage d. Chromatinreduction in d. Samen- u.Eireife. 217 Aus dem Vorstehenden ergiebt sich nun, dass meine früheren für marine Copepoden gemachten Angaben im Allgemeinen völlig riehtig sind, aber besser auf das Anomalocera-Schema als das Euchaeta-Schema passen. Die Angaben über die Eireife der Copepoden von Häcker von Rückert und mir stimmen nun in dem wichtigen Punkte völlig überein, dass die Vierergruppen durch einmalige Längsspaltung des Chromatinfadens und Ausfall einer Quertheilung entstehen, wie ich es früher für die Samen- reife von Gryllotalpa und späterhin für Salamandra und andere Objeete des Näheren beschrieben hatte. Nr. 11 a, b, e, d. In derselben Weise wie bei Euchaeta marina verläuft nun auch ‘die Eireife von Euchaeta acuta und Euchaeta hebes; doch treten die Vierergruppen bei letzterer Species in einer anderen Gestalt in den Aequator der ersten Richtungsspindel ein wie bei Euchaeta marina. Vergl. Fig. 531 und Fig. 35. Auf meinen eigenen sehr zahlreichen Präparaten von Euchaeta hebes und Euchaeta acuta war leider das Stadium der ersten Richtungs- spindel in keinem Fall sichtbar, während ich dies Stadium bei Euchaeta marina recht häufig zur Anschauung bekam. Da ich nun bei einer Durchsicht der von Dr. Giesbrecht angefertigten Präparate auf ein solches stiess, im welchem gerade die erste Riehtungsspindel von Euchaeta hebes auf vielen Schnitten zu finden war, habe ich einen solchen Schnitt mit gütiger Einwil- ligung von Dr. Giesbreeht abgebildet, da es mir von Interesse schien, auf die zwischen beiden Species bestehende Verschieden- heit der äusseren Form der Vierergruppen im Stadium der ersten Riehtungsspindel hinzuweisen. Die Chromosomenzahl konnte leider wegen der zu grossen Menge bei keiner Euchaeta-Species fest- gestellt werden und kam eine solche Richtungsspindel in der Seitenansicht meist auf 5—6 Schnitten zur Anschauung. Wie bei Euchaeta verläuft nun auch die Eireife von Eucea- lanus attenuatus und longiremis und hat noch mehr Aehnlichkeit mit der von Cyclops, da die Vierer nicht in Kugel-, sondern in Stäbcehenform in den Aequator der Richtungsspindel eintreten und man hier, wenigstens bei Eucalanus attenuatus Fig. 39, mit Sicherheit behaupten kann, dass durch die erste Theilung die durch die Längsspaltung entstandenen Schwesterdoppelsegmente von einander getrennt werden (identische Idanten) und. durch die zweite Theilung die zwei hintereinander gelegenen durch 218 O. vom Rath: _ Ausfall einer Quertheilung mit einander verbunden gebliebenen Segmente (nicht identische Idanten). Bei Euchaeta marina, Eu- chaeta hebes und Anomalocera patersonii ist es nach meinen Präparaten nicht mit absoluter Sicherheit zu entscheiden, in wel- cher Weise die Vierer ihre ursprünglich periphere Lage verlassen und sich im Aequator aufstellen, und ob bei der ersten Theilung die durch die Längsspaltung entstandenen Schwesterdoppelsegmente von einander getrennt werden oder aber zuerst die im Spirem hinteremander liegenden durch Ausfall einer Quertheilung ver- bunden gebliebenen Segmente. Die Eireife von Pleuromma abdominale und Pleuromma gracile zeigt keine erwähnenswerthen Besonderheiten, doch: sind die beiden Species in sofern von Interesse, als keine stäbchen- oder kugelförmigen Vierergruppen kenntlich werden, sondern vor der ersten Richtungsspindel nur Ringe gesehen werden, die sich auch in Ringform im Aequator der ersten Richtungsspindel neben einander aufstellen und nur hin und wieder schon vorher eine Theilung in 2 Halbringe erkennen lassen. Erst beim Auseinander- weichen der Halbringe nach den Polen sieht man, dass aus jedem Halbring sich 2 Kugelehromosomen herausdiffereneiren, die bei der zweiten Theilung von einander getrennt werden. In Fig. 38 habe ich die erste Riehtungsspindel von Pleuromma abdominale und in Fig. 36 und Fig. 37 die erste Richtungsspindel von Pleu- romma gracile in der Seitenansicht dargestellt. Ich habe die Periode III gleich mit der Periode II be- sprochen, da man darüber streiten kann, wo diese letztere Pe- riode beginnt, zumal die Prophasen der ersten Reifetheilung be- reits im Dyaster der letzten Theilung der Ureizellen kenntlich werden. Die zweite Riehtungsspindel ist mir bei keinem marinen Cope- poden zur Anschauung gekommen, man kann aber mit gutem Ge- wissen aus Analogiegründen annehmen, dass die zweite Theilung ebenso verläuft wie sie bei sämmtlichen anderen gut untersuchten Objeeten in bester Uebereinstimmung von allen Autoren geschil- dert wurde. In Betreff der ersten Richtungsspindel möchte ich nur noch beiläufig bemerken, dass ich bei allen untersuchten Spe- cies die Centrosomen gesehen habe, auf dem Präparate von Euchaeta hebes, welches von Dr. Giesbrecht angefertigt war, fehlte dagegen jede Spur von Centrosomen, was ich auf die relativ einfache Conservirungs- (Sublimat-) und Färbungsmethode (Carmin) Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduction in d. Samen-u.Eireife. 219 zurückführen möchte. Eine Sphärenstrahlung um die Centrosomen war in keinem Falle sichtbar, B. Allgemeiner Theil. Aus dem Vorstehenden haben wir ersehn, dass meine empiri schen Befunde bei der Eireife mariner Copepoden mit den Rückert’schen Angaben besser übereinstimmen als mit denen von Ishikawa und Häcker. Ein Vergleich der Reductionsvorgänge in der Eireife der Copepoden mit der in der Samenbildung von Arthropoden (Gryllotalpa u. a.) und Vertebraten (Salamandra, Rana) ergiebt nun eine auffällige Uebereinstimmung. Wer früher meine bei Salamandra gewonnenen Resultate bei der Schwierig- keit des Objeetes als noch nicht völlig sicherstehend angesehn hat, dürfte durch die Darstellung der viel einfacheren Reduetions- vorgänge bei Rana von dieser völligen Uebereinstimmung sicherlich überzeugt worden sein. Während nun die empirischen Befunde von Rückert und mir in bestem Einklang stehn, sind unsere Anschauungen über die Deutung der Befunde einigerimaassen ver- schieden, aber keineswegs in dem Grade, als aus dem Rückert'- schen Referat ein Leser, der in dieser Streitfrage nicht auf dem Laufenden ist entnehmen könnte. Nach Rückert ist allein die letzte Theilung (II. Theilung der Reifephase) eine Reduections- theilung, dagegen wäre die vorletzte (I. Theilung der Reifephase) eine Aequationstheilung; nach Weismann und mir kommt da- gegen die Reduction durch beide Theilungen der Reifephase zu Stande. In Betreff der Reduction im Salamanderhoden sprach ich mich übrigens in folgender Weise aus: Nach meiner Zählungs- weise findet die Reduction unbedingt in der Reifungsperiode statt, ob es aber die zweite Theilung allein ist oder beide Thei- lungen, welche die Reduction herbeiführen, ist empirisch nicht definitiv zu entscheiden. N. Ile pag. 120. Bei den anderen von mir untersuchten Objeeten war ebensowenig eine Entscheidung möglich, da man den Vierergruppen nicht ansehn konnte, in weleher Anordnung sie sich im Aequator aufstellten. Wir werden weiter unten auf diese Frage noch näher einzugehn haben. Ist nun für die Ei- und Samenreife einiger Arthropoden und Vertebraten die Entstehung der Vierergruppen dureh nur 220 O.vomRath: einmalige Längsspaltung und Ausfall einer Quertheilung endgültig entschieden, bleibt noch die Frage zu beantworten, können die Vierer bei anderen Objeeten vielleicht in anderer Weise, z. B. durch doppelte Längsspaltung entstehn, wie es von verschiedenen Autoren mit Nachdruck behauptet wurde. Es kommen hier in erster Linie die Angaben Brauer’s über Branchipus, Artemia und Ascaris in Betracht. Was zunächst die beiden ersten Thiere betrifft, so habe ich wiederholentlich meine Präparate über die Samen- und Eireife von Branchipus und die Eireife von Artemia durchstudirt, aber nie eine Andeutung einer doppelten Längs- spaltung finden können, wie sie von Brauer ausdrücklich be- schrieben wurde. Es ist aber ebensowenig Branchipus als Artemia ein für die Entscheidung dieser Streitfrage geeignetes Object, da die Chromosomen recht klein und überaus zahlreich sind. Ich habe meine diesbezüglichen Bedenken bereits in einer früheren Arbeit N. 11e ausgesprochen!). Anders liegen die Verhältnisse 1) Die Brauer’schen Befunde gestatten aber auch eine andere Deutung. Ich habe früher selbst die Ovogenese und Spermatogenese von Branchipus stagnalis und B. Grubii untersucht, aber die Ueber- zeugung gewonnen, dass diese Objecte für die Beurtheilung mancher wichtiger Gesichtspunkte wegen der Kleinheit der Zellen und der grossen Chromosomenzahl wenig günstig sind; die feineren Einzelheiten der Kerntheilungsvorgänge der Urei- und zumal der Ursamenzellen sind selbst mit den besten Immersionslinsen nicht in befriedigender Weise festzustellen. Ich beschränkte mich daher darauf, für die Samenbildung von Branchipus stagnalis die Angabe zu machen, dass vor der ersten Theilung der Reifungsperiode eine Verdoppelung der Chromosenzahl stattfindet (11c). Zählt man aber mit Brauer die Vierergruppen nur als ein einheitliches viertheiliges Chromosom, so ist dem entsprechend die für Branchipus typische Chromosomenzahl 24 bereits vor der ersten Theilung redueirt, da, wie beim Salamander, 12 Gruppen von Vierern auftreten. Da ich aber, wie ausführlich motivirt wurde, die Vierergruppe als aus vier selbständigen Chromosomen be- stehend ansehe, so zähle ich vor der ersten Theilung bei Branchipus in der Ovogenese und Spermatogenese 48 Chromosomen, die durch die erste Theilung auf 24, durch die zweite Theilung auf 12 vermindert werden. Was nun die Entstehung der Vierergruppen anbetrifft, so kann ich nach meinen Präparaten die Brauer’sche Darstellung nicht be- stätigen. Es soll sich nach diesem Autor in der Ovogenese von Bran- chipus aus dem Ruhestadium der Periode II ein Chromatinfaden her- ausbilden, der durch Quertheilung in 6 und dann in 12 Schleifen zerlegt Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduction in d.Samen- u.Eireife. 221 bei Ascaris megalocephala, indem bei diesem Spulwurme von verschiedenen Autoren, z. B. Boveri und Brauer, eine doppelte Längsspaltung mit Nachdruck behauptet, von anderen, z. B. Hertwig, für wahrscheinlich gehalten wird. Die sehr sorgfältige Ascaris-Arbeit von Brauer hat auf die meisten Leser einen völlig überzeugenden Eindruck gemacht. Auch Rückert meint „man kann sich beim Studium dieser Arbeit dem Eindruck nicht entziehn, dass sich hier Alles so ver- hält, wie es Verfasser ‚auffasst und schildert, mit anderen Worten, dass die Viererstäbe von Ascaris wirklich durch zweimalige Längsspaltung entstehn.* Wenn nun Rückert des Weiteren bemerkt, dass er sich von dem Hauptargument Brauer's, dass vor dem Auftreten der Viererstäbchen ein viertheiliger Faden existirt, nicht habe überzeugen können, so kann ich dem auf Grund eigener Untersuchungen bei Ascaris meg. nur beistimmen. Jeder der Ascaris selbst untersucht hat, muss zugeben, dass so interessant würde, worauf eine „doppelte“ Längsspaltung erfolge; das Resultat wäre die Bildung von 12 viertheiligen Chromosomen, die durch Ver- kürzung der Schleifen auf Stäbchen- und dann auf Kugelform her- vorgehen. Nach meinen Beobachtungen erfolgt aber, wie bei allen mir bekannten Mitosen, zuerst eine Längsspaltung und dann erst eine Quertheilung des Doppelfadens hier in nur 12 Segmente anstatt in 24, es bleiben eben, wie dies für die Mitosen mit doppelwerthigen Segmenten (halbzähligen Mitosen) charakteristisch ist, auch jeweils zwei hinter einander liegende Segmente vereinigt, die aber mit den durch eine Längsspaltung entstandenen Schwesterdoppelsegmenten keine Verlöthung eingehen. Mir ist eine Ringbildung weder in der Ovogenese noch in der Spermatogenese von Branchipus zur Anschau- ung gekommen und schienen mir die Vierer in der schon von Brauer angegebenen Weise einfach aus einer Verkürzung von jeweils vier Segmenten (die aber nicht durch doppelte Längsspaltung entstanden sind, auf Kugelform hervorzugehen. Wir sehen so, dass die empirischen Befunde bei Branchipus mit meinen übrigen Beobach- tungen recht gut übereinstimmen, und dass dem entsprechend auch die Deutung, welche ich meinen übrigen Befunden gegeben habe, auch für Branchipus zulässig ist. Würde nun aber die von Brauer für Branchipus vertretene Auffassung der Reductionsfrage richtig sein, so könnte auch, wie der betreffende Autor am Schluss seiner Bran- chipus-Arbeit hervorhebt, „die eine Theilung, durch welche in vielen Fällen bei parthenogenetischen Eiern der eine Richtungskörper ge- bildet wird, ebenfalls keine Reductionstheilung sein, wie Weismann annimmt“, 599 ÖO.vomRath: und günstig dieses Object zum Studium mancher Fragen auch sein mag, die Feststellung der Entstehung der Vierergruppen auf die grösste Schwierigkeit stösst. Ich habe meine Ascaris-Unter- suchungen noch keineswegs völlig abgeschlossen, doch bezweifle ich mehr und mehr die Richtigkeit der Deutungen Brauer ’'s. Im Spi- remstadium der ersten Reifungstheilung der Spermatogenese sah ich häufig, dass der einfach gespaltene Faden auf die Kernmembran zu- strebt, dann umbiegt und in genau derselben Richtung wieder zurück- kehrt; von oben sieht man dann natürlich nur einen einfach gespal- tenen Faden, da das andere darunter gelegene Stück verdeckt wird. Trifft nun ein Querschnitt den nach der Membran auf- und wieder absteigenden Doppelfaden, so sieht man natürlich die Quersehnitte von vier Fäden, die aber in Wirklichkeit einem Doppelfaden angehören. Ich hoffe demnächst in der Lage zu sein, nähere Aufschlüsse über diese Streitfrage geben zu können. Ich be- dauere es lebhaft, dass es auch Rückert nicht gelungen ist, diese Frage bei Ascaris zu entscheiden, da dieser Autor völlig unparteiisch der Gesammtfrage gegenüberstand, allerdings die Entstehung der Vierer durch doppelte Längsspaltung a priori für wahrscheinlicher hielt. Brauer stellt als Resultat seiner vergleichenden Unter- suchungen Folgendes fest: „Durch die eine Abweichung, das Unterbleiben einer Quertheilung, wird die Zahl der Chromosomen auf die Hälfte redueirt; durch das Eintreten einer zweiten Längs- spaltung, welche in Folge des ersteren Vorganges sofort, ohne dass ein Ruhestadium des Kernes eintritt, nachfolgen kann, wird die Gesammtmasse des Chromatins ebenfalls halbirt, dagegen bleibt die Masse eines Chromosoms bei beiden Theilungen die- selbe wie gewöhnlich. Die erblichen Qualitäten werden gleich- mässig auf alle vier Zellen vertheilt, aber von jeder geht nicht die Hälfte auf die Tochterkerne über, sondern nur ein Viertel. Diese Resultate können nicht, wie mir scheint, durch zwei auf einander folgende Theilungen erreicht werden, bei welchen die Ausbildung der Chromosomen wie in einem Normalkern vor sich geht. Denn entweder würde, wenn ein Ruhestadium zwischen beiden Theilungen sich einschaltete, keine Reduction weder der Zahl noch der Masse nach bewirkt, weil das Chromatin im Rule- stadium wieder auf die Grösse 1 wachsen würde, oder, wenn das Ruhestadium ausbliebe, so würde die Zahl trotzdem dieselbe Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduction in d.Samen- u.Eireife. 223 bleiben, ein jedes Chromosom nicht die normale Grösse, sondern nur die halbe besitzen, in der Furchungsspindel würde mithin die doppelte Zahl von halb so grossen Chromosomen auftreten als im Normalkern. Die eine Abweichung dagegen, der Ausfall einer Quertheilung, macht es möglich, dass die m Folge der Befruchtung unbedingt erforderliche Reduction der Zahl, der Masse und der Qualitäten, erfolgen kann, ohne dass Substanz verloren geht, ohne dass andere neue komplieirte Wege und Mittel zur Entfernung gewählt werden müssen, und hat dabei noch den Vortheil, dass die erbliche Substanz statt wie gewöhn- lieh auf zwei, auf vier Zellen vertheilt werden kann.“ Mit Recht macht Rückert gegen Brauer Folgendes geltend: „Wenn Brauer am Schluss seiner Arbeit aus- spricht, dass ihm das Problem der Chromatinreduetion nun im Wesentlichen gelöst erscheine, so wird man dies nicht ohne Weiteres zugeben können. Denn, wenn die Vierergruppen durch zweimalige Längsspaltung entstehn, dann erhebt sich so- fort die weitere Frage, wie kommt die redueirte Zahl dieser Chromatinportionen zu Stande? Da für gewöhnlich ebensoviel Chromosomen aus dem ruhenden Kern hervorgehn, als bei der vorausgegangenen Theilung in ihn eingetreten sind, sollte man erwarten, dass auch in der Spermatogenese von Ascaris bivalens der zweimal gespaltene Chromatinfaden durch Quertheilung in vier statt in zwei Viererstäbchen sich zerlege. Warum das nicht geschieht, warum nur zwei Vierergruppen entstehn, das bedarf jetzt noch ebenso der Erklärung, wie zuvor.“ Bevor ich nun auf eine allgemeine Diskussion der Redue- tionsfrage eingehe, will ich wörtlich die wichtigsten meiner früheren allgemeinsten Resultate wiederholen, da dieselben durchgängig bei den Autoren nicht die nöthige Beachtung gefunden haben. In erster Linie hängt die Beantwortung der Reductionsfrage von der Beurtheilung der Vierergruppen ab. Während einige Autoren die Vierergruppen (gleichgültig ob Kugel- oder Stäbehenchromo- somen) jeweils als ein einheitliches Chromosom auffassen, zählen sie andere als zwei zweitheilige Chromosomen, wieder andere als vier Einzelehromosomen. Bei der ersten Annahme treten die Chromosomen (Idanten) bei der ersten Theilung der Reifungs- periode bereits in der redueirten Zahl in den Aequator der ersten Spindel ein; bei der zweiten Annahme bleibt das Zahlenverhältniss 994 Ö.vomRath: der Chromosomen vor der ersten Theilung unverändert; bei der dritten Annahme findet eine Verdoppelung der für die Species typischen Chromosomenzahl vor der ersten Theilung der Reifungs- periode statt. Wenn es nun auch bis zu einem gewissen Grade von der individuellen Auffassung abhängig ist, wie man die Vierergruppen zählen will, ob als vier, als zwei oder als ein Chromosom, so kann eine naturgemässe Entscheidung dieser Frage am ehesten aus der Entstehungsweise der Vierergruppen hergeleitet werden. In allen von mir untersuchten Fällen der Spermatogenese und Ovogenese entstehen die Vierergruppen vor der Reifungsperiode in gleicher Weise dadurch, dass im Knäuelstadium zwei hinter einander gelegene Segmente mit einander verbunden bleiben und mit den dureh die Längs- spaltung des Chromatinfadens entstandenen ebenfallsverbundenen zweiSchwestersegmenten eine bald innigere (Ringbildung), bald losere (keine Ringbildung) Zusammengehörigkeit be- wahren. Aus jedem dieser vier Segmente ent- stehen dann durch Kontraktion vier Stäbchen- oder Kugelehromosomen. Es scheint mir daher das Natürlichste zu sein, jede Vierergruppe als aus vier Einzelehromosomen bestehend anzu- sehen. Die Frage, ob die Reduetion durch beide Theilungen oder nur durch die zweite Theilung erfolgt, hängt nun lediglich von der individuellen Auffassung ab und ist nach den zur Zeit vor- liegenden empirischen Befunden keineswegs mit absoluter 'Sicher- heit zu entscheiden. Es erfolgt auch bei den gewöhnlichen Mitosen durch die Längsspaltung des Chromatinfadens im Knäuel- stadium eine Verdoppelung der Zahl der Chromosomen, letztere werden aber erst im Aequator der Spindel selbständig. Vor der ersten Theilung der Reifungsperiode differenziren sich aber aus den vier mehr oder weniger innig verbundenen Segmenten früh- zeitig vier selbständige Chromosomen heraus, die vor ihrem Ein- treten in die Aequatorialebene der Spindel der ersten Theilung noch mancherlei Lageveränderungen und eventuell Umgruppirungen erfahren (sie liegen beispielsweise eine Zeit lang sämmtlich der Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduetion in d.Samen- u. Eireife. 225 a Kernperipherie dieht an und treten dann in das Kerninnere hinein, um sich im Aequator aufzustellen), so dass man nicht weiss, in welcher Anordnung sie neben einander gruppirt wer- den. Die Entscheidung letzterer Frage wäre von grosser Wich- tigkeit, doch geben die histologischen Befunde selbst bis jetzt keinen sicheren Anhaltspunkt hierfür. Ob nun vor der ersten Theilung eine Umkombinirung der Ide und eine andere Gruppirung der Idanten stattfindet, ist einstweilen eben so wenig zu be- weisen wie zu widerlegen, auf jeden Fall aber recht gut mög- lich. Bekanntlich misst Weismann dem Verdoppelungsprocess vor der ersten Theilung eine besondere Bedeutung bei. Handelte es sich hier nur um eime Herabsetzung der Chro- mosomenzahl auf die Hälfte, so hätte die Natur diesen Zweck auf viel einfacherem Wege erreichen können. Die Bedeutung des eomplieirten Vorganges der Verdoppelung und zweimaligen Theilung liegt nach Weismann „in dem Bestreben, eine mög- lichst vielgestaltige Mischung der vom Vater und von der Mutter herstammenden Vererbungs-Einheiten herbeizuführen.* Wie ich bereits in meiner früheren Arbeit anführte, bestände nach Weis- mann der Sinn der Verdoppelung der Idanten vor der Reduc- tionstheilung darin, „eine fast unendliche Zahl von verschiedenen Keimplasma-Mischungen zu ermöglichen, um dadurch die indi- viduellen Unterschiede in so vielen verschiedenen Kombinationen der Naturzüchtung zur Verfügung zu stellen, als Individuen ent- stehen.“ — „Die beiden Theilungen der Keimmutterzellen bedeuten eine Periode der Reduction und des Umbaues des Idioplasmas. Handelt es sich bloss um eine Reduction, d. h. Verminderung der Id-Ziffer auf die Hälfte, so würde eine einzige Theilung ge- nügt haben; die zweite wurde dadurch nöthig, dass zugleich eine möglichst grosse Mannigfaltigkeit des Keimplasmas erreicht werden sollte.* (Weismann, Amphimixis.) Im Uebrigen ver- weise ich auf die Weismann’'schen Originalarbeiten (14), da ich hier nicht in eine Besprechung theoretischer Fragen ein- treten möchte. Rückert fasst seine wichtigsten Resultate wie folgt zu- sammen: Die Untersuchung von Copepoden hat ergeben, dass in der ersten Riehtungsspindel die durch den Längsspalt ge- schiedenen Stücke auf die Pole vertheilt werden, was einer ge- wöhnlichen Theilung (Aequationstheilung) entspricht. In der zweiten dagegen werden die Querstücke d. h. die beiden Chro- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 45. 15 9936 Ö.vomRath: mosomen einer Gruppe von einander getrennt, und dadurch die Chromosomenzahl für die reifen Geschlechtskerne definitiv halbirt. Eine solche Theilung würde nicht nur den Anforderungen aller derer entsprechen, welche vorläufig nur die empirisch festgestellte Zahlenreduetion der Chromosomen erklärt zu sehn wünschen, sondern sie wäre auch im Stande, die von Weismann theo- retisch postulirte Reduction der Ahnenplasmen zu leisten. Sie würde daher von beiden Gesichtspunkten aus sehr wohl als Re- duetionstheilung bezeichnet werden können. Kann aber dieser Reifungsvorgang die weitere Anforderung Weismann’s einer Neukombinirung von Idanten erfüllen? Hier ist zunächst darauf . hinzuweisen, dass derselbe unter einem völlig anderen Bilde ver- läuft als dem, welches Weismann für seine Reduetionsthei- lungen entwirft. Dieser Forscher fasst die Theilungstücke einer Vierergruppe als selbständige Chromosomen auf und sagt: Zuerst wird vor der Reifung die Zahl der Chromosomen verdoppelt und dann wird sie durch zwei Reduetionstheilungen auf die Hälfte herabgesetzt. Es spricht dann Rückert seine Verwunderung darüber aus, dass auch ich bei den Vierergruppen von selbständigen Chromosomen und auch von zwei Reductionstheilungen spreche, obschon doch meine Befunde auf etwas ganz anderes hinwiesen. „Zwei Reduetionstheiluingen könnte man doch nur dann an- nehmen, wenn die sämmtlichen Einzelstücke der Vierergruppe, die man ja mit Rücksicht auf ihr schliessliches Schicksal Chromo- somen nennen mag, vor oder während der ersten Theilung in der Weise durcheinander gewürfelt würden, dass man nicht mehr zu erkennen vermag, welche von ihnen zusammengehörige Schwes- terehromosomen (identische Idanten) sind und welche nicht. Nun ist aber bisher nirgends nachgewiesen, dass vorher selbständige, von einander unabhängige Chromosomen auf die Pole der Spindel vertheilt werden. Diese, auch hinsichtlich ihres Mechanismus nicht verständliche Form der Mitose existirt, soweit das vorliegende Un- tersuchungsmaterial erkennen lässt, nicht. Vielmehr stimmen alle Untersuchungen, die sich mit den Vorbereitungsstadien der Theilung näher beschäftigen, darin überein, dass die vier Chromatinstücke unter sich in festen Verbänden stehen bis zu dem Augenblick, in welchem sie im Aequator der Reifungsspindel von einander ent- fernt werden. Daraus folgt zunächst, dass die Längsspaltung und die dadurch hervorgerufene Verdoppelung der Chromosomen Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduction in d.Samen- u.Eireife. 227 während der Wachsthumsperiode, welche ihrerseits wieder behufs Herstellung der Zahlenreduction einen zweimaligen Theilungspro- cess nöthig macht, nicht die Bedeutung haben kann, welche ihr Weismann neuerdings beilegt: Es kann durch sie nicht den Re- duetionstheilungen eine grössere Zahl individuell verschieden ge- färbter Chromosomen zur beliebigen Verfügung gestellt wer- den, damit dieselben in die reifen Geschlechtszellen eines Indi- viduums möglichst wechselvolle Keimplasmamischungen befördern. Da die Spalthälften, ohne sich vorher zu mengen, in der Reifungs- spindel gegen die Pole auseinandergezogen werden, läuft der Effekt auf das Gleiche hinaus, als ob überhaupt keine Spaltung vorausgegangen wäre. Vielleicht wird durch ein weiteres Ein- dringen in den Mechanismus der Reifungstheilungen in Zukunft die Bedeutung dieses an sich unverständlichen Spaltungsvorgan- ges, der die Reduction nur zu complieiren scheint, in einfacher Weise aufgeklärt.“ An einer anderen Stelle heisst es dann: „Durch die erste Reifungstheilung kann also eine Neukombinirung von Idanten sicher nicht bewirkt und damıt auch die Verschiedenheit der Kinder gleicher Eltern nicht erklärt werden. . Inwieweit dies durch die zweite Theilung möglich ist, muss erst festgestellt werden, denn es ist a priori denkbar, dass auch in den zweiten Reifungsspindeln eines Individuums immer die gleichen, einan- der correspondirenden Stücke des chromatischen Fadensystems von einander geschieden werden, so dass auch in diesem Falle eine Freiheit in der Vertheilung der vorbandenen Idanten nicht existiren würde. Indessen muss doch erwähnt werden, dass die für die Reductionstheilung bestimmte Quergliederung der Chro- mosomen bei Cyelops durchaus nicht immer die Mitte, sondern sehr wechselnde Stellen der Doppelstäbe befällt. Diese That- sache könnte man allerdings im Sinne einer bei der Reifung stattfindenden Veränderung in der Zusammensetzung des Keim- plasmas denken, aber von einem Beweis kann noch keine Rede sein.“ Dass die vier Theile jeder Vierergruppen, die ich, wie mir scheint, mit Recht Chromosomen (Idanten) nenne, von ihrer Ent- stehung an bis zu ihrer Aufstellung im Aequator der ersten Rei- fungstheilung zu einander einen gewissen Zusammenhang bewahren, habe ich niemals bestritten; es scheint aber, als ob Rückert den Ausdruck selbständige Chromosomen völlig missverstanden hat. Mit diesem Ausdrucke sollte nichts anderes gesagt werden, als dass ich die vier Theile jeder Gruppe nicht als Viertel eines 298 O.vomRath: Chromosomas, sondern als vier vollwerthige Chromosomen zähle. Meine Gründe habe ich früher N.11e so eingehend diskutirt, dass ich auf meine alte Darstellung verweisen darf. Es anehen nun aber gar nicht Alie 4 Chromosomen jeder Gruppe ihren Verband zu lösen und insgesammt durcheinandergewürfelt zu werden, (Rückert), um bei der ersten Theilung eine Reduktion herbei- zuführen. Nennen wir beispielsweise die Chromosomen, wie sie aus hintereinanderliegenden Segmenten des Knäuels entstanden sind, abedefgh, so entstehn durch die Längsspaltung und Ausfall a'!b bi eld! ef! g'h! a2b2? c 22? ef?’ g aeh? Diese Gruppen können nun in genau dieser Anordnung im Ae- quator der ersten Reifetheilung so aufgestellt sein, dass die Schwesterdoppelsegmente von einander geschieden werden, es ala. Iıcles bip®’ did®’ 192 a! 1 122 e! 1 1,12 1,71 A; et ferner nr er a ine oder aber _ — Eee, un! np g’h? Da nun durch Rückert für die Eireife einiger Copepoden die Anordnung der Vierer im Aequator der ersten Richtungs- spindel mit befriedigender Sicherheit festgestellt werden konnte, und bei diesen Formen mit stäbehenförmigen Chromosomen es kaum zu bezweifeln ist, dass in allen Gruppen bei der ersten Theilung die durch die Längsspaltung entstandenen Schwester- doppelsegmente von einander separirt und dann bei der zweiten Theilung die durch Ausfall der Quergliederung verbundenen Chro- mosomen getrennt werden, ist es sehr wohl möglich, aber sicherlich nicht bewiesen, dass dies bei allen anderen Metazoen und zumal den mit kugelförmigen Chromosomen, bei welchen ein Entschei- dung überhaupt gar nicht möglich ist, der Fall sein wird. Meine Befunde bei Eucalanus mit stäbehenförmigen Chromosomen sprechen auch zu Gunsten der Rückert’schen Annahme; ich möchte aber bis auf weiteres eine Verallgemeinerung für keineswegs rathsam halten, da doch nur bei wenigen Thieren bisher die Reduktions- frage in allseitig befriedigender Weise studirt wurde. Nehmen wir aber einmal an, dass thatsächlich bei allen Metazoen die Aufstellung der Vierer im Aequator der ersten Theilung sich ge- nau in derselben Weise vollziehen wird, so kann die erste Thei- einer Quergliederung folgende Vierergruppen - sind aber auch folgende a ao vorhanden: Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduction in d.Samen- u.Eireife. 229 lung trotzdem für die Reduction von Bedeutung sein, nämlich dann, wenn die Chromosomen der Vierergruppen und die der früheren Mitosen in Bezug auf ihre Zusammensetzung sieh anders verhalten oder um mit Weismann zu reden, wenn die Idanten der Vierergruppen andere Ide führen wie die Idanten der übrigen Mitosen. Ob bei der Ring- und Viererbildung oder schon früher (vergl. N. Ile pag. 132) z. B. bei allen Mitosen mit doppel- werthigen Chromosomen eine Umeombinirung der Ide jedes Idanten (der Mikrosomen jedes Chromosoms) stattfindet oder nicht, ist auch zur jetzigen Zeit weder zu beweisen noch direct in Abrede zu stellen. Wenn Rückert behauptet „durch die erste Reifungs- theilung kann eine Neucombinirung von Idanten sicher nicht bewirkt werden“, so bleibt er uns den Beweis hierfür schuldig. Die Möglichkeit einer Umeombinirung der Ide, die übrigens gar nicht bei der ersten Theilung selbst stattzufinden braucht, vielmehr, wie vorhin erwähnt, bereits früher stattgefunden haben könnte, darf sicherlich aufrecht erhalten bleiben. Für die von den ge- wöhnlichen Mitosen abweichenden Prophasen der ersten Reife- theilung, z. B. die frühzeitige Längsspaltung, die Ringbildung, die Viererbildung ete. hat übrigens dieser Autor keine befrie- digende Erklärung gegeben und ich muss meinerseits gestehn, dass, solange keine plausiblere Deutung gefunden wird als die von Weismann gegebene, ich daran festhalte, dass auch die erste Theilung sehr wohl mit der Reduetion in einer viel innigeren Beziehung steht als man es den Kerntheilungs- figuren äusserlich ansieht. Weismann hat übrigens selbst in seiner Amphimixis ausdrücklich betont, dass man einer Theilung keineswegs immer äusserlich ansehn könne, ob sie eine Reduetions- theilung oder eine Aequationstheilung ist. Mir scheint es übrigens, dass man sehr wohl ohne den Ausdruck Aequationstheilung aus- kommen kann, da eine Theilung äusserlich eine Aequationstheilung zu sein scheint, in Wirklichkeit aber eine Reduetionstheilung ist. Zur Zeit, als Rückert seine Copepodenstudien an- stellte, war in erster Linie die Frage zu entscheiden: findet die Reduction in der Reifephase, in dem Keimbläschenstadium (in der Periode II) oder schon früher statt? Erst nachdem Rückert für seine Copepoden die Ansicht der Freiburger Zoologen bestätigen musste, dass thatsächlich während der Reife- phase die Reduetion zum Vollzug kommt, trat die Frage heran, sind beide Theilungen Reductionstheilungen oder nur die letzte? 230 O.vomRath: Dass die Entscheidung dieser Frage bis zu einem gewissen Grade Geschmackssache ist, habe ich in meiner Salamandra-Arbeit ver- schiedentlich betont, doch scheinen diese Stellen Rückert ent- gangen zu sein. Dass eine Umeombinirung der Ide der Idanten vor der ersten Theilung sicherlich nicht stattfinden kann, hat Rückert nicht beweisen können. Da nun aber genannter Autor selbst betont, dass die Quergliederung der Stäbe bei der zweiten Theilung bei Cyelops. nicht immer in der Mitte erfolgt, sondern sehr wechselnde Stellen der Doppelstäbe befällt, ist eine Umeombinirung der Ide auch bei der zweiten Theilung möglich und dies ist für die Weismann’'sche Auffassung bekanntlich von grosser Wichtigkeit. Wo aber in Wirklichkeit die Umeom- binirung stattfindet ist ganz gleichgültig, wenn sie überhaupt nur stattfindet, und die Möglichkeit hierfür muss eben bis auf Weiteres zugegeben werden. Auch im parthenogenetischen Ei vom Artemia wird, sagt Rückert, die Verdoppelung der Chromosomen nicht die Be- deutung haben, die ihr Weismann zuschreibt, weil sich das Chromatin hier, wie die neuesten Untersuchungen ergeben, ganz in der gleichen Weise für die Riehtungstheilung vorbereitet, wie im befruchtungsbedürftigen Ei. „Da die erste Richtungstheilung hier höchst wahrscheinlich (!) wie bei Cyclops eine Aequations- theilung und keine Reduetionstheilung ist, so wird (!) sie auch keine Veränderung in der Zusammensetzung des Keimplasmas bewirken können.“ Wie bei den befruchtungsbedürftigen Eiern finden sich auch bei Artemia Vierergruppen vor, doch kann man diesen Kugelehromosomen nicht ansehn, in welcher Anordnung sie im Aequator sich aufstellen. Ich hatte mich N. 11e pag. 137 über die Deutung dieser Vorgänge wie folgt ausgesprochen: „Wer die erste Theilung der Reifungsperiode in der Ovogenese und Spermatogenese als Reductionstheilung auffasst, wird auch die Riehtungskörperbildung parthenogenetischer Eier als Reductions- theilung ansprechen, wer aber nur die zweite Theilung der _ Reifungsperiode als Reductionstheilung ansieht, oder eine solche für beide Theilungen in Abrede stellt, wird auch eine Reduction bei der Bildung der Richtungsspindel parthenogenetischer Eier in Abrede stellen.“ Da nun Rückert an vielen Stellen seiner beiden letzten Publicationen mit Nachdruck hervorhebt, dass nur die zweite Theilung in der Ei- und Samenreife eine Reduetions- theilung ist, die erste dagegen eine gewöhnliche Aequationsthei- Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreducetion in d.Samen- u. Eireife. 231 lung, so ergiebt sich von selbst, dass nach diesem Autor bei parthenogenetisch sich entwickelnden Eiern z. B. bei Artemia auch die eine Reifetheilung keine Reduetionstheilung sein kann. Der Umstand, dass auch bei den parthenogenetisch sich entwickelnden Eiern Vierergruppen gefunden werden, wie es Brauer für Artemia eonstatirte, ein Befund, den ich bestätigen konnte, scheint mir gerade darauf hinzuweisen, dass die compli- eirten Vorgänge, welehe stets die erste Theilung der Reifephase vorbereiten, von einer prineipiellen Bedeutung sein müssen und dass diese erste Theilung weder in der Samen- noch Eireife, weder bei parthenogenetisch sich entwickelnden Eiern als bei befruch- tungsbedürftigen eine gewöhnliche Aequationstheilung ist. Rückert hat uns auch für Artemia keine Erklärung dieser Theilung ge- geben und ich meine, die wäre hier besonders am Platze ge- wesen. Mit Ausdrücken es wird so sein oder höchst wahrschein- lich ist absolut nichts gewonnen. Dass bei Artemia die Ver- doppelung der Chromosomen nicht die Bedeutung haben wird, wie sie von Weismann angenommen wird, hat Rückert keineswegs bewiesen, ebensowenig, dass diese eine Theilung der Reifephase „höchst wahrscheinlich“ keine Reduetionstheilung ist. Die Streitfrage, ob die Zahlenreducetion im Keimbläschen oder in den Riehtungstheilungen vor sich geht, würde nach Rückert dahin zu entscheiden sein, dass beides der Fall ist: „Es setzt der Reduktionsvorgang schon im Keimbläschen ein da- durch, dass eine Querspaltung des Fadens, die sonst am Knäuel auftritt, ausbleibt, oder richtiger gesagt, in unvollständiger Weise vor sich geht. Erst während der Richtungstheilungen selbst, und zwar erst in der zweiten Theilung, wird diese Querspaltung vollendet, indem gleichzeitig die Querstücke gegen die beiden Spindelpole von einander geschieden werden. Damit gelangt die schon im Keimbläschen eingeleitete Reduktion zum Vollzug. Die vor der Befruchtung stattfindende Zahlenreduktion der Chromosomen käme somit durch das Zusammenwirken zweier Vor- gänge zu Stande. 1) Sie wird eingeleitet vor der Reifung, vielleicht schon in den Ovo- und Spermatogonien, durch den Ausfall einer Querthei- lung des Chromatinknäuels, infolge dessen je zwei Chromosomen mit einander verkettet bleiben. 2) Sie kommt zum Vollzug in der zweiten Reifungsspindel dadurch, dass diese beiden Chromosomen auf die Pole vertheilt werden, 939 ÖO.vomRath: Der Umstand, dass zwei verschiedene, der Zeit nach erheb- lich von einander getrennte Faktoren zusammenwirkend die Re- duktion zu Stande bringen, erklärt auch die Meinungsverschieden- heiten, die sich, scheinbar so unversöhnlieh, in dieser wiehtigen Frage gegenüber stehen: Boveri hatte nur den ersten Akt im Auge, indem er die Reduktion in das Keimbläschen verlegte, Weismann nur den zweiten, indem er sie durch die Reifungs- theilungen allein geschehen liess. Die Wahrheit liegt auch hier wieder einmal in der Mitte, und ist eine Versöhnung der beider- lei Anschauungen auf dem angedeuteten Wege möglich.“ Dieser Vermittlungsversuch zwischen Boveri und Weis- mann scheint mir nicht besonders glücklich zu sein. Welche Ansicht überhaupt Boveri zur Zeit über die Reduktionsfrage hat ist unbekannt, da genannter Autor sich seit einer Reihe von Jahren trotz der verschiedensten Angriffe nicht mehr über diese Frage ausgesprochen hat; soviel aber steht fest, dass die letzte Auffassung dieses Forschers, dass die Uhromatinreduktion bereits in Periode II (Keimbläschenstadium) durch Chromatinatrophie vor sich geht, völlig unhaltbar ist. Wenn nun aber die Reduktion, die nach Rückert in der letzten Theilung der Reifephase zum Vollzug kommt, bereits im Keimbläschenstadium, ja vielleicht schon in den Ovo- und Spermatogonien einsetzt, bleibt die Be- deutung der ersten Theilung der Reifephase, die nach diesem Autor eine gewöhnliche Aequationstheilung sein soll, völlig un- verständlich. Dass sich noch eine Aequationstheilung einschieben soll, nachdem die Reduktion bereits eingesetzt hat, ist schon a priori unwahrscheinlich. Es gehört ferner die so früh erfolgende Längs- spaltung des Chromatinfadens nach Rückert's eigenen Befunden zur ersten Theilung, der angeblichen Aequationstheilung. Wo die Reduktion einsetzt ist eine Frage, über welche man sich streiten kann, welche aber eigentlich ziemlich gleichgültig ist, da die Hauptsache die ist, wo kommt die Reduktion zum Vollzug. Nach Boveri sollte dieselbe in der Periode II erfolgen und die beiden Theilungen der Periode III wären gewöhnliche Mitosen ohne prin- eipielle Bedeutung. Rückert hat nun aber selbst die Auffassung der Freiburger Zoologen bestätigt, nach welcher die Reduktion in der Periode III vollzogen wird. Was nun die empirischen Befunde Rückert’s bei Selachiern angeht, die in diesem Aufsatze fast gar nicht besprochen wurden, so giebt dieser Autor selbst zu, dass dieselben für das Reduktions- Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduetion in d. Samen- u.Eireife. 233 problem ebensowenig entscheidend sein können, wie die Beobach- tungen Henkings bei Insekten, „da in keinem dieser Fälle con- statirt ist, wie die in redueirter Zahl auftretenden Vierergruppen entstehn“. Bei Selachiern habe ich (sagt Rückert) nicht mehr als eine einzige Längsspaltung der Fäden gefunden, aber mit diesem negativen Ergebniss allein ist nichts bewiesen. Ich möchte übrigens hier nicht zu erwähnen unterlassen, dass der Ausdruck der in redueirter Zahl auftretenden Vierergruppen (oder Chromatinportionen) streng genommen gar nicht richtig ist. Die Vierer treten überhaupt nur einmal im Verlauf der Ei- und Samenreife auf und können folglich nieht in redueirter Zahl auftreten. Wenn ich nun auch mancher Deutung Rückert's nicht bei- stimmen kann, gebe ich gern zu, dass die Untersuchungen dieses Autors und zumal seine Copepodenforschungen für die Entschei- dung der Reduktionsfrage von grosser Wichtigkeit sind, da jetzt die Entstehung der Vierergruppen wenigstens bei Arthropoden und Vertebraten durch nur einmalige Längsspaltung erdgültig bewiesen ist. Leider aber hat Rückert die übrigen Phasen der Eireife nicht beschrieben und zu einer definitiven Entscheidung der Gesammtfrage von der Chromatinreduktion müssen unbe- dingst alle Stadien der Samen- und Eireife mit genauer Zahlenangabe der Chromosomen vorgeführt werden, ja es ist wünschenswerth das erste Auftreten der Sexualzellen bereits sorgfältig zu studiren, da bereits hier, wie Häcker für Cyelops zeigen konnte, die scheinbar redueirte Chromosomenzahl gefun- den werden kann. Wenn thunlich sollten auch die ersten Fur- chungsstadien mit in den Bereich der Untersuchung gezogen werden. Auf eine Diskussion anderer in neuester Zeit über die Re- duktionsfrage erschienenem Arbeiten will ich hier nicht eintreten, da ich in nächster Zeit wieder auf dasselbe Thema zurückkommen werde, um ausser neuen eigenen empirischen Befunden über die Ei- und Samenreife verschiedener Vertebraten und Evertebraten die Gesammtfrage noch einmal kritisch zu besprechen. Eine eingehendere Berücksichtigung des von Rückert der Reduktions- frage gegenüber eingenommenen Standpunktes schien mir für vorstehenden Aufsatz um so mehr geboten, als ich mich davon überzeugt habe, dass mancher unparteiische Leser des Rückert'- schen Referates über die Leistungen der Autoren auf dem Gebiete der Reduktionsfrage keineswegs das richtise Bild gewonnen hat. Neapel, Juni 1895. 15* 234 O0. vom Rath: Nachsehrift. Häcker hält in einer mittlerweile erschienenen Arbeit (Die Vorstadien der Eireifung, Archiv. für mikr. Anat. Bd. 45 1895), auf welche ich pag. 199 hinwies, die Richtigkeit seiner auf Cyclops strenuus bezüglichen Beobachtungen und ihrer Deutung im Wesentlichen trotz der Einwände Rückert’s aufrecht. Auch bei Canthocamptus fand Häcker einen doppelten Modus der Eireife. Bei der pelagischen Form von Cyelops strenuus würden wie bei dem ersten Eireifungsmodus von Canthocamptus unter einfacher Zerlegung des Doppelfadens definitive Vierer- gruppen gebildet (welche allerdings gegenüber den hypothetischen „definitiven Vierergruppen“ der Tuempelform Elemente höherer Ordnung darstellen); bei der Tuempelform dagegen trete ent- sprechend dem zweiten bei Canthocamptus auftretenden Modus die Bildung von Vierergruppen en gros oder „Vierergruppen- gerüsten“ in Form von Doppelwinkeln ein. Da ich selbst Cyelops strenuus und Canthocamptus nicht in genügender Zahl untersucht habe, darf ich mir einstweilen kein entscheidendes Urtheil in der zwischen Häckerund Rückert bestehenden Meinungsverschie- denheiten erlauben. Ein näheres Eingehen auf die Häcker’- sche Arbeit ist hier leider nicht mehr möglich. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI, VII u. VIII Sämmtliche Figuren sind mit Seibert’s Apochrom. Homog. Immersion 1,5 mm, Apert. 1,30 Oc. 8 gezeichnet, und ich rechnete die Vergrösserung mit genauer Berücksichtigung der Höhe des Zeichen- tisches auf ca. 1334 aus. Fig. 1—14 der Tafel VI beziehn sich auf die Samenreife von Gryllotalpa vulgaris, einige Figuren wurden aus meiner früheren Arbeit übernommen und denselben ist in Klammern die alte Nummer neben der neuen beigefügt. Fig. 15—22 zeigen die Ent- stehung der Ringe und Vierergruppen sowie die Reifetheilungen in der Samenbildung vonRana. Auf Tafel VII sehn wir die wichtigsten Phasen der Eireife von Euchaeta marina, während auf Tafel VIII einige wichtige Bilder der Eireife von Anomalocera patersonii Fig. 32—34, Euchaeta hebes Fig. 35, Pleuromma abdominale Fig. 38, Pleuromma gracile Fig. 36 u. 37 und Eucalanus attenuatus Fig. 39 dargestellt werden. Fig. 32 u. 33 sind durch den Lithographen auf die Hälfte verkleinert worden. Fig. 1 (Fig. 9). Eine rosettenförmig angeordnete Gruppe von Samen- Neue Beiträge z. Frage d. Chromatinreduction in d.Samen- u.Eireife. 235 Fig. Fig Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. mutterzellen mit bläschenförmigen Kernen im Ruhestadium gegen Ende der Wachsthumsperiode (Periode II). 2 (Fig.10) und Fig. 3 (Fig. 11). Samenmutterzelle in der Prophase der Theilung, eine Längsspaltung ist noch nicht sichtbar, doch liegen in Figur 3 bereits zwei Centrosomen ausserhalb der Kerne im Cytoplasma, während die Nucleolen noch beide deut- lich sichtbar sind. . 4 (Fig. 12). Knäuelstadium mit deutlicher Längsspaltung des Chromatinfadens vor der Quertheilung. Nur noch ein Nucleo- lus sichtbar. Die Centrosomen zeigen eine Lininverbindung, wodurch die Figur einer extranucleären Spindelbildung entsteht. | . 5a (13b). Der längsgespaltene Knäuel ist in 6 längsgespaltene Segmente durch Quertheilung zerlegt, die Segmente sind schwach gebogen. .5b (neu). Wie 5a, doch sind die Segmente stärker gebogen. . 5e (13c). Wie 5a u. 5b, die Segmente haben hufeisenförmige Gestalt. . 6 (neu). Die durch die Längsspaltung entstandenen Schwester- fäden jedes Segmentes sind an den früher freien Enden ver- löthet, die Spalthälften haben sich weiter von einander ent- fernt und es sind Achterfiguren und unregelmässige Ringe entstanden. . 7 (13d mit geringer Veränderung). Ringstadium durch Contraction aus Fig. 6 entstanden. . 8 (neu). In den Ringen sieht man je vier Anschwellungen, auf welche sich allmählich das gesammte Chromatin zurückzieht, so dass zwischen den kugel- oder sternchenförmigen An- schwellungen schliesslich nur eine Lininverbindung übrig bleibt. 9 (Fig. 14) und Fig. 10 (Fig. 15). Aus jedem Ring haben sich in der in Fig. 8 dargestellten Weise 4 Chromosome (Vierer- gruppe) herausdiffereneirt, in Fig. 9 etwas schematisirt nach einem Zupfpräparat, in Fig. 10 nach einem Schnitt naturge- treu wiedergegeben. . 11. Die Vierergruppen stehen in einer Spindelfigur vor ihrer An- ordnung in dem Aequator. Seitenansicht. 12. Wie Fig. 11 in der Polansicht. 13 (Fig. 19). Seitenansicht der ersten Reifungsspindel. 14 (Fig. 18). Polansicht auf den Aequator der ersten Reifungs- spindel. 15—22 beziehn sich auf die Samenreife von Rana fusca. (?) 15. Der durch Längsspaltung entstandene Doppelfaden ist durch Quertheilung in 12 Segmente zerfallen, die an ihren freien Enden zum Theil eine Verlöthung erkennen lassen und zum Theil Ringe gebildet haben. 16. Ringstadium mit erkennbarer Viertheilung. 17. Von den Ringen sind nur die oberen Hälften, die eine deut- liche Zweitheilung verrathen, sichtbar, da die unteren durch 236 D OryomAR/artcht: dieselben verdeckt werden. Kurz vor der Aufstellung im- Aequator der ersten Reifungstheilung. . Erste Reifungstheilung von der Seitenansicht, von jeder Vierer- gruppe nur eine Hälfte sichtbar. . Polansicht auf den Aequator der ersten Reifungstheilung. . Seitenansicht der ersten Reifungstheilung nach der Trennung der Tochterplatten. . Seitenansicht und Fig. 22 Polansicht der zweiten Reifungs- theilung. Jede Enkelzelle (Spermatid) hat 12 Chromosomen. 23—31 beziehn sich auf die Eireife von Euchaeta marina. Dispirem einer letzten Theilung der Ureizellen mit deutlicher Längsspaltung. Beginn der Wachsthumsphase. Die längsgespaltenen Chromosomen sind gross und dick, sie sind nicht mehr völlig stäbchenförmig, sondern leicht ge- bogen. 2 Nucleolen sind sichtbar, ebenso neben dem Kern 2 Centrosomen. . Die längsgespaltenen Chromosomen sind winklich geknickt, eine Verbindung an den meist angeschwollenen Enden der Schwesterdoppelsegmente findet nicht statt, die Spalthälften bleiben auch fernerhin dicht bei einander liegen. Nucleo- len treten in grösserer Zahl auf. Das Chromatin verliert mehr und mehr seine Färbbarkeit. . Das Keimbläschen hat den Höhepunkt seiner Grösse erreicht, die Chromosomen sind lang, weniger geknickt und überaus blass. . Die Färbbarkeit der Chromosomen hat wieder zugenommen und das Keimbläschen ist wieder kleiner geworden. Mittler- weile hat sich der Dotter gebildet. . Die Chromosomen sind ebenso wie das Keimbläschen kleiner geworden und sind leicht winklig geknickt. . Die Chromosomen haben grösstentheils ihre Knickung ver- loren, sie strecken sich und an der früheren Knickungsstelle erfolgt ein Durchbruch. Es sind Vierergruppen von Stäbchen entstanden. Die stäbchenförmigen Chromosomen haben sich auf Kugelform zusammengezogen und die Vierer rücken allmählich in den Aequator der ersten Richtungsspindel, die in dieser Figur ab- gebildet ist. An jedem Spindelpol befinden sich 2 Centrosomen, die einen verschiedenen Abstand von einander haben. Eine Polstrahlung fehlt. 32—34 beziehn sich auf die Entstehung der Ringe und Vierer in der Eireife von Anomalocera patersonii. . Durch eine Verlöthung der Enden der 16 Schwesterdoppelseg- mente sind 16 grosse Ringe von verschiedener Form, die häufig Achtertouren zeigen, entstanden. (Auf die Hälfte verkleinert.) . 33. Die grossen Ringe haben sich zu kleinen contrahirt, welche eine Viertheiligkeit erkennen lassen. (Aufdie Hälfte verkleinert.) Neue Beiträge z. Frage d.Chromatinreduction in d.Samen- u.Eireife. 237 io, 34. Die Vierer haben sich im Aequator der ersten Richtungsspindel aufgestellt. 2 Centrosomen an jedem Pol. Fig. 35. Erste Richtungsspindel von Euchaeta hebes. Diese Abbildung wurde nach einem Präparat von Dr. Giesbrecht gezeichnet. Centrosomen waren vermuthlich in Folge der einfachen Con- servirung und Färbung nicht sichtbar. Fig. 36 u. 37. Erste Richtungsspindel von Pleuromma graecile. Fig. 38. Erste Richtungsspindel von Pleuromma abdominale. Fig. 39. Erste Richtungsspindel von Eucalanus attenuatus. e 8 Literatur-Verzeichniss. In dem nachstehenden Verzeichniss sind nur diejenigen Arbeiten über die Reductionsfrage aufgeführt, die im Texte des Aufsatzes be- sprochen werden. In Betreff der übrigen hierhergehörigen Arbeiten verweise ich auf das ausführliche Literaturverzeichniss, welches Rückert in seinem Referate über die Chromatinreduction bei der Reifung der Sexualzellen (Ergebnisse d. Anatomie u. Entwickl. Bd. III Wiesbaden 1894) zusammengestellt hat. 1. van Beneden, Recherches sur la maturation de l’oeuf, la fecon- dation et la division cellulaire. Gund 1883. 2. Boveri, a) Zellenstudien. Jenaische Zeitschr. 1887—1890. — b) Referat über „Befruchtung“. Ergebnisse der Anatomie und Ent- wicklungsgeschichte (Merkel u. Bonnet). Bd. I. 1894. Wies- baden 1892. — c) Ueber die Entstehung des Gegensatzes zwischen den Geschlechtszellen und den somatischen Zellen bei Ascaris megalocephala. Sitzungsber. der Gesellsch. für Morphologie u. Physiologie. München. Bd. VIII. 1892. 3. Brauer, a) Ueber das Ei von Branchipus. Abh. d. Preuss. Akad. d. Wiss., Berlin 1892. — b) Zur Kenntniss des parthenogenetisch sich entwickelnden Eies von Artemia salina. Zool. Anz.,, XVI, 1893. — ce) Zur Kenntniss der Spermatogenese von Ascaris megalo- cephala. Archiv f. mikr. Anat., Bd. XLII, 1893. — d) Zur Kenntniss der Reifung des parthenogenetisch sich entwickelnden Eies von Artemia salina. Archiv f. mikr. Anatomie, Bd. XLIII. 4. Flemming, Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. Archiv £. mikr. Anat. Bd. XXIX. 1887. — Vergl. ferner Archiv f. mikr. Anat. Bd. XVI, 1876, Bd. XVIII, 1880, Bd. XX, 1881. Referat über die Zelle für 91, 92 u. 93. Ergebnisse der Anatomie und Ent- wickelungsgeschichte von Merkel u. Bonnet Bd. I. 1892, Bd. II, 1893, Bd. III 1894. 5. Häcker, a) Die Eibildung bei Cyelops und Canthocamptus. Zool. Jahrb. Bd. V. 1892. — b) Die Kerntheilungsvorgänge bei der Meso- derm- und Entodermbildung von Cyelops. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XXXIX. 1892. — c) Die heterotypische Kerntheilung im Cyklus der generativen Zellen. Ber. der Naturf. Gesellsch. Freiburg. Bd. 238 10. IR: 12. 13. 14. O0. vom Rath: Neue Beiträge ete. VI. 1892. — d) Das Keimbläschen, seine Elemente und Lagever- änderungen. I. Ueber die biologische Bedeutung des Keimbläs- chenstadiums und über die Bildung der Vierergruppen. Archiv f. mikr. Anat. 1893. Bd. XLI. DO. Ueber die Funktion des Haupt- nucleolus ete. Ibidem 1893. — e) Ueber generative und embryo- nale Mitosen, sowie über pathologische Kerntheilungsbilder. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XLIII. — f) The Reduction ofthe Chromosomes in the Sexual Cells as described by Botanists, Annals of Botany. Vol. IX. 18%. Henking, Untersuchungen über die ersten Entwicklungsvorgänge in den Eiern der Insekten. Zeitschr. f. w.,Zool. Bd. XLIX. 1890, LI. 1891, LIV. 1892. Herla, Etude des variations de la Mitose chez l’Ascaride mögalo- c&phale. Archives de Biologie. Tome. XIII. 1893. Hermann, a) Beiträge zur Histol. des Hodens. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XXXIV, 1. Heft. — b) Beitrag zur Lehre von der Ent- stehung der karyokinetischen Spindel. Archiv f. mikr. Anatomie. Bd. XXXVI. O. Hertwig, Vergleich der Ei- und Samenbildung bei Nematoden. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XXXVI. 1890. Ishikawa, Studies of Reproductive Elements. I. Spermatogenesis, Ovogenesis and Fertilisation in Diaptomus Sp. Reprinted from the Journal of the College of Science, Imperial University, Japan. Vol. V. Pt. 1..:1891. vom Rath, a) Ueber die Reduction der chromatischen Elemente in der Samenbildung von Gryllotalpa. Berichte d. naturf. Gesell- schaft Freiburg, Bd. VI, Heft 9, 1891. — b) Zur Kenntniss der Spermatogenese von Gryllotalpa. Archiv f. mikr. Anat., Bd. XL, 1892. — c) Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese von Sala- mandra mac. I u. II. Zeitschr. f. wiss. Zool, LVII. Bd. Heft 1, 1893. — d) Ueber die Konstanz der Chromosomenzahl bei Thieren. Biolog. Centralblatt, Bd. XIV. 1894. Rückert, a) Zur Entwicklungsgeschichte d. Ovarialeies bei Se- lachiern. Anat. Anz. 7. Jahrg. 1892. — b) Ueber die Verdoppe- lung der Chromosomen im Keimbläschen des Selachiereies. Anat. Anz. 8. Jahrg. 1892. — c) Zur Eireifung bei Copepoden. Anatom. Hefte I. Abth., XII. Heft 1894. — d) Die Chromatinreduction bei der Reifung der Sexualzellen, Ergebnisse d. Anat. u. Entwicke- lungsgesch. Bd. III. Wiesbaden 1894. Strasburger, a) The Periodie Reduction of the number of the Chromosomes in the Life-History of Living ÖOrganisms, Ann. of Bot. 1894. — b) Ueber periodische Reduction der Chromosomen- zahl im Entwickelungsgang der Organismen. Biolog. Central- blatt 1894. Weismann, a) Amphimixis oder die Vermischung der Individuen- Jena 1891. — b) Das Keimplasma. Jena 1892. 239 Ueber die sogenannten Epithelkörper (Glan- dulae parathyreoideae) in der seitlichen Nach- barschaft der Schilddrüse und der Umgebung der Arteria carotis der Säuger und des Menschen. Von » Dr. med. Alfred Schaper, Privatdocent und Assistent am anatomischen Institut der Universität Zürich. Hierzu Tafel IX. Im Jahre 1880 entdeckte Sandström (18) beiderseits in unmittelbarer Nähe der Schilddrüse des Menschen und einiger Säuger ein eigenthümliches epitheliales Organ, das er als eine beständige und stets paarig auftretende „Drüse“ beschreibt, die durch die Eigenart ihres Baues sich wesentlich von den be- reits mehrfach beobachteten Glandulae thyreoideae ac- cessoriae (Verneuil (20), Kadyi (9) Zuekerkandl (22), Madelung (12), Wölfler (21)), unterscheide. Nichtsdesto- weniger hält er die in Frage stehenden, hauptsächlich aus Epi- thelien und Blutgefässen aufgebauten Organe für der Schilddrüse nahe verwandt und ist geneigt, sie als embryonale Ent- wicklungsstadien frühzeitig abgelöster Keime der ursprünglichen Schilddrüsenanlage zu be- trachten. Er gab ihnen daher den Namen Glandulae para- thyreoideae. Mit einer physiologischen Erklärung der Organe hält er zurück, doch weist er auf ihre eventuelle Bedeutung für die Pathologie hin, insofern sie zu Neubildungen Veranlassung geben können. Sandström veröffentlichte seiner Zeit diese Entdeckung nebst den sich daran schliessenden weiteren Beobachtungen in einem Aufsatz unter dem Titel: „Ueber eine neue Drüse beim Menschen und bei verschiedenen Säuge- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46 16 240 Alfred Schaper: thieren“. — Trotz des Interesses, was eine sobenannte Arbeit eigentlich a priori bei allen Anatomen hätte hervorrufen sollen, blieb dieselbe dennoch eine geraume Zeit lang fast völlig unbe- rücksichtigt. Auch Baber (1), der ein Jahr später bei einer Untersuchung über den Bau der Schilddrüse jenes Organ beob- achtete und beschrieb, hatte keine Kenntniss von der Sand- ström’schen Entdeckung. Erst vom Jahre 1892 an wurde in einer Reihe von Mit- theilungen Gley’s (4) über experimentelle Untersuchungen der Thyreoideetomie und ferner durch die Untersuchungen Cristiani’s (3) und Nicolas’ (14) der Sandström'’schen Arbeit die ver- diente Aufmerksamkeit zugewandt. Alle drei Forscher bestätigten zunächst das constante Vorkommen der von Sandström ent- deekten epithelialen Organe in der Nachbarschaft der Schilddrüse bei einer Anzahl von Säugern (spec. Nagern und Chiropteren), und Gley verwandte weiterhin diese Befunde zur Erklärung der wechselnden Folgeerscheinungen der Thyreoideetomie bei verschiedenen Thierspecies. Er glaubte nämlich die bei er- wachsenen Nagern, besonders beim Kaninchen beobachtete merk- würdige Erscheinung des Nichteintretens der sonst nach Thy- reoideetomie gewohnten Kachexie dadurch erklären zu können, dass bei diesen Thieren die Dank ihrer mehr isolirten Lage nicht mit entfernten Glandulae parathyreoideae durch Umwandlung in echtes Schilddrüsengewebe und bedeutende Hypertrophie die Funktionen der ursprünglichen Schilddrüse übernehmen. — Durch solche Befunde würde die ursprünglich Sandström'’sche An- sicht von der embryonalen Schilddrüsennatur der Gandulae para- thyreoideae eine wesentliche Stütze erhalten, wodurch wir be- rechtigt wären, dieselben als embyonalesErsatzmaterial für zu Grunde gegangenes oder ausgeschaltetes Drüsengewebe der hyreoidea anzusehen, das im Bedarfsfalle die Funktionen der Schilddrüse zu übernehmen vermag. So verlockend eine solche Erklärung der physiologischen Bedeutung dieser Gebilde sein mag, so ist sie vorläufig doch mit Vorsicht aufzunehmen, zumal weitere Untersuchungen in dieser Richtung (Moussu (13), Hofmeister (6)) die Cor- reetheit der Gley’schen Beobachtungen in Zweifel gezogen haben, und andererseits eine histologische Umbildung der Para- Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) etc. 241 thyreoidea zum Typus der eigentlichen Schilddrüse überhaupt noch nicht mit Sicherheit beobachtet wurde. Zur Gewinnung einer sicheren Basis, auf der sowohl expe- rimentell als deduetiv zur Erkenntniss des Wesens und der Be- deutung der in Frage stehenden Organe weitergearbeitet werden kann, ist es nothwendig, zunächst eine gründliche Untersuchung der Entwicklung, sowie eine umfassende Revision der bisherigen theils einander widersprechenden, theils der nöthigen Genauigkeit entbehrenden Beobachtungen über den histologischen Bau und die Lagebeziehung der Glandulae parathyreoideae vorzunehmen und die noch beträchtlichen Lücken unserer anatomischen Kennt- nisse darüber auszufüllen. Einem Theil dieser Aufgabe hat sich nun in jüngster Zeit Alfred Kohn (10) in dankenswerther Weise unterzogen, und ist durch ihn in einem vor Kurzem erschienenen Artikel: „Studien über die Schilddrüse“ einerseits mit Erfolg eine kritische Sichtung der bisherigen Beobachtungen über die Glandula parathy- reoideae vorgenommen, andererseits durch Mittheilung seiner sorg- samen Untersuchungen über die Struktur und Lagebeziehung dieses Organs zur Schilddrüse unsere Kenntniss darüber in mancher Beziehung bereichert. — Zur genaueren Kenntnissnahme der bezüglichen früheren Litteratur verweise ich auf die um- fassende Zusammenstellung derselben in der Kohn’schen Arbeit. Wenn ich dennoch meinem Aufsatz eine kurze litterarische Ein- leitung voransetzte und mich dadurch vielleicht einer Wieder- holung dessen, was durch Kohn in vollständigerer Weise be- reits geschehen ist, schuldig mache, so geschah es aus dem Grunde, um auch meinen Leser schneller und leichter über den augenblicklichen Stand unserer Frage zu orientiren. Gerade die Kohn’sche Arbeit ist es, die mich zu einer noch nachträglichen Veröffentlichung meiner bereits vor einigen Jahren gesammelten Beobachtungen über die Glandulae parathy- reoideae anregte. — Wenngleich es sich hierbei seiner Zeit nicht um eine systematische, auf ein bestimmtes Ziel losgehende Unter- suchung des betreffenden Organes handelte, so hielt ich es doch bei dem durch die Ergebnisse der jüngsten Arbeiten erhöhten Interesse an diesen epithelialen Gebilden für gerechtfertigt, auch Bruchstücke von Beobachtungen hiermit zur Kenntniss zu bringen, die immerhin dazu dienen mögen, den Grundstock der bisher 242 Alfred Schaper: gesammelten Erfahrungen zu festigen. — Zudem haben mich letzt- hin die Resultate Kohn’s zu einer Anzahl mir wichtig erscheinen- der Nachuntersuchungen genöthigt, die mich zum Theil zu Er- gebnissen geführt haben, welehe zu den bisherigen Angaben in Widerspruch stehen. Dieser Umstand lässt mich um so eher hoffen, im Folgenden etwas Positives zur Erweiterung unserer Kenntnisse über jene räthselhaften Organe beitragen zu können. Sehon in Jahre 1891, als ich mit Untersuchungen über die Glandula earotica beschäftigt war, entdeckte ich gelegent- lich beim Suchen nach dieser Drüse an einer herausgeschnittenen Arteria earotis vom Schafe dieht über der Carotisbifurkation ein kleines rothbraunes, etwa 4—5 mm im Durchmesser haltendes Knötchen von rundlicher, leicht abgeplatteter Form und glatter Oberfläche. Ich hielt dasselbe anfangs für eine pathologisch entartete Carotisdrüse, zumal ich letztere an diesem Präparate zufälligerweise nicht fand. Später angefertigte mikroskopische Sehnitte durch jenes in Alkohol fixirte Knötchen belehrten mich jedoch, dass ich es in der That mit einem durchaus anderen Gebilde zu thun hatte. Der Anblick des Bildes (Fig. 2 u. 5), das sich mir unter dem Mikroskop bei starker Vergrösserung dar- bot, überraschte mich einigermaassen. Im ersten Augenblicke wurde ich an die Structur der Schilddrüse erinnert. Eine ge- nauere Betrachtung jedoch ergab, dass wesentliche Abweichungen hiervon bestanden. Die anfangs für Drüsenalveolen gehaltenen Lumina zeigten nämlich sämmtlieh eine Auskleidung von Endothel und erwiesen sich somit als Gefässräume: capillärer Natur, die hier und da auch noch Reste von Blut enthielten, dessen Form- bestandtheile durch die Alkoholfixation allerdings schlecht con- servirt waren. Eigentliche Drüsenlumina hingegen waren, ab- gesehen von vereinzelten unbedeutenden Spalträumen zwischen den Epithelien, nirgends aufzufinden. Ich hatte ein Organ vor mir, das fast ausschliesslich aus Epithelien und weiten. Capillar- gefässen zusammengesetzt war, und zwar derart, dass erstere zu Balken und Strängen aneinandergefügt ein weitläufiges Maschen- werk bildeten, dessen Lücken die vielfach anastomosirenden und sich verflechtenden Capillaren vollständig ausfüllten. — Binde- gewebe war äusserst spärlich vertreten und fast nur an der Pe- ripherie des Knötchens nachzuweisen, wo. es von der dünnen Kapsel aus entweder als zarte Septen zwischen den Epithelzügen Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) etc. 243 eine Strecke weit in das Innere vordrang, oder aber die ein- tretenden Blutgefässe auf kurze Entfernung begleitete. — Solehergestalt blieb mir das Organ zunächst ein Räthsel. Niemand, dem ich das Präparat vorlegte, hatte etwas Derar- tiges bisher gesehen. Auch in der Litteratur fand ich keinen Aufschluss. Einzig und allein ein Vergleich mit embryonalem Schilddrüsengewebe schien mir annehmbar und liess mich vermuthen, dass es sich in diesen Knötchen vielleicht um abgesprengte, auf embryonalem Zustande verharrende oder aty- pisch entwickelte Keime solchen Gewebes handele. Entwicklungs- geschichtliche Untersuchungen schienen mir zur Klärung dieser Dinge vor allem nothwendig. Einige Anhaltspunkte hierfür fand ich in den Hinweisungen Köllikers (Entwicklungs- seschichte des Menschen, II. Aufl, Leipzig 1879 pag. 350—82) auf verschiedene von ihm und andern beob- achtete räthselhafte drüsenähnliche Organe in der Schlundgegend bei Hühner-, Katzen- und bei Kaninchenembryonen. Es schien mir wohl annehmbar, unter diesen Gebilden vielleicht auch die Anlagen unseres Organes suchen zu dürfen. Vor der Hand je- doch musste ich mich begnügen, das räthselhafte Gebilde mit der Bezeichnung „epithelialesOrgan aus der Carotis- Bifurcation des’ Schafes” bei Seite zu legen. Später erst fiel mir die schon eitirte Arbeit Sandström's in die Hände. Nach seinen Ausführungen unterlag es keinem Zweifel, dass die von ihm beschriebene „Drüse“ meinem beim Schafe beobachteten epithelialen Organe homolog war. — Dieser Umstand regte mich zu einer erneuten Untersuchung des Organes an. Hierzu verschaffte ich mir das nöthige Material (1895) im hiesigen Schlachthause in folgender Weise. Bei eben getödteten Schafen und Kälbern wurde die Theilungsstelle der Arteria carotis communis sammt dem umgebenden Bindegewebe her- ausgeschnitten. Das so isolirte Gefäss befestigte ich mit Nadeln auf einer Korkplatte derart, dass der Theilungswinkel der Arteria carotis communis in die externa und interna etwa 90° bildete und so das zwischen beiden Aesten befindliche Binde- gewebe stark ausgespannt wurde. Auf diese Weise gelang es mir leicht, die in dies Gewebe eingebetteten Organe zur An- schauung zu bringen und mit Hülfe von Scheere und Scalpell herauszupräpariren. Bei dieser Art des Vorgehens fand ich nun 244 Alfred;Schaper: in fast allen der untersuchten Carotisbifureationen und auch in kurzer Entfernung unter derselben am Stamm der Carotis com- munis eine Anzahl kleiner, meist knötchenförmiger Organe, die sich zum Theil durch Grösse, Beschaffenheit der Oberfläche und Farbe von einander unterschieden. Bei diesem embarras de richesse war ich zunächst nicht im Stande, die gesuchten Epithel- körper ohne Weiteres herauszufinden. Ich brachte daher alle aufzufindenden Knötchen in Sicherheit und fixirte die ein und derselben Carotistheilung angehörigen gemeinschaftlich je in einem besonderen Glase in Sublimat-Kochsalzlösung. Die spätere mi- kroskopische Untersuchung ergab nun, dass diese Gebilde häufig Organe der verschiedensten Struktur darstellten, indem sich ausser den gesuchten Epithelkörpern isolirte Thymusknötchen und andere Ilymphoide Organe vorfanden. Was nun die uns hier ausschliesslich angehenden Epithel- körper betrifft, so belehrten mich zunächst wiederholt vorgenom- mene Präparationen, dass sie sich stets (wenigstens in normalem Zustande) durch ihre mehr oder weniger glatte Oberfläche cha- rakterisiren, wodurch sie schon makroskopisch von den übrigen Organen der Carotisbifureation, die sich gewöhnlich durch eine unebene, zur Läppchenbildung neigende Oberfläche kennzeichnen, zu unterscheiden sind. Ihre Farbe variirte zwischen dunkel- rothbraun und hellrosa, je nach ihrer histologischen Zusammen- setzung oder nach dem Grade der Blutfüllung, wie wir später des Näheren sehen werden. Die Grösse schwankte in den von mir beobachteten Fällen zwischen 2 und 5 mm. Sie bilden voll- ständig diserete, ‚gegen das umgebende Bindegewebe scharf ab- gesetzte Knötchen von kugeliger, ovoider und linsenförmiger Ge- stalt. Makroskopisch ist von einer eigentlichen Kapselbildung des benachbarten Bindegewebes, d.h. von einer concentrischen Anhäufung desselben in der Umgebung der Drüse nichts zu sehen. Häufig jedoch finden wir das Knötchen entweder voll- ständig oder mit einem mehr oder weniger grossen Segment seines Umfanges eingebettet in ein Klümpehen äusserst dichten und blendend weissen Fettgewebes, aus denen es sich leicht herausschälen lässt. Was die Regelmässigkeit des Vorkommens der Epithel- körper in dieser Gegend des Halses (wenigstens beim Schafe) anbetrifft, so habe ich unter 10 Fällen bei der angegebenen Me- Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) etc. 245 thode der Präparation nur zweimal vergeblich danach gesucht; und auch dieser Umstand schliesst nieht aus, dass vielleicht in unmittelbarer Nachbarschaft des herausgeschnittenen Halstheiles diese Drüsen dennoch vorhanden gewesen waren. Somit scheint mir also die Existenz dieser Körper in jener Region, die wir ohne scharfe Begrenzung als die Umgebung der Arteria carotis in der seitlichen Nachbarschaft des Kehlkopfes bezeichnen könnten, eine constante zu sein. Bezüglich der Zahl derselben an jeder Seite des Halses scheinen mir vielfache Variationen vorzukommen. Das relativ geringe Material, das mir zur Verfügung stand, und die fehlende Garantie, dass mir in jedem Falle auch wirklich alle vorhandenen Epithelkörper zur Beobachtung gekommen waren, erlaubt mir nicht, eine zuverlässige Durchschnittsziffer hier an- zugeben, doch scheint mir ihr in der Regel multiples Auftreten dadurch wahrscheinlich gemacht, dass ich in der Mehrzahl der von mir untersuchten Fälle zwei oder auch drei der bezüglichen Knötchen allein in der Carotisbifurcation an- traf. Dieser Umstand ist von Bedeutung gegen- über den anders lautenden Angaben der übri- sen Autoren, worauf ich später zurückkommen werde. Die Beschaffenheit der histologischen Struetur dieser in der Carotistheilung aufgefundenen Organe hat mir die Identität der- selben einerseits mit dem von mir im Jahre 1891 beobachteten Gebilde (ef. pag. 242) und andererseits mit jenen epithelialen, bisher unter dem Namen Glandulae parathyreoideae (Sand- ström) oder Glandules thyroidiennes (Gley), Glan- dules thyroides (Nicolas) beschriebenen und in der Nähe der Schilddrüse aufgefundenen Organen der übrigen Autoren ausser Zweifelgestellt. — Ehe ich jedoch auf eine nähere Besprechung des histologischen Baues unseres Organes und seiner Lagebeziehungen zu den Nachbarorganen eintrete, sei es mir gestattet, an dieser Stelle die wesentlichsten Resultate der Kohn’schen Untersuchungen kurz zu referiren. Kohn bringt die von ihm als Epithelkörperchen bezeichneten in Frage stehenden Gebilde übereinstimmend mit den meisten früheren Autoren in enge topographische Beziehung zur Schilddrüse; und zwar unterscheidet er zwei Arten derselben, nämlich äussere und innere Epithelkörperchen 246 Alfred Schaper: (Hund, Kaninchen, Katze), jenachdem dieselben entweder der Schilddrüse äusserlich anlagern, oder in die Substanz der letzteren vollständig eingeschlossen sind. Er sagt hierüber in seiner Zu- sammenfassung Folgendes: „li. An der Schilddrüse aller bis jetzt darauf unter- suchten Säugethiere findet man ein äusseres Epithel- körperehen. Dasselbe ist ein constantes paariges Organ und liegt meist an der Aussenfläche der Seiten- lappen lose an, ohne mit dem Drüsengewebe in direkten Zu- sammenhang zu treten. Es besteht aus einem. Netzwerk zu- sammenhängender epithelialer Zellbalken und da- zwischen gelagerten gefässführenden Bindegewebs- septen. U. Innerhalb der Seitenlappen der Schilddrüse- — also ebenfalls paarig — kommt bei der Katze (und wahrscheinlich auch bei andern Säugethieren) constant ein ähnlich gebautes Organ, das innereEpithelkörperchen derSchild- drüse vor, welches aber regelmässig mit dem Schilddrüsen- gewebe continuirliche Verbindungen (Verwachsungen) eingeht.“ Für uns kommt hier zunächst nur das äussere Epithel körperchen Kohn’s in Betracht. Ueber dieses schreibt er aus- führlicher Folgendes: „Mit Rücksicht auf die vielfachen Schwan- kungen unterworfenen Lageverhältnisse lassen sich etwa vier Gruppen aufstellen: 1. Das äussere Epithelkörperchen liegt der Schilddrüse nicht an, sondern getrennt von ihr, gewöhnlich etwas unter- halb der Seitenlappen, in einer eigenen aus fibrillärem Bindege- webe gebildeten Kapsel. In diesem Falle ist seine Selbstständig- keit am ausgesprochensten. — So gelagert finden wir es häufig beim Kaninchen. ’ 2. Es liegt der äusseren oder hinteren Fläche der Seitenlappen lose an, durch lockeres Bindegewebe mit deren Kapsel zusammenhängend, sonst in einer besonderen bindegewe- bigen Umhüllung. Das sind die Fälle, wo das äussere Epithel- körperchen makroskopisch einen kleinen Appendix der Schilddrüse, etwa einem Lymphknötchen oder einer accessorischen Schilddrüse ähnlich sieht und sich auch noch ganz leicht von dieser isoliren lässt. So findet es sich gewöhnlich beim Menschen (an der Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) etc. 247 Hinterfläche), nicht selten bei der Katze und bisweilen beim Ka- ninchen (an der Aussenfläche). 3. Es wölbt sich mit seiner Convexität nur oberflächlich in eine seichte Mulde (gewöhnlich der hinteren Fläche) der Seitenlappen ein, während der grössere Theil des Körperebens frei hervorragt und eine kleine Prominenz unter der Drüsenkapsel bildet, von der es nach aussen (hinten) umschlossen wird; gegen die Drüse grenzt es sich durch eine schmale Zone fibrillären Bindegewebes ab, welches an den Seiten mit der Schilddrüsen- kapsel verschmilzt. — Ein derartiges Verhältniss ist bei der Katze die Regel, bei der Ratte die Ausnahme. 4. Mehr als das halbe, mitunter das ganze Epithelkörper- chen ist in die Aussenflächen der Seitenlappen förmlich einge- keilt. — In dieser Lage trifft man es bei der Maus, Ratte, Meer- schweinchen, Hund, seltener auch bei Katze.“ »„.... Vielfache Abweichungen bestehen auch in der Form des äussern Egithelkörperchens, vorherrschend ist die läng- liche (Spindelform) nicht selten — besonders beim Menschen — die rundliche und abgeplattete (Linsenform).“ Betreffend den feinern Bau desOrgans endlich unter- scheidet Kohn drei Haupttypen, die er folgendermaassen charakterisirt: 1. „Das Epithel bildet eine fast compaecte, zusammen- hängende Zellenmasse ohne Andeutung eines Netzwerkes, welche nur durch wenige gefässführende Septa aus fibrillärem Bindegewebe durchbrochen ist. 2. Das Epithel bildet netzartig zusammenhängende, bald schmälere, bald breitere Balken, zwischen denen sich reich- lich gefässführende Bindegewebsepta ausbreiten. 3. Es tritt eine deutliche Läppehenbildung auf. Die Läppehen hängen durch stärkere Bindegewebszüge, in denen grössere Blutgefässe, insbesondere Venen, verlaufen, unter einan- der zusammen und bestehen ihrerseits wieder aus schmalen, sich verzweigenden und mit einander zusammenhängenden Zellbalken, zwischen denen dünne Septa mit feinen Gefässchen, meist nur Capillaren, eindringen.“ Was zunächst die Topographie der in Frage stehenden Organe anbetrifft, so ergiebt sich aus meinen bisherigen Angaben, dass hier eine Differenz zwischen Kohn, Sandström_ete. 248 Alfred Schaper: einerseits und mir andererseits besteht. Kohn und die übrigen Autoren beschreiben sie als beständige Gebilde, die aus- schliesslich in unmittelbarer Nähe der Schilddrüse und zwar in einem Falle unterhalb der Seitenlappen, im andern Falle der äussern oder hintern Fläche derselben dieht anliegen, anzu- treffen sind. Ich hingegen führte sie als Organe vor, die mit ziemlicher Regelmässigkeit im Theilungswinkel der Arteria carotisundam obersten Abschnitt des Stammes der letztern aufzufinden sind. Wenngleich nun diese Differenz in topographischer Hinsicht bei flüchtiger Betrachtung vielleicht als ziemlich unwesentlich und lediglich auf die verschiedenen Methoden der Untersuchungzurückführbar erscheinen könnte, so ist doch immer- hin die Entfernung der Carotisbifureation von der Schilddrüse (auch beim Schafe) eine relativ so beträchtliche, dass jedenfalls von einer ‚ unmittelbaren Anlagerung der Epithelkörperchen an die letztere in den von mir untersuchten Fällen nicht die Rede sein kann. Für mich lag es nach meinen damaligen Erfahrungen jeden- falls nahe, jene Gebilde, nachdem ich sie einmal durch Zufall in der Carotistheilung entdeckt hatte, sie auch fernerhin immer dort wieder zu suchen und, wie ich gezeigt habe, auch zu finden, zumal mich zunächst weniger ihre engere Lagebeziehung zur Schilddrüse als das Studium ihrer histologischen Struetur inter- essirte. Erst später habe ich, um diese Differenzen zu klären, auch den Lageverhältnissen zwischen Thyreoida und Epithel- körpern meine Aufmerksamkeit zugewandt, worüber ich im Fol- genden noch berichten werde. Weiterhin weichen meine Beobachtungen von denen Kohn’s und Sandström’s ete. insofern ab, als ich jene Epithelkörper in den meisten der von mir untersuchten Fällen zn mehreren an einer Seite des Halses antraf, währnnd obige Autoren besondern Nachdruck darauf legen, dass sie regelmässig als paariges Organ vorkommen. Nur Nicolas (l.e.) beschreibt zwei auf jeder Seite der Thyreoidea gelegene Knötchen, die er bei der Fledermaus beobachtete. — Durch diese zweite Diffe- renz in unsern Befunden gewinnt auch die erste in verschiedener Hinsicht an Bedeutung, und beide zusammen sind jedenfalls ge- eignet, um die Ergebnisse früherer Beobachtungen von ganz anderem Standpunkte aus beurtheilen zu lassen und manche derselben di- rekt in Frage zu ziehen. Es ist von vornherein klar, dass ehe Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) etc. 249 diese Differenzen wicht beseitigt sind, resp. dieselben nach der einen oder andern Seite hin eine genügende Erklärung gefunden haben, einer präcisen entwieklungsgeschichtlichen und experimen- tellen Forschung, sowie einer Verwerthung derselben in physio- logischer und eventuell pathologischer Richtung vor der Hand der Boden entzogen ist oder zum wenigsten doch die Erfolg ver- sprechende Richtung fehlt. — Bei einem mehrfachen und zerstreuten Vorkommen der Epithelkörper würden die Resultate physio- logischer Experimente, wie sie von Gley, Moussu und Hof- meister bisher angestellt wurden, in ganz anderem Lichte er- scheinen und in ihrer jetzigen Form jedenfalls werthlos sein. Die Aetiologie der Halsgeschwülste ferner würde durch solches Ver- halten jener Organe eine wesentliche Erweiterung erfahren und speciell die Diagnose derselben häufig auf Schwierigkeiten stossen. Vor allem hätten Diagnosen auf Tumor der Carotisdrüse, wie sie in letzter Zeit mehrfach gestellt worden sind, mit besonderer Vorsicht zu geschehen. Da nun von allen früheren Autoren (mit Ausnahme von Nicolas) das paarige Auftreten der Glandula paratlıyreoidea in der Nachbarschaft der Schiddrüse mit der gleichen Sicherheit beobachtet und beschrieben ist, wie von mir das mul- tiple Vorkommen derselben in der Umgebung der Carotis- bifureation beim Schaf, so liegt zunächst der Schluss nahe, dass sich beim Schafe diese Organe in Bezug auf ihre Lagerung und ihr Vorkommen eben anders verhalten als bei den übrigen bisher darauf untersuchten Thieren mit Einschluss des Menschen ; gleichzeitig aber auch die Möglichkeit, dass überhaupt bei ver- schiedenen Thierspecies verschiedene Verhältnisse in dieser Rich- tung obwalten. Weiterhin aber drängt sich uns die Frage auf, ob nicht einerseits beim Schafe jene Organe ausser in der Carotis- bifurcation vielleicht gleichzeitig auch in der Nachbarschaft der Schilddrüse vorkommen, und andererseits ob nicht etwa von den früheren Autoren entsprechende Gebilde in den seitlichen Parthien des Halses einfach übersehen wurden. Die vorher begründete prinzipielle Wichtigkeit der Ent- scheidung dieser Frage liess es als meine Aufgabe erscheinen, meine früheren Untersuchungen von diesen Gesichtspunkten aus wieder aufzunehmen und zu vervollständigen, vor allem also die Halsorgane des Schafes auf die Lagebeziehungen der Epithel- 250 Alfred Schaper: körper zur Schilddrüse nochmals zu prüfen und ausserdem auch andere Thiere und speciell den Menschen darauthin in den Kreis meiner Untersuchungen hineinzubeziehen. — Zu dem Zwecke wurden zunächst bei 8 Schafen die Weichtheile des Halses bis auf die Wirbelsäule jetzt en bloc herausgeschnitten, so dass Luftröhre und Speiseröhre, Kehlkopf und Pharynx, sowie die be- nachbarten Carotiden bis über die Bifureation hinaus in ihren natürlichen gegenseitigen Lagebeziehungen verblieben. Die Prä- paration wurde weiterhin in der Weise vorgenommen, dass zu- nächst die beim Schafe erst unterhalb des Ringknorpels be- ginnenden, sich seitlich an der Trachea heraberstreckenden platt- spindelförmigen paarigen Schilddrüsenlappen sorgfältig auf das Vorhandensein anliegender oder doch unmittelbar benachbarter Epithelkörper untersucht wurden. Das Re- sultat war in allen Fällen ein negatives. Einige kleine in der Nähe gelegene Knötchen, die etwa hätten in Frage kommen können, erwiesen die spätere mikroskopische Untersuchung als Lymphknötchen. | Es folgte nun die Durchmusterung der weiteren Um- gebung der Schilddrüse. Hier fanden sich nun in der That und zwar in der Nachbarschaft der Carotis communis in mehreren Fällen ein oder zwei 1,5—3 mm im Durchmesser haltende Knötchen, die sich später als Epithelkörper erwiesen. Ich traf sie hier sowohl in der Höhe der Schilddrüse, doch immer- hin von dieser durch eine nach Millimetern messende Entfernung getrennt, als auch höher hinauf unterhalb der Bifurcation an. Ausserdem endlich fand ich die Organe auch in den meisten Fällen an dem gewohnten Orte, innerhalb der Carotis- bifurcation. Diesen Befunden entsprechend mussich also meine Hrüheren Angapen Über’ den OTt des’VorT- kommens unserer epithelialen Organe dahin cor- rigiren, dass sie sieh nicht ausschliesslich in der Umgebung derCarotisbifureation finden, son- dern ausserdem und gleichzeitig in derNachbar- schaft des Stammes der Carotis communis an- zutreffen sind’bis Herab zur Schilddrüse, wo- dureh sie also in der That eine gewisse Lage- beziehung zu letzterer gewinnen können, ohne Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) ete.1Z251 jedoeh mitihr inengeren Connex zu treten oder eine irgendwie constante typische Anlage- rung erkennen zu lassen. — So wenigstens beim Schaf. — Von anderen Säugern konnte ich vorläufig nur noch die Katze zur Untersuchung herbeiziehen. Ich wählte gerade diese, weil hierüber die ausführlichsten Berichte von Kohn vorliegen. Was in dieser Beziehung die Lagebeziehung des Epithelkörpers zur Schilddrüse unbelangt, so kann ich die Angaben Kohn’s vollständig bestätigen. Ich fand denselben beiderseits der Hinterfläche der Seitenlappen dieht aufge- lagert und nur leicht über die Oberfläche der letzteren pro- minirend. — Ich suchte auch in der weiteren Umgebung der Sehilddrüse und speciell in der Nachbarschaft der Carotis bis zur Bifurcation hinauf nach homologen Organen. Einige Knöt- chen, die ich fand und in geeigneter Weise conservirte, erwiesen sieh bei nachfolgender mikroskopischer Untersuchung als Lymph- und Thymusknötehen. — Hierbei muss ich jedoch hervor- heben, dass ich nur eine einzige Katze darauf hin untersuchen konnte und dass ausserdem die geringe Grösse des Thieres und die dementsprechende Kleinheit eventueller weiterer epithelialer Organe das Auffinden derselben natürlich sehr misslich machte. Ich möchte deshalb aus diesem einen Falle, wo ich epitheliale Organe in der Umgebung der Carotis nicht auffinden konnte, noch nicht den Schluss ziehen, dass sie an dieser Stelle bei der Katze über- haupt nieht vorkommen. Weitere Untersuchungen haben hierüber noch Gewissheit zu verschaffen. Endlich unterzog ich auch menschliches Material einer Nachprüfung mit besonderer Berücksichtigung des Lage- rungsverhältnisses der Epithelkörper zur Glandula thyreoidea. Es standen mir zu diesen Zwecke die Halsorgane dreier Er- wachsener, eines dreijährigen Kindes und eines Neugeborenen zur Verfügung. — In allen Fällen fand ich die epithelialen Or- gane in der von Sandström und Kohn übereinstimmend als gewöhnlich angegebenen Situation, nämlich innächster Nähe der Schilddrüse und zwaranderhintern Fläche der Seitenlappen; bei einem Erwachsenen allerdings nur auf einer Seite. Bei den Erwachsenen fand ich ebenfalls den bisherigen Angaben der Autoren entsprechend hinter jedem Seitenlappen nur ein einziges Epithelkörper- 252 Alfred Schaper: chen. Anders jedoch bei dem Neugeborenen und dem drei- Jährigen Kinde. Im ersten Falle nämlich gelang es mir, hinter jedem Seitenlappen je zwei und im zweiten Falle linkerseits zwei und rechterseits eins jener in Frage stehenden Organe nachzuweisen. Ja noch mehr, bei dem Neu- geborenen fand ich rechterseits dem Stamme der Ca- rotis angelagert dieht unter der Bifureation noch zwei weitere kleinste Knötchen, die die mikrosk opische Untersuchung ebenfalls als Epithelkörper entpuppte. Durch diese Befunde ist der Nachweis geführt, dass von einem paarigen Auftreten der Epithelkörper und ihrem alleinigen Vorkommen in unmittelbarer Nähe der Schilddrüse im Allgemeinen nicht die Rede sein kann. Wenn die früheren Autoren eine andere Ansicht von diesen Verhältnissen gewannen, so erklärt sich dieser Umstand wohl daraus, dass, nachdem Sandström die Glandula parathyreoideae einmal durch Zufall in unmittel- barer Nähe der Sehilddrüse entdeckte, die späteren Forscher sie wahrscheinlich nur an diesem Orte suchten und auch fast immer fanden, da ja, wie es scheint, bei den meisten Thieren wenigstens ein Epithelkörperehen dem Seitenlappen der Schilddrüse mit einer gewissen Regelmässigkeit anlagert. Die Knötchen der weiteren Umgebung der Schilddrüse wurden bei diesem Untersuchungsmodus übersehen. Man be- gnügte sich damit, wenn man an jeder Seite der Thyreoideae ein Epithelkörperchen gefunden hatte, und wurde dadurch ver- leitet, das paarige Vorkommen derselben als die Regel hinzustellen. Wenngleich nun meine Befunde durchaus nicht hinreichend sind, um für alle Fälle das multiple Vorkommen der Epithel- körper als gesichert hinzustellen, so geben sie uns doch wenig- stens Zeugniss dafür, dass die Zahl jener Örgane nicht immer eine gesetzmässige ist undihr Vorkommen auf einen grösseren Bezirk in der seitlichen Halsregion ausgedehnt sein kann. — Diese Thatsache ist für die Deutung des Organs in jeder Beziehung gewiss von nicht zu unterschätzendem Werthe. Welche Consequenzen sich im Einzelnen für die bisherige Auffassung der Epithelkörper da- raus ergeben, darüber später noch einige Worte. Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) ete. 253 Ich wende mich jetzt zunächst zur Beschreibung der histo- logischen Structur unseres Organes, wobei ich die be- züglichen Präparate vom Schafe zu Grunde lege und zwar deshalb, weil mir einerseits hiervon das meiste und besteonser- virte Material zur Verfügung stand, andererseits der Bau der Epithelkörper beim Schafe mir die klarsten und, wie ich glaube, die primitivsten Verhältnisse von allen bisher zur Untersuchung gelangten Säugern mit Einschluss des Menschen darzubieten scheint. — Zur Untersuchung gelangte nur lebensfrisches Material, das in Alkohol abs., Sublimat-Kochsalzlösung und Zenker’scher Flüssigkeit (Kal. bichromie. — Sublimat — Eisessig) fixirt wurde. Die Färbung der Schnitte geschah mit Haematoxylin- Eosin, Haematoxylin-Eisenlack oder Saffranin. Die Sehnittdieke betrug 10—15 u. Von den drei Haupttypen Kohn’s (ef. pag. 247) kamen mir nur zwei zur Beobachtung, wobei es sich entweder um einen eompakterenBau des Organes oder um einen netzariigen Zusammenhang der zu schmäleren oder breiteren Balken vereinigten Epithelien handelte. Eine deutliche Läppchenbildung sah ich niemals, sondern stets bildeten die Organe ein einheit- liches, eontinuirliches und gleichartig zusammenhängendes Ganze. | Was zunächst die feinere Structur der compakt sebauten Epithelkörper (Fig. 1) betrifit, so lässt sich beim Schafe weder eine besondere Randzone noch überhaupt eine bestimmte Anordnung der epithelialen Zellstränge, so wie sie Kohn bei der Katze beschreibt, beobachten. Die Anordnung und Vermischung der verschiedenen Gewebselemente ist durch die ganze Dieke des Organs hindurch vielmehr eine mehr oder weniger gleichartige. Bei der histologischen Zusammensetzung spielen Epithelzellen (ep.) und Blutgefässe, und zwar fast ausschliesslich Capillaren (cap.) bei weitem die Haupt- rolle. Das Bindegewebe tritt gegenüber diesen Elementen ganz in den Hintergrund und ist nicht selten nur mit Mühe nachzuweisen. In grösserer Ausdehnung findet es sich eigentlich nur in der Peripherie des Organes, wo es in zusammenhängender Lage eine zarte Kapsel bildet. Von dieser aus dringen vieler- orts aber ohne Regel zarte Septen in das Innere vor, die ge- wöhnlich kleinsten Arterien oder Venen zur Grundlage dienen. Sobald jedoch diese Gefässe sich in Capillaren aufgelöst haben, 254 Alfred Schaper: verschwindet das Bindegewebe fast ausnahmslos in ihrer Um- gsebung, sodass die Capillaren unmittelbar den be- nachbarten Epithelzellen anliegen. Zwar sieht man hier und da von den grösseren Septen aus noch zarte Binde- gewebszüge zwischen die Epithelien eindringen und sie gewisser- maassen in einzelne Gruppen zerlegen, doch treten diese Faserzüge gegenüber dem Volumen der von ihnen eingeschlossenen Zell- haufen so sehr zurück, dass von einer Auflösung des Organs in Läppehen oder in sogenannte Secundär-Knötchen, wodurch der Bau der Carotisdrüse so sehr gekennzeichnet ist, keine Rede sein kann. Gerade dieses Verhalten, d. h. also mit andern Worten die massige und unmittelbare Zusammen- häufung grosser zelliger Elemente prägt diesen Organen von vorn herein ihren ausgesprochenen epithelialen Charakter auf. Die Anordnung der zelligen Elemente ist un- regelmässig oder jedenfalls doch sehr verschiedenartig; sie steht in gegenseitig bedingender Beziehung zum Verlaufe der. Capillaren. Dort, wo eine Capillare eine längere Strecke der Sehnittebene durehläuft, trifft man die Zellen gewöhnlich zu Reihen oder Strängen vereinigt das Gefäss in unmittelbarer Be- rührung begleitend. Nicht selten trifft man so zwei mehr oder weniger parallel verlaufende Capillaren nur durch eine einzige Zellreihe von einander getrennt. Bekommt man eine Capillare im Quersehnitt zu Gesicht, so präsentiren sich die benachbarten Epithelien kreisfürmig um das Lumen gelagert, dasselbe conti- nuirlich einschliessend. Nur in der unmittelbaren Nachbarschaft von Capillaren und bei gleichzeitig geeigneter Sehnittriehtung treffen wir die zelligen Elemente in dieser gesetzmässigen An- ordnung. Neben dieser jedoch lassen sich auch grössere Com- plexe von Zellen beobachten, zwischen denen entweder gar keine Capillaren oder nur kurze schräg getroffene Segmente derselben verlaufen; hier finden wir dann die Epithelien in regelloser An- ordnung, häufig wie zu Ballen vereinigt. Das Aussehen der zelligen Elemente (ep.) ist ein exquisit epitheliales. Die Grösse ist beträchtlich und schwankt zwischen 0,01—0,012 mm im Durchmesser. Der rundliche oder durch gegenseitige Anpassung und Abplattung meist polygonale Zellleib ist von einer zarten Membran umgeben Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) etc. 255 me und besteht aus einem gleichartigen, äusserst feinkörnigen Pro- toplasma. Letzteres ist höchst empfindlich gegen Reagentien und hat grosse Neigung, sich unter dem Einflusse dieser von der Zellmembram zurückzuziehen oder yacuolenartige Hohlräume in seinem Innern entstehen zu lassen. Nur in günstigsten Fällen geeigneter Fixation bekommt man es in lebenswahrer Form zu sehen. — Der Kern ist gross, von runder oder leicht ovaler Form. Sein Durchmesser beträgt etwa 0,004 mm. Er ist aus- gestattet mit einem zarten aber sehr deutlichen Chromatingerüst, das hier und da grössere Anhäufungen von chromatischer Sub- stanz aufweist. Der Chromatingehalt kann in den einzelnen Kernen gelegentlich ausserordentlich variiren. Einen Nucleolus habe ich nicht mit Sicherheit nachweisen können. — In ver- schiedenen Präparaten, die mit Haematoxylin-Eisenlack gefärbt wurden, fanden sich in einigen Zellen kleinste, tiefschwarz tingirte Körnchen oder Tröpfehen von rundlicher Gestalt im Protoplasma eingeschlossen (Fig. 4 sc.). Dieselben Gebilde traf ich auch innerhalb der Capillaren an (Fig. 4 sc.). Sie unterscheiden sich hier von den ebenfalls schwarz gefärbten Blutkörperehen durch ihre weit geringere Grösse und ihre nicht immer ganz regelmässige Form. — Besonders bemerkenswerth bei diesen Befunden scheint mir der Umstand, dass in jenen Zellen, deren Protoplasma die bezeichneten Einschlüsse trägt, die zugehörigen Kerne sich fast regelmässig durch ihre Armuth an Chromatin kennzeichnen, die sich so weit steigern kann, dass sich im Innern des Kernes nur noch vereinzelte Brocken chro- matischer Substanz vorfinden (Fig. 4 x). Der Kern erscheint dadurch fast heller als das umgebende Protoplasma. Alle diese Erscheinungen nebst dem gleichzeitigen Undeutlichwerden der Kernmembran machen durchaus den Eindruck, als ob es sich in diesen Vorgängen um einen Zerfalldes Kernes han- dele und in jenen, im Protoplasma zerstreuten dunkelgefärbten Körnchen um ausgetretene Chromatinpartikel. Die Grenzen zwischen den einzelnen Zellen treten meist sehr deutlich hervor, wie uns ein Blick auf die Abbildung 1 belehrt. Die Zellen liegen enggeschlossen aneinander und bilden so ein econtinuirliches Ganzes; sämmtliche Lumina zwischen ihnen erweisen sich bei genauer Prüfung als diejenigen von Blutge- fässen und zwar in überwiegender Mehrzahl von Capillaren (cap.). Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46. 17 256 Alfred Schaper: Hier und da allerdings kommen zwischen den Zellen auch kleinere Spalträume und Lücken zur Beobachtung, die scheinbar unver- mittelt von der freien Epitheloberfläche begrenzt sind, insofern "wenigstens, als von Endothelkernen — meist das einzige sichere Erkennungszeichen der Capillaren bei der engen Vereinigung dieser mit den Epithelien — nicht wahrzunehmen ist. Selbst- verständlich aber schliesst ein zufälliges Fehlen solcher Endothel- kerne im Bereich eines Lumens die Existenz einer Capillarwand noch nicht aus. Auf der andern Seite jedoch zeichnet sich eine Anzahl dieser zweifelhaften Spalträume (Fig. 1 x) durch ihre unregelmässige dreieckige oder polygonale Form aus und weiter- hin dadurch, dass die umgebenden Zellen keine regelrechte, ge- wissermaassen auf das Lumen centrirte Anordnung erkennen lassen. Solehe Räume sind meist nur von einer geringeren Zahl (3—4) von Epithelzellen umringt, und machen mir in der That den Eindruck, als ob es sich hier um frei zwischen den Epithelien gelegene Lücken handele. Trotzdem möchte ich es für verfrüht halten, aus diesen Befunden schon weitgehende Schlüsse, etwa auf eine beginnende Bildung von Drüsenlumina zu ziehen, zumal die Möglichkeit nahe liegt, dass wir in diesen Spalträumen ledig- lich Kunstprodukte der Fixation vor uns haben. Wie dem auch sein möge, vor der Hand geben mir meme Präparate jedenfalls keine sicheren Anhaltspunkte, um diese interstitiellen Räume als die Anlagen von Drüsenlumina ansprechen zu können, zumal von irgendwelchem Secret in ihnen nichts nachzuweisen ist. Bemerkenswerth ist endlich noch, dass ich innerhalb des Organs, häufig in nicht unbeträchtlicher Menge, ein braunes, fein- körniges Pigment (Fig. 1 pög.) in grösserer oder geringerer Aus- dehnung angetroffen habe. Ich fand es niemals innerhalb der Epithelzellen selbst, sondern entweder zwischen diesen eingesprengt oder häufiger in der Nachbarschaft von Capillaren und kleinsten Arterien gewöhnlich im Verlauf zarter Bindegewebssepten. Fast regelmässig war das Pigment an Zellen gebunden, deren Proto- plasma zahlreiche Fortsätze aussandte. Der im vorhergehenden Abschnitt besprochene histologische Typus der Epithelkörper scheint mir, soweit meine Erfahrung reicht, beim Schafe der häufigste zu sein. Wenden wir uns nun im Anschluss daran dem zweiten selteneren Typus (Fig. 2 und 5) zu, nämlich demjenigen, wo das Organ aus Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) ete. 257 einem Netzwerk schmälerer oder breitererEpithel- balken zusammengesetzt ist, dessen Maschen- räume durch enorm weite Capillaren vollständig ausgefüllt werden. Es ist dies jene Form, die mir zuerst im Jahre 1891 aufstiess und mich damals durch ihre Eigenart einigermassen überraschte. Betrachtet man’einen Schnitt durch ein so gestaltetes Organ bei schwacher Vergrösserung, so gewinnt man zunächst den Ein- druck eines ausgesprochen eavernösen Gebildes.. Man sieht in einem äusserst zierlichen kernreichen Netzwerk zahlreiche grössere und kleinere alveoläre oder lacunäre Räume eingeschlossen. — Bei stärkerer Vergrösserung bietet sich uns ein ganz unge- wohntes eigenartiges Bild dar, wie es Figur 2 in naturgetreuer Wiedergabe zeigt. Wir sehen jetzt, dass jenes zarte Netzwerk aufgebaut ist aus grossen protoplasmareichen Zellen, die zu ge- streckt oder gewunden verlaufenden, häufig nur einreihigen Strän- gen vereinigt jene schon bei schwacher Vergrösserung erkenn- baren umfangreichen Lücken (cap.) umschliessen. Diese Lücken Jedoch sind nicht unmittelbar von den anliegenden Epithelien be- grenzt, sondern lassen eine zarte mit spindelförmigen oder ovalen Kernen (end.) ausgestattete Wandmembran erkennen, welche den genannten Zellen dicht aufliegt. Somit documentiren sie sich in gleicher Weise wie jene Spalträume in den compakter gebauten Epithelkörpern als Lumina von Capillaren, wofür ausserdem das Vorkommen von Blutkörperchen innerhalb derselben spricht. — Die enorme Weite dieser Capillaren hat wohl kaum ihres Gleichen in der normalen Histologie. Selbst die Capillaren der Lunge bleiben beträchtlich dahinter zurück. Welch’ ausserordentliche Dimensionen sie stellenweise erreichen können, darüber belehrt uns ein Blick auf die Abbildung 3, die ich speciell zur Illustration dieser Verhältnisse begefügt habe. Der Durchmesser der Ca- pillare cap., beträgt hier 0,045 mm. Man könnte wohl jene blutführenden Räume in unserm Organ in Hinblick auf die Be- schaffenheit ihrer Wandung einerseits und ihre Weite andererseits etwa als laeunäre Capillaren bezeichnen. Nahm das Bindegewebe schon am Aufbau der com- pacteren Epithelkörper emen nur geringen Antheil, so tritt es hier noch mehr in den Hintergrund, ja es kann in grossen Ab- schnitten des Organes, wie beispielsweise in unserer Abbildung 258 Alfred Schaper: (Fig. 2 und 5), vollständig fehlen. Wir finden es fast nur als äussere Kapsel und in Begleitung der ein- und austretenden Ar- terien und Venen. Nerven oder Ganglienzellen konnte ich weder hier noch bei den compakter gebauten Organen nachweisen. Doch sind Nerven bereits von Sacerdotti (17) bei Gelegenheit einer Untersuchung über die Nerven der Schilddrüse beobachtet. Nach ihm verbreiten sie sich in dem interstitiellen Bindegewebe längs der Gefässe, an denen sie sich in Form von Geflechten auflösen. Stellen wir nach dem Gesagten einen Vergleich an zwischen den beiden geschilderten Typen unserer epithelialen Organe, so werden wir bei genauerer Prüfung der Befunde die Ueberzeugung gewinnen, dass es sich um durchaus homologe Gebilde handelt, deren histologische Differenzen nicht qua- litativer, sondern lediglich quantitativer, also jedenfalls nicht prineipieller Natur sind. In beiden Fällen fehlen eigentliche Drüsenlumina vollständig. Der Charakter der specifischen Zellen ist in jeder Beziehung der gleiche; nur die Grenzen derselben treten beim zweiten Typus häufig nicht mit derselben Schärfe hervor. Die Lagebeziehungen der Zellen zu den Capillaren sind dieselben; Capillarwand und Epithelien liegen unmittelbar an einander. Der einzige auffällige Unterschied beruht eigentlich nur auf der enormen Erwei- terung der Capillaren im zweiten Falle und der damit verknüpften charakteristischen Anordnung der Epithelien zu Balken und Strängen, die sich zu- jenem zierlichen Netzwerk vereinigen. Auf welehe Ursachen diese Differenzen eventuell zurückzuführen sind, darüber später noch einige Worte. ; Von besonderem Interesse dürfte endlich noch eine patho- logische Entartung unseres Organs sein, die mir ebenfalls beim Schafe zur Beobachtung kam. Die bezüglichen Befunde habe ich in Abbildung 5 und 6 illustrirt. Das Organ lag innerhalb der Carotisbifureation, hatte eine ovale, stark abgeplattete Form von etwa Tmm Länge, Amm Breite und 25mm Dicke. An Grösse übertraf es alle bisher aufgefundenen. Die Farbe war hellbraun mit einem Stich ins Gelbe. An der Oberfläche zeigten sich einige flache blasenartige Vorsprünge von verschiedener Aus- dehnung, im Bereich welcher die Substanz des Knotens leicht durehseheinend erschien. Schon äusserlich machte solehergestalt ’ Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) ete. 259 das Organ einer eystenartigen Degeneration, eine Ver- muthung, die durch die mikroskopische Untersuchung bestätigt wurde. — Auf einem Schnitt in der Ebene der grössten Aus- dehnung des Organes boten sich nämlich Verhältnisse, wie sie uns Figur 5 bei schwacher Vergrösserung zeigt. Wir sehen hier den bei weitem grössten Theil der Schnittfläche eingenommen durch eine Anzahl grösserer und kleinerer eystenartiger Hohl- räume (cy.), von denen besonders einer eine relativ bedeutende Ausdehnung erreicht. Nur im untern Abschnitt findet sich noch eine zusammenhängende, halbmondförmige Masse eompacter Sub- stanz, die sich bei Untersuchung mit stärkerer Vergrösserung (Fig. 6) aus epithelialen Zellen (ep.) und Capillaren (cap.) zu- sammengesetzt erwies und alles in allem die gleiche Structur zeigte, wie die vorherbeschriebenen compact gebauten Epithel- körper. Hiermit war also der Nachweis erbracht, dass es sich in dem eystig entarteten Gebildete um ein pathologisch dege- nerirtes Epithelkörperchen handelte. — Die weitere Unter- suchung ergab ferner, dass die Cysten ausgekleidet waren von einem einschichtigen eubischen Epithel (ep.), ausgestattet mit fein granulirtem Protoplasma und einem rundlichen ehromatin- reichen Kern. Dieses Epithel sitzt emer mit spindelförmigen Kernen durchsetzten Membrana propria auf, die der Cyste zunächst ein diehtes Gefüge erkennen lässt, weiter nach aussen jedoch all- mählich in ein relativ weitmaschiges fibrilläres Bindegewebe über- geht, das vielerorts vereinzelte atrophische Zellen oder Complexe soleher nebst kleinen Blutgefässen und Capillaren umschliesst. In diesen Zellen haben wir Reste der speeifischen Epithe- lien des Organs vor uns, die durch das wuchernde Bindegewebe abgesehnürt und durch Compression zur Atrophie gebraeht wurden. Je weiter wir uns von der Cystenwand entfernen, umsomehr ge- winnt das Epithel gegenüber dem Bindegewebe wieder die Ober- hand und in den peripheren Parthien des Organs finden sich fast normale Verhältnisse vor, wenngleich wir auch hier noch auf Erscheinungen stossen, die auf eine leichte Compression des Parenehyms durch die benachbarten Cysten zurückzuführen sind und sich namentlich durch eine zur Cystenwand mehr oder weniger eoncentrisch gerichtete Anordnung der Zellbalken und der zwischen ihnen verlaufenden Capillaren documentiren. Endlich findet sich fast überall in einer gewissen Entfernung von der Cystenwand 260 Alfred Schaper: eine parallel zu dieser verlaufende schmale Zone diehteren Binde- gewebes (Fig. 6 bg.), die einer weiteren Bindegewebswucherung nach aussen zu eine Grenze zu setzten scheint, indem jenseits derselben das Parenchym einen normaleren Charakter annimmt. Es macht den Eindruck, als ob hier gewissermaassen eine Ab- kapselung der eystig degenerirten Theile des Organs gegen die mehr oder weniger normal gebliebenen Parthien stattgefunden hätte. — Der durch die Fixation coagulirte Inhalt der Cysten besteht aus einer mit Eosin sich nur schwach färbenden, fein- körnigen Substanz, in welcher kleinere und grössere unregelmässige Brocken von mehr homogenem Gefüge eingestreut sind. Das Ver- halten dieses Sekrets spricht für eine schleimig-seröse Natur desselben. Jedenfalls finden sich für eine Diagnose auf Colloid keinerlei sichere Anhaltspunkte. Einen Umstand möchte ich hierbei jedoch nicht unerwähnt lassen, dass nämlich die in dem feinkörnig coalugirten Sekret zerstreuten grösseren und kleineren Brocken sich mit Haematoxylin- Eisenlack ebenso intensiv schwarz färben, wie die früher erwähnten im Protoplasma einiger Epithelien und innerhalb der Blutbahnen beobachteten Körnchen oder Tröpfehen. Es wäre selbstverständ- lich zu weit gegangen, aus diesem Verhalten etwa auf die Iden- tität dieser Gebilde schliessen zu wollen. Immerhin habe ich diese Beobachtung für erwähnenswerth gehalten, um für spätere Untersuchungen die Aufmerksamkeit auf jene Erscheinung zu lenken, die vielleicht doch einiges Licht auf die funktionellen Vorgänge in unserem Organe werfen könnte. So viel über den feineren Bau der Epithelkörper oder Glan- dulae parathyreoideae beim Schafe. — Was weiterhin die Resultate meiner jüngsten Untersuchungen an der Katze und speciell am Menschen anbetrifft, so habe ich die zwischen den übrigen Autoren und mir bestehenden Differenzen in Bezug auf das Vorkommen und die Lagerung der Organe schon früher eingehend erläutert. Es bleibt jedoch noch übrig, auch in histologischer Beziehung einige vergleichende Betrach- tungen anzustellen. — Wenn wir entsprechende Präparate von Mensch, Schaf und Katze neben einander betrachten, so treten uns zunächt mancherlei nicht unwesentliche Verschiedenheiten entgegen, die sich in extremsten Fällen soweit steigern können, dass wir bei flüchtiger Beobachtung die Organe kaum als iden- Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) etc. 261 tisch anerkennen möchten. Erst eine genauere Analyse der hi- stologischen Struetur wird uns den gemeinsamen Bauplan und die Gleichwerthigkeit der sie zusammensetzenden Elemente erkennen lassen. Auch hier beruhen ähnlich wie bei den verschiedenen Typen des Organs ein und derselben Thier- species die zunächt ins Auge fallenden Verschiedenheiten mehr auf quantitativen Differenzen in der Betheiligung der einzelnen Gewebselemente und einer dadurch be- dingten Umgestaltung der gröberen Anordnung derselben, als auf qualitativen Eigenschaften der Elemente selbst. — Es ist hier besonders die Verbreitung des Bindegewebes durch das Organ hindurch, welche eharakteristische Unterschiede zwischen den Epithelkörpern des Menschen und der Katze einerseits und denen des Schafes andererseits bedingt. Während, wie ich früher wiederholt hervorhob, das Bindegewebe beim Aufbau der Glandula parathyreoidea des Schafes eine fast verschwindende Rolle spielt, bildet es in den entsprechenden Organen des Menschen und der Katze (so weit ich es beobachten konnte) stets einen integrirenden Bestandtheil. So sind denn die bei letzterer von Kohn unterschiedenen histologischen Typen, wie mir scheint, hauptsächlich auf die Menge des Bindegewebes und die Anordnung desselben zu den epithelialen Elementen des Organes basirt. In- sofern sind die von mir beim Schafe aufgestellten Typen den Kohn’sehen nieht ganz gleichwerthig, indem hier ja die Diffe- renzen im Bauplan fast ausschliesslich auf das Verhältniss der Epithelien zu den Capillaren und besonders auf die Weite der letzteren zurückzuführen sind. Besonders weitgehende Unterschiede in Bezug auf die Ver- breitung des Bindegewebes innerhalb «ler Epithelkörper habe ich beim Menschen gefunden. Von einem Zustande geringster Be- theiligung desselben, der der Structur der compact gewordenen Organe beim Schafe noch sehr nahe kommt, bis zu einer Zer- legung der Drüse in zahlreiche, regellos gelagerte runde Läppchen durch breite zwischengeschobene Bindegewebszüge habe ich alle Uebergänge beobachten können. — Beim Schafe sah ich niemals einen Zerfall des Organs in einzelne Läppchen. Was ferner die Capillaren anbetrifft, die nach meinen Befunden einen sehr wesentlichen Antheil an dem typischen Auf- bau des Organes nehmen, so zeigen sich auch hier mancherlei 262 Alfred Schaper: Verschiedenheiten, besonders in Bezug auf ihre Weite. So enorme Lumina derselben, wie ich sie in einzelnen Fällen beim Schafe antraf, finden sich weder beim Menschen noch bei der Katze und, wie es scheint, auch nicht bei den übrigen bisher untersuchten Säugern, da wenigstens kein Autor darüber berichtet hat. Doch finden sich ja in dieser Beziehung nicht nur wesent- liche Unterschiede zwischen den einzelnen Thierspecies, sondern, wie beim Schafe besonders hervorgehoben, auch schon innerhalb der gleichen Species, ja sogar zwischen den einzelnen Epithel- körpern desselben Individuums. — Es ist natürlich, dass bis zu einem gewissen Grade der jeweilige Blutfüllungszustand des Or- ganes im Momente der Fixation die Veranlassung zu solchen Unterschieden geben kann, auf der andern Seite jedoch sind sie zweifellos als charakteristische Abweichungen der einzelnen Thierspecies anzusehen. So scheinen die Ca- pillaren bei der Katze niemals eine bedeutendere Weite zu be- sitzen und im äussersten Falle kaum jenes Kaliber zu erreichen, ‘das beim Schafe beispielsweise als die unterste Grenze anzusehen ist. Beim Menschen sind sie relativ weiter, doch gingen sie in den von mir beobachteten Fällen nie über das Maass hinaus, welches als Durchschnitt bei den compakt gebauten Organen des Schafes sich findet. Dass vielleicht auch funetionelle Factoren bei diesen Kaliberdifferenzen der Capillaren in Betracht kommen, scheint mir zwar naheliegend, doch wage ich vor, der Hand darüber nichts Bestimmteres zu äussern. Trotz dieser bisweilen recht beträchtlichen Unterschiede in der Weite der Haargefässe, die sich soweit steigern können, dass der histologische Typus des Organes dadurch wesentlich umge- staltet wird, ist doch m den Beziehungen der Capillaren zu den benachbarten Zellen ein sich imer gleichbleibendes Verhalten zu eonstatiren, insofern als die Capillaren in jedem Falle in unmittelbarsterBerührung mit diesen sich fin- den, so dass Capillarwand und Zellmembran häufig ein verschmol- zenes Ganze zu bilden scheinen. Ich habe auf dieses Verhalten mein specielles Augenmerk gerichtet und kann aus dem Grunde die Abbildung Kohn’s (l.e. Taf. XXIV, Fig. 5) nicht gelten lassen, wo er die Capillaren gleichsam in der Luft schwebend zwischen die Epithelbalken einzeichnet. Es handelt sich hier zweifellos um Erscheinungen einer mangelhaften Fixation. Aehn- Ueber die sogen. FEpithelkörper (Glandulae parathyreoideae) ete. 263 liche Bilder bekam ich zu Gesicht bei altem, schlecht conservirten menschlichen Material. Um endlieh noch die Zellen selbst in Kürze miteinan- der zu vergleichen, so finden wir auch hier einige Differenzen, die jedoch "kaum bedeutungsvoller sind als diejenigen Unter- schiede, wie wir sie ganz allgemein in den entsprechenden speeifischen Elementen der meisten Organe verschiedener Thier- species antreffen. Sie variiren sowohl nach der Grösse des Zellleibs und des Kerns als auch nach dem Aussehen des Protoplasmas. — Auch hier wieder fin- den wir die grösste Uebereinstimmung bei Mensch und Schaf, während die Katze sich etwas abweichend verhält. Bei ersteren . sind die grossen polygonalen Zellen meist scharf gegen einander begrenzt und lassen eine deutliche Membran erkennen; das Proto- plasma ist sehr fein granulirt und ausserordentlich zart, gegen Reagentien sehr empfindlich und post mortem leicht zum Zerfall neigend. Der relativ grosse Kern ist rund oder leicht oval. — Bei der Katze hingegen sind die Zellgrenzen häufig unklar, wenn- gleich hier und da eine Zellmembran nachzuweisen ist. Das Protoplasma erscheint diehter gekörnt und daher dunkler als bei Mensch und Schaf. Die Neigung zur netzförmigen Gerinnung und Vacuolenbildung ist nicht so ausgesprochen als bei letzterem. Erwähnenswerth bleibt noch, dass ich beim Menschen bisweilen vereinzelte Zellen mit enorm grossen chromatin- reichem Kerne begegnete, der die gewöhnliche Grösse fast um das Doppelte übertraf. Solche Zellen von gleichfalls epithe- lialem Charakter liegen regellos zwischen den übrigen zerstreut. Es handelt sich kaum um Elemente von besonderer Specifieität, doch bleibt ihre Bedeutung vor der Hand vollständig unklar. Bei allen im Vorigen charakterisirten bald mehr, bald weniger hervortretenden Differenzen ist doch nirgends der gemeinsame Bauplan des Organes bei den verschiedenen Thierspecies zu verkennen. Das Wesentlichste liegt eben in der überall in gleicher Weise anzutreffenden typischen Vereinigung von specifischen, epithelialen Zellen mit Capillarge- fässen, und zwareiner Vereinigung, die die denk- bar engsten Beziehungen zwischen beiden er- kennen lässt. Istnundieseninnigen Beziehungenzwischen 264 r Alfred Schaper: Epithelien und Blutgefässen, die bei keinem andern ähnlich gebauten Organe, wie beispielsweise der Nebenniere, der Hypophyse oder der Glandula carotica, mit solcher Prägnanz her- vortreten, irgendwie eine speceifische functionelle 3edeutung beizumessen? Mit dieser Frage wenden wir uns einer nunmehr naheliegenden physiologischen Betrach- tung unseres Organes zu. Gleichzeitig mit dieser Frage stürmen aber eine ganze Reihe anderer theils allgemeiner, theils speeieller Natur auf uns ein, die im Wesentlichen sich alle zu der einen Alternative vereinigen lassen, ob nämlich die Glandulae parathyreoideae für gewöhnlich einer speeifi- schen Funetion, die siehinseeretorischenErschei- nungen äussern müsste, überhaupt fähig sind, oder obsielediglichZellaggregateembryonaler Natur mit mehr oder weniger indifferentem Charakter darstellen. — Um einer Entscheidung dieser Alternative näher zu treten, ist zunächst eine Anzahl darauf bezüglicher Vorfragen zu beantworten, die sich etwa folgendermaassen forınu- liren lassen: 1. Liefern die speeifischen Zellen der Epithelkörper ein nachweisbares Secret? 2. Tritt dieses Secret, da für gewöhnlich Drüsenlumina und Ausführungsgänge fehlen, durch die Capillarwände direet in das Blutgefässsystem über (Blutgefässdrüse) ? oder 3. Sind jene Elemente vielmehr als indifferente embryonale, für gewöhnlich functionslose Zellen zu betrachten? 4, Woher stammen sie? Sind sie selbstständigen Ursprungs, oder als abgesprengte, auf embryonalem Zustande zurückgeblie- bene Theile der Anlage eines andern Organes zu betrachten? endlich 5. Sind sie befähigt, sich aus ihrem indifferenten Zustande heraus zu einem funetionirenden Organe zu entwickeln, das einem andern von gleichem Mutterboden entstammten Organe gleich- werthig werden und eventuell vieariirend für dieses eintreten kann ? Die Beantwortung eines grossen Theiles dieser Fragen liegt auf dem Gebiete der experimentellen und entwicklungsgeschicht- lichen Forschung. Nichtsdestoweniger aber gibt uns auch die histologische Untersuchung schon jetzt eine ganze Reihe von An- Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) etc. 265 haltspunkten und mehr noch wird von ihr zu erwarten sein. Auch meine im Vorigen dargelegten Beobachtungen nebst einigen noch anzuführenden bedeutungsvollen Befunden beim Menschen lieferten mir eine Anzahl von Thatsachen, die sieh zu einer Dis- kussion der aufgeworfenen Fragen wohl verwerthen lassen. Was zunächst eine eventuelle Seeretion von Seiten der Epithelzellen anbelangt, so bietet in Bezug auf entspreehende Vorgänge im Innern des Zellleibes die histologische Methode bis- her keine ganz sichern Befunde. Die häufig beobachtete Vacuo- lisirung des Protoplasmas möchte ich jedenfalls nieht ohne Weiteres zu einer Seeretion in Beziehung setzen. Sie scheint mir in der Mehrzahl der Fälle Kunstprodukt der Fixation zu sein. Bedeutungsvoller für seeretorische Vorgänge dürften viel- leicht jene mit Hämatoxylin - Eisenlack sich intensiv schwarz färbenden Körnehen oder Tröpfehen sein, die ich mehr- fach im Protoplasma der Zellen zerstreut antraf. Ob diese Körnehen, wie es in vielen Zellen den Anschein hat, Zerfallspro- ducte des Kernes sind, wage ich vor der Hand nicht zu ent- scheiden, obgleich ja von mehreren Seiten bereits Beobachtungen vorliegen, die für eine derartige Betheiligung des Kernes an der Seeretbildung in gewissen Drüsen (Milchdrüse) sprechen. Weiter- hin traf ich ähnliche Körnchen ähnlich insofern als sie mit Hämatoxylin - Eisenlack die gleiche Reaction gaben — viel- fach innerhalb der Capillaren der Epithelkörper an. Diese Thatsache legt uns den Schluss nahe, dass es sich um eine passive Wanderung der Körnchen aus dem Zell protoplasma in die benachbarten Blutgefässe handele. Wären also jene Körmnchen als Ausscheidungsprodukte der Zellen zu betrachten, so würde in diesem Falle eine direete Seeretion in das Blutgefässsystem stattfinden. Eine solche funetio- nelle Beziehung zwischen Epithelien und Gefässen dürfte besonders in denjenigen Epithelkörpern plausibel erscheinen, wo die Capillaren eine so enorme Weite besitzen, dass ihnen mehr als nur die Be- deutung von Ernährungswegen für das Organ zuzukommen scheint. Bei allen secernirenden Organen, die eigentlicher Drüsenlumina entbehren, bleibt ja schliesslich auch kein anderer Weg zur Fort- schaffung der Seerete übrig und die Bezeichnung „Blutgefäss- drüse* ist von solchem Standpunkt aus sehr berechtigt. Dass wirklich ein Uebertritt von Drüsenseereten in die benachbarten 266 I Alfred Schaper: “ Capillaren stattfinden kann, dafür sprechen die jüngsten Beob- achtungen derartiger Erscheinungen an der Schilddrüse. Auch in den Nebennieren sind ähnliche Processe constatirt worden. Wollte man nun auch keine der beiden oben beschriebenen Vorkommnisse in den Zellen der Epithelkörper, weder die Vacuolen- bildung noch das Auftreten von Körnchen im Protoplasma als Secretionserscheinungen gelten lassen, so spricht doch ein Um- stand klar genug dafür, dass unter gewissen Bedingungen eine secretorische Thätigkeit des Organes statthaben kann; nämlich das gelegentliche Auftreten von secreterfüllten Hohlräumen und dieeystigeEntartungdes Organs. Die erste Entwicklung solcher Hohlräume habe ich mit Sicher- heit nur beim Menschen beobachten können. Die beim Schafe be- schriebenen kleinen unregelmässigen Spalträume zwischen den Epi- thelien (Fig. 1 und 2x) wage ich aus angeführten Gründen nicht ohne Weiteres hierzu in Beziehung zu bringen. Beim Menschen Jedoch sah ich mehrfach Gruppen von Epithelien in kreisförmiger Anordnung ein kleines oder grösseresLumenumschliessend, inwelchem nieht immer, aber,doch/änf@der-Mehrzahl der Fätleienn feinkörniges, zu Farbstoffen nur geringe Affini- tät besitzendes Seceretnachzuweisen war. Meistens schienen diese Lumina die Durchschnitte isolirter Alveolen zu sein. — Es unterliegt keinem Zweifel, dass eine cystenar- tige Degeneration des ÖOrganes, wie ich sie beim Schafe be- obaechtet und durch Abbildung 5 'und 6 illustrirt habe, aus der Entwicklung solcher intereellulärer Hohlräume ihren Ur- sprung nimmt. Nicht mit gleicher Sicherheit ist die Frage zu beantworten, ob es sieh beim Auftreten dieser Hohl- räume stets um eine beginnende pathologische Erscheinung handelt, oder ob nicht in gegebenem Falle das Epithelkörperchen sich zu einem der- artig, physiologisch secernirenden Organe um- wandeln kann. Diese Frage soll uns im Folgenden wesentlich beschäftigen. Unsere Unternehmungen haben uns zwar gezeigt, dass die eben geschilderten Erscheinungen zweifelloser Secret- bildung innerhalb der Epithelkörper im Allgemeinen selten sind, nichtsdestoweniger werden wir gerade von ihnen die werthvollsten Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) ete. 267 Aufschlüsse über Natur und Bedeutung unserer Organe, spec. in der oben formulirten Alternative zu erwarten haben. Ich habe schon in der Einleitung darauf hingewiesen, dass Sandström bereits zu der Annahme neigte, die Glandula parathyreoidea als eine der Schilddrüse verwandte em- bryonale Drüse anzusehen. Auch Gley gab später eimer gleichen Ansicht Ausdruck, indem er sagt: „La structure de ces glan- dules n’est pas la m&me que celle du corps prineipale (Schilddrüse), mais rapelle celle de la glande a l’etat embryonnaire“. Er geht sogar noch weiter, indem auf Grund seiner Experimente sich zu dem Sehlusse berechtigt glaubt, dass diese „Drüsen“ sich gege- benen Falls zu typischen Schilddrüsengeweben weiter entwickeln und functionell fürletztere eintretenkönnen. Wenngleich Moussu und Hofmeister eine derartige Weiterent- wicklung der Glandula parathyreoidea nach erfolgter Schilddrüsen- Extirpation in Abrede stellen, so wurde doch die Aehnliehkeit derselbenmitembryonalemSchilddrüsengewebe mehr oder weniger von allen Untersuchern anerkannt. Ich selbst wurde, wie oben erwähnt, bei memen ersten Beobachtungen im Jahre 1891 zu derselben Annahme gedrängt. — Erst in Jüngster Zeit ist durch Kohn der Glandula paratkyreoidea nicht nur die Fähigkeit zu einer Umwandlung in typisches Schilddrüsengewebe und eventuelle Uebernahme von Schilddrüsenfunetion abgesprochen worden, sondern auch die Aehnlichkeit derselben mit embryonalem Gewebe der Thyreoidea in Zweifel ge- zogen oder zum Wenigsten doch als unwesentlich hin- gestellt worden. — Ich habe daraufhin meine Präparate noch- mals einer gründlichen Durchsicht unterzogen und vor Allem einen Vergleich derselben mit den Abbildungen aus der vorzüg- lichen Arbeit Wöfler’s über die Entwicklung der Schilddrüse (21) angestellt. Dieser Vergleich hat mich nun von Neuem über- zeugt, dass zwischen der histologischen Structur der Glandula parathyreoidea einerseits und der embryo- nalen Schilddrüse andererseits in der That die denkbar grösste Aehnliehkeit besteht, ja dass sogar die verschiedenen Stadien eines gewissen Entwicklungsabschnittes der letzteren in den verschiedenen zur Beobachtung gelangten Typen der Glandula parathyreoidea wiederzuerkennen sind. Wer sich die Mühe nehmen will, möge zu Orientirung über diese Verhältnisse die 268 Alfred Schaper: Fig. 22, 24, 41 und 40a der Wölfler’schen Arbeit neben meinen Abbildungen betrachten. — Wenn Kohn sagt, dass selbst eine vorhandene Aehnliehkeit zwischen beiden Geweben nicht bewei- send sei für ihre Gleiehwerthigkeit, indem in diesem Entwicklungs- stadium die Schilddrüse noch nieht genügend differenzirt sei, um als solche erkannt werden zu können, so muss ich dem entgegen- halten, dass die Schilddrüse in den von mir zum Vergleich her- beigezogenen Stadien bereits in jeder Richtung als solche charak- terisirt und mit keiner andern embryonalen Anlage zu verwechseln war. Wenn daher an der Glandula parathyreoidea derartige Uebereinstimmungen mit ersterer zu constatiren sind, so ist man auch berechtigt, dasselbe als embryonalesSchilddrüsen- sewebe zu bezeichnen; und insofern ist der vonSandström eingeführte Name Glandula parathyreoidea sehr zu- treffend, imdem er nach Analogie der Bezeichnungen „Paro- varıium“* und „Paradidymis“ gleichzeitig auf die embryo- nale Natur des Organes hinweist. Ich habe mich daher vorläufig für Beibehaltung dieses Namens entschlossen. Somit wären also unsere Epithelkörper zwar als embryonale, aber bereits bis zu einem gewissen Grade in bestimmter Richtung differenzirte Organe zu betrachten, die einer speeifischen Function zunächst noch entbehren. Wie verhält es sich nun mit einer Weiterentwieklung des Organes zu fertigem und funetionirendem Schild- drüsengewebe? Die meisten Autoren sind, wie gesagt, geneigt, die Glandula parathyreoidea alsentwieklungsfähiges Reserve- material, d. h. als Ersatzmaterial für zu Grunde gegangenes oder operativ ausgeschaltetes Schilddrüsengewebe anzusehen, ob- gleich ja durch Hofmeister die von Gley behauptete Hyper- trophie und Umbildung zu Drüsengewebe nach Exstirpation der Thyreoidea wieder arg in Zweifel gezogen wurde, und somit sichere Beweise für diese Fähigkeit eigentlich noch fehlen. Kohn spricht sich aus solchen Gründen entschieden dagegen aus, zu- mal auch er niemals eine typische Weiterentwicklung des Organes, wenigstens zu colloidhaltigem Drüsengewebe beobachten komnte. Ausserdem hält es Kohn für unmöglich, dass so „winzige und scheinbar unfertige Gebilde“ wie die äussern Epithelkörper im Stande seien, die Folge einer Ausschaltung einer so bedeutsamen Drüse, wie der Thyreoidea, zu verhüten. — Die letztern Bedenken sind Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) ete. 269 einigermaassen begründet, wenn wir uns erinnern, dass Kohn die Dinge von dem Gesichtspunkte aus beurtheilte, dass die Glandula parathyreoidea nur ein unscheinbares, paariges Gebilde darstelle. Da es mir nun aber gelungen ist, vielmehr ein mul- tiples Auftreten der Epithelkörper als die Regel hinzustellen, so dürfte hierdurch auch dieses Bedenken an Bedeutung verlieren und ein theilweiser Ersatz der ausgeschalteten Schilddrüsen durch weiter entwickelte zahlreiche Epithelkörper eine grössere Wahrscheinlichkeit erlangen. Es ist vor der Hand jedoch zwecklos, über die Möglichkeit eines funetionellen Ersatzes der Thyreoidea durch umgebildete Epithelkörper zu diseutiren. Näherliegend und zunächst wichtiger ist jedenfalls die Entscheidung der Frage, ob überhaupt die Epithelkörper befähigt sind sich zu Schilddrüsenge- webe umzuwandeln. Absolut sichere Beobachtungen liegen bisher darüber nieht vor, obgleich auf der andern Seite in dem bereits von Sandström und später von Kohn und mir beob- achteten gelegentlichen Auftreten von eystenartigen Hohlräumen und Alveolen innerhalb der Epithelkörper doch immerhin der Beweis eingeschlossen liegt, dass die Fähigkeit und Tendenz zu einer gewissen Weiterentwicklung undzwarzueigent- lichem Drüsengewebe unserm Organe innewohnt. — Die Entstehung soleher Alveolen setzt die Abscheidung eines Seeretes von Seiten der Zellen und somit eine Differenzirung der letztern aus ihrem früheren funetionslosen Zustande voraus. Sekret wurde in diesen Drüsenlumina sowohl von Kohn als von mir in der That beobachtet. Es frägt sich nun weiter, welcher Natur dieses Secret ist. Wollen wir mit Gewissheit in diesen Erscheinungen der Weiterentwicklung der Epithelkörper eine Umbildung zu Schilddrüsengewebe erblicken, so muss das Secret nothwendigerweise Colloid sein oder zum mindestens eine Vorstufe davon. — Kohn beobachtete niemals colloidhaltige Alveolen in seinen Präparaten. Mir hingegen ist es gelungen, dieselben sowohl im äusseren als im inneren Epithel- körperchen (Kohn) und zwar beim Menschen nachzu- weisen. Das Secret der in Betracht kommenden Alveolen stimmt hier in seinem Aussehen und seinem Verhalten zu Farbstoffen in jeder Beziehung mit jenem der Schilddrüsenaeini überein und lässt keinen Zweifel an seiner eolloiden Natur aufkommen, ID 1 oO Alfred Schaper: Besonders interessant waren mir die Befunde am inneren Epithelkörperchen, wo ich mit grösster Klarheit die allmähliche Entwicklung der Drüsenlumina und eine gleichzeitige Umbildung des ursprünglich (durch die Fixation) mehr granulirt erscheinen- den Secrets in homogenes Colloid und weiterhin einen lücken- losen Uebergang des Epithelkörperparenehyms in dasjenige der umgebenden Schilddrüse beobachten konnte. Ich habe diese Verhältnisse in starker Vergrösserung durch Abbildung 7 veran- schaulicht. Die gezeichnete Stelle liegt in der Uebergangszone von Epithelkörper- und Schilddrüsengewebe; ersteres liegt rechts oben, letzteres links unten. — Die Structur des innern Epithelkörper- chens ist nach Kohn’s Untersuchungen bei Kaninchen, Katze und Hund der des äussern bis auf geringe Abweichungen vollständig gleich. Dasselbe konnte ich in dem von mir beobachteten Falle beim Menschen constatiren. Eine Differenz findet sich höchstens in einer geringeren Betheiligung des Bindegewebes am Aufbau des innern Epithelkörpers, als ich sie beim äussern ge- wöhnlich antraf.: Dadurch erscheint dasselbe auch ecompaeter ge- baut und gleicht insofern mehr dem compaeten Typus der Glan- dula parathyreoidea beim Schafe (vergl. Fig. 1). — Ich muss hier einfügen, dass ich, wie mir scheint, der Erste bin, der beim Menschen ein inneres Epithelkörperchen der Schilddrüse beobachtet hat. Frühere Autoren gaben nichts darüber an und Kohn stellt das Vorkommen desselben beim Menschen noch in Abrede. Dass es sich in dem mir vorliegenden Falle wirklich um ein inneres Epithelkörperehen im Sinne Ko hn’s handelt, beweist der Umstand, dass es vollständig in den Seiten- lappen der Schilddrüse eingeschlossen liegt, ohne irgendwo die Oberfläche desselben zu erreichen, und ferner ein in sich abge- schlossenes, rundliches Knötchen bildet von etwa 2 mm Durch- messer, das bis auf eine Stelle rings gegen das Schilddrüsenge- webe scharf abgegrenzt ist. Diese Abgrenzung wird noch unterstützt durch eine zarte bindegewebige Kapsel, die das Organ continuirlieh umgibt bis auf die oben erwähnte Stelle, wo das Epithelkörperchengewebe continuirlich in das der Schilddrüse übergeht. Dieser Stelle entspricht meine Abbil- dung. Wir erkennen in dieser oben rechts zum Theil wohl charakterisirtes noch mehr oder weniger indifferentes Parathyreo- idea-Gewebe, links unten hingegen ausgesprochene Schilddrüsen- Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) ete. 271 struetur. Weiterhin sehen wir in dem den Epithelkörperchen zu- gehörigen Abschnitte eine Anzahl von Drüsenalveolen auf ver- schiedener Entwicklungsstufe (Fig. ale 1, 2, 3, 4), die sämmtlich mit Secret gefüllt sind. In den jüngsten Stadien derselben (al» 1, 2, 3) ist das Sekret noch von feinkörnigerer Beschaffenheit, die nicht für Colloid spricht. In den folgenden Stadien nimmt es bereits ein homogeneres Gefüge an, um endlich in noch vorge- rückteren (alv 4, 5) dem colloiden Secret der Schilddrüsenacini (sch.) vollständig gleichartig zu werden. Die Alveolen sind von einen einschichtigen Epithel (ep‘‘) ausgekleidet, das in den ersten Stadien eylindrisch, später eubisch und endlich bei starker Aus- dehnung der Drüsenlumina leicht abgeplattet erscheint. Auch in letzterem Verhalten gleichen alsdann jene Alveolen durchaus denen der Schilddrüse, sodass also in der That an dieser Stelle ein lückenloser Uebergang der einen in die andre Gewebs- form zu constatiren ist. — Ich glaube diese Befunde sprechen unzweideutig genug dafür, dass wir es hier mit einer Umwandlung desEpithelkörpergewebes in ech- tes funetionirendes Schildrüsengewebe zu thun haben. Nieht mit gleicher Klarheit konnte ich diese Vorgänge an den äussern Epithelkörperchen des Menschen verfolgen. Wenngleich sich auch vereinzelte Alveolen mit colloidem Seeret zeigten, so waren doch die meisten mit einem fein- körnigen, Secret gefüllt, das in solcher Form mehr dem In- halt der primitiven Alveolen im inneren Epithelkörperchen slieh. Es könnte sich daher vielleicht auch in diesen körmigen Abscheidungsprodukten bereits um eine Vorstufe von colloider Substanz handeln. Ich bin um so mehr zu dieser Annahme ge- neigt, als man nicht selten auch in normalem Schilddrüsengewebe vereinzelte Alveolen antrifft, in denen sich kein homogenes son- dern ein mehr körniges Seeret vorfindet, das nicht die gleiche Affinität zu Anilinfarben ete. besitzt, als das deutlich charakte- risirte Colloid. — So möchte ich denn auch diese Befunde am äussern Epithelkörperehen als Vorgänge einer beginnenden Um- bildung zu wahrem Schilddrüsengewebe deuten. — Archiv. f. mikrosk. Anat. Bd. 46, 18 572 Alfred Schaper: Auf Grund der im Vorigen angeführten Thatsachen glaube ich mieh nun in Bezug auf das Wesen und die Bedeutung der Glandulae parathyreoideae zu folgenden Schlüssen berechtigt: I. Die äussern Epithelkörperchensind abgesprengte, auf gewissen Stadien der embryonalen Entwicklung zurückgebliebenen Partikel der lateralen Schild- drüsenanlage. — Hierfür spricht die auffällige Aechnlichkeit ihres histologischen Baues mit embryonalem Schilddrüsengewebe und ihre typische Lage in der Umgebung der Arteria carotis vom Theilungswinkel derselben herab bis zur Seite der Glandula thyreoidea, einer Gegend, die in früher Entwicklungsperiode von der primitiven Schilddrüsenanlage eingenommen wird. (Im Bereiche dieser Gegend fand ich ausserdem wiederholt abgesprengte Thy- musknötchen, was insofern für unsere Frage von Bedeutung ist, als sie gleichzeitig diesen Ort als den Weg kennzeichnen, den Abkömmlinge der Kiemenspalten bis zu ihrer definitiven Ent- wieklung und Lage durchlaufen.) Die verschiedenen histologischen Typen der Glandula parathyreoidea können abgesehen von un- bedeutenden individuellen und den einzelnen Thierspecies eigenen Verschiedenheiten vielleicht den verschiedenen Entwicklungsstadien der Schilddrüse, besonders verschiedenen Stadien der Vaseulari- sation derselben verglichen werden (vergl. die Wölfler’schen Ab- bildungen). Diese Annahme über den Ursprung der Glandulae para- thyreoideae bedarf allerdings noch der Bestätigung durch weitere entwickInngsgeschichtliche Forschungen. Die in jüngster Zeit in dieser Richtung angestellten Beobachtungen sind theils noch wider- sprechend, theils lassen sie in Bezug auf ihre Genauigkeit zu wünschen übrig. Ausserdem sind sie durch den von mir erbrachten Nachweis des multiplen Auftretens der Epithelkörper in ihrem Untersuchungsgange mehr oder weniger als verfehlt zu betrachten. Cristiani identifieirt die Glandule thyroidienne mit der seitlichen Schilddrüsenanlage; Prenant will sie als selbstständiges Organ aus der 4. innern Kiemenfurche hervorgehen lassen; er ist ge- neigt, sie als der Glandula earotica gleiehwerthiges Organ anzu- sehn. Aus den angeführten Gründen halte ich es vor der Hand für rathlos, mich an dieser Stelle auf eine eingehendere Betrach- tung dieser embryologischen Arbeiten einzulassen. Erwähnen möchte ich nur, dass sich besonders gegen die Deutung, welche Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) ete. 273 Prenant seinen Befunden über die Entwicklung der Schilddrüse, Thymus und Glandula carotica giebt, mancherlei Bedenken erheben lassen, worauf bereits Jacoby in seinen trefflichen historisch-kritischen Betrachtungen über die Entwieklung der Kiemendarmderivate (8) mit Recht hingewiesen hat. H. Die Epithelkörper verharren für gewöhn- lich in ihrem mehr oder wenigerindifferenten, funetionslosen Zustande; unter gewissen Bedin- sungen jedoch, die uns vor der Hand noch unbe- Kan, sınd, »können' sich Ureselbemiweiter’ent- wiekeln und zwar nach der Richtung des typi- schen Schilddrüsengewebes hin, wobei jedochin der Regel nicht das ganze Organ sondern nur ein beschränkter Abschnitt desselben in einen der- artigen Fortbildungsprocess einbezogen wird, waehrend der‘ grössere "Theil autlembryönaler Stufe zurückbleibt. — Der erste Schritt zu solcher Umwand- lung besteht darin, dass einige Epithelien sich zu secernirenden Zellen differenziren. Es liegen mir Befunde vor (Fig. 4 sc.), die es annehmbar erscheinen lassen, dass beim ersten Beginn dieser Se- eretionserscheinungen von Seiten einzelner Zellen die Ausscheidungs- produkte zunächst direkt in die benachbarten Capillaren gelangen. Ich halte diesen Process für einen atypischen und vorübergehen- den. Erst wenn mehrere Zellen sich zu gleicher Funktion diffe- renzirt haben und auf diese Weise grössere Mengen von Sekret gebildet werden, kommt es zur Ablagerung desselben zwischen die einzelnen Zellen und hierdurch in der Folge zur Bildung eigentlicher Drüsenalveolen, ein Process, der vielleicht durch gleichzeitigen Zerfall einzelner Zellgruppen unterstützt werden kann. — In solehen Uebergangsstadien ent- wickelt sich nun entweder typisches Schilddrüsenge- webe mit eolloidhaltigen Acini oder es kommt zu einer derartigen pathologischen eystischen Degeneration, wie ich sie in Abbildung 5 und 6 dargestellt habe und wie sie auch von andern Autoren bereits beobachtet wurde. | Dass die Umwandlung der Glandula parathyreoidea in wahres Schilddrüsengewebe (selbst wenn das ganze OÖrgandiesemDifferenzirungsprocessanhbeimfallensollte) 274 Alfred Schaper: für gewöhnlich eine functionelle Bedeutung für den ge- sammten Organismus gewinnen könne, scheint mir nach den bisherigen Befunden unwahrscheinlich. Trotz ihres multiplen Auftretens ist doch ihre Zahl und Masse zu ge- ring, um neben der Funktion der eigentlichen Schilddrüse noch irgendwie eine wesentliche Rolle spielen zu können. Eine be- deutendere Hypertrophie derselben zu Schilddrüsengewebe ist eben nie beobachtet worden. Anders vielleicht gestalten sich die Verhältnisse, wenn dieFunction der Schilddrüse etwa durch operative Entfernung der letzteren ausgeschaltet ist. Die bisherigen Untersuchungen geben uns noch keine volle Klarheit darüber. Es ist noch nieht mit Sicherheit nachgewiesen, dass die Glandulae parathyreoideae nach stattgehabter Thyreoideetomie eine erhöhte Neigung zu weiterer Differenzirung und Hypertrophie zeigen. Die Möglichkeit eines tbeilweisen Ersatzes der ausgeschalteten Funk- tion der Thyreoidea durch dieselben ist vorhanden, nachdem ihre Fähigkeit zur Umwandlung in Schilddrüsengewebe erwiesen ist. Das Experiment hat über diese Frage weiterhin zu entscheiden. III. Innere und äussere Epithelkörperehen sind einander völlig gleichwerth. Die Differenzen in ihrer Lage- beziehung zur Schilddrüse sind auf bis jetzt unbekannte ent- wicklungsgeschichtliche Ursachen zurückzuführen. Ich ver- muthe, dass die äusseren Epithelkörper aus ein- zelnen Zellecomplexen hervorgegangen sind, die auf dem Wege, den die Schilddrüse während ihrer Ent- wieklung zur Erlangung ihrer definitiven Lage durch- läuft, den Zusammenhang mit letzterer verloren haben und durch gleichzeitigen Verlust der zu ihrer typischen Weiterentwieklung nöthigen Correlatio- nen in ihrem jeweiligen embryonalen Zustande ver- blieben sind. Vielleicht sind auch die innern Epithel- körper in gleicher Weise entstanden und als die zuletzt abgesprengten Keime anzusehen, die in Folge ihrer unmittelbaren Anlagerung an die Schilddrüse bei fortschreitender Entwicklung von dieser umwachsen und wieder gänzlich in dieselbe hinein- bezogen werden. Fine solehe Annahme erscheint mir aus dem Grunde noch plausibler, als ja zwischen äussern und innern Epi- thelkörperchen eigentlich alle Uebergangsstadien in Bezug auf Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) etc. 275 ihr Lageverhältniss zur Schilddrüse beobachtet wurden, indem es sich bald um eine lose oder feste Anlagerung, bald um geringere oder grössere Einkeilung des Epithelkörpers in die Seitenlappen der Schilddrüse und bald um eine derartige Aufnahme der ersteren in letztere handelt, dass nur noch ein minimales Segment des Epithelkörpers an der Oberfläche der Thyreoidea frei zu Tage liegt. Von diesem letzten Verhalten bis zum völligen Einschluss in die Schilddrüse, wo wir also berechtigt sind von einem inne- ren Epithelkörperehen zu sprechen, ist nur noch ein Schritt. Ob in jedem Seitenlappen der Schilddrüse beständig nur ein einziges Epithelkörperehen sich eingeschlossen findet, wie Kohn angiebt, bedarf, glaube ich, noch der Bestätigung durch weitere Untersuchungen an umfangreicherem Material. IV. Durch meine Befundeandeminneren Epithel- körperehen beim Menschen ist ausser Zweifel gestellt, dass dasselbe befähigt ist, colloidhal- tige Drüsenalveolen aus sich hervorgehen zu lassen, oder mitandern Worten funetionirendes Schilddrüsengewebe zu bilden. Durch die innigere Beziehung desselben zur Schilddrüse kann diese Funetion eine etwas andere Bedeutung gewinnen als bei den äussern Epithel- körpern. Wir könnten in diesen Vorgängen entweder eine direete Vermehrung oder einen beständigen Ersatz eventuell zu Grunde gehenden Schilddrüsenparenchyms erblicken. Eine derartige Bedeutung ist den innern Epithelkörpern bereits durch Hürthle (7) und Rogowitch (16) zugeschrieben wor- den, obgleich eine zweifellose Umwandlung derselben in Schild- drüsengewebe von beiden Forschern nicht beobachtet zu sein schein. Kohn, der gleichfalls eine solehe Umwandlung in seinen Präparaten nicht nachweisen konnte, spricht aus diesem Grunde auch den inneren Epithelkörpern ein weiteres Differenzir- vermögen- ab. — Meine Befunde widerlegen diese Ansieht Kohn’s und lassen weitere Untersuchun- gen in dieser Sache wünschenswerth erschei- nen. Der eine Fall, an dem ich diese Umwandlung des innern Epithelkörperehens beobachtete, erlaubt mir noch nicht, weit- sehende Schlüsse daraus zu ziehen. Es bleibt vor allen Dingen zunächst zu entscheiden, ob wir in diesem Vorgange eine regel- 276 Alfred Schaper: mässige Erscheinung, oder nur eine mehr oder weniger zufällige Weiterentwicklung des inneren Epithelkörperchens vor uns haben. Zum Schluss möchte ich noch einige Bemerkungen hin- zufügen über einen Versuch Prenant’s, die Glandules thyroidiennes der Carotisdrüse in Bezug auf Entwieklung, Bau und Bedeutung als gleich- werthige Organe an die Seite'zu'stellen.'’ Pre- nant leitet nach seinen Untersuchungen an Schafembryonen beide Organe von inneren Kiemenfurchen ab, und zwar die Carotisdrüse von der dritten, die Glandule thyroidienne von der vierten. Ich habe schon früher darauf hingewiesen, dass trotz aller Exaetheit der Untersuchungsmethode doch die Deutung, welche Prenant seinen Befunden gibt, zu mancherlei Bedenken auffordert. So scheint es mir nach seinen Ausführungen (l. ec. pag. 676) von vornherein fraglich, ob er in seiner Glandule earotidienne überhaupt die wirkliche Carotisdrüse vor sich gehabt hat. Ich muss mich hier den bereits von Jacoby (l.e.) in dieser Richtung geäusserten Zweifeln anschliessen, und kann den Resultaten Prenant’s vorläufig keine Bedeutung für unsere Frage beimessen. Was ferner die histologische Uebereinstimmung beider Organe anbetrifft, so geht Prenant auch hierin zu weit. Eine gewisse Aehnlichkeit zwischen beiden ist ja zweifellos vor- handen, speeiell in dem Verhalten der Epithelien und Capillaren; doch ist dieselbe nicht so gross, um bei einigermaassen genauer Beobachtung die sehr charakteristischen Unterschiede verdeeken zu können. Vor allen Dingen hervorheben möchte ich das be- ständige Vorkommen von Ganglienzellen innerhalb der Ca- rotisdrüse, die dieselbe zum Nervensystem in eine besondere functionelle Beziehung setzen und es eher nahe legen würden, sie der Hypophyse oder den Nebennieren gleichzustellen. — Endlich ist die Carotisdrüse ein viel complicirteres Organ, das im seiner morphologischen Zusammensetzung stets eine ge- wisse Gesetzmässigkeit erkennen lässt, die den Glandulae para- thyreoideae vollständig abzugehen scheint. Zur Orientirung über disse Verhältnisse verweise ich auf das Schema des Bauplans Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) etc. 277 der Cartisdrüse, das ich seinerzeit in meinen „Beiträgen zur Histologie der Glandula earotiea* (19) gegeben habe. Von einer Gleiehwerthigkeit beider Organe in functioneller Be- ziehung kann nach meinen im Vorigen dargelegten Befunden an den Epithelkörpern wohl kaum noch die Rede sein, Zürich, im Juli 1395. Literatur- Verzeichniss. 1. Baber, E.Cr., Researches on the minute structure of the thyroid gland. — Pilosoph. Trans. of the R. Soc. IH, 1881. Bonnet, R., Grundriss der Entwicklungsgeschichte der Haussäuge- thiere. — Berlin (Parey) 1891. 3. Cristiani, De la thyroideetomie chez le rat. — Arch. de Physiol, norm. et pathol. 1893. — Derselbe,-Remarques sur l’anatomie et la physiologie des 1%) glandes et glandules thyroidiennes chez le rat. — Ebendaselbst. — Derselbe, Des Glandules thyroidiennes chez la souris et le campagnol. — Ebendaselbst. 4. 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Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX. Allgemeingültige Bezeichnungen. alv = Drüsenalveolen. ep” = Epithel der Drüsen- bg = Bindegewebe. alveolen. bl = Blutkörperchen. ft = Fett. Ueber die sogen. Epithelkörper (Glandulae parathyreoideae) ete. 279 cap = Capillaren. pig = Pigment. cy = Cysten. sc = Secrettropfen (?). end — Endothel. sch = Schildrüsenalveolen. ep = Typische Zellen der Epithelkörper. Figur 1. Schnitt durch eine compact gebaute Glandula parathyreoide: Figur 2. Figur 3. Figur 4. Figur 5. Figur 6. Figur 7. vom Schaf. — Die Capillaren sind relativ eng, die Epithel- zellen zu grösseren Complexen vereinigt. — Pigment. — Vergr. 420. Schnitt durch eine eavernös gebaute Glandula parathyreoidea vom Schaf. — Die Epithelzellen sind zu Balken und Strängen vereinigt, die untereinander zusammenhängend ein Netzwerk bilden. dessen Maschenräume durch weite Capillaren (lacunäre Capillaren) vollständig ausgefüllt werden. — Vergr. 420. Eine andere Stelle des vorigen Präparates (Fig. 2) mit einem enorm weiten Capillargefäss. — Vergr. 420. Ein Zelleomplex mit benachbarten Capillaren von einer com- paet gebauten Glandula parathyreoidea des Schafes bei sehr starker Vergrösserung. — Zu beachten die schwarzen Körnchen im Protoplasma und ınnerhalb der Capillaren. — Vergr. 1280. Cystig degenerirte Glandula parathyreoidea vom Schaf bei schwacher Vergrösserung. — Nur im rechten Abschnitt findet sich noch ein Segment normalen Parenchyms. — Vergr. 15. Stück von demselben Präparat (Fig. 5) aus der Nachbarschaft einer Cystenwand bei starker Vergrösserung. — Die Cyste ist mit einem einschichtigen eubischen Epithel ausgekleidet. — In unmittelbarer Umgebung der Cyste findet sich Binde- gewebshypertrophie und Atrophie des Parenchyms. — Vergr. 420. Schnitt durch ein „inneres Epithelkörperchen“ der Schilddrüse vom Menschen. — Die gezeichnete Partie liegt an der Grenze von Epithelkörpergewebe (rechts oben) und typischen Schild- drüsengewebe (links unten). — Man beachte die Entwicklung von colloidhaltigen Drüsenalveolen im Grenzbezirk des Epithel- körperchens. — Vergr. 420. 280 Ueber die Entwickelung der Müller’schen Gänge beim Menschen. Von Dr. W. Nagel in Berlin. In einem Auszug meiner in den letzten Jahrgängen dieses Archivs erschienenen Arbeiten über die Entwickelung der inneren und äusseren Genitalien beim Menschen, welcher im Archiv für Gynäkologie Bd. 45 veröffentlicht ist, habe ich (Seite 10) u. a. gesagt, dass nach meinen Untersuchungen der Müller’sche Gang bei menschlichen Embryonen von 8—13 mm Länge als eine trichterförmige Einstülpung des verdiekten Coelomepithels am proximalen Theil der Urniere angelegt wird, welche sich mit ihrem soliden spitz zulaufenden Ende dem Wolff’schen Gange dicht anlegt. In seinem Aufsatz: Die fötale Entwickelung der mensch- lichen Tuben, dieses Archiv Bd. 45, Seite 167 sagt Wendeler, dass er aus der oben angeführten Stelle meines Artikels nicht hat ersehen können, auf welchen Entwickelungsstufen ich den Müller’schen Gang gesehen habe bei Embryonen von 8 und 11 mm Körperlänge und dass es mir nicht vergönnt gewesen, den Vorgang beim Menschen in seinen allerersten Anfangsstadien zu schen. Da der von Wendeler beschriebene Embryo von 13 mm Länge keinen Aufschluss giebt über die allerersten Entwickelungs- stufen des Müller ’schen Ganges, so sei es mir gestattet, an dieser Stelle den Befund bei einem Embryo von 8 mm genauer zu beschreiben als Ergänzung meiner ausführlichen Darstellung der Entwickelung des Müller’schen Ganges beim Menschen (dieses Archiv Bd. 34, Seite 333— 954). Bei diesem Embryo (zum Theil bereits beschrieben in den Sitzungsberiehten der Königl. Preuss. Akademie der Wissen- schaften 1892: W. Nagel, Zur Entwickelung der Harnblase beim Mensehen und bei Säugethieren) zeigte das Coelomepithel an der Aussenseite der Urniere die bekannte Verdickung, deren Ueber die Entwickelung der Müller’schen Gänge beim Menschen. 281 proximaler Abschnitt das Bildungsepithel des Müller’schen Ganges abgiebt. Das Bildungsepithel verhielt sich im Wesentlichen so, wie ich es bei etwas älteren Embryonen (von 12 und 13 mm Länge) sefunden und bereits (a. a. O.) geschildert habe. Da wo später der offene Trichter des Müller ’schen Ganges liegt, zeigte das 3ildungsepithel eine seichte Einsenkung nach dem Wolff’schen Gange hin, welche vielleicht den Beginn des Einstülpungsprocesses darstellt. Bei einem Embryo von 11 mm Körperlänge war nur das Bildungsepithel vorhanden, welcher Befund als Beleg für die hinreichend bekannte Thatsache dienen kann, dass annähernd gleich grosse Embryonen unter sich oft so grosse Unterschiede in der Entwickelung zeigen, dass es nieht möglich ist, die ver- schiedenen Entwicklungsstufen mit einem ganz bestimmten Längen- maass des Embryos in Uebereinstimmung zu bringen. Bei einem Embryo von 12 mm und bei einem solchen von 13 mm fand ich, wie bereits in dem angeführten Aufsatz (dieses Archiv Bd. 34, Seite 342) dargestellt, im oberen Theil der Ur- niere den Müller’schen Gang als einen kurzen oben offenen Trichter, dessen distales zugespitztes solides Ende bei dem Embryo von 12 mm in gleicher Höhe mit dem proximalen Ende des Keimepithelwulstes lag und dessen Wände kopfwärts un- mittelbar in das erwähnte Bildungsepithel übergingen und all- mählich auseinander wichen unter Bildung einer kurzen Rinne, welehe noch weiter kopfwärts sich allmählich abflachte, um schliesslich nur als seichte Einkerbung zu erscheinen. Die weitere Entwickelung des Ganges habe ich an menschlichen Embryonen beiderlei Geschlechts von 14, 18, 20, 21, 22, 23, 25, 30 mm und aufwärts verfolgt. Somit ist durch meine Arbeit zum ersten Male eine zusam- menhängende Reihe von den ersten Entwickelungsstadien des Müller ’schen Ganges zur Darstellung gelangt und da Wendeler mit seinem Embryo von 13 mm (andere hat er, soweit ich ersehe, für das Studium dieser Entwickelungstufen überhaupt nicht ver- werthet) keine neue Thatsachen aufgedeckt hat, sondern ledig- lich meine Schilderungen bestätigt gefunden, so hätte ich wohl erwarten dürfen, dass er sich bei seiner Darstellung der Entwicke- lung der Müller’schen Gänge bis zu ihrer Einmündung in den 282 W. Nagel: Ueber die Entwickelung der Müller’schen Gänge ete. Sinus Urogenitalis — welche er gleichzeitig als Abschnitt eines -, Lehrbuches hat erscheinen lassen — auch auf meine Arbeiten bezogen hätte. Die Seite 175 von Wendeler ohne Angabe von Autoren aber mit gesperrtem Druck erwähnte Thatsache, dass der Müller ’sche Gang ausschliesslich durch Vermehrung der eigenen Zellen wächst ohne Betheiligung der Zellen des Wolff schen Ganges und — wie selbstredend — ohne Zufuhr von Zellelementen von Seiten des Oberflächenepithels und des Stromas des Wolff '- schen Körpers, glaubte ich bereits für den Menschen nachge- wiesen zu haben (dieses Archiv Bd. 34, Seite 333— 354) und zwar ganz besonders an Embryonen, die m Flemming’scher Lösung gehärtet waren und im Uebrigen mit allen neuesten tech- nischen Hülfsmitteln behandelt worden waren. Wäre der Embryo Wendeler’s der einzige Beleg für diese Thatsache, so würde sie noch zweifelhaft sein können. (Aus dem II. anatomischen Institut der Berliner Universität.) Diesubcutane Methylenblauinjection, ein Mittel zur Darstellung der Elemente des Oentral- nervensystems von Säugethieren. Von cand. med. Semi Meyer. Hierzu Tafel X. Durch die Entdeckung von Bethe, dass das Methylenblau mit der Molybdaensäure eme in Alkohol unlösliche Verbindung giebt, ist die Ehrlich’sche Methode der Nervenfärbung so weit vervollkommnet, dass sie die Herstellung von Schnitten gestattet, und es ist seitdem doppelt wünschenswerth geworden, die Methode auch für das Studium des feineren Baues des Oentralnervensystems höherer Thiere anwenden zu können. Während sich nun hierfür bekanntlich sowohl die intravenöse Injeetion des Farbstoffs als die Färbung überlebender Gewebstheile als ungeeignet erweisen, Die subceutane Methylenblauinjection, ein Mittel zur Darstellung etc. 283 fiel es mir bei meinen Versuchen, das Methylenblau durch sub- eutane Injeetion einzuführen, auf, dass das Centralnervensystem den Farbstoff in einer Quantität aufnahm, wie wir es bei den zahlreichen intravenösen Injeetionen, die ich im Laboratorium gesehen habe, nie beobachtet hatten. Ich stellte die Versuche an, um überhaupt den Farbstoff auf das vollkommen intacte Thier und wo möglich längere Zeit auf die lebenden nervösen Elemente einwirken zu lassen. Die Thiere ertrugen auch den Eingriff längere Zeit, und starben erst, nachdem sich alle sichtbaren Theile ge- bläut hatten. Allein ich muss darauf aufmerksam machen, dass meine Ver- suche doch insofern fehlschlugen, als die Resultate an dem peri- pherischen Nervensystem hinter den durch intravenöse Injeetion zu erreichenden weit zurückblieben. Dagegen veranlasste mich eine Beobachtung am Kleinhirn, die Wirkung derselben auf die nervösen Oentralorgane eingehender zu studiren. Ich fand näm- lich in der Kleinhirnrinde der injieirten Mäuse regelmässig eine äusserst distinete Färbung der Purkinje’schen Zellen, während alles andere ungefärbt erschien. Allerdings waren zunächst nur die Zellkörper mit dem Kern und die stärksten Dendriten, hier und da auch der Nervenfortsatz gefärbt, als ich dann aber meine Versuche in der bald zu beschreibenden Weise an grösseren Thieren an- stellte, erreichte ich bald bessere Resultate, bis ich schliesslich Bilder erhielt, die an Reichhaltigkeit an sichtbar gewordenen Ver- zweigungen der Fortsätze hinter den mit den Golgi'schen Methoden zu erreichenden nicht zurückstehen. — Der genaueren Betrach- tung dieser Bilder will ich einige Bemerkungen über die Me- thode voranschicken. Der Erfolg der subeutanen Injection hängt von zwei Fae- toren ab, von der Farbstoffmenge, die das Thier erträgt, und von der Länge der Zeit, die man ihn einwirken lassen kann. Letztere Grösse hat man dadurch in seiner Hand, dass man das Methylenblau in kleineren Dosen verabfolgen kann. Hiermit ist dann auch die Mögliehkeit gegeben, die Methode in ausgezeich- neter Weise zu variiren. Es wird sich leicht herausfinden lassen, welche Versuchsanordnung für jedes Objeet die günstigsten Re- sultate ergiebt. Für alle Fälle aber müssen die einzuverleibenden Mengen ausserordentlich grosse sein. Von einer 1°/, Lösung muss eine Junge Ratte mindestens 5 ebem, ein wenige Wochen altes 884 SemiMeyet: Kaninchen etwa 40 ebem, eine ebenso grosse Katze, entspre- chend dem viel grösseren Gewicht ihres Gehirms, etwa das drei- fache erhalten, wenn die Resultate ganz befriedigend ausfallen sollen. Mäuse vertragen die Injectionen überhaupt verhältniss- mässig schlecht, und ich kann sie nicht zum Versuche empfehlen. Ob es nicht besser wäre, statt solcher Flüssigkeitsmengen noch eoneentrirtere Lösungen anzuwenden, darüber fehlen mir Er- fahrungen, vielleicht kann man auch durch Anwendung verschieden starker Lösungen das Resultat beeinflussen. Mir bewährte sich aber die 1°/, Lösung ausgezeichnet. Statt des theuren Ehrlich’- schen Methylenblaus habe ich bei meinen letzten Versuchen das von Sig. Maier angegebene Methylenblau BX angewandt und damit dieselben Resultate erhalten. Bei sehr schneller Resorption der tödtlichen Dosis fand ich von einer grossen Zahl gleichartiger Zellen nur den Kern, oder diesen und den Zellleib gefärbt, während nur ein langsameres Vorgehen zur vollständigen Färbung einzelner Zellen mit ihren sämmtlichen Ausläufern zu führen scheint. Es empfiehlt sich daher, die einzuführenden Mengen in mehreren Portionen mit Pausen von einer oder mehreren Stunden zu injieiren. Was da- bei durch Nieren und Darm wieder ausgeschieden wird, kommt kaum in Betracht. Zum Nachversuche empfehle ich einem jungen Kaninchen 20 cbem einer 1°/, Lösung und nach zwei Stunden dieselbe Menge zu injieiren. Nach weiteren zwei Stunden ist das T'hier meist schon in Agonie oder todt. Die Erscheinungen, die die Thiere zeigen, sind sehr wenig charakteristisch und sehr geringfügig. Einige Male starben die Thiere plötzlich, wohl an einer Athem- oder Herzlähmung, ge- wöhnlieh aber bleiben die Centren der wichtigen Lebensfunctionen zunächst unversehrt, die Thiere werden nur allmählich schwächer, ohne besondere Reiz- oder Herdsymptome zu zeigen, und sterben schliesslich unter allgemeinen, "sehr lange dauernden Convulsionen. Nur bei den Mäusen beobachtete ich oft sehr bald Krämpfe, die aber nicht allgemein waren und die die Thiere überlebten, dann besonders häufig Kleimhirnerseheinungen, darauf Lähmungen, und oft plötzlichen Tod, offenbar an Zwerchfelllähmung. Bei den grösseren Thieren braucht man den Tod nicht abzuwarten, zum min- desten kann man die Agonie abkürzen. Die subeutane Methylenblauinjeetion, ein Mittel zur Darstellung ete. 285 Der Grund für das Zustandekommen einer vollständigen Färbung von nervösen Elementen bei den subeutanen Injec- tionen im Gegensatz zu den intravenösen liegt doch wohl auf der Hand. Der Farbstoff wird offenbar während des Lebens von den Nervenzellen und Fasern mit grosser Begierde angezogen und gebunden, und es können immer neue Mengen resorbirt wer- den und einwirken, während für die intravenöse Injection nur verhältnissmässig geringe Mengen verwendet werden können. Ausserdem scheint zur vollständigen Färbung eines Neurodendron, wie die Beschreibung der Bilder noch weiter zeigen wird, eine längere Einwirkungsdauer zu gehören, als sich bei der intrave- nösen Injection erreichen lässt. Allerdings sieht diese Erklärung ganz von der auch in die Handbücher der histologischen Technik übergegangenen Hypothese ab, dass die Methylenblaufärbung im Momente des Absterbens eintritt. Allein meine Versuche zeigten ganz deutlich, dass nicht nur die „Anlagerung“ des Farbstoffes an die nervösen Elemente, sondern auch eine Oxydation während des Lebens stattfindet, was besonders an den Augen der Mäuse leicht zu beobachten war. Und falls nach dem Tode eine Re- duetion eintrat, was aber beim Gehirn durchaus nieht nothwendig geschehen muss, so findet die sekundäre Oxydation alsbald statt, so wie der Sauerstoff der Luft Zutritt erhält. Ich konnte also bei meinen Versuchen keinerlei Zusammenhang eines der drei Factoren, aus denen sich der Vorgang der Methylenblaufärbung zusammensetzt, mit dem Momente des Absterbens beobachten. Was die weitere Behandlung der Objeete betrifft, so habe ich den Angaben Bethe’s wenig hinzuzufügen. Die Stücke an der Luft oxydiren zu lassen, ist zum mindesten überflüssig, wenn nicht sogar schädlich, denn man darf nicht vergessen, dass nach der endgiltigen Oxydation die Färbung bald abblasst und diffus wird. Ich finde die oxydirende Wirkung des von Bethe an- gegebenen Gemisches ausgezeichnet, und werfe die Stücke sofort nach der Herausnahme in die Flüssigkeit, und zwar nachdem dieselbe vorher stark abgekühlt ist. Denn so nur konnte ich einem Uebelstande wenigstens etwas abhelfen, den ich bei der Fixirung immer beobachtete, ohne die Ursache finden zu können. Die Stücke waren nämlich an der Oberfläche stets blasser, als auf den Schnittflächen. Man darf daher keine gar zu kleinen Stücke nehmen, und achte besonders darauf, bei der Gross- und 286 Semi Meyer: Kleinhirnrinde mehrere Windungen im Zusammenhang zu lassen, um in der Tiefe der Furchen die Endausbreitungen der Dendriten gut zu erhalten, Andrerseits dringt wieder die Molybdaensäure sehr schwer ein, und zu grosse Stücke darf man nicht nehmen. Auch rathe ich alle Objeete bis zum nächsten Tage in der Flüssig- keit liegen zu lassen. Ein grosser Vorzug der Methode ist es, dass sie ohne wei- teres die Nachfärbung gestattet. Hierzu hat Bethe das Alaun- carmin empfohlen, das sich aber für das Centralnervensystem wenig eignet. Ganz ausgezeichnet bewährte sich mir die Nach- färbung mit Eosin. Grade weil dieser Farbstoff alles fast ganz gleichmässig röthet, lässt er die blauen Figuren vorzüglich hervor- treten. Daneben wandte ich auch Bismarckbraun an. Bemerken muss ich noch, dass die Präparate bei starker Beleuchtung mittels Condensors und mit weiter Blende betrach- tet werden müssen. Nur so treten die feinen Endausläufer der Dendriten genügend hervor. Die Betrachtung der Bilder will ich mit denen der Klein- hirnrinde beginnen, von der ich ausging, und an der sich die Eigenschaften der Färbung am deutlichsten zeigen. Bei allen meinen ersten Versuchen erhielt ich nur eine unvollständige Fär- bung von Purkinje’schen Zellen, während alle anderen Nerven- zellen — Gliazellen habe ich überhaupt nie gefärbt gesehen — höchstens eine schwache Kernfärbung zeigten. Auch als ich all- mählich vollständigere Färbungen erzielte, konnte ich stets eine Vorliebe für die Purkinje’schen Zellen beobachten, und zwar neben der schon bekannten electiven Eigenschaft, die die Methode mit der Golgi’schen theilt, vermöge deren nur einzelne Zellen ge- färbt werden. Dieselbe Vorliebe für gewisse Zellarten zeigte sich in allen Theilen des Centralnervensystems, und zwar seltsamer- weise immer für die grössten Zellarten, so dass ich fast bezwei- fele, dass dies nur Zufall ist. So kamen auch weiter in der Kleinhirnrinde nächst den Purkinje’schen Zellen die grossen Körner- oder, wie sie v. Kölliker nennt, Golgisschen Zellen zur Anschauung, dann weiter die Korbzellen, und zwar diese schon sehr selten annähernd vollkommen, während ich eine vollständige Fär- bung der kleinen Körner- und der Rindenzellen bis jetzt nicht er- zielt habe. Die zahlreichen stark gefärbten Nervenfasern der Körnerschicht und der Markstrahlen erwiesen sich in der Haupt- Die subeutane Methylenblauinjection, ein Mittel zur Darstellung ete. 287 sache als die Nervenfortsätze der Purkinje'schen Zellen, gegen die die andern Fasern ganz zurücktraten. Dass bei der Methode eine Vorliebe für gewisse Zellgat- tungen zu Tage tritt, ist ein Nachtheil, der sich aber durch die angedeutete Möglichkeit, sie zu varliren, zum grossen Teil wird be- seitigen lassen. Doch wird hierin für manche Fragen auch ein Vorzug der Methode zu erblicken sein. Bei dem zum Nachver- suche empfohlenen Vorgehen war das Resultat in dieser Beziehung schon so weit verbessert, als in einzelnen Windungen auch bei un- vollkommener Färbung der Purkinjeschen Zellen wenigstens grosse Körnerzellen vollständig gefärbt wurden. Man darf aber die Mühe nieht scheuen, von allen Theilen des Kleinhirns Sehnitte zu machen, denn die einzelnen Windungen zeigen meist einen ganz verschiedenen Ausfall der Färbung. Ebenso verhält es sich mit allen anderen Theilen des Gehirns und besonders mit dem Rückenmark. Am leichtesten erhält man aber in der Kleinhirnrinde immer von den Purkinje'schen Zellen neben gar nicht und neben un- vollständig gefärbten vereinzelte Exemplare, deren Dendriten bis zu den feinsten Ausläufern gefärbt sind, während der Nervenfort- satz an sehr viel mehr Zellen zu sehen ist. Wenn ich nun bei In- Jeetionen von ungenügenden Mengen überhaupt nur Färbungen des Kerns und des Zellleibes oder doch nur der stärksten Aeste der Dendriten beobachtete, so geht daraus hervor, dass die Färbung am Kern und Zellleib beginnt und erst allmählich auf den Ner- venfortsatz und die Dendriten übergeht. Und zwar scheint hierzu eine gewisse Zeit nöthig zu sein, denn bei der Injection der vollen tödtlichen Dosis habe ich an einer grossen Anzahl Pur- kinje'scher Zellen eine sehr starke Färbung des Zellleibes mit den Hauptästen der Dendriten gesehen, ohne dass eine einzige Zelle vollständig gefärbt erschien. Ein Beispiel einer gut gefärbten Purkinje’schen Zelle gebe ich in Fig. 1. Ganz deutlich sieht man einen wirklichen Baum vor sieh, dessen Reiserchen alle frei enden, und nicht etwa ein Geflecht. Aber das Bild, das vor dem durch die Golgi’schen Methoden darstellbaren den Vorzug hat, dass der Kern deutlich hervortritt, zeigt trotz der grossen Uebereinstim- mung mit den Silberbildern einige nicht unwesentliche Abwei- chungen: Vor allem sind die Dendriten überall vollständig glatt. Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 46, 19 288 Semi Meyer: Und ebenso wenig wie an den Purkinje’'schen Zellen, für die ja ein dichter Besatz mit Zacken charakteristisch ist, habe ich anderwärts diesen Besatz wahrnehmen können. Ebenso constant wie die Purkinje’schen Zellen weisen die Pyramidenzellen der Grosshirnrinde an ihrem äusseren Protoplasmafortsatz den Be- satz mit starken Zacken auf, aber auch dieser erscheint in meinen Präparaten ganz glatt. Wenn nun schon jetzt die meisten Forscher geneigt sind, für den Besatz mit Spitzen die Golgi’sche Methode verantwortlich zu machen, so erfährt diese Ansicht durch die Methylenblaubilder die sicherste Bestätigung. Dass bei den Golgi’schen Verfahren, wie allgemein ange- nommen wird, nicht nur die Zelle selbst imprägnirt wird, sondern auch ein Niederschlag auf ihre Oberfläche stattfindet, dem ent- spricht vollkommen die Beobachtung, dass an meinen Präparaten die Dendriten ohne Zweifel bedeutend feiner erscheinen als bei der Silberimprägnation. Zugleich fällt an ihnen eine sehr scharfe Abstufung in der Dieke auf. Die Fortsätze spitzen sich nirgends zu, sondern verlieren nur von ihrer Stärke, wo sie sich gabeln oder einen Zweig abgeben. Und auch die feinsten Endausläufer bleiben sich in ihrem kurzen Verlaufe in der Stärke gleich und laufen nicht spitz zu, sondern enden wie abgeschnitten. Die Anschwellung, welche am Nervenfortsatz nicht weit von der Zelle zu sehen ist, beobachtete ich sehr oft, nicht nur an den Purkinje’schen Zellen. Da die Silberbilder nichts da- von zeigen, sich vielmehr hier der Nervenfortsatz grade durch seine glatte Beschaffenheit auszeichnet, ist die Verdiekung wohl als Kunstproduet anzusehen. Auch wo sie sich nicht findet, ist es meist leicht, den Nervenfortsatz zu erkennen. Gewöhnlich zeichnet er sich schon durch eine viel dunklere Färbung vor den Den- driten aus, ferner durch sein gleichmässiges Kaliber, auch wo er Kollateralen abgiebt, und durch seine homogene Beschaffen- heit im Gegensatz zu der körnigen, die die Dendriten mit dem Protoplasma des Zellleibes selbst theilen. Dieselbe Uebereinstimmung mit den Silberbildern mit den- selben Abweichungen wie an den Purkinje’schen Zellen ist an den Pyramidenzellen der Grosshirnrinde zu sehen, wie Fig. 2 zeigt. Die Grosshirnrinde ergiebt bei der Methode, man mag vorgehen, wie man will, fast immer wenigstens im einzelnen Abschnitten vorzügliche Resultate. Das Bild, welches sich hier Die subeutane Methylenblaumjection, ein Mittel zur Darstellung ete. 289 darbietet, ist dadurch charakterisirt, dass die Färbung an den grössten Pyramidenzellen beginnt, und man an gelungenen Prä- paraten einzelne von ihnen vollkommen gefärbt sieht, während nach der Oberfläche zu die Färbung blasser wird und die kleinsten Pyramiden gar nicht mehr gefärbt sind, wogegen die nach der Oberfläche verlaufenden Fortsätze der grossen Zellen weithin zu verfolgen sind. In den Bulbi olfactorii imponiren die beiden Reihen der Mitralzellen, ähnlich wie die Reihen der Purkinje’schen Zellen. Auch hier zeigten einzelne Zellen eine gute Färbung der Aus- läufer. Besser noch färben sich die längsgestellten grossen Nervenzellen. Auch für die grossen Zellen des Pes hippocampi zeigt sich eine Vorliebe, und ebenso kann man am Hirnstamm überall die- selben Eigenthümlichkeiten wie an der Rinde beobachten. Sehr schöne Bilder erhielt ich von der Medulla oblongata und besonders dem Boden der Rautengrube, wo auch bei unge- nügenden Injeetionen immer sehr bald die Nervenursprünge her- vortraten. Weiter färben sich in allen Knoten Zellen, und be- sonders wieder die grössten, oft in ganz vollkommener Weise. Dasselbe Hervortreten der Nervenwurzeln ist am Rücken- mark zu beobachten, wo aber im Uebrigen meine bisherigen Resultate hinter den im Gehirn erhaltenen sehr zurückbleiben. Schwer zu erklären ist die Beobachtung, dass sich an den Nervenwurzeln die Färbung selten weiter fortsetzt als bis zu ihrem Austritt aus dem Mark, und noch seltsamer erscheint dieses Verhalten dadurch, dass die Intervertebralganglien wiederum oft gefärbt sind. Ebenso verhält sich der Grenzstrang des Sympathieus, dessen Knoten oft eine recht gute Färbung aufweisen, während der Strang selbst ungefärbt bleibt. Es stimmt dieses Verhalten damit überein, dass durch die subeutane Injection das peripherische Nervensystem sich sehr schwer darstellen lässt. Schliesslich will ich noch erwähnen, dass ich bei einem Versuche an einer trächtigen Maus den Uebergang des Farb- stoffes auf die Embryonen beobachtete. Leider konnte ich die Versuche nicht an grösseren Thieren fortsetzen, vielleicht gelingt es aber so auch am Embryo auf einem ganz anderen Wege die. selben Bilder zu erhalten, die wir bisher nur den Golgi’schen 390 Semi Meyer: Die subeutane Methylenblauinjection ete. Methoden verdankten. Dass auch hier die direete Einverleibung des Methylenblaus in den Kreislauf schwerlich brauchbare Resul- tate ergeben wird, haben mir Versuche gezeigt, Hühnerembryonen vom Dotterkreislauf aus zu injieiren. Herr Prof. Hertwig hat meiner Arbeit das lebhafteste Interesse in wachsendem Maasse zugewendet, Herr Dr. Kopsch mich mit seiner reichen Erfahrung über die Methylenblau- methode vielfach unterstützt. Beiden Herren spreche ich meinen Dank aus. Studien über die Structur des Knochen- gewebes. | Von Dr. med. N. Matschinsky. Hierzu Tafel XI. Bekanntlich ist das Knochengewebe sowohl auf Grund seiner Entwickelungsgeschichte als vermöge seiner Fähigkeit beim Kochen Leim zu liefern als auch einiger anderer Eigenschaften schon längst in die Gruppe der Bindesubstanzen eingereiht. Direete Beweise dafür, d. h. solche, die sich auf eine Structur- identität stützen, sind aber noch bei weitem nicht gegeben. Freilich machte schon Sharpey den Versuch einer solchen Beweisführung (Quain’s Anatomy, Bd. D; an Schnitten aus mittelst Salzsäure entkalkten Knochen gelang es ihm näm- lich, den faserigen Aufbau der Grundsubstanz deutlich zu sehen, und deshalb behauptet er, diese Grundsubstanz bestehe aus einem Geflechte von Fasern. Doch erfreute sich diese Behauptung Sharpey'’s keines Erfolges. Kölliker (Handbuch der Ge- webelehre 4. Aufl.), der die Präparate Sharpey’s zu sehen bekam, bestätigt zwar, dass an denselben die faserige Struetur wirklich deutlich hervortrete, und sagt weiter, indem er die Architektur der Grundsubstanz schildert, dass an Flächenschnitten Studien über die Structur des Knochengewebes. 291 die Knochensubstanz nicht selten faserig erscheine, doch kommt er am Ende zu dem Schlusse, dass das „Knochengewebe aus einem engen Gemische von organischen und unorganischen Ver- bindungen in Gestalt von dieht zusammengedrängten feinen Körn- chen zusammengesetzt sei“. Spätere Forscher verhielten sich ebenfalls misstrauisch zu der erwähnten Entdeckung Sharpey’s. So sagt Ranvier (Traite technique, p. 814), dass trotz genauer Wiederholung der von Sharpey angegebenen Behandlungs- weise es ihm doch nie den faserigen Aufbau zu sehen gelang, und auch Rollet in seiner Abhandlung im Strieker’schen Handbuche spricht sich darüber folgendermaassen aus: „die regelmässigen Rhomben, welche sich Sharpey an solehen La- mellen darboten und die auch Kölliker an des ersteren Prä- paraten gesehen hat, scheinen nur unter ganz besonderen Be- dingungen aufzutreten.“ Unsere gegenwärtigen Kenntnisse über den Bau des Knochengewebes rühren hauptsächlich von Ebner her. In seiner grundlegenden Arbeit, welche eine ausführliche Sehilde- rung sämmtlicher Bestandtheile der Knochen enthält, bespricht er in besonders eingehender Weise den Bau der Grundsubstanz, wobei er eine Reihe thatsächlich begründeter stichhaltiger Be- weise liefert für die Annahme, dass diese Grundsubstanz aus collagenen Fäserchen bestehe. Gestützt auf zahlreiche Unter- suchungen von Quer- und Längsschnitten sowie von Zupfpräpa- "aten (hergestellt nach Behandlung der Knochen mit einem Ge- mische von 10—15°/, Kochsalzlösung und 1-—-3°/, Salzsäure), sowie bei Nachprüfung der gewonnenen Ergebnisse dureh Unter- suchung der Knochen im polarisirten Liehte und mittelst mancher anderer Verfahren, kam er zu folgenden Sehlüssen: „Die Grundsubstanz besteht aus glatten, keine Zweige ab- sebenden Fasern, deren Feinheit an die Fasern der Hornhaut erinnern. Diese Fäserchen vereinigen sich zu Bündeln, und aus letzteren entstehen die gewöhnlich zu beobachtenden La- mellen.“ Auf Schliffen und Schnitten verlaufen die Lamellen bilden- den Bündel theils parallel theils sich unter mehr oder weniger spitzen Winkeln kreuzend, dabei anastomosirend und gegen ein- ander Fäserchen austauschend, und in Folge soleher Anastomosen entstehen rhomboide Zwischenräume, welche zum Durchtritte 292 s N. Matschinsky: der Knochenkanälchen dienen. Die Fasern, Bündel und Lamellen sind von einander durch eine Zwischensubstanz, die sogen. Kitt- substanz, getrennt; zwischen den Fasern ist dieselbe in minimaler, zwischen den Bündeln und Lamellen in weit grösserer Menge vorhanden. Diese Kittsubstanz ist von Kalksalzen durchdrungen, während die Fasern weich bleiben.“ — Was die Frage betrifft, warum an Quer- und Längsschnitten und Schliffen uns die einen Lamellen gestreift, die anderen punktirt erscheinen, so erklärt Ebner diesen Umstand dadurch, dass in zwei neben einander liegenden Lamellen die Fasern stets in zwei zu einander senk- reehten Richtungen verlaufen, so dass sie in den gestreiften der Länge nach, in den punktirten quer durchsehnitten sind. Doch vermögen die Fibrillen zweier neben einander liegenden Lamellen auch sich unter spitzen Winkeln zu kreuzen, und selbst solche Fälle kommen vor, wo alle Fasern in ein und derselben Rich- tung verlaufen, wobei aber dann der lamellenartige Bau nur schwach angedeutet erscheint. — Was das Verhalten der Knochen- körperchen zu den Fasern und Lamellen anbetrifft, so neigt sich Ebner der Ansicht zu, dass die Knochenlakunen und Kanälchen überall von einer Schicht Kittsubstanz abgegrenzt seien, die eine Art Kapsel bildet, sonst aber, allem Anscheine nach, sich durch nichts von der übrigen Kittsubstanz unterscheidet. Die Knochenkörperchen verhalten sich zu den Lamellen meistentheils so, dass sie zwischen denselben liegen, manchmal jedoch erscheinen sie auch innerhalb der Lamellen gelagert, dabei die Fibrillen auseinander drängend!). Diese Darstellung der feineren Knochengewebsstruetur, wie sie Ebner auffasst, ist in ihren Hauptzügen durch die Unter- suchungen von Kölliker?) und Brösike?°) bestätigt worden, doch stellten beide Verfasser den Erörterungen Ebners auch manche sehr wesentliche Einwände entgegen. So fand Brösike mittelst einer besonderen Behandlungsweise entkalkter Knochen mit Osmium- und Oxalsäure, dass erstens die Knochenfibrillen 1) Ebner, V. v. Ueber den feineren Bau der Knochensubstanz. Wiener Sitzungsberichte, 1876, Bd. 72. 2) Kölliker, Verhandl. d. Würzb. phys.-med. Ges. 1886 (Der feinere Bau d. Knochengewebes). Ebenso Handb. d.Gewebel. 6. Aufl. 1889. 3) G. Brösike, Ueber die feinere Structur des normalen Knochengewebes. Archiv für mikr. Anatomie, Bd. 21, 1882. Studien über die Structur des Knochengewebes. 295 keineswegs so fein seien, wie Ebner sie wiedergiebt: in Ge- stalt von feinen Linien könne man sie nämlich schon bei mittlern Vergrösserungen sehen (Hartnack, Oe. IH, Obj. VII), während bei stärkerer Vergrösserung dieselben sich selbst als doppel- contourirte Streifen darbieten (Hartnack, Immersion X). Was schliesslich das gegenseitige Verhalten der Fasern, Bündel u. s. w. anlangt, so behauptet Brösike, dass „die Knochenfibrillen an allen dünneren und leichter durchsichtigen Objeeten sich keines- wegs durchflechten oder durchsetzen, sondern in einfacher Lage geschichtete parallele Faserzüge bilden können, welche sich unter sehr verschiedenen Winkeln kreuzen. In diesem Falle würde also eine primäre Lamelle nicht dargestellt sein dureh ein, wenn auch noch so einfaches Flechtwerk, sondern durch eine einfache Lage von nebeneinander liegenden, jedoch durch Kittsubstanz in regelmässigen Zwischenräumen getrennten, pa- rallelen Fibrillen, welche sich in annähernd einer Ebene befin- den (S. 760)“. Annähernd in derselben Weise hinsichtlich des letzteren Punktes sprieht sieh Kölliker aus. Seiner Ansicht nach bilden die Fibrillenbündel keineswegs Anastomosen, und das Flechtwerk darf als nur scheinbar betrachtet werden, denn thatsächlich kommt weder Theilung noch Anastomosirung der Fasern vor, sondern dieselben verlaufen einfach nebeneinander und nur stellen- weise weichen sie zum Durchtritte der Knochenkanälchen aus- einander. Auch bezüglich der Frage über das Vorhandensein von Kittsubstanz gehen die Ansichten Kölliker’s und Ebner’s ziemlich weit auseinander. Ebner untersuchte dünne Knochen- schliffe, nachdem er dieselben auf einer Platinplatte verbrannte oder bei 120° ©. auskochte, wobei er an den Querschliffen feine Poren, an Längsschliffen feine Röhrchen gewahrte, und diese Erscheinung erklärt er dadurch, dass die Poren und Röhrchen den Knochenfibrillen entsprechen, welche das Verbrennen resp. Kochen zum Verschwinden gebracht hat. Daraus folgert er dann, dass die Kalksalze nur mit der Kittsubstanz verbunden seien, die Fäserchen selbst aber keinen Kalk enthalten. Kölliker, der diese Versuche wiederbolt hat, kommt aber zu ganz ent- gegengesetzten Schlussfolgerungen. Seiner Meinung nach ist der Durchmesser der erwähnten Poren und Röhrehen so gross und stehen dieselben so weit auseinander, dass sie in keiner Weise 294 N. Matschinsky: den Fibrillen entsprechen können. Abgesehen davon, scheint ihm das blosse Vorhandensein von Kittsubstanz noch durchaus zweifelhaft; wohl ist es möglich, dass zwischen den Fasern, Bündeln und Lamellen eine minimale Menge derselben gelagert sei, doch kann diese Vermuthung weder mikroskopisch, noch auf chemischem Wege bewiesen werden. Angesichts dieser That- sache und auch mancher anderer Auseinandersetzungen glaubt er sich zu der Annahme berechtigt, dass die Kalksalze nicht die Kittsubstanz, sondern die Fibrillen selbst durchsetzen. Zieht man das Vorauferörterte in Betracht, so wirft sich eine Reihe von Fragen auf: wie diek nämlich seien denn in der Wirkliehkeit die Knochenfibrillen und ihre Bündel? — In wel- chem Verhalten zu einander stehen die Bündel und Lamellen? — Ob denn in der That eine Kittsubstanz zwischen den Fibrillen, Bündeln und Lamellen gelagert sei? — Alle diese Fragen sind von grösster Wichtigkeit, da offenbar, falls dieselben unent- schieden bleiben, das genaue Studium der feineren Knochenge- webestruetur zur völligen Unmöglichkeit wird. Dem ungeachtet sind wir noch bis jetzt, angesichts der in dieser Richtung herr- schenden Widersprüche, nicht im Stande eine einwurfsfreie Ant- wort zu liefern. Es fragt sich aber, wodurch sind denn eigent- lich die erwähnten widersprechenden Anschauungen bedingt? Offenbar ist der Grund hierfür zunächst in einer Mangelhaftigkeit der bisher üblichen Untersuchungsmethoden zu suchen, die in der That so lückenhaft sind, dass sie leicht zu willkürlichen. Auseinandersetzungen Anlass geben. Untersuchen wir nämlich die Fibrillen und ihre Bündel in situ, an feinen Flächensehnitten von Knochenknorpel, oder, wie es Kölliker empfiehlt, an iso- lirten Haversischen Lamellensystemen, den sogenannten „Clavieuli Gagliardi“, wie man sie von lange Zeit in dünnem Spiritus oder dünner Chromsäure macerirten entkalkten Stücken der Sub- stantia compaeta von grossen Röhrenknochen gewinnt, so gelingt es uns zwar die faserige Structur der Grundsubstanz ziemlich deutlich zu Gesicht zu bekommen, doch sind die Contouren der einzelnen Elemente so wenig ausgeprägt, dass, meiner Meinung nach, irgend welche genaue Messungen oder Beobachtungen des gegenseitigen Verhaltens kaum möglich sind. Und dass dies in der That höchst schwierig ist, beweist Ebner selbst, indem er den Gang der Fibrillen und Faserbündel schildernd, sich auf Studien über die Structur des Knochengewebes. 295 mannigfache Zusammenstellungen zu stützen genöthigt ist, und auch Kölliker, obwohl er in seinem Handbuche (S. 285) behauptet, dass „der Verlauf der Knochenfibrillen und ihrer Bündel sich noch genauer feststellen lässt durch Verfolgung derselben in situ, wie dies an isolirten Haversi’schen Hauptlamellen macerirter Knochenknorpelstücke möglich ist“, äussert sich kurz vorher darüber etwas anders, nämlich: „So gewinnt es den Anschein, als ob die Fibrillenbündel unter einander anastomosiren oder ein Flechtwerk bildeten, während der wahre Sachverhalt wahr- seheinlieh der ist, dass dieselben einfach nebeneinander ver- laufen ete.“ (S. 284). In keiner Weise bessere Resultate liefert die Untersuchung isolirter Präparate, die man dureh Abschaben kleiner Stücke von der Oberfläche entkalkter Knochen gewinnt. Zwar behauptet Ebner, der diesen Vorgang empfahl, an solchen Präparaten könne man sehen, dass „die Fäserchen in sehr dichte Bündel angeordnet seien, welche vielfach unter einander anastomosiren, indem sie Fäserehen gegen eimander austauschen ete.“, jedoch stehen die seiner Abhandlung beige- legten Abbildungen mit dieser Behauptung wenig in Einklang (Taf. I, Fig. 5, 6, 9 und 10). Wie wenig beweiskräftig diese Präparate sind, ist auch aus den Worten Kölliker’s zu er- schliessen, zufolge deren „die frei stehenden Enden der Bündel, die man häufig in ziemlicher Länge zu Gesicht bekommt (Fig. 227), sich niemals theilen oder Seitenästeabgeben...“ (Handbuch S. 284). Was die übrigen Untersuchungsmethoden anbelangt, so sind sie noch weniger zuverlässig, weshalb ich auf deren Schilderung wohl verziehten kann. Mit Recht also glauben wir behaupten zu können, dass eben die schwachen Seiten der heutzutage üblichen Forschungs- methoden am meisten daran Schuld tragen, dass die faserige Struetur des Knochengewebes noch bis jetzt nieht von allen Forschern anerkannt, wenigstens nicht als endgültig bewiesen erachtet wird. In einer Reihe noch vor Kurzem veröffentlichter Arbeiten zum Beispiel bestrebt sich Zachariades') zu be- weisen, die Knochensubstanz bestehe nieht aus den von Ebner beschriebenen Bindegewebsfasern, sondern aus den Sharpey’- schen Fibrillen und aus einem protoplasmatischen von den Fort- 1) Comptes rendus de la soc. de Biol. 1889—91 und Zeitschr. f. wiss. Mikrosk. Bd. X, 1894. 296 N. Matschinsky: sätzen der Knochenzellen gebildeten Netze (un reseau de nature protoplasmatique). In Anbetracht dieses musste behufs des Knochengewebestudiums. eine solche Methode gefunden werden, welche alle Bestandtheile der Knochen so klar und deutlich ver- anschaulichte, dass hiermit alle Widersprüche und Zweifel von selbst aufgehoben wären. In dem von mir empfohlenen Verfahren glaube ich eine solehe Methode gefunden zu haben. In meiner im Jahre 1891 als Inaug.-Dissertation in russi- scher und alsdann im Jahre 1892 in einem ausführlichen Aus- zuge nebst einigen Ergänzungen in deutscher Sprache veröffent- liehten Arbeit (Arch. f. mikrosk. Anatomie, Bd. XXXIX) erwähnte ich im einem besonderen Anhange einiger Thatsachen bezüglich der normalen Knochengewebsstruetur und unter anderem äuch des eigenthümlichen Verhaltens der Silberlösungen zu den ge- streiften und punctirten Lamellen. Wird nämlich ein dünner, sorgfältig polirter Knochenschliff auf einige Minuten in eine 1°/, Lösung von Argentum nitrieum gebracht, dann gewaschen, ge- troeknet und in Canada-Balsam eingelegt, so erscheinen unter dem Mikroskope die punetirten Lamellen fast farblos, die ge- streiften dagegen braun gefärbt. Damals, als ich dieses nieder- schrieb, hatte ich nur die ersten Versuche einer Anwendung von Argentum nitricum zum Zwecke des Studiums der feineren Knochenstruetur gemacht; auch war die Technik dieses Verfahrens von mir noch nicht genügend erprobt worden, weshalb ich mich nur mit einer kurzen Erörterung der erwähnten Thatsache be- gnügte. Wie es sich aber später herausgestellt hat, liefert die Anwendung von Silberlösungen zum Behufe des Studiums der feineren Knochengrundsubstanzstructur so zuverlässliche Ergeb- nisse, wie sich deren keine andere von den bis vor Kurzem dienlichen Methoden rühmen konnte. Da die Technik der Herstellung der Knochenschliffe in meiner Untersuchungsmethode die Hauptrolle spielt, so erachte ich es für unerlässlich, derselben eine eingehende Schilderung zu widmen, obwohl es zum Theil eine Wiederholung dessen sein wird, was ich schon früher beschrieben habe (I. e.). Als Untersuchungsmaterial dienten mir ausschliesslich mensch- liche Röhrenknochen, wobei ich sowohl macerirte, als auch frische Knochen benutzte. Von solehen Knochen sägt man mög- lichst dünne Plättchen ab, der Längs- und Querrichtung nach, Studien über die Struetur des Knochengewebes. 297 und auch Flächenschliffe, welche man dann alle noch einer weiteren Verfeinerung unterwirft. Selbstverständlich eignen sich zum Zwecke der Untersuchung der Grundsubstanzstructur am besten Längs- und Flächenschliffe, da an denselben die Knochen- lamellensysteme sowohl von der Seite, als auch en face zu be- obachten sind. Um hinreichend feine Schliffe zu erzielen, ver- fahre ich folgenderweise: die eine von den beiden Oberflächen des Knochenplättchens wird zunächst auf einer lachen breiten Glattfeile!) so lange geschliffen, bis sie von allen Unebenheiten befreit wird; mit dieser Fläche klebt man es nun auf ein Brett- chen, einen Stein oder ein Mattglas auf. Zum Aufkleben be- dient man sich entweder einer dieken Lösung von Gummi arabicum oder noch besser des käuflichen, sogenannten Knochenleims, wel- cher aus dem gewöhnlichen Tischlerleim hergestellt wird, da derselbe sehr schnell trocknet und eine zuverlässige Befestigung bewirkt. Nachdem die Platte befestigt ist, geht man mit der Schleifung der anderen freien Oberfläche derselben zu Werke, wobei man sich anfangs gröberer und allmählich immer feinerer Schleifsteine bedient und damit so lange fortfährt, bis die Platte durchzuscheinen anfängt; alsdann wird dieselbe abgeklebt, indem man sie mit etwas Wasser betupft, und die weitere Verfeinerung wird durch Reiben zwischen zwei Mattgläsern bewerkstelligt, da nur auf dieser Weise eine gleichmässige Dicke aller Theile des Schliffes zu erzwecken ist, was sehr wichtig erscheint. Am besten verfährt man dabei folgendermaassen: auf eins der zu verwenden Mattgläser schüttet man ein wenig Schmergelpulver, benetzt dasselbe mit etwas Wasser und reibt dann zwischen den Gläsern so lange bis es ganz fein geworden ist, was sich da- durch kundgibt, dass das Pulver in eine gleichmässig dünne Schicht vertheilt wird, das Gefühl von Kratzen dabei verschwindet und die Gläser völlig frei übereinander gleiten. Nun wird zwischen die Gläser ein Knochenschliff gebracht und wieder ge- rieben; dank dem beigemengten Pulver geht die Verfeinerung sehr schnell von Statten, da aber dasselbe auf den beiden Ober- 1) Gute für Anfertigung von Knochenschliffen brauchbare Glatt- feilen sind in den Uhrmacherladen käuflich; es giebt deren eine An- zahl verschiedener Nummern, von N. 0—7, von denen letztere so feine Kerbungen besitzt, dass sie nur unter dem Mikroskope sichtbare Schrammen hinterlässt. 298 N. Matschinsky: flächen ziemlich grobe Schrammen hinterlässt, so darf die Ver- feinerung auf diese Weise nicht bis zu Ende gebracht werden, vielmehr muss das Pulver abgewaschen und der Schliff weiter einfach zwischen den beiden Mattgläsern gerieben werden. Nach- dem dies geschehen, wird das Plättchen sorgfältig polirt um alle Schrammen zum Verschwinden zu bringen. Dieser Moment der Behandlung kann als der feinste aber auch wichtigste gelten. Wird der Schliff für ganz gewöhnliche Zwecke verfertigt, d. h. beabsichtigt man keine nachträgliche Behandlung mit Silber, so bleiben die feinsten Schrammen selbst bei Untersuchung in Luft fürs Auge unsichtbar, wird dazu noch das Präparat in Canada- Balsam eingelegt, so kann das Poliren vollends ausgeschlossen werden. Ganz umgekehrt verhält sich die Sache, wenn man eine nachträgliche Behandlung mit Silber im Auge hat. Da stellt sich jede, wenn auch die feinste Schramme als gerader schwarz oder braun gefärbter Streifen dar, und finden sich im Präparate solcher Streifen mehrere, so wird dasselbe für die Untersuchung ganz unbrauchbar. Es sollen deswegen für das Schleifen nur die besten feinkörnigen Schleifsteine oder sehr gute Mattgläser gewählt werden. Doch möchte ich die Aufmerk- samkeit darauf lenken, dass selbst die besten Steine und Gläser zuweilen nur nachdem sie vorher ein wenig abgerieben worden sind ganz brauchbar werden. Das Poliren selbst wird sehr ein- fach vollführt — das Präparat wird bloss mit dem Finger fest- gehalten — und dauert so lange fort, bis die beiden Flächen ddes Schliffes einen spiegelklaren. Glanz erworben haben. Nun kann man das Präparat für die weitere Behandlung brauchen, nur in denjenigen Fällen, wo als Material mit Fett durchtränkte Knochen dienten, soll letzteres vorläufig mittelst Aether, Benzin oder Xylol ausgezogen werden !). Was die nachträgliche Behandlung mit Silber anbelangt, so wird dieselbe folgendermaassen ausgeübt: man bringt zunächst den Schliff in destillirtes Wasser, wonach man ihn in ein Schäl- chen mit einer 1°/, Silberlösung überführt und letzteres unmittel- 1) Man könnte wohl glauben, die soeben beschriebene Anfertigung von dünnen Schliffen nehme zu viel Zeit und Geduld in Anspruch. Dem ist aber nicht so. In der Hand des geübteren geht die Sache sehr schnell von Statten. Ich zum Beispiel verwende. zur Herstellung eines guten Schliffes nie mehr als 10—15 Minuten. Studien über die Struetur des Knochengewebes. 299 bar dem Licht ausseizt. Sobald der bis dahin durchsichtige Sehliff eine leicht braune Färbung anzunehmen beginnt, wird er herausgenommen, sorgfältig in destillirtem Wasser ausgespült, um ihn von überschüssigem Silber zu befreien, und schliesslich zwi- schen zwei Bogen Fliesspapier getrocknet. Besichtigen wir jetzt das Präparat, so bemerken wir zunächst, dass dessen beide Oberflächen ihren vorher spiegelklaren Glanz eingebüsst haben und etwas matt geworden sind, was dadurch bedingt wird, dass das Silber auf der Oberfläche einen feinkörnigen, die Untersuchung störenden Niederschlag bildet. Um denselben zu beseitigen ge- nügt es, die beiden Flächen des Präparates auf einem Schleif- stein oder Mattglas etwas abzureiben; doch ist dabei grosse Vor- sicht geboten: Da das Silber nicht tief eindringt, sondern nur die oberflächlichen Schichten färbt, so könnte man bei etwas zu energischem Reiben leicht die ganze gefärbte Schicht mit ent- fernen. Haben nunmehr beide Flächen ihren früheren spiegel- klaren Glanz wiedererlangt, so erübrigt es nur noch das Prä- parat in Canada-Balsam einzuschliessen. Beabsichtigt man dabei nur den Gang und die Ausbreitung der Knochenfibrillen genau zu verfolgen, so ist flüssiger Balsam vorzuziehen, welcher die Knochenkanälehen ausfüllend, sie für das Auge unsichtbar macht. Noch besser gestaltet sich die Imprägnation mit Silber, wenn man sie im Dunklen vollbringt. Zu diesem Behufe stellt man das Schälchen mitsammt der Silberlösung und dem Präpa- rate in einen völlig dunklen Schrank und lässt es dort zwei Stunden lang verweilen (im Wärmeschrank bei 36° C. geht das Imprägniren zweimal schneller von Statten). Alsdann wird das Präparat in Wasser abgespült und weiter genau so behandelt, wie ich es oben beschrieben habe. Dieses letztere Verfahren bietet den Vortheil, dass das Silber dabei in die tieferen Schiehten eindringt, das nachfolgende Poliren längere Zeit fortdauern kann und man das Präparat sehr rein, frei von störenden Niederschlägen an der Oberfläche behält. Nur ist darauf Bedacht zu nehmen, dass, falls man das Präparat alsdann nicht an einem vollständig fin- steren Orte aufhebt, es nach 2—5 Monaten so düster wird, dass es sich für die Untersuehung nieht mehr eignet. Untersuchen wir nun ein auf diese Weise hergestelltes Prä- parat unter dem Mikroskope, so sehen wir, dass die Fasern und Bündel dunkelbraun, fast schwarz gefärbt erscheinen, die Zwi- 300 N. Matschinsky! schensubstanz aber farblos geblieben ist; die Knochenlakunen stellen sich als eckige, mitunter sternige Räume dar, während die mit Canada-Balsam ausgefüllten Knochenkanälchen unsichtbar geworden sind. Stellt sich nun eine Haversische Knochenlamelle dem Beobachter von der Seite dar, so zeigen sich nur diejenigen Lamellen gefärbt, in denen die Fasern in der Richtung der Fläche des Präparates verlaufen '). Beabsichtigt man endlich auch das Verhalten der Knochen- kanälchen zu den Knochenfibrillen genau zu verfolgen, so muss man zu diesem Zwecke auch die Wandungen der Kanälchen mit Silber imprägniren, was leicht dadurch zu erzielen ist, dass man einen ganz fertigen, d. h. einen dünnen und polirten Schliff etwas längere Zeit (5—6 Stunden im Wärmeschrank bei 36°) in der Silberlösung liegen lässt. Auch kann man sich dafür folgenden Verfahrens bedienen: das Knochenplättehen wird anfangs nur so lange geschliffen, bis es leicht durchzuscheinen beginnt, wonach man den Schliff, ohne ihn zu poliren, direkt in die Silberlösung bringt und in derselben 24 Stunden lang verweilen lässt; alsdann wird er sorgfältig gewaschen, getrocknet, zu Ende geschliffen, polirt, wiederum in die Silberlösung gebracht u. s. w. Nur ist für derartige Präparate eine Einschliessung in flüssigen Canada- Balsam unbedingt erforderlich, damit die Contouren der Kanäl- chen schärfer hervortreten. Jetzt wollen wir nun darüber Aufschluss geben, was an so behandelten Präparaten zu sehen ist. Ungeachtet dessen, dass ich eine von der Ebner’schen ganz verschiedene Methode an- gewandt habe, sind doch die von mir gewonnenen Ergebnisse denen Ebners ziemlich ähnlich, so dass ich die Resultate des gen. Beobachters nur in Einigem zu berichtigen und zu vervoll- ständigen habe. — Beobachten wir eine Lamelle irgend eines Haversischen Systemes en face — und solche Stellen, wie bereits gelegentlich oben erwähnt wurde, sind an Flächenschliffen nicht schwer aufzufinden —, so bemerken wir zunächst, dass sie aus feinsten Fäserchen zusammengesetzt ist, welche sich zu Bündeln von sehr verschiedener Dieke anordnen, wobei die Fasern in den Bündeln so eng nebeneinander liegen, das sie nur an den- 1) Die Zusammensetzung der Bündeln aus Fasern ist-nur an frisch bereiteten Präparaten, d. h. an solchen, welche noch nicht zu sehr vom Einfluss des Lichtes gelitten haben, deutlich zu erkennen. \ Studien über die Structur des Knochengewebes. 301 jenigen Stellen einzeln zu erkennen sind, wo die Bündel Anasto- mosen bilden, d. h. Fäserchen gegen einander austauschen. Dass die Bündel in der That sich theilen und untereinander anastomo- siren, wobei sie stellenweise rhomboide Zwischenräume hinter- lassen, ist gegenüber den Einwänden von Kölliker und Brö- sike leicht zu erkennen. — Was die Breite der Bündel anbe- langt, so haben genaue Messungen erwiesen, dass sie ein « nicht übersteigen, und mir scheint es befremdend, wie Kölliker und Ebner dieselbe gleich 3,0—3,5 .. finden konnten; der Grund dafür wäre vielleicht darin zu suchen, dass an ungefärbten aus Knochenknorpel hergestellten Präparaten die Contouren der Bün- del etwas verwischt erscheinen, was bei den Messungen zu groben Irrthümern Veranlassung geben kann. Dass die Bündel wirklich die von mir gefundene Breite besitzen, kann übrigens auch an ungefärbten Schliffen bewiesen werden, wenn man dieselben vor- her vorsichtig zerzupft; an den Rändern der dadurch entste- henden Spalten kommen dann viele auf eine weite Strecke isolirte Bündel und selbst einzelne Fasern zur Erscheinung (Fig. 1), und diese Bündel sind nun eben so breit wie die an gefärbten Schlif- fen zu beobachtenden. Das Verhalten der Bündel gegen ein- ander hat sich als sehr mannigfaltig erwiesen. Am häufigsten verlaufen sie mehr oder weniger parallel, wobei sie aber nur sel- ten einer geraden Richtung folgen, meistentheils bieten sie einen wellenartigen Gang dar (Fig. 2—3). Stellenweise kreuzen sie sich unter sehr verschiedenen Winkeln, wobei man den mannig- faltigsten Bildern begegnen kann: dort wo die Bündel sich regel- recht kreuzen, stellt sich ein Gewebe dar, welches auf den ersten Anblick an einen kunstvoll gewebten Stoff mit zierlicher Zeichnung erinnert (Fig. 3); an anderen Stellen bilden die Bündel ein filzähn- liches Geflecht; endlich können aus primären Bündeln seeundäre entstehen, welche sich ebenfalls unter den verschiedensten Winkeln kreuzen (Fig. 2). Auch solche Stellen kommen vor, wo die Bün- del einander so durchflechten, dass sie die Structur von Netzhäuten vortäuschen könnten; es bilden nämlich die feinsten Bündel ein von zahlreichen Oeffnungen verschiedener Grösse durchbohrtes Geflecht. Am häufigsten beobachtet man eine derartige Structur an aus den oberflächlichsten Knochenschichten hergestellten Flächenschliffen, d. h. an den dem Periost näher liegenden Hauptlamellen (Fig. 4). 302 N. Matschinsky: Richten wir jetzt unser Augenmerk auf solche Stellen im Präparate, wo die Knochenlamellen sich dem Beobachter von der Seite darstellen, wo zum Beispiel ein ganzes Havers’sches System im Quer- oder Längsschnitt zur Erscheinung kommt, so sehen wir folgendes: in einzelnen Havers’schen Systemen haben alle Lamellen annähernd ein und dieselbe Breite und erscheinen da- bei scharf von einander getrennt; es verlaufen in diesein Falle die Bündel zweier neben einander liegenden Lamellen in auf ein- ander senkrechten Richtungen und es ist zwischen denselben kein Zusammenhang wahrzunehmen; in anderen Systemen dagegen sind neben schmalen, nur aus einer Schicht von Bündeln bestehenden Lamellen — Ebner’s Primärlamellen — auch mehr breite, aus mehreren Schichten zusammengesetzte (secundäre) Lamellen zu sehen, wobei die nebeneinander liegenden Lamellen mit einander in Verbindung stehen, indem dieselben, wie es leicht zu erkennen ist, nicht nur Bündel sondern auch Fäserchen gegen einander austauschen (Fig. 5). Dann begegnet man auch solchen Stellen, wo, wie es auch Kölliker und Ebner annahmen, alle Fasern parallel verlaufen oder sich unter sehr spitzen Winkeln kreuzen. In diesem Falle ist der lamellenartige Bau entweder gar nieht wahrnehmbar, oder er prägt sich nur in einem regelmässigen Abwechseln von mehr eng und mehr lose gebundenen. Fasern aus. Sehr häufig end- lich ist folgende eigenthümliche Verbindungsart der Lamellen an- zutreffen: die Faserbündel, aus der Medianlinie der Lamelle aus- gehend, liegen bogenförmig nach beiden Seiten hin, wo sie mit eben solehen Bündeln der nachbarlichen Lamellen in Verbindung treten, so dass von der Seite betrachtet die Lamelle einer Feder, einem Tannenzweig, oder enem Dattelbaumblatt ähnelt; im Längsdurchschnitt zeigt sich nun das ganze Havers’sche System als nur aus gestreiften Lamellen bestehend, punktirte Lamellen finden sieh nieht vor und sind durch bogenförmige Fasern ersetzt (Fig. 6, T und 8). Schon Ranvier hat einen derartigen La- mellenzusammenhang beschrieben (Traite techniquep.314, Fig. 101), da er jedoch von dem faserigen Aufbau der Grundsubstanz nichts wusste, so gab er der von ihm beobachteten Thatsache eine an- dere Deutung; er behauptet nämlich, dass je zwei homogene La- mellen (gestreifte Lamellen von Kölliker und Ebner) mittelst einer Reihe brückenartig geschlagener Balken in Verbindung mit Studien über die Structur des Knochengewebes. 303 einander treten, wobei letztere aus derselben Substanz wie die homogenen Lamellen gebildet sind. Dieser Balkenring stelit sich ihm nun als eine Schicht gestreifter Lamellen vor (2). Kölliker scheint ebenfalls keine richtige Vorstellung über diese bogen- förmigen Fasern gehabt zu haben, da er bezüglich der erwähnten Auseinandersetzung Ranvier's folgende Anschauung ausspricht: „die dunklen Balken (pons), die Ranvier’s homogene (unsere gestreiften) Lamellen unter einander verbinden sollen, sind nichts als die Theilchen der Knochensubstanz, die zwischen den Knochen- kanälehen liegen und die bei gewissen Behandlungs- weisen im Quer- und Längsschnitte wie besondere Fasern er- scheinen.“ Das Verhalten der Knochenkörperehen zu den Bündeln ist am besten an den en face sich darbietenden Lamellen zu ver- folgen. Da kann man deutlich sehen, dass die Zellen wie ein- genistet in besonderen Hohlräumen liegen, welche in Folge eines Auseinanderweichens der Bündel entstanden sind. Die als Wan- dungen der Hohlräume dienenden Bündel unterscheiden sich in keiner Weise von den übrigen Bündeln, bisweilen jedoch scheinen sie etwas dichter zu sein, und dann gewährt es den Anblick, als ob das Körperchen noch von eimer secundären Kapsel umringt wäre. Die Körperehen liegen in ihren Hohlräumen ganz frei, nur mittelst der eigenen Fortsätze in ihrer Lage befestigt. Es lässt sich dies daraus schliessen, dass mitunter die Hohlräume leer erscheinen, ohne Zellen, welche wahrscheinlich während der Anfertigung des Schliffes herausgefallen sind. Die Körper- chen selbst stellen sich als häutige Membranen oder Säck- chen dar mit anscheinend sehr dünnen Wänden versehen, da trotz der intensiven schwarzen Färbung sie dennoch etwas durch- scheinen. Von diesen Säckehen gehen Kanälchen in Form von Fortsätzen ab, die überall längs der Zwischenräume der Bün- del verlaufen und dem entsprechend zahlreiche Windungen bilden. Was endlich die Frage über das Vorhandensein von Kitt- substanz anbelangt, so möchte ich mich eher der Meinung Eb- ners anschliessen. Freilich finden sich zwischen den Fäserchen so minimale Mengen derselben, dass deren Anwesenheit wohl schwer nachzuweisen ist, aber die Zwischenräume zwischen den Bündeln sind stellenweise so erheblich breit, dass an einen völ- ligen Mangel jeder Zwischensubstanz sich schwer glauben lässt. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 46 20 304 N. Matschinsky: Hinsichtlich der sogen. Kittlinien, der Sharpey’schen Fa- sern sowie mancher anderer Einzelheiten bezüglich der Grund- substanzstruetur kann ich vorläufig nichts sagen, da ich meine Arbeit noch nicht für abgeschlossen erachte. Nur möchte ich schliesslich den dieser Abhandlung beigelegten Mikrophotogram- men ein paar kurze Bemerkungen vorausschieken. Zur Aufnahme sämmtlicher Photogramme diente mir die kleine horizontale Zeiss’- sche Kammer und ein gutes Zeiss’sches apochromatisches System. Die Beleuchtung wurde mittelst einer gewöhnlichen Petroleumlampe mit flachem Docht erzielt, nur musste selbstverständlich dabei die Belichtungszeit verlängert werden (von 5—10 Minuten). Ange- sichts der eigenartigen Färbung meiner Päparate benutze ich fast ausschliesslich einfache Platten (von Lumiere); isochroma- tischer bediente ich mich nur da, wo das Präparat sehr dunkel war und die Belichtung daher zu viel Zeit in Anspruch hätte nehmen können. Was die Entwicklung der belichteten Platten, die Wiedergabe in Lichtdruck u. s. w. anlangt, so folgte ich in allem den gewöhnlichen Methoden. Erklärung der Abbildungen auf Tafel X1. Fig. 1. Flächenschliff aus der Mitte der Radiusdiaphyse eines 25jäh- rigen Mannes. Präparat ungefärbt. An den Rändern der wegen Zerzupfung des Präparates entstandenen Spalte sind isolirte Bündel und Fäserchen zu sehen. Zeiss, Apochromat 8 mm. Compensations-Ocular 18. Fig. 2. Flächenschliff aus der Mitte der Ulnadiaphyse eines 18jährigen Menschen. Die Knochenlamelle stellt sich en face dar (oben sind auch Lamellen von der Seite zu sehen). Aus den primären Bündeln entstehen secundäre sich kreuzende Bündel. In der Mitte der Abbildung ist ein Zellenraum zu sehen, aus der die Zelle herausgefallen ist. Zeiss, Apochromat 8 mm. Compens.- Ocular 18. Fig. 3. Flächenschliff aus der Mitte der Ulnadiaphyse eines 18jährigen Menschen. Knochenlamelle en face. Die Faserbündel ver- laufen in verschiedenen Richtungen, sich dabei untereinander kreuzend, weshalb jedes Bündel nur auf eine kurze Strecke sichtbar ist. Zeiss, Apochromat 18 mm. Compensations- Ocular 18, Fig. Studien über die Structur des Knochengewebes. 305 Flächenschliff aus der Mitte der Ulnadiaphyse eines 18jährigen Menschen, aus den oberflächlichsten Schichten hergestellt. Knochenlamelle en face. Die feinen Bündel bilden ein dichtes Geflecht, von zahlreichen, verschieden grossen Oeffnungen durchsetzt. Zeiss, Apochromat 8 mm. Compens.-Ocular 18. Querschliff aus der Mitte der Femurdiaphyse eines 22jährigen Menschen. Ein Theil von einem Havers’schen System im Querdurchschnitte. Die einzelnen Lamellen sind von verschie- dener Breite und anastomosiren mit einander. Zeiss, Apo- chromat 2 mm. Projections-Ocular 4. Längsschliff aus der Mitte der Ulnadiaphyse eines 22jährigen Menschen. Essind zwei Havers’sche Systeme zu sehen, deren eines der Länge nach, das andere etwas schräge durchschnitten ist. Vereinigungsmodus der gestreiften Lamellen mittelst bogenförmiger Fasern. Zeiss, Apochromat 8 mm. Compens.- Ocular 18. Dasselbe Präparat bei stärkerer Vergrösserung. Zeiss, Apo- chromat 2 mm. Projeetions-Ocular 4. Flächenschliff aus der Mitte der Ulnadiaphvse eines 22jährigen Menschen. Ein Havers’sches System in schräger Riehtung durchschnitten. Verbindungsart der Lamellen. Zeiss, Apo- chromat 8 mm. Compens.-Ocular 18. Zur Frage über den feineren Bau des sympathischen Nervensystems bei den Säugethieren. Von A.S. Dogiel, Professor der Histologie an der Kaiserl. Universität St. Petersburg. Hierzu Tafel XII, XIII und XIV. When], Die Einführung der Golgischen Methode in die histo- logische Technik hat uns die Möglichkeit gewährt, den Bau des sympathischen Nervensystems genauer zu studiren, als es nach den früheren Untersuchungsmethoden zu erreichen war. Dank den 306 A.S. Dosgiel: Arbeiten von Kölliker!), Ramon y Cajal?), A. van Ge- huchten?), Retzius?), L. Sala?) und Lenhossek*) haben wir sowohl die Form der Zellen, aus welchen die verschiedenen sympathischen Ganglien bestehen, wie auch den Charakter ihrer Fortsätze und das Verhalten der vom Üerebrospinalsystem ihren Anfang nehmenden und durch die Rami eommunicantes mit dem Sympathieus in Verbindung stehenden markhaltigen Nervenfasern zu den Ganglien kennen gelernt. Alle oben genannten Forscher sind darin einig, dass die sympathischen Nervenzellen in den Grenz- strangganglien, im Plexus solaris und, aller Wahrscheinlichkeit nach, auch in allen freiliegenden Ganglien zu den multipolaren Zellen gehören, wobei einige der Zellenfortsätze sich in den Gang- lien selbst verzweigen und den Protoplasmafortsätzen der Zellen des Centralnervensystems analog sind, andere aber — die Axen- eylinderfortsätze — in markhaltige oder marklose — Remak’sche — sympathische Fasern übergehen. Die Protoplasmafortsätze (Dendriten) einer jedensympathischen Nervenzelle verzweigen sich im Ganglion, umflechten die benach- barten Zellen und bilden um letztere ein dichtes Geflecht — „nido perieellular“ Ramon y Cajal’s —, oder aber sie endigen frei zwischen den Zellen. 1) Kölliker: Histologische Mittheilungen; Sitzungs-Ber. d. Phys.- Medie. Gesellseh. zu Würzburg, 1889. Verhandlungen der Anat. Gesellsch. auf der sechsten Versamml. in Wien, 7.—9. Juni 1892. Der feinere Bau und die Functionen des sympath. Nervensystems, Würzburg 189. Ueber die feinere Anatomie und die physiol. Bedeutung des sympath. Nervensystems, Wiener klin. Wochenschrift, Nr. 4041, 1894. 2) Ramon y Cajal: Notas preventivas sobre la retina y gran simpätico de los mamiferos, Barcelona 1891. Neue Darstellungen vom histol. Bau des Centralnervensystems, Archiv f. Anatomie u. Physiol., anat. Abth. 189. 3) A. van Gehuchten: Les cellules nerveuses du sympathique chez quelques mammif. et chez l’homme, La Cellule, T. VIII, 183. Les &löments nerveux moteurs des racines posterieures. Anat. Anzeiger, Jahrg. VIII, 1893. 4) G. Retzius: Ueber den Typus der sympath. Ganglienzellen der höheren Wirbelthiere. Biolog. Unters. Neue Folge, II, Stock- holm 1892. 5) L. Sala: Sur la fine anat. des ganglions du sympathique, Archiv Italiennes de Biol., LXVIII, Fase. III, 1393. 6) M. Lenhossek: Beiträge zur Histologie des Nervensystems u. der Sinnesorgane, Wiesbaden 1894. Zur Frage üb. d. fein. Bau d. sympath. Nervensystems b. d. Säugeth. 307 Einige Forscher, an ihrer Spitze R. y Cajal, halten die Anwesenheit soleher pericellularer Nester für eime gewöhnliehe Erscheinung und messen derselben eine besondere physiologische Bedeutung bei, indem sie annehmen, dass die Ganglienzellen mittelst derselben sich mit einander associiren. Andere, wie z. B. A. vanGehuehten wdL. Sala, erachten im Gegentheil die pericellularen Nester als eine rein zufällige Erscheinung, welche vielleieht mit der Struetur der Ganglien selbst in Verbindung steht und nehmen an, dass die Mehrzahl der Protoplasmafortsätze zwischen den Zellen des Ganglions frei endigt. Was die Axeneylinderfortsätze anbetrifft, so geht nach den Beobachtungen R. yCajal’s, Gehuchten’s, Retzius, Sala’s und in letzter Zeit Lenhossek’s von jeder sympathischen Nerven- zelle nur ein soleher Fortsatz aus, wobei derselbe bei dem Durch- sange durch das Ganglion grösstentheils keine Collateralen abgiebt und sich, wie oben bereits bemerkt, in eine sympathische Faser verwandelt. Nach den Beobachtungen Kölliker’'s sind die sympatlischen Fasern, welehe von den Ganglienzellen ausgehen, meistentheils von einer Markscheide umgeben und werden zu dünnen markhaltigen Fasern. Sie verbleiben entweder in ihre sanzen Verlaufe bis nahe an ihr letztes Ende markhaltig, oder verlieren früher oder später ihre Markscheide und verwandeln sich in marklose — Remak’sche Fasern. Das fernere Schicksal aller sympathischen Fasern pflegt ein verschiedenes zu sein: einige von ihnen nehmen ihren Weg un- mittelbar zu den unwillkürlichen Muskeln und endigen in ihnen, andere aber begeben sich im Gegentheil zu den näher oder ent- fernter liegenden Ganglien, verzweigen sich zwischen den Gang- lienzellen und endigen auf der Oberfläche der einzelnen Zellen in Form von pericellularen Geflechten. In letzterem Falle werden die motorischen Impulse, wie Kölliker annimmt, von einem Ganglion zum anderen übertragen. Ausserdem theilen sich von einigen Fasern, welche einfach durch die Ganglien durchtreten, Collaterale ab, denen man dieselbe Bedeutung zuschreibt, wie den Endverzweigungen der Fasern selbst. Auf solche Weise besteht nach den Beobachtungen der oben- genannten Forscher zwischen den Elementen des sympathischen und cerebrospinalen Nervensystems eine fast vollständige Analogie. Die sympathischen Zellen stellen, gleich den Zellen des Cerebro- 308 A.S!: Dogiel: spinalsystems, mikroskopische, von einander unabhängige Einheiten dar — die „Nervenbäumchen“ Kölliker’s. Die Fortsätze der Zellen zerfallen zunächst in eine Menge einzelner Aestchen, welche frei endigen und auf einander oder auf die Zellkörper nur durch einfachen Contact wirken.” Was diejenigen markhaltigen Nervenfasern anbetrifft, welche im Cerebrospinalsystem ihren Anfang nehmen und mit dem Sym- pathieus in Verbindung stehen, so verhalten sie sich nach den Beobachtungen A. van Gehuchten’s, L. Sala’s, M. Len- hossek’s!), Langley’s?) und Kölliker’s zu dem sym- pathischen Nervensystem verschieden und haben eine verschiedene Bedeutung. Die einen Fasern, die motorischen, entspringen aus den vorderen Wurzeln gewisser Rückenmarksnerven und auch aus dem IX.,X. u. XI. Paar der Kopfnerven und begeben sich zu den Ganglien; nachdem sie den letzteren eine gewisse Anzahl Colla- terale abgegeben haben, endigen sie in ihnen mit pericellularen Geflechten. Nach der Meinung Kölliker’s gehören zu ihnen auch die Fasern, welche beim 5tägigen Hühnchen, wie die Beob- achtungen M. Lenhossek’s gezeigt haben, aus den Zellen der Vprderhörner des Rückenmarks ihren Anfang nehmen, darauf in den hinteren Wurzeln verlaufen und von dort aus die Ganglien des Sympathieus erreichen, wo sie wie Vaso- und Viscerocon- strietoren mit pericellularen Geflechten endigen. Die anderen markhaltigen Fasern, die sensiblen, begeben sich durch die sensiblen Wurzeln des Rückenmarks zum Sym- pathieus; ein grosser Theil dieser Fasern endigt, ohne mit den Ganglienzellen in Verbindung zu treten, frei in der Milz, im Darm, der Leber u. s. w., u. 8. w. In Anbetracht dessen, dass die soeben in Kürze dargelegten Resultate der Forschungen über das sympathische Nervensystem ausschliesslich mittelst der Golgi’schen Methode erlangt wurden, versuchte ich soviel als möglieh die bereits erhaltenen Ergebnisse nach der von mir veränderten Methode Ehrlich’s zu eontrolliren, 1) Der feinere Bau des Nervensystems im Lichte neuester For- schungen, Berlin 1895. 2) J. N. Langley: Journ. of Physiol., vol. XIV, XV (189%) und XVII (1894). Zur Frage üb.d. fein. Bau d. sympath. Nervensystems b.d. Säugeth. 309 wobei ich zu meinen Untersuchungen die peripherischen Ganglien und die Ganglien des Brusttheils des Sympathicus auswählte. Die peripherischen Ganglien. Aus der Zahl der peripherischen Ganglien werden diejenigen untersucht, welche längs dem Verlaufe der Nervenstämmehen in der Gallenblasenwand des Hundes und der Katze belegen sind, und die Ganglien der Auerbach'schen und Meissner'schen Geflechte beim Meerschweinchen, Kaninchen, bei der Ratte und anderen Thieren. I. Die Ganglien der Gallenblase. Das Verfahren, die Nerven und Ganglien der Gallenblase zu färben, war folgendes: aus der Gallenblase eines soeben durch Blutentziehung getödteten Thieres wurde zunächst die Galle aus- gepresst, sodann der D. eysticus unterbunden und die Blase ent- weder vollständig von der Leber getrennt oder mit dem an der Blase haftenden Lebertheil verbunden gelassen. Das auf solche Weise ausgeschnittene Organ wurde dann auf ein grosses flaches Uhrglas gelegt, die Oberfläche der Blase mit einigen Tropfen einer !/,o—!/ı. °/, Lösung von Methylenblau befeuchtet und das ganze Präparat mit einem anderen Uhrglas bedeckt im Thermostat einer Temperatur von 37—38 °C. ausgesetzt, oder es verblieb daselbst bei gewöhnlicher Zimmertemperatur. Am häufigsten erfolgt eine mehr oder weniger vollständige Färbung der Nervenfasern und Zellen nicht früher als nach einer Stunde, zuweilen aber erst 1!/, und sogar 1!/, Stunden nach Beginn der Färbung, wobei man im Verlaufe dieser Zeit sorg- fältig darauf achten muss, dass die Oberfläche des Organs stets feucht bleibt, zu welchem Zwecke dasselbe jede 5—10 Minuten mit einer neuen Portion Methylenblaulösung betröpfelt wird. Falls bei der Färbung einer von der Leber vollständig ab- gelösten Gallenblase die Farbstofflösung, welche bei der Befeuch- tung des Organs stets von der Oberfläche desselben herabfliesst, sich in grosser Menge auf dem Uhrglase ansammelt, so muss man sie vom Glase entfernen. Sobald die Färbung der Nerven erfolgt ist, wird. der Rest der Galle aus der Gallenblase vorsichtig herausgedrückt, wonach 310 A.,S: Dogiel: letztere in eine gesättigte wässerige Lösung von pikrinsaurem Ammoniak gelegt, der Länge nach ein wenig eingeschnitten und, zum Zweck der Entfernung des Schleims und der Galle von der Schleimhaut der Blase, sorgfältig ausgespült wird. Gleich nach dieser Behandlung wird das Präparat aufs neue in eine reine Lösung pikrinsauren Ammoniaks gelegt und verbleibt in derselben während 18—20 Stunden. Nach Verlauf dieser Zeit wird die ganze Blase in einige Stücke von 1—2 gem Grösse zerschnitten und von jedem einzelnen Stücke zuvor die Schleimhaut, oder, falls die Wand der Blase diek ist, mit der Schleimhaut auch die Muskelschicht entfernt und das Präparat dann in eine Lösung von Glycerin und pikrinsaurem Ammoniak (zu gleichen Theilen) eingeschlossen. Nach Verlauf von 5—7 Tagen werden die Präparate so durchsichtig, dass man sie zur mikroskopischen Untersuchung benutzen kann. Hier ist es am Platz zu bemerken, dass bei der Färbung der Gallenblasennerven mit Methylenblau sorgfältig verhütet werden muss, dass etwas Galle zufällig auf die Oberfläche des zu färbenden Präparats falle, weil dadurch, wahrschemlich in Folge des bedeutenden Gehalts der Galle an Salzen, die Färbung der Nerven verhindert wird. An genügend durchsichtig gewordenen Präparaten treten die Nerven sehr deutlich hervor, welche in Form ziemlich dieker Stämmehen zugleich mit den Blutgefässen in die Gallenblase ein- treten und sich in deren äusseren Bindegewebsschicht in grösserer oder geringerer Entfernung von der Oberfläche der letzteren ver- breiten. Allmählich in eine Menge Stämmchen von verschiedener Dicke zerfallend, bilden sie in genannter Schicht ein Geflecht, dessen Maschen eine unregelmässige, vieleckige Form und eine verschiedene Breite haben. Dieses Geflecht kann man als Haupt- oder Grund-Gefleeht bezeiehnen, da ausschliesslich von ihm die Aestehen und Fasern ausgehen, welche sich zu den Blutgefässen, zur Schieht der glatten Muskelfasern und zur Schleimhaut der Gallenblase begeben. Alle Nervenstämmehen und Aestehen bestehen vorzugsweise aus Remak’schen Fasern, — die markhaltigen Fasern gesellen sich zu ihnen in verhältnissmässig kleiner Anzahl. Je nach dem Grade und der Intensität der Färbung der Nervenelemente färben sich in jedem Präparate in den dicken Nervenstämmchen fast Zur Frage üb. den fein. Bau d.sympath. Nervensystems b. d, Säugeth. 311 alle oder nur wenige von den dieselben bildenden Fasern, wäh- rend in den feinen Nervenstämmehen gewöhnlich alle m ihnen enthaltenen Fasern, gefärbt werden. Bei gelungener und inten- siver Färbung der Fasern treten sie fast in jedem Stämmehen so klar und deutlich hervor, dass man die volle Möglichkeit hat sich nicht allein mit ihrem Charakter, sondern auch mit ihrem Verhalten zu den Gefässen, zu den Gruppen der sympa- thischen Zellen, die längs dem Verlaufe der Stämmehen belegen sind u. s. w., bekannt zu machen. Wie bereits oben bemerkt, bilden die Remak’schen mark- losen Fasern in jedem Stämmchen die hauptsächliche Masse. Sie haben gewöhnlich eine verschiedene Dicke und sind anscheinend von einer äusserst feinen structurlosen Bindehauthülle umgeben, an deren Oberfläche sich flache Zellen mit ovalen oder runden Kernen anlegen; diese Zellen befinden sich bald in geringer, bald in ziemlich grosser Entfernung von einander. Die Hülle, welche die Faser umgiebt, muss, falls sie wirklich existirt, nicht nur äusserst fein sein, sondern zugleich auch der Faser sehr dicht anliegen, da wir von ihrem Vorhandensein nur nach den Zellen urtheilen können, die längs dem Verlauf der Fasern belegen sind. Meistentheils scheinen die Remak’schen Fasern an den Präparaten, die mit Methylenblau gefärbt sind, ganz glatt zu sein, auch sind sie verhältnissmässig sehr selten mit varicösen Verdiekungen besetzt, wodurch sie sich, meinen Beobachtungen zufolge, von den neben ihnen in den Stämmehen verlaufenden markhaltigen Fasern, die ihre Markscheide verloren haben, so wie auch von den, aus der Theilung der letzteren entstandenen, gleichfalls marklosen Aestehen unterscheiden. An den Ver- zweigungsstellen der Nervenstämmehen verflechten sich die Re- mak’schen Fasern auf verschiedene Weise mit einander. Die einen dieser Fasern entspringen aus den Zellen der sympathischen Ganglien, die in der Wand der Gallenblase belegen sind, die anderen nehmen aller Wahrscheinlicheit nach ihren An- fang aus den Ganglienzellen des Plexus solaris. Was die markhaltigen Fasern anbetrifft, die sich zugleich mit den Remak’schen Fasern in den Stämmehen befinden, so ist ihre Anzahl, je nach der Dieke des Stämmehens selbst, ver- schieden; man kann sie selbst bei schwachen Objeetiven sowohl wegen ihrer Dicke, als auch wegen der sehr intensiven Färbung 312 A.S. Dogiel: bei den Ranvier’schen Einschnürungen von den Remak’schen Fasern leicht unterscheiden. In einem dieken Stämmehen kann man 5—10 und mehr Fasern zählen, von denen einige einen beträchtlichen Umfang haben, andere dagegen fein sind. Gewöhnlich werden die genannten Fasern bei einer der Ranvier'schen Einschnürungen einer Theilung unterworfen, welche während des Verlaufs der Faser im Stämmcehen selbst, oder auch an den Kreuzungsstellen der Stämmehen erfolgt, wo die Nervenfasern sich in mannigfaltiger Weise mit einander ver- fleehten. Sehr häufig hat das eine oder das andere der aus der Theilung einer Faser entstandenen Aestchen keine Markscheide und erscheint in seinem ganzen Verlauf als ein mehr oder weniger feiner, nicht selten varicöser Faden. Wenn man ausserdem den Verlauf der markhaltigen Fasern selbst und den der unterwegs dureh ihre Theilung entstandenen markhaltigen Aestchen verfolgt, so kann man bemerken, dass einige von ihnen allmählich feiner werden, alsdann ihre Markscheide verlieren und schliesslich nur als Axeneylinder mit eng anschliessender Schwann’scher Scheide erscheinen; letztere ist erkennbar an den ovalen Kernen der zu ihr gehörigen Zellen, welehe sehr häufig in recht naher Ent- fernung von einander belegen sind. In solcher Gestalt ähnelt die markhaltige Nervenfaser fast vollkommen einer Remak’schen, von welcher man sie nur unterscheiden kann, wenn es gelingt, sie bis dicht zu der Stelle zu verfolgen, wo sie die Marksubstanz erhält und wo an den Stellen der Einschnürungen die Ran- vierschen Kreuze deutlich hervortreten. Nachdem die Nervenfasern ihre Markscheide verloren haben, werden sie in ihrem ferneren Verlauf noch feiner, die ihnen eng anliegenden Zellenkerne der Schwann’schen Scheide verschwinden, woraus man schliessen kann, dass sie auch diese Hülle verloren haben, und als mehr oder weniger feine, zuweilen varieöse Fasern und Fäden begeben sie sich zu der nächsten Gruppe von Gang- lienzellen, wo sie endigen. Meinen Beobachtungen zufolge muss man die varieösen Fäden, welehe sich stets neben den Remak’- schen Fasern in den Nervenstämmechen befinden, wie auch viele Fasern, die dem Anscheine nach den Remak’schen Fasern ähn- lich sind, erstens zu den oben erwähnten marklosen Aestchen rechnen, welehe sich in den Stämmehen selbst von den mark- haltigen Fasern absondern, und zweitens zu den markhaltigen Zur Frage üb. d. fein. Bau d. sympath. Nervensystems b. d Säugeth. 313 Fasern und deren Aestehen, die nur ihre Markscheide in den Stämmehen verloren haben. Das Faetum, dass in den dieken Stämmchen, welche in die Gallenblase eintreten, anfangs verhältnissmässig, je nach der Dieke des Stämmehens, ziemlich viele markhaltige Fasern ent- “halten sind, und dann nach Massgabe der Theilung dieses oder jenes Stämmehens ihre Anzahl, wnerachtet der wiederholten Thei- lung der Fasern, allmählich sich verringert, bis sie schliesslich in vielen mit den Ganglien verbundenen Stämmehen offenbar vollständig verschwinden, findet seine Erklärung in der soeben angeführten Veränderung im Bau der Fasern selbst. Auf die Richtigkeit dieser Sachlage weist auch der bereits oben erwähnte Umstand hin, dass wir in einigen Stämmchen Sehritt für Sehritt die Verwandlung dieser oder jener markhaltigen Faser in eine mehr oder weniger feine marklose Faser oder einen Faden ver- folgen können. Wenn daher irgend ein Stämmchen auch keine markhaltigen Fasern enthält, so ist das noch kein Beweis eines Niehtvorhandenseins solcher Fasern in ihm, weil einige derselben, die neben den Remak'’schen Fasern verlaufen, unzweifelhaft zu denjenigen markhaltigen Fasern gehören, welche sich in oben an- gegebener Weise verändert haben. In den Nervenstämmehen existiren ausser den soeben bezeichneten auch markhaltige Fasern soleher Art, welehe, nachdem sie eine gewisse Strecke weit in dem gegebenen Stämmehen verlaufen sind, aus demselben heraus- treten und als einzelne, häufig sich wiederholt theilende Fasern oder auch in Begleitung einiger Remak’schen Fasern sich zu den Blutgefässen, Arterien und Venen, begeben. Unterwegs ver- lieren sie gewöhnlich m der Nähe eines Gefässes zuerst ihre Markscheide, dann auch das Neurillemm und verwandeln sich in feine, häufig varieöse Fäden. Die letzteren treten zur Ge- fässwand heran, wo sie in einige äusserst feine Fädchen zer- fallen. Schliesslich existiren in den Nervenstämmehen noch mark- haltige Fasern, welche, ohne ihre charakteristische Beschaffen- heit zu verlieren, d. h. markhaltige Fasern verbleibend , zu- sammen mit den erwähnten Stämmchen diese oder jene Gruppe der sympathischen Zellen erreichen. Hier endigen sie nicht, sondern durchschreiten die Zellengruppe nur, wobei sie nicht selten schlan- genähnlicbe Windungen machen, indem sie zwischen den einzel- 314 A.S. Dogiel: nen Zellen der Gruppe verlaufen. In einigen Fällen gehen diese Fasern nieht durch die Ganglien hindurch, sondern berühren nur die Oberfläche derselben. Welches das fernere Schicksal der so- eben beschriebenen Fasern ist, — ob sie, nachdem sie zuvor ihre Markscheide verloren haben, in anderen Ganglien endigen, oder aus den Stämmehen heraustreten und sich dann zu den Gefässen wenden, und ferner, ob sie bei dem Durchgange durch die Gang- lien Collaterale abgeben oder nicht, — das ist mir festzustellen noch nicht gelungen. Indem ich die Nerven mit Methylenblau färbte, konnte ich mich, wie gesagt, davon überzeugen, dass in den sympathischen Nervenstämmehen wenigstens dreierlei Arten markhaltiger Ner- venfasern vorhanden sind: die einen begeben sich zu den sym- pathischen Ganglien und endigen in ihnen, die zweiten gehen unmittelbar zu den Blutgefässen, die dritten endlich durchschreiten nur die sympathischen Ganglien als markhaltige Fasern. Diese Untersuchungen bestätigen zum Theil die Beobachtungen, welche von den oben genannten Autoren mit Hülfe “der Nervenfärbung mittelst salpetersauren Silbers gemacht worden sind. Die sympathischen Zellen lagern sich in Ganglien bildenden Gruppen oder als einzelne Zellen längs dem Verlaufe der Nerven- stämmehen. Die sympathischen Ganglien haben eine verschiedene Grösse, je nach der Anzahl der zu ihrem Bestand gehörigen Zellen, und eine verschiedene, meistens runde, ovale und eiför- mige Gestalt, wobei ein oder mehrere Nervenstämmchen mit jedem Ganglion in Verbindung stehen. Oft hängt irgend ein Ganglion an einem Nervenstämmehen wie die Beere am Stiel. Zu dem Bestande der kleinen Ganglien gehören 2—4 und mehr Zellen, die grossen Ganglien werden aus einigen zehn Zellen gebildet. Gewöhnlich trifft man in dem verengerten Theil und im Halse der Gallenblase Ganglien und einzelne Zellen in grösserer Zahl an, als in dem Theil der Blasenwand, welcher den Fundus der Blase bildet. Bei Durchmusterung aller Präparate, die aus einer Gallen- blase bei mögliehst vollständiger Nervenfärbung hergestellt sind, kann man bemerken, dass, soviel Ganglien in dem betreffenden Präparate auch existiren mögen, die sympathischen Nervenzellen in jedem Ganglion in verschiedener Anzahl und in verschiedenem Grade gefärbt erscheinen: in dem einen Ganglion färben sich Zur Frage üb. d. fein. Bau d. sympath. Nervensystems b. d. Säugeth. 315 fast alle Zellen mit ihren Fortsätzen, in einem anderen nur einige der Zellen, oder sogar nur eine einzige Zelle mit allen ihren Fort- sätzen (Fig. 1, 2, 3 u. s. w.). Oft bleiben alle Zellen, welche das Ganglion bilden, ungefärbt, aber dafür färben sich die Ner- venfasern, die durch das Ganglion hindurchgehen, sowie dieje- nigen, welche in demselben endigen (Fig. 11 B); in einigen Fällen erscheinen nur die Fortsätze der Zellen und mit ihnen auch der peripherische Theil des Zellkörpers gefärbt u. s. w. (Fig. 1, 2, ... 14). Der Grad der Färbung pflegt ebenfalls kein gleich- mässiger zu sein, sogar bei den Zellen eines und desselben Gang- lions: bald färben sie sich fast alle mehr oder weniger intensiv, bald nur einige von ihnen, und zuweilen, endlich, erscheinen nur der Zellkörper oder die Fortsätze intensiv gefärbt. Dank der soeben angeführten Eigenheit des Methylenblaus, bald diese, bald jene Elemente, die zu dem Bestande der Ganglien gehören, zu färben, erlangen wir die Möglichkeit, bis zu einem gewissen Grade einerseits uns mit dem Charakter und Verhalten der Fortsätze der sympathischen Zellen bekannt zu machen, andererseits das Verhalten der in die Ganglien eintretenden und in ihnen endi- genden Nervenfasern zu diesen Zellen zu erklären. Die Form der sympathischen Zellen, welche irgend ein Gang- lion bilden, pflegt eine verschiedene zu sein und hängt zum Theil von der Lage ab, welche die Zelle im Ganglion selbst einnimmt: am häufigsten trifft man multipolare Zellen an (Fig. 1,2,... 10), aber neben ihnen auch bi- und wunipolare (Fig. 15). Gewöhnlich scheinen die Zellen, welche im Centrum des Ganglions liegen, in den meisten Fällen multipolar zu sein, während die au der Peri- pherie und den Polen des Ganglions gelegenen häufig eine bipolare und unipolare Form annehmen. Die Grösse der Zellen eines und desselben Ganglions kann ebenfalls, gleich der Form, eine verschiedene sein und unter Zellen von 0,0645 mm und mehr Durchmesser findet man beständig auch kleine Zellen, deren Durchmesser 0,0215 mm nicht übersteigt. Struetur derZellen. Wenn man die sympathischen Zellen nach der von mir veränderten Methode mit Methylenblau färbt, so hat man oft die Möglichkeit, die Structur der Zellen ebenso gut zu studiren, als wenn sie nach der von Nissl!) bei der Unter- 1) Fr. Nissl: Mittheilungen zur Anatomie der Nervenzelle, All- gem. Zeitschr. f. Psychiatrie, Bd. 50, 1894; Ueber eine neue Unter 316. Meer, suchung der Zellen des Centralnervensystems angewandten Me- thode behandelt worden wären. Gewöhnlich wirkt das Methylen- blau nicht gleichzeitig aufalle Zellen, die zum Bestand der Gallen- blase-Ganglien gehören: in jedem Ganglion färben sich, wie zum Theil bereitsoben erwähnt wurde, anfangsnur wenigeZellen,und dann erst beginnen sich allmählich stets mehr und mehr Zellen zu fär- ben; in Folge dessen trifft man an einem und demselben Präparate oder sogar in einem und demselben Ganglion Zellen in verschie- denen Stadien der Färbung an. Nach Verlauf von einer oder anderthalb Stunden vom Anfang der Färbung an gerechnet, d. h. zu dem Zeitpunkt, wenn das Präparat bereits mit der pikrinsauren Ammoniaklösung fixirt wer- den soll, verbleiben in jedem Ganglion einige Zellen noch gänz- lich ungefärbt, während andere das Maximum der Färbung be- reits erreicht haben. Wenn man die Färbung der Zellen beobachtet, so kann man leicht bemerken, dass zu allererst die kleinen Körnehen im Zellkörper sich zu färben beginnen, wobei im Anfang der Ein- wirkung des Färbemittels die Anzahl solcher gefärbten Körnchen eine sehr unbedeutende zu sein pflegt. Aber allmählich, nach Massgabe der weiteren Eimwirkung des Methylenblaus, nimmt die Zahl der sich färbenden Körnehen mehr und mehr zu und nach Verlauf einer gewissen Zeit der Tinetion scheint das ganze Protoplasma der Zelle fast durchweg aus einer Masse solcher ge- färbten Körnchen zu bestehen; ungefärbt oder schwach gefärbt verbleiben nur geringe Zwischenräume zwischen den Körnchen, welche von der Grundsubstanz eingenommen werden (Fig. 1, 2, 5349 und 10,y41,:13) Die mit Methylenblau gefärbten Körnchen sind von unbe- deutender Grösse und haben meistentheils eine runde Form, wo- bei einige von ihnen sich oft intensiv färben, andere aber schwä- cher. Während alle Körnehen im Zellkörper gefärbt erscheinen, suchungsmethode der Centralorgane etc., Centralbl. f. Nervenheilkunde u. Psychiatrie, Bd. 16, 1894; Ueber Rosin’s neue Färbemethode des gesammten Nervensystems etc., Neurologisches Centralblatt, Nr. 3 u. 4, 1894; Ueber die sogenannten Granula der Nervenzellen, Neurologisch. Centralblatt, Nr. 19, 1894; Ueber die Nomenklatur in der Nerven- zellenanatomie und ihre nächsten Ziele. Neurologisches Centralblatt, Nr. 3, 189. Zur Frage üb. d. fein. Bau d.sympath. Nervensystems b.d. Säugeth. 317 bleibt der Kern oft ungefärbt, oder er färbt sich mit Ausnahme seines peripherischen Gürtels schwächer und es treten in ihm nur ein oder zwei gefärbte Kernkörperchen deutlich hervor. In einer weiteren Periode der Einwirkung des Färbemittels erscheinen die Körnchen, welche anfangs in der ganzen Grund- substanz des Zellkörpers gleichmässig vertheilt sind, grösser und sammeln sich in einzelne Gruppen, Schollen; im Folge dessen erhält die Zelle ein fleckiges Aussehen (Fig. 14), oder wie Lenhossek!) in Bezug auf die nach Nissl’scher Methode ge- färbten motorischen Zellen sehr treffend bemerkt, ein tigerfellähn- liches Aussehen. Die bezeichneten Schollen haben eine runde, ovale, oder unregelmässig eckige Form und eine verschiedene Grösse, wobei man im Centraltheil des Zellkörpers mehr Schollen antrifft, als in dem peripherischen Theil, weshalb der letztere heller erscheint als der erstere. Oft ragen einige Schollen, welche an der äussersten Peripherie des Zellkörpers liegen, über dessen Oberfläche ein wenig hervor und geben der Zelle auf solehe Weise ein mehr oder weniger knolliges Aussehen (Fig. 14). Die chromophilen Schollen kommen nicht nur im Zellkörper vor, sondern man kann ihre Anwesenheit leicht auch sowohl in den dieken Protoplasmafort- sätzen, als in der konusartigen Verdiekung wahrnehmen, mit wel- cher der Axeneylinderfortsatz anfängt (Fig. 14). Gewöhnlich färben sich die Schollen intensiv violett, resp. blau, und die zwischen ihnen liegende Grundsubstanz bleibt un- gefärbt, oder nimmt eine schwach violette Färbung an. Die Kerne in solchen Zellen, welche ein fleckiges Aussehen angenommen haben, erscheinen gleich den Schollen selbst intensiv violett ge- färbt und oft kann man in ihnen, wenn auch nicht ganz deutlich, stark gefärbte kleine Klümpchen, aller Wahrscheinlichkeit nach Nucleine, uud zuweilen sogar die Anwesenheit von kleinen Kern- körperchen beobachten; nur die schmale peripherische Zone des Kerns bleibt ungefärbt, in Folge wessen derselbe scharf vom Zellkörper abgegrenzt erscheint. Wenn man die sympathischen Zellen im bezeichneten Stadium der Färbung mittelst starker Immersionen durchmustert, so kann man wahrnehmen, dass die Schollen aus einigen Gruppen an einer Stelle angehäufter, stark gefärbter und mehr oder weniger grosser Körnchen bestehen; uf, 1) L. es 318 A.S. Dogiel: was aber die Grundsubstanz anbetrifft, so kann man in derselben die Anwesenheit sehr feiner Fädehen beobachten, welche etwas intensiver, als die Grundsubstanz selbst, gefärbt erscheinen und, dem Anscheine nach, in derselben ein dichtes Netz bilden. Ob zum Bestande der Zelle ausserdem noch sich intensiv mit Methylen- blau färbende Fäden gehören, wie dieses bei den Nervenzellen der Retina stattfindet, das konnte ich bisher noch nicht eon- statiren. Am Schluss der Färbung des Präparats (nach einer oder anderthalb Stunden vom Anfang der Färbung an gerechnet) neh- men einige Zellen, deren Färbung früher begonnen hatte, als die der übrigen, eine solche Menge Methylenblau im sich auf, dass auch die Grundsubstanz mehr oder weniger intensiv gefärbt er- scheint, in Folge dessen der Umriss der chromophilen Schollen undeutlich wird und schliesslich die ganze Zelle mit allen ihren Fortsätzen eine gleichmässige dunkel-violette Färbung erhält; nur die Kerne der Zellen treten zuweilen als ein wenig intensiver gefärbte Flecken hervor. Auf solche Weise sind wir im Stande, ohne die Zellen einer vorhergehenden eomplieirten Behandlung mit verschiedenen Re- agentien zu unterwerfen, gewisse Bestandtheile derselben mittelst des Methylenblaus ebenso gut und deutlich zu färben, als es nach des Methode Nissl’s geschieht. Was die Fortsätze der Zellen anbetrifft, welche die Gang- lien bilden, so kann man in jeder Zelle ohne alle Mühe eine zweifache Art Fortsätze unterscheiden — erstens solche, welche sich in dem gegebenen Ganglion verzweigen und den Protoplas- matortsätzen, Dendriten, der Zellen des Centralnervensystems vollkommen analog sind, und zweitens einen Axeneylinder- oder Nerven-Fortsatz. DieProtoplasmafortsätze — Dendriten — (Fig. 1,2, 5, .... 11, 13 und 14b) entspringen, je nach der Lage der be- treffenden Zelle in dem Ganglion, aus verschiedenen Stellen des Zellkörpers, wenn die Zelle im Centraltheil des Ganglions gelegen ist, oder nur aus derjenigen Seite der Zelle, welche dem Ganglion zugewendet ist, falls die Zelle sich an der Peripherie des Gang- lions befindet, oder aber, endlich, aus einem oder beiden Polen der Zelle, was am häufigsten vorkommt in den Fällen, wenn die Zelle an einem Pole des Ganglions liegt. Zur Frage üb. d. fein. Bau d.sympath. Nervensystems b. d.Säugeth. 319 Die Anzahl der Fortsätze schwankt zwischen 1—2 und 5—8—12 und mehr. Die Länge derselben hängt von der Grösse und zum Theil der Form des Ganglions so wie von der Lage der Zelle im Ganglion selbst ab: in Zellen, welche den Central- theil des Ganglions einnehmen, sind die Fortsätze in der Mehr- zahl bedeutend länger, als in Zellen, die an der Peripherie des Ganglions gelegen sind, und desgleichen ist ihre Länge in grossen Ganglien, die aus einigen zehn Zellen bestehen, grösser, als in Ganglien, welche nur aus wenigen Zellen zusammengesetzt sind. Ausserdem sind, nach meinen Beobachtungen, in den wurstför- migen Ganglien, die sehr im die Länge gezogen sind, im All- gemeinen viele Protoplasmafortsätze vorhanden, welche, ohne Rücksicht auf die Lage der Zellen, im Vergleich zu den Fort- sätzen derjenigen Zellen, die in Ganglien von runder, ovaler oder eiförmiger Gestalt belegen sind, eine beträchtliche Länge be- sitzen. Die Dicke der Fortsätze, welche von einer und derselben Zelle ausgehen, pflegt eine verschiedene zu sein: einige Fortsätze sind ziemlich dick, andere dagegen fein und fadenförmig. Was die Struetur der Protoplasmafortsätze anbetrifft, so erscheinen sie nach der Tingirung mit Methylenblau meistentheils gleichmässig mehr oder weniger intensiv violett gefärbt. In ge- wissen Fällen kann man beobachten, dass die dieken Fortsätze gleich dem Zellkörper aus der schwach gefärbten Grundsubstanz und den chromophilen Schollen bestehen. Die letzteren findet man in den Fortsätzen in einer beschränkteren Anzahl vor, als in der peripherischen Schicht der Zelle; sie haben eine unbe- deutende Grösse und sind gewöhnlich nieht nur in den Theilungs- winkeln der Fortsätze zerstreut, sondern man begegnet ihnen auch im übrigen Theil jedes Fortsatzes.. Zuweilen konnte ich in der Grundsubstanz der Protoplasmafortsätze ausser den chro- mophilen Schollen noch die Anwesenheit feiner und ziemlich stark gefärbter Fädechen wahrnehmen, aber gleichwohl erscheinen sie nicht so scharf eontourirt, wie z. B. die Fäden in den Pro- toplasmafortsätzen vieler Nervenzellen der Netzhaut. Da die peripherische Schicht des Zellkörpers weniger chro- mophile Sehollen enthält, als der Centraltheil desselben, und daher heller erscheint, und ferner an der Bildung aller Fortsätze der Zelle, und unter ihnen auch des Axeneylinderfortsatzes, vorzugs- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46. al 320 A.S. Dogiel: weise Antheil nimmt, so scheint es aus diesem Grunde oft, als ob die helle Basis der Fortsätze mehr oder weniger tief in den intensiver gefärbten Theils des Zellkörpers hineinragt. Ein solches Verhalten der Fortsätze zum Zellkörper wird noch mehr begreiflich, wenn man berücksichtigt, dass die peripherische Schieht des Zell- körpers keine gleichmässige Dicke hat und an einigen Stellen enger, an anderen aber breiter zu sein pflegt. Schaffer!), Nissl?) und Lenhossek°), welche die Zellen des Centralnervensystems und die Spinalganglienzellen untersucht haben, weisen darauf hin, dass das soeben beschriebene Verhalten der Fortsätze zu dem Zellkörper nur dem Axeneylinder- fortsatz eigen ist, während dasselbe nach meinen Beobachtungen in grösserem oder geringerem Grade überhaupt allen Fortsätzen jeder Zelle zukommt; übrigens werde ich bald Gelegenheit haben, hierüber ausführlicher zu sprechen. Meistentheils theilt sich jeder Protoplasmafortsatz bereits in kurzer Entfernung vom Zellkörper unter mehr oder weniger spitzem Winkel in 2—3 Aestehen, welche bald aufs neue in einige noch feinere Aestchen zerfallen (Fig. 1, 2,3 u. s. w.). Die letzteren theilen sich ihrerseits oft mehrmals und erhalten schliesslich das Aussehen von äusserst feinen Fäden, die zuweilen mit varieösen Verdiekungen von verschiedener Grösse besetzt sind. Alle Fortsätze mit aus ihrer primären, secundären etc. Theilung entstandenen Aestehen geben in ihrem ganzen Verlauf unter verschiedenen Winkeln eine gewisse Anzahl wiederholt sich theilender Seitenästehen und Fäden ab, welche eine ver- schiedene Dieke haben und zuweilen varieös zu sein scheinen (Fig. 1, 2 u.s. w.). Bei möglichst vollständiger Färbung der Fortsätze kann man in vielen Zellen bemerken, dass von jedem Fortsatz, angefangen fast von seiner Ursprungsstelle, und bis dicht zu seinen letzten Verzweigungen, sich allmählich eine Menge der obenbezeichneten Seitenästehen und Fäden abtheilt, wodurch dieselben in dem Falle, wenn einige von ihnen sich nur in einer gewissen Ausdehnung färben, die Fortsätze und ihre Aestchen 1) K. Schaffer: Kurze Anmerkung über morpholog. Differenz des Axencylinders im Verhältniss zu den protoplasm. Fortsätzen bei Nissl’s Färbung, Neurologisches Centralblatt Nr. 24, 1893. SD) le: 8) LE. Zur Frage üb. d. fein. Bau d. sympath. Nervensystems b.d. Säugeth. 3231 gleichsam mit Dornen oder Nadeln besetzt erscheinen. Oft findet man an den Stellen der Theilung der Fortsätze und der Entsen- dung von Seitenästehen und zuweilen sogar im Verlaufe dieses oder jenes Fortsatzes oder Aestchens Erweiterungen von unregel- mässiger Form, welche diesen Fortsätzen, wie es aus Fig. 1, 2, 4, T u.a. ersichtlich ist, ein besonderes charakteristisches Aus- sehen verleihen. Die genannten Erweiterungen, wie auch einige Fortsätze, scheinen, so viel ich aus meinen Präparaten schliessen kann, mehr oder weniger abgeplattet zu sein, was auch unter anderem als Kennzeichen dienen kann, um die Protoplasmafortsätze der sympathischen Zellen von ähnlichen Fortsätzen der Zellen des Centralnervensystems zu unterscheiden. Zu den unterscheidenden Merkmalen muss man auch den Umstand zählen, dass die bezeichneten Fortsätze der sympathi- schen Zellen meistens entweder fast gar keine varieösen Ver- diekungen haben, — ihre Stelle nehmen gleichsam die oben- erwähnten Erweiterungen ein —, oder aber, falls sie auch varicös erscheinen, so haben die varicösen Verdiekungen nicht diejenige regelmässige Form, welche gewöhnlich an Protoplasmafortsätzen der Zellen des Centralnervensystems beobachtet wird. Ausserdem stellen sich auch die allerfeinsten der aus der Theilung der Proto- plasmafortsätze der sympathischen Zellen entstandenen Fäden nicht als solche, man kann sagen, undeutlich feine Fädehen dar, wie sie bei der Theilung der entsprechenden Fortsätze vieler Nerven- zellen des Cerebrospinalsystems oft erhalten und beobachtet werden. Oft trifft man Zellen von ovaler oder spindelförmiger Ge- stalt an, wobei von jedem Pol der Zelle 2—3 und mehr Fort- sätze ausgehen, oder nur ein dieker und ziemlich kurzer Fort- satz, der darauf in einige, 3—4, sich theilende Aestehen zerfällt. Zellen soleher Art trifft man, nach meinen Beobachtungen, am häufigsten als Einzelzellen längs dem Verlaufe der Nervenstämm- chen vertheilt an, oder in Ganglien, welche eine wurstähnliche Form haben. Zuweilen hat diese oder jene Zelle nur‘ einen dieken und mehr oder weniger kurzen Protoplasmafortsatz, von welchem sich eine gewisse Anzahl (3—5) sich theilender Aest- chen verschiedener Dicke absondern; zu solehen Zellen gehören diejenigen, welche an den Polen oder an der Peripherie der Ganglien belegen sind. 322 A.S. Dogiel: Die Frage über das Verhalten der Protoplasmafortsätze irgend einer sympathischen Zelle zu denselben Fortsätzen der Nachbarzellen wird, wie es mir scheint, an mit Methylenblau gefärbten Präparaten bis zu einem gewissen Grade viel besser aufgehellt, als an Präparaten, die nach Golgi’scher Methode behandelt sind, da man in ersterem Falle, ohne Schnitte machen zu müssen, die Möglichkeit hat, die in ihnen eingelagerten Zellen zu beobachten und bei einiger Veränderung der Focaldistanz den Verlauf und das Verhalten der Protoplasmafortsätze zu einander, wie auch zu den Zellen selbst zu verfolgen. In den grossen Ganglien begeben sich die Protoplasmafort- sätze jeder Zelle, welche den Centraltheil des Ganglions ein- nimmt, nach verschiedenen Richtungen oder nach einer Seite des gegebenen Ganglions und dann erreichen sie, sich zwischen den benachbarten Zellen durchdrängend und sich nach und nach theilend, meistentheils die Peripherie des Ganglions; hier treffen sie in Forın mehr oder weniger feiner, glatter oder varieöser Fäden, die eine Menge Seitenästchen abgeben, mit den Aestchen und Fäden ähnlicher Fortsätze anderer Zellen zusammen und bilden mit ihnen an der ganzen Peripherie des Gang- lions ein. diehtes Geflecht (Fig. 1, 4 und 5). So viel ich mich an meinen Präparaten überzeugen konnte, befindet sich dieses Geflecht unter der Hülle des Ganglions, wobei die Maschen des Endgeflechts sich der Oberfläche derjenigen sympathischen Zellen anlegen, welche an der Peripherie des gegebenen Ganglions belegen sind. Viele Protoplasmafortsätze der soeben erwähnten Zellen dringen nicht — zum Unterschiede von ähnlichen Fort- sätzen der Zellen, die im Centraltheil des Ganglions belegen sind, — dank der Lage der Zelle selbst, zwischen die Körper der benachbarten Zellen, sondern verbreiten und verzweigen sich nur auf der Oberfläche des Ganglions, wo sie an der Bildung des oben beschriebenen Geflechts Antheil nehmen. In einigen Fällen trifft man unter den Zellen, die den peri- pherischen Theil des Ganglions bilden, solche von birnförmiger oder keulenförmiger Gestalt an. Der Körper dieser Zellen ragt mehr oder weniger über die Oberfläche des Ganglions hervor, während der verengerte Theil der Oberfläche des Ganglions zugewendet ist, und von letzterem gehen gewöhnlich Proto- plasmafortsätze aus, welche sich dann in gleichem Niveau mit Zur Frage üb. d. fein. Bau d. sympath. Nervensystems b.d. Säugeth. 325 den Fortsätzen anderer Zellen verzweigen. Die Oberfläche der soeben genannten Zellkörper befindet sich natürlich ausser- halb des von den Fortsätzen der übrigen Zellen des Ganglions gebildeten Geflechts und nur der verengerte Theil solcher Zellen wird von einigen Aestchen des Geflechts umfasst. In Anbetracht dessen, dass an der Bildung des beschriebenen Geflechts augen- scheinlich die Endverzweigungen der Protoplasmafortsätze aller Zellen eines Ganglions Antheil nehmen — kann man dasselbe „das allgemeine peripherische Geflecht“ nennen. Die Protoplasmafortsätze der mehr im Oentraltheil des Ganglions belegenen Zellen theilen sich allmählich bei ihrer An- näherung zur Peripherie des Ganglions, wie schon theilweise bereits oben erwähnt wurde, und werden bedeutend feiner, so dass sie bei Erreichung der peripherischen Reihe der Zellen, deren Ober- fläche der Ganglienhülle zugewendet ist, als mehr oder weniger dünne Fäden erscheinen. Die letzteren krümmen sich, sich zwi- schen den genannten Zellen hindurehwindend, in verschiedener Weise, machen oft um diese oder jene Zelle einige Windungen und bilden schliesslich, wie oben gesagt, zusammen mit ähnlichen Fortsätzen anderer Zellen auf der freien Zellenoberfläche ein Geflecht (Fig. 1 und 5). In Folge des Strebens der Fortsätze der bezeichneten Zellen zur Peripherie des Ganglions und ihrer allmählichen Theilung, sowie auch dank dem Umstande, dass die freie Oberfläche der Ganglienzellen der peripherischen Reihe etwas gewölbt ist und über die Ganglienobertläche hervorragt, müssen die Endverzweigungen der Protoplasmafortsätze natürlich einige Zellen umflechten und um dieselben, wie aus Fig. 1 und 5 er- sichtlich, pericellulare Geflechte oder die pericellu- laren Nester („nidos pericelulares*) Ramon y Cajal’s bilden. An der Bildung jedes einzelnen pericellularen Geflechts nehmen gewöhnlich die Fortsätze einer oder mehrerer Zellen Antheil. Aus der gegebenen Beschreibung und den Zeichnungen (Fig. 1 und 5) ist ersichtlich: erstens, dass das Vorhandensein von pericellularen Geflechten von besonderen, rein örtlichen Be- dingungen, denen die Zellenfortsätze unterworfen sind, abhängt, und zweitens, dass die genannten Geflechte in den grossen Ganglien vorzugsweise um Zellen beobachtet werden, welche an der Peri- 324 AYSYDo WE TEl: pherie des Ganglions liegen und zudem nur dann scharf hervor- treten, wenn einige der aus der Theilung der Protoplasmafort- sätze entstandenen Aestehen nach Erreichung derjenigen Seite irgend einer peripherischen Zelle, welche dem Centrum des ge- gebenen Ganglions zugewandt ist, rein zufällig an dieser Seite in eine bedeutende Anzahl Fäden zerfallen. Indem die genannten Fäden der Peripherie des Ganglions zustreben, müssen sie zuvor an den Seitenflächen der Zelle vorbeigehen, wobei sie sich während ihres Verlaufes um die Zelle winden, aufs neue theilen und schliesslich die Peripherie des Ganglions erreichen, wo sie an der Bildung des allgemeinen Geflechts Antheil nehmen und zugleich auch die gegebene Zelle umflechten. Alle Protoplasmafortsätze der Ganglienzellen und ihre Ver- zweigungen, ob diese nun, sich in mannigfaltiger Weise durch- kreuzend, zwischen den Zellen des Ganglions hindurchgehen oder ob sie einige dieser Zellen umflechten, — liegen nicht unmittel- bar den Zellen an, sondern sind von jeder Zelle durch deren Hülle getrennt. Auf Grund der oben dargelegten Facta können die pericel- lularen Nester Ramon y Cajal’s, da sie rein zufällige Ge- bilde vorstellen, nicht diejenige physiologische Bedeutung haben, welche Ramon y Cajal ihnen zuschreiben will. Nicht einzelne Zellen associiren sich mit vielen anderen mittelst der pericellu- laren Nester, wie dieses Ramon y Cajal meint, sondern, so- viel meine Beobachtungen gezeigt haben, associiren sich alle Zellen des gegebenen Ganglions mit ein- ander durch ein Geflecht, welches durch alle ihre sieh im Ganglion verzweigenden Proto- plasmafortsätze gebildet wird. Was das Verhalten der Protoplasmafortsätze in den kleinen, aus wenigen Zellen bestehenden Ganglien anbetrifft, so ist es im allgemeinen gleich demjenigen in den grossen Ganglien, d. h. die Endverzweigungen der Protoplasmafortsätze aller Zellen des Ganglions bilden an seiner Peripherie ein Geflecht (Fig. 4 u. 8). In sehr kleinen Ganglien, in denen sich nicht mehr als 2—3—5 Zellen befinden, haben die Protoplasmafortsätze meistentheils eine unbedeutende Länge und, indem sie theilweise zwischen den Zellen hindurchgehen, theilweise direct zur Peripherie des Ganglions behufs Bildung des Geflechts verlaufen, umflechten Zur Frage üb. d. fein. Bau d.sympath. Nervensystems b. d. Säugeth. 325 sie, dank der Lage der Zellen, fast alle Zellen des Ganglions in der von mir angegebenen Weise. In Ganglien, welche eine in die Länge ausgezogene ovale oder wurstartige Form haben, geben die an den Polen des Ganglions belegenen Zellen von der dem Ganglion zugewandten Seite aus Protoplasmafortsätze ab, oder es geht von diesen Zellen nur ein mehr oder weniger dieker Fortsatz aus, welcher bald in ein ganzes Bündel von Aestchen zerfällt, wobei die Fortsätze in beiden Fällen einander entgegen gehen und oft, sich an der Peripherie des Ganglions verzweigend, die Pole desselben von allen Seiten umfassen (Fig. 4D). Nachdem ich mich mit der Anordnung und dem Verhalten der Protoplasmafortsätze in den Ganglien bekannt gemacht hatte, suchte ich mir Aufschluss über die Frage zu geben, ob alle Protoplasmafortsätze der Zellen irgend eines Ganglions sich aus- schliesslich in dem Rayon desselben Ganglions verzweigen, ohne aus dem Ganglion selbst herauszutreten. Die Antwort auf diese Frage wird bei vollständiger Färbung sowohl der Nervenelemente des Ganglions als auch der Nervenstämmehen, die in der Gallen- blasenwand vertheilt sind, bis zu einem gewissen Grade ermög- licht. Unter solchen Bedingungen ist es nicht schwer an den Gallenblasen-Präparaten Ganglien zu finden, die in grösserer oder geringerer Entfernung von einander belegen und unter einander dureh Nervenstämmehen oder Aestchen von verschiedener Dicke, an welchen sie sitzen, verbunden sind. Oft kann man irgend ein Ganglion mit Nervenstämmchen antreffen, die von den Polen des Ganglions nach verschiedenen Richtungen ausgehen und mit denen ihrerseits neue Ganglien in Verbindung stehen, welche von dem gegebenen Ganglion sich in verschiedener Entfernung befinden. Bei aufmerksamem Betrachten dergleichen benachbarter Ganglien konnte ich oft bemerken, dass einige der Protoplasma- fortsätze irgend einer sympathischen Zelle sich an der Peripherie desselben Ganglions verzweigen, andere aber, in einer Anzahl von 1—2 und zuweilen mehr, über die Grenzen des Ganglions selbst hinausgehen, in dieses oder jenes Nervenstämmchen, welches das betreffende Ganglion mit den be- nachbarten verbindet, eindringen und sodann in demselben zu- sammen mit Nervenfasern verlaufen, die entweder aus sympathi- 326 A. 8. Dogiel: schen Zellen des betreffenden Ganglions entspringen, oder in ihm endigen, oder endlich, nur durch das Ganglion hindurchgehen (Fig. 3 und 8). Nachdem die genannten Fortsätze eine gewisse Strecke weit, je nach der Entfernung des betreffenden Ganglions von anderen, fortgeschritten und das nächstbelegene Ganglion er- reicht haben, zerfallen sie gewöhnlich in eimige Aestchen, welche sich an der Peripherie des Ganglions ausbreiten, nochmals theilen und schliesslich an der Bildung des Geflechts Antheil nehmen (Fig. 3). Oft entsendet einer der beschriebenen Fortsätze in einiger Entfernung von der Zelle und noch in den Grenzen des gegebenen Ganglions zuvor zu letzterem einige Aestchen, oder aber er theilt sieh nach seinem Hinaustreten aus dem Ganglion erst im Nervenstämmcehen selbst, wobei die aus seiner Theilung entstandenen Aestehen sich entweder zusammen mit ihm zum benachbarten Ganglion begeben, oder aber es kehren einige Aestehen zu dem Ganglion zurück, aus welchem der genannte Fortsatz ursprünglich hervorgegangen (Fig. 3). Die Dieke der genannten Fortsätze ist gewöhnlich verschieden: einige sind recht diek und mit varieösen Verdiekungen von un- regelmässiger Form besetzt und können in gewissen Fällen mit Remak’schen Fasern verwechselt werden. Soviel ich bemerken konnte, unterscheiden sie sich von letzteren durch die Anwesen- heit der soeben erwähnten Varicositäten von unregelmässiger Form, durch das Fehlen der charakteristischen Kerne längs ihrem Verlaufe und hauptsächlich dadurch, dass sie unterwegs, wie bereits oben bemerkt, einer Theilung unterworfen werden. Aber den Charakter dieser Fortsätze kann man mit voller Gewissheit nur in dem Falle bestimmen, wenn es gelingt, sie bis dicht an die Zellen selbst zu verfolgen und zu constatiren, dass von jeder Zelle, mit der sie in Verbindung stehen, ausserdem noch ein Axeneylinderfortsatz ausgeht, wie dieses aus Fig. 3 ersichtlich ist. Uebrigens findet eine Schwierigkeit im Erkennen der be- schriebenen Fortsätze nur in dem Falle statt, wenn sie sehr lang sind und folglich solche Ganglien mit einander verbinden, die durch eine grössere Entfernung von einander getrennt sind. Sind die Fortsätze verhältnissmässig kurz, so hört die Schwierigkeit, sie von Remak’schen Fasern zu unterscheiden, auf. Oft kann man im Verlauf eines Nervenstämmchens einige [2 Zur Frage üb. d. fein. Bau d. sympath., Nervensystems b. d. Säugeth. 327 Ganglien antreffen, welche einander sehr nahe liegen; wenn man solehe Ganglien betrachtet, lässt sich wahrnehmen, dass die Proto- plasmafortsätze irgend einer Zelle, die zu dem einen oder dem andern Ganglion gehört, nach zwei verschiedenen Richtungen auseinandergehen: die einen verzweigen sich in dem Ganglion, welehem die Zelle selbst angehört, die anderen begeben sich, ihren Charakter beibehaltend und sich unterwegs theilend, zum benachbarten Ganglion und verzweigen sich schliesslich in ihm (Fig. 8 und 9). Bisweilen gelingt es zu beobachten, wie solche Fortsätze von Zellen ausgehen, welehe an den Polen zweier be- nachbarter Ganglien belegen sind, wobei sie längs dem Nerven- stämmehen verlaufen, welches die genannten Ganglien mit ein- ander verbindet; unterwegs begegnen sie sich im Stämmehen selbst, wo sie in einzelne Aestchen zerfallen, welche sich dem Anscheine nach mit einander verflechten (Fig. 8). Nach meinen Beobachtungen gehen die Fortsätze, ver- mittelst deren das von den Protoplasmafortsätzen der Zelle eines Ganglions gebildete Geflecht mit dergleichen Geflechten anderer benachbarter Ganglien in Verbindung gesetzt wird, am häufigsten von Zellen aus, welche an den Polen des Ganglions, belegen sind. Längs dem Verlaufe der Nervenstämmehen sind, wie bereits oben bemerkt, ausser den Ganglien noch einzelne sympathische Zellen hier und da zerstreut, die entweder nahe bei einander und zugleich nahe bei irgend einem Ganglion belegen sind, oder, im Gegentheil, ganz vereinzelt zwischen den Nervenfasern des Stämmehens eingelagert sich vorfinden und mehr oder weniger weit von anderen Zellen und den Ganglien abstehen; nicht selten sind sie in den Nervenästchen eingeschlossen, welche die Arterien der Gallenblase umflechten. Was diejenigen Zellen betrifft, welche nahe bei einander belegen sind, so gehen die Protoplasmafortsätze je nachdem, ob zu dem Bestande einer solchen, gleichsam, Zellenkette 2 oder eine grössere Anzahl, 3—4, Zellen gehören, entweder nur von den einander zugewandten Polen der Zellen aus, oder eine solche Art und Weise des Hervorgehens der Fortsätze ist nur den Zellen eigen, welche die Enden der gegebenen Kette einnehmen, wäh- rend die übrigen, zwischen ihnen eingeschlossenen Zellen die Fortsätze von allen Seiten oder von beiden Polen aus entsenden (Fig. 9). Wie in diesem, so in jenem Falle theilen sich die 328 A.S. Dogiel: Fortsätze allmählich, gehen einander entgegen, verflechten sich darauf mit einander und bilden ein Geflecht. Viel schwieriger ist die Entscheidung der Frage über das Verhalten der Proto- plasmafortsätze derjenigen Zellen, welche ganz isolirt und dabei von anderen ähnlichen Zellen oder Ganglien entfernt liegen. Wie zum Theil bereits oben bemerkt, befinden sich diese Zellen ent- weder zwischen den Fasern irgend eines Nervenstämmcehens, oder sie liegen nur dem letzteren an, oder, endlich, sie lagern sich an den Stellen des Zusammentreffens einiger, 2—3—4, feiner Stämmehen. Nur bei intensiver und vollständiger Färbung sowohl der Fasern, welche die Nervenstämmechen bilden, als auch der Protoplasmafortsätze der Zellen, gelingt es diese zu beobachten und ihren ganzen Verlauf oder wenigstens eine gewisse Strecke desselben zu verfolgen. Die Protoplasmafortsätze nehmen am häufigsten in den be- schriebenen Zellen, welche meistentheils eine spindelförmige oder ovale Gestalt haben, ihren Anfang und zwar in einer Anzahl von 1—2—3 von jedem Pol der Zelle, wonach bald alle oder nur einige von ihnen in einzelne mehr oder weniger feine, glatte oder varieöse Fäden zerfallen, welche ihrerseits wiederum von sich aus zuweilen 2—3 sehr feine varicöse Fädchen abgeben (Fig.13). Gewöhnlich verlaufen die aus der Theilung der Proto- plasmafortsätze entstandenen Fäden nach der Seite, welcher die Pole der Zelle zugewandt sind, d. h. nach zwei einander ent- gegengesetzten Riehtungen, aber zuweilen sondert sich irgend ein Fädehen von einem aus der Seite eines Pols der Zelle aus- gchenden Fortsatze ab und verläuft dann zusammen mit den Fortsätzen, welche vom andern Pol aus ihren Anfang nehmen (Fig. 13). Ferner geht oft sowohl aus dem einen, wie auch aus dem anderen Pol der Zelle ein mehr oder weniger feiner Fortsatz aus und jeder derselben verläuft zusammen mit den Nervenfasern des gegebenen Stämmchens, erscheint glatt oder varicös und unterliegt, so weit er sich im Stämmchen verfolgen lässt, keiner Theilung (Fig. 13). Zuweilen liegen einem der Fortsätze einer solehen bipolaren Zelle in einer gewissen Entfernung von ein- ander vertheilte Kerne spindelförmiger Zellen an, in Folge dessen dieser Fortsatz unzweifelbar den Charakter eines Axeneylinder- fortsatzes erhält (Fig. 13 a‘). FE u Zur Frage üb. d. fein. Bau d. sympatlı, Nervensystems b. d. Säugeth. 329 Ueberhaupt kann man unter günstigen Umständen viele der beschriebenen Fortsätze eine beträchtliche Streeke weit verfolgen, aber wegen ihrer Feinheit und Glätte gleichen sie so sehr den Nervenfasern, mit denen zusammen sie im Stämmcehen verlaufen, dass es in einer gewissen Entfernung von der Zelle fast unmög- lich ist, sie von den Fasern selbst zu unterscheiden. Nur wenn man sich von der unmittelbaren Verbindung der Fasern mit dem Zellkörper überzeugt hat, ist man im Stande über ihren eigent- lichen Charakter zu urtheilen. Was die Zellen anbetrifft, welehe sich an den Vereinigungs- stellen einiger Stämmehen befinden, so gehen von ihnen 2—3—4 und mehr Fortsätze aus, wobei, so viel ich beobachten konnte, in jedes einzelne Stämmchen ein oder mehrere solcher Fortsätze eintreten. Wohin die Fortsätze der beschriebenen Zellen sich begeben und wie sie endigen, desgleichen ob dieselben alle, mit Ausnahme eines einzigen, zu den Protoplasmafortsätzen gehören, oder ob sie im Gegentheil alle ohne Ausnahme zu den Axencylinderfort- sätzen zu rechnen sind, — eine Antwort auf diese Fragen ist beim Studium der einzelnen Zellen, welche sich in grösserer Ent- fernung von anderen Zellen befinden, schwierig. In Anbetracht dessen, dass die in Rede stehenden Zellen sich nur durch ihre isolirte Lage von anderen nahe bei einander liegenden Zellen und von solehen, welehe Ganglien bilden, unterscheiden, kann man fast mit Bestimmtheit behaupten, dass die Mehrzahl der Fort- sätze dieser Zellen, wie es in gleicher Weise in anderen sympathischen Zellen stattfindet, denCharakter von Proto- plasmafortsätzenhaben, währendeiner derselben sich wie ein Axeneylinderfortsatz verhält. Aber in Folge der ausnahmsweisen Lage der Zellen selbst müssen ihre Protoplasmafortsätze nothwendigerweise zuvor eine ziemlich weite Strecke verlaufen, ehe sie dergleichen Fortsätze anderer ähnlicher Zellen oder Fortsätze von Zellen irgend eines Gang- lions erreichen, — alsdann zerfallen sie in einzelne Aestehen und verflechten sich mit ihnen. Für die Möglichkeit eines solchen Verhaltens spricht ferner einerseits das Vorhandensein von langen und kurzen Protoplasmafortsätzen, welche aus dem Bereiche eines Ganglions heraustreten und sich in benachbarten Ganglien verzweigen, anderseits — ihre Theilung und die häufige An- 330 A.8. Dogiel: wesenheit von besonders grossen, ein wenig abhgeplatteten varieösen Verdiekungen unregelmässiger Form, die den Protoplasmafortsätzen eigen zu sein pflegen. Zuweilen kann man ferner einzelne in der Nähe des Ganglions belegene Zellen antreffen, deren Proto- plasmafortsätze ihre Richtung zum Ganglion nehmen und sich schliesslich in ihm verzweigen. Wie mir scheint, ist m der Thatsache, dass die Körper der beschriebenen Zellen in gar keiner Beziehung zu den Protoplas- mafortsätzen anderer Zellen stehen, noch ein Beweis zu finden gegen die Meinung von Ramon y Cajal von der Bedeutung der pericellularen Nester, von denen der genannte Forscher an- nimmt, dass sie zur Associirung der einzelnen sympathischen Zellen mit einander dienen. Der Axencylinderfortsatz (Fig. 1, 3, 3, 4 6... 10 und 11) geht unmittelbar vom Zellkörper oder von einem der Protoplasmafortsätze der Zelle aus, wobei jede Zelle, wie Ramon y Cajal in einem seiner letzten Artikel ganz richtig bemerkt, nur einen solehen Axeneylinderfortsatz besitzt. In beiden Fällen nimmt der Fortsatz gewöhnlich seinen Anfang mit einer konusartigen Verdiekung, an deren Spitze er sich in einen mehr oder weniger dieken Faden — Remak’sche Faser — verwandelt. Die konusartige Verdiekung erscheint je nach der Färbungs- periode, in welcher sich die gegebene Zelle befindet, mehr oder weniger körnig, oder aber, falls sich die chromophilen Schollen im Zellkörper gefärbt haben, hat sie dieselbe Structur, wie die peripherische Schicht des Zellkörpers, d. h. es tritt in ihr die nieht gefärbte oder schwach gefärbte Grund- substanz, in welcher nur eine geringe Anzahl chromophiler Schollen vertheilt sind, deutlich her- vor (Fig. 14, a). Die letzteren haben meistentheils eine un- bedeutende Grösse, eine runde, ovale oder spindlige Form und sind in der ganzen Verdiekung zerstreut; oft liegen einige Schollen an der Basis der Verdiekung und andere, in der Anzahl von 1—2, nehmen Platz in deren Spitze, daher dieselbe in solchen Fällen dunkelviolett gefärbt erscheint. In seinem weiteren Ver- lauf färbt sich der Axeneylinderfortsatz gewöhnlich mehr oder weniger dunkelviolett, resp. blau, wobei ich bei starken Immer- ren Zur Frage üb. d. fein. Bau d. sympath. Nervensystems b. d. Säugeth. 331 sionen in ihm die Anwesenheit nicht scharf eontourirter, sehr feiner Fädchen beobachten konnte. Der Axeneylinderfortsatz, welcher gleich den Protoplasma- fortsätzen von der peripherischen Schicht ‚des Zellkörpers aus anfängt, ragt oft mit seiner helleren Basis gleichsam in den intensiver gefärbten Centraltheil des Zellkörpers ein wenig hinein. In Anbetracht dessen, dass dasselbe, wie oben bemerkt, auch in Bezug auf die Basis der Protoplasmafortsätze der Zelle der Fall ist, so kann man dieser Erscheinung nicht diejenige Be- deutung geben, welche ihr Schaffer!), Lenhossek?) und andere Forscher, welehe die Structur der Zellen des Central- nervensystems nach der Methode Nissl’s untersucht haben, zu- schreiben. In dieser Beziehung, wie auch hinsichtlich des Um- standes, dass in der konusartigen Verdickung des Axeneylinder- fortsatzes, wie auch in den Protoplasmafortsätzen, chromophile Schollen Platz greifen, stimmen meine Beobachtungen mit denen der soeben genannten Forscher nicht überein. In den grossen Ganglien windet sich der Axeneylinderfort- satz, je nach der Lage der Zelle, von welcher er ausgeht, in geringerem oder stärkerem Grade zwischen den einzelnen Zellen und tritt dann in eins von den mit dem betreffenden Ganglion in Verbindung stehenden Nervenstämmehen ein (Fig. 2 und 10); in demselben kann man ihn oft sehr weit weg von der Zelle ver- folgen. Zuweilen gelingt es zu beobachten, wie dieser oder jener Axencylinderfortsatz, nachdem er sich vom Nervenstämmehen abgesondert hat, sich zur Wand einer Arterie begiebt und diese eine grosse Strecke weit begleitet. Gewöhnlich verlaufen die Axencylinderfortsätze, von den Zellen ausgehend, die zu einem und demselben Ganglion gehören, ohne Rücksicht auf die Grösse des letzteren, nach verschiedenen Richtungen und treten in ver- schiedene mit dem Ganglion in Verbindung stehende Nerven- stämmchen ein. Dasselbe kann man auch hinsichtlich des Ver- haltens des Axencylinderfortsatzes derjenigen Zellen, welche einzeln längs dem Verlaufe irgend eines Stämmehens und zudem in geringer Entfernung von einander belegen sind, sagen (Fig. 9). Ob der Axeneylinderfortsatz beim Hervorgehen aus dem betreffen- den Ganglion Collaterale abgiebt, oder nicht, in Bezug auf diese Melkine SANDY HER 332 A.S. Dogiel: Frage sagt A. v. Gehuchten, dass er die Gegenwart der- selben nicht bemerken konnte. M. Lenhossek weist in seiner Abhandlung darauf hin, dass es ihm gelungen ist in den Ganglien des Kaninchens zu bemerken, wie bisweilen vom Axencylinder- fortsatze, nicht weit von seinem Ursprunge sich ein Collateralast absonderte. Bei der Färbung der sympathischen Zellen mit Methylenblau kann man wahrnehmen, wie dieses in Fig. 6 ce, ce’ dargestellt ist, dassfastvon jeder konusartigenVerdickung, mit welcher der Fortsatz anfängt, oft eine Menge Seitenästehen verschiedenerDicke sich abtheilt; die letzteren haben ganz den Charakter von Protoplasmafortsätzen, werden oft, gleich diesen, Theilungen unterworfen und nehmen schliesslich mit denselben zugleich Antheil an der Bildung des allgemeinen Geflechts. In dieser Beziehung finden wir eine Aehnlichkeit zwischen den sympathischen Zellen und den Zellen des Centralnervensystems: hier wie dort unterscheiden sich die Aestchen, welche von den konusartigen Verdickungen, mit denen die genannten Fortsätze anfangen, ausgehen, in nichts von den Protoplasmafortsätzen. Aber ausser den soeben angeführten Aest- chen, sondert sich von dem Axencylinderfortsatz selbst, so lange er im Rayon des gegebenen Gang- lionsbleibt, zuweilen einegrössereoder geringere Anzahl äusserst feiner, varicöser Fäden ab, welche oft zwischen den Ganglienzellen in einige noch feinere Fäden zerfallen; diese sind bedeutend feiner als die Aestchen, welche von den konusartigen Verdiekungen aus ihren Anfang nehmen, und an den Stellen ihrer Absonderung vom Fortsatze beobachtet man oft dreieckige Erweiterungen (Fig. 6 B, ce‘). Die genannten Fäden gehören anscheinend zu den eigentlichen Colla- teralendesAxencylinderfortsatzes. In welcher Weise die beschriebenen Collateralen in den Ganglien endigen, — darüber kann ich einstweilen noch nichts sagen. In dem Falle, wenn der Axencylinderfortsatz seinen Anfang von einem der Protoplasmafortsätze der Zelle nimmt, sondert er sich von der Basis irgend eines Fortsatzes, oder von irgend einem der dieken Aestehen desselben ab, oder aber einer der Proto- plasmafortsätze entsendet vorzugsweise viele Aestehen zum ge- gebenen Ganglion und erreicht darauf die Peripherie des letzteren, Zur Frage üb. d. fein. Bau d. sympath. Nervensystems b. d. Säugeth. 333 wo er schliesslich, wie aus Figur 4 A ersichtlich, einen Axen- ceylinderfortsatz abgiebt. Zuweilen theilt sich von der Zelle nur ein mehr oder weniger dicker und kurzer Fortsatz ab, welcher bald in mehrere Aestchen zerfällt, von welchen ein Aestehen sieh darauf zum Axencylinderfortsatz gestaltet. Oft trifft man unter den sym- pathischen Zellen solehe mit zwei ziemlich dicken Fortsätzen an, die meistentheils von den Polen der gegebenen Zelle ausgehen; jeder dieser Fortsätze theilt sich in der Nähe der Zelle in einige Aestehen, von denen eins, aus der Theilung dieses oder jenes Fortsatzes entstanden, den Charakter eines Axeneylinderfortsatzes annimmt, in irgend ein Nervenstämmcehen eintritt und in dem- selben eine lange Strecke weit verfolgt werden kann. Von der Spitze der konusartigen Verdickung angefangen, erscheint der Axenceylinderfortsatz als ein ziemlich dieker Faden oder als eine Faser, welche ihren Durchmesser eine beträchtliche Strecke weit nicht merklich verändert und von Methylenblau meistentheils ganz gleichmässig gefärbt wird; nur sehr selten und bei sehr günstiger Färbung konnte ich beobachten, dass in den Bestand einer solchen Faser äusserst feine Fibrillen eintreten, welehe nicht besonders scharf hervortreten, wahrscheinlich in Folge dessen, dass sie eine unbedeutende Quantität Interfibrillar- Substanz enthält. Die Dicke des Fortsatzes steht bis zu einem gewissen Grade in direetem Verhältnisse zur Grösse der Zelle selbst, von welcher er ausgeht und erreicht annähernd 0,0021— 0,0014 mm. In den verhältnissmässig sehr kleinen Ganglienzellen der Darmgeflechte erscheint der Axenceylinderfortsatz, wie weiter- hin gesagt werden wird, als äusserst feiner Faden. Soviel ich mich sowohl an mit pikrinsaurem Ammoniak fixirten, wie an ganz frischen Präparaten überzeugen konnte, erscheint der Axeneylinderfortsatz ganz glatt und nur in seltenen Fällen kann man an ihm das Vorhandensein von kleinen spindel- förmigen Verdickungen, welche an Varicositäten erinnern, bemerken (Fig. 1, 2 u. s. w.). Diesen Charakter behält er nicht selten sowohl bei seinem Verlauf innerhalb der Nervenstämmchen, als auch ausserhalb derselben und bis fast dicht zu seinen End- verzweigungen bei. Allein nicht immer ist es so leicht einen . Axencylinderfortsatz von Protoplasmafortsätzen einer sympathischen Zelle zu unterscheiden. Auf Schwierigkeiten in der Bestimmung 334 A.S:Dogiel: des Charakters der Fortsätze stossen wir bei der Untersuchung der Fortsätze solcher Zellen, welche sich völlig isolirt von anderen Zellen in den Nervenstämmchen vorfinden. Zur Unterscheidung eines Axencylinderfortsatzes von Protoplasmafortsätzen in Zellen solcher Art dient uns, wie bereits oben gesagt, die charakteri- stische Eigenheit der letzteren, dass sie häufig nach Zurücklegung einer gewissen Strecke sich theilen und mit varieösen Verdiekungen von unregelmässiger Form besetzt erscheinen; aber in einigen Fällen können diese Kennzeichen in Bezug auf die Protoplasma- fortsätze der bezeichneten Zellen fehlen, — alsdann ist es uns nicht mehr möglich den Charakter der Fortsätze zu bestimmen. Ausserdem trifft man zuweilen, vorzugsweise in den grossen Gang- lien, auch Zellen an, von welchen einige lange Protoplasmafort- sätze ausgehen (Fig. 7), wobei sowohl die Fortsätze selbst, als auch die aus ihrer Theilung entstandenen Aestchen vollständig glatt oder mit einer sehr beschränkten Anzahl varieöser Ver- diekungen : besetzt erscheinen. Sie unterscheiden sich von den Axencylinderfortsätzen nur dadurch, dass sie sich meistentheils in den Grenzen des gegebenen Ganglions theilen und auch en- digen, während der Axencylinderfortsatz ohne sich zu theilen aus dem Ganglion heraustritt, worauf man ihn dann in grösserer oder geringerer Ausdehnung in irgend einem mit dem Ganglion in Verbindung stehenden Nervenstämmchen antreffen kann. In dem Falle, dass sich nur derjenige Abschnitt des Axeneylinder- fortsatzes färbt, welcher sich im Ganglion befindet und sich ferner noch Seitenästehen von ihm absondern, schwindet in den be- schriebenen Zellen fast jeder Unterschied zwischen ihm und den Protoplasmafortsätzen. Dank dem Umstande, dass sich durch das Methylenblau oft im allgemeinen die Kerne vieler Zellen, nicht nur der Nerven- zellen, sondern, auch anderer, — Bindegewebszellen u. 8. w. — färben, fällt es nicht schwer zu beobachten, dass dem Axen- eylinderfortsatze ovale Kerne anliegen, welche schwächer gefärbt erscheinen, als der Fortsatz selbst: und daher mit genügender Deutlichkeit hervortreten. Sie sind mehr oder weniger von ein- ander entfernt und gehören, wie dieses aus Fig.6, A ersichtlich ist, nicht allen zu dem der Zelle am nächsten belegenen Abschnitt (les genannten Fortsatzes, sondern finden sich auch im ganzen ferneren Verlauf desselben. Zuweilen kann man beobachten, Zur Frage üb. d. fein. Bau d. sympath. Nervensystems b.d. Säugeth. 335 dass dieser oder jener Kern sich mit einer feinen Protoplasma- schieht umgiebt, die sich an den Polen des Kerns in einen feinen Fortsatz in die Länge zieht, in Folge dessen das ganze Gebilde eine spindelförmige Gestalt erhält, d. h. in der That als eine Zelle erscheint. Ob nun die bezeichneten spindelförmigen Zellen zur Sch wann’schen Scheide gehören, oder ob sie dem Axen- eylinderfortsatz selbst unmittelbar anliegen, das zu entscheiden ist bei Benutzung von mit Methylenblau gefärbten Präparaten sehr schwierig. Unzweifelhaft gewiss ist nur, dass dem Axen- eylinderfortsatz in seinem ganzen, oft beträchtlich weiten Verlauf eigenthümliche, etwas abgeplattete Zellen anliegen, welche in ziemlich geringer Entfernung von einander angetroffen werden. Was die Frage betrifft, ob die Axeneylinderfortsätze der Zellen eine Markscheide erhalten, muss ich bemerken, dass ich beim Durchsehen von Hunderten von Präparaten nicht ein ein- ziges Mal beobachten konnte, dass irgend ein Axeneylinderfort- satz irgend einer in der Gallenblasenwand eingelagerten sym- pathischen Zelle eines Ganglions früher oder später eine Mark- scheide erhalten hätte; stets erschien er, so weit ich ihn im Nervenstämmcehen verfolgen konnte, als marklose Rema k’sche Faser. Die markhaltigen Fasern, welche in den Stämmehen ent- halten waren, endigten entweder gewöhnlich in den Ganglien, oder sie treten nach Zurücklegung einer gewissen Strecke aus den Nervenstänmehen heraus und begaben sich darauf zu den Gefässen. Kölliker!) sagt in seiner Anmerkung über die Remak’schen Fasern der Milz, dass die bezeiehneten Fasern aus feinen Fibrillen, eigentlich nackten Axencylindern bestehen, in der 6. Auflage seines Lehrbuch der Histologieaber bemerkterhinsichtlichderRemak’schen Fasern unter anderem Folgendes: „dagegen sind die unverästelten , Fortsätze dieser Zellen, wie ich selbst, Ramon, v. Gehuchten und Sala gefunden haben, unzweifelhaft nervöse Fortsätze und von diesen ist die Annahme wohl begründet, dass jede derselben in ene Remak'’sche Fibrille übergehe“. Die Benennung „Re- mak’sche Fibrille*, welehe Kölliker dem Axeneylinderfort- 1) A. v. Kölliker: Verhandl. d. Anatom. Gesellschaft auf der sechsten Versammlung in Wien, 7.—9. Juni, 1892; Handb. d. Gewebe- lehre, 6. Aufl. Bd. II, p. 36. Archiv, f. mikrosk. Anat. Bd. 46. 22 336 A.S. Dagiel: satze der sympathischen Zellen giebt, scheint mir, so weit ich nach eigenen Beobachtungen schliessen kann, nicht ganz glück- lieh und der Wirklichkeit wenig entsprechend zu sein. Mit der Bezeichnung „Fibrille* sind wir in der Histologie gewohnt die Vorstellung von äusserst feinen Fädchen zu verbinden, aus welchen im Nervengewebe z. B. die Endverzweigungen sowohl der Protoplasma- als auch der Axeneylinder-Fortsätze der Zellen bestehen. Was den Axencylinderfortsatz der sympathischen Zellen anbetrifft, so erscheint er überhaupt durchaus nicht als eine solche äusserst feine Fibrille, — im Gegentheil, seine Dicke ist oft nieht geringer als die eines ähnlichen Fortsatzes vieler grossen Zellen des Centralnervensystems und besteht scheinbar selbst aus feinen Fibrillen. Sogar die sehr feinen Axencylinderfortsätze der Zellen der Auerbach'schen und Meissner’schen Geflechte er- scheinen nicht so sehr fein, dass sie die Bezeichnung Fibrillen verdienen. Deshalb muss man unter einer Remak’schen Faser nicht ein Bündel Remak’scher Fibrillen, resp. Axeneylinder- fortsätze der Zellen im Sinne Kölliker's, sondern einen ab- gesonderten Axeneylinderfortsatz der sympathischen Nervenzelle verstehen. Die Nervenfasern, welche in den Ganglien endigen, gehören, wie die BeobachtungenKöllikers,Ramon y Cajals, vv Gehuchten’s, L. Sala und And. gezeigt haben, zu den sympathischen markbaltigen und marklosen Fasern und zu den Fasern des Centralnervensystems, die von den vorderen Wurzeln des Rückenmarks, vom IX, X und XI Paar der Kopf- nerven ausgehen und als Lenhossek’scheFasern mit den sensiblen Wurzeln laufen. Ich habe bereits oben bemerkt, dass man bei Färbung der Nerven mit Methylenblau in den Nervenstämmchen ausser den Remak’schen Fasern ohne Mühe noch das Vorhandensein von markhaltigen Fasern beobachten kann, von welchen einige nach Zurücklegung einer gewissen Strecke aus den Stämmchen her- vortreten und sich zu den Gefässen der Gallenblase begeben, andere aber in den Stämmehen verbleiben, allmählich ihre Mark- scheide verlieren und dann, sich von Remak’schen Fasern fast nicht unterscheidend, zu diesem oder jenem Ganglion ver- laufen, wo sie endigen. Von den in den Ganglien endigenden Fasern, wie dieses auch in Bezug auf die sich zu den Blut- Zur Frage üb. d. fein. Bau d. sympath. Nervensystems b. d. Säugeth. 33% gefässen der Gallenblase begebenden Fasern der Fall ist, theilen sich unterwegs markhaltige und marklose Aestehen ab, die zu- sammen mit den Fasern, denen sie ihren Ursprung verdanken, zu den Ganglien verlaufen. Ferner existiren, wie ich oben bereits bemerkte, ausser den in die Ganglien eintretenden und in ihnen endigenden markhaltigen Fasern noch solche, welehe durch die Ganglien nur hindurchgehen und dabei ihren Charakter nicht ändern, d. h. sie behalten ihre Markscheide bei, und an ihnen sind die Ranvier’schen Einschnürungen deutlich sichtbar; der- gleichen Fasern trifft man anscheinend nur in sehr beschränkter Anzahl an. In Anbetracht dessen, dass die sympatischen Fasern, welche von den Ganglienzellen der Gallenblase ausgehen, so viel ich sie in den Stämmchen beobachten konnte, in ihrem ganzen Verlauf marklose Remak’sche Fasern verbleiben, muss man noth- wendigerweise anerkennen, dass alle in den Nervenstämmchen der Gallenblase enthaltenen markhaltigen Fasern nicht von den in diesem Organ eingelagerten Ganglien, sondern viel weiter her ihren Anfang nehmen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass einige von ihnen (die feinen Fasern) zu den markhaltigen sympathischen Fasern gehören, andere aber (die dieken markhaltigen Fasern) aus den Zellen des Centralnervensystems entspringen, wobei so- wohl diese wie jene Fasern zusammen mit den aus dem Plexus coeliacus hervorgehenden Remak schen Fasern, die in die Gallen- blase eintretenden Nervenstämmcehen bilden. Da die in den Ganglien endigenden markhaltigen Fasern meistentheils ihre Markscheide in sehr weiter Entfernung von den Ganglien, in welchen sie sich verzweigen, verlieren, so er- scheinen fast alle Fasern, welche in dieses oder jenes Ganglion eintreten, als marklose Fasern. Wenn man solche Fasern in der Nähe der Ganglien und in gewisser Entfernung von letzteren be- obachtet, so kann man leicht bemerken, dass sie eine verschie- dene Dicke besitzen: die einen sind ziemlich diek, andere da- gegen feiner, noch andere endlich haben das Aussehen feiner varieöser Fäden, wobei vielen der genannten Fasern Zellen mit ovalen Kernen anliegen. Zufolge des soeben angeführten Um- standes ist es ziemlich schwer in der Nähe der Ganglien den Charakter der in letzteren endigenden Fasern zu bestimmen und zu entscheiden, welche von ihnen zu den markhaltigen Fasern, 338 A. S. Dogiel: die ihre Markscheide nur verloren haben und zu den aus ihrer Theilung entstandenen marklosen Aestchen gehören, und welche von ihnen zu den eigentlichen Remak’schen Fasern zu zählen sind. Wenn man aber das Präparat verschiebt und den Verlauf solcher Fasern in den Stämmcehen genau beobachtet, so kann man oft viele Fasern bis dicht an diejenige Stelle verfolgen, wo sie ihre Markscheide wieder erhalten und auf solche Weise con- statiren, dass sie zu den markhaltigen Fasern gehören. Die übrigen in den Ganglien endigenden Fasern erscheinen sogar in bedeutender Entfernung von letzteren als marklose Fasern und gleichen ganz den Remak’schen Fasern. Wenn man in Betracht zieht, dass viele markhaltige Fasern, nachdem sie ihre Mark- scheide verloren haben und bevor sie in dieses oder jenes Ganglion eintreten, darauf in den Stämmchen einen sehr langen und com- plieirten Verlauf nehmen, wobei sie unterwegs marklose Aestchen abgeben, so wird es verständlich, dass man sogar hinsichtlich derjenigen Fasern, welche in bedeutender Entfernung von den Ganglien den Charakter markloser Fasern bewahren, nicht mit Bestimmtheit behaupten kann, ob sie zu den Remak’schen Fasern gehören oder nicht. Jedenfalls ist in Bezug auf die in den Ganglien der Gallen- blase endigenden Fasern einstweilen nur soviel gewiss, dass einige von ihnen zu den markhaltigen Fasern verschiedener Dicke ge- hören, andere aber als marklose Fasern und feine varicöse Fäden erscheinen. Soviel ich beobachten konnte, winden sich die feineren der soeben bezeichneten markhaltigen und marklosen Fasern, nach- dem sie in ein Ganglion dureh dessen Pole eingetreten, auf ver- schiedene Weise zwischen den sympathischen Zellen und auf . der Oberfläche des Ganglions selbst, wobei sie während ihres Verlaufs feine Seitenästehen abgeben und, eine weitere oder kürzere Strecke zurücklegend, schliesslich selbst in einige feine Aestehen zerfallen (Fig. 10 und 11). Sowohl die Seiten- als auch die Endästehen theilen sich allmählich in eine grosse An- zahl feiner Fäden, die sich mit einander, so wie mit den Aest- chen und Fäden, welehe aus der Theilung anderer dergleichen Fasern entstanden sind, nach verschiedenen Richtungen hin durehkreuzen und schliesslich in eine unzählbare Menge ihrer- seits sich wiederum theilender unendlich feiner Fädchen zerfallen. Zur Frage üb. d. fein. Bau d. sympath. Nervensystems b. d. Säugeth. 339 Letztere verbreiten sich in den Zwischenräumen zwischen den sympathischen Zellen und auf der Oberfläche von deren Kapsel und bilden im ganzen Ganglion und an dessen Peripherie ein allgemeines, äusserst dichtes Geflecht (Fig. 11). Die einzelnen Fädehen des beschriebenen Geflechts liegen unmittelbar nur den Protoplasmafortsätzen der Zellen an, kommen aber nicht in direete Berührung mit den Körpern der Zelle selbst, von wel- cher sie deren Kapsel absondert. Alle Fäden des Geflechts sind mit einer Menge kleiner varieöser Verdiekungen von runder oder ovaler Form besetzt, in Folge dessen bei Färbung eimer mög- lichst grossen Anzahl der Fäden des Geflechts, das ganze Ganglion, wenn man es durch schwache Objective betrachtet, oft wie von einer unzählbaren Menge kleiner gefärbter Körnehen durchsetzt erscheint. Da das genannte Geflecht mit *den Körpern der Ganglienzellen in keiner unmittelbaren Beziehung steht, so kann man es intercellulares Geflecht nennen. Aber nicht alle centrifugalen Fasern endigen mit einem intercellularen Geflecht: neben ihnen tritt in jedes Ganglion eine kleine Anzahl verhältnissmässig dicker Fasern ein, welche in grösserer oder geringerer Entfernung vom Ganglion sich mit einer Markhülle umgeben und auf solche Weise zu den mark- haltigen Fasern gerechnet werden müssen. Sie winden sich zwischen den Ganglienzellen und geben gleich den Fasern der ersteren Art Collaterale ab, worauf sie, allmählich dünner wer- dend, in einige Aestchen zerfallen. Die aus der Theilung jeder solcher Faser im Ganglion entstandenen Aestchen treten zu den sympathischen Zellen (je ein bis zwei zu jeder Zelle) heran, dringen durch deren Hülle, legen sich eng an die Zellen selbst an und machen zuweilen um dieselben eimige Züge. Die ge- nannten Aestchen zerfallen, sich an der Oberfläche der Ganglien- zellen windend, allmählich in mehr oder weniger feine Fäden, welche oft auf's neue einer Theilung unterworfen werden, sich mit einander und mit anderen ähnlichen Fäden, die anderen der- gleichen Fasern angehören, verflechten und um jeden Zellkörper ein pericellulares Geflecht bilden (Fig. 12); dasselbe liegt unmittelbar der Oberfläche der Ganglienzelle an und befindet sich, wie mir scheint, zum Unterschiede von dem intercellularen Geflecht nicht über, sondern unter der Zellenhülle. Ausserdem haben die Fäden der pericellularen Geflechte eine bedeutend grössere Dicke, 340 A.S. Dogiel: als die unendlich feinen Fädchen des intercellularen Geflechts und sind mit grossen Varicositäten von runder, ovaler oder un- regelmässiger Form besetzt, wie dieses besonders deutlich an den grossen sympathischen Ganglien (dem Gangl. stellatum u. and.) und in den Ganglien der Darmgeflechte wahrnehmbar ist. Zufolge dessen, dass die Fasern der zweiten Art in den Ganglien Collaterale abgeben, nimmt jede einzelne Faser, je nach der Anzahl der abgegebenen Collateralen, Antheil an der Bildung einiger oder vieler pericellularer Geflechte; soviel ich beobachten konnte, besteht jedes Geflecht seinerseits wiederum grösstentheils aus Fäden, welche nicht allein einer, sondern mehreren centri- fugalen Fasern der zweiten Art angehören. Was die Ganglienzellen anbetrifft, welchen man längs dem Verlaufe der Nervenstämmehen entfernt von anderen ähnlichen Zellen begegnet, so konnte ich zuweilen wahrnehmen, dass sie zu den centrifugalen Fasern in derselben Beziehung stehen, wie die einzelnen Zellen, welche zum Bestand der Ganglien gehören. Gewöhnlich treten an eine solche Zelle einige feine Fasern oder varicöse Fäden heran, welche in einer gewissen Entfernung von der Zelle in eine Menge äusserst feiner varicöser Fädchen zer- fallen, die den der Zelle zunächst liegenden Abschnitt der Proto- plasmafortsätze und die äussere Oberfläche der Zellkapsel wie mit einem Spinngewebe umgeben. Dabei kann man zuweilen beobachten, dass ausser dem auf der Zellenhülle belegenen Ge- flecht unter dieser Hülle noch ein anderes Geflecht vorhanden ist, das aus dicken varicösen Fäden besteht. | Der Charakter der Fäden, welche das intercellulare und die pericellularen Geflechte bilden, die verschiedene Lage und das damit verbundene Verhalten zu den Zellen der Geflechte selbst weisen darauf hin, dass die centrifugalen Fasern, welche an der Bildung jedes Geflechtes Antheil nehmen, nicht ein und denselben Ursprung haben. Zu Gunsten dessen spricht auch die verschiedene Dicke der Fasern, welche mit den genannten Ge- flechten endigen und der Umstand, dass die dünnen markhaltigen Fasern stellenweise ihre Markscheide verlieren, was bekanntlich meistens den sympathischen Fasern eigen ist. Dass zweierlei Arten von centrifugalen Fasern existiren, dazu sind, wie bereits oben erwähnt, Beobachtungen vorhanden, freilich noch lange nicht hinreichende, auf Grund derer man mit Zur Frage üb. d. fein. Bau d. sympath, Nervensystems b. d. Säugeth. 341 Bestimmtheit voraussetzen könnte, dass die einen der Fasern zu den direct motorischen sympathischen, die anderen aber zu den Fasern des Cerebrospinalsystems gehören; die Endverzweigungen dieser wie jener Fasern umflechten die Ganglienzellen. Nach den Beobachtungen M. Lenhossck’s endigen die spinalen Fasern in den sympathischen Ganglien auf zweierlei Art: durch einfache Verzweigungen und unter Bildung von typischen Endkörben um die sympathischen Zellen herum. In welcher Beziehung die von zweierlei Art centrifugaler Fasern gebildeten pericellularen Geflechte zu einander und zu den sympathischen Zellen stehen, ob sie eine und dieselbe Zelle oder verschiedene Zellen umflechten und ob zwischen ihnen irgend ein Unterschied besteht u. s. w. — in dieser Hinsicht waren unsere Kenntnisse noch unzureichend. Meine eigenen Untersuchungen über die sympathischen Ganglien der Gallenblase und, wie im Verlaufe dieses Artikels gesagt werden wird, über die Ganglien der Darmgeflechte und die Grenzstrangganglien führen mich zu dem Schluss, dass die feinen Fasern, welehe in den Ganglien mit inter- cellularem Geflechte endigen, zu den sympathi- schen, augenscheinlich vorzugsweise markhal- tigen Fasern gehören, die dieken Fasern aber, deren Endverzweigungen in den Ganglien peri- cellulare Geflecehte bilden, zu den markhaltigen Fasern zu rechnen sind, welehe aus dem Cerebro- spinalsystem entspringen. Zwischen den Endverzweigungen der Fasern des sympathi- schen und des cerebrospinalen Nervensystems existirt, wie aus oben angeführter Beschreibung hervorgeht, ein scharfer Unter- schied: die ersteren bestehen aus unendlich feinen, varieösen Fädehen, welche zwischen den Ganglienzellen belegen, von jeder Zelle durch deren Kapsel gesondert sind und in den Ganglien ein intercellulares Geflecht bilden, welches letztere mittels Contaets in enge Beziehung zu den Protoplasmafortsätzen der Zellen tritt. Die zweiten dagegen, d. h. die Endverzweigungen der Fasern des Cerebrospimalsystems, bestehen aus dicken Fäden, welche mit grossen Varieositäten besetzt sind und die Körper der Ganglienzellen umflechten, indem sie sich unter der Zellkapsel befinden, wodurch sie sich von den Fäden der intercellularen 342 A.S. Dogiel: Geflechte unterscheiden. Ob nun alle sympathischen Zellen eines jeden Ganglions von einem solchen Pericellulargeflecht umgeben sind, oder ob dieses nur bei einigen von ihnen der Fall ist, das kann ich augenblicklich noch nicht entscheiden. Neuroglia. Ausser den Nervenelementen gehören zum Bestand der Ganglien des Sympathieus (Gangl. cervie. sup.), wie die Beobachtungen R. y Cajal’s gezeigt haben, noch besondere, bald spindelförmige, bald sternförmige Zellen, welche R. y Cajal als zu den Zellen der Neuroglia gehörig ansieht. | Ungeachtet dessen, dass die Zellen der Neuroglia, so viel ich mich aus zahlreichen in. dieser Richtung gemachten Unter- suchungen überzeugen konnte, durch Methylenblau überhaupt nicht gefärbt werden, mit alleiniger Ausnahme der Zellen des Ependyms, welche sich nur in seltenen Fällen und bei langan- dauernder Einwirkung des Färbemittels tingiren, verhalten sich die von R. y Cajal beschriebenen Zellen zum Methylenblau anders und erhalten im Gegentheil zuweilen eine mehr oder weniger intensive Färbung. Im Fall der Färbung dieser Zellen ist es nicht schwer zu beobachten, dass sie eine sternförmige Gestalt haben, wobei von den Winkeln jedes Zellkörpers oft ziemlich lange und wiederholt sieh theilende Fortsätze ausgehen (Fig. 15). Der Zellkörper schliesst einen Kern von runder oder ovaler Form ein und erscheint ebenso wie die vom Zellkörper ausgehenden Fortsätze mehr oder weniger abgeplattet. Gewöhnlich lagern sich die bezeichneten Zellen in den Ganglien derart, dass 2—3 Zellen der äusseren Oberfläche der Kapsel jeder einzelnen sympathischen Zelle anliegen und, sich mit ihren Fortsätzen verflechtend, diese Kapsel umgeben (Fig. 15). Zuweilen begeben sich die Fortsätze einer und der- selben Zelle zu den Kapseln einiger benachbarter Ganglien- zellen. Ausserdem muss ich noch bemerken, dass sich in einigen Fällen gleichzeitig mit den sympathischen Zellen auch Kerne runder oder ovaler Form färben, welche wie kleine Kronen um diesen oder jenen Zellkörper vertheilt sind und mehr oder weni- ger in die Seite der Zelle hineingepresst sind, in Folge dessen sich auf deren Oberfläche kleine Vertiefungen bilden (Fig. 2). Die genannten Kerne gehören wahrscheinlich den flachen Zellen Zur Frage üb. d. fein. Bau d. sympath. Nervensystems b. d. Säugeth. 343 an, mit welehen die innere Oberfläche der Ganglienzellen-Kapsel bedeckt zu sein pflegt. Oft diffundirt die Methylenblaulösung bei intensiver Färbung von den sympathischen Zellen aus unter die Kapsel, welche jede Zelle umgiebt und rückt sie stellenweise von dem Zellkörper fort, wodurch es den Anschein gewinnt, als ob von der Zelle eine Menge kurzer Fortsätze — Zapfen — ausgehen, oder, anders ausgedrückt, die Zelle gewährt den Anblick, wie sie ihn oft nach Einwirkung verschiedener anderer Reagentien in be- kannter Weise darbietet. Was die Natur der obengenannten flachen Zellen betrifft, welehe R. y Cajal den Zellen der Neuroglia zuzählt, so scheint es mir, dass man sie nicht zu den eigentlichen Zellen der Neu- roglia rechnen darf, welche sich mit Methylenblau nicht färben, sondern eher zu den Zellen bindegewebiger Natur, analog z. B. den sternförmigen Zellen, welehe der Membr. propria der End- drüsenschläuche vieler Drüsen anliegen; wie meine Beobach- tungen gezeigt haben, werden diese zuweilen ebenfalls durch Methylenblau gefärbt. Alle Zeichnungen sind von mir mittelst einer Camera lucida ge- fertigt worden, wobei ich mich bestrebt habe, das mikroskopische Bild der Präparate so genau als möglich wiederzugeben. Die Mehrzahl der Präparate ist zur Vermeidung unnöthiger Grösse nach Obj. 4 u. 6 Reichert’s aufgenommen, aber zuvor wurde jedes Präparat durch starke Objective (Zeiss Apochr. 4,0, Apert. 0,95, Oec. 6 und !/» Homog. Immers.) betrachtet. Fig. 1. A sympathische Zellen, welche im Centraltheil eines Ganglions liegen; B sympathische Zellen, welche an einem Pol eines anderen, dem gegebenen benachbarten, Ganglions belegen sind; a) Axeneylinder- und b Protoplasma-Fortsätze der Zellen. Die einen der Protoplasmafortsätze der Zelle A bilden peri- cellulare Geflechte, die anderen aber nehmen zusammen mit einigen Fortsätzen der Zellen B Antheil an der Bildung des allgemeinen Geflechts. Hund. Obj. 6 Reichert's. Ein Ganglion, in welchem sich einige Zellen mehr oder weniger intensiv gefärbt haben, andere aber ganz ungefärbt geblieben sind. «a Axencylinderfortsatz; b Protoplasmafortsätze; ce Kerne der Zellenkapsel; d Nervenstämmehen. Hund. Obj. 6 Reichert’s. 344 Fig. Fig. Fig. Fig. A, 3. 10. 0 . 14. re , S. Dogiel: Zur Frage üb. d. fein. Bau d. sympath. Nervens. ete. Zwei Ganglien. a Axencylinderfortsatz; 'b Protoplasmafort- sätze der sympathischen Zellen; ce ein Protoplasmafortsatz, welcher aus einem Ganglion heraustritt und sich in einem ande- ren verzweigt; d Nervenstämmchen. Hund. Obj. 6 Reichert’s. A, B, Cu. D kleine Ganglien. « Axencylinderfortsatz; b Proto- plasmafortsätze, welche an der Peripherie jedes Ganglions ein Geflecht bilden; e sympathische Zellen. Hund. Obj. 6 Reichert’s. Ein pericellular Geflecht, welches durch die Protoplasmafort- sätze der Zellen gebildet ist. a sympath. Zellen; b Protoplasma- fortsätze. Hund. Obj. 8% Reichert’s. Au. B zwei Ganglien, in welchen sich nur einige der sym- pathischen Zellen gefärbt haben; «a Axencylinderfortsatz; b Protoplasmafortsätze; ce u. c’ Collateralen, welche von der konusartigen Verdickung und von dem Axeneylinderfortsatz selbst ausgehen. Hund. Obj. 6 Reichert's. Einzelne sympathische Zellen mit Axenceylinder- (a) und Proto- plasmafortsätzen (db). Hund. Obj. 6 Reichert’s. | Vier kleine Ganglien, welche nahe bei einander liegen; in jedem Ganglion hat sich nur eine Zelle mit allen ihren Fort- sätzen intensiv gefärbt. a Axencylinderfortsatz; 5b Proto- plasmafortsätze; c Nervenstämmchen; d eine einzelne Zelle, welche zwischen den Fasern eines Nervenstämmchens belegen ist. Hund. Obj. 4 Reichert’s. Einige Zellen, welche längs dem Verlaufe der Nervenstämmchen nahe bei einander liegen. a Axencylinderfortsatz; db Protoplas- mafortsätze; ce Nervenstämmehen. Hund. Obj. 4Reichert's. Ein Ganglion mit in ihm endigenden sympathischen (feinen) Fasern. «a marklose Fasern; b eine markhaltige Faser. Hund. Obj. 4 Reichert’s. A u. B zwei Ganglien, in welchen die sympathischen Fasern mit einem intercellularen Geflechte endigen. «a Marklose Fasern, welche an der Peripherie des Ganglions verlaufen; b eine Nervenzelle mit einem Axencylinderfortsatz ce und mit Protoplasmafortsätzen d. Hund. ÖObj. 6 Reichert’s. . Eine centrifugale Faser des Cerebrospinalsystems, deren End- verzweigungen pericellulare Geflechte bilden. Hund. Obj. 8% Reichert’s. . Einzelne Zellen, welche zwischen den Fasern der Nerven- stämmchen belegen sind. a Zellen-Fortsätze, von denen die a’ bezeichneten anscheinend zu den Axencylinderfortsätzen gehören; b eine markhaltige Faser. Hund. Obj. 6 Reichert's. Die Zelle eines Grenzstrangganglions vom Hunde. a Axen- cylinderfortsatz; b Protoplasmafortsätze; e Gruppen vom Körnchen und die zwischen ihnen vertheilte Grundsubstanz. Zeiss Apochr. 4,0 mm, Apert. 0,95, Oe. 6. Gliazellen der sympathischen Ganglien. Hund. Obj. 6 Reichert's, 345 Centrosom und Sphäre in den Spinalganglien- zellen des F'rosches'). Von M. v. Lenhossck in Tübingen. Hierzu Tafel XV und XVl. Als ich vor einigen Monaten meine im vorigen Sommer be- gonnenen und mit dem Beginn des Wintersemesters einstweilen zurückgelegten Untersuchungen über die Protoplasmastruktur der Nervenzellen wieder aufnahm, wurde meine Aufmerksamkeit sehr bald durch gewisse Bauverhältnisse in den Nervenzellen der Spinalganglien des Frosches gefesselt, die unverkennbar auf die Anwesenheit von derartigen Bildungen in diesen Zellen hinwiesen, wie sie als Centrosom und Sphäre in manchen anderen Zellen in den letzten Jahren nachgewiesen worden sind. Die Wahrnehmungen, die mich zur Annahme solcher Zellbestand- theile hinleiteten, waren folgende: Zunächst fiel die konstant sehr stark excentrische Lage des Kerns auf. Noch mehr überraschte die Beobachtung, dass der Kern an seiner dem Haupttheil des Zellkörpers zugewandten Seite in zahlreichen Fällen eine kleine Abplattung oder eine napfartige Vertiefung erkennen liess, ein Verhalten, das bisher trotz ge- nauer Untersuchungen über die fraglichen Zellen gänzlich über- sehen worden war. Mir selbst war dieses Strukturdetail unbe- kannt geblieben, obgleich ich im Jahre 1885?) die Spinalganglien des Frosches einer genauen Untersuchung unterzogen hatte, wo- für ich die damals von mir benützte Methode (Osmiumbehandlung) verantwortlich machen möchte. Musste diese Kerneinbuchtung angesichts der Aufklärungen, die wir über die Entstehungsweise der ganz analogen Erscheinung an den Leukocytenkernen M. 1) Die in vorliegender Abhandlung niedergelegten Befunde sind von dem Verfasser schon am 18. Juli 1. J. in der Physik.-medieinischen Gesellschaft zu Würzburg vorgetragen worden. 2) M. v. Lenhossek: Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. XXI, 1886, S. 370. 346 M. v.Lenhossek: Heidenhain!) verdanken, im höchsten Grade verdächtig er- scheinen für die Gegenwart eines sie mechanisch hervorbringen- den dichteren kugelförmigen Zellenbezirkes, einer Sphäre, so sprach für die Anwesenheit emer die Architektur des Proto- plasmas als regulatives Centralgebilde beherrschenden Zellbe- standtheiles, eines Centrosoms, die an allen Zellen nachweisbare Einrichtung, dass die bei den Spinalganglienzellen des Frosches so besonders schön ausgesprochene koncentrische Anord- nung des Protoplasmas als Mittelpunkt nicht den Zell- kern umkreist, sondern einen anderen, dem Zellproto- plasma angehörenden, unweit von der Zellmitte ge- legenen Punkt. Diese bemerkenswerthen Einzelheiten traten mir zunächst an Präparaten entgegen, die nach einigen der gewöhnlichen Methoden fixirt und gefärbt waren. Vergeblich hatte ich an derartigen Präparaten meine volle Aufmerksamkeit auf den Mittel- punkt der konzentrischen Kreislinien gerichtet, auf die Stelle, wo das Öentrosom zu erwarten war. Glaubte ich auch ab und zu Andeutungen eines solchen Gebildes oder Spuren der kreis- förmigen Abgrenzung einer Sphäre wahrnehmen zu können, so gelang es zunächst doch in keiner Weise, über diese Dinge zur Sicherheit zu gelangen. Was lag nun aber näher, als eine Färbemethode heranzuziehen, die uns in so dankenswerther Weise in den Stand setzt, diese Gebilde, wo sie vorhanden sind, sicht- bar zu machen, ich meine M. Heidenhain’s Eisenhäma- toxylin-Methode. Nicht sowohl in ihrer einfachen Anwendung, als vielmehr in Verbindung mit der Bordeaux-Verfärbung, einer Combination, die bekanntlich ebenfalls von M. Heidenhain aus- gebildet wurde, hat sie mir vortreffliche Resultate geliefert, und wenn es mir nach eimigen Bemühungen gelungen ist, die ge- suchten Gebilde an meinem Objekte wirklich aufzufinden, so verdanke ich dies ausschliesslich der Anwendung dieses Ver- fahrens. Wenn es gelingt, an so conservativen Elementen, wie es unsere Nervenzellen sind, Centrosom und Sphäre nachzuweisen, so ergibt sich von selbst. die Bedeutung eines solchen Befundes 1) M. Heidenhain: Neue Untersuchungen über die Central- körper und ihre Beziehungen zum Kern und Zellenprotoplasma. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 43, 1894. S. 423 vergl. S. 491. Centrosom und Sphäre in den Spinalganglienzellen des Frosches. 347 für die Entscheidung der Frage, ob das Centrosom ein dauerndes Zellgebilde sei, oder wie das von manchen Seiten angenommen wurde, ein vorübergehendes Organ der Zelle oder wenigstens ein vorübergehender Bestandtheil des Zellprotoplasmas in dem Sinne, dass es nach der Theilungsphase in den Bestand des Kerns auf- genommen wird. Man kann nun auf Grund der mitzutheilenden Beobachtungen in dieser Frage mit Bestimmtheit dahin ein Urtheil abgeben, dass sich das Gentrosom auch inZellen dauernd als morphologisch nachweisbares Gebilde erhalten kann und zwar als Bestandtheil des Protoplasmas und nicht des Kerns, die nicht nur von ihrer vorher- gehenden Theilungsphase durch lange Zeiträume ge- schieden sind, sondern für die auch in Zukunft keine Theilung mehr in Aussicht steht. In diesem Nachweis er- blicke ich den Sehwerpunkt meines Befundes und ich glaube, dass man in dieser Beziehung meinen Beobachtungen höchstens die von Meves!) an die Seite stellen kann. Die sehr interessan- ten Wahrnehmungen dieses Forschers, die ebenfalls in dem Nach- weis von Centrosom und Sphäre gipfeln, beziehen sich auf Zellen des Sesamknorpels in der Achillessehne des Frosches. Aus dem Mangel von Mitosen an diesen Zellen sowie aus dem Vorhanden- sein gewisser regressiver Veränderungen in ihnen glaubte Meves eine weitere mitotische Theilung dieser Elemente ausschliessen und sie als ein für allemal zur Ruhe gelangte Zellen hinstellen zu können. Indess bemerkt der Autor selbst im dem Sinne eines Vorbehaltes, dass hauptsächlich Winterfrösche zur Untersuchung benützt wurden und hierin könnte man ein Moment erblicken, wodureh die absolute Sicherheit jener Schlussfolgerung in Frage gestellt werden könnte, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass durch die besseren Ernährungsbedingungen der warmen Jahres- zeit in diesen Zellen ein neues Leben, eine neue Tendenz der Vermehrung angefacht wird. Natürlich folgt aus meinen Wahrnehmungen durchaus nicht, dass das hier beschriebene Verhalten für alle Zellen gelte, dass das Centrosom sich auch in allen anderen Zellgattungen in der- selben morphologisch scharf abgegrenzten Form, wie es bei 1) A. Meves, Ueber die Zellen des Sesambeines in der Achilles- sehne des Frosches (Rana temporaria) und über ihre Centralkörper, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 45, 1895. S. 153. 348 Mv. Lenhossek: unserem Objekte vorliegt, auch ausserhalb der Theilung erhalten müsse. Ja selbst für das enge Gebiet meines Objektes, für die Spinalganglienzellen des Frosches vermag ich die Gegenwart eines Centrosoms in solcher Form nieht als durchgehende Regel zu vertreten; denn möge es hier gleich hervorgehoben sein: Trotz aller Bemühungen ist es mir nicht gelungen, das kleine Gebilde in allen Zellen der Spinalganglien nachzuweisen, vielmehr fand ich es nur in Zellen von bestimmter Grösse vor, in diesen allerdings als konstante Erscheinung. Im Speciellen gehören die Zellen, auf die sich meine Wahrneh- mungen beziehen, zu den kleineren, aber nicht allerkleinsten Elementen der Spinalganglien. Theilt man die Zellen nach ihrer Grösse in vier Kategorien, so nehmen sie etwa von unten die zweite Stelle ein. Untersucht man ein Spinalganglion auf dem Längsschnitt, so fallen sofort die beträchtlichen Verschiedenheiten auf, die die Zellen in ihrer Grösse erkennen lassen. In meinem Aufsatze vom Jahre 1886 habe ich diesen Verhältnissen S. 387 schon ausführ- liche Beachtung geschenkt; dort findet sich auch der Nachweis, dass die Elemente verschiedener Grösse nicht unregelmässig durcheinander gewürfelt sind, sondern dass sie im Ganzen und (Grossen eine typische Anordnung nicht verkennen lassen. Das (Genauere hierüber ist in meiner Abhandlung nachzulesen. Die kleineren Zellen unterscheiden sich nun von den grösseren nicht nur durch ihre geringeren Dimensionen, sondern in sehr auffallender Weise auch durch ihr besonderes färberisches Verhalten. Im Allgemeinen kann man sagen, je kleiner eine Zelle ist, desto intensiver verbindet sie sich mit den meisten Farbstoffen, namentlich mit denjenigen, die das Protoplasma färben. Die Erscheinung ist hier nicht in der Gegenwart von beson- deren Körnerbildungen oder drgl. begründet, obgleich die kleinen Elemente in ihren Randschichten relativ gröbere Plasmaschollen beherbergen als die grossen, sondern hängt, wie ich mich dies- mal mit Bestimmtheit überzeugt habe, in erster Reihe mit einer diehteren Beschaffenheit der Grundsubstanz des Proto- plasmas zusammen. Wir stehen hier der Erscheinung der Chromophilie gegenüber, auf die Flesch und mehrere unter seiner Leitung arbeitende Damen Ende der 80er Jahre die all- gemeine Aufmerksamkeit gelenkt haben. Merkwürdiger Weise Centrosom und Sphäre in den Spinalganglienzellen des Frosches. 349 finde ich in diesen Aufsätzen die T'hatsache nirgends mit ge- hörigem Nachdruck betont, dass es gerade die kleineren Zellen sind, die die Erscheinung der Chromophilie darbieten. Flesch hatte bekanntlich die verschiedene färberische Reaction der Nerven- zellen mit einer verschiedenen functionellen Bedeutung in Zu- sammenhang gebracht. ‚Ich könnte mich dieser Ansicht ebenso wenig anschliessen, wie derjenigen von Nissl!), dass es sich hier lediglich um das Ergebniss der Einwirkung der Reagentien handle, möchte vielmehr in der Erscheinung der Chromophilie bloss ein morphologisches Merkmal der kleineren Zellen erblicken, eine Eigenschaft, die mit deren Kleinheit irgendwie zusammenhängt. Es wird wohl nieht überflüssig sein zu betonen, dass auch die kleineren, ja selbst die allerkleinsten Zellen nicht etwa als funktionslose, rudimentäre Bildungen aufzu- fassen sind, sondern als Elemente, die ebenso wie die grösseren in funktioneller Weise in den nervösen Mechanismus einge- schaltet sind; finden wir sie doch ebenso wie diese mit einem Fortsatze ausgestattet, der sich in der bekannten typischen Weise unter Bildung einer 7"förmigen Figur in einen nach dem Rücken- mark ziehenden centralen und einen nach den sensiblen Endbe- zivken hinstrebenden peripherischen Fortsatz theilt. Noch weniger wäre es begründet, inihnen jugendliche, noch in der Entwicklung begriffene Elemente zu erblicken. Die Fähigkeit der Theilung kommt den Spinalganglienzellen nach allem, was wir wissen, nur in jener frühen embryonalen Periode zu, der ihre erste Ent- wicklung angehört, und in diesem Sinne darf man alle Zellen, die kleinen wie die grossen als gleich alt bezeichnen. Es handelt sich also hier nicht um Zellen, die sich noch weiter theilen, oder sonst entwickeln sollen — trifft man doch diese kleinen Elemente auch in den Spinalganglien der grössten, also vermuthlich ältesten Froschexemplaren an — sondern um Zellen, die ein für allemal klein geblieben sind. Die einzige Anwendungsweise des Epithetons „jugendlich“ für diese Zellen, die immerhin in Betracht kommen könnte, wäre die, dass hier Exemplare vorliegen, die neben ihrer Kleinheit mehr als 1) Fr. Nissl: Ueber die Nomenklatur in der Nervenzellen- Anatomie und ihre nächsten Ziele. Neurol. Centralbl. 1895. S.-A. S. 13, 350 M.v. Lenhossek: die grösseren Zellen noch gewisse jugendliche Merkmale für ihr ganzes Leben beibehalten haben. Indem ich zur Beschreibung meiner Befunde übergehe, möchte ich zunächst anknüpfen an die Bilder, die man mit einigen der gangbaren Färbungs- und Färbemethoden z. B. mit der Fär- bung mit Thionin oder Magentarot nach Fixirung in Flemming’scher Lösung von den hier in Rede stehenden Zellen erhält (Fig. 1—3). Alle Zellen weisen, mögen sie von welcher Grösse immer sein, eine längliche Form auf. Der kern- haltige Pol ist in der Regel abgerundet, manchmal gleichsam eine kugelförmige Ausbuchtung der in ihrem übrigen Theile plumperen Zelle bildend, der andere dagegen endigt wie abge- sehnitten mit einer tellerförmig ausgehöhlten Fläche, in deren Aushöhlung sich mehrere bindegewebige, der Zellkapsel ange- hörige Zellen hineinbetten. Ich kann die Beschreibung, die ich von diesen Verhältnissen im Jahre 1886 gegeben habe, vollauf bestätigen, ebenso wie auch meine Angaben über die Ursprungs- weise des Fortsatzes. Dieser entspringt nicht wie bei Säugern von der Mitte des Zellenpols unter birnförmiger Verjüngung der Zelle, sondern seitlich am Rande jener Vertiefung oder sogar noch höher von einem weiter gegen den Kern hin gelegenen Punkte der Langseite der Zelle. Er ist gleieh von Anfang an relativ dünn. Sein Ursprung erfolgt mit einem kleinen Kegel, der homogen oder leicht gekörnt erscheint, während er selbst, wie ich mich diesmal überzeugt habe, eine feine fibrilläre Längs- streifung zeigt. In Bezug auf die Form des Kerns ist auf das eingangs Mitgetheilte zu verweisen. Er ist bei kleinen Zellen relativ grösser als bei den umfangreicheren und füllt hier den Zellenpol, in dem er liegt, fast vollkommen aus. Mit dem Wachsthum der Zelle hält die Vergrösserung des Kerns nieht Schritt und so sehen wir ihn bei den grösseren Elementen mehr und mehr von einer breiteren Protoplasmalage umfasst. Die Verhältnisse der inneren Kernstructur können wir hier bei Seite lassen, nur auf das charakteristische grosse kugelförmige, bei den kleineren Zellen manchmal doppelte Kernkörperchen sei hingewiesen. Es liegt im Kern zumeist central und weist in seinem Innern bei gewissen Färbungsmethoden noch eine weitere Differen- zirung auf. Centrosom und Sphäre in den Spinalganglienzellen des Frosches. 351 Wenn wir nun unsere Aufmerksamkeit dem Haupttheil des Zellprotoplasmas zuwenden, so fällt sofort die Trennung des Zellkörpers in zwei distinkte Zonen auf, in eine äussere ektoplasmatische und eine innere endoplasma- tische. Diese Scheidung ist bei sämmtlichen Zellen, den kleinen wie den grösseren und grössten, gleich stark ausgesprochen. Die Aussenschichte zeichnet sich durch die helle Beschaffen- heit ihrer Grundsubstanz aus, noch mehr aber durch die Gegen- wart sehr grober, zu länglichen Zügen angeordneter Plasmaschollen, wie sie in solcher Derbheit in den ent- sprechenden Zellen der Säugethiere nicht vorhanden sind, wohl aber in gewissen Zellen des Centralnervensystems und die sich namentlich mit gewissen basischen Anilinfarbstoffen, vor allem mit Thionin (Lenhossek), Toluidinblau (Mann), Magenta- roth und Methylenblau (Nissl), aber auch mit M. Heidenhain’s einfachem Hämatoxylin-Verfahren sehr intensiv färben. Es handelt sich hier um dieselben ceharakteristischen, im Nervensystem so weit verbreiteten, aber in den einzelnen Nervenzellengattungen sehr verschieden angeordneten Einlagerungen, die, seit längerer Zeit bekannt, in den letzten Jahren besonders durch die Arbeiten Nissl’s in den Vordergrund des Interesses gerückt worden sind. Die Form dieser Schollen ist eine sehr unregelmässige; besonders längliche, ja manchmal ringförmig im Umkreis der Zelle zu- sammenhängende Züge bilden sie bei den kleineren Zellen (Fig. 3); bei den grösseren (Fig. 1 und 2) zerfallen sie mit Vorliebe in kleinere Theilstücke. Sie sind stets parallel mit der Oberfläche angeordnet. Während sie bei den ganz kleinen und mittleren Zellen in der Regel nur eine einfache Lage bilden, ordnen sie sich bei den grösseren öfters zu 2—3 Schichten übereinander. Die koneentrische Schiehtung des Ektoplasmas ist aber durch- aus nicht ausschliesslich ja auch nicht in erster Reihe durch die tangentiale Anordnung dieser Schollen bedingt. Das Haupt- moment hierfür liegt vielmehr in den analogen Bau- verhältnissen der Grundsubstanz des Protoplasmas, sei es dass wirkliche Fibrillen darin zur Differenzirung gelangen, die die Zelle koncentrisch umkreisen, sei es, was ich nach meinen Beobachtungen für wahrscheinlicher halten muss, dass es sich bloss um koncentrisch verlaufende Verdiehtungen in der wabenartigen Struktur des Protoplasmas handelt, Archiv f, mikrosk. Anat. Bd. 46. 23 &s De DO M.v. Lenhossek: Die koneentrischen Kreislinien der Aussenzone laufen hauptsäch- lich in äquatorialer (eirkulärer) Richtung um das Innere der Zelle herum, weniger in der Richtung des Längsdurchmessers. Hieraus erklärt sich, weshalb die koncentrische Schiehtung des ' Ektoplasmas an Querschnitten der Zellen immer viel ausge- sprochener und regelmässiger zum Ausdruck gelangt, als an Längsschnitten. Die unmittelbare Umgebung des Kerns und ebenso auch die äusserste Schichte des Zellkörpers bleiben sehr oft von allen körnigen Einlagerungen frei. Ein wesentlich anderes Bild bietet das Endoplasma dar. Die bedeutend dunklere Färbung dieses Gebietes hängt wohl hauptsächlich mit ihrer viel diehteren Körnelung zusammen. Die Körner sind hier von ganz anderer Beschaffenheit als die groben Plasmaschollen der äusseren Schichte; hier haben wir es mit ganz kleinen Bildungen zu thun, die den Namen von Granula schon eher verdienen und die sich dadurch mehr an die Körner, die man in den entsprechenden Zellen der Säugethiere findet, anschliessen. Auch sind sie nicht von länglicher, sondern theils von mehr oder weniger runder, theils von sternförmiger und eckiger Gestalt. Nur nach aussen gegen das Ektoplasma hin nehmen sie eine etwas länglichere Form an. Auch ist ihre Färbbarkeit eine geringere als die der äusseren Schollen. Gegen den Mittelpunkt der Innenzone zu sieht man sie etwas dichter beisammenstehen: die einzige Besonderheit, die die Gegend der Zellmitte an den in Rede stehenden Präparaten erkennen lässt. Eine zweite Stelle, wo die Körner eine besonders gedrängte Lagerung aufweisen, ist die Einbuchtung des Kerns. Auch sind sie hier oft von länglicher Gestalt und relativ etwas gröber, da- her sich diese Stelle an den meisten Zellen, namentlich an den grösseren schon bei der Anwendung schwacher Linsen als dunkler Fleck hervorhebt. Sehr oft zieht sich die dichtere Körnelung von dieser Stelle her streifenförmig durch den Mittelpunkt der Innenzone gegen den dem Kern entgegengesetzten Pol hin. Auch die Körner des Endoplasmas lassen eine koncentrische Anordnung nieht verkennen, doch kommt sie nur an Querschnitten recht eigentlich zur Ansicht. Der Mittelpunkt der Kreislinien wird hierbei von der Mitte des Endoplasmas gebildet. An den Quer- schnitten der Zellen schliesst sich diese innere koncentrische Zeichnung direkt an die der Aussenschicht an, wobei oft ganz Centrosom und Sphäre in den Spinalganglienzellen des Frosches. 353 reguläre in sich zurückkehrende, an die Havers’schen Lamellen des Knochens erinnernde Kreislinien vorliegen, die eine sehr zier- liche regelmässige Zeichnung des Querschnittes bedingen. Wenden wir uns nun zu den Bildern, die man mit der Heidenhain’schen Bordeaux-Hämatoxylin-Eisenlack- Färbung erhält. Die mitzutheilenden Wahrnehmungen beziehen sich, wie schon betont, hauptsächlich auf die Zellen, deren Längs- durehmesser zwischen 30 und 45 « schwankt. Es sind das, wie schon erwähnt, nicht die allerkleinsten Zellen der Spinalganglien, aber sie gehören doch zur kleineren Zellgattung. Zu be- tonen ist, dass sie noch in die Kategorie derjenigen Zellen ge- hören, die die Erscheinung der Chromophilie darbieten. Es verdient dies deshalb mit Nachdruck hervorgehoben zu wer- den, weil es nieht unmöglich ist, dass die Gegenwart von Cen- trosom und Sphäre in ihnen, oder wenigstens die Möglichkeit, diese Dinge auf färberischem Wege zur Ansicht zu bringen, mit derjenigen Eigenschaft ihres Protoplasmas, die sich an Färbe- präparaten in Form der Chromophilie ausprägt, in Zusammenhang steht. Auch an den noch kleineren Zellen (30—40 u) gelingt es, die Gebilde, auf die es hier ankommt, nachzuweisen, aber nie so schön, wie an denen von der angegebenen Grösse. Dagegen müssen die grössten Zellen — die Spinalganglienzellen können beim Frosche einen Längsdurehmesser von 80—90 u erreichen — aus der Beschreibung vollkommen ausgeschlossen werden. Fasst man nun an den nach der genannten Methode hergestell- ten Präparaten die Zellen von 30—45 u ins Auge (Fig. 4—15), so erkennt man, dass die merkwürdig elektive Wirkungsweise des Farbstoffes auch hier in hervorragender Weise zur Geltung kam. Innen- und Aussenzone verhalten sich in ihrem färbe- rischen Verhalten ausserordentlich verschieden. Das Ektoplasma büsst bei der Extraktion sehr rasch sein Hämatoxylin vollkommen ein; es erscheint in der zarten röthlichen Färbung, die ihm das Bordeaux verliehen hat, diffus gefärbt, in der Regel ohne deutlicheres Hervortreten der Plasmaschollen. Ein anderes Verhalten trägt die Innenzone zur Schau. Ist das regressive Verfahren nicht zu weit geführt, so tritt uns hier eine Menge mit Hämatoxylin intensiv gefärbter Körnchen entgegen, aber nicht in der ganzen Ausdehnung des Endoplasmagebietes, sondern in einem etwas kleineren, regelmässig kreis-- 354 M. v. Lenhossek: “ förmig begrenzten Bezirk. An passenden Präparaten hebt sich in der Zelle dieses mit Hämatoxylinkörnern dicht beladene Feld als eine grosse körnige Kugel hervor, die sich mit einem Stückehen ihrer Peripherie in die Einbuchtung des Kerns genau hineinlegt und man bekommt gleich auf den ersten Blick den Eindruck, dass es sich in jener Kerndelle um das Er- gebniss einer mechanischen Kompression von Seiten dieses offenbar diehter gebauten Protoplasmabezirkes handelt. An vielen Präparaten und Zellen ist die Abgrenzung der Körnerzone von der Umgebung freilich keine scharfe (vergl. z.B. Fig. 6 und 7), was ohne Frage darauf zurückzuführen ist, dass die peripherischen Körner bei der etwas zu stark vorgenommenen Extraktion ihren Farbstoff früher abgegeben haben, als die cen- traleren und noch dabei in ungleichmässig verschwommener Weise, so dass sich die Körnelung der Innenzone nach aussen hin gleich- sam zu verlieren scheint. Nach solchen Bildern, die, wie ich zugeben muss, gar nicht selten sind, könnte man an der Berech- tigung, das körnige Feld des Innenplasmas als besonderes Proto- plasmagebilde, gleichsam als einen selbständigen Körper in der Zelle aufzufassen, Zweifel hegen, indess stehen solchen Bildern andere gegenüber (Fig. 13 und 14), wo dank der rechtzeitigen Unterbrechung des regressiven Verfahrens die körnige Proto- plasmakugel wirklich als wohlabgegrenztes Gebilde zum Vor- schein kommt und ich bin der Meinung, dass wir uns gerade an solche Bilder, als an die ausschlaggebenden zu halten. haben. Die Grenzlinie ist freilich nie durch etwas anderes gebildet, als durch das einfache Aufhören der kleinen Körnchen und vielleicht noch durch den Uebergang einer dunkler gefärbten dichteren Grundsubstanz in eine etwas hellere. Niemals lässt sich als Grenzlinie etwa eine Schichte besonders grober Mikrosomen, noch weniger aber etwas wie eine Membran nachweisen. Sind nun die in Rede stehenden Körnchen identisch mit den massenhaften Körnern, aus denen an sonstigen Färbungen das Endoplasma zusammengesetzt scheint? Meine Beobachtungen führen mich dazu, diese Frage entschieden mit Nein zu beantworten. Es scheinen mir hier zwei wesentlich verschiedene Mikrosomengattungen vorzuliegen. Für diese Behauptung kann ich folgende Anhaltspunkte geltend machen. Die Körner, die man an Thionin- und anderen derartigen Präpa- Centrosom und Sphäre in den Spinalganglienzellen des Frosches. 355 raten in dem Endoplasma sieht, sind relativ gröbere und, was besonders bemerkenswerth ist, zumeist unregelmässig geformte Gebilde, bei den mit der Heidenhain’'schen Methode zur Dar- stellung gelangenden Mikrosomen dagegen haben wir es mit viel kleineren und regelmässig tröpfehen- oder kugel- artigen Körperchen zu thun. Sodann breiten sich die ersteren über den ganzen Umfang des Endoplasmas aus, während sich die letzteren auf das beschriebene kugelförmige Gebiet be- schränken. Der wichtigste Unterschied ergiebt sich aber, wenn man das Verhalten der beiden Körnergattungenin der Mitte des Endoplasmas in Betracht zieht. Wir gelangen hiermit zu dem wichtigsten Theile unserer Untersuchungen, zu dem Nachweis der Gebilde, die im Titel dieser Arbeit ange- kündigt sind. Ich will zunächst aber noch erwähnen, dass ich mich durch genaue Untersuchung der in Rede stehenden Zellen in frischem Zustande auf das sicherste überzeugt habe, dass weder die erste noch die zweite Körnergattung mit, demrin,diesen Zellen in zlemlic hgrosselr Menge vorhandenen Pigmentkörnchen identisch ist. Diese gelblichen Pigmentgebilde zeigen eine ganz andere Anordnung als die hier in Rede stehenden Mikrosomen, sie sind bei kleinen Zellen in der Regel unregelmässig über den ganzen Umfang der Zelle ausgestreut aber in recht sporadischer Anord- nung, während sie sich bei den grösseren an dem dem Kerne gegenüber liegenden Zellenende zu einem stärkeren Haufen kon- zentriren. Sie scheinen sich weder bei den gewöhnlichen Fär- bungen noch aber beiH eidenhain schen der Methode zu färben. Verfolgt man nun die Körner der zweiten Gattung an den Heidenhain schen Bildern von der Peripherie des kugel- förmigen Protoplasmaabschnittes nach dessen Centrum hin, so findet man zunächst, dass sie jemehr nach innen, desto mehr an Diehtigkeit zunehmen. Dies stimmt überein mit den Thioninbildern. Aber während bei diesen die Körnelung auch die centrale Stelle, auch das eigentliche Centrum des Zell- körpers überschwemmt, tritt uns an den Bordeaux-Hämatoxylin- bildern ein anderes Verhalten entgegen. Schon in einiger Ent- fernung vom Centrum hört die Körnelung mittels emer kreis- förmigen Linie auf. In der Mitte des Protoplasmas taucht nun, 356 M. v. Lenhossek: eingebettet in das granulirte Plasma, ein relativ kleines, helles, wohlkontourirtes, kugelförmiges Gebilde auf, das sich durch seine ganz homogene Be- schaffenheit und durch seine besondere Färbung von der Umgebung äusserst plastisch abhebt. Es zeigt eine geradezu metachromatische Färbung, indem es nicht die reine Bordeaux- tinktion annimmt, sondern eine Bordeauxtinktion mit der Bei- mischung eines leicht bläulichen, offenbar vom Hämatoxylin her- rührenden Tones. Das deutliche Hervortretendes Gebildes wird dadurch sehr gefördert, dass es innerhalb desvon den Körnern ausgesparten Raumes noch seine eigene scharfe Grenz- linie besitzt und von den Körnern wenigstens sehr oft dureh einen schmalen weissen Hof geschieden ist. Der Gegenwart dieses hellen Saumes ist es zu verdanken, dass die Grenzlinie des Gebildes recht genau untersucht werden kann. Sie zeigt sich in allen Zellen, wo sie in verlässlicher Weise zur Ansicht kommt, ganz regelmässig, ohne Höcker oder drgl. Die Anwendung der stärksten Vergrösserungen lässt keinen Zweifel darüber, dass die Linie keineswegs durch perlschnurartig aneinander gereihte Mikrosomen gebildet wird. Ihre scharfe Ausprägung lässt sie manchmal als feine Membran erscheinen, aber in der Mehrzahl der Fälle bekommt man mehr den Eindruck, dass es sich bloss um eine Grenzmarke handelt, die durch das Aneinandergrenzen zweier substantiell verschiedener Protoplasmatheile zu Stande kommt. Der Umstand, dass an anderen Präparaten die Körnelung der Innenzone auch deren centralsten Theil durchsetzt, muss mit zwingender Nothwendigkeit zur Annahme führen, dass die sich dabei färbende Art von Körnern an der Grenze der klei- nen beider Heidenhain’schenMethode hell blei- benden Scheibe nicht Halt macht, sondern auch dieses Gebiet durchdringt und hierin liegt der oben in Aussicht ge- stellte, ausschlaggebendste Beweis für die Verschiedenartigkeit der beiden Körnergattungen. Was die Form des Scheibchens betrifft, so bietet es typisch die Gestalt eines regelmässigen Kreises dar, mag die Zelle, der es angehört, noch so extrem verlängert sein. Da es auch an Querschnitten der Zellen in derselben regulären Kreis- form erscheint, so ist klar, dass hier ein regelmässig kugel- Centrosom und Sphäre in den Spinalganglienzellen des Frosches. 357 förmiges Gebilde vorliegt. Zwar kommen ab und zu auch längliche Formen vor, allein ich könnte mich nicht entschliessen, in ihnen etwas anderes als Verzerrungsfiguren, Kunstprodukte zu erblicken. Würde man einer derartigen Form des Scheib- chens gerade nur bei exquisit langausgezogenen. Zellen be- gegnen, und hier vielleicht als der eimzig bestehenden oder wenigstens vorherrschenden Form, so dürfte man sich gegen die Anerkennung dieser Scheibehenform als einer praeformirten um so weniger sträuben, als ja in diesem Falle eine mechanische Begründung für deren Entstehung handgreiflich vorläge. Nun fand ich aber die meisten von den derartig geformten Central- scheibehen, die mir vorgekommen sind, gerade im recht plumpen Zellen (vergl. z. B. Fig. 9) und dadurch charakterisirt sich diese Form im Zusammenhalt mit ihrer relativen Seltenheit als Kunst- erzeugniss. Noch weniger könnte ich eine andere als eine solche Be- deutung beilegen den gar nicht so selten vorkommenden unregel- mässig eckigen mannigfach verzerrten Formen des Centralgebildes. Hier wird es wohl keiner längeren Beweisführung bedürfen, um diese Auffassung zu begründen. Die Grösse der Centralscheibe schwankt in relativ geringen Grenzen; sie beträgt 4—6 u. Das Scheibehen erreicht also kaum die Grösse eines menschlichen rothen Blutkörperchens. Ein gesetzmässiges Verhältniss zwischen dem Umfang der Scheibe und den Dimensionen der Zelle liess sich nicht nachweisen. Ich komme nun zu dem letzten Theile meiner Befunde. Genau im Centrum der homogenen Scheibe bemerkt man in allen Zellen, wo die in Rede stehenden Dinge überhaupt zur Darstellung gelangen, noch ein weiteres Gebilde: einen kleinen aus Körnern zusammengesetzten Körper, im Ganzen von 1—2 u Durchmesser, der sich mit dem Haematoxylin der Heidenhain schen Färbung in äusserst intensiver Weise, nicht weniger lebhaft als das Kernkörpchen, verbindet. Es han- delt sich in der Mehrzahl der Fälle um ein rundes, aber durch seine unregelmässige Begrenzung sehr oft maulbeerförmig er- scheinendes Gebilde. Sieht man genau zu, so erkennt man, dass das Gebilde keinen strukturlosen ganz einheitlichen Körper bildet, sondern ein Multiplum von unmessbar feinen Pünkt- chen, die n eine schwächer gefärbte Verbindungs- 358 M.:v. Lenhossek: masse eingebettet zu sein scheinen. In Betreff der Zahl dieser feinen mikrokokkenartigen Körnchen, die übrigens von verschie- dener Stärke sein können, und die die eigentlichen Träger der Schwarzfärbung des ganzen Gebildes sind, vermag ich nur so- viel anzugeben, dass sie jedenfalls mehr als ein Dutzend beträgt. Das Häufchen präsentirt sich aber nieht immer in der beschriebenen regelmässigen Gestalt. Es kann eine unregelmässige zackige oder längliche Form aufweisen. Nicht selten sieht man einzelne Körnehen oder Körnehengruppen sich aus dem Bestand des Körperehens lostrennen, ja in manchen Fällen findet man statt eines Häufehens zwei oder drei getrennt nebeneinanderliegen. Möchte ich mich auch eines ganz bestimmten Urtheils dar- über enthalten, inwieweit bei einer solehen Anordnung der Körn- chen präformirte Verhältnisse vorliegen oder inwieweit es sich um Erscheinungen handelt, für die die Misshandlungen bei der Präparation verantwortlich zu machen sind, so muss ich doch sagen, dass mir letzteres immerhin viel wahrscheinlicher scheint. Das Hauptgewicht möchte ich darauf legen, dass ich diese centralen Körnchen in geeigneten Präpa- raten nie vermisst habe. Zeichnet sich das Gebilde in Bezug auf die Stärke der Färbung durch eine Affinität dem Hämatoxylin gegenüber aus, die derjenigen des Kernkörperchens nicht nachsteht, so steht es, was das Festhalten des Farbstoffes betrifft, entschie- den hinter diesem zurück, namentlich bei kleineren Zellen, und dies erklärt uns nebst dem Fehlen der Körner der zweiten Gattung im Endoplasma, warum die allerkleinsten Elemente keine günstigen Specimina zur Untersuchung der fraglichen Verhältnisse bilden. Der Farbstoff ‚wird aus dem Gebilde bei der Extraktion nicht auf einmal spurlos entzogen, sondern es tritt uns als Zwischenstadium ein Zustand der schwachen diffusen Färbung entgegen (Fig. 4, 7, 11, 15), bei dem das kleine Ge- bilde sich als einheitlicher Körper ohne Spur jener körnigen Einschlüsse präsentirt. Wie ist es nun um die grossen Zellen an den Heiden- hain’schen Präparaten bestellt? Vergeblich wird man an sol- chen die centrale Scheibe und ihren körnigen Inhaltskörper suchen. Nichts von alledem lässt sich wahrnehmen. Auch die bei den mittelgrossen Zellen so auffallende grosse körnige Kugel Centrosom und Sphäre in den Spinalganglienzellen des Frosches. 359 des Endoplasmas wird vermisst. Dennoch scheint aber die Sub- stanz, die bei den mittleren Zellen in Form der zahlreichen feinen Körnchen das deutliche Hervortreten dieser Kugel bedingt, auch bei den grössten Zellen, wenigstens bei der Mehrzahl davon nieht ganz zu fehlen. (S. Fig. 16 und 17.) Denn aych im Zell- körper der umfangreichsten Elemente gewahrt man tröpfehen- artige Bildungen, die sich bei der Heidenhain’schen Me- thode dureh ihre intensive Schwarzfärbung auszeichnen, nur sind sie etwas grösser als die Granula der Innenzone bei der kleine- ren Zellgattung und erscheinen nun nicht wie bei dieser auf einen kreisförmigen Bezirk des inneren Protoplasmagebietes beschränkt, sondern breiten sich in unregelmässiger Vertheilung und weit auseinanderstehend fast über den gan- zen Umfang des Zellkörpers ohne jede Spur einer regelmässigen Anordnung aus. Auch der den Kern be- deekende polare Protoplasmatheil weist nun stets eine Anzahl soleher Körnehen auf. In manchen Fällen lässt sich noch als letzte Spur der früheren Anordnung eine unbedeutende Verdich- tung der Lagerung der Körnchen in der Gegend der Zellmitte erkennen, zumeist aber fehlt auch dieses Merkmal, und wir stehen nun einer vollkommenen Auflösung der bei kleinen Zellen vor- handenen so typischen Bauverhältnisse gegenüber. Ich habe mieh bisher auf die einfache deskriptive Darstellung meiner Befunde beschränkt und mich jeder Er- klärung, jeder Namengebung geflissentlich enthalten. Ich gelange zum schwierigeren Theil meiner Aufgabe, indem ich daran gehe, die geschilderten Bildungen terminologisch zu kennzeiehnen und mit den Befunden Anderer in Zusammenhang zu bringen. Dass es sich um Centrosom und Sphäre handelt, liegt auf der Hand. Die Sehwierigkeit liegt angesichts der in der Literatur über diese Dinge herrschenden Controversen in der Frage, was wir hier als Centrosom, was wir als Sphäre bezeichnen sollen? Das centrale Körnehenhäuflein ist ohne Frage identisch mit dem Centralkörperchen Van Beneden’s!). Sehon etwas 1) VanBeneden et A. Neyt, Nouvelles recherches sur la fecon- dation et la division mitosique chez l’Ascaride megalocephale. Bulletins de l’Acad&mie royale de Belgique, t. XIV, 1887. 360 M. v. Lenhossek: schwieriger ist der Vergleich mit den Darstellungen Boveris!), aber ich bin schliesslich zur Ueberzeugung gekommen, dass sich unser Körnerhaufen doch mit dem deckt, was Boveri — wenigstens in gewissen Stadien der Befruchtung des Ascariseies — als Cen- trosoma bezeichnet hat. Dagegen stimmt es nicht überein mit dem, was für Flemming?) undM.Heidenhain?) ein Cen- tralkörper ist, sondern entspricht dem Mikrocentrum des letzteren Autors. Von diesen Namen möchte ich das Wort Centrosoma bevorzugen, weil es richtig gebildet, als Terminus technieus vor- trefflich geeignet und, wie mir scheint, auch am meisten einge- bürgert ist. Ein ähnliches, in seinem Innern eine grössere Zahl von Körnchen einsehliessendes Centrosom ist uns nun durchaus keine neue Erscheinung. Tritt uns doch gleich bei der ersten Be- schreibung dieses Gebildes, bei derjenigen bei Van Beneden, ein derartiges Centrosom entgegen, und auch seitdem sind mehrere Zellgattungen bekannt geworden, bei denen ein ähnlich gebautes Centrosom vorliegt. Ja ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass die Anwendung der: meiner Ueberzeugung nach für eine verlässliche Darstellung dieser Dinge vor allen anderen Methoden geeigneten Heidenhain schen Färbung auch bei den Zellen, wo das Centrosom' bisher als einheitlicher, strukturloser grosser Klumpen gesehen wurde, noch eine derartigeinnereConstitution dieses Gebildesenthüllen wird. Heidenhain’s®) Verdienst ist es zuerst ausführ- lich dargelegt zu haben, dass in den Bau des Centrosoms ausser den Körnehen noch ein zweiter Bestandtheil eingeht: eine schwach färbbare Zwischenmasse, die die Körn- chen mit einander verbindet. Ich vermag die Beobh- achtungen Heidenhain’s für mein Objekt voll- 1) Th. Boveri, Zellenstudien. Heft 2. Jena 1888. 2) W. Flemming, Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. 1. Theil. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 37. 1891. 3) M. Heidenhain, Neue Untersuchungen über die Central- körper und ihre Beziehungen zum Kern- und Zellprotoplasma. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 43, 1894. 4) Heidenhain selbst bezeichnet als seine Vorgänger in dieser Hinsicht Flemming, Prenant und Nicolas, Centrosom und Sphäre in den Spinalganglienzellen des Frosches. 361 auf zu bestätigen und möchte auf diese Zwischensubstanz besonderes Gewicht legen. Denn in ihrer Gegenwart erblieke ich dasjenige, wodurch das ganze Gebilde, mag es in seinen Innern noch so viele Körnehen beherbergen, doch immer in seiner Eigenschaft als einheitlicher Körper ge- währleistet ist. Ist aber dem Gebilde der Charakter einer morphologischen Einheit gesichert, so scheint mir keine Veranlassung vorzuliegen, den ihm von den Entdeekern desselben als eines dauernden Zell- bestandtheiles beigelegten Namen Uentralkörperehen, oder was aufs Gleiche hinausgeht, Centrosoma durch einen anderen zu ersetzen. Dass das Ding sich nicht immer in jener regelmässig abgerundeten Form darstellt, wie an dem Objekt, wo es zuerst beschrieben wurde, kann wohl keinen Ein- wand gegen das Festhalten an dieser Bezeichnung bilden. Em Centrosom braucht ja nicht unbedingt kugelrund zu sein. Man kann diesen Namen meiner Ansicht nach beibehalten, mag das Gebilde von noch so unregelmässiger Gestalt sein, vorausgesetzt, dass en substantieller Zusammenhang all sei- ner Theile unter sich vorhanden ist. Somit könnte ich mich bei voller Anerkennung der Tragweite der Unter- suchungen Flemming’s und M. Heidenhain’s der von diesen Forschern eingeführten Terminologie nicht an- schliessen, bei der nicht dass Van Beneden-Boveri’- sche Centrosom, sondern die darein eingebetteten Körnchen als Centralkörper benannt werden. Verhielte sich die Sache durchgehends so, wie bei den Leucocyten, wo nach Heidenhain’s Entdeckung immer nur 2, 3 oder höchstens 4 Körnchen vor- handen sind, so wäre ein solches Vorgehen vielleicht motivirt. Nun wissen wir aber, dass diese Körnehen in mancher Zell- gattung in sehr grosser Zahl vorkommen, dass sie bei den ver- schiedenen Zellexemplaren derselben Gattung an Zahl und, wie ich finde, auch an Grösse variabel sind, ferner wissen wir, dass mehrere davon an den Polen der achromatı- schen Spindel stehen können. Somit scheint mir dieeigentlich wirksame Einheit nicht indem Einzelkorn, sondern in der Gesammtheit der Körnchen gegeben zu sein, einschliesslich der sie mit einander verbindenden Masse, Ich 362 M.v. Lenhossek: meine mit Boveri!), dass man diesen minimalen Bildungen zu viel Ehre anthut, wenn man sie einzeln für sich als Centralkörper bezeichnet, und möchte entschieden _für den für diese Gebilde ja sehon in Anwendung stehenden Ausdruck Centralkörner plaidiren. Sollte ein Fall bekannt werden, wo diese Bildungen bei Ermangelung jener Zwischensubstanz nicht zu einer Einheit zusammengefasst sind, oder ein anderer bestimmt konstatirter Fall, wo sie auch im Ruhezustande der Zelle mehrere Gruppen bilden, so könnte man ja ohne Schwierigkeit die Verhältnisse durch die Bemerkung kennzeichnen, dass ein wohlabgegrenztes Centrosom nicht vorhanden ist, sondern an dessen Stelle zer- streut liegende Centralkörner resp. 2 oder 5 Mikrocentren. Einer viel grösseren Schwierigkeit begegnen wir, wenn wir uns zur Deutung des zweiten hier in Betracht kommenden Ge- bildes, jener hellen, wohlabgegrenzten Zone um das GCentrosom herum, wenden. Würden wir dem in der letzten Zeit fast allgemein eingebürgerten Brauch folgen, so hät- ten wir diese helle homogene Scheibe ohne weiteres als Sphäre zu bezeichnen. Denn ohne Frage haben wir es mit demselben Gebilde zu thun, das in so zahlreichen neuen Publikationen mit diesem Namen bedacht wird. Immer handelt es sich um ein kleines, den Centralkörper umfassendes, kugelförmiges Gebilde, das fast immer eine homogene strukturlose Beschaffenheit auf- weist und sich durch seine dunkle Färbung gegen seine Um- gebung mehr oder weniger scharf absetzt. Besonders schön scheint die strukturelle Eigenart des Gebildes mit jenem Verfahren zur Ansicht zu gelangen, das Rawitz?) unlängst bekannt gegeben hat, wenigstens nach den Abbildungen dieses Forschers ge- urtheilt. Aber ich kann gewisse Bedenken gegen diese Anwen- dung des Namens Sphäre nicht unterdrücken. Sie gründen sich erstens auf die Thatsache, dass dasjenige, was hier als 1) Th. Boveri, Ueber das Verhalten der Centrosomen bei der Befruchtung des Seeigel-Eies ete. Verhandlungen d. phys.-med. Ges. zu Würzburg. N. F. Bd. XXIX. 199. S. 1. 2) B. Rawitz, Centrosoma und Attraktionssphäre in der ruhen- den Zelle des Salamanderhodens. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 44. 189. S. 555. Centrosom und Sphäre in den Spinalganglienzellen des Frosches. 363 Sphäre benannt wird, durchaus nicht dem ent- spricht, was Van Beneden unter dem Namen Sphere attractive in die Literatur eingeführt hat. Be- trachten wir die Bilder, die der belgische Forscher von den As- cariseiern gibt, so gelingt es, glaube ich, die von uns an unserem Objekt beschriebenen drei Bestandtheile aufzufinden: eine grosse körnige Protoplasmakugel, in deren Mitte eine kreisförmig abgegrenzte helle Stelle und in deren Centrum wieder das kleine runde, aus einem Körnchenhaufen bestehende Centrosom. Ausser dem Centrosom bezeichnet nun Van Beneden alles Uebrige als Attraktionssphäre und unterscheidet daran zwei Zonen: eine helle Markzone und eine stark körnige, sich als grosse Kugel darstellende Rindenzone. Unsere Öentralscheibe, also die Sphäre der neueren Autoren entspricht demnach nicht der ganzen Attraktionssphäre Van Beneden’s, sondern nur deren Markschicht. Das zweite Moment, was mich daran hindert, den Namen Sphäre unbedenklich, ohne wenigstens meine Randglossen dazu zu machen, auf das centrale helle Feld anzwenden, besteht darin, dass bei dieser Vergebung des Namens ohne Zu- satz oder nähere Bezeichnung, für den von mir an mei- nem Objekt gefundenen grossen granulären Proto- plasmakörper, also für die Corticalschicht der Van Beneden’schen Sphere attractive, kein Name übrig bliebe. Ich glaube aber, dass wir wirklich Veranlassung haben, dieses Gebiet des Protoplasmas als etwas selbständiges aufzu- fassen. Dokumentirt es doch diesen seinen Charakter durch die mechanische Wirkung, die es auf den Kern in Form jener kleinen Bucht ausübt. Bekanntlich hat Heidenhain nachgewiesen, dass diese Kerndelle an seinem Objekt, den Leukocyten des Salaman- ders und des Kanmcehens immer durch das Andrängen der Sphäre an die Kernmembran hervorgerufen wird. Somit stehen wir bei unserem Objekt vor der Alternative entweder anzu- nehmen, dass diese Impression auch durch etwas ande- res als durch die Sphäre bedingt sein kann, nämlich durch einen verdichteten Bezirk des die Sphäre umhüllenden Protoplasmas, oder aber, dass dasjenige, was in unseren Zellen dem sonst allgemein als Sphäre bezeichneten Gebilde entspricht, keine Sphäre im Sinne Heiden- 364 Mv. Lenhossek: hain’s ist. Denn das eine ist ganz sieher: Die Delle wird hier nicht durch das helle Bläschen, sondern durch das grosse gekörnte Protoplasmagebilde hervorge- rufen. Denn wenn jemand etwa die Vermuthung aussprechen würde, dass die bei den mittelgrossen Zellen vorhandene Lage- beziehung der hellen Scheibe zum Kern eine sekundäre ist, in- dem sie vielleicht ursprünglich dem Kern dicht anlag, an ihm jene Einbuchtung bewirkend, und erst mit der Grössenzunahme der Zelle von dem Kern relativ weit weg verlagert wurde, wäh- rend die Vertiefung an diesem erhalten blieb: so könnte ich diese Auffassung durch zwei triftige Gründe widerlegen. Erstens ist das räumliche Verhältniss des Scheibcehens zu dem Kern auch bei denallerkleinsten Zellen dasselbe wie bei den grösseren: auch hier findet man es in beträchtlicher Entfernung davon. Zweitens wird jene Abplattung gerade an den Kernen der ganz kleinen Zellen sehr häufig vermisst, und ist sie hier auch vorhanden, so erscheint sie stets nur schwach an- gedeutet; erst mit dem Wachsthum der Zelle gelangt sie recht eigentlich zum Ausdruck. Wie soll man nun aber das kleine Centralscheibehen nennen, wenn nicht „Sphäre“? Von dem Van Beneden’schen Namen Medullarzone möchte ich aus dem Grunde absehen, weil ich im der Zusammenfassung dieses nach aussen hin so deutlich abge- grenzten Gebildes mit dem es umgebenden körnigen Protoplasma unter einen Namen wenigstens in dem mir speziell vorliegenden Fall einen Akt der grössten Willkür erblicken müsste. Hier liegt ein recht eigentlich selbständiges mit der Schärfe eines „weiten Zellkernes hervortretendes Gebilde vor, und ich glaube nach Einsicht der neueren einschlägigen Literatur an- nehmen zu dürfen, dass ein so scharf begrenztes, auch durch seine Struktur und Tinktion von seiner Nachbarschaft verschie- denes Gebilde im Umkreise des Centrosoms keineswegs eine isolirte Erscheinung darstellt. Vielleicht würde hier der schon früher von anderer Seite in Vorschlag gebrachte Namen „Cen- trarea“ seinen Zweck erfüllen. Es wäre darin, wie mir scheint, recht gut zum Ausdruck gebracht, dass es sich um ein central selegenes Gebilde handelt, und um ein Gebilde, dass das Punetum saliens des ganzen Strukturkomplexes: das Centrosom Centrosom und Sphäre in den Spinalganglienzellen des Frosches. 365 hofartig umgibt; dagegen wäre darin allerdings der Selbst- ständigkeit des Gebildes nieht genügend Rechnung getragen. Vielleicht noch besser und sich auch durch den Anschluss an den gangbaren Sprachgebrauch empfehlend wäre das Wort Centrosphäre!), wobei man dann das äussere, mehr dem Zellplasma angehörende Gebilde als Plasmosphäre oder Perisphäre der Centrosphäre gegenüberstellen könnte. Ein Punkt, den ich noch kurz zur Sprache bringen möchte, betrifft die gesetzmässige Stellung desCentrosoms im Zellkörper. Es giebt vielleicht keine zweite Zellgattung, bei der die Thatsache, dass das Centrosom durchaus nicht wo immer in der Zelle liegen kann, sondern dass ihm unweigerlich eine bestimmte Stelle im Zellprotoplasma zum Sitze zugewiesen ist, deutlicher zur Ansicht kommt, als hier, was wohl mit der relativ regelmässigen Form unserer Zellen zusammenhängt. Das Centrosom liegt immer im Haupttheil des Zell- körpers, in der Mitte des Endoplasmas, nie in der unmittelbaren Nachbarschaft des Kerns. Es fällt immer in die Linie, die die Zelle in der Längsrichtung in zwei gleiche Theile theilt und die bei der regelmässigen Be- schaffenheit unserer Zellen in der Regel die Mitte des einen Poles mit der Mitte des Kerns und der Mitte des anderen Poles verbindet. Man kann diese Linie als Zellenaxe bezeichnen. Die Stelle aber, wo diese Linie das Centrosom schneidet, entspricht nie der Mitte ihrer Länge, sondern liegt stets zudem einen Ende und zwar dem Fortsatzende näher. Die Entfernung des Centro- soms vom Fortsatzende verhält sich zu seiner Entfernung vom Kernende wie 40:60, die Gesammtlänge der Zelle = 100 ge- setzt. Hieraus folgt von selbst, dass wenn man die Zelle im Niveau des Centrosoms durch eine auf die Längsachse senkrechte Querlinie halbirt, die beiden Hälften an Umfang nicht gleich sein kön- nen: der den Kern in sich fassende Theil er- 1) Dieser Ausdruck stammt von Strasburger, der damit aller- dings etwas anderes, nämlich den gesammten hier in Betracht kommen- den Structurkomplex bezeichnet wissen wollte. 366 M.v. Lenhossek:; seheint stets beträchtlich grösser als der andere. Es ist durch dieses Verhalten eine prinzipielle Ab- weichung gegeben von den Lageverhältnissen, die das Centrosom nach den ausführlichen Dar- stellungen Heidenhain’sbeidenLeukocyten zeigt!). Bei diesen nimmt das Centrosom, sofern es daran nieht durch übermässige Dimensionen des Kerns gehindert ist, stets den Mittelpunkt der ganzen Zelle ein; nur wenn der Durchmesser des Kerns mehr als den halben Durchmesser der Zelle beträgt, sehen wir ihn von der Zellmitte weggedrängt, aber dann immer dem Kern dieht angelagert. Hier wären im Sinne der Heiden- hain’schen Ableitungen alle Vorbedingungen für eine streng cen- trale Lage des Centrosoms erfüllt: der Kern liegt excentrisch und sein Durchmesser bleibt stets hinter dem halben Zellendureh- messer zurück, (durchschnittlich im Verhältniss von 35:50) und doch finden wir das Centrosom nieht in dem geometri- schen Mittelpunkt der Zelle, sondern nach dem Fort- satz hin verlagert und stets in einiger Distanz vom Kern. Nun könnte man die Abweichung der hier vorhandenen Verhältnisse von den bei den Leueocyten verwirklichten Gesetzmässigkeiten damit in Zusammenhang bringen, dass, wie schon beschrieben, der Kern manchmal in einer verjüngten Partie, gleichsam in einer Ausbuchtung des Zellkörpers seinen Sitz hat, so dass man ihn mitsammt dem ausgebuchteten Protoplasmamantel bei der Bereehnung gewissermaassen aus dem Spiele lassen könnte. Dieses Verhalten trifft aber nur für einen geringen Procentsatz der Fälle zu, auch ist der Ausdruck „Ausbuchtung“ cum grano salis zu nehmen. Ein anderer Erklärungsversuch könnte den Sehwerpunkt auf die Gegenwart des Zellfortsatzes legen, den man in Anbetracht seiner Eigenschaft als Auswuchs des Zell- körpers noch immer mit einer gewissen Berechtigung als Bestand- theil der Zelle und somit als einen die mechanischen Verhältnisse des Protoplasmas beeinflussenden Factor auffassen könnte. Nun muss man aber sagen, dass wenn die in dem Fortsatz niederge- legte Substanzmenge in diesem Sinne auf die Zelle thatsächlich zurückwirken würde, das Centrosom bei der enormen Ausbreitung des Fortsatzes wahrscheinlieh überhaupt nicht in der Zelle selbst 1) Vergl. namentlich M. Heidenhain, Cytomechanische Stu- dien, Roux’s Archiv f. Entwiekelungsmechanik Bd. I. 189. S. 473, Öentrosom und Sphäre in den Spinalganglienzellen des Frosches. 367 liegen könnte, auf alle Fälle aber eine gewisse Variabilität in seiner Lage zeigen müsste, was nicht der Fall ist. Wenn diese beiden Erklärungsversuche scheitern, so bleibt glaube ich nichts anderes übrig, als das Walten eines speciellen viel- leieht gerade nur für unsere Zellen gültigen Lagegesetzes anzunehmen. Dieses Gesetz glaube ich nun in dem durch planimetrische Messungen nachweisbaren Thatbestand erkannt zu haben, dass dies süäbserschjüssige:| Substanzmemige ham finder einen, Seite ‚ ungefähr’ der, Ausdehnung des Kerns entspricht. .sEliminirt malnıdiesen;,ıso ist das Gleichgewicht zwischen den beiden Bat en.ihen Sestehlt; "Das. Gentrosem.ietıalse in den Spinalganglien des Frosches wohl ein Centralgebilde in Bezug auf das Zellproto- plasma mit Abzug des Kerns, nicehtaberin Be- zu ault.idie,kernhalitüge,.-Gessammtz.elle:imDier Kern tritt sim die zwibeiden Seiten des Gentro- soms gleichmässig vertheilte Zellmasse als ein Fremdesein und verleiht dereinen Hälfte ein Vebergsewicht, ohne,einenemtspnechen.de Verlagerung, .des/Centrosoms "bewirken zu können. Man wird nicht umhin können, aus dieser Thatsache ge- wisse Schlüsse in dem Sinne abzuleiten, dass der Kern doch nicht nur einfach ein durch eine verdichtete Schichte abgegrenzter und in seinem Innern die speeifischen chromatischen Elemente einschliessender Protoplasmabestandtheil ist, sondern dass er etwas besonderes, etwas in mechanischer Hinsicht dem Zellprotoplasma selbständig gegenüberstehendes ist. Nachdem es mir gelungen war, Centrosom und Sphäre in den Spinalganglien des Frosches aufzufinden, habe ich es nicht unterlassen, auch die Spinalganglien einiger Säuger auf diese Verhältnisse mit der Heidenhain’schen Methode zu prüfen. Ich habe hierzu namentlich die Spinalganglien von Hund und Katze benützt. Das Ergebniss war nun ein vollkommen negatives. Die Zellen sind beim Säuger Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46. 24 368 . M.v. Lenhossek: wesentlich anders gebaut als beim Frosche!), aber auch hier be- steht manchmal eine koncentrische Anordnung des Protoplasmas, wenn auch viel schwächer ausgesprochen als bei dem letzteren. Der Mittelpunkt der koncentrischen Kreislinien wird aber stets vom Kern gebildet. Dieser liegt auch, soweit ich sehe, immer im Mittelpunkt der Zelle. Cen- trosom und Sphäre sind nieht nachzuweisen. Es ist nun sehr möglich, dass dieser Unterschied darin seine Er- klärung findet, dass das dynamische oder vielleicht auch morphologische Aequivalent des Centro- soms hier in den Kern verlagert ist. Diese Möglich- keit findet nieht nur in den bekannten Erfahrungen Brauer'’s?) an den Spermatoeyten von Ascaris ihre Stütze, sondern auch in den Angaben Mann ’'s?), dem es angeblich gelang, in den Kernen gewisser Nervenzellen (sympathische Ganglienzellen, Pyramiden- zellen der Grosshirnrinde) bei Säugern centrosomenartige Gebilde nachzuweisen. Auch ich sehe in den Kernen der Spinalganglien- zellen von Hund und Katze neben dem grossen Kernkörperchen noch einige weitere stark chromatische Körner, könnte mich aber nicht entschliessen, sie ohne Weiteres, wie Mann es thut, als Centralkörnchen anzusprechen. Zum Schlusse kann ich es nicht unterlassen zu betonen, dass es sich hier um den ersten Nachweis von Centrosom und Sphäre in Nervenzellen handelt. Wahrscheinlich bildet mein Befund das erste Glied in einer Kette weiterer ähnlicher Nachweise. 1) Vergl. hierüber: W. Flemming, Beim Bau der Spinalgang- lienzellen. Festschrift f. Henle, Bonn 1882, — Derselbe: Ueber die Struktur der Spinalganglienzellen. Verhandl. d. Anat. Gesellschaft (Basel) 1895, S. 19. — Fr. Nissl, Ueber Rosin’s neuc Färbemethode des gesammten Nervensystems und dessen Bemerkungen über die Ganglien- zellen. Neurolog. Centralbl. Jahrg. 13, 1894, S. 98. — M. v. Len- hossek, Der feinere Bau des Nervensystems im Lichte neuester Forschungen. 2. Aufl. Berlin 189. 2) Brauer, Zur Kenntniss der Spermatogenese von Ascaris megalocephala. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 42, 1893. 3) G. Mann, Histological changes induced in sympathetie, motor and sensory cells by functional activity. Journal of Anat. and Phy- siology Vol. XXIX 1894—1895 p. 100. (Vergl. Fig. 8, 9, 10). Centrosom und Sphäre in den Spinalganglienzellen des Frosches. 369 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XV und XVl. Sämmtliche Figuren sind bei Anwendung des Zeiss’schen Apo chromaten 2,0 mm Apert. 1,50 und mit Hülfe des neuen Zeiss’schen Zeichenapparates angefertigt. Fig. 1. Nervenzelle mittlerer Grösse (45 u) aus dem Spinalganglion des Frosches. Fortsatz nicht sichtbar. Kern mit schwacher Delle. Fixirung inFlemming’s Gemisch, Färbung mit Thionin. Fig. 2. Grosse 64 u lange Nervenzelle. Der sonst mehr seitlich ent- springende Nervenfortsatz entspringt hier fast in der direkten Verlängerung der Zellenachse; er zeigt eine zarte fibril- läre Struktur. Am Fortsatzpol zwei bindegewebige „Polzellen“. Kern mit Abflachung. Hermann'sche Lösung, Magentaroth. Fig. 3. Kleine Nervenzelle (24 u). Derbe, ringförmig zusammenhän- gende Plasmäaschollen im Ektoplasma; im Endoplasma spärliche Körnchen. Sublimat, Thionin. Die nachfolgenden Figuren sind alle Präparaten entnom- men, die nach Sublimatfixirung hergestellt und mit Heiden- hain’'s Bordeau-Eisenhämatoxylin gefärbt waren. Fig. 4. Nervenzelle von 36 u Länge. Centrosom im Innern undeut- lich differenzirt, Centrosphäre elliptisch, Plasmosphäre undeut- lich begrenzt. Fig. 5—7. Drei Nervenzellen von besonders länglicher Form. Länge: 44, 42 und 30 u. In Zelle 6 auffallend kleiner Kern; Centro- sphäre etwas verschoben, wodurch der helle Hof auf der einen Seite eine Erweiterung zeigt. In Zelle 7 auffallend kleine Centrosphäre (Länge 2,7 u). Fig. 8—10. Plumpe Zellformen mittlerer Grösse; Länge 33, 36,5 und 33 u. Bei allen dreien ausgesprochene Einbuchtung am Kern. In Fig. 9 längliche Form der Centrosphäre und des Centro- soms (beides offenbar Kunstprodukt). f Fig. 11 und 12. Grössere (42 und 48 u lange) Zellen. Fig. 13 und 14 = 42 und 40 u lange Zellen. In Zelle 13 besonders deutlich hervortretende Plasmosphäre. InFig. 14 Verzerrungs- form der Centrosphäre und des Centrosoms. Fig. 15. Ganz kleine, 21 u lange Zelle, mit deutlicher Centrosphäre und deutlichem Centrosom, in welch letzterem aber der Auf- bau aus Oentralkörnern nicht sichtbar ist. Plasmosphäre nicht ausgesprochen; die sie sonst bildenden Körnchen relativ spär- lieh und unregelmässig vertheilt. Fig. 16 und 17. Zwei ganz grosse (53 und 68 u lange) Zellen ohne Spur einer Sphäre und eines Centrosoms, mit unregelmässig im Zellkörper vertheilten Bordeaux-Hämatoxylinkörnchen; bei Zelle 16 zeigen dieselben noch im Endoplasma als Spur der bei kleineren Zellen vorhandenen Plasmosphäre eine gedräng- tere Lagerung. 370 Die Nerven der Chromatophoren bei Fischen. Von Professor Eberth in Nalle a. d. S. und Dr. R. Bunge, Assistent an der Anatomie in Halle a. d. S. Hierzu Tafel XVII u. XVII. Wenn auch Beobachtungen und Versuche die Abhängigkeit des Farbenwechsels von dem Nervensystem erwiesen haben, so war es doch sehr wünsehenswerth, Näheres über das morphologische Verhalten der die Chromatophoren versorgenden Nerven zu er- fahren. Dergleichen Untersuchungen sind zwar schon seit ge- raumer Zeit ausgeführt worden — aber man darf wohl sagen — bis in die letzten Jahre mit nicht sehr befriedigendem Erfolg. Leydig!) glaubte bei den Schlangen beobachtet zu haben, dass ein Theil der Endausläufer der Nerven sich mit den Chro- matophoren verbindet — es schien die Nervensubstanz unmittel- bar in das contraetile Protoplasma überzugehen — und von den Eidechsen sagte er?), dass Nervensubstanz und Chromatophoren schliesslich in eins zusammenfliessen können. BeiRana esceul. sah Ehrmann?) nach Anwendung der Goldmethode Nerven, die in das Protoplasma der Pigmentzellen übergingen. Ein breiter Fortsatz, in welchen die Pigmentzellen nach unten auslaufen, geht ohne scharfe Grenze in die breite, marklose Nervenfaser über. Schölert), der an der Dotterhaut der Fischembryonen wie an Flossen mit der Goldmethode die Nerven darstellte, lässt feine Nervenfäserchen mit eigenartig gestalteten zwischen und unter dem Epithel gelegenen Zellen in Verbindung stehen. Diese Zellen erinnern an amöboide Zellen und haben grosse Aehn- lichkeit mit den Langerhans’schen Zellen. Ob jede dieser Zellen mit einem Nervenfortsatz in Verbindung ist, vermag Schöler nicht zu sagen, Verbindungen mit den Pigmentzellen hat er nicht gesehen. 1) Leydig, Ueber die allgemeinen Bedeckungen der Amphibien. Archiv f. mikr. Anatomie 1873. 2) Leydig, Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier. Tübingen 1872. 3) Ehrmann, Die Nervenendigungen in den Pigmentzellen der Froschhaut. Sitzungsbericht der k. Akademie der Wissenschaften in Wien 1881, Jena. 4) E. Schöler, Beitrag zur Kenntniss der Nerven in der Epider- mis der Fische. Inaug.-Dissertation. Bonn 1885. Die Nerven der Chromatophoren bei Fischen. Byei Lodet) untersuchte die ausgespannte Flosse verschie- dener Fische an Zupfpräparaten nach der Goldbehandlung. Das frisch getödtete Fischehen wurde für einen Tag im luftdieht verschlossenen Exsieeator in feuchter Atmosphäre auf- bewahrt. Hierauf kam die ausgespannte Flosse für 5—6 Stun- den in eine Lösung von 2 Theilen destillirten Wassers und einem Theil Acid. acet. glae. Nach Abspülen in destillittem Wasser wurde sie in 1/,,°/, Goldehloridlösung gebracht bis sie, was in der Regel nach 12—24 Stunden eintrat, dunkelbraun geworden war. Die Reduktion geschah darauf, da die Prichard’sche Lösung sich nicht hinreichend reduktionskräftig erwies, in einem Gemisch aus 100 Theilen Wasser, 5 Theilen Ameisensäure und 5 Theilen Amyl- alkohol. Untersuchung in Glycerin mit einer Spur Ameisensäure. Nach Lode treten von den zahlreichen Nervenfasern, welche bald frei, bald unter einander anastomosirend, die Flosse durch- setzen, einzelne mit den Chromatophoren in Verbindung. Der Uebergang der Nervensubstanz in die Chromatophoren- ist ein allmählicher. Die meisten Nerven endigen frei, ihr Contur ver- schwindet dann vollständig. Zu jedem Chromatophor zieht in ge- strecktem Verlauf eine noch ziemlich kräftige Nervenfaser, die sich nur mit einem Theile der Zelle zu verbinden scheint und über oder unter der Zelle hinwegläuft. Weiteres über den Ver- lauf und die Endigungsweise der Fasern vermochte Lode nicht zu ermitteln, er vermuthet nur, dass eine und dieselbe Nerven- faser mehrere Zellen innervirt. Bei Untersuchungen, welche ich vor einigen Jahren in Gemeinschaft mit Dr. Bunge über die Endigungsweise der Haut- nerven des Frosches mit Hülfe der Golgi’schen Methode ange- stellt habe, wurde nicht unterlassen, auf das Verhalten des Ner- ven zu den contraktilen Pigmentzellen der Haut ganz besonders zu achten. Unsere Bemühungen waren jedoch selbst bei Be- nutzung der gelungensten Präparate von Hautnerven nicht von Erfolg gekrönt. Wir sahen zwar ab und zu einen Nerven, wie dies auch bereits von Anderen geschildert wurde, an die Chromato- phoren herantreten, es blieb aber ungewiss, ob er daselbst endigte und nicht vielmehr einfach "über die Zelle hinweglief. Vor Allem war es der starke Pigmentgehalt der Chromatophoren, 1) A. Lode, Farbenwechsel der Fische. Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, mathematisch-naturwissenschaft- liche Classe. XCIX. Bd. Abthl. III. 1891. S. 130. 372 Eberth und R Bunge: der das weitere Verfolgen der Nerven unmöglich oder wenigstens unsicher machte. Dagegen versprachen die oft in Gestalt dünner Platten auftretenden, mit weniger diehtgelagerten und nicht so intensiv gefärbten Pigmentkörnchen ausgestatteten Chromatophoren der Fische mehr Aussicht auf Erfolg. Als die geeignetsten Stellen erwiesen sich die Flossen und die Haut um die Mundspalte. Obgleich die ersteren sehr schöne Nervenzeichnungen lieferten, war es doch leicht des Guten hier zu viel und wir zogen die andere Lokalität schon des Umstan- des wegen vor, weil sie wegen der grösseren Dicke der Haut und der sie deekenden Epithelschieht auch zugleich die Unter- suchung der epithelialen Nerven erleichterte. Zur Bearbeitung dienten der Weissfisch, die Aalraupe, der Hecht, Aal, Schleie, Gründling, Barsch, in möglichst kleinen Exemplaren. Von diesen lieferten die beiden erstgenannten die instruktivsten Bilder. Ueber diese Untersuchungen hat Eberth bereits auf dem Anatomencongress in Göttingen berichtet, gleichzeitig mit Ballo- witz, der unabhängig von uns und erfolgreich den gleichen Gegenstand in Angriff genommen hatte. Bald darauf veröffentlichte Ballowitz seine Untersuchun- gen in der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. 56. 1893. Obgleich seine Resultate sich mit den unsrigen im Wesentlichen ddeeken, dürfte doch abgesehen von geringen Differenzen bezüg- lich einiger Detailverhältnisse die Mittheilung unserer Befunde schon darum nieht überflüssig sein, als sie zum Theil durch ein anderes Verfahren gewonnen wurden. Der Wunsch, durch Untersuchungen eines grösseren Mate- rials verschiedener Thierklassen unserer Arbeit eine breitere Basis zu geben, war lediglieh der Grund, weshalb bis jetzt unsere Publikation unterblieben ist. Da aber fortgesetzte Studien am Chamäleon, Frosch und Cephalopoden bis jetzt noch nicht den gewünschten Erfolg hatten, stehen wir nicht an vorläufig unsere Ergebnisse über die Chromatophoren der Fische mitzutheilen. Die zur Darstellung der Nerven benutzte Methode war die Golgi’sche, und zwar sowohl die „einfache“, als auch die „doppelte“. Beide gaben gute Resultate. Gewöhnlich impräg- nirten sich die intraepithelial verlaufenden Nervenfäserchen zu- Die Nerven d. Chromatophoren bei Fischen. 373 erst, während erst dann die Nerven um die Chromatophoren sich der Imprägnation zugänglich erwiesen, wohl nur eine Folge der allmählich eindringenden Silberlösung. Ein Umstand aber war selbst bei sehr vollkommener Im- prägnirung des Chromatophorennerven recht störend, die dunkle Färbung und dadurch bedingte Undurchsichtigkeit der Pigment- zellen. Waren auch in der Umgebung die Nerven noch so zahl- reich und wohl differenzirt, sah man sie auch in grosser Zahl auf die Pigmentzellen zusteuern, an diesen selbst war oft nur wenig mehr von den Nerven zu unterscheiden, der dunkle Grund der Pigmentzelle liess sie nicht deutlich erkennen und von einer weitern Verfolgung musste darum eo ipso Abstand genommen werden. i Nur ausnahmsweise fanden sich Chromatophoren mit ge- ringem Pigmentgehalt — besonders bei den. vollständig expan- dirten war dies der Fall — sodass man hoffen konnte, hier über das Verhalten der Nerven zu den Zellen selbst und die Art der Endigungen an den Zellen Näheres zu ermitteln. Aber auch an so günstigen Zellen setzte doch immer das Pigment der Beobachtung unerwünschte Schranken. Es musste deswegen unser Bestreben sein, ein Verfahren zu finden, das Pigment der Zellen’ zu bleichen, um so vielleicht nähern Aufschluss über die Beziehungen zwischen Nerven und Zellen zu erlangen. Ein solches Verfahren durfte aber neben der Aufhel- lung des Pigmentes zu gleicher Zeit die Nervenzeichnungen nicht alteriren, ein bei der bekannten Hinfälligkeit der Chromsilber- präparate etwas schwierige Aufgabe. Das Bleiehen von Pigment gelingt leicht mit Hülfe starker Oxydationsmittel (Wasserstoffsuperoxyd ete.). Es handelte sich also darum, ein solches anzuwenden, welches entweder das in den Nerven niedergeschlagene Chromsilber vollständig intakt liess oder dasselbe in eine andere, im durchfallenden Lichte ebenfalls scharf erscheinende Silberverbindung überführte. Diese Ueber- legungen führten uns auf das Chlorwasser. Während nun dureh Einwirkung des Chlorwassers das Pig- ment gebleicht wurde, verschwand durch Umwandlung der dunkel- braunen Chromsilberverbindung in das grauweisse Chlorsilber die Nervenzeichnung mehr oder weniger vollständig, es gelang aber leicht durch Reduction mit Hülfe des Lichtes das Chlorsilber in die dunkele Silberchlorürverbindung überzuführen und so die er- 374 Eberth und R Bunge: _ blasste oder auch ganz verschwundene Nervenzeichnung in früherer Schönheit und Prägnanz wieder erscheinen zu lassen. Das ganze Verfahren gestaltete sich demnach folgender- maassen. 1. Silberimprägnirung nach der Golgi’schen Methode, Anfer- tigen von Schnitten. 2) Bleichen der Schnitte in Chlorwasser. Je nach dem Chlorgehalt des Wassers war die Einwirkungsdauer eine ver- schiedene. Man kann, um die Intensität der Chloreinwirkung zu prüfen, die Schnitte von Zeit zu Zeit aus dem Chlorwasser neh- men und nach kurzem Abspülen in Wasser unter dem Mikroskop das Abblassen des Pigmentes eontrolliren; in der Mehrzahl der Fälle war bei nicht zu altem Chlorwasser eine Einwirkung von 15—20 Minuten die beste, bei grösseren, ganz intensiv schwarzen Chromato- phoren nahm die Bleichung noch etwas mehr Zeit Anspruch. 3. Auswaschen in Aq. dest. !/, Std. 4. Entwässern in Alkohol abs. 5. Nelkenöl. | Die Sehnitte wurden nun auf den Objektträger gebracht, mit Deekgläschen bedeckt, dem Lichte ausgesetzt und von Zeit zu Zeit die Schwärzung der Nerven controllirtt. War die ge- wünschte Intensität der Liehteinwirkung erreicht, so wurde in Damarlack eingeschlossen. Da das unbeständige Chromsilber jetzt in beständiges Silberchlorür umgewandelt ist, können die Schnitte unter Deekglas aufbewahrt werden. Man kann natür- lich auch zumal bei Behandlung grösserer Mengen von Schnitten die Reduetion des Chlorsilbers gleich nach dem Auswaschen vor- nehmen, ohne vorher die Schnitte durch Oel aufzuhellen und sie der Controlle durch das Mikroskop zu unterwerfen. Es gelingt aber dann nieht immer, den richtigen Zeitpunkt zu finden, in welchem die Reduetion am schönsten ist. Wir haben deshalb den ersten Modus vorgezogen. Verschiedene Präparate wurden auch vor der Bleichung in Lack eingeschlossen, um gezeichnet werden zu können; der Lack wurde dann wieder mit Xylol aufgelöst und dann erst die Bleichung des Pigmentes und die Umwandlung des Chromsilbers vorgenommen. Eine Vergleichung der Bilder ergab, dass die Nervenzeich- nung nicht im geringsten durch die Chlorbehandlung gelitten hatte, im Gegentheil waren jetzt auch Nerven an den Stellen zu sehen, wo man sie vor der Bleichung nicht sah, oder nur ver- Die Nerven der Chromatophoren bei Fischen. 375 muthen konnte. Besonders auffällig war dies an den ganz dun- keln Chromatophoren, auf denen, wie reichlich auch die Nerven in der Umgebung waren und wie zweifellos es auch ihre Anord- nung in der nächsten und ferneren Umgebung erkennen liess, dass ihr Ziel die Pigmentzellen seien, auch nicht eine Spur eines Nerven wahrgenommen werden konnte !). An Stelle des Lichtes wandten wir später auch nach dem Vorgange von Kallius?) die photographischen Entwickler (fünf- fach Hydrochinonentwickler) zur Reduction des Chlorsilbers an. Nach der Chlorwasserbehandlung kamen die Schnitte I) in den „fünffach Hydrochinonentwickler*“ 5—10 Minuten, II) in 70°, Alkohol 15 Minuten, III) Natr. subsulfuros. (10,0 und 50,0) eirea D Minuten, IV) Aq. dest. 1 Tag und wurden dann in bekannter Art in Balsam eingeschlossen. Es gelang uns jedoch nicht, auf diese Weise so schöne Präparate zu erhalten, wie bei der Re- duetion durch das Licht. Das Präparat nahm gewöhnlich einen schmutzig braunen Thon an und bekam Flecke, die nichi mehr zu entfernen waren. Mit dem von anderer Seite zur Bleichung von Pigment- zellen vorgeschlagenen Wasserstoffsuperoxyd haben wir keine günstigen Resultate erzielen können. Die Bleichung dauerte bedeutend länger, der Hauptnachtheil war aber, dass die Nerven- zeichnung theilweise verschwand und bisher durch kein Ver- fahren wieder hervorgerufen werden konnte. In Bezug auf Anordnung und Endigungsweise der Chroma- tophorennerven liess sich mit Sicherheit nur ein Typus — die diehotomische Theilung und freie Endigung mit End- knöpfehen — feststellen. Sehr verbreitet kommt allerdings ein 1) Wir hatten das geschilderte Verfahren angewandt, ohne Kenntniss zu haben von dem von Greppin schon 1888 vorgeschlagenen, dem unsern ganz ähnlichen Verfahren, nämlich der Chromsilberum- wandlung, — Umwandlung in metallisches Silber bezw. Silberbromür mit Bromsilber als Zwischenstufe — Kenntniss zu haben. Bei Versuchen, die wir nachträglich mit Bromwasser angestellt, haben wir gefunden, dass sich die Pigmentzellen auch damit bleichen lassen, aber weniger voll- kommen und sicher, auch ist das Arbeiten mit Bromwasser ein sehr unangenehmes. Die Angaben gen. Forschers über die Präcision der Umwandlung in Bromsilber und durch Reduktion in Silberbromür sind wir in der angenehmen Lage bestätigen zu können. 2) Kallius, Ein einfaches Verfahren, um Golgi’sche Präparate für die Dauer zu fixiren. Anatom. Hefte 1893. I. Abth. 5. Heft. 376 Eberth und R. Bunge: dasselbe ist doch nirgends vollkommen geschlossen, indem von dessen Fäden kürzere oder längere feine Fädchen abzweigen um an den Pigmentzellen frei zu endigen. Die einfache freie Endigung findet sich besonders an lie nen Chromatophoren, mag es nun sein, dass diese mitunter (aber keineswegs stets) nur von wenigen Nerven versorgt werden, oder sei es dass die Imprägnation eine unvollkommene war, d.h. auf einzelne feine Nervenstämmcehen beschränkt blieb. Die enorm reiche Nervenverbreitung auf den meisten Pigmentzellen macht letztere Vermuthung wahrscheinlicher. An solche Chromatophoren, mit nur theilweise wohlimpräg- nirten oder spärlichen Nerven sieht man ein oder mehrere zum Theil varieöse feine Nerven, die sich oft weithin verfolgen lassen, her- antreten und in der Nähe der Zelle in 2 oder 3 Fädeben sich theilen, die mit kleinen Endknöpfchen an der Zelle endigen (Taf. XVII Fig. 1 und 2). Wie bei Anwendung starker Apochromaten bei etwa 1000facher Vergrösserung leicht zu sehen ist, liegen die Nerven mit ihren Knöpfehen oder kleinen Endplatten unmittel- bar dem Protoplasma auf, manchmal in feinen Furchen und Ein- schnitten der Zelle. Bei Anwesenheit mehrerer Nervenstämmehen vertheilen sich dieselben dann so, dass einige an die eine, die übrigen an die andere Fläche der Zelle treten. Könnte noch ein Zweifel bestehen, ob die Nerven un- mittelbar den Chromatophoren aufliegen, so würde die Profil- ansicht diesen beseitigen. Die mitunter geschlängelt verlaufen- den Nerven berühren an verschiedenen Punkten die Oberfläche der Zelle und ihre Endknöpfehen liegen unmittelbar der Zelle auf (Taf. XVIII Fig. 3 u. 4a). Von den Aestehen der Hauptnerven endigen jedoch nicht lie an der Pigmentzelle. Kurze Reiserchen biegen, nachdem sie der Zelle eine Strecke gefolgt, ab, um frei in der Umgebung zu endigen (Taf. XVII und XVIIL, Fig. 2,3, 4), das Gleiche ist auch mit längeren Nerven der Fall, die dann entweder in grösserer Ent-, fernung von der Zelle frei zu endigen scheinen oder an eine benach- barte Pigmentzelle, oder in das letztere umstrickende Nervennetz, oder in die Oberhaut sich begeben (Taf. XVIII, Fig. 6). Durch einige wenige Queranastomosen zwischen den End- ästchen des Chromatophoren, bevor sie knopfförmig enden, wird der Uebergang zu netzförmiger BRSnDE der Nerven bereits angedeutet (Taf. XVII und XVII, Fig. 3,:4)- 2, Die Nerven der Chromatophoren bei Fischen. 377 Das Nervennetz ist bei dem Reiebthum an Nerven und ihrer diehten Lagerung ein mitunter recht schwer zu entwirrendes Ob- jekt. Man darf, um einigermaassen über dessen Zusammensetzung ins Klare zu kommen, durchaus niebt jede beliebige Chromato- phore für geeignet halten — auch die stärkste Geduld würde hier niehts erreiehen — sondern muss solehe Zellen sich aus- wählen, deren Nervennetz einfacher und übersichtlicher ange- ordnet ist. Grosse, möglichst expandirte Zellen sind hierfür ge- eigneter als mittelgrosse. Radiär treten ein oder mehrere zum Theil noch markhaltige Nerven, wie man nach ihrem Kaliber wohl annehmen darf, bald in mehr gestreektem Verlauf, bald geschlängelt heran, theilen sich an der Zelle vielfach und bilden mit ihren Zweigen schon in einiger Entfernung von der Zelle ein Netz mit ungleich grossen Maschen, das in seiner weiteren Entwieklung sich unmittelbar auf der Zelle ausbreitet, so dass diese ringsum von diesem Netz um- sponnen wird (Taf. XVIIL, Fig. 6 undT). Von den feinen zu- leitenden Nerven begeben sich einige direkt, ohne an der Bildung des Nervennetzes sich zu betheiligen, an die strahligen Aus- läufer der Pigmentzellen (Taf. XVIl, Fig. 5b), denen sie oft in unmittelbarer Berührung bis an ihr Ende folgen, um daselbst knopfförmig zu endigen. Manche dieser Zweige biegen auch nahe dem Ende der Zellausläufer schlingenförmig um und endi- gen nahe der Basis der Zellstrahlen. Auf diese Weise werden fast alle Zellausläufer innervirt (Taf. XVII, Fig. 5b). Viele den Zellstrahlen folgende Nerven scheinen jedoch, ohne Endfädchen an erstere abzugeben, diesen entlang in der Umgebung zu endigen oder in das Nervennetz einer benachbar- ten Pigmentzelle einzutreten. Andere Zweige der zuleitenden Nervenfasern vereinigen sich, an der Zelle angelangt, bald zur Bildung des Nervennetzes, von dessen Fädchen dann die End- fibrillen abzweigen. Im Allgemeinen bietet das Nervennetz an der inneren Ober- fläche der Zelle dieselben Verhältnisse wie an den unteren. Ballowitz betont gewisse Beziehungen des Verlaufs der Nervenfasern zu der Attraktionssphäre der Pigmentzellen. Die Nervenfasern verlaufen nämlich kreisförmig oder in Spiraltouren, so dass die helle Attraktionssphäre nahezu in der Mitte der Win- dungen gelegen ist, von denen dann die Endfibrillen abgehen, welche zum Theil zu dem Zellkörper, zum Theil radiär zu den Fortsätzen gehen. 378 Eberth und R. Bunge: Die Nerven d. Chromatophoren etc. Dieses Verhalten fand B., wenn auch nicht so ausge- sprochen wie bei den kleinen Chromatophoren des Hechtes, auch bei anderen Knochenfischen, während die grossen Pigmentzellen am Kopfe des Barsches dasselbe weniger deutlich erkennen liessen. Auch bei dem Barsch finden sich diehotomische Thei- lungen der Nervenfasern, die ein bisweilen sogar engmaschiges Netz vortäuschen können. Netzförmige Verbindungen sind auch hier nicht auszuschliessen und der eireuläre Verlauf ist wenigstens in Andeutungen zu erkennen. Das trifft vollkommen zu, nur mit der Einschränkung, dass wenigstens nach unseren Erfahrungen bei Leueiscus der ra- diäre Verlauf dichotomisch sich theilender Nervenfasern häufiger zu sein scheint wie der circuläre, der nach der Schilderung von Ballowitz beim Hechte ausgesprochener ist. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVII u. XVII. Fig. 1. Chromatophore aus der Lippe des Weissfisches mit 2 termi- nalen, knopfförmig endenden Nervenfasern. Golgische Behand- lung, Bleichung m. Chlorwasser, Reduktion desChlorsilbers durch Licht. 1000 fache Vergrösserung. Apochromat Zeiss 2 mm Ap.1,3. Fig. 2. Chromatophore aus der Lippe des Weissfisches mit einer Anastomose zwischen 2 terminalen Nervenfasern, bei a in die Umgebung tretende freie Nervenfaser. Behandlung und Ver- grösserung wie oben. Fig. 3. 2 freie Nervenendigungen in der Chromatophore aus der Lippenhaut des Weissfisches. Pericellulares Netz. Behand- lung und Vergrösserung wie Fig. 1. Fig. 4. Freie Nervenendigungen in der Chromatophore der Lippenhaut des Weissfisches, bei a 2 freie (?) Nervenendigungen in dem umgebendenGewebe. Behandlung und Vergrösserung wieFig.l. Fig. 5. Chromatophore aus der Kopfhaut von Lota vulgaris nach Bleichung mit Chlorwasser und Belichtung. Golgi’sche Be- handlung. a zutretende Nervenfasern, welche auf der Zelle ein Netz bilden, b theils von den zuführenden Nervenfasern, theils aus den Nerven des Netzes tretende terminale Endi- gungen, e umbiegende Faser, 600 fache Vergrösserung. Fig. 6. Chromatophoren aus der Kopfhaut der Lota vulgaris. «a Radiär zu der Chromatophore, das dieselbe umspinnende Netz bildende Nervenfasern. Golgi’sche Behandlung. 600fache Ver- grösserung. Fig. 7. Nervennetz mit freien Endfäden auf 2 Chromatophoren von Lota vulgaris. Apochromat 500fache Vergrösserung. 379 Ueber den Bau der Spinalganglienzellen bei Säugethieren, und Bemerkungen über den der centralen Zellen. Von Walther Flemming in Kiel. Hierzu Tafel XIX. Vor längerer Zeit habe ich eine Beschreibung der Structur der Spinalganglienzellen bei Säugethieren gegeben !), welche besagte, dass in ihnen tingirbare Körner und feine Fädchen von im Ganzen gewundener Anordnung existiren, die mit jenen Körnern in Verbindung zu stehen scheinen. In den einen Zellen sind die Körner feiner und die Fadenwerke dichter, in den anderen erstere gröber und lockerer vertheilt, daher die Zellen der ersteren Art (meistens die kleineren) ein dichtes dunkles Ansehen haben, die letzteren heller und gröber scheckig erscheinen (Fig. 3 am eit. Orte, Fig. 1 und 2 hier). — Für ältere Angaben, welche diese Strueturen betreffen, darf auf die dortige Litteraturbespre- chung verwiesen sein. — Zum Vergleich untersuchte ich mit denselben Methoden (besonders Chromsäure und Pikrinsäure, ferner Alkohol und Osmiumsäure) auch centrale Nervenzellen (Vorder- horn); es zeigten sich auch hier gröbere oder feinere, körnige Portionen einer stärker tingirbaren Substanz und dazwischen ein feiner fihrilläres Wesen; der Unterschied gegenüber den Spinal- ganglienzellen war, dass diese Struetur sowohl als die gröberen tingirbaren Portionen und Streifen bei den Vorderhornzellen eine längsparallele Anordnung zeigten, während bei den spinalen wie gesagt ein unregelmässiger, gewundener Verlauf derselben vorlag. 1) Vom Bau der Spinalganglienzellen. Beiträge zur Anatomie und Embryologie als Festgabe für J. Henle von seinen Schülern. 1882. 8:12. Eine vorläufige Mittheilung über das hier Folgende gab ich auf der Baseler Anatomenversammlung (Ueber die Structur der Spinal- ganglienzellen. Verhandlungen 17. April, S. 19). Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46. 25 380 Walther Flemming: Seitdem sind verschiedene auf diese Dinge bezügliche Ar- beiten erschienen. Flesch'!) und seine Schülerinnen Helene Koneff?, Anna Gitiss?®) und Anna Kotlarevsky‘) haben sich hauptsächlich mit den Färbbarkeits-Verschiedenheiten der einen und anderen Zellen in den Ganglien beschäftigt, ohne auf die feinere Struetur, in der jene in letzter Instanz bedingt sind, nähere Rücksicht zu nehmen, daher ich diese Arbeiten hier nicht zu berücksichtigen habe. Erik Müller) hat die Struetur der Spinalganglienzellen im Wesentlichen ebenso gefunden wie ich.. Niss1® und Benda’) haben sich vorzüglich mit den tingir- baren Körmergebilden in den Nervenzellen beschäftigt, die ja jetzt vielfach nach ersterem Forscher benannt werden. Ich glaube aber annehmen zu dürfen, dass Niss]l in den Spinalganglien- zellen auch in Bezug auf die sonstige feinere Structur des Zellen- leibes Aehnliches gesehen hat wie ich, da er °) sagt: „die sich färbende Substanz tritt in Form von grösseren oder kleineren, rundlichen, ovalen oder sphärischen, manchmal auch eckig und unregelmässig geformten Knötchen auf, die allerfeinste fädige Ausläufer besitzen.“ Im letzten Winter gab M. v. Lenhossek in seinem Buche: Der feinere Bau des Nervensystens im Lichte neuerer Forschungen, Berlin, 2. Auflage (Abschnitt V: Zur Zellstruetur der Nerven- zellen) eine von der meinigen sehr abweichende Sehilderung, vom 1) Mittheilungen der Naturforschenden Gesellschaft in Bern, Nr. 1169—1194. 2) Beiträge zur Kenntniss der peripheren Ganglien. Diss. Bern, 1886. 3) Beiträge zur vergl. Histol. der peripheren Ganglien. Diss. Bern, 1887. 4) Physiolog. u. mikrochem. Beiträge zur Kenntniss der Nerven- zellen in den peripheren Ganglien. Diss. Bern, 1887. 5) Untersuchungen über den Bau der Spinalganglien. Nordisk med. Arkiv, B. 23, Nr. 26. 6) Die zahlreichen Arbeiten Nissl’s sind eitirt in dem Aufsatz: Der gegenwärtige Stand der Nervenzellenanatomie und -Pathologie. Centralbl. f. Nervenheilkunde und Psychiatrie, Januar 189%. 7) Verhandl. der physiol. Gesellsch., Berlin, 1885—86, Nr. 12, 13, 14; Berliner Gesellsch. für Psychiatrie und Nervenkrankh. 8. Januar 1895; ebenda 8. Juli 189. 8) Mittheilungen zur Anatomie der Nervenzelle. Zeitschrift für Psychiatrie Bd. 50. Ueber den Bau der Spinalganglienzellen bei Säugethieren ete. 381 Bau der Spimalganglienzellen des Rindes. Er fand, um seine eigenen Worte anzuführen: „im Zellkörper weder eigentliche Fi- brillen, noch aber kurze !) Fädchen, wie sie Flemming be- schreibt, sondern eine schwach färbbare Grundsubstanz, und in diese in grosser Menge eingestreut lauter kleine Körnchen, die den angewandten Farbstoffen gegenüber (besonders Magenta- rothfärbung nach Niss! und Thionin) grosse Affinität zeigen. Diese Körper sind im Allgememen sehr viel feiner als die be- schriebenen Plasmaschollen in den centralen Nervenzellen, sie lassen sich mit ihnen gar nicht direct vergleichen, sogar der von Nissl benutzte Ausdruck Knötcehen scheint mir etwas zu viel- sagend für sie; auch liegen sie viel dichter gedrängt als jene. «- Während am frischen Präparat die Körnelung wie gesagt durch die ganze Zelle eine gleichmässige zu sein scheint, ergiebt sich am Färbepräparate ein anderes Bild. Die Zelle scheint fast immer aus zwei Schichten zu bestehen. Der Kern erscheint umgeben von einer Zone, in der die Körner viel dichter stehen und dadurch eine dunklere Färbung der Zelle hier veranlassen. Nach aussen hin nimmt ihre Dichtigkeit und damit die Färbungs- nuance ab. Die Peripherie der Zelle wird von einer helleren Zone gebildet. Die beiden Zellgebiete gehen in der Regel all- mählich in einander über. Schon bei mittelstarken Vergrösse- rungen erkennt man noch ein zweites: die Thatsache, dass in dieser peripheren Zone die Körnchen nicht ganz regelmässig nebeneinander angeordnet sind, sondern dass sie sich zu kleinen Gruppen ordnen, die mit einander netzförmig zusammen- hängen. Diese Anordnung geht in die durchaus gleichmässige des centralen Gebietes unmerklich über. — Von einer eoncen- trisch-geschiehteten Anordnung der Körnchen, wie sie Nissl], allerdings für die Spinalganglien des Menschen, beschreibt, konnte ich bei dem Ochsen in der überwiegenden Mehrzahl der Zellen nichts wahrnehmen. — Die Einzelform der Körnehen kommt in den peripherischen Schichten einer jeden Zelle, am besten aber 1) Es handelt sich hier um ein Missverständniss: ich gab a.a.0. S. 13 an, dass ich in den Abbildungen nur Bruchstücke der Fäden zeichnen konnte, um diese nicht zu undeutlich zu machen, was nicht als reell zu nehmen sei. In der That sind die Fadenzüge gar nicht so kurz, sondern auf längere Strecken im Zusammenhang verfolgbar, 382 Walther Flemming: an den tangential getroffenen Zellen zur Anschauung. Es ergiebt sich, dass es feine, punktförmige Bildungen sind, bald von rund- licher, bald mehr von länglicher, stäbehenförmiger oder unregel- mässiger Gestalt, doch scheint mir die Kugelform immerhin zu prävaliren. Als Fädehen könnte ieh sie unmöglich bezeichnen, selbst wenn sie eine etwas längliche Form aufweisen. Die An- gaben Nissl’s, dass sie noch feinere Fädchen entsenden, konnte ich nicht bestätigen; ich sehe nur abgerundete, scharf begrenzte Knötehen. Dagegen stimme ich Niss] bei, wenn er sagt, dass die Körnehen nicht von gleicher Grösse sind; man findet etwas gröbere neben gerade noch an der Grenze der Sichtbarkeit ssehenden.“ Dies wird von v. Lenhossek als das typische Ver- halten beschrieben; es gebe aber viele Ausnahmen und zwar folgende: „Zunächst findet man eine ganze Anzahl von Zellen, die sich durch etwas gröbere Beschaffenheit ihrer Körnchen aus- zeichnen. Schon bei Flemming (a. a. 0. p. 15) finden wir diese Thatsache registrirt. Ich würde nicht anstehen, die Spinal- ganglienzellen ohne Weiteres in grobgranulirte und feingra- nulirte einzutheilen, wenn dadurch nicht etwa die Vorstellung einer numerischen Gleichheit dieser Elemente hervorgerufen wer- den könnte. Die grobkörnigen Zellen bleiben nämlich hinter den anderen, den typischen feinkörnigen, an Zahl beträchtlich zurück ; es handelt sich immerhin nur um Ausnahmeformen. Eine locale Sonderung der beiden Zellengattungen besteht, wie schon Flem- ming bemerkt, nicht, sie liegen vielmehr bunt durcheinander ge- würfelt. Ist auch keineswegs ein gesetzmässiger Zusammenhang zwischen der Grösse der Zelle und den Dimensionen ihrer Körn- chen nachweisbar, so kann man doch im Allgemeinen sagen, dass eine gröbere Körnelung, im Gegensatz zu dem Verhalten bei den motorischen Vorderhornzellen, häufiger grade bei den kleineren Exemplaren angetroffen wird; die ganz grossen Zellen weisen nach meinen Erfahrungen durchgehend eine sehr feingranulirte Beschaffenheit auf. „Auch in den grobkörnigen Zellen besitzen die Granula vorwiegend eine rundliche Gestalt, doch sind sie in viel grösseren Abständen von einander gelagert, als in der feinkörnigen Gattung, und dies ist ein zweites Characteristieum dieser Elemente. Eine Ueber den Bau der Spinalganglienzellen bei Säugethieren ete. 383 dritte Eigenschaft kommt nur einigen davon zu: diese Eigenschaft besteht in der Gruppirung der Körner zu parallelen Kreisen; dies ist aber eine äusserst seltene Erscheinung, was ich Nissl gegenüber besonders betonen möchte; nur ein kleiner Bruchtheil der grobgranulirten Zellen weist sie auf. „Um nicht eine falsche Vorstellung aufkommen zu lassen, muss ich bemerken, dass die gröbere Beschaffenheit der Granula durchaus nur als eine relative zu betrachten ist. An sich ver- tragen auch noch diese Körnchen das Epitheton ‚fein‘, vor Allem im Vergleich mit den ganz anders beschaffenen derben Plasma- schollen der centralen Nervenzellen.“ Die Methode, mittelst welcher v. Lenhossek diese, von meinen, Nissl’s und Erik Müller’s so sehr abweichenden Be- funde erzielt hat, war Fixirung mit Alkohol von 90 oder 95 pCt., ausserdem mit Formol. v. Lenhossek hat auch die von mir benutzte Chromsäure versucht, aber damit offenbar keine brauch- baren Präparate bekommen; er sagt, „dass ihm daran stets das Protoplasma als eine undeutliche, matt granulirte, diffuse Masse erschien, die sich auch bei den stärksten Vergrösserungen einer Analyse des inneren Baues entzog“. Es steht ihm ausser Zweifel, dass die Methode in meinen Händen andere Resultate gegeben haben müsse, als in der seinigen; nach seinen Befunden glaubt er der Alkoholhärtung aber den Vorzug geben zu müssen. Dass v. Lenhossek mit der Chromsäure so sehr von den meinigen verschiedene Resultate erhalten hat, liegt vielleicht daran, dass er die Behandlung damit nur 24 Stunden dauern liess; ich habe sie viel länger genommen. Ich habe bei der starken Incongruenz unserer Befunde eine erneute Prüfung für erforderlich gehalten, obwohl die nicht ab- geblassten meiner alten Präparate mir noch deutlich zeigten, was ich früher beschrieben hatte, und obwohl ich seit 1884 mit Chromosmiumessigsäure, welche auch Erik Müller benutzt hat, ähnliche Bilder bekam; doch zeigt allerdings dieses Reagens zwar die Körner recht scharf, die feineren Fadenwerke aber nur sehr blass. Für die neuen Präparate, Spinalganglien des Kanin- chens, der Katze, des Rindes und des Menschen (von letzterem ein Ganglion Gasseri, etwa vier St. post mortem ein- gelegt, welches demzufolge die Zellen etwas stark geschrumpft zeigt), habe ich ausser Chromsäure und Chromosmiumessigsäure 354 Walther Flemming: besonders Sublimat (eone.) benutzt, von Färbungen ausser Safranın und Gentiana besonders M. Heidenhain’s Eisenhämatoxylin- tinetion. angewandt, endlich Sublimatpräparate auch progressiv (also ohne jedes Wiederausziehen der Farbe) mit Delafield’schem Hämatoxylin gefärbt. Der Vergleich der Präparate vom Rind zeigte sofort, woran zum grossen Theil die Differenz der Befunde liegt. v. Len- hossek hat, wie es scheint, nur dieses Thhier untersucht. Bei demselben sind nun in der That auffallender Weise, abweichend von den übrigen Thieren, die Körnergebilde in den Zellen relativ sehr klein, und es war gewiss motivirt, wenn v. Lenhossek nach diesem alleinigen Befund zu dem Schluss kam, dass sie mit den groben Körnerschollen der centralen Zellen nicht zu ver- gleichen seien. Es kommen beim Rind zwar auch Zellen mit etwas gröberen Körnern vor, sie sind aber, wie v. Lenhossek ebenfalls ganz richtig angiebt, selten. Endlich ist eine concen- trische Anordnung der Körner in den bei weitem meisten Zellen beim Rind nicht ausgesprochen oder nur sehr undeutlich, obwohl ich sie, nach der Analogie der Verhältnisse bei den anderen Thieren, doch als vorhanden annehmen möchte. Auch in den Zellen des menschlichen Ganglion Gasseri sind die Körner ziemlich klein, wenn schon vielfach grösser als in den meisten Zellen beim Rind. Dagegen bei Kaninchen, Katze und Hund sind die Unter- schiede zwischen grob- und feingranulirten Zellen viel aus- gesprochener, die ersteren kaum weniger zahlreich als die letzteren. Die feingranulirten Zellen sind durchweg kleiner. Die Körnerschollen bestehen, bei starker Vergrösserung unter- sucht, aus einzelnen feinsten Körnern. Es lässt sich kein Grund sehen, weswegen man diese Schollen nicht mit denen der centralen Zellen gleichwerthig setzen sollte, da sie dieselbe Färb- barkeit besitzen und in den grobscholligen Zellen auch von ziem- ‚lieh gleiehen Dimensionen, manchmal auch grösser sind wie jene. Dann wird diese Gleichwerthigkeit aber wohl auch für die kleineren Körnergebilde, die beim Rind und beim Menschen vor- kommen, zu gelten haben. Eine Hauptsache ist nun aber, dass in den Zellen aller untersuchten Thiere ausser diesen Körnern auch Fäden vor- kommen. Dies muss ich v. Lenhossek gegenüber ganz be- stimmt aufrecht halten ‘und belege es hier durch eine Anzahl Ueber den Bau der Spinalganglienzellen bei Säugethieren ete. 385 Figuren (Fig. 3—12, 14—15). Sie sind beim Rind nicht minder deutlich als bei den übrigen Thieren, ja noch deutlicher, da hier nicht so viel gröbere Körner ihre Ermittelung stören. Am klarsten präsentiren sie sich an Eisenhämatoxylinpräparaten, die in der Eisenlösung so weit wieder ausgezogen sind, dass sie blass blau- grau aussehen (Fig. 3, 4, S—12). Man kann die Fädehen zwar auch an diekeren Schnitten erkennen, thut aber besser dafür solche zu wählen, die nur wenige Mikren diek sind, wo man dann natürlich nur kürzere Fädenbruchstücke erhält. Ich kann meine frühere Beschreibung dieser Gebilde nur wiederholen. Die Fädchen stehen jedenfalls vielfach, wenn nieht durchweg, mit den Körnerhaufen in Verbindung und es macht mir den Eindruck, als ob letztere nur Ein- oder Auflagerungen von tingirbaren Granulis an den Fäden wären. Letztere haben, wie ich früher beschrieb, geknickte, wellige Verläufe. An stärker ausgezogenen Präparaten kann man diese Verläufe sehr gut verfolgen und sehen, dass sie nicht eben „minimal kurz“ sind, wie v. Len- hoss&k meine Beschreibung aufgefasst hat, man ist aber nicht in der Lage zu entscheiden, ob sie etwa ein zusammenhängendes Netzwerk bilden: bei stark extrahirten Präparaten thun sie dies nicht, aber es kann hier durch die Ausziehung streckenweise Farbe aus ihnen entfernt sein; und bei nur progressiv gefärbten Präparaten (Fig. 5) sind wiederum die Bilder weniger klar, da hier eben Alles gefärbt ist, die körnerhaltigen Strecken stärker, die körnerlosen blasser, und man zufrieden sein muss, einzelne Fadenzüge der letzten Art eine Strecke weit verfolgen zu können. Ausser den Körnergebilden und Fäden existirt in der Zelle eine interfilare, kaum färbbare Zwischensubstanz, welche mir bei verengter Blende mehr einen feingranulirten, als einen schaumigen Eindruck macht; doch wage ich nicht zu entscheiden, .. ob diese Granulirung Reagentienprodukt oder Natur ist. Zum Vergleich habe ich auch Ganglien in Alkohol gehärtet, mit dem ja v. Lenhossek seine Bilder gewonnen hat. Ich hatte den Alkohol schon bei meinen früheren Arbeiten benutzt (a. a. O.) und damit wesentlich das Gleiche gesehen wie es hier beschrie- ben ist, also Körmer und Fäden, nur blasser und zarter als mit Chromsäure und Sublimat. Mein jetziges Ergebniss ist dasselbe. Es wurden Ganglien vom Rind drei Tage in 90 procentigem, all- mählich verstärkten Alkohol gehärtet, geschnitten (theils Paraffın 386 Walther Flemming: theils Celloidin) und die Schnitte einige Stunden mit dünnem Delafield’schem Hämatoxylin gefärbt. Auch diese Präparate zeigen die Fäden, allerdings blasser als die Sublimatobjekte ; ich verzichte darauf, solche Bilder zu zeichnen, da sie eben durch- aus nichts Anderes bieten, als jene. — Ich habe auch die Thio- ninfärbung von Alkoholpräparaten, in der Weise, wie sie v. Len- hossek benutzte, versucht; auch hier finde ich geknickt ver- laufende feine Fadenstränge in den Zellen gefärbt, die vielfach allerdings nur den Eindruck von Körnchenreihen machen. Die grösseren Körnerschollen (das Ganglion war von der Katze und die Zellen enthielten also solche) sind nicht zu sehen und wohl extrahirt. Uebrigens sind in diesen Präparaten die Zellen stark geschrumpft und es mag sein, dass ich kein besonderes Glück mit der Methode gehabt habe; ich glaube auch gewiss, dass v. Lenhossek’s Alkohol-Thionin-Präparate und Alkohol-Magenta- Präparate so ausschen werden, wie er sie beschreibt. Aber ich sehe nicht, wie sie zur Beurtheilung der Structur maassgebend sein können. Denn es handelt sich ja bei diesen Methoden um Extractionsfärbungen, und wenn sie in der That nur Körnchen gefärbt und die Fädchen unsichtbar lassen, so muss man meines Erachtens eben die übrigen Methoden, welche auch letztere zeigen, für vollkommener ansehen. Die von v. Lenhossek erwähnte Erscheinung, dass beim Rind der centrale Theil der Ganglienzelle dichtere Lage der Körner zeigt, als der periphere, finde ich hier und da einiger- maassen ausgesprochen; etwas besonders Typisches aber kann dies wohl nicht sein, da bei den anderen Thieren davon nichts zu finden ist. Bei der Katze, dem Kaninchen und dem Hund sind, wie schon erwähnt ist und wie die Abbildungen Fig. 1 und 2 hier zeigen, die kleineren Zellformen durchweg dichter gebaut, dunkler und stärker färbbar. Bei den kleinsten, dunkelsten Exemplaren ist es oft nicht mehr möglich, zwischen den dichten Körnern noch Fädchen auszumachen, doch zweifle ich nicht, dass sie auch hier vorhanden sind, da sie sich in den Zwischenformen (z. B. Fig. 15) ganz gut sehen lassen. Beim Rind und auch beim Menschen sind die Unterschiede der Zellen in Bezug auf Grösse und Dichtigkeit des Baues weniger bedeutend. Ich habe noch zu erwähnen, dass alle genannten Reagentien Ueber den Bau der Spinalganglienzellen bei Säugethieren ete. 387 bei den meisten der Ganglienzellen Schrumpfungen in wechseln- dem Grade verursachen (Fig. 15, manche Zellen in Fig. 1 und 2). Dies ist schon in meiner früheren Arbeit erwähnt, und wird auch von v. Lenhossek (p. 164) berücksichtigt. Er hält die um die Zelle entstehende Spalte nicht ganz für ein Kunstprodukt, da ein feiner, die Ernährung der Zelle vermittelnder Iymphatischer Raum zwischen ihr und der Kapsel vorhanden sein müsse. Ich möchte doch meinen, dass man es mit Artefacten zu thun hat, weil nämlich bei einzelnen Zellen dieser Raum in der That ganz fehlt, während er bei den meisten in allen Grössenabstufungen vor- handen ist. Wo die Erscheinung hochgradig ist, sind in dem breiten um die Zelle entstandenen Raum massenhafte Fädchen von der zusammengeballten Zelle zur Kapsel hinüber ausgepaart, wie man dies an manchen von Erik Müller’s Abbildungen sieht. Jedenfalls constatire ich, dass diese Erscheinung sowohl durch Alkohol als dureh die übrigen Reagentien bedingt wird, und, da sie wie gesagt bei manchen Zellen fehlt, nicht Anlass geben kann, die Structuren, welche diese Reagentien zeigen, in Verdacht zu stellen. Die Existenz eines Fadenwerkes in den Zellen an den Prä- paraten steht also ausser Zweifel. Es könnte nun höchstens noch die Frage sein, ob dieses als ein Kunstprodukt der Reagentien anzusehen wäre. Bekanntlich hat Alfred Fischer kürzlich in Peptonlösungen ete. durch Fixirungsmittel Ausfällungen erzielt, die die Form theils von Körnchen, theils von netzigen Structuren haben. Dass es sich aber hier um Derartiges handeln könnte, ist nicht anzunehmen. Denn wenn es so sein sollte, so würde vorauszusetzen sein, dass Gerinnungen von dieser selben Form überhaupt in allen Nervenzellen auftreten, wenn wir Reagentien auf sie einwirken lassen. Am Schluss wird aber beschrieben, dass in centralen Nervenzellen bei gleicher Behandlung statt dessen gestreckt verlaufende Fibrillen sichtbar gemacht werden, während bei den Spinalganglienzellen stets die beschriebenen, un- regelmässiger angeordneten Structuren erscheinen. Die Polstelle hat Nissl zuerst näher mit den Worten beschrieben: „Der Fortsatz entspringt meist aus einem Hofe von vorwiegend ungefärbter Substanz, der an der Peripherie der Zelle (an einem Pol derselben) gelegen, sich gegen den übrigen Zell- 388 Walther Flemming: leib halbkreis- oder hufeisenförmig abgrenzt und zwar sieht der concave Rand der Begrenzungslinie gegen den Fortsatz, der in seinen centralen Theilen ebenfalls aus sich nicht färbender Sub- stanz besteht, sich aber dadurch von der ungefärbten Zellleibes- substanz unterscheidet, dass er ein anderes Lichtbrechungsver- mögen darbietet wie jene“). v. Lenhossek?) bestätigt diese Darstellung. Er findet den Hügel — so wird die Anschwellung des Fortsatzes genannt, mit der dieser sich in die Zelle einpflanzt — homogen, nur bei starken Vergrösserungen von einem sehr zarten schaumartigen Gefüge, und stellt jede fibrilläre Struetur in Abrede. Damit ist das Verhalten an Alkoholpräparaten sehr gut beschrieben, so wenigstens finde ich es an den meinigen?); nur sehe ich mit starken Systemen nicht sowohl ein schaumiges als ein feingranulirtes Gefüge. — Anders aber an Sublimat- präparaten, dieprogressiv gefärbt sind. Hier sieht man eine ganz unverkennbare fibrilläre Streifung an der Ein- trittsstelle der Nervenfaser. Bei meinen früheren Arbeiten hatte ich auf diesen Punkt und überhaupt auf die Eintrittsstelle noch nicht geachtet. F. Reinke theilte mir am Ende des letzten Jahres brieflich mit, dass er an Präparaten aus Hermann’schem Gemisch die tibrilläre Einstrahlung gesehen habe, und wollte dasVerhalten in einer Arbeit, die vielleicht inzwischen erschienen ist, näher beschreiben. Ihm kommt also die Priorität dieses Befundes zu, den ich dann an den ersten, mit Hämatoxylin gefärbten Sublimatpräparaten gleich- falls gewann (Fig. 5, 6 und 12). Die faserige Einstrahlung liegt, soviel ich sehe, immer im peripheren Theil des Eintritts- kegels, und soviel mir scheint, in zwei Systemen vertheilt, während die Mitte des Kegels eine mehr verworren-faserige Structur zeigt, keineswegs aber eine bloss körnige oder schaumige (Fig. 4, vgl. Erklärung). Da wir uns ja den Nervenfortsatz einer Spiral- ganglienzelle aus zwei Nervenfasern (Axeneylindern) zusammen- gesetzt vorstellen können, so würde diese doppelte Faserung des Umfangs der Eintrittsstelle verständlich sein: die eine entspräche der einstrahlenden peripheren, die andere der austretenden cen- 1) Mittheilungen zur Anatomie der Nervenzelle. Zeitschrift für Psychiatrie Bd. 50. 2) A. a. O. S. 173. 3) Doch zeigt progressive Hämatoxylinfärbung auch an Alkohol- präparaten eine faserige Beschaffenheit der Fortsatzstelle. Ueber den Bau der Spinalganglienzellen bei Säugethieren ete. 389 tralwärts verlaufenden Nervenfaser. Ich glaube, dass es sich so verhält, möchte aber die Beschreibung noch mit Reserve geben; man kann natürlich das Verhalten nur an Schnittserien durch die Eintrittsstelle eontrolliren, wovon mir erst wenige vorlagen. Ich ceonstatire aber jedenfalls, dass der fibrilläre Bau eines Theils des Kegels an Präparaten der genannten Art ausser Zweifel steht. — Hierbei mag zugleich bemerkt sein, dass auch die Axeneylinder der Nervenfasern in den Ganglien- schnitten eine deutliche (allerdings nur mit Oelimmersion ganz augenfällige) fibrilläre Structur zeigen, wo sie nicht geschrumpft sind und die Myelinröhren ganz ausfüllen. Allerdings kommen aber geschrumpfte Stellen sehr häufig (und an den Sublimatprä- paraten vorherrschend) vor, an solchen ist der Axeneylinder schmal und ganz geschwärzt. In den Myelinscheiden sieht man an solchen Präparaten ein feines geschwärztes Netzwerk, den Neurokeratingerüsten entsprechend. Bei Chromosmiumessigprä- paraten sind die geschrumpften Stellen seltener, obsehon immer noch recht reichlich, die Myelinscheiden sehen hier compact aus. In Fig. 13 ist aus solchem Präparat ein Faserstück mit fibrillärem Axeneylinder gezeichnet. Bei Sublimat-Eisenhämatoxylinpräparaten nach M. Heiden- hain ist das beschriebene Verhalten an der Eintrittstelle der Nervenfaser keineswegs so deutlich, hier sieht dieselbe meistens fast homogen aus, ohne fibrilläre Structur, was wohl auf der Einwirkung der Extraetion in der sauren Eisenlösung beruhen wird. Bei Chromosmiumessigsäurepräparaten !) sehe ich manchmal eine Andeutung der Fibrillenstreifung, aber lange nieht so deutlich als bei den Sublimatpräparaten mit progressiver Hämatoxylinfärbung. Ich komme nun noch zur Besprechung der eoncen- trischen Anordnung der Körnersehollen. v. Lenhossek hat dies Verhalten in seinen „Untersuchungen über die Spinalganglien des Frosches“?) beschrieben, legt aber in seinem Buche (p. 166 und 168) keinen besonderen Werth darauf, weil er sie beim Rind nur äusserst selten deutlich findet. 1) Nach brieflicher Mittheilung hat Reinke die Fibrillen an Prä- paraten aus Hermann'’scher Lösung deutlich gesehen. 2) Archiv f. mikr. Anatomie Bd. 26, 1886, p. 370. 390 Walther Flemming: Dies ist für das Rind ganz zutreffend, und nach Präparaten von diesem allein würde man schwerlich daran denken, einen typischen Bau darin zu erblicken. Aber bei den anderen Thieren ist die Erscheinung einer concentrischen Anordnung der Körner um den Kern in so vielen Fällen bei den grösseren und mittel- grossen Zellen unverkennbar, dass ich es dennoch thun muss, und die anscheinende Seltenheit beim Rind nur darauf beziehen möchte, dass dort die Körner in den bei weiten meisten Zellen eben kleiner sind und dichter liegen, so dass es schon eine ganz bestimmte Schnittrichtung braucht, um einen Eindruck davon zu bekommen. Die Spinalganglienzellen lassen sich bekanntlich nach His als ursprünglich bipolare Zellen auffassen, wie sie ja beim Fisch bleibend geformt sind; beim Säugethier sind die beiden Pole auf einen Punkt zusammengeschoben. Denken wir uns eine centrale Zelle von Spindelform, mit Körnerschollen durchsetzt, so werden diese auf einem, durch den Kern gehenden Querschnitt der Zelle eine etwa concentrische Anordnung um diesen zeigen. Denken wir uns eine solche Zelle so gebogen, oder richtiger im Laufe der Entwickelung so umgestaltet, dass die beiden Pole an einem Punkt des Umfangs zusammenkommen, so wird ein Querschnitt durch die Zelle, der senkrecht zur an diesem Pol eintretenden Doppelnervenfaser durch den Kern geht, um diesen her die Schollen gleichfalls in eoncentrischer Anordnung zeigen. Dass man diese nur in einer Minderzahl von Zellen erkennt, ist na- türlich, da die Erscheinung nur dann ganz deutlich sein kann, wenn der Kern in einer ganz bestimmten Richtung vom Schnitt getroffen ist; die viel zahlreicheren tangentialen Schnitte, die an ihm vorbeigehen, werden entweder überhaupt nichts davon, oder eine etwa parallele Anordnung der Schollen zeigen. Und wo die Zellen gross und die Körner relativ klein sind und dabei dicht liegen, wie beim Rind, wird man am wenigsten Gelegenheit haben, etwas davon wahrzunehmen. Ich berühre diesen Gegenstand hier nur kurz, weilF. Reinke (nach brieflicher Mittheilung) eine nähere Behandlung desselben beabsichtigte; und will nur noch bemerken, dass die neue Er- mittelung v. Lenhossek’s, nach welcher beim Frosch das Cen- trosom der Mittelpunkt der dort sehr deutlichen concentrischen Anordnung ist, gewiss geeignet ist, diese auch bei Säugethieren Ueber den Bau der Spinalganglienzellen bei Säugethieren ete. 391 als typisch erscheinen zu lassen. Denn wenn auch beim Säuge- thier Centrosom und Sphäre nicht im Zellenleib gelegen sein, sondern wie v. Lenhossek vermuthet, das dynamische oder vielleieht auch morphologische Aequivalent desselben hier in den Kern verlagert sein sollte, so ergäbe sich auch so die Möglich- keit einer Beziehung desselben zu einer concentrischen An- ordnung. Nach Kenntnissnahme dieser eben erschienenen sehr interes- santen Mittheilung!) habe ich gesucht, ob sich etwas ähnliches bei den untersuchten Säugethierzellen finden lässt, habe bis jetzt aber (ebenso wie ja auch v. Lenhossek selbst) hier nur nega- tive Ergebnisse gehabt. Im Anschluss mögen hier noch einige Bemerkungen über den Bau centraler Nervenzellen Platz finden, wobei ich mich aus eigener Untersuchung allerdings bis jetzt nur auf die Zellen der Vorderhörner im Rückenmark beziehen kann. Die Arbeiten Nissl’s haben zur Zeit die Aufmerksamkeit der Forscher besonders auf die Körnerschollen dieser Zellen ge- lenkt, welehe ich in der im Eingang eitirten Arbeit bereits kurz beschrieb. Diese Schollen haben, wenigstens in den Vorderhorn- zellen, vielfach eine längsparallele Anordnung in Bezug auf den Zellkörper und auf seine Hauptfortsätze; und Niss] hat in seinen ersten Arbeiten darzuthun gesucht, dass diese Anordnung bei Betrachtung der ganzen Zelle eine Max Schultze’sche Fibrillen- struetur vortäusche, eine solche aber nicht existire oder doch nicht erwiesen sei. In gleichem Sinne spricht sich v. Lenhossek aus. Er findet in der „Grundmasse“ der Zelle, der Substanz zwischen den Schollen, keinen fibrillären Bau, sondern ein sehr zartes netz- oder schaumartiges Gefüge. Ich zweifle gewiss nicht, dass die von ihm angewandte Methode dies und nichts anderes gezeigt hat; möchte aber nach meinen eigenen Prüfungen doch daran festhalten, dass neben diesen Schollen noch eine feine streifige Structur des Zellleibes von im Ganzen längsparalleler Anordnung existirt. Ich gebe 1) M. v. Lenhossck, Centrosom und Sphäre in den Spinalgang- lienzellen des Frosches. Sitzungsber. der Würzburger Phys. med, Gesellsch. 95, 18. Juli. 392 Walther Flemming: zu, dass ich an gefärbten Alkoholpräparaten nichts davon sehe, und dass es mir auch bisher nicht gelingen wollte, nach irgend einer anderen Behandlung Fibrillen durch Färbung darzustellen. Aber an sehr feinen Schnitten von Sublimatpräparaten sehe ich in den Fortsätzen und an ihren Abgangsstellen in der blassen Substanz zwischen den Körnerschollen deutlich eine sehr feine, ziemlich parallele Streifung (Fig. 16 und 17). Es versteht sich von selbst, dass dies nur an Schnitten gelingt, die der Richtung des Fortsatzes parallel sind, sonst erhält man natürlich Schräg- oder Querschnittehen; und ebenso, dass man solche Dinge nur mit verengerter Blende erkennen kann. Es ist ganz möglich, dass dieser faserige Bau auch durch den Mittelkörper der Zelle hin- durchgeht, aber ich kann es noch nicht sicher ausmachen, weil man an einem sehr feinen Schnitt eben niemals die Faserung auf längere Strecke in der Schnittebene hat. An gröberen Schnitten aber verdeeken die Körnerschollen das Detail zu sehr. Uebrigens möchte ich noch darauf hinweisen, dass Gustav Mann in sympathischen Ganglienzellen !) und, soviel ich ent- nehmen kann, überhaupt in Nervenzellen?) durchaus die Existenz von Fibrillen annimmt; in den sympathischen Zellen schildert er sie als in Bündeln verlaufend, und aus einem Fortsatz in den "anderen verfolgbar. Mann eitirt (am zweiten Ort) auch ver- schiedene Methoden zur Färbung oder Verdeutlichung der Fibrillen, obwohl er sagt, dass es ihm noch nicht gelungen sei, diese separat zu tingiren. Ich darf ferner nach einer freundlichen brieflichen Mit- theilung Niss!’s anführen, dass derselbe gegenwärtig an dem Vorhandensein eines fibrillären Baues der Nervenzellen keines- wegs zweifelt. Wenn ein solcher existirt, wie also auch ich es annehme, so haben wir bei den centralen — speciell den motorischen Vorderhornzellen — und den Spinalganglienzellen den Unterschied, dass die Fibrillen bei den ersteren einen im Ganzen gestreckten 1) Histologieal changes in duced in sympathetie, Motor, and sen- sory nerve cells by functional activity. Prelim. note, Seottisch microscop. society, May 18, 9. 2) Ueber die Behandlung der Nervenzellen für experimentell- histologische Untersuchungen. Zeitschr. f. wissensch. Microscopie, B. 11, H. 4, 18. März 9%. Veber den Bau der Spinalganglienzellen bei Säugethieren ete. 395 Verlauf in der Zelle nehmen, bei den letzteren aber nur an der Polstelle einen solehen haben, im grössten Theil des Zellkörpers dagegen eine mehr geknickte oder wellige Anordnung besitzen. Hierzu gehört allerdings noch die Hypothese, dass dieses wellige Fadenwerk mit der faserigen Einstrahlung am Polkegel in Zu- sammenhang steht, was sehr schwer auszumachen ist und was ich nieht behaupten kann, wogegen aber, so viel ich sehe, nichts spricht. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIX. g. 1. Theil eines Spinalganglienschnittes bei schwacher, Fig. 2 bei mittelstarker Vergrösserung (Leitz 7), um die Durcheinander- mischung der grösseren, helleren und scheckigen, und der kleineren dunklen Zellen zu zeigen, nach Sublimat-Eisenhäma- toxylinpräparaten. Mehrere Zellen in Fig. 1, und zwei in Fig. 2 (links unten) zeigen die concentrische Anordnung der Körnerschollen. Fig. 2 verdeutlicht, dass das dunkle Ansehen der kleineren Zellen auf grösserer Dichtigkeit und Feinheit der Körner beruht. — In vielen Zellen sind die Kerne nicht getroffen, manche nur eben tangential angeschnitten. Fig. 3. Eine feinkörnige und eine gröber körnige Zelle, Kaninchen, Sublimat-Eisenhämatoxylin. Wie die meisten folgenden mit Zeiss Apochrom. 2 mm 1,40, Comp. Oc. 6 gezeichnet. Es ist nur ein Theil der Fädehen und der Körner wiedergegeben. Fig. 4. Etwas grobscholligere Zelle, ebenso; noch etwas weniger ge- zeichnet. Rechts ist die Polstelle getroffen, aber im Querschnitt, sodass man nur Schief- und Querschnittchen der faserigen Ein- strahlung sieht, Fig. 5. Schnitt durch eine Spinalganglienzelle vom Kaninchen, Ein- trittsstelle der Nervenfaser peripher getroffen: fibrilläre Aus- breitung des Axencylinders in die Zelle. Sublimat, progressive Hämatoxylinfärbung (vgl. Text). Der Schnitt ist einer von vieren der Serie, welche durch die Eintrittstelle gehen; nur er und der nächste enthalten die fibrilläre Einstrahlung. Der Kern ist nicht durch die Mitte getroffen, deshalb klein. Fig. 6. Kintrittstelle mit fibrillärer Einstrahlung wie die vorige Figur. Behandlung ebenso. Fig. 7. Tangentialer Schnitt durch die fibrilläre Einstrahlung an einer Zelle, der Schnitt hat noch einen kleinen Theil der körner- haltigen Zellsubstanz mitgefasst. Gleiche Behandlung. ig. 15. Fig. Walther Flemming: Ueber d, Bau d. Spinalganglienzellen etc. 1. 212, . 14. 16. . 8, 9, 10 von der Katze, Theile des Zellleibes, in denen die Fäd- chen, soweit sie in den sehr dünnen Schnitten enthalten, ein gezeichnet sind. Figur 9 aus einer grob- und dicht-scholligen Zelle. Sublimat-Eisenhämatoxylin. Im oberen Theil von Figur 10 ist die fragliche körnige Structur der Interfilarmasse an- gedeutet. Ebenso, vom Rind. Links Eintrittstelle der Nervenfaser, durch die Mitte geschnitten. Ebenso behandelt. Vom Rind, Sublimat, progressive Hämatoxylinfärbung. Ein- trittstelle mit fibrillärer Einstrahlung. Eine grobschollige Zelle mit deutlich concentrischer Structur, Chromsäure. Katze. Eine kleinere, dichtgebaute Zelle, Kaninchen, Sublimat-Eisen- hämatoxylin, in der die Körner und Fäden, sowie die concen- trische Struetur noch erkennbar sind. Sublimat-Eisenhäma- toxylin. Aus dem Rückenmark des Dorsches, Sublimat-Eisenhämatoxylin, sehr feine Schnitte durch Abgangsstellen von Fortsätzen von Nervenzellen. Schollen und fibrilläre Structur. Die Structur der Nervenzellen der Retina. Von Professor der Histologie an der Universität St. Petersburg. Hierzu Tafel XX. In letzter Zeit hat die Frage über die Structur der Nerven- zellen wiederum das Interesse vieler Forscher erregt, welche sich mit dem Studium des Nervensystems beschäftigen, und dank den Arbeiten Niss1’s!) und der von ihm in die histologische Technik 1) Fr. Nissl, Ueber die Untersuchungsmethoden der Grosshirn- rinde, ref. im Neurolog. Centralbl. Jahrg. 3, 1885. Ueber den Zusammen- hang von Zellstructur und Zellfunktion. Tagebl. d. Naturforschervers. zu Köln, 1889. Die Kerne des Thalamus beim Kaninchen, Tagebl. d. Naturforschervers. zu Heidelberg, 1890. Mittheilungen zur Anatomie der A. S. Dogiel: Die Structur der Nervenzellen der Retina. 395 eingeführten Färbmethode der Nervenzellen ist unsere Kenntniss in dieser Hinsicht jetzt bedeutend fortgeschritten. Die frühere, von M. Schultze aufgestellte Lehre über die fibrilläre Structur der Zellsubstanz der Nervenzellen ist gegen- wärtig, dem Anscheine nach, durch eine andere ersetzt, nach welcher das Vorhandensein von Fibrillen in dem Sinne, wie M. Schultze sie noch annahm, nicht mehr anerkannt wird. Nissl und nach ihm eine ganze Reihe von Forschern (Sehaffer '), Quervain?), Lenhossek) u. And.), welche seine Färbmethode anwandten, haben gezeigt, dass zu dem Bestande verschiedener Zellen des Centralnervensystems (der motorischen Zellen, der Purkinje’schen Zellen, der grossen Zellen des Am- monhorns u. s. w.) zwei von einander ganz verschiedene Sub- stanzen gehören, — färbbare und nicht färbbare. Die erstere Substanz kann je nach dem Orte, von wo die gegebene Nerven- zelle herstammt, in Körnern verschiedener Grösse und Gestalt erscheinen, als Körnergruppen, Körnerreihen oder Körnerfäden, welche wieder aus kleinen Körnern zusammengesetzt sind u. s. w.; die zweite Substanz besteht, dem Anscheine nach, aus hellen sich nieht färbenden Pünktchen, welche den Zellen, wie Len- hossek sagt, ein schaum- oder wabenartiges Aussehen geben. In einem seiner letzten Artikel macht Niss1 sogar den Versuch, auf Grund dessen, je nach dem, in welcher Form die sich färbende Substanz in den Nervenzellen auftritt, in Form eines Netzes, in Streifen, kleinen Körnchen u. s. w., die Zellen des Nervenzelle, Allgem. Zeitschr. f. Psychiatrie, Bd. 50, 1894. Ueber eine neue Untersuchungsmethode der Centralorgane speziell zur Feststellung der Lokalisation d. Nervenzellen, Centralblatt f. Nervenheilkunde u. Psychiatrie, Bd. 17, 1894. Ueber Rosin's neue Färbmethode des ge- sammten Nervensystems ete. Neurolog. Centralbl., Jahrg. 13, 1894. Ueber die Nomenklatur in der Nervenzellenanatomie und ihre nächsten Ziele, Neurologisches Centralblatt, Jahrg. 14, Nr. 2 u. 5, 189. 1) K. Schaffer, Kurze Anmerkung über die morphol. Differenz des Axeneylinders im Verhältnisse zu den protopl. ete., Neurolog. Centralblatt, Jahrg. 12, 1893. 2) F. Quervain, Ueber die Veränderungen des Centralnerven systems bei experimenteller Kachexia thyreoptiva der Thiere, Virchow's Archiv, Bd. 133, 1893. 3) M. Lenhossek, Der feinere Bau des Nervensystems im Lichte neuester Forschungen, Berlin, 15%. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46, 26 396 A.S. Dogiel: Centralnervensystems in mehrere gesonderte Gruppen einzu- theilen, Ohne auf eine genaue Beschreibung aller Data, die hin- sichtlich der Struetur der Zellen des Centralnervensystems mit Hülfe der Färbung nach der Methode Nissl’s gewonnen worden sind, näher einzugehen, da das die Grenzen dieses Artikels über- schreiten würde, bemerke ich nur, dass die Mehrzahl der For- scher der neuesten Zeit im Körper der Nervenzellen das Vor- handensein von Fäden bestreitet, welche, wie es M. Schultze, Ranvier u. And. annahmen, aus dem Körper einer jeden Zelle in deren Fortsätze übergehen sollen, von dessen Richtigkeit mich jedoch sowohl meine früheren, wie auch gegenwärtigen Beobach- tungen überzeugt haben. Einige Forscher, namentlich Schaffer undLenhossek, finden ausserdem, dass man bei Benutzung der Nissl’schen Färbmethode die Möglichkeit erlangt, äusserst deutlich den Unter- schied in der Struetur des Axencylinders und der Protoplasma- fortsätze der Nervenzellen wahrzunehmen: die chromophilen Körper- chen befinden sich in unbedeutender Anzahl in den Protoplasma- fortsätzen, wo sie das Aussehen von schmalen, langen und am Ende zugespitzten Stäbchen annehmen, während der Axeneylinder- fortsatz selbst, sowie auch die konusartige Verdiekung, mit wel- cher er von der Zelle ausgeht, diese Körperehen nicht enthält und ganz homogen erscheint; die gleichmässige Basis des Konus theilt sich von der granulirten Masse des Zellkörpers durch eine concave, scharf begrenzte Linie ab, in Folge dessen man ohne Mühe den Anfang des Axeneylinderfortsatzes von den Proto- plasmafortsätzen der Zelle unterscheiden kann. In diesem Unter- schiede in der Strucetur zwischen dem Axencylinder und den Protoplasmafortsätzen sehen die obengenannten Forscher noch eine Bestätigung zu Gunsten der Meinung, dass der Axencylinder nicht als Bestandtheil, sondern nur als Produetder Nerven- zelle angesehen werden darf, während die Dendriten im Gegen- theil mit dem Zellkörper eigentlich eins sind und zum Zellkörper schören. In einem meiner!) früheren Artikel habe ich darauf 1) A. Dogiel, Zur Frage über den Bau der Nervenzellen und über das Verhältniss ihres Axeneylinder-(Nerven-)Fortsatzes zu den Protoplasmafortsätzen (Dendriten), Archiv £f. mikrosk. Anatomie, Bd. XLI, 189. Die Structur der Nervenzellen der Retina. 397 hingewiesen, dass in den Nervenzellen der Retina, welche von Methylenblau gefärbt werden, die fibrilläre Structur deutlich zu Tage tritt. In Anbetracht der soeben angeführten Thatsachen über die ‚Structur der Nervenzellen erregte es mein Interesse, mich davon zu überzeugen, ob wirklich die von mir in den Nerven- zellen der Retina beschriebenen Fäden, Fibrillen, existiren, oder ob sie nichts anders darstellen als Körnerreihen einer chromo- philen Substanz. Auf das Nichtvorhandensein von dergleichen Fibrillen weisen, dem Anscheine nach, die noch nieht publieirten Beobachtungen L. Bach’s hin, deren Resultate Lenhossek !) in folgender Weise resumirt: „Ich will es aber nicht unerwähnt lassen, dass nach noch unveröffentlichten Untersuchungen, die Herr Privatdocent L. Bach hier unlängst mit Hülfe der Thionin und der Nissl’schen Färbung an den Ganglienzellen der Netz- haut vorgenommen hat, diese durchaus keine fibrilläre Zusammensetzung haben, sondern im Wesentlichen einen ähnlichen Bau, wie er in den verschiedensten Modificationen den anderen Nervenzellen des Centralnervensystems zukommt. Auch sie bestehen aus einer schwach färbbaren Grundsubstanz und darin eingeschlossen aus stark tingibeln Knötcehen, welch’ letztere sich in den Anfangstheil der Dendriten, nicht aber in den Nervenfortsatz erstrecken.“ Alles das bewog mich, noch einmal die Struetur der Nerven- zellen der Retina zu untersuchen, zu welchem Zweck ich die Netzhaut der Vögel (Eule, Adler u. and.) erwählte. Bei der Fär- bung der Retina mit Methylenblau nach der von mir veränderten Methode bemerkte ich, dass dieses Färbmittel es ermöglicht, ausserordentlich deutlich und klar die Bestandtheile der Nerven- zellen zu erkennen, und wenigstens hinsichtlich der Retina die Färbmethode Niss!’s vollständig ersetzt?). Ich werde meine Färbmethode hier nieht weiter auseinandersetzen, da sie bereits in meinen früheren Artikeln genügend genau beschrieben worden ist, — ich füge nur Folgendes hinzu: die Retina muss mit der Nervenfaserschicht dem Beobachter zugewandt auf das Objectiv- D)ul2re..p.. 146. N 2) Ich bemerke, dass dies nach den im I. Berliner anatomischen Institute von den Herren Dr. E. Flatan und Prof. Dr. Argutinsky (Kasan) gewonnenen Erfahrungen auch für die Nervenzellen des Ge- hirns und Rückenmarkes gilt. Waldeyer. 398 A:S. Dogiel: glas gelegt werden, damit mit der Retina stets eine grössere oder geringere Menge vom Glaskörper in Verbindung bleibe und die Methylenblaulösung mit der Netzhaut nicht in unmittelbare Berührung komme. Gewöhnlich genügt eine Einwirkung einer os °/, Lösung von Methylenblau innerhalb 20—40 Minuten, damit viele Nervenzellen der inneren und der mittleren gang- liösen Schicht der genannten Haut die gehörigen Färbungen er- langen. Zur genaueren Bestimmung der Zeitdauer, wann das Prä- parat fixirt werden soll, ist es am besten, nach gewissen Zeit- intervallen das Präparat, ohne es natürlich mit einem Deck- gläschen zu bedecken, unter dem Mikroskop mit schwachen Ob- jeetiven zu betrachten. Die der Retina auf dem Objeeträger einmal gegebene Lage darf während der ganzen Färbungszeit nicht verändert werden. Ferner muss das Fixiren des Präparats mit der Lösung von pikrinsaurem Ammoniak !) auf dem Objekt- träger selbst durch einige (5—6) Tropfen der genannten Lösung im Verlaufe von 53—4 Stunden geschehen, wonach zu der pikrin- sauren Ammoniaklösung einige Tropfen einer Mischung dieser Lösung mit Glycerin hinzugefügt werden, worauf das Präparat 18—20 Stunden stehen gelassen wird; nach Verlauf dieser Zeit wird dasselbe endgültig in die genannte Mischung eingeschlossen. Es ist selbstverständlich, dass man oft die Färbemethode ein wenig verändern muss —- stärkere oder schwächere Lösungen des Methylenblaus benutzen, sie kürzere, oder, im Gegentheil, längere Zeit einwirken lassen muss u.s. w. Alle diese Details bei der Färbung, von deren pünktlicher Anwendung nicht selten das Gelingen der Färbung selbst abhängt, sind schwer zu be- schreiben und können nur- durch langjährige Erfahrung kennen gelernt werden. Wahrscheinlich ist hierin auch der Grund der Meinungsverschiedenheiten über die Resultate der Untersuchungen verschiedener Beobachter, welche an einem und demselben Ob- jeete und nach ganz gleicher Methode arbeiten, zu suchen. Meiner Meinung nach besitzt die in Kürze angeführte Methode, die Structur der Nervenzellen zu erforschen, wenigstens 1) Das pikrinsaure Ammoniak, welches zur Bereitung der Fixir- lösung dient, muss «Form von ziemlich grossen nadelförmigen Krystallen von oranger oder gelber Farbe haben, Die Structur der Nervenzellen der Retina. 399 hinsichtlich der Retina, viel grössere Vorzüge als die Methode Nissl’s. Wenn wir die erstere anwenden, so unterziehen wir erstens die Zellen nicht der ceomplieirten Behandlung, welcher sie bei der Färbung nach der Methode Nissl’s unterworfen werden, und ausserdem erfolgt die Tingirung gewisser Bestand- theile der Zelle noch bei deren Leben, denn man kann kaum annehmen, dass in einer so kurzen Zeit, wie 20—40 Minuten, bei Einhaltung von zur Erhaltung des Lebens der Zellen gün- stigen Bedingungen, ein vollständiges Absterben derselben erfolgen sollte. Zu Gunsten der Annahme, dass die Färbung noch beim Leben der Zelle erfolgt, spricht im gegebenen Falle auch der Umstand, dass einige Zellen schon nach 5—10 Minuten, vom Anfang der Färbung an gerechnet, vollständig gefärbt erscheinen, und wenn ich die Färbung 20—40 Minuten lang fortsetzte, so geschah dieses nur deshalb, um möglichst viel Zellen gefärbt zu erhalten. Zweitens gewährt ferner die genannte Färbmethode die Möglichkeit, die ganze Zelle mit allen ihren Fortsätzen in vollständiger Integrität zu beobachten, wobei man fast in jeder Zelle ohne Mühe den Axeneylinderfortsatz aufsuchen und ihn in der Schieht der Opticusfasern der Retina weit verfolgen Kann. Drittens endlich ist diese Färbungsmethode verhältnissmässig ein- fach und erfordert keinen grossen Zeitverlust. Anfangs bediente ich mich zur Erforsehung nur der Structur der grossen multipolaren Zellen der inneren gangliösen Schicht der Retina der Eule, des Falken und des Adlers. Dig langen Protoplasmafortsätze der genannten Zellen verzweigen sich in der inneren retieulären Schieht in einem Niveau und bilden ein diehtes Geflecht, welches sieh ungefähr im unteren Drittel der genannten Schicht befindet. Der Axeneylinderfortsatz beginnt mit einer grossen konusförmigen Verdiekung unmittelbar vom Zellkörper oder aus irgend einem Protoplasmafortsatze der Zelle; er krümmt sieh unter einem Winkel, tritt in die Nervenfaser- schieht ein, wo er Markscheide erhält und kann eine lange Strecke weit verfolgt werden. Die beschriebenen Zellen gehören zu einem besonderen Typus von Zellen der inneren gangliöseu Sehieht und erinnern ihrer Form und Grösse nach im gewissem ‚Grade an die motorischen Zellen des Rückenmarks. Gewöhnlich kann man wahrnehmen, dass nicht alle diese Zellen sich gleichzeitig färben, sondern dass anfangs nur eine 400 A. S. Dogiel: kleine Anzahl derselben tingirt wird, darauf nimmt diese Anzahl immer zu. In Folge dessen finden wir an jedem Präparate unter den Zellen eines gegebenen Typus solche von verschiedenen Pe- rioden der Einwirkung des Methylenblaus und erlangen die Mög- liehkeit, Schritt für Schritt zu beobachten, welche Bestandtheile des Zellkörpers zu allererst der Färbung unterworfen werden und wie nach und nach, je nach der Dauer der Einwirkung der Färbsubstanz auf die Zellen, immer neue und neue Bestandtheile des Zellkörpers hervortreten. Die ganze Einwirkungszeit des Methylenblaus auf die Zellen des gegebenen Typus, im Verlaufe welcher sich allmählich das Bild des inneren Baues dieser oder jener Zelle verändert, kann man am geeignesten in drei geson- derte Perioden eintheilen. In jeder Periode erfolgt die Färbung nur gewisser Bestandtheile des Zellkörpers und demgemäss erhält die Zelle ein anderes Aussehen. Die Färbung der Zelle beginnt meistentheils am Zellkörper selbst und geht dann allmählich auf dessen Fortsätze über, oder seltener, sie beginnt zuerst von den Protoplasmafortsätzen oder dem Axeneylinderfortsatze aus und wird durch dieselben auf den Zellkörper übertragen, oder aber endlich, die Färbung des Zell- körpers sowohl, als auch von dessen Fortsätzen erfolgt gleichzeitig. In ersteren beiden Fällen wird die Zelle ungleichmässig gefärbt und je nachdem, welche Theile der Zelle zuerst gefärbt werden, erscheinen diese Theile am Schlusse der gegebenen Periode inten- siver gefärbt. In letzterem Falle schreitet die Färbung der Zelle selbst, sowie ihrer Fortsätze mehr oder weniger gleichmässig auf die Zelle fort. I. Periode (Fig. 1. Zu Anfang dieser Periode der Färbung bemerken wir gewöhnlich, dass im Zellkörper zu aller- erst eine geringe Anzahl sehr kleiner blau gefärbter Körnchen erscheint, welche sich meistentheils im Centraltheil der Zelle um den Kern eoncentriren, während im übrigen Theil des Zellkörpers gar keine oder nur vereinzelte Körnchen angetroffen werden (Fig. 1 A). Einige Körnchen erscheinen intensiver gefärbt, andere schwächer. Die Anzahl der durch das Methylenblau sich färbenden Körnchen nimmt allmählich immer zu, -— sie erscheinen nieht nur in der peripherischen Schicht des Zellkörpers, sondern auch in den Protoplasmafortsätzen und in der konusförmigen Verdickung, mit welcher der Axeneylinderfortsatz anfängt; schliesslich erscheint Die Struetur der Nervenzellen der Retina. 401 der ganze Zellkörper mit einer unzählbaren Menge solcher Körn- chen angefüllt, in Folge dessen die Zelle selbst ein körniges Aussehen erlangt. In diesem Stadium der Färbung, wann die ganze Zelle körnig erscheint, kann man dennoch wahrnehmen, dass in der peripherischen Zone des Zellkörpers, wie auch in den dicken Protoplasmafortsätzen und in dem Konus des Axencylinderfort- satzes eine viel geringere Anzahl Körnchen vorhanden ist, als in dem centralen Theil des Zellkörpers (Fig. 1.4). Die Breite der heller bleibenden peripherischen Zone ist nicht in jeder einzelnen Zelle eine gleiche: an den Stellen, wo die Protoplasmafortsätze und der Axeneylinderfortsatz von der Zelle ausgehen, erscheint diese Zone breiter, an den übrigen Stellen aber oft sehr schmal. Von dem stärker gefärbten Theil des Zellkörpers zeichnet sich die hellere peripherische Zone zu- weilen durch eine nieht besonders scharf begrenzte krumme Linie ab. Die zwischen den Körnchen vorhandenen Zwischenräume sind, dem Anscheine nach, mit einer gleichmässigen Grundsub- stanz ausgefüllt, welche ganz ungefärbt bleibt. In dem mittleren Theil der Zelle und um den Kern herum sind die mit der Grund- substanz angefüllten Zwischenräume kaum bemerkbar, in der peripherischen Zone, in den Protoplasmafortsätzen und in dem Konus des Axeneylinderfortsatzes dagegen sind sie viel grösser. Auf solehe Weise ist die sich färbende chromo- phileSubstanz, wie auch die sich nicht färbende Grundsubstanz in der Zelle ungleichmässig ver- theilt: erstere concentrirt sieh vorzugsweise im mittleren, centralen Theil des Zellkörpers, die letztere aber befindetsich in grössererMengein Jer peripherischen Zone der Zelle, in den Proto- plasmafortsätzen und im Konus des Axeneylinder- fortsatzes. Gewöhnlich findet in der beschriebenen Zeit der Zellen- färbung in der Vertheilung der chromophilen Körnchen keine Regelmässigkeit statt: die Zelle erscheint anfangs mehr oder weniger körnig (Fig. 1 A), aber bald darauf verändern die Körn- chen ihre ursprüngliche Lage und fangen an sich in Reihen, Fäden, zu vertheilen, wobei einige Körnchen sich oft ein wenig 402 A.S. Dogiel: verlängern‘ und das Aussehen von kurzen Stäbchen mit zuge- spitzten Enden annehmen (Fig. 1 DB, C). Die Fäden, welche aus solehen Körnchen zusammengesetzt sind, durechkreuzen sich im Zellkörper in verschiedenen Richtungen, begeben sich sodann einander mehr oder weniger parallel zu den Polen der Zelle und treten sowohl in die Protoplasmafortsätze, wie auch in den Konus des Axeneylinderfortsatzes ein (Fig. 1 B und (©). In den Proto- plasmafortsätzen liegen die Körnchenreihen in allen dieken Aest- chen fast dieht bis zu den Endverzweigungen, welche das Aus- sehen von sehr feinen, varicösen Fäden haben; im Axencylinder- fortsatz kann man sie nur bis zur Spitze des Konus, mit welchem er von der Zelle oder von einem Protoplasmafortsatze aus be- ginnt, deutlich wahrnehmen. In dem mittleren Theil des Zellkörpers liegen die Körn- chenreihen dichter bei einander, als in der peripherischen Sehicht der Zelle und in deren Fortsätzen und lagern sich oft concen- trisch um den Kern herum; bei Veränderung der Vocaldistanz kann man zuweilen deutlich wahrnehmen, dass sie über dem hellen, nicht gefärbten Kern verlaufen (Fig. 1 5 und C). Dem Anscheine nach sind die Körnehenreihen im Axentheil der Proto- plasmafortsätze einander mehr genähert, als an der Peripherie der letzteren. Gewöhnlich befinden sich die Körnchen, welche zum Bestand der Reihen gehören, so dieht aneinander, dass es oft, sogar bei starken Immersionen, fast unmöglich ist, die Zwi- schenräume zwischen ihnen zu unterscheiden und mit voller Bestimmtheit zu sagen, dass man im gegebenen Falle keine Fäden (Fibrillen), sondern nur eine Reihe mit einander nicht verbundener Körnchen vor sich hat. Gleichzeitig mit der Veränderung der Lagerung der chro- mophilen Körnchen ändert sich auch das Aussehen der die Zwischenräume zwischen den Körnchenreihen ausfüllenden Grund- substanz, welche in Form von hellen, nicht gefärbten Streifen erscheint. In Folge dessen scheint der ganze Körper der ‚Zelle in verschiedenen Richtungen mit Reihen gefärbter Körnchen und, zwischen denselben, mit ungefärbten Streifen durchsetzt (Fig. 1 B und (©). Bald darauf verschwindet allmählich die soeben beschriebene Regelmässigkeit in der Lagerung der chromophilen Körnchen : die kleinen Körnchen fliessen gleichsam in grössere, intensiv ge- Die Struetur der Nervenzellen der Retina. 403 färbte Körner zusammen, welche anfangs im geringer Anzahl zwischen den Körnchenreihen erscheinen, aber nach und nach nimnit ihre Anzahl in grösserem oder geringerem Maasse zu und schliesslich ist der ganze Zellkörper mit ihnen angefüllt, in Folge dessen die Zellsubstanz selbst ein grobkörniges Aussehen annimmt (Fig. 1 D). Die Zwischenräume zwischen den grossen Körnern werden von kleinen Körnchen und der nicht gefärbten Grundsubstanz eingenommen. Die chromophilen Körner befinden sich nicht nur im Zell- körper, sondern auch in den Protoplasmafortsätzen und im Konus des Axeneylinderfortsatzes, wobei sie in den Fortsätzen und in der peripherischen Schicht der Zelle in geringerer Anzahl und ein wenig kleiner, als im mittleren Theil des Zellkörpers vor- handen sind (Fig. 1 D). Mit dem Erscheinen der ehromophilen Körner im Zellkörper ist die erste Periode der Einwirkung des Methylenblaus beendigt. Die ganze Periode kann man als „Granula-Periode* bezeichnen, da sie dadurch charakterisirt wird, dass die sich färbende Substanz der Nervenzellen die Form von Körnehen und Körnern annimmt. Was den Kern der Zelle anbetrifft, so bleibt er in der Granula-Periode entweder ganz ungefärbt, oder er färbt sich gleichmässig schwach blau; ungefärbt bleibt nur die schmale peripherische Schieht des Kerns, welcher sich aus diesem Grunde von dem mittleren Theil des Zellkörpers dureh diesen hellen Ring scharf abgrenzt. In dem Falle, dass der Kern gefärbt ist, kann man oft in demselben ein intensiver gefärbtes Kernkörper- chen und einige Klümpehen Nuclein wahrnehmen. Hier muss ich bemerken, dass sowohl in dieser, wie auch in den übrigen Perioden der Einwirkung der Färbsubstanz der Kern, falls er sich überhaupt färbt, in den mit pikrinsaurem Ammoniak fixirten Präparaten immer eine violetteFärbung mit mehr oder weni- gerstarker rosa Schattirung annimmt, während die chromophile, sieh färbende Substanz desZell- körpers eine violetteFärbung mit vorherrschend blauer Nüance erhält. Die II Periode der Zellfärbung wird dadurch charakte- risirt, dass in dieser Periode sowohl die Körnchen, wie auch die A.S. Dogiel: Körner sich im Zellkörper in intensiv gefärbten Schollen von ver- schiedener Grösse und Form ansammeln, wodurch die Zelle ein fleckiges, oder nach der treffenden Bezeichnung Lenhossck’s ein tigerfellartiges Aussehen erhält (Fig. 2). Die Form der chromo- philen Schollen in verschiedenen Zellen des beschriebenen Typus und sogar in ein und derselben Zelle pflegt eine sehr mannigfal- tige zu sein. Gewöhnlich erscheinen die Schollen als Gebilde von runder, ovaler oder unregelmässig eckiger Form, oder sie haben die Form von Kommas, Haken, Dreiecken, Vielecken, mehr oder weniger in die Länge gezogenen Spindeln u. a. (Fig. 2). Die beschriebenen Gebilde sondern sich entweder scharf von der schwach gefärbten oder ungefärbten Grundsubstanz der Zelle ab, oder sie erscheinen an ihrem Rande schwächer gefärbt, in Folge dessen ihr Contour auch nicht so klar hervortritt. Die Grösse der chromophilen Schollen kann eine verschie- dene sein: neben kleinen Sehollen trifft man in ein und derselben Zelle, wie dieses aus Fig. 2 ersichtlich ist, Schollen von ziemlich bedeutendem Umfang an. So viel ich beobachten konnte, sind überhaupt die Schollen, welche sich im mittleren Theil des Zell- körpers befinden, grösser, als die in der peripherischen Sehieht der Zelle vorhandenen, wobei diese Grösse, dem Anscheine nach, bis zu einem gewissen Grade von der Anzahl der Schollen ab- hängt — je mehr Sehollen sieh in einem Zellkörper vorfinden, desto kleiner sind sie und umgekehrt. Was ihre Anzahl be- trifft, so ist dieselbe gewöhnlich im centralen Theil des Zellkörpers und um dessen Kern herum viel be- deutender, als in der peripherischen Schicht der Zelle: Wenn man die Structur der Schollen mit starken Objectiven betrachtet, so kann man wahrnehmen, dass fast jede Scholle, aus- genommen nur die sehr kleinen Schollen, je nach ihrer Grösse, aus einer oder mehreren Gruppen von Körnern besteht, welche, wie schon oben bemerkt, am Schlusse der ersten Periode der Ein- wirkung des Methylenblaus auf die Zelle, erscheinen. Mehrere Kör- nergruppen sammeln sich an einer Stelle in einen Haufen an und bilden die grossen Schollen, während die kleinen Schollen nur aus einer Körnergruppe bestehen. In den grossen Schollen ent- stehen zwischen den Körnergruppen zuweilen kleine Zwischenräume, Die Struetur der Nervenzellen der Retina. 405 welche oft den Eindruck von hellen Fleckehen oder kleinen Vacuo- len machen. Gewöhnlich sind die chromophilen Schollen in den Zellen des beschriebenen Typus in verschiedener Weise vertheilt: man findet sie in der Grundsubstanz des Centraltheils des Zellkörpers zerstreut, wobei sie sich in grösserer Menge, vorzugsweise um den Kern der Zelle, eoncentriren. Ferner, nimmt häufig der ganze centrale Theil des Zellkörpers eine eckige Form an, wie dieses aus Fig. 2 C ersichtlich ist, wobei die Ecken den der peripheri- schen Schicht des Zellkörpers ausgehenden Fortsätzen zugewandt zu sein pflegen; in solehen Fällen gruppiren sich die chromophilen Schollen vorzugsweise in den Winkeln des bezeichneten Theils des Zellkörpers. Oft trifft man Zellen an, in deren Centralab- schnitt die Schollen in regelmässigen eoncentrischen Reihen um den Kern auftreten, oder, man findet eine solehe Anordnung der Schollen nur in der Nähe des Kerns, und im übrigen Theil des inneren Abschnitts der Zelle liegen die Schollen in Reihen, welche den Fortsätzen der Zelle zugewandt sind (Fig. 2G@ und H). End- lich haben die chromophilen Schollen in vielen Zellen eine mehr oder weniger regelmässige vieleckige Form und sind im ganzen mittleren Theil des Zellkörpers gleichmässig vertheilt; in Folge der beschriebenen Anordnung nnd Form der Schollen nehmen die von der Grundsubstanz angefüllten Zwischenräume die Form eines Netzes an und die Zelle selbst, wie dieses aus Fig. 2 A ersicht- lich ist, erhält dadurch ein ganz eigenthümliches Aussehen. In der peripherischen Schicht des Zellkörpers nehmen die Schollen oft die Form von Spindeln an, deren Enden den Fortsätzen zuge- wandt zu sein pflegen. Einige der spindelförmigen Körperchen gruppiren sich zuweilen an der Oberfläche der peripherischen Zell- schicht dieht bei einander, so dass ihre verjüngten Enden sich gleichsam berühren, in Folge dessen die ganze Zelle, wie dies aus Fig.2 5 und E ersichtlich ist, von einer dünnen, intensiv gefärb- ten und stellenweise verdiekten Linie begrenzt erscheint. In der beschriebenen Periode der Färbung tritt die periphe- rische Schicht des Zellkörpers in vielen Zellen äusserst deutlich nach Art einer weniger intensiv gefärbten, bald breiteren, bald schmaleren Zone hervor, welche vom mittleren Theil des Zellkör- pers durch eine gebrochene Linie abgegrenzt wird (Fig. 2B und 0). Von der Dicke der genannten Schicht der Zelle und von ihrem 406 A.S. Dogiel: Verhalten zu dem centralen Abschnitt des Zellkörpers kann man sich am besten aus beiliegenden Abbildungen (Fig. 1 und 2) eine Vorstellung machen. Nachdem ich mich mit der Anordnung der chromophilen Schollen im Zellkörper bekannt gemacht hatte, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf ihre Vertheilung in den Fortsätzen und be- mühte mich dabei die Frage zu lösen, ob wirklich, wie dieses Nissl, Schaffer, Lenhossek und And. behaupten, die sich färbende Substanz im Konus des Axeneylinderfortsatzes nicht vor- handen ist und auf solche Weise zwischen ihm und den Proto- plasmafortsätzen nicht allein ein morphologischer, sondern auch ein anatomischer Unterschied besteht. Die von mir in Anwendung gebrachte Methode der Färbung der Nervenzellen, durch welche die chromophilen Schollen sich sehr intensiv färben, gewährt die Möglichkeit sich ohne Mühe mit der Vertheilung der Schollen in den Fortsätzen der Zellen bekannt zu machen. Die Protoplasmafortsätze, an deren Bildung haupt- sächlieh die peripherische Schicht jeder Zelle Antheil nimmt, sind, gleich dem Axencylinderfortsatz, mehr oder weniger scharf abge- grenzt, je nach dem, wie scharf die genannte Schieht von dem eine grosse Menge ehromophiler Substanz enthaltenden mittleren Theil des Zellkörpers abgegrenzt ist (Fig. 2). Da die Breite der peripherischen Schicht in einer und dersel- benZelle gewöhnlich veränderlichzuseinpflegt, so scheint es oft, wieesam deutlichsten aus den beiliegenden Abbildungen ersichtlich ist, als ob einigeProtoplasmafortsätze, wieauchderKonus desAxeneylinderfortsatzes mit ihrer Basis mehr oder weniger tiefin den mittleren TheildesZell- körpers hineinragenund oft von demselben dureh eine gebrochene Linie abgegrenzt werden. Mei- nen Beobaehtungen nach existirtin dieser Hin- sicht gar kein scharfer Unterschied zwischen den Protoplasmafortsätzen und dem Axeneylin- dertortsatze rer ZelVe Die ehromophilen Schollen in den Protoplasmafortsätzen, wie auch diejenigen in der peripherischen Schicht des Zellkörpers haben eine verhältnissmässig geringe Grösse und erscheinen meistentheils als Gebilde von runder oder ovaler Form, oder in ng gr, T Die Struetur der Nervenzellen der Retina. 407 Gestalt von mehr oder weniger langen Spindeln, zuweilen aber auch in Form von Dreiecken. In den Protoplasmafortsätzen ge- wisser Zellen trifft man Schollen in ziemlich grosser Anzahl an, in dergleichen Fortsätzen anderer Zellen desselben Typus da- gegen nur wenige. Die beschriebenen Schollen finden sich nicht allein in den dieken Protoplasmafortsätzen vor, sondern auch in allen durch deren Theilung entstandenen Aestchen; eine Aus- nahme bilden nur die Endverzweigungen der Fortsätze, welche das Aussehen von sehr feinen Fädchen haben. Die Vertheilung der ehromophilen Schollen in den Protoplasmafortsätzen ist, wie dies aus den beiliegenden Abbildungen (Fig. 2) ersichtlich, eine ver- schiedene: in den dieken Fortsätzen lagern sie sich in gewisser Entfernung von einander in 2—5 Reihen, wobei einige von ihnen an der äussersten Peripherie der Fortsätze liegen, andere aber im Axentheil derselben; in den feinen Fortsätzen haben sie das Aussehen von mehr oder weniger kleinen Körnern, liegen der Peripherie der Fortsätze dicht an und werden im ganzen Verlaufe der letzteren angetroffen. Oft befinden sich ein, zwei Schollen in den Theilungswinkeln dieses oder jenes Fortsatzes, oder auch in den dreieckigen Erweiterungen, welche sich an den Theilungs- stellen der dicken Fortsätze bilden, oder aber an solchen Stellen, wo von letzteren die feineren Aestchen ausgehen (Fig. 2). Falls die Schollen eine spindelförmige Gestalt erhalten, reihenweise an- einander gestellt sind und ihre verjüngten Enden sich gegen- seitig berühren, machen sie den Eindruck von stellenweise ver- diekten Fäden. In den varicösen Verdickungen befinden sich die ehromo- philen Scehollen an den Polen jeder Verdiekung, oder sie liegen einer der Seiten der letzteren an, nehmen aber keinen hauptsäch- lichen Antheil an der Bildung der Verdickungen, wie dieses Lenhossek voraussetzt; im Gegentheil bildet die ehromophile Substanz nur einen verhältnissmässig geringen Theil der Verdiekung, während die Hauptmasse der letzteren aus der sich nicht färben- den Grundsubstanz besteht. Was den Axeneylinderfortsatz anbetrifft, so geht er vom Zellkörper oder von einem von dessen Protoplasmafortsätzen in Form eines nicht selten sehr langen Konus aus (Fig. 2a); wenn der Fortsatz unmittelbar vom Zellkörper ausgeht, ragt die Basis des Fortsatzes in Folge der oben angeführten Bedingungen mehr 08 A.S. Dogiel: ‘oder weniger tief in den Zellkörper hinein und grenzt sich von dem mittleren, intensiver gefärbten Theil des letzteren durch eine gebrochene oder bogenförmig gekrümmte Linie ab (Fig. 2a). Der Theil des Konus, welcher sich im Zellkörper selbst befindet, ist nichts anders, als die hellere peripherische Schicht des Zell- körpers, von welcher aus die Protoplasmafortsätze und der Axen- eylinderfortsatz jeder Zelle ihren Anfang nehmen, wie dieses aus den beiliegenden Abbildungen deutlich zu ersehen ist (Fig. 1, 2und 3). Die konusförmige Verdiekung des Axen- eylinderfortsatzes, ähnlich wie auch die peri- pherische Schicht des Zellkörpers und die Pro- toplasmafortsätze, erscheint heller als der mitt- lere Theil derZelle und in ihr befindet sich, wie es auch in den Protoplasmafortsätzen der Fall ist, die chromophile Substanz in Form kleiner Sehollen, Spindeln und Dreiecken (Fig. 2a). Gewöhnlich befinden sich an der Basis des Konus einige chromophile Schollen, welche am häufigsten eine dreieckige Form haben, wobei die Basis der Dreiecke der peripherischen Schicht der Zelle und die Spitze dem Gipfel des Konus zugewandt ist, während eine Seite des Dreiecks der Peripherie der konusartigen Verdiekung anliegt (Fig. 2 D u. F). Oft findet man an jeder Seite der Basis des Konus ein dreieckiges Körperchen der chromo- philen Substanz, oder einer Seite des Konus liegen zwei Körper- chen an und der anderen ein Körperchen, oder aber ein grosses dreieckiges Körperehen nimmt fast die ganze Basis der konusar- tigen Verdiekung ein, welche in solchem Falle intensiv gefärbt erscheint. In dem ganzen übrigen Theil des Konus bis zu dessen Spitze hat die chromophile Substanz das Aussehen von kleinen runden oder ovalen Schollen, welche entweder den Axentheil des Konus einnehmen, oder an seiner Peripherie belegen sind; häufig befinden sich einige kleine Schollen in der Spitze des Konus. Zuweilen erhält die chromophile Substanz die Form von Spindeln, welche nieht selten, wie es auch in den Protoplasmafortsätzen der Fall ist, in Reihen angeordnet sind und meistens der Peripherie des Konus anliegen. Angefangen von der Spitze des Konus hat der Axeneylinderfortsatz das Aus- sehen eines mehr oder weniger dieken Fadens, in welehem die chromophile Substanz dem Anscheine Die Struetur der Nervenzellen der Retina. 409 nach gänzlich fehlt, oder sie wird nur in seltenen Fällen in Form von sehr kleinen Schollen im Axeneylinderfortsatz an denjenigen Stellen an- getroffen, wo er sich zuweilen verdickt. Auf solche Weise unterscheidet sich der Konus, mit welchem der Axencylinderfortsatz anfängt, in seiner Strucetur wesentlich nicht von den Proto- plasmafortsätzenderZelle, und in solehen Fällen, wennes gilt die Frage zu entscheiden, welcher von den Fortsätzen der gegebenenZelle für einen Axenceylinderfortsatz zu halten sei, sind wir, so- baldunser Urtheilnur auf die Struetur desKonus gegründet bleibt, nicht im Stande eine positive Antwort zu geben, und wir müssen stets dabei auch andere Daten berücksichtigen; dieses be- trifft namentlich den Fall, wo der Axeneylinder- fortsatz von einem der Protoplasmafortsätze aus seinen Anfang nimmt und dabei noch, wie es oft der Fallist, inbedeutender Entfermung vomZell- körper. Aus allem Vorbemerkten folgt, dass die chromo- phile Substanz in den verschiedenen Färbungs- perioden oder möglicherweise ineinem verschie- denen Thätigkeitszustande der Zellen, die zu einem und demselben Typus gehören, die Form vonKörncehen, Körnchenreihen, Körnern, Schollen, Spindeln us. w. annehmen kann; demgemäss wird sich-auch das Aussehen der Zelle selbst verändern. Zu Ende der zweiten Periode der Färbung der Nerven- zellen tritt ausser der chromophilen und der Grundsubstanz noch ein dritter Bestandtheil der Zelle deutlich zu Tage, und zwar sind das die Fäden, gegen deren Existenz im oben angeführten Sinne sich viele Forscher mit grosser Zuversicht ausgesprochen haben. Diese Fäden befinden sich in der Grundsubstanz der Zelle und in deren Fortsätzen und sind besonders deutlich in der peripherischen Schicht des Zellkörpers bemerkbar, desgleichen aber auch in den Protoplasmafortsätzen der Zelle dank dem Um- stande, dass in denselben eine grössere Menge sieh nieht färben- der Grundsubstanz enthalten ist (Fig. 2 0, 6, Hu. J). Sie sind sehr fein, nicht varicös, färben sich ebenso 410 A: SınDio@i el: intensiv wie die chromophile Substanz der Nerven- zellen und verlaufen in jedem Zellkörper nach verschiedenen Richtungen, indem sie sich in mannigfaltigster Weise durchkreuzen (Fig. 2 @, Hu. J). Oft sammeln sich die genannten Fäden, dem Anscheine nach, in feine, kleine Bündelchen an und lagern sich zuweilen concentrisch um den Kern, auch kann man bei veränderter Focaldistanz beobachten, dass sie nicht allein in der peripherischen Schicht der Zelle, sondern auch in deren mittlerem Theil befinden und in einigen Fällen den Kern umflechten. Je weniger chromophile Substanz in Form von Schollen u. s. w. im Zellkörper enthalten ist, desto deutlicher treten die Fäden hervor, und umgekehrt. In dem Falle, wenn im Zell- körper viele ehromophile Schollen enthalten sind, scheint es oft, als ob sie unmittelbar mit den beschriebenen Fäden in Verbin- dung stehen, in Folge dessen auch die Fäden selbst varicös erscheinen; aber bei starken Objeetiven kann man sich davon überzeugen, dass sie den Schollen nur anliegen und mit ihnen nicht unmittelbar werbunden sind. Aus dem Zellkörper begeben sich die Fäden sowohl zu den Protoplasmafortsätzen, wie auch zum Konus des Axeneylinder- fortsatzes und treten, nach der Dieke der Fäden zu urtheilen, in die Fortsätze in einzelnen Bündelehen ein, deren Verlauf in den dieken Protoplasmafortsätzen leicht zu verfolgen ist. In den Fortsätzen selbst nehmen die bezeiebneten Fäden in dem Axen- theil Platz oder sie verlaufen an der Peripherie des Fortsatzes, indem sie oft unterwegs einander durchkreuzen oder sich in den Fortsätzen krümmen, wobei die Fäden in den Erweiterungen, die sich an den Theilungsstellen der Fortsätze bilden, sich gewöhn- lich fast ebenso wie im Zellkörper miteinander durchflechten, wonach sie ihren Verlauf zu den Aestchen nehmen, welche an den Theilungsstellen dieses oder jenes Fortsatzes entspringen. Einige Mal konnte ich ganz deutlich wahrnehmen, dass, wie es in Fig. 2 .J dargestellt ist, an der Stelle einer solehen Erweite- rung eines der Protoplasmafortsätze ein Faden, oder, richtiger gesagt, ein Fadenbündelehen augenscheinlich die Grenzen der Erweiterung überschritt und auf solche Weise, sich wahrschein- lich mit einer dünnen Schieht Grundsubstanz umgebend, in ein feines Aestehen des gegebenen Fortsatzes umgewandelt wurde. Die Struetur der Nervenzellen der Retina. 411- Indem Konus des Axencylinderfortsatzes sind die Fäden ebenso deutlich wahrnehmbar, wiein den Protoplasmafortsätzen und man kann sie ohne Mühe fast bis zur Spitze des Konus verfolgen, über welchen hinaus einzelne Fäden gewöhnlich nicht mehr zu unterscheiden sind (Fig. 2). In gewissen Fällen hatte ich die Möglichkeit den den Konus des Axencylinderfortsatzes im optischen Schnitte zu beobachten, — dann stellten sich die zu seinem Bestande ge- hörigen Fäden, welche ebenfalls im optischen Schnitte erschienen, als kleine, gefärbte Körnchen dar. Die chromophilen Schollen, welehe sich in den Fortsätzen befinden, verhalten sich zu den Fäden ebenso wie im Zellkörper, d. h. sie liegen ihnen nur an. Im Laufe der ganzen beschriebenen Periode der Färbung der Zellen trifft man an der Grundsubstanz neben den chromophilen Schollen und den Fäden stets eine grössere oder geringere An- zahl von Körnchen und Körnern an. Was die Grundsubstanz anbetrifft, so wird sie in Folge dessen, dass die chromophilen Körnchen und Körner sich in dieser Periode der Einwirkung des Methylenblaus auf die Nerven- zellen in Schollen ansammeln, deutlicher erkennbar und nimmt gewöhnlich alle mehr oder weniger grossen Zwischenräume zwischen der ehromophilen Substanz und den Fäden ein. Die Menge der Grundsubstanz ist in der peripherischen Schicht der Zelle, in den Protoplasmafortsätzen und im Konus des Axeneylinderfort- satzes eine grössere, als im mittleren Theil des Zellkörpers. Im Axeneylinderfortsatze selbst, angefangen von der Spitze seines Konus, ist sie gleich der chromo- pbilen Substanz, dem Anscheine Mach, nur in unbedeutender Menge vorhanden, wodurch sich wohl auch die Gleichartigkeit dese senannten Fortsatzes erklärt. Aus dem oben Gesagten ersieht man unter anderem, dass des KProsonlasmatortsätze, wie auehrder Axen- eylindertorlsatz einer jeden Zelleivon ein und denselben Bestandtheilen (chromophile Substanz, Grundsubstanz und Fäden) aber nur in verschie- dener Quantität gebildet werden: im Axencylin- derfortsatzebefinden sichnurSpurenvonchromo- philer und Grundsubstanz, seine Hauptmasse Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46, 27 413 A.S. Dogiel: besteht aus Fäden; in den Protoplasmafortsätzen dagegen sind die chromophile und die Grundsub- stanz in weit grösserer Menge vorhanden. Der Grund, warum im Axeneylinderfortsatze die fibrilläre Struetur schwieriger zu bemerken ist, als im Protoptasmafortsatze, ist dem Umstande zuzuschreiben, dass in ihm sehr wenig Grundsubstanz vorhanden ist, und deshalb die zu seinem Bestande gehörigen Fäden einander ausserordentlich nahe anliegen. Der Kern der Zelle erscheint in dieser Periode der Färbung ebenfalls intensiv blau gefärbt, wobei man zuweilen in ihm die Anwesenheit einiger intensiver gefärbten Schollen wahrnehmen kann, welche wahrscheinlich zum Nuclein des Kerns gehören; Kernkörperehen sind meistentheils nicht bemerkbar (Fig. 2). Diese Periode der Färbung der Zellen kann man „die Periode der Scehollen und Fäden“ nennen. Die letztere II. Periode der Einwirkung des Methy- lenblaus auf die Zellen wird dadurch charakterisirt, dass die Grundsubstanz mehr und mehr intensiv gefärbt wird, in Folge dessen alle übrigen Bestandtheile der Zelle und deren Fortsätze immer schwächer hervortreten (Fig. 3). Schliesslich erhält die Grundsubstanz fast dieselbe intensive Färbung wie die chromo- phile Substanz und der Kern der Zelle, und auf solche Weise er- scheint die ganze Zelle am Schlusse der ‚genannten Periode in einer gleichmässig dunkelblauen Färbung (der chromophile Zu- stand der Zellen nach Nissl]) und man kann nur mit Mühe den Kern, wie auch Spuren der chromophilen Schollen u. s. w. er- kennen (Fig. 3). Nur in den Fortsätzen der Zelle erscheint die Grundsubstanz zuweilen in der genannten Periode schwächer ge- färbt; in Folge dessen heben sich die Fortsätze in solchem Falle mehr oder weniger scharf vom Zellkörper ab. Der letzten Periode der Einwirkung des Methylenblaus auf die Zellen kann man die Bezeichnung „Periode der Färbung der Grundsub- stanz“ geben. | Es ist bemerkenswerth, dass die soeben beschriebene Struc- tur der Nervenzellen nicht nur den Zellen des bezeichneten Ty- pus eigen ist, sondern überhaupt allen Nervenzellen sowohl der inneren, als auch der mittleren gangliösen Schicht der Retina. Wie meine Beobachtungen im Gebiete des sympathischen Nerven- systems gezeigt haben, ist diese Structur auch den sympathischen Die Structur der Nervenzellen der Retina. 413 Zellen eigen und sehr wahrscheinlich überhaupt allen Nerven- zellen. In Anbetracht des Gesagten muss man be- kennen, dass der anatomische Bau der Zellen allein bis jetzt nock kein genügendes Material dar- bietet, um auf Grund desselben alle Nervenzellen inweinzelnen Typen oder Zellengruppen einzu- theilen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XX. Alle Abbildungen sind nach Präparaten der Retina der Eule ent- worfen, wobei die Mehrzahl derselben mittelst der Camera-lueida von OÖberhäuser bei Reichert’s Obj. 8%? und halbausgezogenem Tubus gefertigt wurden. Fig. 1. Nervenzellen in der ersten Periode der Einwirkung des Me- thylenblaus auf dieselben. a) Axencylinderfortsatz; b) Proto- plasmafortsätze. Fig. B und C sind bei Zeiss Apochr. 4,0, Oc. 6 gezeichnet. Fig. 2. Nervenzellen in der zweiten Periode der Färbung. a) Axen- cylinderfortsatz; p) Protoplasmafortsätze. Fig. J ist bei Zeiss Apochr. 4,0, Oc. 6 gezeichnet. 3. Nervenzelle in der dritten Periode der Einwirkung der Färb- substanz. «a) Axencylinderfortsatz; p) Protoplasmafortsätze. Fio 5° 414 (Aus dem Institute für Vergleichende Anatomie, Embryologie und Histologie des Herrn Geheimrat von Kölliker.) Beitrag zur Kenntnis des feineren Baues der roten Blutkörperchen beim Hühnerembryo. Von Dr. Adelf Dehler, ll. Assistenten am anatomischen Institut der Universität Würzburg. Hierzu Tafel XXI]. Nachdem seit dem Jahre 1891 sich mehrere Autoren (Flem- ming, M.Heidenhain, Klemensiewiz, vander Stricht, Moore, Reinke, Siedlecki) mit dem feineren Bau der Leukocyten, insbesondere auch mit der Lage und Beschaffen- heit der Centralkörper befasst haben, ist es wohl naheliegend und interessant, entsprechende Untersuchungen auch an den roten Blutkörperchen anzustellen. Dass es sich hier nicht um die kernlosen roten Blutkörperchen erwachsener Säugethiere handeln kann, ist wohl selbstverständlich: denn hier scheint der Nachweis der Centralkörper auch mit Hilfe der neueren Mittel nicht zu gelingen !). Was dann das Verhalten der Central- körper in kernhaltigen roten Blutzellen anlangt, so finden sich hierüber zwar einige Angaben bei M. Heidenhain?), doch ist dieser Autor auf seine diesbezüglichen Befunde nicht näher eingegangen. Eigentlich wäre es ja nun das Nächstliegende ge- wesen, de M. Heidenhain’schen Forschungen am roten Knochenmark des Kaninchens weiter fortzusetzen und die in die- sem Gewebe massenhaft vorhandenen kernhaltigen roten Blut- zellen der Arbeit zu Grunde zu legen; ich habe in der That auch eine Reihe von Centralkörperfärbungen am Knochenmark 1)s. auch M. Heidenhain, Neue Untersuchungen etc. 1894, pag. 441 ff. 2) Ebendort pag. 515 u. Fig. 19h. Beitrag z. Kenntnis d. fein. Baues d. roten Blutkörperchen ete. 415 ausgeführt und erhielt, was ich hier gelegentlich erwähne, be- sonders die von Heidenhain beschriebenen Centralkörper- gruppen der Riesenzellen in sehr schöner Weise: für Central- körper-Untersuchungen an den rothen Blutzellen aber ist das Knochenmark doch nicht gerade günstig, und ich fand bei wei- tem bequemeres Material an jugendlichen Hühnerembyronen des dritten bis sechsten Tages. Dass embryonales Blut von mir untersucht wurde, kann nicht auffallen; denn wenn die Oentralkörper überhaupt in allen Zellen vorhanden sind, so muss ihr Nachweis in embryonalen Zellen am ehesten gelingen. Und dann schien von vornherein die Annahme berechtigt, dass frei im Organismus bewegliche Zellen, im Gegensatz zu fixen Gewebszellen in ihrer Gestalt und in ihrem innern Bau von der Umgebung weniger beeinflusst, für die Lageverhältnisse in der ruhenden Zelle ein günstigeres Unter- suchungsobjekt bildeten. Die allgemeinen Gesichtspunkte meiner Untersuchung sind durch die Arbeiten meiner Vorgänger bereits gegeben: Hinsicht- lich der Centralkörper musste ich das Verhältnis zur Mitose und auch das Verhältnis zur Lage und Form des Kerns, bezw. zur Lage und Form der ruhenden Protoplasmamassen ins Auge fassen. Bezüglich der Methodik sei kurz folgendes erwähnt: Einfache Trockenpräparate des Blutes zu den beabsichtigten Untersuchungen anzufertigen, um die roten Blutkörperchen als ganze Gebilde zu studieren, war überflüssig und auch gar nicht ratsam, da zum Gelingen der Färbungen dünne Schnitte durch- aus erforderlich waren. Die Embryonen wurden vielmehr aus- schliesslich in concentrierter Sublimatlösung fixiert, in Wasser aus- gewaschen, in steigendem Alkohol gehärtet, und nach Einbettung in Paraffin in Schnitte von 4 u Dicke zerlegt. Zur Unter- suchung des Protoplasmas und des Kerns wurden die mit Wasser aufgeklebten Schnitte verschiedenen Färbungen unterzogen. Zur Untersuchnng der Centralkörper und der Sphäre be- diente ich mich der spezifisch zu nennenden sog. Eisenhämatoxy- linmethode von M. Heidenhain, welche an Schärfe der Bilder auch bei stärksten Vergrösserungen nichts zu wünschen übrig liess. Was nun zunächst die Frage nach dem Hämoglobingehalt 416 Adolf Dehler: des Protoplasmas betrifft, so ist eine Arbeit von Bizzozero (Arch. f. mikr. Anat. 1890, 35. Bd.) zuständig, welcher in einer Untersuchung über das Knochenmark der Vögel und die Neu- bildung der rothen Blutkörperchen in demselben (gegenüber ähn- lichen Arbeiten von Löwit und Denys) die Veränderungen betont, welchen die rothen Blutkörperchen bei der Behandlung mit Sublimat ausgesetzt sind. Nach Bizzozero zeigen die bei der Sublimatfixation „wohl erhaltenen rothen Blutkörperchen keine deutliche Mem- bran, eine homogene ziemlich stark lichtbrechende Zellsubstanz von gelblicher Farbe und lebhaftere Färbbarkeit mit sauren Far- ben (Fuchsin S, Eosin, Pikrinsäure); die veränderten rothen Blut- körperchen zeigen hingegen eine deutliche dieke Membran und eine dünne und durchsichtige Zellsubstanz, die vollständig oder fast vollständig ihre Färbung und dementsprechend auch die Eigenschaft verloren hat, die oben erwähnten Farbstoffe hart- näckig in sich festzuhalten“. Diese Angaben Bizzozero’s kann ich hier bestätigen: Auch nach meinen Resultaten erscheint das Protoplasma der wohlerhaltenen rothen Blutkörperchen homogen, ohne deut- liche Membran, und behält mit der gelblichen Farbe seine leb- hafte Färbbarkeit mit sauren Farben bei (Rubin S, Eosin, Pi- krin, Orange). Bei einfacher Thioninfärbung war es an Präparaten von 5—6 tägigen Embryonen interessant zu sehen, dass mitten in Gefässen, die mit rothen Blutkörperchen von gelblichem Proto- plasma gefüllt waren, einzelne der Gestalt und der relativen Grösse des Kerns nach von ihnen verschiedene Zellen lagen, wel- che in ihrer Färbung den übrigen Zellenarten des Mesenchyms glichen. Diese beim 5tägigen Embryo nur spärlich vorhandenen Blutzellen stehe ich nieht an für Leukoeyten zu halten, die ja schon ihrer Abstammung nach den Mesenchymzellen noch viel näher stehen als die roten Blutkörperchen (v. Kölliker, H. E. Ziegler, OÖ. Hertwig). Ihr Protoplasma war gerade wie bei den Mesenchymzellen im Gegensatz zu dem von Thionin nicht gefärbten Protoplasma der roten Blutkörperchen lila bis rötlichbraun bei blau gefärbtem Kern. Ich lege dabei Wert darauf, dass durch die einfache Thioninfärbung die weissen Beitrag z. Kenntnis d. fein. Baues d. roten Blutkörperchen ete. 417 Blutkörperehen von den roten nicht nur durch quantitativ, sondern auch qualitativ verschiedene Färbbarkeit unterschie- den werden können. Bei kurzer Einwirkung von Biondi’scher Farblösung auf schwach angesäuerte Präparate zeigten die roten Blutkörper- chen bei rot gefärbtem Kern eine prächtige Orangefärbung des Protoplasmas, während das Protoplasma der Leukoeyten dunkel- braunrote Färbung angenommen hatte. Die durch die Sublimateinwirkung in ihrem Hämoglobin- gehalt nicht veränderten rothen Blutkörperchen wurden ferner bei der Einwirkung der Eisenhämatoxylinfärbung dunkelblau-schwarz und zeigten dabei um den Kern einen helleren Saum. Da ich diese dunkle undurchsichtige Färbung durch Eisenhämatoxylin auf den Hämoglobingehalt zurückführe, so war die Entziehung des Hämoglobins durch die Einwirkung von Sublimat mit nach- folgender Auswaschung in Wasser für meine Untersuchungen, wie sich später zeigen wird, nur vorteilhaft,. zumal tretz der Auslaugung des Hämoglobins eine Verwechslung rother mit weissen Blutkörperehen nicht zu befürchten war; denn weisse Blutkörperchen sind in den ersten Tagen nur in verschwindender Zahl vorhanden und überdies, besonders später, bei einiger Uebung schon nach der mehr rundlichen Gestalt der Zelle und dem Ver- halten des Kerns kenntlich und unterscheidbar. Es gelang mir, an Präparaten, welchen das Hämoglobin entzogen war, nach Eisenhämatoxylinfärbung durch genügende Differenzirung Bilder von rothen Blutkörperehen zu erhalten, deren Protoplasma von hellgrauer Färbung und fast homogen, in anderen Fällen allerdings flockig wie von dünnen Fädchen durch- zogen und mit kleinen helleren Vacuolen durchsetzt erschien. Eine charakteristische Schichtung oder Streifung des Pro- toplasmas war auch dureh Nachfärbung nicht nachzuweisen. Im übrigen halte ich es durchaus für angezeigt, zwecks entscheiden- der Beschreibung des Protoplasmas auch andere Fixierungs- und Färbungsmethoden anzuwenden. Die Präparate wurden zu genauerem Studium untersucht bei homogener Immersion mit einer Vergrösserung von 800 bis 2250. Zeiss Oeul. 4—18, Obj. 2 mm Apert. 1,30. Die Zeich- 2 418 Adolf Dehler: nungen wurden mit Hilfe eines Abbe’schen Zeichenapparates ent- worfen nach einer Vergrösserung von Oecul. 12, Obj. 2 mm Apert. 1,50, projieiert auf den Arbeitstisch: also bei etwa 1700 facher Vergrösserung. Zunächst verwendete ich zu meinen Untersuchungen Prä- parate eines 3!/, tägigen Hühnerembryos. In diesem Alter ist im Blute eine Zellenart an Zahl weit- aus vorherrschend: wie sich später zeigen wird, sind es die zu einer bestimmten Grösse ausgewachsenen ersten roten Blut- zellen. Das sind bieonvexe Linsen, welche nach Engel im gröss- ten Durchmesser 9—12 u messen und einen Kern von 4—10 u Durchmesser besitzen. Ich möchte nach meinen Beobachtungen an allerdings nicht frisch aufgefangenem Blut, aber an Schnitt- bildern, die der grössten Ausdehnung entsprechen, die Maasse für diese Zellen, die Engel Metrocyten erster Ordnung nennt, auf 9—16, für den Kern auf 4—8 u Durchmesser angeben. Die Zellen zeigen entsprechend ihrer biconvexen Linsen- gestalt verschiedene Schnittbilder: sind sie nämlich in oder parallel ihrer Flächenausdehnung vom Sehnitt getroffen, so sind die Bilder kreisrund; in einer dazu senkrechten Ebene bieten sie einen symmetrischen bieonvexen Durchschnitt, der nach beiden Enden zugespitzt ist. Nur Bilder soleher Durchschnittsebenen, welche gleichzeitig durch die Mitte des Kerns und der Zelle gelegt sind, seien zu- nächst der Betrachtung unterzogen. (Figuren 5—15.) Bei solchen Bildern liegt der Kern stets excentrisch: bei runden Flächenbildern erscheint er vom Mittelpunkt gegen die Peripherie hin verschoben, bei bieconvexen Sehnittbildern nach der einen Spitze des Bildes hin verlagert. Die Grösse dieser seitlichen Verschiebung scheint dureh das Grössenverhältnis des Kerns zur ganzen Zelle bestimmt zu sein; doch ist der Kern wohl stets mindestens 1—2 u von der Peripherie entfernt. Die bieonvexen Durchschnitte zeigen die Eigentümlichkeit, dass der Kern die Zellgrenze nach beiden Seiten vorbuchtet: wenn nämlich der Kern stärker gegen eine Spitze verschoben ist, dann ist das Bild der Zelle nicht in der Mitte am breitesten, sondern es wird die grösste Breite fast ganz dureh jenen Durch- messer des Kerns bestimmt, der auf der Längsache des biconvexen . r . En. .. Beitrag z. Kenntnis d. fein. Baues d. roten Blutkörperchen ete. 419 Bildes senkrecht steht. Da eine deutliche Zellmembran im gewöhn- lichen Sinne des Wortes fehlt, so hat es häufig den Anschein, als sei der Kern in solehen Fällen an beiden Seiten der Zelle von Pro- toplasma nicht mehr überkleidet (vergl. die Abbildungen). Der Kern an sich ist kugelig (im ruhenden Zustand); seine Grösse schwankt zwischen 4—8 u Durchmesser. Im inneren Bau unterscheidet sich der Kern nicht wesentlich von dem an- derer Zellarten; neben gröberen, mehr verklumpten Balken und rundlichen Gebilden, die sich bei Eisenhämatoxylinfärbung tief- schwarz färben, ziehen feinere Netze von schwächer gefärbten Gerüstfäden unregelmässig durch den Kern. Ebenso ist die Peripherie des Kerns teils von dunkler gefärbten Körmchen und Fädchen besetzt, teils von einer schwächer gefärbten zarten Linie angedeutet, welche z. B. bei Rubinnachfärbung durch intensiv leuchtende Rötung deutlicher hervortritt. Auch bei an- deren Färbungen zeigen sich jene gröberen Gebilde intensiver gefärbt; die feineren Fädchen tingierten sich schwächer und zeigten bei gewissen Doppelfärbungen gemischte Farbenreaction. Es ist also auch hier ein Unterschied zwischen Chromatin- und Liningerüst des Kerns vorhanden. Auf das Vorhandensein einer Polarität des Kerns (Rab, M. Heidenhain, Flen®ning u.a.) und des Zusammenhangs seines Netzgerüstes mit dem Protoplasma (Reinke) erstreckten sich meine Untersuchungen nicht. Neben dem Kern, stets ausserhalb desselben, liegt im Innern der Zelle eine Gruppe kleiner Körner, welche bei der Eisen- hämatoxylinfärbung sich intensiv schwärzen und ohne besondere Uebung von etwa 800facher Vergrösserung an von dem hellen Protoplasina leicht unterschieden werden. Bei ihrem constanten Vorkommen, ihrer zwischen bestimmten Grenzen schwankenden Grösse und Zahl, ihrer kugeligen Gestalt, ihrem Grösse- und Lage- verhältnis zum Kern und Protoplasma ist es nicht zweifelhaft, dass sie den Gebilden entsprechen, die in anderen Zellarten als Centralkörper!), Centralkörner,, Centrosomen beschrieben worden sind. % 1) Der Name Centralkörper scheint mir für jedes einzelne der zu beschreibenden kleinen Gebilde, obgleich sie nicht immer das Centrum der Zelle selbst bilden, wohl aber gruppenweise demselben nahe liegen, von allen noch der passendste zu sein, 420 AdolfDehler: Ohne auf die sich noch widerstreitenden Ansichten der Autoren über die individuelle Wichtigkeit jedes einzelnen solchen Centralkörpers und über die Zugehörigkeit zu Kern oder Proto- plasma einzugehen, will ich für diese specielle Arbeit bemerken, dass wie beim Leukoeyten in der rothen Blutzelle des jungen Hühnerembryos die Centralkörper in ihrer speeifischen Färbung derart konstant und in beschränkter Zahl vorhanden sind, dass wohl jeder einzelne seinen individuellen Wert besitzt; in der ruhenden Zelle zunächst sind sie freilich zu einer Gruppe, dem „Mikrocentrum* von M. Heidenhain, vereinigt, und geht von dieser Gesammtheit wohl auch ihre physiologische Wirkung aus; das Verhältnis zum Protoplasma wird unten be- schrieben werden. Die Centralkörper nun erscheinen im Schnitt als kleine kreisrunde Scheiben von etwa !/,—!/, u Durchmesser; sie sind durchaus homogen und intensiv schwarz gefärbt. Bei einer Schnitt- dieke von 4 u liegen in ungefähr gleich vielen Fällen zwei oder drei Centralkörper zu einer Gruppe vereinigt, meist neben ein- ander, oft auch schräg übereinander. Nach Beobachtungen an- derer Untersucher über Teilung der Zelle und der Centralkörper ist der kleinste der drei Centralkörper der jüngste und als „Nebenkörperehen“ aufzufassen; an soll jedoch darauf nicht eingegangen werden. An Grösse sind die Centralkörper unter einander verschieden; beim Vorhandensein von drei Central- körpern liegt der kleinste meist nächst der gedachten Verbindungs- linie der beiden grösseren. Fälle, in denen man auch an gut differenzierten Präparaten eine Verbindung von zwei in der Sehnitt- ebene liegenden Centralkörpern durch eine schmalere dunkel ge- färbte Zwischensubstanz findet, sind selten (primäre Centro- desmose von M. Heidenhain). Die Centralkörpergruppe ist meist umgeben von einer run- den Scheibe gleichmässig aufgehellter Substanz; diese ist von dem übrigen Zellprotoplasma bei einfacher Eisenhämatoxylinfär- bung wenn auch meist nieht scharf abgegrenzt, doch deutlich unterscheidbar; sie hat einen Durchmesser bis zu 2u. Ich kann nicht sagen, dass diese „Sphäre“, wie man sie wohl bezeich- nen kann, durch Bordeauxvorfärbung deutlicher geworden wäre; wohl aber ist sie mir bei Nachfärbung mit Rubin homogen leuch- tend rot erschienen. Beitrag z. Kenntnis d. fein. Baues d. roten Blutkörperchen ete. 421 In manchen weniger stark differenzierten Präparaten sieht man rings am Rande dieses hellen Hofes ungleich grosse Körn- chen oder Stäbehen von sehwärzlicher Farbe: sie sind auch bei der stärksten Vergrösserung nicht von ganz deutlicher Form, doch scheinen sie ungleich gross und liegen in einfachem, oft unterbrochenem Kreise auf der dann schärferen Grenze der hellen Sphäre (v. Beneden’sche Granula). Rings um die Sphäre einen besonderen Bau, etwa eine Radiärfaserung oder diehtere Sehiehtung des Protoplasmas nachzuweisen, ist mir noch nicht gelungen (vielleicht ist das nur die Folge der Behandlung mit Sublimat und Wasser). Es kommen übrigens auch, allerdings wenige Fälle vor, wo trotz sorgfältiger Differenzierung die Centralkörper „nackt“, d.h. ohne hellere Sphäre, im Protoplasma der Zelle zu liegen scheinen. Bezeichnet man jene Linie, die man von der Mitte des be- kanntlich excentrisch liegenden Kerns durch den Mittelpunkt des Zellbildes nach dem am weitesten vom Kern entfernten Punkt der Peripherie gezogen denkt, als Zellachse, dann zeigt die Centralkörpergruppe (in der ruhenden Zelle) das Charakteristische, dass sie stets in der Zellenachse, mindestens aber nahe seitlich an der Zellenachse zu finden ist; dabei liegt sie stets auf der Seite der grössten Protoplasmamasse und immer der Zellmitte und dem Kern näher als der Peripherie. Ferner hat die Ver- bindungslinie der beiden grössten Centralkörper eine zur Zellen- achse wechselnde Richtung. Es scheint, als ob die Centralkör- pergruppe das Bestreben hätte, in oder wenigstens nahe der Zellmitte zu liegen und den Kern von da nach der Peripherie zu verdrängen. In vielen Fällen — und dies ist besonders deutlich in (run- den) Flächenbildern der Zellen zu sehen —.zeigt das der Cen- tralkörpergruppe zugewandte Stück der Kernperipherie eine mehr weniger starke Abflachung, manchmal eine schwache Einbuch- tung. Diese Abflachung, resp. Einbuchtung ist desto stärker, je srösser der Kern ist und je näher er der Zellmitte liegt. Das Bild des Kerns ist dann nach beiden Seiten etwas ausgezogen und hat seine grösste Ausdehnung in einer der Zellperipherie eoncentrischen Bogenlinie. Plastisch hätte man sich das etwa so vorzustellen, wie wenn durch einseitigen Druck (mit einem 422 Adolf Dehler: “ Finger) auf einen Gummiball eine schwächere oder stärkere schüsselförmige Einsenkung entsteht. Ob übrig ens diese Einsenkung einer „napfförmigen Delle“ oder einer sattelförmigen Vertiefung entspricht, ist schwer zu entscheiden. An der der Einbuchtung diame- tral entgegengesetzten Seite hat der Kern wohl Kugelform. Liegt bei Zellbildern, in denen der ganze Zellleib etwa 10 u, der Kern etwa 3—4 u im Durchmesser beträgt, die Cen- tralkörpergruppe nahe der Mitte, so ist sie vom Kern durch- schnittlich ungefähr !/;—1 u, der Kern von der Peripherie etwa 1-—2 u entfernt. Es dürfte fast überflüssig erscheinen, anzufügen, dass auch an ruhenden Zellen durch Schrägschnitte Bilder erzeugt werden, welche in Gestalt und Grösse des Zellleibes, besonders aber in der Gestalt und dem Lageverhältnis des Kerns und der Sphäre mit der Centralkörpergruppe Verschiedenheiten zeigen, auf die nicht näher eingegangen werden soll (Fig. 16, 19, 20a). In Präparaten, die nach der Heidenhain’schen Eisen- hämatoxylinmethode gefärbt sind, zeigen die rothen Blutkörper- chen noch eine andere Eigentümlrchkeit. Betrachtet man nämlich runde Flächenbilder derselben, so ist sofort sehr auffallend zu sehen, dass eine scharfe, ge- färbte Contourlinie in Form eines Kreises den Zellleib umspannt. Dieser Kreis ist ein gleichmässig in einer Ebene ausgespannter, intensiv geschwärzter, homogener Saum, der wohl !/,—!/, u an Dicke misst (vgl. die Abbildungen 5—10). Biconvexe Querschnittsbilder zeigen diesen Saum nicht in ihrem ganzen Umfang, vielmehr sieht man, wenn gleichzeitig Kern und Sphäre sichtbar sind, also die Zelle in einer durch die Zellenachse gelegten Ebene quer geschnitten ist, an den hei- den Enden des biconvexen Schnittes je einen schwarzen Punkt (z. B. Fig. 11—15); dieser scheint bei stärkerer Vergrösserung nicht etwa rund, sondern gleichschenkelig dreieckig zu sein und mit der Basis dem Protoplasma anzuliegen. Ist eine Zelle schräg angeschnitten, so dass z. B. nur ein Abschnitt des Kerns oder der Kern überhaupt nicht zu sehen ist (Fig. 16, 17a und b, 18, 19, 20), dann wölbt sich beim Heben und Senken des Tubus von der einen Seite des Bildes zur anderen ein scharfer schwarzer Kreisbogen von einem Radius, der dem Radius der ganzen Zelle Beitrag z. Kenntnis d. fein. Baues d. roten Blutkörperchen ete. 423 entspricht. Es ist kein Zweifel, dass man plastisch dieses Ge- bilde als einem zum Protoplasma der Zelle gehörigen Reifen auf- zufassen hat, in dem die Substanz der Zelle ausgespannt 'ist, etwa wie „eine Boraxperle in der Platinöse des Chemikers“. Eine diehtere Schiehtung des Protoplasmas im Zellleib am Reifen entlang konnte ich nicht feststellen, es ist dort im Gegen- teil der Zellleib entsprechend der bieonvenxen Linsengestalt am dünnsten und fast durchsichtig. Der Reifen zeigt bei der Eisen- hämatoxylinfärbung die gleiche intensive und homogene Schwär- zung wie die Öentralkörper, entfärbt sich aber bei Einwirkung des Eisenoxydammons etwas rascher als diese. So auffällig er nach Sublimatfixation und Eisenhämatoxylinfärbung sichtbar ist, so schwer ist er durch andere Reagentien nachzuweisen. Zwar glaube ich in frisch in Sublimat fixiertem Blut bei Betrachtung unverletzter (nicht geschnittener) roter Blutkörperchen gesehen zu haben, wie ein stark lichtbrechender Kreis, bezw. Bogen, gleich- mässig breit und scharf begrenzt die Zelle an der Peripherie um- spannt, doch auffallend sichtbar wird dieser Reif erst durch Fär- bung mit Eisenhämatoxylin. Mit der „ansserordentlich zarten amorphen Membran“ (Foä Arch. f. mikr. An. 1888) oder mit der „deutlichen dieken Mem- bran“, die nach Bizzozero an roten Blutkörperchen sich zeigt, wenn sie durch Sublimateinwirkung verändert sind, ist das von mir beschriebene Gebilde nicht zu verwechseln; denn erstens um- zieht es nicht als Membran den ganzen Zellleib, zweitens zeigen es auch diejenigen roten Blutkörperchen, deren Protoplasma nach anderen Anzeichen wohl erhalten ist. Man ist wohl berechtigt, anzunehmen, dass der Reifen als ein dichterer Teil der Grenzschicht des Protoplasmas nicht erst durch die Sublimatfixation künstlich erzeugt wird, sondern dass er in der lebenden Zelle bereits vorhanden ist und als ein mecha- nisch wichtiger Bestandteil des Zellkörpers zu gelten hat. Diese eigentümliche Bildung schemt nicht bloss bei den roten Blutkörperchen des Hühnerembryos vorzukommen. Nach einer mir gewordenen Mitteilung des Herrn Dr. Heidenhain liess sich auch bei den grossen, elliptischen Blutkörperchen des Proteus der Reifen durch Eisenhämatoxylin färben, wenngleich dort die Bilder nur ausnahmsweise recht klar und deutlich aus- 494 Adolf Dehlet: fielen. Vielleicht besitzen mehrere Arten von abgeflachten rothen Blutkörperchen einen solchen Reifen ? Wie ich vorausschiekte, habe ich bisher bloss Bilder von Zellen betrachtet und beschrieben, wie sie als Metrocyten 1. Gene- ration (Engel) am 3.—4. Tage mit Deutlichkeit in weitaus vor- herrschender Zahl in dem Hühnerembryo sich finden. Das Studium der Centralkörper und das auffallende Verhal- ten des Reifens legt es nun nahe, auf die Untersuchung des Blutes älterer und jüngerer Hühnerembryonen einzugehen. Mit zunehmendem Alter werden aber die Verhältnisse immer verwickelter, da z. B. am 4.—5. Tage nicht nur diese eine Zellen- art in verschiedener Grösse vorhanden ist, sondern auch aus ihr durch Teilungsvorgänge junge rothe Blutkörperchen — Metrocy- ten 2. Ordnung — entstehen. Es ist deshalb vorteilhaft, in der Grösse, Gestalt und der verschiedenen Färbbarkeit der vorhan- denen rothen Blutkörperchen Unterscheidungsmerkmale zu haben, nach denen auch Engel die rothen Blutkörperchen in ihrer Ent- wickelung klassifieierte. Ferner glaubte ich nachweisen zu können, dass durch Betrachtung der Teilungsfiguren und das Verhalten des Reifens die Untersuchung der auf einander folgenden Gene- rationen und die Erklärung ihrer Abstammung erleichtert wird. Kommen nämlich die bisher beschriebenen ruhenden Zellen zur Teilung, was bei einer Grösse von 8—10 u Durchmesser ge- schehen kann, dann ist zunächst zu bemerken, dass der oben beschriebene Reifen schwindet und die Zelle von der biconvexen Linse zur Kugel wird: man sieht niemals Teilungsstadien des Kerns in biconvexen Zellbildern. An den Centralkörpern ist das für die Zellteilung so oft beschriebene charakteristische Verhalten zu beobachten: Während aus dem Chromatingerüst des Kerns sich der Mutterstern entwickelt, werden die Centralkörper zu Polkörperchen (Fig. 21a und b). Die (gespaltenen) Chromosomen ordnen sich nach den Polkörperchen hin zu zwei Tochtersternen; die zwei Tochtersterne sind durch die schwächer gefärbten schmäleren Centralspindelfäden verbunden (Fig. 22 und 23ab). Man sieht auch schon rundliche Tochterzellen kurz vor ihrer Trennung; Diese zeigen an ihrer Berührungsstelle das Flemming’sche Kör- perchen, auf das die Centralspindelfäden zustrahlen (Fig. 23 b und 24). Beitrag z. Kenntnis d. fein. Baues d. roten Blutkörperchen etc. 425 In der jungen Tochterzelle liegt der Kern zunächst mehr in der Mitte und das Centralkörperchen näher der Peripherie (Fig. 24 und 25). Doch bald ändert sich dieses Lageverhältnis und wird gleieh dem in der ruhenden Mutterzelle (Telokinese und Telophase, M. Heidenhain). Dann stellt sich, sobald die Zelle auf einen Durchmesser von etwa 6 u herangewachsen ist, auch der Reifen wieder ein, und die kugelige Zelle fängt an — im Querschnitt betrachtet — sich an zwei diametral entgegengesetzten Stellen zuzuspitzen und sich zur biconvexen Linse umzugestalten: Der Querschnitt ist nun nicht mehr rund, sondern biconvex und zeigt an den beiden Spitzen den punktförmigen Querschnitt des Reifens. Die Umformung stelle ich mir so vor, dass der Reifen nach seiner ersten Entstehung rascher wächst als das übrige Zellprotoplasma; die Zellsubstanz wird dann in ihm ausgespannt und hängt in ihm wie der Tropfen in einer Oese. Diese Tochterzellen der Metrocyten 1. Ordnung scheinen übrigens an Grösse hinter jenen zurückzubleiben; denn ihr Durch- messer beträgt wohl niemals mehr als 12 u und der des Kerns misst bis zu 6 u. Nur nach der oben kurz beschriebenen indirekten Teilung sah ich junge rothe Blutkörperchen aus den Metroeyten 1. Ord- nung entstehen; eine Teilung in kernhaltige und kernlose Stücke, eine Ausstossung des Kerns oder eine Abschnürung eines klei- neren kernhaltigen Protoplasmateils — Dinge, wie sie von an- derer Seite beschrieben wurden — konnte ich nicht konstatieren. Freie, verschieden geformte, kernlose Protoplasmastücke musste ich, teilweise aych in Anbetracht eines daran sichtbaren Stückes des Reifens, als Anschnittbilder von Zellen erklären. Soll ich nun die durch meine Betrachtung gewonnene An- sicht über die erste Entwickelung und Beschaffenheit der rothen Blutkörperchen mittheilen, so würde ich sie zusammenfassen, wie folgt: Bekanntlich bilden sich beim Hühnchen am Ende des ersten Tages die ersten Gefässanlagen in der Mesodermschicht. Diese Gefässanlagen lassen, wenn sie anfangen wegsam zu werden, die Blutinsen erkennen, welche nichts anderes darstellen, als Haufen von Mesodermzellen, die innerhalb der Gefässe gelegen sind'). 1) Mitunter werden die soliden Gefässanlagen schon bei ihrem 426 AdolfDehler: In diesen Blutinseln findet man vielfach indirekte Teilungsvor- gänge. Dann lösen sich die Blutkörperchen einzeln von den Blutinseln los und treten in den allmählich entstehenden Kreis- lauf ein; dabei sind sie wohl schwach hämoglobinhaltig und von kugeliger Gestalt. Ihr runder Kern misst etwa 3 u im Durch- messer und ist von einem schmalen Protoplasmasaum umgeben, so dass der Durchmesser der ganzen Zelle etwa 4—6 u beträgt. Die Sphäre mit der Centralkörpergruppe liegt in dem schmalen Saum zwischen Kern und Peripherie. In meinen Präparaten waren nur selten ganz deutlich die einzelnen Centralkörper zu unterscheiden; bei diesen jüngsten Formen der rothen Blutkörper- chen finden sich nach ungefähr gleich starker Differenzierung die van Beneden schen Granula häufiger als bei den im Anfang dieser Arbeit beschriebenen älteren Formen (Fig. 1—4). Haben sich nun die Blutkörperchen von den Blutinseln ge- löst, dann wachsen sie weiter; sobald sie die Grösse von 6 bis 8 u Durchmesser erreicht haben, ist ein zuerst dünnerer Reif und die beginnende Umwandlung des Zellleibes zur bieonvexen Linsengestalt wahrzunehmen. Dann erscheint auch die Sphäre mit den Centralkörpern auf der Seite der grössten Protoplasmamasse gelegen und der Zellmitte näher gerückt, der Kern peripheriewärts in eine deutlich excentrische Lage gebracht. Die Zellen erreichen also am 3.—4. Tage die Gestalt, Grösse und den inneren Bau der oben beschriebenen Metroeyten 1. Ordnung. Im allgemeinen scheint mit der vollständigen Auflösung der Blutinseln und Entstehung des Blutkreislaufes in den Gefässen des Embryo eine Teilung der Metrocyten 1. Osdnung zu be- ginnen; diese Teilung ist stets eine indirekte, doch nicht überall gleichzeitige; vielmehr findet man bis zum 5. Tage verschiedene Teilungsstadien der ersten Generation und auch der nächstfol- senden Generationen, was bei dem lebhaften Wachstum des Embryo nieht Wunder nimmt. Die Metrocyten I. Ordnung wer- den in ihrem relativen Verhältnis immer seltener; am 5.—8. Tage ersten Erscheinen als „Blutinseln“ bezeichnet; so bei van der Stricht, dessen im Literaturverzeichnis eitierte Schrift ich nachzuschlagen bitte. Bei diesem Autor findet sich eine genaue Schilderung der Entstehung per ersten Anlage der Gefässe und des Blutes. Beitrag z. Kenntnis d. fein. Baues d. roten Blutkörperchen etc. 427 herrschen weitaus die kleineren Metrocyten der zweiten Genera- tion und deren Abkömnlinge vor. Ich möchte noch anfügen, dass die ersten Formen der rothen Blutkörperchen in ihrer Gestalt und dem relativen Grössen- verhältnis des Kerns jungen weissen Blutkörperchen allerdings ähnlich sehen; doch ist eine Verwechslung leicht auszuschliessen : Denn 1) sind in den ersten Tagen fast gar keine weissen Blut- körperehen vorhanden; 2) sind die roten Blutkörperchen bald infolge ihres stärkeren Hämoglobingehalts durch quantitativ und qualitativ verschiedene Färbbarkeit zu erkennen; 3) nehmen die rothen Blutkörperchen wohl grossenteils bis zum Erscheinen der weissen biconvexe Gestalt an; 4) ändert sich bei den weissen Blutkörperchen das Grössenverhältnis des Kerns zum Protoplasma durch stärkere Zunahme des ersteren; 5) habe ich an den kuge- ligen oder unregelmässig gestalteten weissen Blutkörperchen keine Reifen gesehen. Im übrigen aber lag es ausserhalb der Grenzen dieser Arbeit, auf die Untersuchung der weissen Blutkörperchen näher einzugehen. Die Zahl der normaler Weise bis zur völligen Ausbildung des Embryo entstehenden Generationen, das Verhalten der Cen- tralkörper in denselben, das Entstehen und die Histologie der ersten weissen Blutkörperchen dürften Objekte sich anschliessen- der weiterer Untersuchung sein. Die Resultate meiner Untersuchungen zusammenfassend kann ich konstatieren, dass die roten Blutkörperchen des wenige Tage alten Hühnerembryos bezüglich der Centralkörper ein gleiches Verhalten zeigen wie viele andere Gewebszellen, besonders wie die Leukocyten, dass sie ferner bei den Teilungsvorgängen als von der Umgebung wenig beeinflusste Zellen die ein- fachste Gestalt, d.i. die Kugelform annehmen, die sie im Ruhezustand unter Vergrösserung ihrer Oberfläche wohl hauptsächlich zum Zwecke ver- mehrter physiologischer Funktion (Sauerstofftrans- port) mit der Linsenform vertauschen. Noch einen Punkt möchte ich kurz erörtern: Das „Mikro- centrum“ und der Kern zeigen bei den rothen Blutkörperchen des Hühnchens genau dieselben gesetzmässigen Lagerungsweisen wie nach M. Heidenhain’s Untersuchungen bei den Leuko- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46 28 498 Adolf Dehler: eyten. Heidenhain hat nun auf Grund der radiärstrahligen Struktur der Leukocyten eine theoretische Erklärung für die gesetzmässige Anordnung der Zellbestandteile gegeben, eine Erklärung, welche in der Aufstellung des von ihm sogenannten „Spannungsgesetzes“ gipfelt!). Von Drüner und Boveri sind die histologischen Grundlagen der Heidenhain schen Aufstellungen angezweifelt worden; dies wohl nicht mit Recht. Denn ich habe bei Col legen Dr. Heidenhain viele Präparate gesehen, welche die angezweifelten Thatsachen in schöner Weise zeigten. Ich konnte mich davon überzeugen, dass erstens die vom „Mikrocentrum“ ausgehenden „organischen Radien“ an der homogenen Grenz- schieht der Zelle inserieren, dass ferner der Kern beim Leuko- eyten interfilar liegt und die Radiärstrahlen durch das Dazwi- schentreten des Kerns in höchst merkwürdiger Weise gespreizt werden. Im Uebrigen hat inzwischen auch Siedlecki eine bis ins feinste Detail gehende Bestätigung der Heidenhain’schen Unter- suchungen gebracht. Somit war Heidenhain wohl im Recht, wenn er auf Grund seiner Untersuchungen theoretische Formulierungen brachte; ob diese freilich für alle Zeit zu Recht bestehen werden, wird sich erst später zeigen. Inzwischen ist es höchst bemerkenswert zu sehen, dass Reinke und von Kostanecki, die an demselben Untersuchungsobjekte arbeiteten wie Boveri, sich nicht aufBoveri’s, sondern auf Heidenhain’s Seite gestellt haben. Ohne mich in den bestehenden Streit einmischen zu wollen, möchte ich im Sinne des letztgenannten Autors die Frage erör- tern, ob das „Spannungsgesetz“ eventuell auch auf die rothen Blutkörperchen des Hühnchens, die doch freie, selbständige Zellen sind, anwendbar sein könnte. Es mag so scheinen, als ob dies nicht möglich sei, da bei den von mir untersuchten Zellen weder eine radiärstrahlige noch überhaupt eine bestimmte Struktur der Zellsubstanz gefunden werden konnte. Behandeln wir die Frage jedoch streng theo- retisch, so stellt sich heraus, dass für das Spannungsgesetz eine histologisch sichtbare, centrierte Structur über- haupt nicht von Nöthen ist. Das Spannungsgesetz verlangt 1) Heidenhain’s theoretische Anschauungen sind im Zusam- menhang ausführlich dargestellt in dem Aufsatze: „Cytomechanische Studien.“ Arch. f. Entw.-Mechanik Bd. 1. Beitrag z. Kenntnis d. fein. Baues d. roten Blutkörperchen etc. 429 als Grundlage am Ende nur eine Zellsubstanz, welche contrae tile Eigenschaften besitzt und welehe sich in dem von Heiden- hain postulierten Zustand innerer Spannung befindet; hierbei mag die Zellsubstanz homogen, radiärstrahlig, schaumig oder sonst irgendwie erscheinen. Ich glaube also mich dahin aus- drücken zu können, dass, wenn man will, die von mir be- obachteten Thatsachen sich im Sinne Heidenhain’s er- klären lassen, zum mindesten, dass meine Beobachtun- gen keinerlei Material gegen die Heidenhain’sche Theorie zu Tage gefördert haben. Juli 1895. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXI. Die Zeichnungen wurden, wie oben erwähnt, mit Hilfe des Abbe- schen Zeichenapparats bei etwa 1700facher Vergrösserung nach Prä- paraten gefertigt, die mit Eisenhämatoxylin gefärbt waren. Fig. 1—4. Junge rothe Blutkörperchen, die sich von den Blutinseln eben gelöst haben. 1—3 von der Fläche 4 im Querschnitt gesehen. Fig. 5—15 erwachsene rothe Blutkörperchen. 5—10 von der Fläche 11—15 im Querschnitt gesehen. Fig. 16—20. Anschnitte erwachsener Blutkörperchen. 17a und 20a bei gesenktem 17b und 20b bei gehobenem Tubus. Fig. 21—24. Theilungsstadien der rothen Blutkörperchen (Metrocyten I. Generation). 21a und 23a weniger stark differenziert, also etwas verklumpt. . 25. Junge Tochterzelle, noch mit Andeutung der Centralspindel- fasern und des Flemming’schen Körperchens versehen. 430 15. 16. Adolf Dehler: Beitrag z. Kenntnis des feineren Baues ete. Literatur. Bizzozero, Neue Untersuchungen über den Bau des Knochen- marks bei den Vögeln. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 35. Boveri, Ueber das Verhalten der Centrosomen bei der Befruch- tung des Seeigel-Eies. Verhandl. d. physikal.-medic. Gesellsch. zu Würzburg N. F. 29. Bd. 18%, H. 1. Drüner, Studien über den Mechanismus der Zelltheilung. Jenai- sche Zeitschrift f. Naturwissenschaft 29. Bd. N. F. 12. 1894, Engel, Die Blutkörperchen im bebrüteten Hühnerei. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 44. Flemming, Ueber Theilung und Kernformen bei Leukocyten und über deren Attraktionssphäre. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 37. Derselb e, Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. II. Theil. Ebendort Bd. 37. M. Heidenhain, Neue Untersuchungen über die Centralkörper und ihre Beziehungen zum Kern und Zellenprotoplasma. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 43. Derselbe, Ueber Kern und Protoplasma. Festschrift für von Kölliker. 1892 Leipzig, W. Engelmann. Derselbe, Cytomechanische Studien. Arch. f. Entwicklungs- mechanik. Bd. I. O0. Hertwig, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbelthiere. 4. Aufl. . Klemensiewicz, Ueber Entzündung und Eiterung. Festschrift für A. Rollet. Jena, Gustav Fischer. von Kostanecki, Untersuchungen an befruchteten Echino- dermeneiern. Anz. d. Akademie d. Wissenschaften in Krakau. Juni 189. Reinke, Zellstudien 1. und 2. Theil. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 44. Derselbe, Untersuchungen über Befruchtuug und Furchung des Eies der Echinodermen. Sitzungsber. d. Berliner Akademie. 1895, Nr. XXX. Siedlecki, Ueber die Structur und Kerntheilungsvorgänge bei den Leukocyten der Urodelen. Anz. d. Akademie d. Wissenschaften in Krakau, April 1895. van der Stricht, Nouvelles recherches sur la geneöse des globules rouges et des globules blancs du sang. Arch. de Biologie I, XII, 1892. 431 Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen mit besonderer Berücksichtigung des Unterhaut- fettgewebes des Menschen. Von Dr. med. et phil. Arnold Sack in Heidelberg. Hierzu Tafel XXII und 8 Figuren im Text. Diese Arbeit war schon abgeschlossen, und ihre Ergebnisse der französischen Gesellschaft für Dermatologie in Paris, deren Gast zu sein ich damals die Ehre hatte, in der Sitzung vom 9. Mai 1895 mitgetheilt!), als Unna seine kurze Notiz über „Lochkerne* im Unterhautgewebe veröffentlichte?). Augenschein- lich handelte es sich bei mir und bei Unna um dieselben Dinge; nur gingen wir in der Deutung der von uns unabhängig wahrge- nommen Befunde sehr auseinander. Während Unna das Ganze als eine atrophische Erscheinung deutete und nur von „Lochkernen* sprach, deckte ich, wie es aus dem Referat ersichtlich war?), welches Unna gleichzeitig mit seiner Notiz über die Lochkerne in die Monatshefte für praktische Dermatologie aufgenommen hat, die wahre Natur. dieser Kerne auf, indem ich nachwies, dass diese Kerne vacuolisirte Kerne seien. Um so wichtiger war es für mich, aus der Notiz von Unna) selbst zu erfahren, dass nach ihrem Abschluss ihm eine Mitthei- lung von Professor Flemming zugegangen war, aus der es hervorgeht, dass Flemming’s Mitarbeiter Meves „an den Fett- zellen von Urodelen dieselben Ringkernformen — und bei der 1) Note sur le tissu adipeux par le Dr. A.Sack in Annales de Dermatologie. 1895 Juin p. 458. 2) S. „Zur Kenntniss der Kerne“. Monatsh. f. pr. Dermatol. Bd. XX. Juniheft S. 609. 3) Autoreferat über das Fettgewebe mit besonderer Berücksich- tigung des Unterhautfettgewebes von Dr. Sack. Monatsh. f. pr. Dermatol. Daselbst S. 621. 4) 1. e. S. 607. 432 Arnold Sack: drei- bis vierfachen Grösse gegenüber dem Menschen — so zu sagen in Fraktur gesehen habe: hier könne man deutlich mit allen Uebergängen verfolgen, dass erst eine Vacuole imKern entsteht, dann zunächst nach einer Seite und vielfach nach beiden Seiten durchbrieht“. Flemming bemerkte noch dazu: „Sonderbar bleibt es dabei, dass gerade nurdie Fettzellen- kerne für diesen Vorgang disponirt zu sein scheinen, denn an denen der Bindegewebs- und anderer Zellen in loco hat’ Meves ihn nicht gefunden.“ Ich freue mich, diese neueren, bis jetzt nur im Nachtrag zu Unna’s Aufsatz veröffentlichten Befunde von Meves be- stätigen zu können (s. unten S. 458). Im Urodelenfett habe ich freilich so schöne Kernvaecuolen, wie bei keiner anderen von den von mir untersuchten Species des Fettgewebes gesehen. Doch bestehen beim Menschen ganz analoge Verhältnisse, und lassen sich im Menschenfett, wie aus der weiteren Darstellung ersicht- lich, die Kernvacuolen trotz der Kleinheit der Objecte gerade so deutlich darstellen. Um so merkwürdiger erscheint es, dass bis heute solche Bildungen von keiner Seite beachtet und verzeichnet wurden. Ich habe die ganze Literatur der Fettzelle nach dieser Richtung sorgfältigst durchstudirt — von Schwan bis auf die neuesten Arbeiten —, vermisse aber bei allen den Hinweis auf die Vacuo- lisirung des Fettzellkernes. Dies ist auch der Grund, warum ich hier unnöthig ermüdende Excursionen auf dieses weitläufige Gebiet des literarischen Nachweises im Interesse des Lesers unterlasse. Was daran Schuld war, dass die Kernvacuolen der Fettzellen bis heute übersehen wurden, kann ich nicht sagen. Vielleicht lag es an der Unvollkommenheit der bis heute angewandten Färbe- methoden, vielleicht aber auch am Mangel an Interesse für die Histologie der reifen Fettzelle.. Aber — wird man erwidern — die Fettzelle stand ja immer im Mittelpunkt des Interesses bei den Histologen! Ja, die werdende, aber nicht die gewor- dene Fettzelle. Es ist wahr, dass die Histologen seit jeher die Schicksale der Fettzelle im Körper mit ganz besonderem Interesse studirten. Das Leitmotiv dieser Forschungen war und blieb aber stets die Frage nach der Herkunft der Fettzelle. Diese Frage wollte man vor allem lösen und um ihretwegen verwickelte man Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen etc. 433 sich häufig in eine recht heftige Polemik. So herrscht bis auf den Tag keine Einigkeit darüber, ob die Fettzelle ein Gewebs- element sui generis (Rollet, Toldt, Klein, Ranvieru.A.), oder nur eine in physiologischer Umwandlung begriffene Binde- gewebszelle sei (Flemming). Viel weniger schien man sich dagegen für diegewordene, reife Fettzelle zu interessiren, was wohl durch die ausseror- dentliche Monotonie des Fettgewebes zu entschuldigen ist. Man glaubte, den feineren Bau einer reifen Fettzelle genügend zu kennen und ihren histologischen Typus sicher ergründet zu haben, und erwartete keine Ueberraschungen mehr von dieser Seite. Dass unsere Kenntnisse von der Fettzelle dennoch nicht ganz abgeschlossen und erschöpft sind, beweist zu Genüge diese Untersuchung, welche bis heute gänzlich ungekannte Verhältnisse an den Kernen der Fettzelle zu Tage fördert. Dass die Literatur keine analogen Befunde für den Fett- zellkern ergiebt, ist schon hervorgehoben worden. Aber auch dasjenige, was sich in der Literatur der Zelle überhaupt von vacuolenartigen Einschlüssen des Kerns findet, lässt sich nicht mit den Vacuolen der Fettzellkerne auf gleiche Stufe stellen. Denn, was die Autoren bis heute als vacuolenartige Einschlüsse der Kerne beschrieben haben, bezieht sich z. Th. auf rein patho- logische Vorgänge (Key und Wallis!), z. Th. auf Schrumpfungs- erscheinungen bei Untersuchung des frischen Gewebes in Wasser (Auerbach?), z. Th. wieder auf Vacuolen der Kernkörperchen und nicht der Kernsubstanz (Auerbach, Flemming?), z. Th. auf Begleiterscheinungen bei oder nach der Kerntheilung (Auer- bach, Flemming, Strassburger®. Wenn Schott- länder) der Kernvacuolen inruhenden Zellen der Desce- 1) A. Key und Wallis, Experimentelle Untersuchungen über die Entzündung der Hornhaut. Virch. Arch. Bd. LV. 1872. S. 296. 2) L. Auerbach, Organologische Studien 1—3. Breslau 1874. 3) Auerbachl. e. S. 144. Flemming, Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung. Leipzig 1882. S. 151. 4) Auerbachl.c. S. 167. Flemming, Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. Dieses Arch. B. XXIX. S. 389. Strassburger, Ueber Zellbildung und Zelltheilung. Jena 1875. S. 191. 5) J. Schottländer, Ueber Kern- und Zelltheilungsvorgänge in dem Endothelder entzündeten Hornhaut. Dieses Arch. B. XXXI, 1889. 434 Arnold Sack: metiea Erwähnung thut, so waren seine Vacuolen jedenfalls sehr un- scheinbar, so dass er nicht mal alle als Vacuolen ansprechen kann. Kurzum, kein einziger von den in der Literatur ver- zeiehneten Befunden lässt sich auch entfernt mit der typisch-gene- rellen Erscheinung der Kernvacuolisirung bei Fettzellen vergleichen. Ueber die Methoden und den Gang der Untersuchung. Als Ausgangspunkt für die ganze Reihe der späteren Be- obachtungen diente mir die histologische Untersuchung eines winzigen eutanen Lipoms, das ich einem Kranken, der vor kurzem frische Syphilis durchgemacht haben wollte, exstirpirt hatte. Schon bei flüchtiger Durchsicht der ziemlich dünnen (10—12 u) mit polychromen Methylenblau gefärbten und mit Tannin ent- färbten Schnitte fielen mir scharf begrenzte sphärische und ellip- tische Hohlräume in den Kernen der Mehrzahl der Fettzellen auf, die den Tumor bildeten. Da ich zu jener Zeit von der Existenz solcher Höhlenbildungen in den Kernen nichts wusste, glaubte ich eine pathologische Erscheinung vor mir zu haben, die entweder mit der Natur des Lipoms oder sogar mit der durchgemachten Lues in irgend einem Zusammenhang stehen müsste. Aber eine genaue Durchsicht anderer Präparate der Haut und des subeutanen Fettgewebes, die nach derselben Me- thode behandelt waren und die weder von lipomatöser, noch von luetischer Haut herrührten, überzeugte mich, dass die beim Lipom zuerst wahrgenommene Erscheinung einen allgemeinen Charakter hatte. Ganz gleiche Höhlenbildungen fanden sich überall im subeutanen Fett, gleichviel ob von normaler oder von entzündlich affieirter, ob von jugendlicher oder von infantiler Haut. Da ich daraus den Schluss wohl ziehen durfte, dass das Phänomen der Kernaushöhlung nichts specielles, vielmehr etwas sehr typisches und generelles darstellt, stellte ich es nun mir zur Aufgabe, den Panniculus adiposus des Menschen nach verschiedenen Richtungen in Rücksicht auf das wahrgenommene Phänomen zu studiren. Zu diesem Zweck unternahm ich eine Reihe von zahlreichen Untersuchungen des Fettpolsters unter möglichst divergenten Be- dingungen. Das reiche Material, das ich für diese Untersuchungen Ueber vaecuolisirte Kerne der Fettzellen etc. 435 benutzt habe, verdanke ich Herrn Geh. Rath Prof. Dr. Arnold, der mir gestattet hat, das Leichenmaterial des pathologischen Institutes in Heidelberg für den Zweck zu verwerthen. Ich bin Herrn Geh. Rath Arnold dafür zu grossem Danke verpflichtet. Da es sich im Laufe der Untersuchungen herausgestellt hat, dass die bei den Zellkernen des Unterhautzellgewebes entdeckten Bestandtheile zum Bilde eines typischen Fettzellkernes scheinbar gehörten, so musste ich meine Untersuchungen der Vollständig- keit wegen auch auf das interstitielle Fett der inneren Organe des Menschen ausdehnen, um auf diese Weise festzustellen, ob das Vorkommen der fraglichen Gebilde in diesen Bezirken des „Fettorganes“, um mit Toldt zu reden, es erlauben würde, das Fettgewebe des menschlichen Organismus in seiner Totalität in Bezug auf die wahrgenommene Eigenthümlichkeit unter einen einheitlichen Gesichtspunkt zu stellen. Schliesslich habe ich zur Vervollständigung der von mir bei Erwachsenen und bei Kindern gewonnenen Resultate auch das Fett der menschlichen Embryonen zur Untersuchung heran- gezogen und meine Untersuchungen auch auf die Fettzellen der Amphibien ausgedehnt. Was die Präparationsmethoden anbelangt, die ich bei dieser Untersuchung in Anwendung gezogen habe, so war das gewöhn- liche Verfahren etwa folgendes. Die betreffenden Hautstücke wurden gewöhnlich mitsammt ihrem Fettpolster der Glutaealgegend — weil der fettreichsten — entnommen. Das exstirpirte Stück wurde in drei Theile zerlegt, von denen jeder in besonderer Flüssigkeit gehärtet wurde. Es wurden im Ganzen drei Härtungsmittel von mir angewandt, wie: absoluter Alcohol, eone. 5°/, wässerige Sublimatlösung und die Müller’sche Flüssigkeit!). Durch diese gleichzeitige An- wendung von dreierlei Härtungsmethoden ist der Einwand von vornherein widerlegt worden, als ob die Vacuolen der Kerne nur ein Kunstprodukt wären, welches einer Schrumpfung infolge eines bestimmten Härtungsverfahrens seine Entstehung verdanke, — ein Einwand, den ich wohl erwarten musste. Denn, wie aus 1) Später benutzte ich auch auf Flemmings Vorschlag Chrom - osmiumessigsäure. 436 Arnold Sack: späterer Beschreibung ersichtlich sein wird, ändert die Härtungs- methode an und für sich so gut wie gar nichts am Phänomen selbst, nur dass die eine — und namentlich die mit Müller’scher. Flüssigkeit, die bekanntlich am wenigsten Schrumpfungen er- zeugt — schönere aber nicht wesentlich andere Bilder liefert, als die beiden anderen. Mit allen 3 Methoden lässt sich aber das Phänomen in unzweideutigster Art darstellen. Nachdem die Objeete genügend gehärtet waren (nach Subli- mat wurde jodirter Aleohol, nach Müller’scher Flüssigkeit — gründliches Auswaschen im fliessenden Wasser und Aufbewahren unter Abschluss von Licht in Alcohol von steigender Concentration angewandt), wurden die Präparate z. Th. in Celloidin, grössten- theils aber in Paraffin eingebettet, — letzteres, um besonders feine Schnitte zu erzielen. Die Einbettung in Paraffin geschah nach dem Verfahren, welches Heidenhain!) für besonders feine Schnitte zum Zwecke der Kernstudien empfiehlt, d. h. die Objeete wurden aus dem Alcohol für mehrere Stunden in eine Mischung von gleichen Theilen Aleohol und Bergamottöl, alsdann in reines Bergamottöl und schliesslich in warmes Paraffıin im Wärme- kasten bei 38°C. (gewöhnlich mischte ich eine harte Sorte Paraffin mit einer weicheren zusammen) gethan. Nach längerem Verweilen im Paraffinkasten wurden die Objeete in Blöcke gegossen und in Schnittserien zerlegt. Um möglichst feine Schnitte zu bekommen, trennte ich gewöhnlich noch vor der Einbettung die Epidermis und einen Theil der Cutis von dem darunterliegenden Unterhaut- fettgewebe ab, und verwendete nur das letztere allein zum Schneiden da ja sonst der Widerstand beim Schneiden zu gross wäre, und so mein Wunsch, möglichst dünne Schnittserien zu er- halten, gewiss vereitelt worden wäre. Auf diese Weise gelang es mir, mitunter Schnittserien von 6—7u Dicke zu bekommen, was bei einem Gewebe von so ungleichmässiger Resistenz, wie das subeutane Fett, mit seinen diekwandigen, nur locker in das Fett eingelassenen Blutgefässen und seinen derben Bindegewebs- zügen, wohl als die äusserste Grenze des technisch ausführbaren betrachtet werden darf. Die Schnitte wurden nicht immer in derselben Ebene durchgelegt: einmal wurden sie tangential, das l) M. Heidenhain, „Ueber Kern und Protoplasma“. Fest- schrift, Kölliker vom Anatomischen Institut Würzburg gewidmet. Leipzig 1892. | Ueber vaeuolisirte Kerne der Fettzellen etc. 437 andere Mal senkrecht zur Hautoberfläche geführt. Die ersteren Sehnittserien waren aber durchweg feiner. Heidenhain’s Rathschlägen folgend, habe ich die Schnitte auf gut gereinigte, nur mit einer Spur Wasser benetzte Objeetträger gebracht, sorgfältig ausgebreitet und über der Flamme vorsichtig erhitzt, um das überschüssige Wasser verdunsten zu lassen. So- dann wurden die Objeetträger auf 12—24 Stunden in einen Brütkasten bei 37°C. eonstanter Wärme gebracht. Daraufhin klebten die Schnitte so fest am Glas, dass auch der stärkste Wasserstrahl sie nicht wegschwemmte. Diese saubere und so einfache Methode des Festklebens verdient vor den Schellack- und Eiweissmethoden deswegen Vorzug, weil sie absolut reine Bilder ergiebt, in die kein frem- des Medium dazwischen kommt, das ja doch vom Brechungs- coöfficienten des Glases verschiedenes Brechungsvermögen besitzen könnte, was bei sehr feinen Schnitten wohl sehr in Betracht kommt. Die Entfernung des Paraffins aus den Schnitten geschah in üblicher Weise, indem das durch mehrstündiges Verweilen im Paraffinkasten weich gewordene Paraffin über der Gasflamme vor- sichtig erwärmt wurde, und dann das Objektglas in ein hohes Gefäss mit Xylol versenkt wurde, um die Spuren von Paraffin ganz abzuspülen. Nun wurde der Objektträger in eine Wanne mit Alcohol gebracht und schliesslich mit destillirtem Wasser kräftig abgespült. Jetzt waren die Schnitte fertig zum Färben. Die Färbung der auf dem Objektglas festgeklebten Schnitte nahm ich en bloe vor. Die entsprechend verdünnte Grübler’- sche Stammlösung polyehromen Methylenblaus nach Unna wurde mittels Pipette für die Dauer von einer bis höchstens drei Minuten auf den Objektträger gebracht, sodass die Farbschicht alle Sehnitte gleiehmässig bedeckte. Alsdann wurde die Farblösung dureh einen kräftigen Strahl destillirten Wassers abgespült und auf die feuchten Schnitte 33'/,°/, wässerige Tanninlösung auf- getragen. Die Entfärbung durch Tannin vollzieht sich bei so feinen Schnitten sehr schnell, und man sieht die Schnitte ihr Blau in dichten Wolken an das Tannin abgeben, welches durch die Farbe selbst grün gefärbt wird, während die Schnitte einen deut- lichen Stich in’s violett-röthliche erhalten. Sobald diese Meta- chromasie der Schnitte, die mit unbewaffnetem Auge ohne weiteres 438 Arnold Sack: erkannt werden kann, deutlich hervorgetreten ist, was in der Regel, je nach der Dicke der Schnitte, in einer bis zwei, höchstens drei Minuten erreicht ist, wird die Tanninlösung sorgfältig abgespült, um alle Spuren von ihr zu entfernen. Sollte sich bei flüchtiger Betrachtung im Mikroskop zeigen, dass die Ent- färbung und somit die Differenzirung der Schnitte nicht weit ge- nug gediehen ist, so nimmt man eine wiederholte Entfärbung vor, indem man zum zweiten Mal einige Tropfen Tanninlösung für ganz kurze Zeit auf das Glas bringt und dann sofort wieder mit destillirtem Wasser abspült. Sodann wird der Objektträger behufs Entwässerung für einige Sekunden in ein hohes, mit ab- solutem Alkohol gefülltes Gefäss versenkt und kommt darauf in ein ähnliches Gefäss, das mit Xylol gefüllt ist. Aus dem Xylol kommen nun die Schnitte in Xylol-Canadabalsam und sind somit fertig für die Untersuchung. Auf diese Weise, nach der Methylenblau - Tanninmethode gefärbte Schnitte des Fettgewebes ergeben überaus zierliche, scharf differenzirte, für das Studium der Kernstruktur der Fett- zellen sehr günstige Bilder. bei Celloidinschnitten musste das Verfahren entsprechend abgeändert werden. Die von Celloidin in einer Mischung von Aether und Alkohol ana befreiten Schnitte wurden für 1—2 bis 3 Minuten in die polychrome Methylenblaulösung gebracht, dann kurz in Wasser ausgewaschen und in 33'/,°/, Tanninlösung ge- than. Aus derselben kamen sie für einige Minuten in destillirtes Wasser, dann kurz in Alkohol und schliesslich in Xylol und Xylol-Canadabalsam. Ausser dieser für meinen Zweck ganz besonders geeigneten Färbungsmethode wandte ich mitunter auch gewöhnliche Kern- färbungsmittel, wie Hämatoxylin u. A., an. Nur bei besonders gut gelungener, fein abgetönter Tinction mit solchen Farbstoffen traten die Struktur des Fettzellkernes und seine Vacuolen mehr oder weniger scharf hervor!), während sie bei einer weniger 1) Bei grösseren Kernen, wie sie bei urodelen Amphibien im Fettgewebe vorkommen, ergiebt auch die gewöhnliche Borax-Carmin- färbung sehr prägnannte Bilder (vgl. unten den Abschnitt „Ueber das Fettgewebe der Amphibien“ S. 458). Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen ete. 439 zarten Färbung, was die Deutlichkeit anbelangt, weit hinter den Methylenblaupräparaten standen. Deswegen möchte ich für die Untersuchung der Kerne und ihrer Einschlüsse in erster Linie die Methylenblau-Tanninmethode aufs wärmste empfehlen. Nur nebenbei wurde auch die von Heidenhain modi- fieirte Bion di’sche Färbung mit dem bekannten 3-Farbengemisch, sowie die von Heidenhain!) empfohlene Hämatoxylin-Eisen- lack-Methode versucht. Beide zeigten keine wesentlichen Vorzüge vor der Methylenblau-Tanninmethode und liessen auch nichts mehr entdecken, als was schon mit dieser Färbung so schön sichtbar gemacht wurde, so dass ich sie bald verlassen konnte. Jugendlicher Pannieculus. Meine eigenen Beobachtungen gebe ich zunächst nach Prä- paraten des Pannieulus eines 24 jährigen, gut genährten Mannes, der nach kurzem Leiden an Perforationsperitonitis in Folge innerer Einklemmung gestorben war. Ich wähle diesen Fall, um sicher zu sein, es mit völlig gesundem Fettgewebe eines Jugend- liehen Individuums zu thun zu haben. Die Untersuchungsergebnisse erwiesen denn auch, dass nirgends Abnormitäten in dem Panni- eulus und in der nicht unmittelbar von dem Krankheitsprocess betroffenen Geweben vorhanden waren. Bei der Betrachtung der Präparate mit schwacher Ver- grösserung (Zeiss-A) überzeugt man sich, dass der Habitus des Unterhautfettgewebes in jeder Beziehung der Norm entspricht. Die Vaseularisation ist sehr mässig. Irgendwelche nicht zum Fettgewebe als solehem gehörende Elemente sind nirgends zu erkennen. Weder sind die zelligen Elemente des interstitiellen Bindegewebes in Wucherung begriffen, noch sind irgendwo Leu- koeytenhaufen zu bemerken. Auch ist das fibröse Gewebe der Bindegewebssepten in tinetorieller, wie in optischer Beziehung, gänzlich normal. Von hyperplastischen Vorgängen ist in diesen Elementen der Tela subeutanea nichts zu entdecken. Dementsprechend erweist sich auch der aus Fettzellen be- stehende Inhalt der Bindegewebsmaschen, in Gemässheit des 1) Heidenhainl. c. S. 118. 440 Arnold Sack: _ jugendlichen Alters und des vorzüglichen Ernährungszustandes der Leiche, als allem Anschein nach völlig normal. Die Fettlappen und Läppchen sind gut entfaltet, weder geschrumpft, noch ge- quollen, und die polygonalen Maschen des Bindegewebsgerüstes gut ausfüllend. Die Fettzellen selbst schön gross, durch gegen- seitige Compression von meist polyödrischer Gestalt, die auf den Sehnitten die Formen von ziemlich regelmässigen Tetra-, Penta- und Hexagonen, oder Rhomben und Trapezen annimmt. An vielen Stellen lassen sich die den Zellmembranen entsprechenden Fachwerklinien, deutlich als zwei diserete Linienelemente er- kennen, und an den Ecken der zusammenstossenden Membran- flächen befinden sich solche häufig in deutlicher Dissociation, so- dass man ohne weiteres die jeder Zelle zukommende Membran unterscheiden kann. In den schmalen intercellulären Interstitien trifft man vereinzelte oder gruppirte Bindegewebskörperchen oder Quer- und Schrägschnitte durch Capillaren, oder schliesslich et- was von der faserigen Intercellularsubstanz selbst an. Die durch Alkohol extrahirten Fetttropfen scheinen im Leben den ganzen Leib der Zelle ausgefüllt zu haben, da von serös-plasmatischen Bestandtheilen der Zelle, abgesehen von der über- dehnten und daher äusserst dünnen Membran, die ja auch als verdichtete Randzone des ursprünglichen Zellprotoplasmas zu be- trachten ist, und von ganz unansehnlichen, an die Wand ge- drückten Plasmaklümpehen in der nächsten Umgebung des Kernes, keine Ueberbleibsel des ursprünglichen Zellinhaltes mehr sicht- bar sind. In Folge dieser Ueberdehnung der Zelle kommt der Kern selbst weniger deutlich zur Geltung. Uebrigens kommt es dabei auch anf die Ebene an, in welcher der Kern getroffen wurde. Da durch den übermässigen Druck des grossen Fett- tropfens der Kern ganz plattgedrückt wird, so wird er meistens zum scheibentörmigen, ellipsoiden Gebilde, dessen Form an die der rothen Blutkörperehen der Vögel lebhaft erinnert. Der Längen- und Breitendurehmesser der Kernscheibe übersteigt mitunter um’s drei- bis fünffache ihren Diekendurehmesser. Selbstverständlich passt sich die Form des Kerns der nächsten: Umgebung an, so dass er die eine von seinen Scheibenflächen der Membran, die andere dem Zelleninneren zukehrt, während sein kleinster Durch- messer senkrecht zur Tangente des Flächenelementes der Zell- membran, an welches er sich anlehnt, zu stehen kommt. Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen ete. 441 Da überdies der sich der Zellmembran anschmiegende Kern der Wölbung derselben folgt, wobei er häufig in eine Zellen- ecke zu liegen kommt, welche von zwei anstossenden, durch gegenseitige Zellenabplattung winklig aufeinandergestellten Flä- chenelementen der Membran gebildet wird, so zeigt er häufig allerlei Krümmungen und Faltungen, je nach den Krümmungen und Faltungen der Zellmembran. Das beigefügte Schema ver- anschaulicht diese Verhältnisse, indem es einige Beispiele dieser Verbiegung der Kernscheibe im einer zu ihrer Aequatorialebene senkrecht geführten Schnittebene vorführt (Schema Nr. 1). Trifft der Sehnitt den Kern in seiner Aequatorial- ebene, so bekommt man schön abgerundete, relativ grosse, kreisförmige oder ovale Bil- dungen auf den Schnitten zu sehen (Schema 1, 7), fällt U Bv2 die Schnittebene dagegen mit —n „IN dem Diekendurchmesser zu- sammen, so kommt vielmehr eine spindelförmige Kernge- vr stalt zu Stande, die abge- rundete Enden hat (Schema u IN A ne): KR Schema Nr. 1. Schliesslich bekommt 7. Kern von der Fläche gesehen: c= man auch dreieckige, oder, Breiten-, =Längendurchmesser. basic: er II. Kern von der Seite gesehen: ae= richtiger gesagt, tetraödri- Aequatorialebene; d— Diekendurch- sche Formen zu sehen, — messer. III—VI. Verschiedene Krüm- dort namentlich, wo die Kerne FOR DERIBETE RN Sant in den Ecken der Zellen liegen, welche von drei zusammen- strebenden Flächenelementen der Zellmembran gebildet werden (Schema Nr. 2). Solehe Kerne sind naturgemäss ‘weniger stark abgeplattet. Bei starker Vergrösserung (hom. Immers. 1/,,) überzeugt man sich nun, dass alle Zellen durchweg ruhende Kerne führen. Vor allem fällt die äussere Verdichtungszone der Kern- substanz auf, welche bei flüchtiger Betrachtung wohl als Kern- membran imponiren könnte, bei genauer Einstellung dagegen keinerlei structurelle Verschiedenheit von der das Kerninnere Den 443 Arnold Sack: ausmachenden Substanz aufweist, höchstens nur die, dass die winzigen Chromatinkörnehen, welche bei der Färbung mit poly- chromem Methylenblau, je nach dem Grade der Metachromasie bald röthlicher, bald bläulicher erscheinen !), hier etwas regelmässiger und auch dichter gruppirt sind, als im Kerninnern, wo sie an verschiedenen Stellen sehr verschiedene Diehte und verschiedene Gruppirung zeigen. Von dieser in optischer Projection wie perl- schnurartig aussehenden Randsubstanz des Kernes begeben sich in äusserst zierlichen und feinen Netzen Bälkchen der Chromatin- substanz nach dem Innern des Kerns zu. Diese Bälkchen lassen bei guter Färbung äusserst kleine Granula erkennen. An vielen Stellen ballen sich solche Granula zu etwas grösseren Klümpehen und Körperchen zusammen, die etwas energischere Tinetion zeigen, als die der kleineren Granula der Chromatinfäden in der übrigen Kernsubstanz. Doch fehlt ihnen meistens jede scharfe 7 Schema Nr. 2. I—II Tetraödrische Kernformen in den Zellenecken. K= Kerne. m!, m?, m? = verschiedene Flächenelemente der Membran. Begrenzung und Individualität. Sie sind vielmehr als Verdich- tungscentren der granulirten Substanz der Kernfäden an den Stellen, wo solche miteinander zusammenstossen, anzusehen (Schema 3), denn mit ihren unregelmässigen Fortsätzen greifen sie nach allen Seiten in das lockere Fadenwerk der Kernsubstanz ein, in welches diese Fortsätze unmerklich auch über- gehen. In der Vertheilung solcher Verdichtungs- centren oder Knoten kann des Weiteren keine Gesetzmässigkeit erkannt werden. Schema Nr. 3. 1) Diese Verschiedenheit in der Färbung der Kernstructuren bei Anwendung der Methylenblau-Tannin-Methode führt Unna (Mon. f£. pract. Dermat. 189. H. 11, S. 599 ff.) auf die Verschiedenheit der che- mischen Reaction der Kerne zurück, insofern als nach seiner Annahme die sauren Kerne violette, und die basischen Kerne blaue Tinction annehmen. Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen ete. 443 Die zwischen den einzelnen Fäden des Kerngerüstes be- legene Substanz ist bei der beschriebenen Tinktionsmethode nicht weiter differenzirbar. Ganz transparente Lücken trennen die Fäden voneimander. Das System dieser zwischen den Fäden belegenen Lücken dürfte dem „Kernsaft“ der Autoren ent- sprechen. Unter den Verdiehtungscentren des Chromatins finden sich einige, die sowohl durch ihre Grösse wie durch intensive Tinetion auffallen und nach dem üblichen Herkommen als echte Nucleoli angesprochen werden können, obwohl sie weder strueturell noch tinetoriell' grundsätzliche Verschiedenheit von den übrigen kleineren Verdiehtungscentren aufweisen. Die Zahl solcher „Kernkörperehen“ in einem Kern ist sehr wechselnd. Wie gross aber und wie scharf umschrieben sie auch immer sein mögen, sie lassen ihre Continuität mit dem übrigen Chromatinfadenwerk nie vermissen, mit dem sie durch kurze Fäden stets in Verbindung bleiben. Neben den nucleolenartigen Verdichtungscentren der Chro- matinsubstanz des Kerns nimmt man nun Gebilde war, die von nun ab unsere Aufmerksamkeit in vollem Maasse in Anspruch nehmen sollen. Es sind dies äusserst regelmässig geformte sphä- rische oder ellipsoide Hohlräume, die durch ihre scharfe Begren- zung, völlige Transparenz und Strukturlosigkeit dermassen von der sie umgebenden Kernsubstanz unterschieden sind, dass sie auch auf ziemlich dieken Schnitten, geschweige denn auf ganz feinen Präparaten, ohne weiteres erkannt werden können. Ihre Lagerung zu den Nucleolen ist geeignet, die Vorstel- lung aufkommen zu lassen, als gehörten sie gewissermassen zu denselben, und hingen ihnen wie Tropfen an. Dass gewisse örtliche, — ja, vielleicht auch genetische — Be- ziehungen zwischen den Chromatinklumpen, die als Nucleolen imponiren, und diesen regelmässigen Hohlgebilden bestehen müssen, ergiebt sich aus dem Umstand, dass man so gut wie keine ein- zige derartige sphärische Aushöhlung des Kerns antrifft, die — ob gross oder klein — nicht einen oder mehrere (meistens zwei) soleher Nucleoli in der allernächsten Umgebung ihres Randes zeigte. Einmal liegt der Nucleolus ganz dieht dem Rande des Hohlsphäroids an, ein anderes Mal sind die beiden etwas weiter auseinander gerückt: dann erkennt man aber meistens ein kurzes Verbindungsstück — in Form eines gröberen Chromatinfadens — Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 46, 29 ) 444 Arnold Sack: zwischen dem Nucleolus und dem Rande des Sphäroids.. Da nun dieser Rand selbst von verdichteter etwas körniger Chromatin- substanz gebildet ist, die sich wie ein kräftig contourirter Ring von der Helligkeit des Binnenraums des Sphäroids abhebt, so gewinnt man mitunter wirklich den Eindruck, als ob dieser aus verdichteter Chromatinsubstanz bestehende Ring noch zur Sub- stanz des Nueleolus selbst gehören würde, zumal man häufig auf dem entgegengesetzten Pol des Sphäroids ein zweites Kernkör- perchen findet, das in einem ganz gleichen Verhältniss zum selben steht, wie das erste, so dass man daran denken kann, dass die beiden polaren Kernkörperchen ursprünglich zusammen- gehörten und erst durch das Wachsthum des sphärischen Tropfens oder der Vacuole auseinandergedrängt wurden. (Schema No. 4). Dies alles trifft aber zu, so lange das Sphäroid noch sehr kleine Dimensionen hat. Nimmt es dagegen an Grösse bedeutend Schema Nr. 4. v—= Vacuolen der Kerne. I zeigt einen Nucleolus am Vacuolenrand; II einen Nucleolus mit kurzem Verbindungsfaden; III zwei polare Nucleoli. zu, so ändert sich das Verhältniss dann sehr erheblich, denn die Vaeuole ist jetzt dasjenige Gebilde, das in den Vordergrund tritt, während die Nucleoli im Verhältniss zu ihr beinahe ver- schwinden und zu ganz unansehnlichen Gebilden werden, die sich dem Rande des Sphäroids eng anschmiegen und im Uebrigen sich kaum in etwas von anderem Verdiehtungscentren der jetzt stark eomprimirten Kernsubstanz unterscheiden. Eine derartige Präponderanz der Vacuole gegenüber dem Zu- rücktreten der eigentlichen Kernsubstanz ist aber jedenfalls nur eine sekundäre Erscheinung, die wohl der Ausdruck einer mit grosser Spannung und Compression der Umgebung einhergehenden Aus- dehnung der Vacuole ist. Für die Beurtheilung der Genese und speciell der Beziehung der Vacuole zu den Kernkörperchen ist Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen ete. 445 dieser spätere Zustand der Ausdehnung und Compression nicht mehr massgebend; viel wichtiger dagegen ist der ursprüngliche Zustand, der sich an die Entstehung der Vacuole knüpft. Und gerade die Lagerung, sowie der Zusammenhang der Vacuolen mit den Nucleolen, im Beginn ihrer Entwickelung, machen, wie ich oben gesagt habe, den Eindruck, als ob der sphärische Tropfen in der Substanz des Nucleolus selbst, d. h. intranueleolär geboren werde, und erst später im Laufe seines Wachsthums langsam aus ihm heraustrete. Diese Vorstellung wäre sehr plausibel, wenn die Nucleoli der Fettzellenkerne wirklich in sich abgeschlossene, scharf von der Umgebung abgegrenzte Körper, von wesentlich anderer Be- schaffenheit, als die übrige Kernsubstanz, wären. In der Wirk- lichkeit sind es aber nur etwas dichtere Chromatinansammlungen an den Stellen, wo mehrere Chromatinfäden zusammenstreben. Unsere Nucleolen sind mit anderen Worten nur Knoten, vwrelche die an einem Punkt zusammenlaufenden Fäden zusammenknüpfen. Sie sind in ihrer Struktur, und wahrscheinlich auch Substanz, kaum wesentlich verschieden von den zahlreichen kleineren Verdichtungscentren, bezw. den Fäden des Chromatins selbst. Unter solchen Verhältnissen kann aber kaum von einer rein in- tranucleolären Entstehung der Tropfen die Rede sein, was ja doch einen Gegensatz zwischen der nucleolären und der übrigen Chromatinsubstanz voraussetzt. Dagegen wird es Jeder- mann einleuchten, dass dort, wo die Chromatinsubstanz be- sonders dieht aufgespeichert ist, wie in den Nucleolen, auch der biochemische Umsetzungsprocess derselben ein lebhafterer sein muss, als auf anderen Punkten des Kerngerüstes, und dass es daher vorzugsweise die Nähe des Kernkörpers ist, welcher die Vaeuole ihre Entstehung verdankt, dass mit anderen Worten, die Vacuolen para- oder juxtanucleoläre Gebilde sind. Der physiologische Einfluss des Kernkörperchens auf die Ent- stehung der Vacuolen wird somit von uns zugegeben, ohne dass wir zum gekünstelten morphologischen Schema einer intra- nucleolären Entwickelung Zuflucht zu nehmen brauchten. Wir wissen doch zu gut, dass der Nucleolus von der übrigen Kern- substanz nach keiner Seite hin abgeschlossen ist, vielmehr über- all in Continuität mit ihr bleibt. Man kann die verschiedensten Entwieklungsstufen solcher En 446 Arnold Sack: Vaeuolen in den Fettzellen beobachten, — von den winzigen, kaum wahrnehmbaren Lücken bis zu 3/, des Kernraumes aus- füllenden grossen Sphäroiden. Je grösser die Sphäroide, um so distineter ihre Abgrenzung gegen die Umgebung, was wohl auf die Verdrängung und somit auch die Verdichtung der dem Hohl- raum zunächst liegenden Kernsubstanz zurückgeführt werden muss. Bei den grössten unter den Vacuolen erscheint die ver- dichtete Chromatinschale des Sphäroids wie ein dieker lebhaft gefärbter Rand. In der Regel befindet sich eine erst im Beginn ihrer Ent- wiekelung begriffene Vacuole so ziemlich in der Mitte des Kernes; nur selten ist sie randständig. Sind zwei oder mehr Vacuolen in einem und demselben Kern eingeschlossen, so liegt eine von ihnen mehr oder weniger central, während die übrigen eine ex- centrische Lage haben und von der centralen Vacuole durch mehr oder weniger breite Brücken Kernsubstanz getrennt sind. Werden aber die Vacuolen durch das Wachsthum oder Zusammen- fliessen von zwei benachbarten Tropfen — was aus einigen Prä- paraten, wo die Bläschen im Moment der Vereinigung ertappt sind, mit Deutlichkeit hervorgeht (Schema N. 5) — so gross, dass sie einen erheblichen Theil des Kernraumes ausfüllen, so nehmen sie im Kern meistens eine ganz bestimmte Lage an. Auf die Aequatorialebene der flachen Kern- ROREBNR Dar 5. scheibe bezogen, bleiben sie nach wie vor v = Yyacuolen ın v. Be . Vereinieung be. eentral gelegen, während sie im Diekendurch- > fo) 5 i 3 griffen. messer der Kernscheibe derjenigen Fläche der Scheibe immer näher rücken, welche dem Zelleninnern, d. h. dem Fetttropfen der Zelle zugekehrt ist, bis sie schliesslich den Kernrand erreichen, und ein Theil ihrer Peripherie aus dem ‚Kernraum herausragt (vgl. Schema No. 6). Während des weiteren Vorrückens der Vacuole nach aussen verdünnt sich die Randschieht der Kernsubstanz, welche die -Vacuole von dem Zelleninnern noch trennt, immer mehr, bis sie schliesslich zu einer äusserst zarten durchsichtigen Hülle wird, die auf dem Schnitt wie ein überaus feiner Saum das aus dem Kern herausgequollene Segment der Vaeuole überzieht. So findet man häufig Kerne, — namentlich wenn sie vom: Mikrotommesser in einer auf ihre Aequatorialebene senkrechten Ebene halbirt Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen etc. 447 sind —, die einen schmalen Leib haben und deren centrale Partie von einem Segment der zum Theil schon herausgequollenen Va- cuole ausgehöhlt ist, während das andere Kugelsegment der letzteren schon ausserhalb des Kerns, auf der dem Fettinhalt der Zelle zugekehrten Seite, liegt. Der feine Saum des ausserhalb des Kerns befindlichen Segments setzt sich continuirlich einerseits in die Umrandung des innerhalb des Kerns befindlichen Segmentes, andererseits aber auch in die,Kernumrandung selbst fort (vgl. Schema 7). Aus solehen Bildern folgt es aber mit grosser Sicherheit, dass die Vaeuolen, welehe allem Anschein nach in der nächsten Nähe der Kernkörperchen geboren werden, die Tendenz haben, sich im Kern durch Wachsthum oder Zusammenfliessen excen- trisch auszudehnen und schliesslich, nachdem sie eme gewisse Grösse erlangt haben, nach aussen, gegen das Innere der Fett- M 7/2 m ZI SR, 8 N Schema Nr. 6. I-IV Vacuolen in progressiver Bewegung (gegen den Kernrand zu) dargestellt. m = Zellmembran; k = Kern; v = Vacuole. zelle zu, hinauszuwandern. Zum Schluss durchbricht: die Vacuole ihre zarte aus dünn ausgespannter Kernsubstanz bestehende Kuppe und schlüpft in das Innere der Zelle heraus, während der concav ausgehöhlte Theil des Kernleibes, der die Vacuole beherbergt hatte, noch eine Zeit lang im Zustand der Aushöhlung verharrt (vgl. Schema 8), um dann sein normales Aussehen wieder zu bekommen. So findet man bisweilen Kerne, die einen halbmondförmigen Ausschnitt ihrer Peripherie zeigen, den eigentlichen Tropfen da- gegen, der den Inhalt der Vacuole ausmachte, nicht mehr erkennen lassen. Nur etwas stärkere Anhäufung der Chromatinsubstanz an den beiden Ecken des Ausschnittes giebt davon Zeugniss, dass von hier aus sich die kuppelförmige Decke über den her- 448 Arnold Sack: ausquellenden Vaeuolentropfen ausspannte, die nunmehr geplatzt ist und sich retrahirt hat. Sind die Kerne aussergewöhnlich platt, so kann eine Vacu- ole, besonders wenn sie nach beiden Seiten des Kerns durchbricht, sehr leicht eine lochförmige Perforation desselben erzeugen, so- dass bei Wiederholung dieses Vorganges man auch wahre Loch- oder Ringformen an den Kernen der Fettzellen unschwer erkennen kann. Ob diese Löcher nur temporäre oder persistirende Gebilde sind, vermag ich aus den mir vorliegenden Objekten nicht mit Sicherheit zu entscheiden, doch neige ich mich eher der Ansicht zu, dass auch solche durchgehende Löcher sich nachträglich schliessen. Jedenfalls müssen aber solche Loch- oder Ringkerne als sekundäre Bildungen aufgefasst werden, denen das Stadium der Vacuolisirung unter allen Umständen vorausgegangen ist. gem" — EuD_— " Schema Nr. 7. SchemaNr®. m — Zellmembra; k = Kern; Bezeichnungen wie neben- v —= Vacuole. stehend. Es ist nicht immer leicht, ein positives Kriterium für die Unterscheidung zwischen einem wahren Lochkern und einem nur vacuolisirten Kern, dessen Vacuole seinen ganzen Diekendurch- messer ausfüllt, zu fmden. Am schwierigsten fällt diese Unter- scheidung bei den Kernen bei der Betrachtung von oben, während bei der Profilansicht der Vacuoleneinschluss des Kerns durch seine deutliche Begrenzung nach beiden Seiten des Kerns hin ohne Weiteres als soleher erkannt werden kann?). 1) Der Beweis, den Unna (l.c. p. 605) für die ausnahmslos perforirte Natur seiner „Lochkerne“ bei den Fettzellen bringt, dass man namentlich durch die Löcher, die im Schnitt unterhalb des Kerns liegenden Gewebselemente sehen kann, scheint mir nicht ganz stich- haltig zu sein, da dünne Gewebslagen, geschweige denn homogene und transparente Vacuolen naturgemäss auch durchsichtig sein müssen. Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen ete. 449 Kindlieher Pannieculus. Als Seitenstück zu dem analysirten Fall diene nunmehr die Untersuchung eines gänzlich gesunden Panniculus von einem kräftigen an Diphtherie verstorbenen 3 jährigen Kinde. Abgesehen von den Eigenthümlichkeiten, welche der Panni- eulus bei gut genährten Kindern überhaupt aufweist, — wie re- lative Armuth an Bindegewebe, reiche Vascularisation, stärkere Anhäufung von Protoplasma in den Zellen u. s. w. — boten die Präparate nichts aussergewöhnliches, am wenigsten aber etwas pathologisches dar, weswegen ich sofort zur Schilderung der Kerne übergehen will. Da der intracelluläre Druck hier scheinbar nicht so mächtig war, wie im ersten Fall, so sind die Zellkerne im Grossen und Ganzen nicht so übermässig abgeplattet, wenn auch Scheiben- formen dennoch vorherrschen. Die körnig-fädige Beschaffenheit der Kernsubstanz tritt besonders schön bei Sublimat- und Müller- härtung hervor. Was die Feinheit der histologischen Details anlangt, so ist die letztere den zwei anderen — Alkohol- und Sublimat-Methoden — überlegen. Bei solchen in Müller’scher Flüssigkeit gehärteten Präpa- raten ist die Zeichnung des Kerngerüstes ausserordentlich scharf und zugleich durchsichtig. Da scheinen auch die Kernkörperchen besser individualisirt zu sein: erstens grenzen sie sich etwas schärfer von dem übrigen Chromatinfadenwerk ab, wenn sie auch mit ihm durch einzelne Ausläufer und Brücken beständig in Con- tinuität bleiben; zweitens, nehmen sie, — sei es infolge ihrer diehteren Beschaffenheit, sei es infolge anderer Eigenartigkeit — eine von der übrigen Kernsubstanz etwas verschiedene — jeden- falls aber intensivere — Färbung an, indem sie einen satten vio- lett-röthlichen Ton zeigen, während die Substanz in der Umgebung bläulich gefärbt ist. Doch vermag ich auch hier keine grund- sätzliche Verschiedenheit von dem übrigen Chromatin des Kerns zu erkennen, weil ich neben diesen schärfer individualisirten Nucleolen auch kleinere Haufen Chromatinsubstanz im Kern an- treffe, die, was die Färbbarkeit ete. anlangt, ungefähr in der Mitte zwischen jenen Nucleolen und den gewöhnlichen Chromatin- körnern (Chromosomen) stehen. 450 Arnold Sack: Dank der grossen Zartheit und Schärfe der Färbung, lässt sich hier die Entwickelung der Vacuolen ganz besonders schön verfolgen. Zunächst muss hervorgehoben werden, dass die Anzahl der vacuolenführenden Zellen hier noch grösser ist, als in dem zuerst beschriebenen Fall, so dass man sagen kann, dass die überaus grösste Mehrzahl der Kerne vacuolenhaltig sind. Nirgends lässt sich die intranucleoläre Entwicklung der Bläschen mit Deutlich- keit erkennen, dagegen ist die juxta- oder paranucleoläre Ent- stehung derselbeu über allen Zweifel erhaben. Es muss beson- ders bemerkt werden, dass hier die Vacuole im ersten Stadium ihrer Entwiekelung nicht als Sphäroid auftritt, sondern nur eine etwas unregelmässige Lücke im Chromatingerüst darstellt und erst im Laufe ihrer Entwickelung, nachdem sie an Grösse be- deutend zugenommen hat, ausgesprochen sphärische Gestalt be- kommt. In allen ihren Wachsthumsphasen aber behält sie die ursprüngliche innige Beziehung zum Nucleolus auch später bei, indem sie ihn stets, wie einen Trabanten, an ihrer Seite, ihr dieht angeschlossen, führt. Die geometrisch bestimmbare, regu- läre Lagerung innerhalb des Kernleibes, wie es beim Erwachsenen die Norm war, nehmen die Vacuolen hier seltener ein, wahr- scheinlich weil der intracelluläre Druck und die consecutive Kernabplattung hier nicht so gross wie dort ist und der Tropfen daher eine grössere Beweglichkeit oder Verschiebbarkeit inner- halb des Kemes besitzt. Aus diesem Grunde vollzieht sich das Heraustreten einer Vacuole, die die obere Grenze ihres Wachs- thums erreicht hat, aus dem Kerninnern in das Innere der Zelle nieht mehr auf. der inneren Fläche der Kernscheibe, wie ich es im ersten Fall fast durchweg beobachtet hatte, sondern bisweilen auch nach der entgegengesetzten Seite, also nach der Zellmem- bran zu, wo, trotz der gehörigen Füllung des Zellleibes mit Fett, anscheinend noch genug Platz vorhanden ist, um die entweichende Vacuole aufzunehmen. Dass der intracelluläre Druck hier nicht so gewaltig ist, wird übrigens auch durch eine andere Erscheinung bewiesen, — namentlich dureh das überaus häufige Auftreten von mehreren gleich grossen .Vaeuolen in einem und demselben Kern. Zwei Nachbarvacuolen in einem Kern sind etwas ‘sehr häufiges. Man sieht aber drei, vier, mitunter auch mehr schön abgerundete Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen etc. 451 Sphäroide einen Kern ausfüllen, so dass dieser ein seifenblasen- artiges Aussehen bekommt. In solchen Fällen führt jede von diesen Blasen einen Chromatinklumpen am Rande. Solche schaumartige Vaeuolisirung der Kerne kann selbst- redend nur bei nicht zu grosser Spannung im Kerninnern bestehen, da ja bei starkem extranueleären Druck und somit starker intra- nueleärer Spannung zwei getrennt auftretende Vacuolen schon im Beginn ihrer Entwickelung zu einer einzigen Blase verschmelzen müssten, was mit dem häufigen Befund der Vielblasigkeit in unserem Fall eben im Widerspruch steht. Dass aber einzelne Schwestervacuolen sich nach und nach zu einer grösseren Vaeuole auch hier vereinigen können, sieht man aus manchen Prä- paraten, wo die trennende Chromatinbrücke zwischen zwei benach- barten Bläschen äusserst dünn ist oder wo dieselbe sogar schon durchbrochen ist, so dass zwei in Verschmelzen begriffene Vacuolen eine sanduhrförmige Figur zeigen. Seniler Pannieulus. Bei der Betrachtung der Präparate von einem senilen, der Leiche eines 68 jährigen, verhältnissmässig noch gut genährten Mannes enstammenden Panniculus — ich berücksichtige hier vor- nehmlich die in Müller ’scher Flüssigkeit gehärteten — zeigte sich manche Erscheinung im subeutanen Fettgewebe, die z. Th. auf senile Involutionsvorgänge im Gewebe zurückgeführt wer- den musste. Das interstitielle Bindegewebe war gelockert, rarefieirt, zer- fallend. Die Architeetur der Fettläppchen war zum grossen Theile verwischt. Die Fettzellen selbst erschienen in sehr verschiedenem Füllungszustand: sehr viele namentlich schlaff, zusammengefallen ; viele gänzlich atrophisch, haufenweise zwischen anderen lebens- kräftigeren Zellen vertheilt. Diese atrophischen Fettzellen zeigen aber auch nur minimale Spuren von Protoplasma, das augenschein- lich schon beinahe vollständig verbraucht ist. Es sind meistens kleine rundliche Zellen mit zusammengeballtem, schlecht tingir- barem Kern, blassem Schatten von Protoplasma und einem nur unansehnlichen Fetttropfen. Infolge der Retraction eines Theiles der Fettzellen scheint das Unterhautbindegewebe stärker als nor- mal vaseularisirt zu sein, indem die Capillaren durch Sehrum- pfung vieler zwischen ihnen eingeschlossenen Fettzellen näher zu- 452 Arnold Sack: _ sammenrücken und den Eindruck erzeugen, als ob das Fettgewebe ungewöhnlich viel Gefässe führte. Es findet sich nun bei den in Atrophie übergehenden oder vollends atrophischen Fettzellen. kein einziger vacuolenhaltiger Kern. Aber auch bei noch nicht in Involution begriffenen Fett- zellen scheinen tiefe Veränderungen in der Kernsubstanz stattge- funden zu haben, da sich dieselbe nur schlecht färbt und der Kern einer homogenen opaken Scholle von unbestimmter Farbe gleicht. In vereinzelten Kernen — jedenfalls aber in der Minder- zahl — lassen sich noch Hohlspäroide entdecken. In den Ker- nen selbst lässt sich keine deutliche Structur mehr erkennen. Bei der homogenen Färbung kann weder von körnig - fädi- gem Bau des Kerns noch von deutlichen Nucleolen mehr die Rede sein. Die Zahl dieser vacuolenführenden Zellen ist äusserst ge- ring, so dass man sie förmlich suchen muss, während sie bei Juvenilem Pannieulus (s. oben) doch äusserst zahlreich waren. Es muss noch besonders hervorgehoben werden, das von wirklichem Wachsthum dieser vereinzelten Vacuolen nichts zu bemerken ist. Man sieht sie namentlich nie aus dem Kern her- austreten; sie werden vielmehr wie ganz passive Gebilde in den degenerirten Kernen festgehalten. Zu diesen unzweifelhaft senilen Veränderungen des Zell- kernes gesellt sich auch seine irreguläre klumpige Gestalt, die nicht im Entferntesten an die regelmässige Scheibenform der nor- malen Kerne erinnert. Foetaler Pannieulus. Bis jetzt beschäftigte ich mich mit dem Pannieulus der in- fantilen, juvenilen und senilen Haut. Die Darstellung wäre aber unvollständig, wenn ich versäumt hätte, den embryonalen Panni- culus einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Ich bin in der Lage gewesen, das Unterhautfettgewebe eines Foetus von 6—7 Monaten mit denselben Methoden zu untersuchen und fand bei ihm Verhältnisse, die mit Bestimmtheit darauf hinweisen, dass im embryonalen Leben das Phänomen der Vaecuolisirung der Kerne nur vereinzelt vorkommt. Da sich nun bei dem von mir untersuchten Foetus keine Ueber vaecuolisirte Kerne der Fettzellen etc. 455 deutlichen Anzeichen von Atrophie des Pannieulus bemerkbar machten, so muss ich annehmen, dass der embryonale Pannieulus auch im normalen Zustande vacuolenhaltige Zellkerne nur in verschwindend geringer Zahl führt; denn in meinen Präpa- raten kamen einzelne vacuolenhaltige Kerne auf Hunderte von Kernen, die keine Spur von Aushöhlung erkennen liessen. Mit anderen Worten, die Vacuolisirung der Kerne scheint erst in der spätern Zeit des Foetallebens in die Erscheinung zu treten, und kann im foetalen Fettgewebe keine Rede davon sein, dass die Va- euole einen typischen Bestandtheil des Fettzellkernes dar- stelle. Zum typischen histologischen Element der Fettzelle wird sie anscheinend erst im extrauterinen Leben, wo sie bei norma- len Ernährungszuständen im infantilen und juvenilen Fettge- webe beinahe in allen Kernen ohne Ausnahme angetroffen wer- den kann, während sie im senilen Fett nach und nach ver- schwindet. Atrophischer Pannieulus. Es wäre ermüdend und wenig zweckdienlich, auch die übrigen normalen Fälle im ganzen einer eingehenden Betrach- tung hier zu unterziehen. Viel wichtiger erscheint es mir, das Verhalten der Zell- kerne bei atrophischen Zuständen des Organismus, die sich in erster Linie in Atrophie des Pannieulus documentiren, festzustellen. Nachdem die Untersuchung der senilen Haut, trotz ihres relativ guten Ernährungszustandes, uns gezeigt hat, dass mit dem Zurückgehen des Pannieulus auch das Phänomen der Vacuoli- sirung zurückgeht, kaun man schon a priori annehmen, dass in der Haut eines abgemagerten Individuums, was die Kernvacuo- len anlangt, die Ausbeute nicht zu gross sein kann. In der That hat die Untersuchung des marastischen oder atrophischen Fettgewebes, unabhängig vom Lebensalter, überall das gleiche Resultat ergeben: Ich war in der Lage, den Panniculus von Neugeborenem (1!/;—2 Monate), das an klassischer Pädatrophie zu Grunde ge- gangen war, von einem Kind im Alter von ?/, Jahren, das Rha- chitis und chronische Bronchitis mit conseeutiver grosser Ab- 454 Arnold Sack: magerung hatte, von einer erwachsenen Person, die im erheb- lichen Abmagerungszustand an hämorrhagischer Pleuritis starb, und schliesslich von einem Greis von 73 Jahren, der an Phthisis pulmonum und Myoecarditis in elendem Zustande zu Grunde ging, zu untersuchen. In allen vier Fällen war das Bild wesentlich dasselbe. Dort, wo die Atrophie des Fettgewebes ihre höchste Stufe erreichte, war so gut wie gar nichts von der Vacuolisirung der Kerne zu bemerken. Die Kerne färbten sich dort sämmtlich seblecht. Die Zellmembranen waren zusammengefallen oder zu kleinen run- den Gebilden geschrumpft. Leider waren unter meinen Präparaten keine, die ausgesprochene Wucherungserscheinungen der Fettzellen innerhalb des atrophirenden Fettes zeigten. Es wäre nament- lich interessant, das Verhalten der mehrkernigen Zellen in Be- zug auf Kernvacuolen zu erfahren. Doch kann aus dem schon Mitgetheilten mit ziemlicher Sicherheit geschlossen werden, dass auch bei mehrkernigen atrophischen Fettzellen die Vacuolen feh- len müssen, indem aus den mitgetheilten Beobachtungen Ja doch hervorgeht, dass der Schwund des Fettes und der Schwund der Kernvaeuolen in direetem Verhältniss zu einander stehen. Je vorgeschrittener die Atrophie, um so geringer die Zahl der va- cuolenführenden Zellen. In denjenigen Abschnitten des Panni- culus dagegen, wo die Atrophie noch nicht bis zum extremen Grade vorgeschritten war, liessen sich wohl vereinzelte ausgehöhlte Kerne wahrnehmen, was das Gesetz von der progressiven Ab- nahme des Phänomens im Laufe der Abmagerung des Indivi- duums nur bestätigt. | Das Fett der inneren Organe. Nachdem die Untersuchung des Pannieulus in verschiedenen Ernährungszuständen und verschiedenen Altersstufen das einfache Gesetz ergeben hat, dass das Phänomen der Vacuolisirung im direeten Verhältniss zur Entfaltung des Unterhautfettgewebes und im umgekehrten Verhältniss zu seinem Schwund steht, blieb es noch zur Feststellung des generellen Charakters des wahrge- nommenen Phänomens übrig, das Fettgewebe der inneren Organe in dieser Riehtung zu untersuchen. Es wurden verschiedene Arten solehen „Organfettes* einer näheren Betrachtung unter- Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen ete. 455 worfen, wie das Peritoneal-, das Nierenfettgewebe u. s. w. Wie es zu erwarten war, fanden sich auch hier dieselben einfachen Verhältnisse. Dort, wo die Fettzellenträubehen im Zustande aus- gezeichneter Füllung sich befanden, war die Mehrzahl der zu solchen Zellen gehörenden Kerne deutlich vacuolisirt, und fanden sich auch hier die verschiedenen Phasen der Vacuolenentwicke- lung vor, wie wir sie schon im Unterhautzellgewebe kennen ge- lernt haben. Dort dagegen, wo die Ernährung des Fettes dar- niederlag, und dasselbe vielmehr den Charakter eines atrophischen Fettgewebes darbot, erschienen die Vacuolen in den Kernen in verschwindender Minderzahl, um beim Zustande completer Atro- phie völlig zu verschwinden. Dadurch wurde der generelle und typische Character der Vaeuolisirung der Kerne für das gesammte „Fettorgan“, um mit Toldt zu reden, unzweifelhaft dargethan. Ganz besonders schön trat das Phänomen in den Fett- zellen des Knochenmarks zu Tage. Bekanntlich ist das Kno- chenmarksfett diejenige Fettspecies, die sich trotz der Abmage- rung des Pannieulus und des sonstigen Organfettes noch lange intact erhält und erst in letzter Linie der Zehrung und dem Schwund verfällt. Kein Wunder also, dass man hier Vacuolen beinahe in jedem Kern entdeckt. Auf zwei Umstände möchte ich aber hier besonders auf- merksam machen. Erstens scheint der Oeltropfen, der die Zellen- höhle ausfüllt, hier keine besonders hohe Spannung zu besitzen, denn neben dem vom Oeltropfen ausgefüllten Raum findet man eine parietale Schicht sehr gut erhaltenen Protoplasmas, das hier eine ausgesprochen wabenartige Struktur zeigt, mit aussergewöhn- lich weiten Maschen und schwammartigem, schön differenzirtem Ge- rüst. Die Anwesenheit dieses Protoplasmalagers beweist ja doch, dass der intracelluläre Druck mit dem hohen Druck in den Fett- zellen des subeutanen Fettgewebes nicht verglichen werden kann. Ein zweiter Umstand, der besondere Beachtung verdient, und den ich nieht umhin kann, in Beziehung zu diesem schwachen Druck innerhalb der Zellen zu bringen, ist der, dass die Vacuolen hier durchweg viel kleiner sind, und auch klein den Kernleib ver- lassen, während wir es beim Unterhautfettgewebe gewohnt waren, die aus dem Kern herausschlüpfenden Vacuolen sehr gross, mit- unter bis 3/, Kernvolumen einnehmend, anzutreffen. Ich begnüge 456 Arnold Sack: mich hier mit dem Hinweis auf dieses thatsächliche Verhältniss, dessen Erklärung sich von selbst aus dem von mir angenomme- nen Mechanismus der Vacuolenbildung (s. unten S. 469 ff.) er- giebt. Das Fettgewebe vom Lebenden. Da der grösste Theil meines Untersuchungsmaterials, welches in den vorhergehenden Capiteln besprochen ist, dem Pannieulus von Leiehen entnommen war, so musste ich mich wohl auf den Einwand gefasst machen, dass die von mir auch bei ganz frischen Leichen beobachteten Erscheinungen an den Kernen der Fett- zellen doch postmortalen Charakters sein Könnten. Freilich hat auch das von mir beim Lebenden exeidirte -Lipom (s. oben: Ueber den Gang der Untersuchung) dieselben Eigenthümlichkeiten gezeigt, was entschieden gegen ihren post- mortalen Charakter spricht. Da aber ein Lipom immerhin ein pathologisches Produkt ist, so war es mir, um den Einwänden der Kritik von vornherein zu begegnen, daran gelegen, gänzlich gesundes, frisches Material vom Lebenden zu untersuchen. Zu diesem Zwecke verschaffte ich mir aus der Heidelberger ehirurgischen Klinik!) ganz frisches Fett aus drei normalen Operationswunden. Dieses Fett wurde im lebend-warmen Zu- stande in die Flemming’sche Chromosmiumessigsäurelösung gebracht, wo es über 24 Stunden verweilte, um dann in üblicher Weise behandelt und schliesslich nach Einbettung in Paraffin in Schnitte zerlegt zu werden. Ich habe deswegen das Flem- ming’sche Gemisch gewählt, weil es, abgesehen von einem ein- zigen Fall, wo ich Leichenfett auch mit Chromosmiumessigsäure behandelte, um mich zu überzeugen, dass die Flüssigkeit der Vacuolen keine Fettsubstanzen enthält, von mir beinahe gar nicht angewandt worden war, und weil dieses Gemisch, nach der mir in gütigster Weise brieflieh mitgetheilten Ansicht des Herm Professor Flemming, ganz besonders dazu geeignet erschien, die Frage zu entscheiden, ob Vacuolen der Kerne bloss bestimmte, 1) Ich bin Herrn Geh.-Rath Prof. Dr. Czerny, sowie seinen Herren Assistenten für die freundliche Ueberlassung dieses Theils meines Materials zu grossem Dank verpflichtet. Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen ete. 457 durch Reagentien, wie Sublimat, Alkohol und Müller’sche Flüssigkeit, erzeugte Artefacte oder wirklich vitale Bildungen seien. Schon um diese Bedenken seitens eines so gewiegten Kenners der Zelle, wie Herr Professor Flemming, zu beseitigen, hielt ich es für angebracht, das frische Material gerade in der von ihm angegebenen Flüssigkeit zu fixiren. In allen untersuchten Stücken fanden sich nun ganz ana- loge sphärische Einschlüsse, wie ich sie zu unzähligen Malen am Leichenmaterial, gleichviel ob bei Sublimat-, Alkohohl-, Chromosmiumessig- oder Müllerhärtung, gesehen hatte. Die Zelle selbst war von einem geschwärzten Fetttropfen ausgefüllt!), der an der Peripherie meist wie ausgenagt, mitunter korbartig durch- brochen oder spongiös aussah. Besonders deutlich sah man diese Durchsetzung des geschwärzten Fetttropfens mit hellen rund- lichen Löchern an solchen Zellen, die tangential angeschnitten waren, und zwar auf den dünnen peripheren Segmenten der Zelle. Dort sah die von Osmium gefärbte Fettsubstanz der Zelle ganz schwammartig aus. Wegen der gänzlichen Undurchsichtigkeit der geschwärzten Fettmassen konnte man naturgemäss weit nicht an allen Zellen die Kerne zu Gesicht bekommen. Dort aber, wo die Kerne, von dem Fetttropfen der Zelle an der Zellmembran plattgedrückt, deutlich genug zum Vorschein kamen, waren sie fast alle vacuolisirt. Da man vermöge der Undurehsichtigkeit des Fettes die auf oder unter dem Fetttropfen flach aufliegenden Kerne in Flächenprojection nicht zu sehen vermochte, so bekam man meist nur Profil- oder Seitenansichten von vacuolisirten Kernen zu Gesicht, indem ganz schmale, an den Ecken abgerun- dete, sichel- und spindelförmige Kerngestalten in dem engen peri- pheren Raum der Zelle, zwischen dem Fetttropfen und der Zell- membran, zum Vorschein kamen. Im Centrum dieser in Seiten- ansicht gesehenen Kerne konnte man schöne, den ganzen Dicken- durchmesser der abgeplatteten Kernscheiben einnehmende, mit- unter auch die Kerneontouren überragende, also herausschlüpfende Vaeuolen mit einer Deutlichkeit beobachten, die nichts zu wün- schen übrig liess. Somit war ein Beweis für den vitalen Charakter des Phäno- mens der Kernvacuolisirung geliefert und mussten die Zweifel und 1) Bekanntlich dringt die Osmiumsäure nicht sehr tief ins Gewebe hinein, so dass man vornehmlich Randpartien beachten muss. 458 Arnold Sack: Bedenken, die sich an die Vorstellung von der künstlichen Er- zeugung von Vacuolen durch Reagentien knüpften, von selbst fallen. Der Umstand wiederum, dass der Inhalt der Vacuolen von Osmium in keiner Weise beeinflusst wurde, lieferte mir den un- widerleglichen Beweis dafür, dass die Vacuolen unmöglich irgend welche fettigen Substanzen enthalten konnten, dass sie mit anderen Worten in keiner direeten Beziehung zur Fettbildung in der Zelle standen. Ueber das Fettgewebe der Amphibien '). Angeregt durch die Mittheilungen des Herrn Prof. Flemming, die ich aus der Nachschrift zur Unna’schen Notiz über „die Lochkerne“ (vergl. das Vorwort zu dieser Arbeit), entnommen hatte, wandte ich mich auch zum Studium der Kerne der Am- phibienfettzellen. Da für die Untersuchung des „Fettkörpers“ der Frösche die Saison nicht mehr günstig war, weil nach der Laichperiode sich der Fettkörper als atrophisch und geschrumpft erwies, blieb ich zunächst bei Salamandern stehen. Hier habe ich die Fettzellen im frischen, wie auch im fixirten Zustande untersucht. In beiden Fällen war aber das Ergebniss dasselbe. Für das freundliche Entgegenkommen, das ich bei dieser Untersuchung seitens des Herın Hofrath Prof. Bütschli und seines Assistenten, Herrn Privatdocenten Dr. Schuberg, ge- funden habe, bin ich den beiden Herrn zu grossem Danke ver- pflicehtet. Herr Dr. Schuberg namentlich hat mir aus seiner Präparatensammlung manche Schnittserien durch ausgewachsene Salamander zur Verfügung gestellt, die er bis dahin noch nie auf das Fettgewebe besonders untersucht hatte. Diese schön mit Boraxcarmin gefärbten Schnitte aus der Gegend der Cloake, wo bekamntlich sich bei Salamandern das grösste Depot von 1) Dieser kleine Abschnitt bildet einen Nachtrag, den ich schon nach Abschluss der Arbeit geliefert habe und der nur den Zweck einer vorläufigen Mittheilung erfüllen soll, in welcher ich die von mir auch bei anderen Wirbelthieren gefundenen, den Kernvacuolen des mensch- lichen Fettgewebes ganz analogen Erscheinungen fixiren wollte. Ich hoffe, dass es mir möglich sein wird, die hier begonnenen vergleichend- histologischen Studien auch auf andere Thiere auszudehnen. Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen ete. 459 subeutanem Feitgewebe vorlindet, zeigten mir wirklich — um mit Flemming zu reden — in Fraetur dasjenige, was beim Menschen nur in sehr kleinen Grössenverhältnissen gesehen werden kann. Da die Kerne der Ampbibien- und speciell der Salamander- fettzellen ungemein gross sind, so springen die Vacuolen der Kerne ohne weiteres in die Augen. Ich will noch besonders hervorheben, dass die betr. Objekte s. Z. ganz frisch, so wie sie den T'hieren entnommen waren, im Sublimat, also in einem der besten Kernfixirungsmittel, fixirt wurden, und dass die Färbung in Stücken vorgenommen wurde. Ich habe auf der Tafel XXII Fig. 10 verschiedene vacuo- lisirte Kernformen abgebildet!). «a zeigt einen platten Kern — sehr platt sind sie alle ohne Ausnahme — in der Flächenprojection mit deutlicher Naptbildung in der Mitte, welche auf die aus- tretende Vacuole hindeutet; 5 zeigt eine convex-coneave ab- geplattete Kernscheibe in der Seitenansicht, wobei man die praehtvolle sphärisch-runde Vacuole auf der convexen Seite mit einer Deutlichkeit während ihres Austritts aus dem Kerm beob- achten kann, die nichts mehr zu wünschen übrig lässt; ebenso schön tritt uns eine solche herausschlüpfende Vacuole im Kern ce entgegen, wo sie auf der concaven Seite der Kernscheibe ge- legen ist; d zeigt uns dagegen einen Flachsehnitt durch einen Kern, der ungefähr im Niveau der austretenden Vaecuole durch den letzteren geführt ist, so dass die mittlere Partie des Kern- schnittes, welche der Vacuole entspricht, naturgemäss ge- locht erscheint. Weil dort, wo die Vacuole war, keine Kern- substanz mehr ist, kann die Form des angeschnittenen Kerns keine andere als die eines „Lochkerns“ sein. Daraus braucht aber gar nicht gefolgert zu werden, dass der Kern wirklich auch Lochkern oder Ringkern war. Die Mehrzahl der im subeutanen Fettgewebe der Salamander vorkommenden Kerne zeigt nämlich die Formen a, b und ec. Findet man bisweilen eine durehlochte Scheibe, so ist die Erklärung dafür nicht allzuschwer zu finden, zumal solche Scheiben schon durch weniger diehte Anordnung des Kerngerüstes und durch die hellere Färbung darauf hindeuten, 1) Auch im Salamanderfett findet man am Rande der Vacuolen mit grosser Regelmässigkeit die stärkeren Anhäufungen der Chromatin- substanz, welche als Nucleolen imponiren. [2] Archiv. f. mikrosk. Anat. Bd. 46. 80 460 Arnold Sack: dass sie nur angescehnittene Kerne sein können. Stellt man sich vor, dass durch den im seitlicher Ansicht abgebildeten Kern ce eine Sehnittebene ss’ gelegt wird, so kann man bei Flächenpro- jeetion den unteren Theil des Kernes ce nur als Lochkern, — also in der Art des Kernes d — sehen. Aus dieser einfachen Betrachtung ergiebt sich, meine ich, ungezwungen ein Schlüssel für das Verständniss von Formen, wie der Kern ce, welche Unna dazu verleitet haben, von Lochkernen im subeutanen Fettgewebe zu reden. Dennoch wird man nicht in Abrede stellen können, dass einzelne Kerne unter Umständen auch wirklich zu Lochkernen werden, wie ich es schon bei der Besprechung der Vacuolen im Fettgewebe des Menschen des Näheren ausgeführt hatte. Wenn der Kern ganz ausserordentlich platt ist, kann eine Kernvaeuole, die vielleicht nach beiden Seiten durchbricht, wie Flemming!) es schildert, ein Loch im Kern erzeugen. Ob sich dieses Loch aueh noch nachträglich schliesst — wie ich annehme — lässt sich natürlich nicht beweisen. Thatsache ist nur, dass man bis- weilen, wenn auch selten, solehe auf dem Wege der Vaeuolisirung entstandene „Lochkerne“ sieht. Dass aber die grösste Mehrzahl derjenigen Kern, die Unna als „Lochkerne“ beschreibt, der Categorie der angesehnittenen Kerne, in der Art des Kerns ce auf Fig. 10, und nicht der wahren Lochkerne gehört, unterliegt für mich keinem Zweifel ?). Die Seitenansiehten der Kerne, die übrigens allein überzeu- gend sind, geben beim Salamander genügende Belehrung über die thatsächlichen Verhältnisse. Sie decken insofern den wahren Sachverhalt auf, als sie die irrige Vorstellung von der vorwie- gend ringförmigen Natur der Zellkerne auf ihr richtiges Maass zurückführen und die Loch- oder Ringkerne in den Fettzellen als etwas sehr seeundäres und zufälliges, keineswegs aber als etwas typisches erkennen lassen. 1) Vgl. Nachschriftt zu Unna’s Notiz. Monatsschr. f. prakt. Dermatol. 1895 Juni. 2) Der Umstand, dass man durch die lochförmigen Lücken im Kern, wie Unna hervorhebt, bis auf die darunter liegenden Gewebs- elemente durchsehen kann, beweist noch nicht, dass diese Lücken wahre Kerulöcher sein müssen. Ebensogut können es auch ange- schnittene Kerne sein, die im Schnitt an Stelle ihres Vacuolennapfes ein Loch zeigen. Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen ete. 461 In der Fig. 10c sieht man noch eine seitliche Einkerbung des Kerns, die unzweifelhaft von einer zweiten, aus dem Kern eben herausgeschlüpften Vacuole herrührt. Die von mir am frischen, so zu sagen noch lebenden Ma- terial vorgenommenen Controluntersuchungen bestätigten alle am gehärteten Objeet beobachteten Verhältnisse in schönster Weise. Ich nahm dazu gut genährte Salamander, bei welchen ich nach vollendeter Decapitation die Cloake mitsammt der nächsten Um- gebung herausschnitt und in physiologische Kochsalzlösung ein- legte. Die unmittelbar darauf entnommenen Partikelchen des subeutanen Fettgewebes wurden in einem Tropfen physiologi- scher Kochsalzlösung auf dem Objeetträger ausgebreitet, zerzupft und sofort untersucht. Da ungefärbte Präparate die Kerne kaum erkennen liessen, nahm ich entsprechende Färbungen (mit sehr verdünntem polychromem Methylenblau z. B.) direet unter dem Deekglas vor und erhielt auf diese Weise ganz ausgezeichnete Bilder. Man konnte hier Vacuolen in verschiedensten Stadien sehen: als ganz kleine noch innerhalb der Kermsubstanz belegene Bläs- chen, als grössere am Rande des Kerms befindliche Vacuolen und schliesslich als Blasen, die im Begriff sind, den Kern zu ver- lassen. Meist waren zwei oder drei Vacuolen in einem Kern zu sehen. Durch diesen am lebenden, nicht fixirten Gewebe gewonne- nen Einblick in die Structur des Kerns ist, sollte man meinen, jeder. Zweifel am vitalen Charakter des Phänomens der Vaeuoli- sirung beseitigt. Die Zellkerne der Lipome. Nachdem die Verhältnisse des normalen Fettgewebes durch- gesprochen worden sind, erhält die Frage nach den in patholo- gischen Anhäufungen von Fettzellen, also in Lipomen, herrschen- den Verhältnissen ein ganz besonderes Interesse für dle Beurthei- lung des Vacuolenphänomens. Oben ist erwähnt worden, dass gerade am frisch exstirpirten Lipom der menschlichen Haut, das in Alcohol gehärtet war, ich die ersten einschlägigen Beobachtungen gemacht habe. Daraus folgt also, dass auch das pathologisch an gestaute Fettgewebe dieselben Eigenthümlichkeiten aufweist, wie die ganz normal sich entwickelnden Fettzellen des Pannieulus 462 Arnold Sack: adiposus oder der inneren Organe. Allerdings sind hier ge- wisse Differenzen vorhanden, auf die ich besonders aufmerksam machen möchte. Ich hatte Gelegenheit, im ganzen drei subeutane Lipome zu untersuchen, von denen zwei gross waren, während das dritte, von welchem die vorliegenden Untersuchungen überhaupt ausgegan- gen waren, sehr klein und, wie es schien, in der frühesten Pe- riode seiner Entwickelung begriffen war. Entsprechend dem Alter dieser Tumoren waren auch die Erscheinungen an den Zellkernen verschieden ausgesprochen. Während nämlich das kleine, in activer Proliferationsperiode be- findliche Lipom, das von zellreichen Bindegewebssträngen durch- zogen war, um die herum man die neu entstehenden Bindege- webs- und Fettzellen in verschiedensten Stadien des Wachsthums beobachten konnte — nur an gewissen Stellen, und namentlich dort, wo die Fettzellenimpletion gehörig weit vorgeschritten war, vacuolisirte Kerne zeigte, war die Hauptmasse der zwei übrigen Lipome, die sich anscheinend zur Zeit schon im rein passiven Zustand einer „Fettstauungsgeschwulst“ befanden, von vacuolisirten Kernen förmlich gespiekt. Diese auffallende Ver- schiedenheit erinnert lebhaft an den Unterschied, der zwischen dem foetalen und dem infantilen Pannieulus (s. oben) besteht. Wie dort, so auch hier, scheint die Vacuolisirung der Kerne erst dann ihren Gipfelpunkt zu erreichen, wenn die Fettzellen ihren „embryonalen“ Charakter schon verloren haben, und der Füllungszustand der reifen ruhenden Zellen ein vollkommener ge- worden ist. Wie dort, so auch hier, scheint aber daraus hervor- zugehen, dass diesen Vacuolen jede direete Beziehung zu der formativen Thätigkeit der Zellkerne abgeht. Vielmehr liegt es auf der Hand, dass ein rein nutritiver Vorgang hier vorliegen muss, der in direetem Zusammenhang mit der Impletion der Fett- zelle steht. Mit Heidenhain’scher Hämatoxylin - Eisenlackmethode habe ich beim ruhenden, ausgewachsenen Lipom merkwürdig schöne Bilder von vacuolisirten Kermen erhalten, aus denen mit Deutlichkeit hervorging, dass es wahre Vaecuolen sind, die man bei der Flächenprojeetion von oben als Löcher, bei der Seitenprojeetion dagegen als scharf begrenzte, mit einem Theil ihrer Circumferenz die Kerneontouren übersteigenden Bläschen sieht. Einige ringförmige Kerne, die man unter den vacuoli- Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen etc. 463 sirten Kernen bisweilen antrifft, sind dementsprechend als platte Kerne zu deuten, bei welchen die soeben herausgeschlüpfte Va- euole einen Napf oder ein Loch erzeugt hat. Sind die vacuolisirten Kerne Artefacte? Diese Frage hat für die Beurtheilung aller Befunde, die in der vorliegenden Arbeit mitgetheilt sind, die allergrösste Bedeu- tung. Sind die in den Kernen von Fettzellen beobachteten Bil- dungen nichts weiter als Kunstprodukte, so dürfen sie keinen Anspruch auf besondere Beachtung erheben: sie verdienen dann höchstens nur als Curiosum registrirt zu werden. Am aller- wenigsten dürfte man dann irgendwelche weitgehenden Schluss- folgerungen an diese Befunde knüpfen. Wie ganz anders gestaltet sich die Sache, wenn der Nach- weis geliefert werden kann, dass die eigenthümlichen, von mir beschriebenen Erscheinungen an den Kernen der Fettzellen in der That Lebensäusserungen derselben sind, und dass weder von Leichenphänomen noch von Artefact füglich die Rede sein kann! Ist die Vitalität der fraglichen Erscheinungen erwiesen, so müssen die letzteren doch unvermeidlich zu Reflexionen und Schlussfolgerungen anregen, die nicht ohne Einfluss auf unsere Vorstellungen von Wechselbeziehungen zwischen Kern und Zelle bleiben können. Aus diesem Grunde erscheint es wohl sehr begreiflich, dass ich an dieser Stelle noch einmal die sämmtlichen Beweisgründe für die vitale Natur der Kernvacuolen, die sich an verschiedenen Stellen dieser Arbeit zerstreut finden, in gedrängter Form zu- sammenfasse, um auf diese Weise auch der schärfsten Kritik von vornherein zu begegnen. Beginnen wir mit theoretischen Erwägungen, so müssen wir doch geltend machen, dass nur selten künstliche, durch bestimmte Methoden hervorgerufene Veränderungen an Zellkernen eine so regelmässige, geometrisch scharf definirbare, bei den verschiedensten Bedingungen gänzlich gleichartige Gestalt aufweisen, wie die sphärisch-elliptischen Vacuolen, die wir an den Fettzellkernen kennen gelernt haben. Denkt man an Artefacte, so muss man sich in diesem Fall selbstverständlich nur Schrumpfungsprodukte vorstellen, die schliesslich zu vacuolisirten Kernen werden. Jeder 464 Arnold Sack: kennt wohl die verschiedensten Schrumpfformen der Zellkerne, die man bei schlechter Behandlung der Gewebe erhalten kann. In keinem einzigen Falle sind aber evidente Schrumpfungs- erscheinungen von so regelmässiger und prägnanter Form, wie unsere Vacuolen es sind, je beobachtet worden. Wenn Reinke!) auch an normalen Endothelien und Leukocyten der Ratte künstliche „Loch- oder Ringkerne* erzeugen konnte, so waren es Jedenfalls präexistirende Bestandtheile des Kerns, die Reinke selbst als „Sphären“ erkannte, und die sich mit pikrinsaurem Kali leuch- tend gelb färbten. An diese schlossen sich diese künstlich er- zeugten Kernlöcher an. In unserem Fall handelt es sich jeden- falls nicht um irgendwelche präexistenten geformten Gebilde des Kernes, sondern um deutliche Flüssigkeitsansammlungen die scheinbar spontan, ohne Beziehung zu Attractionssphären, inner- halb des Kerns entstehen. Auch bleiben unsere Vacuolen bei jeder Behandlung und Färbung völlig frei von irgendwelchen Strukturen, was sie auch als von präexistenten geformten Kernbestandtheilen unabhängige Gebilde genügend charakterisirt. Eine zweite theoretische Erwägung, die gegen den artificiel- len Ursprung dieser Vacuolen spricht, knüpft sich an ihr ausschliess- liches Vorkommen in den Kernen der Fettzellen. Wären es nur Artefacte, so wäre nicht einzusehen, warum gerade nur die Fettzellen die Vorliebe für dieses Artefact zeigen sollten, während alle übrigen Gewebszellen diese Veränderung nicht er- kennen lassen, wie ich, in Uebereinstimmung mit Meves, der 1) F. Reinke, Untersuchungen über das Verhältniss der von Arnold beschriebenen Kernformen zur Mitose und Amitose. Inaug. Diss. Kiel 1891, S. 12. Reinke verfuhr so, dass er die Thiere zu Tode chloroformirte und das Mesenterium mit der Luft in Berührung brachte oder Kochsalzlösung von differenter Temperatur in die Bauch- höhle spritzte. Es zeigten sich bei diesen gewaltsamen Eingriffen nach einigen Stunden unter den Endothelien und den ausge- wanderten Leucocythen zahlreiche Ringkerne, die theilweise sich in zwei oder mehr Hälften zerlegten und.wohl schliesslich fragmen- tirte Kerne lieferten. Nach Methylenblaufärbung und Fixirung in starker Lösung von pikrinsaurem Kali, färbt sich an der einen Seite, im Loch selbst liegend, ein kleiner oder grösserer runder Körper leuchtend gelb, den Reinke der Lage nach für die veränderte Sphäre hält, durch deren künstlich hervorgerufene Veränderung vielleicht die Lochform des Kerns erzeugt wird. Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen ete. 465 sie bei Urodelen auch nur im Fettgewebe gefunden hat!), fest- stellen konnte. Hält mau an der Annahme fest, dass die Vacuolen künstlich erzeugt seien, so wird man unwillkürlich auch zu der zweiten Annahme gedrängt, dass gerade die Kerne der Fettzellen eine „specifische Disposition“ zur Bildung von derartigen Arte- facten besitzen. Mir kann aber eine solche gezwungene und im Grunde nichtssagende Erklärung des Phänomens nicht besonders zusagen. Es könnte, meines Erachtens, eine derartige Erklä- rung nur als ein Versuch angesehen werden um jeden Preis aus der Verlegenheit herauszukommen, in die man gerathen ist, nach- dem man mit überlegener Skepsis das Phänomen von vorneherein zum Artefact gestempelt hat. Stünden mir aber nur diese zwei Argumente gegen die arteficielle Natur der Kernvaeuolen zu Gebote, so könnten sie — dies gestehe ich gern — im ungleichen Kampfe mit der Skepsis unterliegen. Zum Glücke aber bin ich in der Lage, auf eine Reihe von anderen Momenten hinweisen zu können, welche, wie es mir scheint, mit aller Entschiedenheit gegen eine solche arte- fieielle Entstehung der Vacuolen sprechen. Wie können denn Bildungen, die bei verschiedenen Com- binationen des Materials, der Bedingungen, der Behandlungs-, Färbungs- und Untersuchungsmethoden immer ähnliche Bil- der ergeben, zu Artefacten gezählt werden? Wenn ich bei einem lebend-warmen Lipom, das ich soeben exstirpirt habe, und das in Alkohol gehärtet wurde, ganz analoge Bilder wie bei einem erst einige Stunden nach der Operation gehärteten finde; wenn ich bei dem Leichenfett nach Behandlung mit Alkohol, Sublimat, Müller’scher Flüssigkeit, Flemming’schem Chrom- osmiumessigsäuregemisch dieselben Bilder erhalte wie bei lebend- warmem Fett, das aus der Operationswunde direkt in Chromos- miumessigsäure gekommen ist; wenn ich beim frischen Salamander- fett, das in Sublimat fixirt ist und in Schnitte zerlegt ist, ganz gleichartige Bilder antreffe wie bei dem so zu sagen noch lebenden Fett eines decapitirten Salamanders, welches ich direkt unter dem Mikroskop in 0,7°/, Kochsalzlösung untersuche, — dann muss ich doch sagen, dass icb die ganze Reihe mir überhaupt zu Ge- 1) Vergl. „Nachschrift“ zu Unna’s Aufsatz, Monatsschr. f. pr. Dermat. 18%. H. XI], S..607. 466 Arnold Sack: bote stehender Beweismittel erschöpft habe. Wen diese Beweise nicht zu überzeugen vermögen, der wird überhaupt kaum noch je überzeugt werden können. Und — zum Schluss — sprieht denn die von mir gefundene einfache Gesetzmässigkeit, die sich im Parallelismus zwischen dem Ernährungszustand und dem Vaeuolenphänomen im Fettgewebe des Menschen kundgiebt, nieht mit aller Entschiedenheit dafür, dass wir in den Vacuolen weder Leichenerscheinungen noch Kunstprodukte, sondern wahre Lebenserscheinungen der Fettzell- kerne vor uns haben? Dort, wo der Zufall aufhört und die Gesetzmässigkeit beginnt, kann doch wahrlich nicht mehr von Artefaeten die Rede sein. Ueber die Beziehung der vacuolisirten Kerne zu den selochten und ringförmigen Kernen der Autoren. * Bekanntlich gebührt J. Arnold das Verdienst, zuerst auf diejenigen amitotischen Kerntheilungsvorgänge aufmerksam ge- macht zu haben, die er unter dem Begriff der „indirekten Frag- mentirung“ zusammengefasst hat!). Nach ihm haben Bellonei?). Flemming?) Hatschek‘),“Reinke’), Göppert?) u. 1) J. Arnold, Beobachtungen über Kerne und Kerntheilungen in den Zellen des Knochenmarks. V. Arch. B. 93. 1883. — Ueber Kern- und Zelltheilung bei akuter Hyperplasie der Lymphdrüsen und Milz. V. A. B. 95. — Weitere Beobachtungen über die Theilungs- vorgänge an den Knochenmarkzellen und weissen Blutkörpern. V. A. B. 97. — Ueber Kerntheilung und vielkernige Zellen. V, A. B. 38. — Ueber Theilungsvorgänge an den Wanderzellen, ihre progressiven und regressiven Metamorphosen. A. f. mikr. Anat. B. 30. — Weitere Mitthei- lungen über Kern- und Zelltheilungen in der Milz. A. f. mikr. Anat. Bd. 31. — Altes und neues über Wanderzellen. V. A. B. 132. 1893. p. 502. 2) G.Bellonei, Sui nuclei polimorfi delle cellule sessuali degli anfibi. Bologna 1886. 3) W. Flemming, Amitotische Kerntheilung im Blasenepithel des Salamanders. A. f. mikr. Anat. B. 34. 1889. — Ueber Theilung und Kernformen bei Leucoeyten und über deren Attractionssphären. 4) Hatschek, Verhandl. der Anatom. Gesellsch. III Versamml. Berlin 1889. (Epithel der Amphioxuslarve.) 5) F. Reinke, Untersuchungen über das Verhältniss der von Arnold beschriebenen Kernformen zur Mitose und Amitose. Inaug.- Diss. Kiel 1891. 6) E.Göppert, Kerntheilung durch indirecte Fragmentirung Ar 0 DE, Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen ete. 467 ähnliche Kernfiguren beschrieben, die z. Th. mit indirekter Frag- mentirung zusammenhängen mussten. Das auffallende Kennzeichen aller dieser Figuren war die Vermehrung und die ringförmige, radiäre Anordnung des Chromatins, die schliesslich in mehrfache Zerschnürung oder Fragmentirung des Kernleibs ausging. Bel- lonei beschrieb sie auch im Anschluss an Mitose, und Meves!) war es gelungen, bei den Spermatogonien des Salamanders den Nachweis zu liefern, dass die ringförmige Gestalt der Tochter- kerne einer Geschlechtszelle, welche eine mitotische Theilung durchgemacht hat, darauf beruhe, dass bei der Reconstruktion der Attraetionssphären die Fäden der Centralspindel im Dispirem- stadium polwärts durch die Tochterkerne hindurch wandern und sie dadurch, zur Zeit ihrer Membranbildung, dazu zwingen, eine durchlöcherte Form anzunehmen. In einer früheren Mittheilung hat Meves?) übrigens auch Ringformen der Sphäre beschrieben, die er bei Ringkernen in den Spermatogonien des Salamanders gesehen hatte, und die zu einer an die Ringkerne sich anschliessen- den Amitose in Beziehung standen. In diesem Fall folgte also die Zerschnürung oder die Frag- mentirung der Kerne der ringförmigen Anordnung des Chromatins auf dem Fusse. Schliesslich hat auch Poljakoff?) Ringformen bei der Theilung der Kerne von gewissen fettbildenden Kugelzellen, die er im lockeren Bindegewebe der weissen Ratte gefunden hat, sowie von platten Bindegewebszellen beschrieben. Seine Befunde beziehen sich ausschliesslich auf Kerntheilungszu- stände von noch indifferenten, nicht mit Fett angefüllten zelligen Elementen, während nach der Fettimpletion diese Bilder, die übrigens keine auch nur entfernte Aehnlichkeit mit unseren Vaeuolen haben, nicht mehr vorkommen. in der Iymphatischen Randschicht der Salamandrinenleber. A. f. mikr. An. B. 37. 1891. f 1) F. Meves, Ueber eine Art der Entstehung ringförmiger Kerne und die bei ihnen zu beobachtenden Gestalten und Lagen der Attractionssphäre. Inaug. Diss. Kiel 1893. 2) F. Meves, Ueber amitotische Kerntheilung in den Sperma- togonien des Salamanders. Anatom. Anzeiger, VI. Jahrg. 1891. Nr. 22. 3) P. Poljakoff, Ueber eine neue Art von fettbildenden Organen im lockern Bindegewebe. Dieses Arch. B. XXXII. 1888. S. 123. 468 Arnold Sack: Der Leser wird mir darin beipflichten, dass kein ein- ziges von den oben hervorgehobenen Momenten in den Kernen der reifen Fettzellen in die Erscheinung tritt. Weder kann man irgendwelche mitotische Anordnung des Chromatins in solchen Kernen entdecken, noch zeigen sich in ihnen irgend- welche Anzeichen einer sich vorbereitenden, oder sich vollziehenden oder schliesslich schon vollzogenen Kernzer- schnürung oder Fragmentirung. Auch sind die mikroskopischen Bilder der vaecuolisirten Kerne der Fettzellen, sogar in der Flächen- projeetion, d. h. von oben betrachtet, wo sie noch am meisten an wahre Ringkerne erinnern oder es mitunter auch wirklich sind, so unendlich von den Formen verschieden, die von Göppert, Meves, Arnold u. A. beschrieben und abgebildet sind, dass man nicht ernstlich behaupten kann, sie verdankten ihre Ent- stehung denjenigen Vorgängen, welche die Autoren, mit Aus- nahme von Hatschek!) vielleicht. der ringförmigen Anordnung des Chromatins zu Grunde legen. Noch schärfer tritt dieser prägnante Unterschied in der Profil- oder Seitenansicht unserer Zellkerne, sowie bei angeschnittenen Kernen auf. Und wie sollten schliesslich die Kerne der in voller Imple- tion mit Fett begriffenen Zellen dazu kommen, Zustände einzu- gehen, die in direkter Beziehung zur Kerntheilung — sei es durch Mitose oder durch Fragmentirung — stehen? Schon aus rein theore- tischen Erwägungen fällt die Annahme schwer, dass Kerne von so stark mit Fett belasteten Zellen, die aus einem proliferativen Zustand längst herausgetreten sind, um sich den Aufgaben des passiveren Nutritionslebens zu widmen, noch immer — und zwar in erdrückender Mehrzahl — dem Geschäfte der Theilung vor- stehen sollten, zumal eine solche Annahme auch nicht durch einen einzigen sachlichen Beweis gestützt werden kann. Aus diesen sachliehen und theoretischen Gründen muss die Vorstellung von der möglichen Entstehung unserer Kernformen auf dem Wege der mit der Theilung zusammenhängenden Vor- gänge vollständig aufgegeben werden. Andererseits soll aber damit durchaus nieht gemeint sein, als ob durch die Entdeckung der vaecuolisirten Natur der ringförmig 1) l.c. Hatschek führt die in einer gewissen Entwickelungs- stufe bei Amphioxuslarve vorkommennen Ringformen der Epithel- kerne auf die Abplattung der hohen Epithelzellen während des Wachs- thums zurück. Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen etc. 469 aussehenden Fettzellkerne irgend etwas an den sicheren Befunden der Autoren, die auf die Kerntheilungen Bezug nehmen, geändert werden könnte. Es liegt mir fern, den Vorgang der Vaeuolisirung verallgemeinern zu wollen und ihn für die Erklärung anderer analoger Kernformen irgendwie zu verwerthen. Ich habe viel- mehr das Vacuolenphänomen als die speceifisehe Eigenthüm- lichkeit der Fettzellkerne aufgefasst und es dementsprechend auch begründet (vergl. den letzten Abschnitt dieser Arbeit), so dass ich z. B. die Versuche einiger Autoren, wie Denys!), die darauf gerichtet sind, Arnold'’s sichere Beobachtungen zu ver- dächtigen, weil Denys statt ringförmiger Kerne Vacuolisirung des Nucleolus gesehen haben will, nach wie vor als steril und verfehlt betrachte. Nur nebenbei will ich die Frage nach einer möglichen Beziehung unserer Vaeuolen zu den in letzter Zeit die Anatomen und Histologen viel beschäftigenden Centralkörpern oder Centro- somen streifen. Für den Leser dieser Arbeit wird die Frage unschwer zu beantworten sein, und zwar in dem Sinne, dass nicht die entfernteste Aehnliehkeit oder Beziehung zwischen den beiden grundverschiedenen Erscheinungen bestehen kann. Es würde mich nur unnöthig weit führen, diese aus dem Inhalt die- ser Arbeit sich von selbst ergebende Verschiedenheit des Näheren auszuführen. Ueber die chemische und physiologische Natur der Kern- vaeuolen und den Mechanismus ihrer Entstehung. Nachdem wir uns nunmehr überzeugt haben, dass das Phä- nomen der Vaecuolisirnng der Kerne allen normalen, reifen, gut- entfalteten Fettzellen des Menschen, gleichgültig, welcher Prove- nienz, eigen ist, können wir uns die Frage vorlegen, was nun eigentlich diese sphärischen, augenscheinlich mit Flüssigkeit er- füllten Gebilde sind, welche Rolle sie im Leben des Kerns und der Zelle spielen und welchem Mechanismus sie ihre Entstehung verdanken. Indem wir aber das thun, verlassen wir den Boden 1) Denys, Quelques remarques A propos du dernier travail d’Arnold sur la fragmentation indireete. La Cellule T. V. (eitirt nach Göppert). 470 Arnold Sack ‘der nackten Thatsachen, um den Weg der Hypothesen zu be- treten. Andrerseits können wir eine anscheinend so wiehtige und eigenartige Erscheinung wie die Vaeuolenbildung in den Kernen der Fettzellen nicht gut ohne jeglichen Deutungs- oder Erklärungsversuch lassen, zumal die Zusammenstellung aller bei der Untersuchung gewonnenen Resultate uns eime ganz gute Handhabe für das Verständniss dieses Phänomens bereitet. Bei einem Gewebe wie das Fett könnte man natürlich in erster Linie daran denken, dass die Vacuole irgendwelche Fett- substanzen enthalte, und somit in einer bestimmten Beziehung zur Fettbildung im Innern des Zellleibs stehe. Da ja aber solche Präparate, die eine Alkohol- oder Aetherbehandlung durchgemacht haben, keinen Aufschluss über diese Frage geben können, weil in solehen Präparaten die Vacuolen infolge der Extraetion ihres etwaigen Fettinhaltes ein gänzlich transparentes, also indiffe- rentes Aussehen bekommen, so habe ich, um mir hier Klarheit zu verschaffen, das ganz frische Fettgewebe der Behandlung mit Chromosmiumessigsäure unterworfen und sehr feine Paraffinschnitte von so behandeltem Fettgewebe gefertigt. Allerdings waren die durch Osmium geschwärzten Fetttropfen im Innern der Zellen für die klare Unterscheidung der platten, an die Wand gedrückten Kerne sehr hinderlich. Doch war es mir gelungen, durch nach- trägliche Färbung der Präparate mit pölychromem Methylenblau und nachfolgende Tanninentfärbung verschiedene vacuolenführende Kerne, — namentlich in solehen Zellen, die nur ganz oberfläch- lich angeschnitten waren, und deren mit Osmium gefärbter Inhalt nicht allzu.dunkel war, — in schönster Weise darzustellen. Ein Blick auf die Vacuolen solcher Kerne genügte, um die Gegen- wart irgend welcher öliger oder fettiger Substanzen in ihnen aus- zuschliessen. Denn während der fettige Inhalt des Zellleibes selbst von Osmium angegriffeu war, erschien die Vacuole des zu ihm gehörenden Kerns genau so transparent, wie sie es in den mit Aether oder Alkohol extrahirten Präparaten war: sie enthielt, mit anderen Worten, keine Spur von Fett (s. Taf. XXII, Fig. 5). Nach Ausschliessung des Fettes und der fettähnlichen Sub- stanzen hätten wir nur noch zwischen Luft, oder überhaupt einem Gas, und Flüssigkeit zu entscheiden. Dass die Mehrzahl der Kerne des subeutanen und des inneren Fettes Gasbläschen ent- halten sollte und dass sich solche immer wieder in der Substanz RE u PA ag» Ueber vaenuolisirte Kerne der Fettzellen ete. 171 des Kernes bilden, um aus demselben nach dem Innern der Zelle schliesslich zu entweichen, — erscheint dermassen unwahrschein- lich, dass wir diese monströse Vorstellung fallen lassen können. Es bleibt uns also niehts übrig, als anzunehmen, dass der Inhalt der Vaeuolen nur Flüssigkeit sein kann. Da sich nun aber auch mit den stärksten Systemen weder Präcipitationen, noch Krystalle, noch irgend welehe organisirte Strukturen in ihr erkennen lassen, so bleibt nur die Annahme übrig, dass diese Flüssigkeit eine homo- ‚gene Lösung darstellt. Sehr unwahrschemlich ist es jedenfalls, dass die Vaeuolen nur reines Wasser enthalten sollten, vielmehr enthalten sie wahrscheinlich gewisse nicht näher bestimmbare Salze und lösliche Eiweissstoffe. Was die chemische Reaktion des Vaeuoleninhaltes anlangt, so spricht manches dafür, dass sie alkalisch reagirende Flüssigkeit enthalten. Dies scheint mir z. B. daraus hervorzugehen, dass die Randschicht des Fetttropfens der Zelle ein exquisit schaumartiges Aussehen bietet. Stellen wir uns vor, dass ganz kleine Tröpfehen alkalischer Flüssigkeit einem grösseren Fetttropfen immerfort zugesetzt werden, so werden wir es begreiflich finden, dass die Peripherie des Fetttropfens beim Contact mit dem Alkali zum Theil verseift wird und bei Schwärzung durch Osmium schaumiges Aussehen darbietet. So können wir auch mit emer gewissen Wahrscheinlichkeit aus dem schaumartigen Ausschen der äusseren Schicht des geschwärzten Fetttropfens auf den alkalischen Cha- racter der Flüssigkeit schliessen, welche in Form von Vaeuolen aus dem Kern in den Zellleib successive übertritt. Ein exaeter mikrochemischer Beweis kann übrigens, bei der Kleinheit der betreffenden Gebilde, kaum geliefert werden). 1) Nach Schluss dieser Arbeit, gelegentlich der Demonstration meiner Präparate in der Sitzung des Heidelberger Naturhistorisch- Medicinischen Vereins, am 14. Juni dieses Jahres, erklärte Herr Ge- heimrath Prof. G. Quincke mir gegenüber, dass er ganz analoge Vacuolenbildungen bei seinen Versuchen mit Gemischen von ölsäure- haltigen Oelen und alkalihaltigen wässerigen Flüssigkeiten bei und ohne Gegenwart von Eiweiss mit grosser Regelmässigkeit beobachtet habe, und dass er keinen Anstand nehme, diese scheinbar physiologi- schen Vorgänge auf ganz analoge chemisch-physikalische Bedingungen zurückzuführen. (Vgl.G.Quincke, 1. „Ueber Emulsionsbildung und den Eintiuss der Galle bei der Verdauung.“ Pflüger’s Archiv 1879. Seite 136 ff£ — 2. „Ueber periodische Ausbreitung von Flüssigkeits- 478 Arnold Sack: Aber auch über die funktionelle Bedeutung der Kernvacuolen können leider nur sehr vage Hypothesen aufgestellt werden. Mir ist es nicht bekannt, dass die histologische Forschung bis heute irgendwelche objektiven Kriterien für das Vorhandensein eines nutritiven Stoffwechsels zwischen dem Kern und dem Zellleib entdeckt hätte. Eine Wechselwirkung nutritiver Art zwischen diesen beiden Organen der Zelle muss wohl als ein nothwendiges Postulat des Wachsthums und der Funktion derselben angesehen werden; es ist aber bis heute noch nie gelungen, den zwischen beiden eirkulirenden Saftstrom in flagranti zu ertappen und op- tisch darzustellen. Es wäre daher zu fragen, ob nieht in der Vacuolisirung der Kerne beim Fettgewebe ein objektiver optischer Ausdruck eines solchen Säfteaustausches vorliegt, welcher sich zwischen dem Kern und dem Zellleib vollzieht. Ich meine sogar, dass zu einer solehen Annahme wohl Berechtigung vorliegt, und will versuchen, diese Meinung näher zu begründen. Der Leser dieser Arbeit wird mir in Rücksicht auf die sämmtlichen hier niedergelegten Thatsachen darin doch beipflichten, dass von einem Zusammenhang zwischen der Vacuolisirung und der proliferativen Thätigkeit der Zellkerne — gleichviel ob im mitotischen oder amitotischen Sinne -—— nicht gut die Rede sein kann. Denn erstens sind die vacuolenführenden Kerne durchweg ruhende Kerne, wie man überhaupt bei normalem, nicht in ent- zündlicher oder atrophischer Wucherung begriffenem Fettgewebe keinen einzigen Kern im Zustande der Mitose findet. Zweitens fehlen aber auch in den Kernen der normalen Fettzellen jegliche Zeichen von sonstiger Kerntheilung, die im Sinne der indirekten Fragmentirung etwa gedeutet werden könnten. Somit kommt also für die Beurtheilung des Vacuolenphänomens die formative Thätigkeit des Kerns nicht in Betracht. Was könnte nun sonst dieses Phänomen sein, wenn es nicht oberflächen und dadurch hervorgerufene Bewegungserscheinungen.“ Annalen d. Phys. u. Chem. N. F., B. 35. 1888. S. 622 ff. — 3. „Ueber freiwillige Bildung von hohlen Blasen, Schaum und Myelinformen durch ölsaure Alkalien und verwandte Erscheinungen, besonders des Proto- plasmas.“ Ebenda B. 53. 1894. S. 611.) — Sobald mir die Zeit es er- lauben wird, werde ich in einer besonderen Mittheilung auf diese Frage und die sich aus ihr ergebenden Consequenzen für unsern Gegen- stand näher zurückkommen. n 4 u Zte A u a a Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen ete. 473 ein Artefaet oder ein Degenerationszeichen des Zellkernes ist? Dass die Annahme der artefieiellen Entstehung der Vacuolen zum mindesten unwahrscheinlich ist, ist oben dargethan worden. Eben- sowenig kann aber in ihnen eine Erscheinung, die auf Entartung der Kerne hinweist, erblickt werden. Wir müssen vielmehr, wenn wir alles zusammenfassen, was wir von der Vacuolisirung schon wissen, sagen, dass alle Momente mit grosser Wahrscheinlichkeit gerade dafür sprechen, dass die Vacuolen ein Ausdruck der nu- tritiven Funktion der Kerne sind. Wir haben doch gesehen, dass im embryonalen Fettgewebe, wo die Impletion der Zellen mit Fett gegen die spätere extrauterine Entfaltung der Fettzellen noch sehr zurücktritt, das Phänomen nur schwach ausgeprägt ist; dass die Vacuolen in denjenigen Lebensepochen am üppigsten in die Erscheinung treten, welehe mit der mächtigen Entfaltung des Fettes einhergehen; dass bei Greisen, bei welehen das Fett schon zu schwinden beginnt, die Vacuolen viel seltener werden, und schliesslich, dass das Phänomen der Vaeuolisirung in direktem Verhältniss zur Entfaltung des Fettpolsters und in umgekehrtem zu seiner Atrophie steht. Dementsprechend fanden wir bei alten, grossen Lipomen die stärkste Anhäufung der vacuolisirten Kerne. Nach alledem kann man hier doch nicht ernstlich von Ent- artungsphänomen reden. Viel plausibler erscheint es, die Va- cuolen als Produkt einer bestimmten nutritiven, oder sogar sekre- torischen Thätigkeit der Fettzellkerne aufzufassen). Das bestän- dige Spiel, das darin besteht, dass eine Vacuole nach der anderen mitten in der Kernstruktur entsteht, sich vergrössert und schliess- lich nach dem Innern der Zelle entweicht, kann doch nichts anderes bedeuten, als dass der Kerm einen Theil seiner Substanz in flüssigem Aggregatzustand an die Zelle abgiebt‘), also im ge- gewissen Sinne als Sekretionsorgan fungirt. 1) Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, auf eine ent fernte Analogie hinzuweisen, die zwischen unseren Vacuolen und den Vacuolen besteht, welche Ranvier (Journal de Mikrographie 1883 und Comptes rendus de l’Acadömie des Sciences 1887. B. 104. S. 819 und B. 105. S. 145) im Protoplasma der Becherzellen des Frosches be- schrieb, wo sie auch unzweifelhaft eine nutritiv-secretorische Function haben. 2) Dass der Kern auch Substanzen von wirklich flüssigem Ag- 474 Arnold Sack: Zwei wichtige und schwierige Fragen aber müssen noch nach Möglichkeit beantwortet werden: 1. Warum äussert sich die vermuthliche nutritiv-sekretorische Thätigkeit des Kerns in Form von Vacuolen, d. h. warum verläuft dieselbe so diseanti- nuirlich, dass man die abzusondernde Flüssigkeit stossweise, erst nachdem sie sich bis zur Bildung von Vacuolen im Kern ange- sammelt hat, denselben verlassen sieht, anstatt dass ihr Strom immerfort eontinuirlich aus dem Kernleib in den Zellleib fliesst? — 2. Warum beobachtet man die Vacuolenbildung nur in den Kernen des Fettgewebes, wo sie gewissermassen ein specifisches Phä- nomen darstellt, während man in anderen Geweben, wo der Kern wahrscheinlich doch auch nutritive Funktionen besitzt, dieselbe, wie ich mich nach sorgfältigem Suchen überzeugt habe, vermisst? Diese zwei Fragen hängen, wie es mir scheint, eng mitein- ander zusammen, und wenn die Vorstellung, die ich mir darüber gebildet habe, hier auch mit aller Vorsicht, weil nur schwer be- weisbar, wiedergegeben wird, so glaube ich doch den gemein- samen Grund für die beiden fraglichen Erscheinungen darin finden zu müssen, dass der Inhalt einer reifen Fettzelle eben Fett ist!), d. h. eine Substanz, welche einen wesentlich anderen Span- nungscoöfficienten besitzt, als die dünnflüssigen, wässerigen Säfte, die im den Geweben eirkuliren und von denen gewisse Bestand- theile als Vacuolen aus dem Kern nach aussen geschafft werden. Ich stelle mir nämlich vor, dass in den thierischen Geweben ein eontinuirlicher, also optisch imperceptibler Saftstrom zwischen den Kern und dem Zellleib besteht. Das Fettgewebe nimmt gregatzustand enthält, giebt auch Flemming zu. Er sagt (Ergebn. d. Anatomie und Entwicklungsgesch. B. IIl. 1893, Artikel „Zelle“ S. 91) wörtlich: „Es darf nicht vergessen werden, dass es jedenfalls in vielen, wenn nicht in allen Kernen auch noch Substanzen von wirklieh flüssigemAgregatzustand giebt, welche wir uns, die Existenz einer geformten Zwischensubstanz zwischen den Chromatingerüsten vorausgesetzt, in derselben in Form von Vacuolen zu denken haben würden.“ Man sieht, dass Flemming’s Voraussetzungen — in Bezug auf die Fettzellenkerne wenigstens — ihre volle Bestätigung durch meine Beobachtungen erlangen. 1) Anstatt des physiologischen Begriffes „Fett“ kann hier auch der physikalisch-chemische Begriff „Oel“ gesetzt werden, wie überhaupt in dieser Arbeit die Begriffe „Fett* und „Oel“ promiseue gebraucht werden. [3,2 Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen ete. 47 den übrigen Geweben des Körpers gegenüber insofern eine Sonder- stellung ein, als seine Zellen mit einem von den übrigen wässe- rigen Säften wesentlich verschiedenen Material ausgefüllt sind. Die Spannung des Fett- oder Oeltropfens, der in der Fettzelle eingeschlossen ist, und der Druck, den er auf die übrigen im Zellinnern liegenden Gebilde, wie Protoplasma und Kern, aus- übt, müssen ziemlich hoch sein. Sonst würden ja der Kern und das Protoplasma gut gefüllter Fettzellen nicht so zusammen- gedrückt erscheinen, wie es stets der Fall ist. Durch die Spannung und den Druck seitens einer vom Kernsaft so heterogenen Sub- stanz, wie das Fett, muss der unter äusserst schwachem, eigenem Druck vor sich gehende Kernsaftstrom, der sich nach dem Innern der Zelle richtet, ausserordentlich behindert sein. Die erste Wirkung dieser Strombehinderung müsste die sein, dass der Kernsaft, anstatt eontinuirlich aus dem Kernleib zu fliessen, sich im Letztern staut und bei gehöriger Ansammlung, vielleicht infolge des allseitig auf ihn einwirkenden Druckes, die regelmässige Form eines sphärischen Gebildes annimmt. Mit dem Wachsthum dieser sphärischen Vacuole wächst aber auch ihre Spannung und auch der Gegendruck, den sie dem auf ihr lastenden Drucke des Fetttropfens entgegensetzt. Hat nun die Spannung und der Gegendruck der Vacuole eine Höhe erreicht, die zur Ueberwindung des extranucleären Druckes aus- reicht, so sprengt die Vacuole ihre sehr verdünnte Kernhülle und tritt heraus. In diesem Moment vollzieht sich bei der Berührung mit der im lebenden Fett wahrscheinlich vorhande- nen Oelsäure die Verseifung an der Peripherie des vermuth- lich alkalischen Vacuolenbläschens, welche es ermöglicht, auch ausserhalb des Kerns liegende, aus seinem Leib soeben heraus- geschlüpfte Vacuolenbläschen vor ihrer endgültigen Auflösung in der Zellsubstanz optisch als solehe wahrzunehmen. Der zarte Saum, den man als Begrenzung dieser nur zum Theil oder ganz aus dem Kernleib herausgetretenen Bläschen erkennt, dürfte somit einer festen Seife entsprechen. Unmittelbar nach dem Austritt der Vacuole oder sogar, ehe noch eine Vacuole den Kernleib verlassen hat, beginnt dasselbe Spiel von neuem, indem sich eine neue Vacuole innerhalb des Kernes bildet. Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 46, al 476 Arnold Sack: So stelle ich mir den Mechanismus der Vacuolenbildung und die Ursache ihres ausschliessliehen Vorkommens in den Kernen der Fettzellen vor. Zusammenfassung der Resultate. Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen sich unter Weglassung aller untergeordneten Momente in folgende Sätze zusammenfassen: 1. Die ruhenden Kerne der meisten Fettzellen enthalten scharf umschriebene, sphärische oder ellipsoidische Vacuolen, deren Inhalt fettfreie, wahrscheinlich alkalische Flüssigkeit ist. 2. Die Vacuolen entstehen juxtanucleolär, als ganz winzige Bläschen inmitten der Kernsubstanz, vergrössern sich durch eigenes Wachsthum oder durch Verschmelzung mit anderen benachbarten Vacuolen desselben Kerns, überschreiten schliesslich die Kern- contouren und entweichen dann nach dem Binnenraum der Fettzelle.. 3. Nach dem Austritt der Vacuole aus dem Kern bleibt die von ihr zurückgelassene napfförmige Depression des Kern- contours oder auch der loehförmige Durchbruch des ganzen Kerns eine Zeit lang bestehen. Inzwischen beginnt eine neue Vacuole im Innern des Kerns denselben Vorgang der Auswanderung. 4. Da die Vacuolisirung der Kerne nur bei gut ausgebildeten, keineswegs aber bei atrophischen Fettzellen beobachtet wird, so muss ein direkter Zusammenhang zwischen dieser Besonderheit des Fettgewebes und seiner Ernährung angenommen, und dem- nach dem Kern der Fettzelle auch eine wichtige nutritive Funktion zugestanden werden. 5. Ueber die Ursachen und den Mechanismus des ganzen, ausschliesslich den Fettzellen zukommenden Phänomens lassen sich naturgemäss nur Vermuthungen aussprechen. Wie aus der Kernabplattung ersichtlich, muss der Fetttropfen der Zelle einen hohen Druck auf den Kern ausüben und dadurch den Saftstrom, der vermuthlich vom Kern zum Zellprotoplasma fliesst und bei allen übrigen Geweben continuirlich verläuft, bis zu einem ge- wissen Grade hemmen, d. h. ihn in einen discontinuirlichen Strom umwandeln. Die nächste Folge dieser Hemmung ist eine optisch wahrnehmbare Flüssigkeitsansammlung im Kern, welche als Vacuole imponirt. Erst mit dem Wachsthum dieser Flüssig- Ueber vaeuolisirte Kerne der Fettzellen etc. art keitsmenge oder Vacuole erreicht dieselbe eine genügend hohe Spannung, um den auf dem Kern lastenden Druck zu überwinden und nach dem Binnenraum der Fettzelle zu entweichen. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXL. Fig. 1. Schematische Darstellung eines vacuolisirten Kerns. Die im Centrum des Kerns belegene Vacuole zeigt einen Rand aus verdichteter Chromatinsubstanz. Links am Rande ein Nucleolus. Ein zweiter rechts, inmitten der Kernstructur. Fig. 2. Ein Zellkern aus dem Panniculus eines Erwachsenen. Im Centrum entstehende Vacuole mit einem grösseren und einem kleineren Kernkörperchen am Rand. Starke Vergrösserung. Fig. 3. Ein Zellkern aus dem Panniculus eines Erwachsenen. Vacuole in voller Entwickelung. Deutlicher Rand von verdichteter Chromatinsubstanz. Starke Vergrösserung. Fig. 4. Zellkerne aus dem Panniculus eines Erwachsenen. In der Mitte ein Kern mit zwei benachbarten Vacuolen, die in Ver- schmelzung begriffen sind. Deutliche Kernkörperchen am Vaeuolenrand. Rechts ein tetraödrisch geformter Zellkern mit Vacuole und Kernkörperchen am Vacuolenrand. Fig. 5. Frisches Fettgewebe vom Menschen, in Chromosmiumessigsäure fixirt. Der Fetttropfen der Zellen tief geschwärzt, mit Aus- nahme der peripher oder tangential abgeschnittenen Theile (d, d und z. Th. a) der Zellen, welche innerhalb des schwarzen: Feldes hellere rundliche Räume zeigen, die den Verseifungs- bläschen an der Peripherie des Fetttropfens entsprechen dürften (s. Text S. 471). Die mit polychromem Methylenblau gefärbten Zellkerne (ce, d) sind naturgemäss im Profil zn sehen. Davon Zellkern d vacuolisirt. Vacuole transparent, also nicht fetthaltig. Starke Vergrösserung. Fig. 6. Zwei Zellkerne aus dem Knochenmarkfett des Menschen. Beide vacuolisirt. In a tritt die Vacuole aus dem Kern heraus. In b nimmt sie den ganzen Durchmesser des Kerns ein. Homog. Immers. 1/ja- Fig. 7. Einige Fettzellen mit vacuolisirten Kernen aus dem Knochen- mark des Menschen. Zwischen den Zellen schön gefärbte reticuläre Substanz. Das Protoplasma, sowie auch andere Be- standtheile des Knochenmarks, weggelassen. «@ Kern mit Vacuo- len, die sich dem Rande genähert haben. D Kern mit einer grös- sern zum Austritt bereiten Vacuole. ce Kern mit einer peripheren und einer centralen Vacuole. d Kern, aus dem die Vacuole soeben herausgeschlüpft ist. Die Letztere ist als ein Seifenbläs- chen dicht neben ihm erkennbar, während der Kern selbst einen helleren centralen Raum zeigt, der die ursprüngliche 478 Fig. 8. Fig. 3 Fig. 10. Arnold Sack: Ueber vacuolisirte Kerne der Fettzellen ete, Lage der Vacuole innerhalb des Kerns markirt. e Kern mit einer Einkerbung des Randes, die ebenfalls einer entwichenen Vacuole entspricht. Starke Vergrösserung. Polychrome Me- thylenfärbung. Einige Fettzellen mit vacuolisirten Kernen aus dem Pannieulus eines Erwachsenen. «a, b von der Fläche gesehene; c, d im Profil gesehene Kerne. b Ringform zeigend; e Kern mit deut- lichem Vaecuoleneinschluss, welcher nicht die geringste Aehn- lichkeit mit einem Loch hat. d zeigt die schon ausserhalb des Kerns befindlichen Contouren des Vacuolenbläschens, welche seiner festen Seifenhülle entsprechen dürften (vgl. Text S. 475). e Capillargefäss im Querschnitt; / ein solches im Längsschnitt. Zeiss, homog. Immers., Y/ı, Oc. 4. Fär- bung mit polychromem Methylenblau. Verschiedene Kernformen aus den Fettzellen des Knochen- marks des Menschen. Zeiss, homog. Imm., !/j;, Oe. 4. Färbung mit polychr. Methylenblau. a sphärische Vacuole im Moment des Durchtritts aus dem Kern mit deutlicher Seifenhülle versehen (Text S. 475). Im Innern des Kernes zahlreiche, in Entwickelung begriffene, kleine Vacuolen. b die sich zum Austritt vorbe- reitende Vacuole mit abgehobener dünner Lage Kernsubstanz, welche das Bläschen nach aussen begrenzt. ce zwei Vacuolen; während eine grosse, von deutlicher Seifenhülle umgeben, aus dem Kern heraustritt, bildet sich im Innern des Kerns eine zweite Vacuole. d ein Kern, von der Fläche gesehen, mit deut- licher Napfbildung, welche bei einer gewissen Einstellung des Mikroskops wie ein Kernloch aussieht, während sie in Wirk- lichkeit einer Vacuole entspricht. Einige Kerne der Fettzellen aus dem subeutanen, die Cloake begrenzenden, Fettlager der Salamandra maculosa. Nach den Serienschnittpräparaten des Herrn Dr. Schuberg (vgl. Text S. 458 ff.). Frische Objekte, in Sublimat fixirt und mit Borax- carmin gefärbt. Zeiss, hom. Imm., 1/j, Oe. 4. Die Kerne, die riesige Dimensionen haben, zeigen die betreffenden Verhält- nisse ausserordentlich deutlich. a Kern von der Fläche gesehen, mit runder Naptbildung, die einer Vacuole entspricht. b Con- vex-concaver Kern in Profilansicht, mit einer schönen sphäri- schen Vacuole, die den Kern auf seiner convexen Seite durch- bricht. € Convex-concaver Kern mit einer an seiner concaven Seite durchbrechenden Vacuole. Hier, wie auch in 5b, die Seifenhülle der Vacuole schön sichtbar. Die Linie ss’ zeigt die Schnittebene an, welche von dem Kern eine (untere) Hälfte abschneidet, die, von oben gesehen, der Figur d ähn- lich sehen würde. d Wahrscheinlich angeschnittener Kern mit einem Loch- in der Mitte und einem halbkreisförmigen Ausschnitt am Rand. Das Loch, wie der Ausschnitt dürften den durchbrochenen Vaecuolen entsprechen. 479 Zur Mechanik der Eiablage bei Rana fusca. Von M. Nussbaum. Hierzu Tafel XXII. Die Vena abdomimalis anterior verläuft bis zu der vom Kopf aus als ersten gerechneten Inscriptio tendinea des M. rectus abdominis, den vorderen Bauchdeeken dicht anliegend, in der Linea alba. Von hier aus hebt sie sich in ihrem weiteren oral zur Leber gerichteten Laufe immer weiter dorsalwärts von den Bauchdecken ab und liegt an der freien Kante eines vom Peri- toneum gebildeten Lymphraumes. Die Lymphbahnen der Rana temporaria L. haben, soweit mir bekannt geworden, zuletzt eine eingehende Beschreibung durch S. Jourdain erfahren. Herrn A. Sabatier in Mont- pellier fühle ich mich ungemein zu Dank verpflichtet für die Güte, mit der er mir die sonst kaum zugängliche Arbeit zur Verfügung gestellt hat. Jourdain nennt den hier in Frage kommenden Lymphsack Reservoir sternal des sinus thoraeiques internes. Es ist hier nicht der Ort, auf die abweichende Darstellung meines Vorgängers auf diesem Gebiete einzugehen; dies wird bei einer anderen Gelegenheit nachgeholt werden können. Man würde der Lage nach den freien Rand des Reservoir sternal mit der in ihm gelegenen Vena abdominalis dem Liga- mentum suspensorium beim Menschen vergleichen können. Die Basis des prismatischen Lymphsackes ist am Sternum gelegen, seine Spitze trennt die beiden Hauptleberlappen, den rechten und den linken. Die Seitenflächen divergiren von der Be- rührungsebene der Museuli reeti am Sternum lateral- und dorsal- wärts. An der vorderen Bauchwand verlaufen die seitlichen La- mellen, von der Mittellinie jederseits, zuerst schräg über den ersten oral gelegenen Abschnitt des M. reetus abdominis, dann in der schräg lateral und oral verlaufenden Trennungsfurche dieses Ab- schnittes des M. rectus abdominis und des M. sternohyoideus, um 480 M. Nussbaum: schliesslich die Abgrenzung zwischen M. obliquus abdominis in- ternus und M. sternohyoideus zu erreichen. Trennt man die Insertionen des Sackes an der vorderen Leibeswand, die Basis des primatischen Raumes, ab, so liegt die ventrale Fläche des Herzbeutels frei. Nach den Seiten hin ist das Pericard mit der Wandung des Sackes verwachsen; die Herz- spitze ist bei Rana esculenta hungarica mit ihm durch eine grössere Zahl von Fäden vereinigt, so dass unter dem freien Rande des Lymphsackes, der die Vena abdominalis trägt, ein vielmaschiger, allmählich vom Herzen gegen die Leber zugespitz- ter Lymphraum sich weiter erstreckt. Dasselbe Maschenwerk findet sieh auch an der dorsalen Fläche zwischen Herzbeutel und Lymphsack, so dass diese beiden Theile an den Seiten fest ver- wachsen, an der ventralen Fläche ganz von einander getrennt, an der Spitze der Herzens und auf der dorsalen Fläche durch zahlreiche Fäden mit einander verbunden sind. In den Lymphsack ragt somit der Herzbeutel hinein, und ist mit ihm in der angegebenen Weise verwachsen. Der Abfluss der Lymphe aus dem Reservoir sternal findet nach der Achselhöhle hin statt. Eine nähere Beschreibung dieser Verhältnisse gedenke ich im Zusammenhang mit den übrigen Lymphbahnen der Amphibien an einer anderen Stelle zu geben. Hier ist noch das Folgende von Interesse. Nach der oben gegebenen Beschreibung erreicht der Herz- beutel den oralen, stumpfen Leberrand nicht. Der zwischen Herz- beutel und Leber gelegene Theil des Reservoir sternal dehnt sieh entlang dem stumpfen Leberrande auch nach den Seiten aus. Die Wände dieser flügelartigen Ausläufer des Reservoir sternal treffen hart an der Leber aufeinander, um wieder auseinander zu weichen und den peritonealen Leberüberzug zu bilden. Da die Leberlappen der beiden Körperseiten ventral ganz von einander getrennt sind, so wird in der Mittellinie der peritoneale Leberüberzug beider Leber- hälften sich mit der freien Kante des Reservoir sternal vereinigt auf die Gallenblase und von da auf Magen und Dünndarm fort- setzen und das schon oben beschriebene Ligamentum suspensorium hepatis bilden. Die Bauchfellduplicatur am oralen stumpfen Leberrande wird man vergleichsweise Ligamentum coronarium nennen können. Ein eigentliches Ligamentum teres an der dor- salen Fläche der Leber gibt es beim Froch nicht. Die zwischen Zur Mechanik der Eiablage bei Rana fusca. 481 den rechten und linken Leberlappen eingeschobene Bauchfell- platte des Ligamentum suspensorium hepatis trägt zwar an ihrem freien Rande eine vene, die Vena abdominalis anterior; die Leber- lappen sind aber in der Mittellinie so vollständig von einander getrennt, dass es nicht zur Bildung eines Ligamentum teres kom- men kann wie bei der menschlichen und Säugethierleber, deren Lappen in der Mittellinie mit einander verwachsen sind, so dass ein Theil des Ligaments von der ventralen Leberfläche als Li- gamentum suspensorium hepatis zur vorderen Bauchwand ver- läuft, ein anderer an der dorsalen Leberfläche als Ligamen- tum teres. Für die Lage des Eileiters von besonderer Bedeutung ist die laterale Fortsetzung des Ligamentum coronarium hepatis zur Rumpfwand hin in das Ligamentum triangulare hepatis. Das Ligamentum triangulare hepatis ragt mit einem freien ventralen Rande segelartig in die Bauchhöhle hinein, legt sich gegen die der Leber zugerichtete Wand des Reservoir sternal zur Bildung einer capillaren Rinne an, geht lateral glatt in das Peritoneum der seitlichen Rumpfwand über und bildet im weiteren Verlauf mit dem Peritoneum der dorsalen Leberfläche, der seitlichen und hinteren Rumpfwand vereinigt den peritonealen Ueberzug der Lunge. Jede der beiden Lungen ragt somit in eine Ausstülpung des Peritoneum hinein, die mit der Lungenoberfläche innig verwachsen ist, und die von der Lungenwurzel aus ventral in das Ligamentum trian- gulare hepatis, lateral und dorsal in das Peritoneum der Bauch- wand und medial in den Bauchfellüberzug der Leber und der übrigen Eingeweide continuirlich zu verfolgen ist. Da das Ligamentum triangulare hepatis, wie oben gesagt, segelartig in die Bauchhöhle vorspringt und mit freiem Rande ventralwärts aufhört, so muss es sich für gewöhnlich wie gegen das Reservoir sternal, so auch gegen die Lunge eng anlegen und den verschiedenen Zuständen der Ausdehnung dieser beiden Theile sich anpassen. Welche Rolle der Raum zwischen Liga- mentum triangulare hepatis, Lunge, seitlicher Rumpfwand und dorsaler Leberfläche zur Zeit der Eilösung spielt, kann erst später untersucht werden. Den Raum selbst wollen wir Recessus pul- monalis dexter et sinister nennen, die Rinne zwischen stumpfem Leberrand bis zum Ligamentum triangulare und seitlicher Wand des Reservoir sternal, lateral vom Ligamentum suspensorium, 482 X M. Nussbaum: Rima hepatica transversa dextra et sinistra; zu diesen Rinnen am oralen stumpfen Leberrande führt jederseits vom Ligamentum suspensorium hepatis der Suleus longitudinalis dexter et sinister. Klappt man Lunge und Leber oralwärts zurück, dass die dorsalen Flächen dieser Organe ventral zu liegen kom- men, so zeigen sich Taschenbildungen, die auf den beiden Kör- perseiten nicht gleichartig gebaut sind. Links liegt dorsal hinter der Lunge der grösste Theil des Oesophagus, während rechts nur ein kleiner Abschnitt desselben sichtbar wird. Die mediane Grenze der rechten Taschen gibt die Fortsetzung des Ligamen- tum suspensorium in das Ligamentum hepato - duodenale ab; rechts liegt Gallenblasse und ein Theil des Pankreas, weiter ab- wärts das Mesenterium als Fortsetzung der medianen Grenze. Auf der linken Seite ist wegen der Drehung des Magens die Lagerung complieirter. Die der rechten entsprechende Tasche wird in der Gegend der Leber nicht von dem Ligamentum suspen- sorium hepatis begrenzt, sondern von dem Oesophagus; geht dann aber entlang dem Mesenterium bis zum Rectum; man sieht links die Milz in diese Tasche hineinragen und einen Theil des Pankreas. Auf beiden Körperseiten erheben sich von der Wurzel des Darmgekröses aus seitlich die Ovarien, die an ihren Bauchfell- platten wie eine Insel in die Peritonealtaschen hineinragen. Der Bauehraum wird seitlich von den Ovarien wiederum vertieft, indem das Bauchfell hier ein Gekröse für den Eileiter bildet. In dem Raum zwischen Eierstock und Eileiter sieht man die Niere durch das Bauchfell hindurch schimmern. Das Mesovarium erhebt sich analwärts mit einem freien Rande von der Unterlage, bildet also entlang dem medianen und caudalen Rande der Niere eine Tasche, ehe es in Form eines Gekröses an den Eileiter tritt, während es an allen übrigen Stellen glatt in den weiteren Verlauf des Bauchfells übergeht. So gelangt man von dem Spalt zwischen Eierstock und Uterus nebst Rectum und Dünndarmgekröse an der oralen Spitze des Eierstoeks um den Fettkörper herum glatt in den Spalt zwi- schen Eierstock und Eileiter; an dem analen Ende des Eier- stocks muss man erst über das vom Eierstock zum Uterus aus- gespannte Segel der freien Bauchfellfalte hinweggleiten, ehe man in den Spalt zwischen Eierstock und Eileiter hineingeräth. Seitlich vom Eileiter und seinem stark entwickelten Ge- Zur Mechanik der Eiablage bei Rana fusca. 483 kröse vertieft sich der Bauchraum zu einer Spalte zwischen seit- lieher Rumpfwand und Eileiter, um im der Gegend der Lungen- wurzel mit der rechten und linken Bauchtasche zusammenzufliessen. Zwischen die rechte und linke Bauchtasche ist eine me- diane Bauchtasehe eingeschoben, deren Lagerung sich folgender- maassen verhält. Der Magen steigt nach rechts abwärts; vom Pylorus aus erhebt sich der Anfangstheil des Duodenum mit eimem aufstei- genden Schenkel bis in die Nähe der Leber, um von dort in analwärts offenem Bogen wieder abwärts zu steigen. Pylorus- theil des Magens und Duodenum bilden somit eine S förmig ge- bogene Curve, die an der Stelle, wo die beiden Bogen des S zu- sammentreffen, durch eine Bauchfellfalte an der Leber zu- rückgehalten wird. In dieser Bauchfellfalte liegt ein Theil des Pankreas; ein anderer Theil des Pankreas liegt dem aufsteigen- den Schenkel des Duodenum an; ein dritter verläuft quer im Anfangstheil des Dünndarmkröses. Unter der Bauchfellfalte, die, vom Duodenum ausgehend, das Pankreas umschliesst und zur Längsspalte zwischen dem rech- ten und linken Leberlappen an der Gallenblase vorbeizieht, führt ein Loch zwischen Bauchfellüberzug des Pankreas und Bauch- fellüberzug der dorsalen Leberbrücke nach dem Raum der me- dianen Bauchtasche. Wir unterscheiden drei Leberlappen: den rechten, den lın- ken und den auf der linken Seite des Ligamentum suspensorium unter dem linken Lappen gelegenen dorsalen Leberlappen. Der rechte und der dorsale Leberlappen werden dorsal vom Ligamen- tum hepato-duodenale durch eine schmale Brücke der Quere nach mit einander verbunden. In den analen Zipfel dieser Querbrücke tritt die Vena cava inferior ein. Durch die ge- schilderten Lagerungsverhältnisse wird es klar, dass beim Frosch ein Theil des Pankreas, der aufsteigende Theil, links von der Gallen- blase zwischen rechtem und dorsalem (links gelegenem) Leber- lappen und ventral vor der dorsalen Leberbrücke sich findet. Die Oeffnung im Bauchfell zwischen aufsteigendem Pankreaszipfel und dorsaler Leberbrücke wird man dem Foramen Winslowii des Menschen vergleichen können. Mit dieser Bezeiehnung soll keineswegs die entwicklungsgeschichtliche und vergleichend ana- tomische Bedeutung der von rechts aus in die mediane Bauch. 484 M. Nussbaum: tasche führenden Oeffnung im Bauchfell der Frösche gelöst wer- den; ich gehe an dieser Stelle auf die zur Zeit in dieser Frage schwebende Controverse hier nicht ein. Hebt man Magen und Duodenum in die Höhe, so wird von links aus gesehen in der Höhe des queren Pankreaszipfels das Bauchfell durchbrochen, während es oral am Oesophagus und anal von dem queren Pankreaszipfel eine ceontinuirliche Platte, die linke Seite des Darmgekröses darstellt. Klappt man den Magen in seine ursprüngliche Lage zurück, schlägt aber den linken Le- berlappen kopfwärts in die Höhe, so zeigt sich der grosse links gelegene Eingang zur medianen Bauchtasche, der ventral von der Leber gedeckt, rechts vom aufsteigenden Pankreas- zipfel, links vom Oesophagus und Anfangstheil des Magens begrenzt wird. Die Tasche senkt sich nach rechts analwärts; ihre rechts gelegene Wand wird von dem hier gelegenen Theile der dorsalen Leberbrücke, dann vom Peritoneum allein gebildet; die ventrale Wand der Tasche ist netzartig durchbrochen; dass (dasselbe von einem Theile ihrer dorsalen Wand gelte, ist vorhin schon angegeben worden. Der Eingang zum Eileiter liegt oberhalb des Recessus pulmo- nalis, in dessen Grund die Lunge und der Oesophagus gelegen sind. Im Leben zieht nach rechts und links von der Stelle, wo das Liga- mentum suspensorium hepatis an das Reservoir sternal tritt, dem stumpfen Leberrand entlang eine capillare Rinne zu der Ei- leiteröffnung hin. Begrenzt wrd diese von dem Ligamentum triangulare hepatis, das mit eimer hakenförmigen Biegung den lateralen Rand der Eingangsöffnung umkreist und diese laterale Stelle der Eileiteröffnung zu einer flachen Tasche gestaltet. Der Rand der Tasche geht dann, bevor die Rumpfwand erreicht ist, glatt in die peritoneale Wandung des Reservoir sternal und wegen der Verbindungen dieser Wand mit dem Herzbeutel in diesen mittelbar über. Die Eingangspforte des Eileiters liegt somit oral und lateral im Ligamentum triangulare hepatis, erreicht die Rumpfand aber nicht. Praktisch genommen ist das Ligamentum triangulare hepatis das Aufhängeband des Anfangstheiles vom Eileiter. Dieser liegt nun eine kurze Strecke weit, analwärts vom Ligamentum triangulare hepatis den untergelegenen Fasern des Obliquus abdominis eng an, bekommt dann vom Oesophagus her ein weites Gekröse, so dass er frei in die Bauchhöhle hinein- Zur Mechanik der Eiablage bei Rana fuseca. 485 ragt und die Windungen machen kann, die er in erwachsenen Thieren aufweist. Die Lage des Anfangstheiles des Eileiters anal vom Ligamentum triangulare hepatis ist eine zuerst dieht an der Zwerchfellskuppe des Musculus obliquus abdominis in- ternus entlang lateral gerichtete; hierbei geht der Eileiter über die ventrale Fläche der Lungenwurzel an ihre laterale Seite, um eine kurze Streeke weit dorsal von der Lunge lateral am Oeso- phagus zu verlaufen, bis er das schon oben erwähnte Gekröse erhält. Bis zu dieser Stelle entbehrt der Eileiter der Drüsen, seine Wandung ist aber gerade hier mit glatten Muskeln ausge- stattet, die im drüsigen Theile des Eileiters fehlen. Die Muskeln sind meines Wissens zuerst von H. Lebrun beschrieben worden. Seiner Darstellung möchte ich das Folgende beifügen. Sehlitzt man den Eileiter auf und legt ihn für ein bis zwei Tage in verdünnte Essigsäure, so lässt sich das wimpernde Epithel leicht durch Abpinseln entfernen. Färbung in Haema- toxylin ist für die Erkennunng der folgenden Einzelheiten vor- theilhaft, wenn auch nieht unbedingt nöthig. Unter dem Epithel liegen unverstreichbare Bindegewebsriffe, dann folgt ein reich verästigtes Blutgefässnetz mit einem begleitenden Plexus mark- loser Nerven. Nach aussen von der Blutgefässschicht liegt eine bindegewebige Haut, in der zahlreiche elastische Fasern und zer- streute netzförmig angeordnete glatte Muskelfasern enthalten sind. Die Contraetion dieser Fasern wird also unter allen Umständen eine Verkürzung und Verengerung des an der Unterlage dorsal befestigten Anfangstheiles des Eileiters hervorbringen müssen, da eine bei anderen Hohlorganen ausgebildete Ring- und Längs- muskelschicht sich noch nieht gesondert hat. 25°/, Kalilauge bringt die einzelnen Muskelfasern nach 20 bis 30 Minuten langer Einwirkung am besten zur Isolirung. Aber auch die Wimper- zellen bleiben in diesem Reagens gut erhalten, wenn auch wie die Muskelfasern stark verkleinert. Dauert die Einwirkung der Kalilauge länger, oder zieht die Lauge aus der Luft zu viel Wasser an, so geht das Präparat zu Grunde. Doch kann man durch vorsichtiges Neutralisiren mit Essigsäure gute, färbbare Dauerpräparate gewinnen, so dass die 25°/, Kalilauge zur Iso- lirung von Zellen angelegentlich empfohlen werden kann. Nach derselben Methode konnten in dem Ligamentum tri- angulare hepatis, das vorhin als Aufhängeband des Eileiters be- 486 M. Nussbaum: zeichnet wurde, elastische Fasern und glatte Muskeln nachge- wiesen werden, die beide in der Längsrichtung des Bandes ver- laufen. Durch die Wirkung der glatten Muskeln wird somit die Eingangspforte des Eileiters der Leber genähert werden und der Weg, den die Eier von der Leber her zum Eileiter hin nehmen, verkürzt werden müssen. Gestreckt wird das Band durch die Wirkung des M. obliquus abdominis internus, dessen genauere Beschreibung, soweit sie für unsere Zwecke von Belang ist, weiter unten folgen wird. Die ersten Schlingen des drüsenhaltigen Theiles des Ei- leiters sind in die Lungentasche ventral vor der Lunge hinaufge- schlagen, so dass die Eier, wenn sie einmal in den Eileiter gelangt sind, von dieser Stelle an durch das Lumen entgegen der Schwere allein vermittelst der Wimperung, hindurchgepresst werden. Auf den histologischen Bau der Eileiter gehe ich hier nicht ein; wir verdanken Neumann, Hebold und Lebrun die wichtigsten Angaben über diesen Punkt. Die Eier werden im Eileiter mit der gelatinösen Schicht unmhüllt und verschiedene Zeit lang im Uterus aufbewahrt, bis sie durch das Reetum entleert und vom Männchen befruchtet werden. Die Lage-Verhältnisse des Uterus zum Rectum und zu den Harnleitern sind von Spengel beschrieben worden. Schon Swammerdam!) bildet die Lage der Tuben in Fig. 4 Taf. 47 ab; doch lässt sich in der Zeichnung die Be- ziehung zur Leber nicht erkennen, obwohl im Text (pag. 798) besonders hervorgehoben wird, die äussersten Enden der Tuben würden mit ihren Oeffnungen zu den Seiten des Herzens sichtbar und vom Peritoneum und dem Aufhängebande der Leber unbe- weglich befestigt, so dass sie an das Ovarium nicht heran rücken könnten. Swammerdam stellte fest, was nach ihm freilich wieder bezweifelt wurde, dass die Eier der Frösche aus den Eierstöcken nur dureh die freie Bauchhöhle in die Eileiter ge- langen könnten. Es fragt sich nun, auf welche Weise sich dieser Vorgang vollziehe. Als man die Wimperung auf den Eingeweiden und dem Peritoneum weiblicher Batrachier?) entdeekt hatte, glaubte man 1) Biblia,naturae. 2) Vergleiche die Literaturangaben in Neumann’s Aufsatz. D. Arch. 11. Bd., 1875, pag. 354. Zur Mechanik der Eiablage bei Rana fusca. 487 den Mechanismus des Uebertrittes der Eier in die Tuben durch diesen Fund völlig verstehen zu können. Thiry'!) hatte über- dies gezeigt, dass die von den Flimmerzellen erzeugte Strömung nach dem Kopfe zu gerichtet sei; somit mussten die Eier durch diese Strömung den an der Lungenwurzel gelegenen . Bauch- öffnungen der Eileiter zugetrieben werden. Welehen Einfluss die Umarmung der Geschlechter auf das Laichgeschäft habe, lässt sich aus den vorliegenden Angaben nicht erkennen. Man hat nämlich, um die Bedeutung der Paarung der Ge- schlechter richtig zu würdigen, wohl zu unterscheiden, ob die Umarmung des Weibehens durch das Männchen nöthig sei, zuerst für die Loslösung der Eier aus dem Eierstock, sodann für ihre Ueberführung in die Eileiter bis zum Uterus hin und schliesslich für ihre Entleerung aus dem Uterus durch die Kloake. Aus dem Bericht des berühmten Physiologen Spallan- zani geht mit Sicherheit hervor, dass zur Entleerung der Eier aus dem Uterus die Hülfe des Männchen nicht immer nöthig sei?). Die Richtigkeit dieser Angaben kann ich nach eigenen Ver- suchen durchaus bestätigen. In frostfreien, aber nicht geheizten Räumen überwinterte Exemplare von Rana fusea waren zum grössten Theil seit Ende Februar brünstig geworden. Bei den aus der Umarmung mit dem Männchen gelösten Weibehen waren die Eier im Anfang des Monates März zum Theil noch im Eierstock, bei anderen in der Bauchhöhle, in den Tuben oder gar schon im Uterus. Am 6. März wurden sechs Weibehen von den Männ- chen getrennt und in ein besonderes Aquarium verbracht. Ein am 17. März getödtetes Exemplar zeigte alle Eier im Uterus ; Mitte April hatten die fünf überlebenden alle den Laich abge- setzt. Von diesen fünf Thieren hatte ein am 24. April getödtetes Exemplar im rechten Uterus noch 33 Stück Eier; Eierstock, Eileiter und linker Uterus waren entleert. | Für die Ausstossung der Eier aus dem Uterus ist somit die 1) Göttinger Nachrichten 1862, pag. 171. 2) Spallanzani’s Versuche über die Erzeugung der Thiere und Pflanzen. Deutsche Uebersetzung, Leipzig 1786, pag. 8, $ 7, 488 M. Nussbaum: mechanische Beihülfe des Männchens der Rana fusea nicht er- forderlich. Ob dagegen gerade bei dieser Species auch die Lösung der Eier aus dem Eierstoek ohne Mitwirkung der Männchen vor sich gehen könne, scheint mir noch nicht hinreichend entschieden zu sein. Man wird dies einer erneuten Prüfung unterziehen müssen, wenn auch Valisneri’s Angaben dafür sprechen, dass vor der Paarung isolirte Weibehen keine Eier legen. Valisneri’s Abhandlung ist mir nicht zugänglich gewesen. An der Stelle, wo Spallanzani die Beobachtungen Valisneri’s bespricht, ist aber von einem grünen Frosche die Rede. Nun ist es hin- länglich bekannt, dass die Fortpflanzung bei Land und Wasser- fröschen nicht nach derselben Schablone vor sich geht, und das, was für Rana esculenta zutrifft, für Rana fusea nicht zu gelten braucht. Hier möchte ich die Beschreibung einer Methode einschalten, die es mir früher schon ermöglichte, den Bau des Froscheierstocks und das Austreten der Eier aus der peritonealen Seite ihrer Follikel auf das einfachste zu erkennen. Man nehme ein Froseh- weibehen, dessen Eier den Eierstock eben verlassen haben und sich zum grössten Theil noch in der Bauchhöhle befinden. Bläht man durch eine feine Oeffnung an der Basis eine Eikammer mit Luft auf und versenkt den ganzen Eierstock in Aleohol von 70°, so wird nur eine einzige Kammer prall gefüllt; die übrigen bleiben zusammengefallen. Würden nun die Eier aus ihren Fol- likeln, wie noch Stannius!) angegeben hatte, in die Höhlung des Ovarium fallen und von hier aus erst in die Bauchhöhle ge- langen, so müssten beim Aufblähen von innen her die Follikel als pralle mit Luft gefüllte Kugeln über die peritoneale Eier- stocksoberfläche hervorragen. Das geschieht aber keineswegs. Die Oberfläche des Eierstocks zeigt solche mit Luft gefüllte Ku- geln nicht. Ersetzt man den 70°/, Alcohol allmählich durch abso- luten Aleohol unter steter weiterer Aufblähung der Eierstocks- kammer mit Luft, so bleibt jetzt die Form der Kammer im auf- geblähten Zustande erhalten; sie fällt nieht mehr zusammen. Lebrun hat in Figg. 9 und 10 der ersten Tafel seiner Ab- handlung geplatzte Follikel des Froschovarium dargestellt und 1) Lehrbuch der vergl. Anatomie. II. Th. 1846, pag. 240. Zur Mechanik der Eiablage bei Rana fusca. 489 so das oben vorgetragene Verhalten illustrirt. Die Topographie der Theile ergiebt sich aus den Figg. 2 und 6 der vorliegenden Arbeit. Demgemäss tritt das Froschei an der peritonealen Seite des Eierstockes nach Ruptur der Theca follieuli und des Follikel- epithels nackt in die Bauchhöhle über. Das Follikelepithel bleibt nach dem Platzen in der von Blutgefässen und glatten Muskel- fasern (durchsetzten Follikelhaut zurück. Weder im Eierstock, noch in der Bauchhöhle nehmen die Eier eine durch die Son- derung der versehieden speeifisch schweren Bestandtheile bedingte Drehung an. Man findet den schwarzen und den weissen Pol der Eier nicht wie späterhin nach der Abscheidung des zweiten Riehtungskörpers der Schwere nach orientirt. Ueber den zeitlichen Ablauf der Lösung der Eier aus den Eierstöcken und die Ueberführung nach den Eileitern hin macht Lebrunt) in seiner schönen Abhandlung von dem weiblichen Genitalapparat der Batrachier die Angabe, dass dies bei mehr als 200 Weibehen der Rana fuscea gleichzeitig innerhalb zweier Stunden geschehen sei. Diese Gleichzeitigkeit wird aber nur unter besonders günstigen Bedingungen eintreten. In dem kalten Winter dieses Jahres habe ich nicht dieselbe Erfahrung machen können. Die Thiere laichten wohl alle ungefähr um dieselbe Zeit, wie dies Pflüger?) besonders betont hat; doch vollzog sich die Lösung der Eier aus dem Eierstock und ihre Ueberführung durch den Eileiter in den Uterus in einer nachweislich langen Periode. Offenbar sind die Bedingungen für das Austreten der Eier aus dem Eierstock bei verschiedenen Thieren verschieden. Hier spielen Ernährungsverhältnisse, Zustände des Gehims und Rücken- marks nachweislich eine grosse Rolle. Nach Spallanzani’s?) Beobachtungen legt das Weibchen von Bufo igneus, vor der Paarung isolirt, doch seinen Laich; beim Laubfrosch sind vor der Paarung alle Eier im Uterus. Auf der anderen Seite berichtet Spallanzani*) von der stinkenden Erdkröte, dass isolirte Weibehen die Eier im Eierstock zurück- halten, während gepaarte Weibehen ihren Laich absetzen. Die ) La Cellule, T. VII, pag. 37. ) Pflüger’s Archiv Bd. XXIX, pag. 27. ) pag. 87. 1 2 BL: ) ec paa.0d7, 2) „> 490 M. Nussbaum: Rana eseulenta aus der Umgegend von Berlin und die aus Un- gan laichen, in Gefangenschaft gehalten, gar nicht'). Da aber alle Anuren dieselbe anatomische Einrichtung ihrer Eierstöcke und Eileiter besitzen, die Männchen bei einer Gattung das Weibehen unter den Vorderextremitäten, bei einer anderen Gattung dieht oberhalb der Schenkel umgreifen, und weiterhin bei einigen Species ohne Beihülfe des Männchens das Weibchen Eier zu legen im Stande ist, so kann die Mögliehkeit, die Eier aus dem Eierstock auszustossen, durch die Paarung mit dem Männchen nicht mechanisch herbeigeführt werden. Während die definitive Entscheidung über die Mitwirkung des Männchens der R. fusca bei der Lösung der Eier aus dem Eier- stock noch aussteht, ergibt sich aus Spallanzani’s Versuchen mit Gewissheit, dass das Männchen zur Entleerung des Samens durch das umklammerte Weibehen angeregt werde, dass somit auch bei den Fröschen die Samenergiessung ein refleetorischer Vorgang sei. Deecapitirte?) Frösche hielten nicht allein das eierlegende Weib- chen weiter umklammert, sondern befruchteten auch die aus- tretenden Eier. Die Begattung hörte auf, als das Weibchen das Eierlegen zu Ende gebracht hatte. Die von Spallanzani?) beschriebenen eigenartigen Be- wegungen der gepaarten Thiere treten auf, sobald die Eier die Kloake des Weibehens verlassen. Das Männchen spritzt alsdann in dünnem Strahl den Samen über die ausgetretenen Eier. Es müssen aber offenbar die Bewegungen des Weibchens die: Ent- leerung des Samens auslösen, da das Männchen mit dem Weib- chen gleichfalls Pause macht, wenn die Entleerung der Eier unterbrochen wird®). Das Centrum für die refleetorischen Be- wegungen und für die Samenentleerung ist aber — nach Spal- lanzani’s Versuch am geköpften Frosch — im Rückenmark gelegen. Die übrigen hierher gehörigen Angaben Spallanzani’s sind entweder mit denen anderer Naturforscher, wie Swammer- dam, in direktem Widerspruch, oder so geartet, dass sie für 1) Vergleiche hierzu Pflüger |. c. 2) 1. e. pag. 9. B)ULac. pas. 11. 4) 1. e. pag. 12 und 37. Zur Mechanik der Eiablage bei Rana fusca. 491 unsere Fragen, d. h. auf welche Weise kommen die Eier in den Uterus, keine Auskunft geben können. So läugnet Spallan- zani den Uebergang der Eier vom Eierstock durch die Bauch- höhle in den Eileiter, obschon Swammerdam den Vorgang richtig beobachtet und abgebildet hatte !). Es bliebe somit noch zu entscheiden, ob die Weibchen der Beihülfe der Männchen zur Ueberführung der Eier aus der freien Bauchhöhle in die Eileiter benöthigten. Dieser Punkt scheint mir durch den oben mitgetheilten Versuch schon entschieden zu sein. Es ist gewiss nicht zu gewagt, die Annahme zu machen, dass unter den sechs im Anfang März isolirten Weibchen mehrere gewesen seien, bei denen die Eier entweder noch im Eierstock oder in der freien Bauchhöhle’ lagen, wenn man bedenkt, dass bei den um diese Zeit abgetödteten Exemplaren sich dies so verhielt. Immerhin muss ich zugeben, dass der volle Beweis durch neue Versuche erbracht werden muss. Da aber der Natur der Sache nach in ein und demselben Jahre nicht viele Experimente derselben Art angestellt werden können, so muss die Erledigung dieser Angelegenheit auf das nächste Jahr verschoben werden. Man gestatte mir hier über einen Versuch vom 5. März 1895 zu berichten. Unter sechs Weibchen, von denen zwei aus der Umarmung der Männchen gelöst wurden, lagen bei einem alle Eier in den Eierstöcken, bei einem anderen die meisten Eier in der freien Bauchhöhle, bei zweien Eier in der freien Bauchhöhle und in den Eileitern, bei den beiden letzten ausser an diesen Stellen auch noch Eier im Uterus. Aber auch bei dem einen Thier, dessen Eier fast alle im Uterus lagen, waren noch einige Eier in dem Recessus pulmonalis zurückgeblieben. Oeffnet man zur Brunstzeit in Paarung begriffene Weibchen, so sind die Lagerungsverhältnisse der Baucheingeweide ver- schieden, je nachdem die Eier noch im Eierstock, im Bauch- raum, den Eileitern und schliesslich im Uterus sich finden. Die noch prall gefüllten Eierstöcke liegen der Bauchwand ventral seitlich und analwärts dicht an, sie decken den Enddarm 1) J. Svammerdammii Biblia naturae T. II, Leydae 1738. Tafel 47, Fig. 4 und 5 und besonders im Text pag. 807. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46. 32 492 M. Nussbaum: und lassen oralwärts die Leber, den Magen und die Schlingen des Dünndarmes frei, decken jedoch bei der Ansicht von der ventralen Seite, die Eileiter zu. Da die Eier nach dem Platzen der Follikelhaut und des deckenden Peritoneum in die Bauch- höhle fallen, so werden die Eierstöcke nach Entleerung der Eier zusammen sinken müssen. Dass dies durch die in den Ovarien vorhandenen glatten Muskelfasern begünstigt wird, bedarf keines weiteren Beweises. Es rücken jetzt an Stelle der Ovarien die Eileiter ventralwärts, bis zur Berührung in der Mittellinie vor; sie nehmen ziemlich genau den Platz ein, den die vorher noch prall gefüllten Eierstöcke verlassen haben. Zwischen den Schlin- gen. der Eileiter und den Bauchdeeken und dem Darme liegen die Eier, die durch die Wimperung der Bauchdecken und des Eileitergekröses nach der Leber hin geleitet werden. So lange die Eier in der Bauchhöhle liegen, sind die Taschen ventral und dorsal von der Leber voll von Eiern. Rücken die Eier durch den Eileiter gegen den Uterus vor, bis dieser prall gefüllt ist, so ändert sich naturgemäss wiederum die Lagerung der Eingeweide. Die Eileiter sinken zur Seite zurück: alle Theile werden gegen die Leber hin durch den schwellenden Uterus hingedrängt. Der Mastdarm wird ganz abgeplattet an die vordere Bauchwand an- gepresst, während er vorher ganz unsichtbar gewesen war. Die Blase ist für gewöhnlich leer. Würde nun die Wimperung in der Bauchhöhle der Batra- chier genügen, alle Eier vom Eierstock aus in den Eileiter über- zuführen, so müsste ein zu geeigneter Zeit aller übrigen für die Ueberführung verantwortlich gemachten mechanischen Hülfsmittel beraubtes Weibehen noch im Stande sein, die Eileiter mit den aus dem Eierstock entleerten Eiern anzufüllen. Wir konnten es zum mindesten wahrscheinlich machen, dass die Umarmung durch das Männchen für die Fortbewegung der Eier bis zum Eileiter nicht nöthig ist. Wenn aber die Eier in die freie Bauchhöhle gerathen und allein durch die Wimperbewegung in die Eileiter geschafft wer- den, so muss zuvor noch festgestellt werden, in welchen Gegen- den der Bauchhöhle Eier liegen und ob an allen diesen Punkten auch Wimperung vorhanden ist. Die Vertheilung der Flimmerzellen ist an den verschiedenen Stellen des Peritoneum keine gleichmässige. Bald sind die Inseln Zur Mechanik der Eiablage bei Rana fusca. 493 von Flimmerzellen rundlich wie auf den Seitenwandungen des Reservoir thoraeique oder schlank gestreckt und alsdann zuweilen mit seitlichen Zaeken besetzt. Auf beiden Seiten des Ligamen- tum triangulare hepatis und in der Rima transversa hepatis kom- men ausschliesslich wimpernde Zellen vor. An den übrigen Stel- len ist ihre Zahl auffällig verschieden, oft sind nur ein bis zwei wimpernde Zellen auf eine grössere Strecke in die Endothelien eingesprengt, an anderen etwa zehn, an noch anderen mehr als hundert. Das Peritoneum der Bauchmuskeln zeigt die Vertheilung der Wimperzellen derart, dass im Allgemeinen im Bereiche des M. reetus abdominis die nackten Zellen, auf dem M. obliquus abdominis die Wimperzellen in Form von Inseln auftreten. Die Beförderung der Eier entlang der vorderen Bauchwand muss demgemäss viel leichter von Statten gehen als auf den Seiten, da auf den Seiten des Bauches viel weniger Wimperzellen vor- handen sind, als im Bereiche der Linea alba. Auf der gegen die Lunge zu gerichteten Seite des Liga- mentum triangulare hepatis hören die Flimmerzellen wie mit einer scharfen, schräg von der Leber zum Eileiter ziehenden Linie auf. Die Tiefe des Recessus pulmonalis hat kein Wimper- epithel. Am Anfangsstück des Eileiters kommen Wimperzellen und Wimperzelleninseln des Bauchfellüberzuges vor; lateral zum Ei- leiteranfang ist direct auf dem Musculus obliquus abdominis inter- nus die Zahl der Inseln ganz beträchtlich; medial zum Eileiter finden sich keine Wimperzellen. Ueberzeugende Präparate gewinnt man durch Einlegen der vorher mit Nadeln gespannten Theile in eine wässrige Lösung von 1°/, Ueberosmiumsäure und 0,25 °/, salpetersaurem Silber. Nach ungefähr einer Minute wird das Präparat ausgewaschen und in Alcohol von steigender Concentration gehärtet. Zerrun- gen sind zu vermeiden, da die Endothelien leicht als ganzes Häutehen oder in einzelnen Fetzen von der Unterlage abge- hoben werden. Man kann aber leicht unversehrte Lappen von 1 gem Grösse auf die Vertheilung der Wimperzellen unter- suchen; man kann sogar bei einiger Uebung die ganzen vorderen Bauchdecken zu einem einzigen Präparat verarbeiten. Da die Eier die blasigen Eierstöcke an allen Punkten der 494 M. Nussbaum: Oberfläche verlassen, so müsste man in allen Spalträumen der Bauchhöhle gleich viel Eier erwarten. Erhärtet man aber Frösche der betreffenden Stadien in 70 °/, Alcohol, der das Secret der Eileiter weder quellen noch sichtlich schrumpfen macht, so findet man in den Spalten zwischen Eierstock und Darmgekröse nur wenig Eier und in diesen Raum Schlingen des Eileiters mit dem entsprechenden Eileitergekröse hineingepresst. Es werden somit durch die Wimperung des Eileitergekröses die Eier aus dieser Gegend weiter nach vorn bewegt werden können, wenn auch dem Raume selbst, soweit ich nach eignen zahlreichen Präpara- ten schliessen darf, die Wimperung fehlt. Die zwischen Eierstock und Eileiter austretenden Eier wer- den durch die Wimperung auf dieser Seite des Eierstockgekröses und durch die Wimperung des Eileitergekröses nach der oralen Bauchgegend befördert. Was von Eiern den Bauchdecken anliegt, wird durch die Wimperung der Bauchdecken fortbewegt. Die mediane Bauch- tasche enthält keine Eier; sie ist vielmehr durch die angrenzen- den Theile zusammen gepresst. Es bliebe noch der oben beschriebene, ventral von der Lunge gelegene Recessus pulmonalis für die Betrachtung übrig. Die Lunge liegt bei Thieren, deren Bauchhöhle mit Eiern ge- füllt ist, dicht der Wirbelsäule an, so dass dorsal von ihr keine Eier angetroffen werden. Diese Gegend wimpert nicht; die Eier werden auch aus dem analen Theil der verschiedenen Spalten der seitlichen Bauchtasche an ihr vorbeigeführt. Aber auch die ventrale Fläche der Lunge entbehrt der Wimperung; in gleicher Weise die anal gerichtete Fläche des Ligamentum triangulare hepatis. Nun ist aber gerade der Recessus pulmonalis sehr stark mit Eiern vollgepfropft, wenn das Platzen der Eifollikel eben er- folgt. Die Eier hinterlassen im gehärteten Präparat tiefe Ein- drücke auf der ventralen Lungenfläche. Mit den Eiern liegen ventral vor der Lunge die Schlingen des Eileiters, die sich an die orale Parthie seines freien se vom Oesophagus aus be- ginnend, ansetzen. Im ganzen Recessus pulmonalis sind keine Wimperzellen zu finden; es müssen somit andere Kräfte mitwirken, die die Ent- leerung desselben besorgen, sobald im Verlauf der Brunst Eier in den Raum gelangen. Zur Mechanik der Eiablage bei Rana fusca. 495 Schon Spallanzani beschreibt die heftigen Bewegungen an dem sehr aufgetriebenen Bauche des Weibchen einige Tage nach Anfang der Begattung (pag. 34, l.e.). Es fragt sich so- mit, ob mit dem Recessus pulmonalis die Bauchmuseulatur so verbunden ist, dass die Weite desselben veränderlich wird. Wir werden zu diesem Zwecke den vorderen, oralen Abschnitt des Musculus obliquus abdominis internus genauer zu beschreiben haben, als dies bisher geschehen ist. ) Der Musculus obliquus abdominis des Frosches entspringt von den Querfortsätzen der letzten Wirbel, mit dem vierten be- ginnend. Die analen Portionen des Muskels kommen hier nicht in Betracht. Die oral gelegenen Theile bilden eine zwerchfell- artige Kuppel mit einem dorsal und ventral gelegenen Ausschnitt zwischen den Muskeln der beiden Körperhälften. Dorsal ziehen die beiden Aorten durch den Schlitz, um sich in der Höhe des 6. Wirbels zur unpaaren Bauchaorta zu vereinigen. Der dorsal gelegene Theil des Muskels geht an die Seitenwand des Oeso- phagus, steigt an ihm in die Höhe, fällt gegen die Lunge zu ab, verbindet sich mit der lateralen Parthie der Membran, durch die die Lunge vom Kehlkopf aus in die Bauchhöhle tritt, und setzt sich, von da weiter ziehend an den Herzbeutel, um schliess- lich an die vordere Bauchwand überzutreten, ohne jedoch die Mittellinie zu erreichen. Hier, in die ventrale Lücke schieben sich Reetus abdominis und Sternohyoideus ein. Der an der Lunge vorbeiziehende Theil des Eileiters liegt dem M. obliquus abdo- minis internus direct auf. Die Contractionen des M. obliquus abdominis werden die durch die Thätigkeit der Kehlmuskeln in die Lunge eingepresste Luft aus der Lunge wieder entleeren; es muss somit im Recessus pulmonalis ein abwechselndes Saugen und Drücken stattfinden, so dass die hier während der Laichperiode vorhandenen Eier dureh die Thätigkeit quergestreifter Muskeln ein- und austreten und erst dann, wenn sie auf benachbarte wimperzellenhaltige Theile des Peritoneum gerathen, über die Leber hinweg durch die Rima hepatica transversa zu einem Eileiter überführt werden. Der Recessus pulmonalis erhält dadureh die Bedeutung eines Reservoirs, das um so nöthiger ist, je schneller die Ent- leerung der Eier aus dem Eierstock vor sich geht. Der Musculus obliquus abdominis muss aber auch auf die 496 M. Nussbaum: Lagerung des Eileiteranfangstheiles wirken können, und so- bald seine Contraction eintritt, den Eileiter seitwärts verlagern, unter dem er her zur Lunge zieht (vgl. Fig. 1). Dieser Leistung des M. obliquus abdominis wirken die elastischen Fasern im Li- gamentum triangulare hepatis entgegen. Median verlagert wird der Eileiter zudem durch die Contraetion der glatten Muskeln im Ligamentum triangulare }). Auch die Cgntractionen des Herzens werden im Verein mit den Athembewegungen eine Saugwirkung nach der Richtung der oralen Begrenzung der Bauchwand bedingen müssen, so dass die Flimmerung auf dem Peritoneum weiblicher Frösche nicht die einzige Kraftquelle ist, wodurch die reifen Eier aus den Eier- stöcken in die Eileiter gerathen. Man kann dies übrigens durch einfache Versuche be- weisen. I. Decapitirt man ein brünstiges Weibchen und zerstört das Rückenmark, so dass Muskeleontractionen nicht mehr auf- treten können, so werden Eier, die man in die Gegend der Rima transversa hepatis bringt, binnen zwei Minuten in den Eileiter befördert. Im Recessus pulmonalis bleiben die Eier liegen; wenn auch nach dem Einbringen der Eier alle Theile wieder glatt anliegen. II. Entnimmt man zur Brunstzeit einer eben getödteten Rana fusca Eier aus der Bauchhöhle und injieirt sie einem anderen Weibchen derselben Art, das alle Eier noch in den Eierstöcken trägt, so werden innerhalb vier bis fünf Stunden die injieirten Eier noch in der Bauchhöhle des Thieres ge- funden, wenn es vor der Injeetion geköpft und sein Rückenmark zerstört war. Bringt man aber ein Ei auf die Rima hepatis transversa, so wird es alsbald in den Eileiter befördert, gleich- gültig ob das Herz pulsirt, oder ob es mit Schonung der vorde- ren Herzbeutelwand entfernt worden war. Hier genügt also die Wimperung zur Fortbewegung der Eier im das Ostium abdo- minale tubae; nicht so an allen übrigen Stellen der Bauchhöhle. 1) Die anatomische Beziehung des M. obliquus abdominis inter- nus zur Lungenwurzel erklärt es, weshalb bei der Exspiration die Lunge selbst comprimirt, das Lumen an der Wurzel der Lunge aber offen gehalten wird. Big.ıl. Fig. 3. Zur Mechanik der Eiablage bei Rana fusca, 497 \ Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIII. Die Theile sind aus der Bauchhöhle einer Rana fusca heraus- präparirt, der Fläche nach ausgebreitet und stellen den An- fangstheil des linken Eileiters mit seiner Umgebung, von der Bauchhöhlenfläche gesehen, dar. O.t. Ein Theil des M. obliquus abdominis internus, fächerförmig ausstrahlend; auf ihm liegt der Eileiter, X; die Enden des Muskels setzen sich an ‘die mit dem Herzbeutel theilweise verwachsene peritoneale Wand des R&servoir sternal, H, an das von der Lunge zum Durchtritt in die Bauchhöhle durchbohrte Diaphragma und an den Oesophagus. L. Stück des linken Leberlappens mit einer Nadel so befestigt, dass es sich über die übrigen der Fläche nach aus- gebreiteten Theile erhebt und das Ligamentum triangulare hepatis sinistrum !. tr. anspannt. H. Zwischen der peritonealen Wand H des Reservoir sternal und dem Ligamentum triangulare hepatis liegt der Eingang zum Eileiter. E. Der linke Eileiter, anfangs platt und dem unterliegen- den Muskel direct aufliegend, bekommt nach kurzem Verlauf entlang dem Oesophagus eine freie Bauchfellduplicatur, M., so dass sich die Fortsetzung des Eileiters von der Unterlage er- hebt und die während der Brunst deutlich hervortretenden Schlingen bilden kann. Oe. Oesophagus. Der peritoneale Ueberzug des Oeso- phagus ist auf eine Strecke weit abpräparirt, um die Anhef- tung der Fasern desM. obliquus abdominis internus deutlicher zu zeigen. Lg. Die dicht am Durchtritt in die Bauchhöhle abge- schnittene Lunge. Man sieht die Kehlkopfknorpel durch die angeschnittene Lunge und den von der Cartilago arytaenoidea zum Oesophagus ziehenden „Spiessartigen Fortsatz“ (Ecker Kehlkopf pag. 29). K. Der spiessartige zur ventralen Wand des Oesophagus hinziehende Fortsatz der Cartilago arytaenoidea. Ein Stück des zur Zeit der Brunst eben entleerten Eierstocks von Rana fusea. Ansicht des aufgeblähten Eierstocks von der convexen Bauchhöhlenseite. a die Eier für die kommende Brunst, noch rein weiss. Db, die geplatzten Follikel der eben entleerten reifen Eier. Man sieht die Oeffnungen der Follikel auf der peritonealen Seite der Eierstockswand. Vergr. Zeiss [er KONEH Ike Brünstiges Weibchen der Rana fusca. Kopf und Beine ab- getrennt. Bauchhöhle im oberen Theile eröffnet und rechte 498 Fig. 4. M. Nussbaum: vordere Extremität entfernt, nachdem der getödtete Frosch in 70°/, Alkohol erhärtet worden war. Die mit Eiern zum Theil gefüllten Schlingen der Eileiter sind vorsichtig herauspräparirt und die übrigen Theile dadurch in der Lage sichtbar gemacht. Unter den durchschnittenen Brustmuskeln liegt die Wand des Reservoir sternal frei, nach links schimmert bei H das Herz durch, im Verlauf des Ligamentum suspensorium |. s. ist bei * das Reservoir eröffnet. Das Ligamentum suspensorium 1. s. trennt den rechten von dem linken Lederlappen. Am oberen Rande des rechten Leberlappens verläuft das Ligamentum coronarium, /!. c., das in das frei in die Bauchhöhle hinein- ragende Ligamentum triangulare hepatis !. ir. ausläuft. Die peritoneale Wand des Reservoir sternal umschliesst mit dem Ligamentum triangulare hepatis einen spaltförmigen Raum, in dessen Grund der Eingang zum rechten Eileiter gelegen ist. O.i. Der innere quere Bauchmuskel (M. obliquus ab- dominis internus) geht oral in die Wand des R6servoir sternal über und ist lateral ein wenig umgeschlagen worden. E. Der Eileiter der rechten Körperhälfte, unter dem Ligamentum triangulare hepatis über die Lungenwurzel schräg zur lateralen Rumpfwand ziehend und in der Figur hinter der Lunge her bei E, wieder zum Vorschein kommend enthält oral drei Eier. Oe. Der Oesophagus durch eine Bauchfellduplicatur mit dem frei liegenden Abschnitt E, des Eileiters verbunden. Der Eileiter ist an dieser Stelle abgeschnitten, die bis zu E, ver- laufenden Schlingen sind herauspräparirt, um die Lage des Ovarium, Ov., zu zeigen, das sich in diesem Präparat der reifen Eier entleert hat und gegen die hintere Rumpfwand durch seine Muskeln gezogen wurde. L. Der rechte Leberlappen von dem durch die Härtung hinterlassenen Spuren der vor der Abbildung des Präparates entfernten Eier an den Rändern wie angenagt und auf der Fläche mit entsprechenden Vertiefungen besetzt. Unter dem rechten Leberlappen sieht man links vom Oesophagus auf die dorsale Leberbrücke und weiter nach links auf die Gallen- blase, @. Links vom Lig. suspens. .hepatis linker und dor- saler Leberlappen. Das Präparat liegt auf der linken Seite, die Hinterextremitäten sind abgeschnitten. Ein brünstiges Weibchen der Rana fusca von vorn gesehen. Die Bauchhöhle ist nach Erhärtung des ganzen Thieres in 700%/, Alkohol breit eröffnet. Die rechte vordere Extremität ist entfernt, die Hinterextremitäten kurz in den Oberschenkeln amputirt. Die ganze Bauchhöhle zeigt zwischen den den Decken anliegenden Schlingen der Eileiter die auf der Wanderung zu den Eileiteröffnungen begriffenen, eben aus dem Eierstock Fig. 5. Zur Mechanik der Eiablage bei Rana fusca. 499 entleerten Eier. Die ganze in der vorigen Figur ausgeräumte, unter dem Ligamentum triangulare hepatis, zwischen Leber und seitlicher Rumpfwand gelegene Lungentasche ist mit Sehlingen des Eileiters und mit Eiern ausgefüllt. In der Um- gebung des rechten Leberlappens sieht man rechts das Liga- mentum suspensorium hepatis, das Herz, das Ligamentum coronarium und triangulare hepatis und zwischen diesen und der peritonealen Wand des Reservoir sternal den Eingang zum rechten Eileiter, der, wie aus der vorigen Figur erkennt- lich ist, hier in seinem weiteren Verlauf nicht zu übersehen ist. Erst nach Entfernung des Inhaltes der Lungentasche bis auf die Lunge selbst würde der Anfangstheil des rechten Ei- leiters unterhalb des Ligamentum triangualare hepatis gesehen werden können. Das Präparat ist so hergerichtet, dass man von innen die Eingeweide in der Umgebung des Einganges zum Eileiter der linken Seite betrachten kann. Weibehen der Rana fusca decapitirt und auf die Schnitt- fläche des Thorax senkrecht aufgestellt. Die Bauchhöhle ist durch einen Querschnitt eröffnet und die Bauchmus- kulatur nach der Richtung gegen den Kopf zu umgeschlagen. Oi. M. obliquus abdominis internus. Der Eileiter liegt auf dem Muskel. Man sieht die Insertionen am Re£servoir sternal und am Sternum, wo neben der Mittellinie Rectus ab- dominis und M. sternohyoideus verlaufen. Der linke Leberlappen ist nach rechts herübergezogen; neben ihm ist der dorsale Leberlappen und die Gallenblase siehtbar. In der Mittellinie verläuft die Vena abdominalis anterior gegen die Leber; nach den Seiten zu die Wandung des Reservoir sternal, durch die das Herz durchschimmert. Von dem oberen Leberrande zieht über die Lungenwurzel hin das Ligamentum triangulare hepatis; man sieht in den Ein- gang zum Eileiter hinein. Die linke Lunge ist nach rechts herübergezogen, der Eileiter zieht über ihre Wurzel von der Mittellinie her gegen die laterale Rumpfwand, legt sich lateral an den Oesophagus an und bekommt bei * ein eigenes Mesenterium. Unter der Leber her zieht der Oesophagus, rechts unter der Leber erscheint Magen und Dünndarm. Oi, Portion des M. obliquus abdominis internus zum Oesophagus. Oi, zur Lunge. Oi, zum Herzbeutel. Oi,, zum Sternum. st, M. sternohyoideus. Ra, M. reetus abdominis. V. a, Vena abdominalis anterior. @., Gallenblase. M, Magen. R. L., linker Leberlappen. U. L., dorsaler Leberlappen. Zg, linke Lunge. Oe, Oesophagus. E, Eileiter. * Beginn des frei- beweglichen Theiles des Eileiters. 500 M. Nussbaum: Zur Mechanik der Eiablage bei Rana fusca. Fig. 6. Schnitt durch ein in der Entleerung begriffenes Ovarium von Rana fusca. a Stroma des Eierstocks. b Theca folliculi eines für die vorliegende Brunst zur Entleerung bestimmten reifen Eies. c Das Follikelepithel dieses Eies. d Der Dotter des Eies. e Das Follikelepithel eines entleerten und nach der peritonealen Seite hin geplatzten Eifollikels. NB. Das Stroma ist an dem geplatzten Follikel contrahirt und erscheint deshalb dicker. Glatte Muskeln und Blutgefässe bei stärkerer Vergrösserung deutlich sichtbar. Zeiss A. Oc. I. (Aus dem anatomischen Institut zu Bonn.) Die Entwicklung der unpaaren und paarigen Flossen der Teleostier. Von Dr. phil. R. &. Harrison. Hierzu Tafel XXIV, XXV, XXVI und XXVII. Die vorliegende Abhandlung behandelt die Entwicklungs- geschichte der unpaaren und paarigen Flossen der Teleostier nach Untersuchungen am Salmo salar, den man wohl als einen für diese Zwecke geeigneten Repräsentanten der Knochen- fische bezeichnen darf. Das Studium der Entwieklung so hoch organisirter Fische als der Teleostier wird kaum viel Licht auf den Ursprung der Wirbelthierorgane werfen können; aber augenblicklich tritt bei der Behandlung der Frage nach der Entstehung der paarigen Extremitäten die Bedeutung der Phylogenese in den Hinter- grund, seitdem die neueren Arbeiten über die Entwicklung der Flossen bei den tiefer stehenden Selachiern mit Bezug auf diesen Punkt zu Gunsten der. neuesten der beiden Theorien, d. h. der- jenigen von Thacher, Mivart und Balfour solch’ gewich- tiges Beweismaterial schon geliefert haben. R.G. Harrison: Die Entwickl. d. unpaaren u. paarigen Flossen ete. 501 Vergleiehungen in der Entwieklung der höheren und der niederen Formen sind trotzdem bedeutungsvoll, und vielleicht um so mehr, wenn man die Unterschiede besonders hervorhebt und offen auf sie hinweist. Die Mechanik des Entwicklungsvorganges wird öfter viel leichter durch die logische Verwerthung der Unterschiede der einzelnen Formen erkannt werden können. Die Embryologie büsst ihre Bedeutung zu einem nieht geringen Theile ein, wenn sie ausschliesslich in den starren Dienst der Lehre gestellt wird, dass alles eine Wiederholung sei. Demgemäss wird im Lauf der nachfolgenden Beschreibung des öfteren auf die Arbeiten Dohrn’s (84 und 85), P.Mayer'’s (85), Rabl’s (92) und Mollier’s (93) über die Selachier-Flossen zum Zwecke der Vergleichung eingegangen werden. Die Ab- weichungen in der Entwicklung bei den Teleostiern, weiche auf diese Weise zu Tage treten werden, sind nieht unbedeutend; doch fehlen die Zwischenstadien nicht. Es wird also immerhin gezeigt. werden können, wie die Veränderungen zu Stande kamen. Denn die unpaaren Flossen erhalten sich eine Menge primitiver Charaktere, die Beekenflosse ‚weniger und vou allen Flossen am wenigsten die Brustflosse. Diese entwicklungsgeschichtlichen Ergebnisse stimmen überein mit den Erfahrungen der vergleichen- den Anatomie. Das bedeutsamste Ergebniss des Studiums der Entwicklung der Selachierflossen scheint mir darin gegeben zu sein, dass während Knorpel und Bindegewebe mesenchymatischen Ursprungs sind, die Muskulatur in Form von knospenartigen Auswüchsen von einer beträchtlichen Zahl von Urwirbeln entsteht. Das gilt sowohl für unpaare wie für paarige Flossen. Bei den höheren Wirbelthieren bemerkt man mehrere wichtige Verschiedenheiten in der Entwieklung. Die Zahl der Somiten, die zur Bildung der paarigen Extremitäten beitragen, ist geringer und die doppelte Quelle der Mesodermelemente ist im günstigsten Falle nur un- deutlich zu erkennen. Trotzdem haben nach der Entdeckung der Muskelknospen bei den Selachiern alle Embryologen, die sich mit der Entwicklung der Gliedmassen der höheren Wirbelthiere beschäf- tigt haben, die Muskulatur derselben auch von Auswüchsen der Ur- wirbel irgend einer Art abgeleitet, wenn sie auch zugaben, dass der Vorgang undeutlicher geworden sei. Paterson (87) bildet 502 R:. GG. Harrison: die einzige Ausnahme und seine Anschauungen sind fast allge- mein, wenn auch vielleicht mit Unrecht, zurückgewiesen worden. Man hat bis jetzt nicht hinreichend zufriedenstellend nach- weisen können, dass die Auswüchse der Urwirbel, die in der Region der Gliedmassen höherer Wirbelthierembryonen von Zeit zu Zeit beschrieben wurden, wirklich mit den Muskelknospen der Selachier vergleichbar sind. Dies trifft um so mehr zu, als fast alle Beobachter die Entwicklung der ventralen Rumpf- muskulatur und der Muskeln in der Hypoglossusregion nicht hin- reichend berücksichtigt haben. Diese Muskelgruppen werden beide in der That als ventrale Fortsätze der Urwirbel gebildet, die auf Querschnitten leicht mit wirklichen Muskelknospen ver- wechselt werden können. Bevor wir daher die Annahme machen, dass die Extremi- tätenmuskulatur in allen Wirbelthierklassen sich wie bei den Selachiern direkt aus den Urwirbeln entwickeln müsse, wird eine Untersuchung am Platze sein, ob diese Annahme durch unsere augenblickliche Kenntniss embryologischer Vorgänge ge- rechtfertigt sei. Die Beantwortung der Frage liegt im wesent- lichen auf histogenetischem Gebiet und ist so eng mit dem Studium der Differenzirung des Mesoderm verknüpft, dass man es verzeihlich finden wird, wenn ich auf einige allgemeine Er- gebnisse auf diesem Gebiete hier eingehe. In dem Mesoderm pflegt man zweierlei Gewebsarten zu unter- scheiden. In den früheren Entwicklungsstadien aber besteht dieses Keimblatt aus Zellen, die ganz epithelial geordnet sind und die ursprüngliche Leibeshöhle nach aussen zu gegen das Eetoderm und nach innen zu gegen den Darm etc. begrenzen. Durch Faltenbildungen und Abschnürungen gehen aus diesen zwei Epithelplatten die Urwirbel, die Urmierencanälchen und die Seitenplatten oder Wandung der definitiven Leibeshöhle hervor. Aus diesem ursprünglich epithelialen Mesoblast entsteht auch die zweite Gewebsart und zwar dadurch, dass an den verschiedensten Stellen einzelne Zellen sich von dem epithelialen Verband los- lösen und, indem sie in die Lücken zwischen den einzelnen Or- ganen einwandern, ein embryonales Bindegewebe oder Mesenchym bilden. Somit lässt sich ein epitheliales Mesoderm oder Mesothel und ein bindegewebiges Mesoderm oder Mesenchym unterscheiden. Nach der Mehrzahl der Beobachter (Rabl 92, Maurer Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 503 91 u. 94, u.a.) entstehen alle quergestreiften Muskeln ausschliess- lich aus einem scharf begrenzten Theil des ursprünglichen Me- soderm, d. h. aus der medialen Wand der Urwirbel, der Muskel- platte. Nur in dem Kopf ist es nachgewiesen worden (van Wyhe 82, Dohrn 84), dass Kiefer- und Kiemenbogenmuskeln aus dem Theil des mittleren Keimblattes entstehen, welches den Seitenplatten des Rumpfes entspricht. Im Kopf von Ammocoetes leitet v. Kupffer (94 p. 48) die Muskeln des Mundes sogar aus der inneren Schicht des Eetoderms, der Neurodermis, ab). Von einigen Beobachtern (Ziegler 88, Kästner 9, Kollmann 9) wird angegeben, dass auch die laterale Wand der Urwirbel, Cutisplatte, wenn auch nur in begrenztem Maasse, an der Muskelbildung sich betheilige. Dem Mesenchym wird aber von allen Seiten die Fähigkeit abgesprochen, sich in quer- gestreifte Muskeln zu differenziren ?). Die Muskulatur der Wirbel- thiere ist nach diesen Ansichten rein epithelialen Ursprungs. Einige Autoren (Maurer 94) gehen sogar so weit den Nachweis zu versuchen, dass die einzelnen Muskelfaserbündel sich aus Epi- thelbezirken umbilden, die aus Faltenbildungen der anfänglich einschicehtigen Muskelplatte hervorgehen. Man wird leicht erkennen, dass diese Auffassung von der Differenzirung des Mesoderm eime Consequenz der bekannten Ooe- lomtheorie der Gebrüder Hertwig (82) ist. Mit andern Worten: es ist ein Versuch, das in der Keimblättertheorie enthaltene Prineip auf die Faltenbildung des Mesoderm zu übertragen. Es liegt mir fern, die Bedeutung der eben in Betracht ge- zogenen Untersuchungen zu verkennen; trotzdem scheint es mir noch nicht hinreichend bewiesen zu sein, dass die Faltenbildung des Mesoderm der Ausdruck einer qualitativen Differenzirung sei, so dass bei gegebener Lagerung aus bestimmten Zellen nur be- stimmte Gewebe hervorgehen könnten. Auch steht der Beweis 1) In seinem Vortrag vor der Anatomischen Gesellschaft in Basel hält v. Kupffer (9) diese Angaben nicht nur aufrecht, sondern lässt auch andere Muskeln des Kopfes aus dieser Neurodermis, welche er jetzt als Branchiodermis bezeichnet, entstehen. 2) In einigen älteren Arbeiten, wie z. B. in der Entwicklungs- geschichte der Unke, wird angegeben, dass einzelne Muskeln aus dem interstitiellen Bildungsgewebe, wie Goette das Mesenchym bezeichnend nannte, hervorgehen. 504 R. G. Harrison: noch aus, dass die bei einer Wirbelthierklasse in früheren Stadien beobachtete gewebliche Differenzirung bestimmte Zellgruppen mit Notwendigkeit auf gleiche Weise sich bei allen anderen Klassen vollziehen müsse. Gerade die Differenzirung in Mesenchym und Mesothelium ist keine absolute, seitdem es sich herausgestellt hat, dass be- stimmte Organe bei einer Species durch Faltenbildung aus dem Mesothel, bei eimer anderen Species durch Anhäufung mesen- chymatischer Zellen gebildet werden. Auch bei der Entwicklung der Gliedmassen in den höheren Wirbelthierklassen gehen Muskel, Knorpel und Bindegewebe gleichzeitig aus einem nicht epithelialen Blastem hervor, das, soweit unsere Beobachtungsmittel reichen, durchaus gleichartig aufgebaut ist. Man würde nur wenig dadurch gewinnen, wenn man annähme, dass trotz der Gleichartigkeit der Zellen sie den- noch von verschiedenen Quellen abstammen und diese verschiedene Abstammung im Laufe der Gewebebildung wieder deutlich zum Ausdruck brächten. Sicherlich gibt es noch einen anderen mindestens gleich wahrscheimlichen Gesichtspunkt in der An- nahme, dass die mesenchymatischen Zellen, die sich vorher aus dem Verbande des epithelialen Mesoderm abgelöst haben, und die Anlage der Extremitäten bilden, zu‘ jener Zeit noch durch- aus undifferenzirte Mesodermzellen sind, und, dass die ver- schiedenen Einflüsse, welche ihre Differenzirung späterhin be- wirken, erst dann sich geltend machen können, wenn die Zellen ihre endgültige Lage in der Extremitätenanlage eingenommen haben. | | Was somit klar gestellt werden muss, ist die Frage: zu welcher Zeit der embryonalen Entwicklung ist für die einzelnen Klassen das Zellenmaterial des Mesoderm in die eine Gruppe für die Muskeln und die andere für Bindegewebe streng ge- schieden? Kann man mit Sicherheit nachweisen, dass bei allen Wirbelthierklassen die Muskeln der Extremitäten aus Muskelknospen entstehen, so muss man die augenblicklich geläufige Vorstellung annehmen, d. h. dass die Differenzirung schon in einem frühen Stadium sich vollzieht, und dass die embryonale Anlage des ganzen Muskelsystems eine einheitliche ist. Lässt sich dagegen nachweisen, dass die Muskeln der Gliedmassen sich aus Mesen- chym entwickeln, so tritt die Differenzirung erst später ein und Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 505 es ist nicht länger möglich sich vorzustellen, dass das ganze Muskelsystem aus einer einheitlichen und gleichartigen Anlage entstehe. Dabei muss gleichzeitig betont werden, dass, was für die eine Klasse gelte, nicht unbedingt für die andere zutreffen müsse. Die nachfolgende Darstellung wird sich wesentlich mit der Prüfung der Erschemungen beschäftigen, welche bei der entwieklungsgeschichtlichen Untersuchung der Knochenfische zur Entscheidung dieser Frage von Belang sind. Der beschreibende Theil der Arbeit zerfällt dem Titel ent- sprechend in zwei Capitel. Das erste betrifft die am wenigsten von den primitiven Verhalten bei Selachiern abweichenden un- paaren Flossen. Das zweite hat zwei Abschnitte, von denen der erste die Bauchflosse und der zweite die Brustflosse behandelt. Im Eingang eines jeden Capitels findet man eine kurze anato- mische Beschreibung der betreffenden Flosse des erwachsenen Lachses. Ganz neu sind einige der Ermittelungen über die Innervirung der Flossen beim erwachsenen Thiere. Die Be- schreibung der Muskeln und soweit es für unsere Zwecke nöthig ist, auch des Skeletes, wurden beigefügt, um auch dem mit diesem Gegenstand weniger Vertrauten nicht unverständlich zu bleiben. So viel ich weiss, gibt es für diese Dinge noch keine leicht zugängliche Darstellung. Ueber die Methoden der Untersuchung kann ich mich kurz fassen. Eine gesättigte Lösung von Sublimat in fünfprozentiger Essigsäure erwies sich am geeignetsten, die Gewebe für die histologische Untersuchung vorzubereiten. Schöne Färhungen wurden mit Delafield’s Hämatoxylin und nachfolgender Be- handlung mit Pikrinsäure erzielt. Die untersuchten Serienschnitte waren im allgemeinen 5 u dick. Die Altersangaben von Embryonen beziehen sich auf die in fliessendem Wasser bei 8° C. ausgebrüteten Eier. An dieser Stelle seien mir noch einige Bemerkungen per- sönlicher Natur gestattet. Die Arbeit wurde im anatomischen Institut zu Bonn auf die Anregung und unter Leitung von Prof. M. Nussbaum begonnen. Ich habe sie dann selbstständig im Biologischen Laboratorium der Johns Hopkins-Universität zu Ende geführt. Die Abhandlung lag in einer wenig von der jetzigen abweichenden Form im Mai 1894 vor. Die Hauptresultate sind 506 R. G. Harrison: zu jener Zeit in einer vorläufigen Mittheilung veröffentlicht worden (Harrison 94, 1). Aeussere Umstände haben die Herausgabe über Gebühr verzögert, wenn auch gerade ‘dadurch die neuere Literatur noch berücksichtigt und die Anatomie des erwachsenen Thieres eingehender studirt werden Konnte. Herrn Prof. Nussbaum statte ich vielen Dank für seine Anregungen und Unterstützungen ab. Ebenso fühle ich mich Herın Prof. W.K. Brooks verpflichtet, der mit warmem Inter- esse meinen Arbeiten während meines Aufenthaltes in Baltimore gefolgt ist. | Das Untersuchungsmaterial stellte mir Herr Geheimrath von la Valette St. George in Bonn und Herr Col. Marshall M® Donald, Commissioner of Fish u. Fisheries in Washington in dankenswerthester Weise zur Verfügung. Die unpaaren Flossen. Von den unpaaren Flossen kommen nur die Rückenflossen und die Afterflossen in Betracht. Die Fettflosse enthält keine Muskeln (v. la Valette St. George, 80). Die Schwanzflosse ist so bedeutend verändert, dass sie nicht in den Rahmen der vorliegenden Arbeit hineinfällt. Rücken- und Afterflosse haben im wesentlichen denselben Bau und gleiche Entwicklung, so dass die folgende Beschreibung sich auf beide bezieht. Anatomisches. Diese Flossen bestehen aus einer Zahl von Metameren mit ungefähr demselben Bau. Die Zahl ihrer Segmente ist aber etwas variabel. In dem von mir untersuchten Lachs hat die Rücken- flosse fünfzehn Segmente; während für gewöhnlich nur vierzehn Segmente gefunden werden. Jedes Segment hat einen Flossenstrahl (Fig. 10a und 29 fst.), der aus zwei Hälften, auf jeder Seite eine, besteht; einen Flossenstrahlträger (fsttr) und drei Paar Muskeln, die schräg unter emem Winkel von ca. 45° zur Körperachse verlaufen. Die Strahlen sind beweglich, das Gelenk befindet sich aber nicht direct zwischen ihnen und den Trägern. Die Strahlen sind nämlich an ihrer Basis durch starkes Bindegewebe an eine kleine knorpelige Kugel (knk) befestigt und zwischen dieser Kugel und dem Flossenstrahlträger liegt das Gelenk. Die Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 507 Muskeln befestigen sich alle nahe der Basis der Strahlen. Die beigegebene Abbildung (Fig. 29) bezieht sich auf die Muskeln des Goldfisches. Beim Lachs ist der Bau im wesentlichen der- selbe. Nur sind die einzelnen Muskeln verhältnissmässig länger und schmäler. Der M. ereetor (m.e) entspringt von zwei Flossenstrahl- trägern, d. h. von dem zum betreffenden Strahl gehörigen und von dem nächst folgenden. Wegen der starken Biegung des Trägers an seinem Gelenkende mit caudalwärts geriehteter Con- cavität erscheint dieser Muskel von der Seite gesehen ganz auf der caudalen Seite des betreffenden Trägers zu liegen. Der Muskel befestigt sich oral an der Basis des Strahles; er ist der stärkste unter den dreien und richtet den Flossenstrahl auf. Der M. depressor (m.dep.) entspringt von einem Flossen- strahlträger und geht zu dem nächsten oral gelegenen Strahl, an dessen Basis er sich an einem caudal gelegenen Fortsatz be- festigt. Dieser Muskel bedeckt zum Theil den M. ereetor und drückt den Flossenstrahl nieder. Der M. inelinator (m.ine.) entspringt von der Haut oralwärts zum zugehörigen Strahl und ziemlich seitlich von der Flosse. Er befestigt sich ein wenig distal von den Ansatzpunkten der beiden anderen Muskeln und neigt, wenn er einseitig wirkt, den Flossenstrahl zur Seite. Er stebt an Mächtigkeit hinter den anderen Flossenmuskeln zurück und ist bisher nicht besonders be- nannt worden, wenn er auch nicht übersehen wurde. Während der Bau des Flossensegments den eben beschrie- benen Typus im allgemeinen aufweist, weichen einige Segmente in gewisser Weise davon ab. Das erste Segment ist sehr klein und unentwickelt. Der Strahl ist kaum zu erkennen und nur ein Muskelpaar, der M. inelinator ist entwickelt. Auch das zweite Segment ist kleiner als die Folgenden. Nur zwei Muskeln — der M. inelinator und erector sind vorhanden. Das dritte bis vierzehnte Segment einschliesslich sind völlig ausge- bildet. Das fünfzehnte oder letzte Segment hat zwei Strahlen auf einem Träger. Es finden sich ein kleiner M. inelinator und ein mächtiger M. ereetor, der mindestens doppelt so stark als bei den anderen Segmenten ist. Ausser den in der Flosse gelegenen Muskeln sind noch zwei Paare von Muskeln vorhanden, die von aussen an die Flosse Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46 39 508 R. G. Harrison: herantreten: die Mm. earinalis anterior und posterior. Beide bestehen aus schlanken Muskelbündeln. Der vordere ea- rinalis zieht von der Oceipitalregion zum ersten Flossenstrahl- träger hin; der M.carinalisposterior von einem besonderen Fortsatz des letzten Flossenstrahlträgers gegen den Schwanz. Zwischen dem Skelet der unpaaren Flossen und den Fortsätzen der Wirbelsäule bestehen keine Gelenkverbindungen. Die Zahl der Wirbel in der Flossenregion ist kleiner als die Zahl der Flossensegmente. In dem von mir untersuchten Exemplar von S. salar reichen von den vierzehn Flossenstrahlträgern dreizehn bis dieht an die Dornfortsätze der Wirbelsäule heran. Auf diese dreizehn Träger kommen aber nur zwölf Wirbel. Die Afterflosse hat für gewöhnlich zehn oder elf Segmente, von denen die vorderen ähnlichen Variationen wie bei der Rücken- flosse unterworfen sind. Die unpaaren Flossen werden von mehreren Rückenmarks- nerven, die zu einem reich verzweigten Plexus zusammentreten, innervirt. Ich zählte bei dem beschriebenen Exemplar elf Nerven- stämme in der Rückenflosse. Man hat bisher angegeben, dass die zu den unpaaren Flosseu tretenden Nerven bei vielen Teleo- stiern sich mittelst eines entlang der Flosse laufenden Längsstammes vereinigen. So findet man bei Owen (66), M®. Murrich (84) die Darstellung, dass ein Zweig des R. lateralis vagi oder R. lateralis trigemini bei dem Uebergang der Rückenmarks- nerven zu dem genannten Längsstamme als Colleetor fungire, und dass von diesem N. Collector Zweige zur Flossenwand, zu den Flossenmuskeln und zu den Mm. earinales hinziehen. Nach der Veröffentliehung meiner vorläufigen Mittheilung habe ich diesen Gegenstand eingehender mit der von Nuss- baum (95) mitgetheilten Methode untersucht und gefunden, dass die alten Anschauungen über die Vertheilung der Nerven in den Fischflossen emer gewissen Umänderung zu unter- werfen sind. Lachs und Forelle sind für diese Untersuchung höchst un- geeignet wegen des stark entwickelten Fettlagers zwischen Haut und Muskeln. Wenn man sich der Mühe unterzieht, das Mus- keln und Nerven umhüllende Fettgewebe zu entfernen, so zeigt sich, dass kein Zweig des Vagus vorhanden ist, der dem dorsa- ’ Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 509 len Zweige des R. lateralis entspräche, wie man ihn bei mehreren anderen Knochenfischen findet. Unter den Mm. earinales liegt ein längsverlaufender Nerv, der aber ausschliesslich durch Vereinigung von Rücken- marksnerven gebildet ist. Jeder einzelne Rückenmarksnerv zer- fällt nahe dem Muskel in Zweige, von denen einer mit dem nächstgelegenen Zweig des vorhergehenden, der andere mit dem nächstgelegenen Zweig des folgenden Nerven sich vereinigt. Aus dieser längsverlaufenden Arcadenbildung entspringen die Zweige zu den Mm. earinales. In der Flosse selbst anastomosiren die benachbarten Ner- ven mit einander; doch war es mir nicht möglich, ein allgemein gültiges Gesetz ihrer Verzweigung festzustellen. Im Gegensatz zu Lachs und Forelle ist der gewöhnliche Goldfisch (Carassius auratus) ein ungemein günstiges Objekt für die Untersuchung der peripheren markhaltigen Nerven. Der Goldfisch hat nur wenig oder gar kein Fett und der ganze Ner- venplexus der Rückenflosse und kopfwärts von ihr. liegt frei zwi- schen Rumpf- und Flossenmuskulatur, so dass, wenn man die Rumpfmuskulatur zurückklappt, die Osmiumsäure unmittelbar auf die Nerven einwirken kann. Beim Goldfisch gibt der R. lateralis vagi in der Ge- gend dieht unter dem Schultergürtel einen mächtigen Zweig ab, der dorsal und caudal sich wendend dicht unter der Haut an der Basis der Rückenflosse verläuft. Unterwegs gibt er reichlich Zweige zu den Hautsinnesorganen. Der Plexus der Rückenmarksnerven in der Flossengegend ist von einer geradezu überraschenden Schönheit. Diese Nerven treten unter einander durch eine Reihe von Bogen in Verbin- dung, um von da aus in zahlreiche Aeste zu zerfallen, die einen sehr feinen Plexus oberhalb der Muskeln bilden. Dieser Plexus ist bei verschiedenen Exemplaren verschieden und zeigt auch Abweichungen in den einzelnen Segmenten. Eine Vorstellung von dem im allgemeinen eingehaltenen Verlauf der Nerven ver- sucht Figur 29 zu geben. Jeder Flossenstrahl bekommt einen besonderen Nervenzweig (n. fst.), der zwischen den beiden Plat- ten verläuft, aus denen jeder Strahl sich zusammensetzt. Der Eintritt der Muskelnerven (ne.) liegt nicht weit von der Mitte jedes einzelnen Muskels nach dem peripheren Ende zu. 510 R.IGSElarrı som? Prüft man nun die Beziehungen dieses Nervenplexuses zum R. lateralis vagi, so zeigt sich dass der Vagusast oberfläch- licher gelegen ist und dass er im Gegensatz zu den älteren An- gaben nicht mit den Rückenmarksnerven anastomosirt. Der R. lateralis gibt Zweige zur Haut der Flossenbasis ab, kann aber in die Flosse selbst nicht weiter verfolgt werden. An dem ora- len Ende der Flosse aber ist der Plexus der Rückenmarcksnerven complieirter und hier finden sich einige Anastomosen zwischen Vagus und Rückenmarcksnerven. Die Anastomosen liegen aber alle distal von den aus den Rückenmarksnerven entsprungene Muskelnerven. Zur Entscheidung der Frage ob Vagusfasern überhaupt zu Flossenmuskeln herantreten, konnte ein einfaches Experiment am geköpften Fisch angestellt werden. Nachdem beim Goldfisch und der Carausche Gehirn und Rückenmark zerstört war, wurde der R. lateralis vagi vom oralen gegen das caudale Ende zu in kurzen Abständen mit der Scheere durchschnitten, aber trotz dieser mechanischen Reizung im ganzen Verlauf des Nerven trat in keinem Flossen- muskeln Zuckung auf. Durchschnitt ich in gleicher Weise den zur Rückenflosse ziehenden dorsalen Zweig des R. lateralis vagi, so trat auch in dieser Flosse keine Muskeleontraetion ein. Wurden dagegen auf gleicher Weise durch Scheerenschnitte Rücken- marksnerven gereizt, so erfolgten regelmässig Zuckungen der zu- gehörigen Flossenmuskel. Es verdient noch besonders bemerkt zu werden, dass die Art der Plexusbildung in den Flossen der Knochenfische unge- mein varürt. Es ist daher möglich, dass bei gewissen Species reichlichere Anastomosen zwischen Vagus und Rückenmarksnerven vorhanden sind, als bei den von mir untersuchten Cyprinoiden. Ein genaueres vergleichendes Studium dieser Verhältnisse gehört jedoch nicht . hierher. Jedenfalls ist man berechtigt aus den anatomischen und physiologischen Ergebnissen der Untersuchung von Salmo und Carassius zu schliessen, dass der Vagus keinen wesentlichen Antheil an der Plexusbildung der Flossen- nerven nimmt, und dass er vor allem sich an der Innervation der Flossenmuskulatur nicht betheiligt. Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 511 Entwieklungsgeschichte. Bekanntlieh besitzt der Embryo der Teleostier einen Ecto- derm-Saum in der Rückenmittellinie, der hinter dem Kopfe be- ginnt, sich bis zum Schwanz und um denselben fortsetzt, wo er in einen ähnlichen Bauchsaum übergeht, der sich bis zum Dotter- sack erstreckt. Die unpaaren Flossen entwickeln sich als ge- sonderte Ausbildungen gewisser Theile dieses Saumes, während die übrigen Theile desselben im Laufe der Entwicklung des Embryos verschwinden. Dieser unpaare Saum ist im allgemeinen höher entwickelt als bei den Selachiern. Bei. den lebendig gebärenden Rochen z. B. ist nach Mayer (85) ein fortlaufender Saum nieht vor- handen, sondern die Flossen entstehen als unabhängige lokale Gebilde. Auch bei den Selachiern ist kein vor dem After lie- gender Saum vorhanden, ein Umstand, weleher Dohrn — zur Stütze seiner Theorie, dass der unpaare Saum nur das Resultat einer Verschmelzung der zwei Seitensäume sei — zu der Ansicht geführt hat, dass dieser Theil bei den Knochenfischen sekundär erworben ist, und dass er nicht mit den übrigen Theilen des Saumes homodynam ist. Trotzdem zeigt sich der Saum vor dem After in jeder Hinsicht ähnlich den Theilen, welehe die unpaaren Flossen verbinden; sogar darin, dass er Hornfäden hat. Der unpaare Saum entsteht in ungefähr derselben Weise wie der Saum der Brustflosse, wie schon Boyer (92) beschrie- ben hat. Um die Zeit der Entstehung ist die Epidermis zwei- schichtig. Die innere Schicht besteht aus grossen, fast eubischen Zellen, die von der äusserst dünnen oberflächlichen Zellenschicht bedeckt werden. Die ersten Spuren der Entwicklung des Saumes zeigen sich darin, dass die Zellen der inneren Schicht sich etwas diehter in der Rückenmittellinie an einander drängen und eine Verdiekung dieser Schicht verursachen (Fig. 1). Irgend welche. damit Hand in Hand gehenden Veränderungen können in dieser Zeit in der äusseren Schicht nicht beobachtet werden. Bald nach der Entstehung der Verdiekung in der inneren: Schicht bildet sich allmählich eine Falte (Fig. 2 und 3ef.) an der ver- diekten Stelle. Die Stelle, an der man den Rückensaum zuerst erkennen kann, ist in der Mitte der Rückenseite, etwas vor der Gegend 512 R. G. Harrison: der künftigen Rückenflosse. Von dort dehnt er sich rasch nach vorn und hinten aus. Seine vordere Grenze ist schliesslich in der Gegend des vierten Körpersegmentes, d. h. in der Brust- flossengegend gelegen. Der Bauchsaum entsteht, während sich der Embryo von dem Dottersack abhebt. Der Saum bildet sich bald zu einer scharf ausgeprägten Leiste aus, welehe beträchtlich über die Conturen des Körpers hervorragt. Zuerst ist er mit einer einfachen Flüssigkeit oder Gallerte gefüllt, aber bald darauf wandern Mesenchymzellen in ihn hinein und bilden mit ihren verzweigten Fortsätzen ein loses Netzwerk (Fig. 4 mes.). Die ersten Spuren der Flossen sind Verdichtungen dieser Mesenchymzellen in bestimmten Gegenden. Die Verdichtung am Schwanz erscheint zuerst und wird bald von einer ähnlichen be- gleitet am Rückensaum, die sich vom zwanzigsten bis zum dreissig- sten Urwirbel erstreckt. Scharfe Grenzen lassen sich nicht ganz genau bestimmen, da das verdickte Gebiet allmählich in das lockere Gewebe der zwischenliegenden Theile des Saumes über- geht. Diese Verdickung ist die Anlage der Rückenflosse. Etwas später entsteht die Afterflosse t) als eine Verdiekung des ventralen Saumes, die sich von dem dritten bis zum zehnten Urwirbel unterhalb des Afters, d. h. vom neununddreissigsten bis zum siebenundvierzigsten Körpersegment ausbreitet. Noch etwas später bricht die Anlage der Fettflosse (7.) aus dem Rückensaum her- vor. Die relative Lage der verschiedenen Flossen veranschau- licht Fig. 30, obgleich sie ein älteres Stadium darstellt. Wie diese Zellanhäufungen zu Stande kommen, habe ich nicht genau constatiren können. Um diese Zeit gibt es überall im Mesenehym des Flossensaumes viele Mitosen. Ob sie sich aber hauptsächlich in den künftigen Flossen finden, ist zweifel- haft. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass Bewegungen der Zellen nach bestimmten Gegenden zu stattfinden. Die Flossen- anlagen wären demnach als wahre Ansammlungen von Zellen zu betrachten. Zu der Zeit, wenn die genannten Mesenchymanhäufungen 1) Bei der Regenbogenforelle (Salmo irideus) ist das Um- gekehrte der Fall, d. h. die Afterflosse eilt in der Entwicklung der Rückenflosse voraus. Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 513 stattfinden, weisen die Zellen der Muskelplatte bereits Muskel- fibrillen auf (Fig. 4 my.). Dorsal, lateral und ventral umgibt ‘die Cutisplatte (cpl.), welche aus einer einzelnen Lage Epithel- zellen zusammengesetzt ist, die Muskelmasse. Dorsal und ventral sind die Zellen euboid, während»sie lateral gegen das Eetoderm hin abgeplattet sind. Die Muskelzellen der dorsalen und ventra- len Kanten der Urwirbel bleiben lange Zeit undifferenzirt und bilden, wie neuere Beobachter betonen, die wachsenden Bestand- theile der Rumpfmuskulatur. Im Profil ist jedes Myotom >-förmig gestaltet, wobei natür- lich die Spitze zum Kopf gerichtet ist. Beim späteren Wachs- thum biegen sich die Dorsal- und Ventralenden nach vorn um und nehmen eine Z-ähnliche Gestalt an, die man beim erwach- senen Fisch leicht constatiren kann. Bald nachdem die mesenchymatische Anlage der Rücken- flosse erschienen ist, findet auf dem vorderen dorsalen Winkel jedes Myotoms der Flossengegend eine Vermehrung des das Myotom umgebenden Epithels statt, so dass dasselbe aus den Dorsaleontouren des Myotoms etwas hervorragt. Diese Hervor- ragungen sind zuerst stäbehenförmig, aber am äusseren Ende ab- gerundet und bilden alle solide Fortsätze aus Zellen, die epithel- artig gelagert sind (Fig. 5 mkn.). Dieses sind die Muskelknospen, die erste Anlage der Muskulatur der Flosse. Von Dohrn (85) sind sie schon erwähnt worden, wenn auch ohne weitere Einzel- heiten. Die Knospen verlängern sich und wachsen dabei weiter in den Flossensaum hinein. Gleichzeitig vermehren sich die die Knospen zusammensetzenden Zellen und zwar besonders an den peripheren Enden derselben, so dass die Zellen nicht mehr ein Epithel bilden. Dabei entsteht am äusseren Ende eine kolben- förmige Verdiekung, die durch einen dünneren Stiel mit dem Myotom noch zusammenhängt. In diesem Stadium gleichen die Kerne der Knospen denjenigen der noch nicht differenzirten Muskelzellen am Rande des Myotoms und auch den Mesenchym- kernen des Flossensaumes (siehe p. 516). Man kann die Zellgrenzen in den jungen Knospen eben noch wahrnehmen (Fig. 5), während sie später nach und nach ganz verschwinden (Fig. 6). Bei Uebersichtspräparaten erscheinen die Muskelknospen als zarte Hervorragungen von tiefer gefärbtem Gewebe, die sich von 514 R. G. Harrison: den Myotomen bis in den Flossensaum erstrecken (Fig. 30 rfu. af). Diejenigen, welche der Mitte der Flosse angehören, stehen nahezu senkrecht auf der Achse des Körpers, während die anderen einen um so kleineren Winkel mit derselben bilden, je weiter sie nach den Enden Zu stehen. Die Anzahl der Knospen, welche in die Rückenflossenanlage hineinwachsen, ist nicht constant. In den meisten Fällen (90 %/,) ist der dreissigste Urwirbel der letzte, welcher eine Muskelknospe abgibt, die wirklich. in die Flossenanlage hineinwächst. Es muss aber zugestanden wer- den, dass in gewissen Fällen es fast unmöglich zu entscheiden ist, ob die betreffende Knospe für die Flossenanlage bestimmt ist. Dies kommt daher, dass ausser den Knospen, die der Flossenregion angehören, es noch andere rudimentär entwickelte Knospen gibt, die von den caudal und cranial von der Flossen- anlage liegenden Urwirbeln abstammen. Von diesen wird nach- her die Rede sein (siehe p. 522). Noch schwieriger als die Bestimmung der hintersten Knospe ist die Bestimmung der vordersten Knospe. Doch ist in den mei- sten Fällen die von dem zwanzigsten Urwirbel abstammende Knospe die vorderste. Somit sind es in der Regel elf Knospen, die in die Anlage der Rückflosse hineingerathen. Wenn man eine Reihe von Embryonen durchmustert, in den Stadien, wo die Muskelknospen in der Entstehung begriffen sind, so sieht man, dass die Knospen fast gleichzeitig entstehen. Die mittleren Knospen aber eilen den an den beiden Enden der Flosse liegenden etwas in der Entwicklung voraus. Zum Bei- spiel finde ich bei einem Exemplar Knospen von nur dem zwei- undzwanzigsten bis zum achtundzwanzigsten Urwirbel, bei mehreren anderen von dem einundzwanzigsten oder zweiundzwanzigsten bis zum neunundzwanzigsten. Die vorhandenen Knospen sind in diesen Fällen allerdings nieht völlig entwickelt. Die Knospe von dem zwanzigsten Urwirbel scheint noch ziemlich viel später zu wachsen. Hier haben wir eine interessante Abweichung von dem Be- fund bei den Selachiern. Bei den letzteren entsteht nach An- gaben von P. Mayer (85) die vorderste Knospe zuerst. Dann folgen die anderen, der Reihe nach, bis sie alle da sind. Auch andere Unterschiede zwischen der Entstehung der Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 515 Knospen bei den beiden erwälmten Fischklassen gibt es. Bei den Selachiern wachsen sie entweder aus der Mitte oder dem Ende des Urwirbels heraus, je nach ihrer Lage gegen die Flosse. Jede Knospe theilt sich später in zwei. Dieselbe Convergenz der Knospen, welche eine Zusammenziehung der Flosse andeutet, findet auch hier statt. Nach Mayer’s Angaben zu urtheilen, müssen die früheren Entwicklungsstadien der Selachier weniger deutlich ausgeprägt sein und weniger regelmässig als bei den Teleostiern, ein Umstand, der allerdings nicht der allgemeinen Regel in der Entwicklung der beiden Thierreihen entspricht. Die oben erwähnten rudimentär entwickelten Knospen sind in einer wechselnden Anzahl vorhanden. Von diesen kleineren Knospen oder knospenartigen Hervorragungen der Urwirbelkante habe ich in einem Fall acht hinter dem dreissigsten Urwirbel ge- funden. Auch vor der Flossenanlage sind sie vorhanden. Diese nehmen, je weiter sie von der Flosse entfernt sind, an Grösse allmählich ab. In späteren Entwicklungsstadien sind sie gänz- lich verschwunden. Bei der Afterflosse findet eben so wie die Verdiekung des Mesenchyms das Wachsthum der Muskelknospen etwas später statt als bei der Rückenflosse. Die Art der Bildung ist eine gleiche, nur dass sie von der ventralen Kante des Myotons herauswachsen. Das hinterste Myotom, welches eine Knospe zu dieser Flosse abgibt, ist fast immer das achtundvierzigste. In einem Fall bil- dete das neunundvierzigste das letzte. Das vorderste Myotom, welches an der Bildung der Flosse theilnimmt, ist nicht so leicht zu bestimmen, und in dieser Hinsicht ist diese Flosse scheinbar noch variabler als die Rückenflosse. Das vorderste ist entweder das neununddreissigste oder vierzigste. Die Zahl von Knospen, die hineinwachsen, würden somit entweder neun oder zehn sein. In meiner vorläufigen Mittheilung habe ich diese Zahl zu klein geschätzt und zwar deshalb, weil die vordersten meistens nicht mehr zu sehen sind; d. h. sie werden von dichtem Mesen- cehym umgeben, ehe die letzte gebildet ist. Diese letzte scheint nämlich ziemlich viel später zu wachsen. In der Fig. 30 ist sie eben angedeutet, obschon die anderen alle in der Flossenanlage angelangt sind. Wie man aus der Abbildung ersieht, läuft der unpaare Ausmündungsgang der paarigen Wolff’schen Gänge Bir 516 R. G Harrison: eben hinter dem After schräg durch den Flossensaum. Die hin- tere Wand desselben entspricht in allen untersuchten Fällen der Grenze zwischen dem sechsunddreissigsten und siebenunddreissig- sten Myotom. Es sind daher zwei oder drei dahinterliegende Myotome, die der Flosse keine Knospen abgeben. Doch bilden diese, wie eben so einige hinter dem achtundvierzigsten Myotom in den meisten Fällen rudimentäre Knospen, die wie in der Rücken- flosse verschwinden. Bei den Selachiern ist die Entwicklung der Muskulatur der Afterflosse eine ganz andere; da, wenn auch nach Mayer Muskelknospen in dieser Gegend gebildet werden, die vorderen nach den paarigen Bauchflossen hin wandern, während die hin- teren verkümmern. Die Muskulatur der Afterflosse wird später direkt aus der Ventralkante der Urwirbel gebildet, wo die Zellen noch längere Zeit undifferenzirt bleiben. Da die Rücken- und Afterflosse sich in derselben Weise entwickeln, so gilt der Rest der Beschreibung für beide. Während der Entstehung der Knospen vermehrt sich das Mesenchym weiter- hin, und in Folge dessen werden die Muskelknospen nach und nach weniger scharf umgrenzt. Die Zellgrenzen in den letzteren verschwinden und die embryonalen Muskelmassen sind kaum noch zu unterscheiden als Massen von dichter gelagerten Kernen, die im Cytoplasma liegen, das etwas dichter ist als das übrige. Fort- sätze von den Muskelknospenzellen anastomosiren häufig mit denen von Mesenchymzellen, so dass es unmöglich wird, zu unter- scheiden wo genau das eine Gewebe aufhört und das andere an- fängt (Fig. 6). Die Unterscheidung zwischen Zellen der Muskelknospen und denen mesenchymatischen Ursprungs wird in diesem Sta- dium um so mehr schwierig, als auch kein charakterisiren- der Unterschied zwischen den Kernen besteht. Im Muskelge- webe des Myotoms findet man aber die eigenthümlichen Kerne, die schon von Rabl (89 p. 242) und anderen beschrieben wur- den. Hier sind die Kerne schon verlängert in der Richtung des Verlaufs der Muskelfasern. Die Eigenthümlichkeit besteht darin, dass das Chromatin meistens in einem langen, stäbchenförmigen Körper gesammelt ist, der im Querschnitt einem Kernkörperchen sehr ähnelt. In den undifferenzirten Gegenden, also an der Dorsal- und Ventralurwirbelkante findet man Kerne, die meistens Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 517 ohne diese Eigenthümlichkeit sind. Auch in der Mitte des Mus- kelgewebes findet man viele solche; sogar so viele, dass man sie nicht alle als Bindegewebskerne auffassen kann. Anderseits fin- det man im Mesenehym gelegentlich Kerne, die einen stäbehen- artigen Chromatinkörper besitzen. Aus der Gestaltung der Kerne kann man also ihren Ursprung nicht erschliessen. Es ist nur richtig, dass mit fortschreitender Differenzirung die Muskelkerne der Flossenmuskulatur sich vor den übrigen Kernen auszeichnen (vergl. Fig. 27 und 28). Die Knospenstiele verschwinden als solche vollständig, wenn auch die äusseren (lateralen) Zellen der Stiele noch einige Zeit lang unverändert und im Zusammenhang mit dem Cutisblatt blei- ben (Fig. 6 kst.). Von ihrer Entstehung an liegen die Muskelknos- pen dieht an der Basalmembran des Ectoderms, obgleich in spä- teren Stadien Mesenchymzellen zwischen den Stiel und die Mem- bran einwandern. Da die intermuskularen Septen der beiderseiti- gen Myotome einander gerade gegenüberliegen, stehen die Knospen beider Seiten sich ebenfalls gegenüber. Wenn nun sie an Grösse zunehmen, verursachen sie eine bedeutende Hervorwölbung des Eetoderms. Der Druck plattet auch die Knospen etwas ab, so dass sie auf Querschnitten elliptisch aussehen. Während dieser Veränderung findet in den Muskelknospen selbst eine sehr rege Zelltheilung statt. Eine grössere Anhäufung von Cytoplasma findet sich um die Kerne der mittleren grösseren Hälfte jeder Knospe herum. Jede dieser Massen wächst dann nach dem Körper zu und auch dabei etwas nach vorn und nach der Mittelkörperebene zu; sie nimmt dabei eine ovale Form an. Die Zellkerne verlängern sich in der Richtung der längeren Achse der Zellmassen; der erste Schritt zur Differenzirung in Muskelgewebe ist damit gemacht. Es sei im Voraus bemerkt, dass diese Zellanhäufungen, die direkt aus den Muskelknospen hervorgehen, die Anlagen der Mm. erectores sind. Der übrige Theil jeder Knospe nämlich, der, welcher noch in Berührung mit dem Eetoderm geblieben war, bleibt nicht lange unverändert. Horizontale Schnitte durch die Flosse in diesem Stadium (Fig. 8) schneiden die embryonalen Muskeln quer durch. - Sie zeigen, dass das Mesenchym, welches an das Ecetoderm angrenzt, eben so dicht ist zwischen zwei nebeneinanderliegenden Knospen (m. dep.) wie neben denselben (m.inc.), so dass von diesem Zeit- 518. R. G. Harrison: punkt an man nicht mehr unterscheiden kann zwischen den Kernen, die sich vom Mesenchym und solchen, die sich von den Muskelknospen ableiten; ausgenommen natürlich bei den em- bryonalen Muskelmassen, aus denen die Mm. ereetores hervor- gehen. Die Vorwölbungen des Ecetoderms treten in Folge des Wachsthums der Muskelmassen immer deutlicher hervor und sehen an der Oberfläche wie recht kurze parallele Leisten aus, die an den Kanten abgerundet, und in einer zur Körperachse senkrechten Ebene etwas geneigt verlaufen. Sie ragen an der Oberfläcbe nicht so hervor wie an der Basalmembran, da ja das Eetoderm der Fur- chen etwas verdickt ist. In der Mittelebene der Flosse er- scheinen in dieser Zeit die Anlagen der Flossenstrahlträger als Anhäufungen von Zellen, die mit den Anlagen der Mm. erectores abwechseln. Die Kerne sind hier schwach abgeplattet von oben nach unten und sind im Querschnitt so gelagert, als ob sie sich um ein Centrum drehten (Fig. 8 fsttr.).. Das Cytoplasma wird dichter, und schliesslich bildet sich eine hyaline Substanz um jede Zelle. Der Vorgang der Verknorpelung beginnt in der Horizontalebene der Mitte der Muskelanlagen und breitet sich vor dort aus. Zunächst erscheinen die Knorpel in der Mitte der Flosse; die anderen folgen kurz darauf der Reihe nach bis zu den Enden der Flossen. Elf Knorpel entstehen aber beinahe gleichzeitig, von denen der vorderste vor dem ersten Muskel- knospenpaar liegt, der hinterste zwischen dem vorletzten und letzten. In den allerersten Stadien sind die Strahlen- träger kurze Stäbehen, die parallel zu den Achsen der Mm. erecetores liegen und deswegen nicht ganz senkrecht zur Körperachse stehen. Kurz nach ihrer Entstehung werden sie meistens leise S-fürmig gebogen, wie in Sagittalschnitten leicht nachzuweisen ist (Fig. 31 /sttr.). Peripher zu den Muskel- und Strahlenträgeranlagen bildet das Mesenchym schon in diesem Stadium eine deutlich wahrnehmbare Cutis, die nach der Peri- pherie der Flosse zu dünner wird. Diese Mesenchymzellen sind die Mutterzellen der Flossenstrahlen und der Hornfäden (Fig. 7 skbl.). Von der Zeit des Entstehens der Muskelknospen bis zum Erscheinen der vorknorpeligen Anlagen der Flossenstrahlträger ist, wie aus der hervorgehenden Beschreibung zu schliessen ist, eine Tendenz zur Vermischung aller primär zu unterscheidenden Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 519 Zellmassen in der Flosse, so dass Zellen des Mesenchyms sich mit denen von den Urwirbeln mischen. Mit dem Erscheinen der Flossenstrahlträger greift eine entgegengesetzte Tendenz Platz, indem sich verschiedene Zellmassen allmählich von einander ab- grenzen als Vorboten der Differenzirung in die verschiedenen Gebilde der ausgebildeten Flosse. Nichtsdestoweniger kann man sie noeh durch diese diehten und wenig durchsichtigen Theile hindurch, bis sie zu einer einzelnen Muskelmasse, die Anlage des M. ereetor, zusammentreten, genügend verfolgen. Sieht man von der Entstehungsgeschichte dieses Muskels ab, so kann man für alle übrigen Bestandtheile der Flosse keine bestimmte Bezie- hung zwischen der Ursprungsquelle der Zellen und ihrer schliess- lichen Gestaltung nachweisen. Die Differenzirung der einzelnen Zellmassen geht schrittweise vor sich, aber eine lange Zeit hin- durch und bis weit in das embryonale Leben hinein existirt noch keine scharfe Grenze zwischen den verschiedenen Gebilden. Wo zwei Arten von Geweben sich treffen, bleiben embryonale Zellen als solehe noch erhalten und bilden einen schrittweisen Ueber- gang von einem zu dem anderen. Die Fortsätze der Mesenchym- zellen anastomosiren noch mit ähnlichen der Muskelzellen und die Zellen, die an der Peripherie der Flossenstrahlträger liegen, können nieht von dem angrenzenden Bindegewebe unterschieden werden. Fig. 9, welche nach einem vorgeschrittenen Stadium gezeichnet ist, zeigt die wichtigen Anhäufungen, die zuerst Platz greifen; sie stellt horizontale Schnitte durch die Dorsalflosse dar. Dicht an den Hervorwölbungen im Eetoderm sind die Mus- kelanlagen, die sich aus den Muskelknospen direkt entwickelt haben (m. er.). Zwischen ihnen und dem Eetoderm liegen die Zellen lockerer, besonders in den jüngeren Stadien. Aber bei Sehnitten, die mehr nach der Peripherie der Flosse zu gemacht wurden, bilden die Kerne mit dem umgebenden Cytoplasma eine compactere, oben erwähnte Masse, die Anlage des M. inelina- tor (m. inc.). Bei den Einschnürungsstellen d.h. zwischen den knorpeligen Flossenstrahlträgern und dem Eetoderm sind andere Kernansamm- lungen, die Anlagen der Mm. depressores (m. dep.). Die Zwi- schenräume zwischen allen diesen Zellhaufen sind noch mit un- differenzirtem Mesenchym gefüllt, das indess in älteren Stadien weniger dicht ist als in jüngeren. 520 R. G. Harrison: Spätere Stadien zeigen, dass die Zellhaufen (m. ine.) centri- petal wachsen (Fig. 7). Diejenigen Zellen, welche bei den knor- peligen Strahlenträgern liegen, ordnen sich inzwischen zu deut- lichen Strängen von noch ziemlich lose mit einander verbundenen Zellen parallel zu dem Strahlenträger und zeigen Spuren von Differenzirung in Muskeln. Diese lateralen und oberflächlichen Muskeln, die man wohl von den tieferliegenden, von den Muskel- knospen abstammenden Erectores zu unterscheiden hat, sind natürlich etwas fest mit einander verbunden, namentlich an ihren äusseren Enden. Später trennt sich jeder Muskel (m.dep.), welcher bei dem knorpeligen Strahlträger liegt, von dem nächstfolgen- den Muskel (m.ine.) und bleibt an seinem äusseren Ende allein mit dem nächst vorhergehenden verbunden, welch’ letzterer an diesem Punkt eng mit dem entsprechenden tieferliegenden Muskel (m. er.) zusammenhängt. Alle diese drei Muskelpaare bilden somit eine Gruppe und bleiben mit dem nächst‘ vorderen Strahlenträger eng verbunden. Die punktirten Linien in Fig. 9 schliessen Strahlen- träger und zugehörige Muskeln ein. Wenn die Flossenstrahlen entstehen, so kann man an Ueber- siehtspräparaten ihre Mutterzellen als tiefer gefärbte Streifen der Cutis erkennen (Fig. 31, fst). Diese Streifen erstrecken sich bei jedem Flossensegment vom äussersten Ende der Ereetores nach der Peripherie der Flosse zu. Sie sind parallel und ihre Achsen stehen mehr senkrecht auf der Körperachse, als die Mus- keln, mit welchen sie verbunden sind. Hier ist kein scharfer Unterschied zwischen den Zellen der beiden Gebilde (Fig. 7 «). Die Metamerie der unpaaren Flossen, welche zuerst nur durch die Muskelknospen angedeutet war, ist in diesem späteren Stadium durch alle Bestandtheile erwiesen, die eben beschrieben wurden. Ein knorpeliger Flossenstrahlträger, an dessen peri- pherem Ende ein Paar Flossenstrahlen liegen, bestimmt im Verein mit drei Paar Muskeln jedes Segment. Schon in diesem Stadium, wie beim erwachsenen Thiere, sind die Flossenstrahlträger die einzigen unpaaren Gebilde. Sie hängen in der Mittellinie durch ein loses Gewebe zusammen, in welchem die Kerne stark in der Richtung der Körperachse verlängert sind und das sich nachher zu fibrillarem Bindegewebe differenzirt (Fig. 8 und 9). Da das zwischenliegende Mesenchym immer weniger dieht wird, heben sich die einzelnen Muskeln und Skelerbestandtheile Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 521 immer deutlicher von einander ab, ausser an der Ansatzstelle. Hier wird das Gewebe fibrös und bildet die Sehnen (Fig. 10 a). Bei der weiteren Entwieklung wachsen die Muskeln centripetal, ebenso wie die Flossenstrahlträger, während die Flossenstrahlen in entgegengesetzter Richtung wachsen. Die Mm. inclinatores bleiben bei dem centripetalen Wachsthum dieht an der Epidermis. Die zwei andern Muskeln liegen tiefer, dieht bei den Flossen- strahlträgern und wachsen nach der Wirbelsäule zu zwischen die zwei seitlichen Rumpfmuskeln (Fig. 10a my.). Spätere Aende- rungen bestehen hauptsächlich in weiteren Differenzirungen der verschiedenen Gewebe. Die knorpeligen Flossenstrahlträger, die zuerst (Fig. 31) nahezu senkrecht zur Körperachse verlaufen, werden viel schräger und werden etwas gebogen, so dass die convexe Seite der Krümmung nach vorne liegt, während hingegen ihr äusseres Ende sich verlängert und stark nach hinten gerichtet ist (Fig. 10 /sttr.). Schliesslich bildet sich aus dem undifferen- zirten Gewebe am Ende jedes Flossenstrahlträgers ein kleiner kugelförmiger Knorpel (Fig. 10 und 10a knk.), mit dem sich der Flossenstrahl eng verbindet. Jedes Flossenstrahlpaar umgreift die knorpelige Kugel mit ihrem centralen Ende, welches zu einem kurzen und beinahe horizontalen Fortsatz umgebogen ist, und die zwei Gebilde vereinigen sich vollständig vermittelst eines starken Bindegewebes. Die Art und Weise des Ansatzes jedes dieser drei Paare von Muskeln wird nun klar. Der aus der Muskel- knospe stammende M. erector liegt vor dem Drehpunkt des knor- peligen Kügelchen, so dass bei der Contraction der Flossenstrahl sich aufriehtet. Die andern zwei Muskeln sind hinter dem Dreh- punkt angebracht. Die obige Beschreibung bezieht sich auf zehn oder elf Seg- mente der Rückenflosse und sieben der Afterflosse. Bei dem er- wachsenen Lachs hat aber die Rückenflosse vierzehn oder fünf- zehn Segmente und die Afterflosse zehn. Das letzte Segment und mehrere von der vorderen dieser beiden Flossen ent- wickeln sich in anderer Weise als die mittleren und zwar etwas später im Embryonalleben. Doch schliesslich, d. h. beim erwach- senen Thier, wird von den vorderen Segmenten dieselbe Anord- nung der Bestandtheile erreicht, wie bei den mittleren Segmenten, wenn auch das allererste und das zweite Segment auf einer mehr oder weniger rudimentären Stufe stehen bleiben. Um die Ent- 522 R. G. Harrison: wieklung dieser sekundär gebildeten Segmente zu beschreiben, wird es nöthig sein, auf ein Entwicklungsstadium zurückzugehen, wo die Flossenstrahlenträger und Muskeln der mittleren Segmente zuerst hervortreten. Uebersichtspräparate von Embryonalflossen in dem Stadium, das in Figur 31 dargestellt ist, und auch von etwas früheren Stadien, zeigen an jedem Ende der Flosse einen tiefer gefärbten Bezirk von ziemlich unregelmässiger Gestalt, welche sich weiter als die Muskelknospen nach der Peripherie der Flosse hin er- streekt (v.- und h. mes. ver.). Schnitte lehren, «dass sie paarige Verdiekungen des Mesenchyms sind, das direkt unter dem Ee- toderm liegt und dass sie mithin als nichts anderes als verdickte Theile der Cutis erscheinen (Fig. 9). Die rudimentären Muskel- knospen, welehe in früheren Stadien leicht in diesen Gegenden unterschieden werden konnten, sind jetzt nicht mehr zu sehen. Man kann aber nicht behaupten, dass sie sich von ihren Myo- tomen abgeschnürt hätten und in die erwähnten Mesenchymver- diekungen gewandert wären. Jedenfalls sprechen alle meine Be- obachtungen entschieden dagegen. Ihr Verschwinden hat aller Wahrscheinliehkeit nach seinen Grund im Wachsthum der Myo- tome, das in dieser Periode schnell erfolgt, so dass die rudi- mentären Knospen, um mich so auszudrücken, überholt werden von dem übrigen Theil der Myotomkanten und auf diese Weise vollständig überwachsen sind. In die am hinteren Ende der Flosse gelegene : Zellmasse gelangt ohne Zweifel eine Muskelknospe und zwar diejenige, die von dem dreissigsten Myotom abstammt (Fig. 30). Diese Knospe verläuft sehr schräg, um die Flosse zu erreichen und bleibt übrigens, durch einen verhältnissmässig langen Stiel verbunden, viel länger in Zusammenhang mit ihrem Myotom, als die anderen Knospen. Sie ist aber nicht so kräftig entwickelt, wie die an- deren Knospen der Flosse und ehe die Differenzirung im Muskel- gewebe angefangen hat, ist sie als Zellmasse vollständig ver- schwunden. Das umgebende Mesenehym wird nämlich so stark entwickelt, dass es eben so dieht wie das Gewebe der Muskel- knospe erscheint. Aus dieser mesenchymatischen Masse, in der also eine Muskelknospe verborgen liegt, bilden sich auf jeder Seite der Flosse zwei Muskeln, die den Ereetores und den Inclinatores Die Entwicklung d. unpaären ü. paarigen Flossen d. Teleostier. 523 homodynam sind. Ein frühes Stadium dieser Entwicklung ist in der Fig. 9 dargestellt. Die Mm. erectores, sowie die knorpeligen Flossenstrahl- träger der anderen Flossensegmente sind in diesem Stadium schon deutlich abgegrenzt. Der letzte von diesen Knorpelstücken liegt eben vor den Mesenchymverdiekungen. Diese Verdickung ver- ursacht, wie die anderen Ereetorenanlagen eine ausgesprochene Vorwölbung in dem Eetoderm; aber nach dem Schwanz zu geht sie allmählich dünner werdend in die Cutis des Flossensaumes über. In dem vorderen medialen Theil dieser Mesenchym- masse kommen die ersten Spuren desM. erector zum Vorschein und zwar so, dass die Entwicklung von der der übrigen Ereetores wenig abweicht. Fast die ganze Zellenmasse wird aber allmäh- lich in die Anlage dieses Muskels hineingezogen, so dass er sich durch seine bedeutende Grösse von den anderen Erectores schon im Embryonalstadium, wie auch beim erwachsenen Thier auszeichnet. In diesem Fall ist also die Beziehung zwischen Muskelknospe und M. ereetor nicht so genau zu verfolgen wie bei den mittleren Flossensegmenten. Die hier gelegene Muskel- knospe ist aber zweifelsohne als der Kern dieser Muskelanlage zu betrachten. Da aber der Muskel schliesslich so gross wird, und das Mesenchym allmählich aufgebraucht wird, ist es wahr- scheinlich, dass an seiner Bildung auch das Mesenchym theil- genommen hat. Aus einigen Zellen, die zwischen der Anlage des M. ereetor und dem Ectoderm liegen, entwickelt sich ein M. inelinator, gerade wie diejenigen, die den anderen Flossensegmenten angehören. Hinter dieser Muskelanlage bildet sich’aber kein M. depressor indem dieses Segment zeitlebens davon frei bleibt. Aus dem peripheren Theil der Mesenchymmasse gehen zwei Paare von Flossenstrahlen hervor und auch beim erwachsenen Thier trägt der letzte Strahlenträger diese beiden Strahlen. Am vorderen Ende der Rückenflosse entstehen nach und nach noch drei Segmente. Ebenso wie die Muskeln des hinter- sten Flossensegments aus der dort liegenden Mesenchymmasse entstanden, so entstehen aus der am vorderen Ende der Flosse liegenden Masse die vordersten Segmente. Die Zusammensetzung dieser vorderen Zellmassen ist in Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 46, 34 5234 R. G. Harrison: den meisten Fällen nicht schwer zu bestimmen. Wie oben er- wähnt, ist das zwanzigste Myotom das erste, das eine Knospe liefert, die wirklich in die Flosse hineinwächst. Diese Knospe entwickelt sich mit den anderen, und zwar in derselben Weise. In zwei Fällen aber war es mit Sicherheit nachzuweisen, dass das neunzehnte auch eine Knospe abgab. In diesen Fällen waren also zwölf Knospen vorhanden (Fig. 30). In zwei anderen Fällen war eine kleinere Knospe vom neunzehnten Myotom vorhanden, aber es war zweifelhaft, ob sie die Flosse erreichen würde. Diese vier Em- bryonen sind als Ausnahmen zu betrachten, die die grosse Varia- bilität der Entwicklung beweisen. In allen anderen Exemplaren, die beobachtet wurden, war nur eine gauz kleine oder gar keine Knospe vor dem zwanzigsten Körpersegment vorhanden, sei es in früheren oder auch in späteren Stadien. Es ist aus diesen Beob- achtungen zu schliessen, dass die vordersten Mesenchymverdickun- gen ihren Ursprung lediglich einer Wucherung des Mesenchyms verdanken und nicht dem Vorhandensein von Muskelknospen. Noch eine Möglichkeit giebt es zu bedenken, nämlich dass die Zellen in dieser Verdiekung, aus denen die Muskeln hervor- gehen, von dem nebenanliegenden M. erecetor herauswandern (Fig. 9). Obgleich ich natürlich einen solchen Vorgang nicht für ganz ausgeschlossen halten kann, spricht jedenfalls keine Be- obachtung dafür. Denn die nächstgelegene Muskelknospe ent- wickelt sich ebenso wie die anderen bis zu einem M. erector, ohne dass sie sieh merklich vergrössert, um Zellen an das nebenan- liegende Gewebe abzugeben. Auch findet in dieser verdiekten Stelle des Mesenchyms eine sehr rege Kerntheilung statt, so dass die Zellen jedenfalls zum” grössten Theil an Ort und Stelle sich selbst vermehren. Immerhin könnte eine Wanderung von Zellen aus den Muskelknospen geschehen, denn die Entwicklung der Muskeln der sekundären Flossensegmente geht sehr langsam vor sich. Während dieser Zeit können natürlich langsame Wande- rungen der Zellen nach jeder Riehtung hin stattfinden, aber sich so langsam abspielen, dass sie jeder Beobachtung entgehen. Eins ist aber sicher. Es finden sich hier keine Muskelknospen mit Zellen in Epithelform. Dieser Theil der Flossenmuskulatur entwickelt sich somit aus Zellen, welche wenigstens der Form nach mesenchymatisch sind. Die Einzelheiten dieser Entwick- lungsvorgänge mögen jetzt folgen. Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 595 Wie oben erwähnt, erscheinen fast gleichzeitig die Anlagen von elf Strahlenträgern, wie man leicht sowohl an Uebersichtspräpa- raten als an Sagittal- und Frontalschnitten nachweisen kann. Bei Embryonen, die wenige Tage älter sind, findet man auch in eini- gen Fällen elf knorpelige Flossenstrahlenträger resp. Segmente; doch hat die Mehrzahl dieser Embryonen meistens schon zwölf Knorpel entwickelt (Fig. 31). Der vorderste Knorpel ist in diesen Fällen oft kaum erkennbar als ein dunkler Streifen von Zellen, der sich aus der Mesenehymmasse hervorhebt. Das jüngste Exem- plar mit dreizehn korpeligen Anlagen war vier Tage älter als die vorigen, und an hundert Tage alten waren in allen Fällen drei- zehn entwickelt. Hier war wieder das vorderste Stück oft nur angedeutet (Fig. 9). Erst am hundert und dreizehnten Tag fand ich ein Exemplar mit vierzehn Knorpeln und Segmenten, das also in dieser Hinsicht den erwachsenen Zustand erreicht hatte. In spä- teren Stadien hatten alle Embryonen diese Zahl von Segmenten. Den Zeitraum genau zu bestimmen, im welchem diese Ent- wicklungsvorgänge sich abspielen, ist nicht möglich; da die Thiere in der Schnelligkeit der Entwicklung sehr stark variiren. Das jüngste Exemplar mit elf Segmenten war vierundsiebzig Tage alt; das jüngste mit vierzehn war hundertdreizehn Tage, also neununddreissig Tage älter als das jüngste Thier, wo die elf ursprünglichen Strahlenträger nachzuweisen waren. Da in einigen Fällen in ganz jungen Embryonen zwölf Knorpel vorhanden waren, so halte ich es für wahrscheinlich, dass hier zwölf Muskelknospen in die Flosse hinein gewuchert waren. In keinem Fall wurde es beobachtet, wie ich noch einmal beto- nen möchte, dass mehr als zwölf Knospen völlig ausgebildet wur- den, so dass, wenn auch nicht immer drei, doch niemals weniger als zwei, sozusagen sekundäre Segmente der Rückenflosse aus den Mesenchymmassen entstehen. In der Afterflosse sind ähnliche Vorgänge zu beobachten, wie in der Rückenflosse. Doch kann man nicht nachweisen, dass die vordere Mesenehymmasse knospenfrei bleibt. Im Gegen- gentheil es ist anzunehmen, dass mindestens eine dort versteckt liegt, denn gewöhnlich erreichen neun Knospen die Flossenanlage (Fig. 30 a f.) und wenn sie sich differenziren und die knorpeligen Strahlenträger erscheinen, sind nur acht Segmente vorhanden. Wie oben erwähnt wurde, sind auch die rudimentären Knospen 526 R. G. Harrison: dieser Gegend sehr variabel und bei manchen Exemplaren sah es aus, als wenn auch gelegentlich zehn, Knospen in die Flosse gelangen würden. Nach der Einwanderung verschwinden die vor- deren Knospen bald und so weit unsere Untersuchungsmethoden ausreichen, sind sie dann nicht weiter von den Zellen des Mesen- chyms zu unterscheiden. Aus diesen Massen entstehen nach und nach die drei sekun- där gebildeten Segmente, die ausser den acht primären der Afterflosse noch zukommen. Die definitive Anzahl wird bedeu- tend eher von dieser als von der Rückenflosse erreicht. Wäh- rend sie sich entwickeln, wird der Raum zwischen der äusseren Oeffnung des Wolff’schen Ganges und dem vorderen Ende der Flosse allmählich ausgefüllt, so dass beim erwachsenen Fisch der vordere Strahl dieser Flosse dicht hinter dem After gelegen ist. Was nun die Einzelheiten der Entwicklung dieser sekundären Segmente betrifft, so kann man sie am leichtesten an Frontalserien- schnitten studiren (Fig. 9). In der abgebildeten Flosse finden sich schon zwölf deutlich differenzirte Flossenstrahlträger. Da aber der Entwicklungsgrad der Flosse sonst so gering ist, ist daraus zu schliessen, dass dieses einer von den Fällen ist, wo zwölf Muskelknospen ursprünglich in der Flossenanlage vorhan- den waren. Den im ersten Stadium der Entwicklung sich befin- denden dreizehnten Flossenstrahlträger findet man als eine Ge- websmasse, die sich eben von dem umgebenden Mesenchym her- vorhebt, und in der die Verknorpelungsvorgänge noch nicht be- gonnen haben. Dieser liegt quer durchschnitten, wie die anderen Strahlenträger in der Sagittalebene der Flosse und zwar un- gefähr ebensoweit von dem nächst hintenliegenden Stück ent- fernt, wie die übrigen Stücke von einander liegen. Wie spä- tere Stadien zeigen, wird nun derjenige Theil von der Mesen- chymverdiekung (Fig. 9), der zwischen dem neu entstandenen und dem nächst nach binten liegenden Flossenstrahle liegt, all- mählich abgeschnürt. Aus dem medialen Theil dieser dann ziem- lich deutlich abgegrenzten Zellmasse entsteht ein M. ereetor, indem die Zellen sich allmählich in Muskelgewebe differenziren und nach dem Körper zu wachsen. Die Abtrennung und Differen- zirung der anderen zwei Muskeln geht Hand in Hand damit. Wenn sich nun noch die Flossenstrahlen in ihrer gewöhnlichen Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 527 Weise von dem peripheren Theile der mesenehymatischen Massen her entwiekeln, dann ist das neue Segment der Flosse fertig. In ähnlicher Weise bilden sich nachher die verschiedenen Bestandtheile eines neuen Segments und dieser Vorgang wird wiederholt, bis die volle Zahl von Segmenten vorhanden ist. Nur entwickelt sich jedes neue Segment etwas langsamer als das vor- hergehende und auch, wie die Befunde beim erwachsenen Fisch zeigen, werden die zwei vordersten nicht ganz ausgebildet. Dieser Umstand ist nieht ganz ohne Interesse, denn er zeigt, dass je Jünger der Embryo, desto schneller und vollständiger sich die ver- schiedenen Gebilde aus dem Mesenchym heraus differenziren. Die Parallele zwischen diesen Vorgängen und der Verringerung des Regenerationsvermögens bei fortschreitender Entwicklung (M. Nussbaum 94, 2) ist eine auffallende. Ueber die Entwicklung der Nerven im den unpaaren Flossen, vermag ich nichts Wesentliches anzugeben. Mit Hülfe der ge- wöhnlichen embryologischen Methoden sind die Einzelheiten der Entwieklung nicht ausfindig zu machen. Die ersten Spuren von Nervenfasern, die ich in diesen Flossen habe nachweisen können, sind in Embryonen von ungefähr achtzig Tage vorhanden. Das- selbe Stadium ist in Figur 7 abgebildet. Die Mm. erectores sind um diese Zeit noch nicht weit im der Entwicklung vorge- schritten. Hier kann man den dorsalen Ast eines jeden Rückenmark- nerven verfolgen, bis er einen Zweig zum Myotom abgiebt und dann in die Flossenanlage eintritt, wo er verschwindet. Bei viel älteren Embryonen z. B. von hundertundzwanzig Tagen waren Ueber- sichtspräparate von der isolirten Flosse leicht anzufertigen und zeigten einen schon complieirten Plexus. Die Aeste der verschie- denen Rückenmarksnerven anastomosiren häufig mit einander. Der erwachsene Zustand ist also schon vorhanden. Nach der Vollendung der oben beschriebenen Vorgänge er- reicht die Flosse wesentlich den Zustand, den sie beim erwach- senen Thiere aufweist. Die späteren Aenderungen bestehen haupt- sächlich in dem weiteren Wachsthum der einzelnen Bestandtheile und der weiteren Differenzirung des Gewebes. Das Wachsthum der freien Flosse wird fast ausschliesslich veranlasst durch Wachsthum an dem peripheren Ende der Flossen- strahlen (Harrison 93). Das knorpelige Skelet und die Muskeln 528 R. GeHamrDos on: wachsen nach der Wirbelsäule zu. In Folge des Wachsthums der Rumpfmuskulatur sowohl wie des Wachsthums der Flossenmus- keln und Knorpel nach der Wirbelsäule zu, dringen allmählich fast das ganze Knorpelskelet, und die davon entspringenden Muskeln zwischen die zwei lateralen Muskelmassen der Rumpf- muskulatur ein. So wird schliesslich beim erwachsenen Thiere die zuerst frei gelegene Basis der Flosse gänzlich eingehüllt (vergl. Fig. 2, 6a und 10a). Obgleich die Flossenstrahlträger nach der Wirbelsäule zu wachsen, wie oben beschrieben wurde, verbinden sie sich nicht fest mit den Neuralfortsätzen (bei der Rückenflosse) oder mit den Hämalfortsätzen (bei der Afterflosse) der Wirbel. Aus der Ent- wicklungsgeschichte der Strahlenträger, ersieht man dann, dass sie ganz unabhängig von der Wirbelsäule entstehen und dass sie erst sekundär an diese heranwachsen. Der Befund bei dem Knochenfisch bestätigt also die Entdeckung Dohrn’s (84) eines ähnlichen Vorganges bei den Selachiern. Diese Entdeckung zeigte bekanntlich, wie die alte Ansicht, dass nämlich die knor- peligen Flossenstrahlen bei den Selachiern resp. Flossenstrahlträger bei den Teleostiern von den Dorn- und Hämalfortsätzen abge- trennt werden, nunmehr aufgegeben werden muss. Zusammenfassung. Die mesodermalen Gebilde der unpaaren Flossen gehen aus zwei verschiedenen Quellen hervor. Das Mesenchym wandert hauptsächlich aus dem Sklerotom in die Flosse ein. Die Muskelknospen sprossen von den Urwirbeln hervor. In den früheren Entwicklungsstadien sind diese zwei Gewebsarten leicht von einander zu unterscheiden, später vermehrt sich das Mesen- chymgewebe so stark, dass die Umrisse der Muskelknospen fasst verwischt werden und Protoplasmafortsätze beider Zellenarten mit einander anastomosiren. Aus jeder Muskelknospe entwickelt sich ein einziger Mus- kel — der M. erector. Die anderen zwei Muskeln jedes Flossensegmentes so wie die Skelettheile entwickeln sich in gewissen Lagebeziehungen zu den aus den Muskelknospen hervorgehenden Muskeln. In wie fern sie aus Mesenchymzellen oder aus Muskelknospenzellen be- Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 529 stehen, ist nieht mit Sicherheit nachzuweisen. Die Zellen, aus denen die Muskeln hervorgehen, sind jedenfalls in gewissen Stadien der Form nach mesenchymatisch. Die Muskeln der vordersten Segmente entwickeln sich aus einer einheitlichen mesenehymatischen Gewebsmasse, die unter der Haut vor den Muskelknospen liegt. Muskelknospen waren mit den pag. 524 angegebenen Ausnahmen in diesen Zellmassen nieht nachzuweisen. Die Metamerie des vorderen Theiles der Flosse ist somit sekundär und nicht auf Muskelknospen zurückzuführen. Innervirt wird ‘Wiese Flosse durch Aeste der Rückenmarks- nerven der Flossengegend. Diese Aeste anastomosiren unter ein- ander und bilden einen Plexus. Beim Lachs tritt der N. lat. vagi an die Flosse nicht heran. Ein Ast vom Vagus ist beim Goldfisch vorhanden. Er anastomosirt mit den kückenmarks- nerven nur in der Gegend des ersten Flossenstrahles und auch hier peripher von der Abzweigungstelle der Aeste der Rücken- marksnerven, die die Muskeln innerviren. Aus dem anatomi- schen Verhalten sowie aus Reizversuchen ist zu schliessen, dass der an die Flosse gelangende Vagus-Ast rein sensibel ist. Die paarigen Flossen. Die paarigen Flossen bestehen aus ähnlichen Gebilden, wie sie sich in den unpaaren Flossen finden, obgleich sie sich nicht in Metameren theilen lassen. Man hat somit zu unterscheiden ; das primäre Skelet, das aus theilweise verknöchertem Knorpel besteht, und fast gänzlich in der Körperwand liegt, und das se- eundäre Skelet, die Flossenstrahlen, die die freien Flossen stützen. Die Flossenstrahlen bestehen wie in den unpaaren Flossen je aus zwei Hälften, die aber natürlich nicht symmetrisch zur Me- dianebene gelagert sind, sondern als eine latero-dorsale und eine medio-ventrale zu bezeichnen sind. Die Flossenstrahlen sind be- weglich und zwar durch vier Muskeln, von denen ein oberfläch- licher und ein tiefliegender auf den zwei entgegengesetzten Seiten des primären Skelets liegen. Diese Muskeln werden die Adduetor superficialis und profundus, und Abduetor super- fieialis und profundus genannt (Owen 68 und M® Murrich 84). Jeder von diesen Muskeln findet seinen Ansatz an mehreren oder 530 R. G. Harrison: allen Flossenstrahlen und zwar durch mehr oder weniger getrennte Sehnen für jeden Strahl. Die Muskeln liegen, wie das primäre Skelet, zum weit grössten Theil in den Muskelmassen des Körpers eingebettet. Die Bauchflosse. Anatomisches. Die Lage der Bauchflosse variirt bekanntlich sehr stark bei den verschiedenen Teleostiern. Sie kann hinter, direkt unter, oder vor der Brustflosse liegen und wird dementsprechend bauch-, brust-, oder kehlständig genannt. Die erste dieser Lagen ist natürlich als die ursprüngliche anzusehen. Diese findet sich bei dem Lachs. Diese Flosse ist an der ventralen Seite des Körpers gelegen, sehr nahe zur Medianebene, und ganz ventral von der Rumpfmuskulatur. Die Muskeln der beiden Flossen werden zum grössten T’heil nur durch ein dünnes Lager Fettgewebe von ein- ander getrennt. Kopfwärts ragt zwischen sie auf eine gewisse Strecke der M. reetus abdominis hinein. Die Flossenstrahlen sind am Körper in einer schrägen Linie befestigt. Die Basen beider Flossen convergiren somit caudal- wärts gegen die Mittellinie. Der grösste Theil des primären Skeletes der Flosse besteht vorzugsweise aus einem Knochen, der als Basale metapterygii bezeichnet wird. Derselbe ist dreieckig und nur theilweise verknöchert. Die caudale Seite des Dreiecks ist die kürzeste; an ihm artieuliren vermittelst kleiner Radien die Flossenstrahlen. Die Länge des Knochens über- trifft seine Breite um ein bedeutendes und er dehnt sich, wie auch die Muskeln, weit von der Basis der freien Flosse nach vorn aus. Die Ebenen, in denen diese Knochen auf den beiden Seiten des Körpers liegen, eonvergiren dorsalwärts. Daher liegen die Mm. Adduetores beinahe ganz dorsal zum Knochen eingebettet zwischen Hartgebilden und Muskeln des Rumpfes, während die Abduetoren zum grössten Theil ventral vom Flossenskelet sich finden. Der M. abduector superficialis entspringt von der Fascie, welche den tiefliegenden bedeckt und zieht zu der Basis eines jeden Flossenstrahles. Er ist der kleinste von allen Flossen- muskeln. Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 531 Der M. abduetor profundus entspringt von der me- dianen Kante des Basale und befestigt sich an der Innenseite der ventralen Strahlenhälfte. Der M. adduetor superfieialis ist leicht in zwei Portionen trennbar. Ein langfaseriger Theil entspringt von dem oralen Ende des Basale und inserirt an den vier antero-lateralen Strahlen. Ein kurzfaseriger Theil ist mehr oder weniger deut- lich in einzelne Muskelbündel zerlegt, die von der Fascie der Körpermuskulatur entspringen und an der Basis der eaudalen Strahlen inseriren. Der Verlauf der letzten caudal gelegenen Muskelbündel ist beinahe vertical. Der M. adduetor profundus entspringt vorzugsweise von der medianen Kante des Basale und ist symmetrisch zum entsprechenden Bündel des Abduetor profundus an der Innenseite der dorsalen Strahlenhälfte befestigt. Der Muskel über- trifft an Masse den oberflächlichen Adduector um ein Bedeutendes. Die Nerven der Flosse bilden einen Plexus und stammen von sechs Rückenmarksnerven ab. Entwieklungsgeschichte. Obgleich die paarigen Flossen als homologe Gebilde der Gliedmassen höherer Wirbelthiere, naturgemäss genauer studirt worden sind, als die unpaaren, so ist bei den Teleostiern der Ent- wicklung der hinteren Extremität oder Bauchflosse doch nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden. Die grosse Monographie von Wiedersheim (92), wie auch die Arbeit von v. Rauten- feld!) handeln fast ausschliesslich von der Entwicklung des Skelets. In den Arbeiten von Ryder (84) und M® Intosh und Prince (90) finden sieh Beobachtungen ausschliesslich über die äussere Entwicklung. Mit Ausnahme der Fettflosse ist die Bauchflosse die letzte in der Entwickelung, so dass sie erst spät im embryonalen Leben erscheint, wenn die meisten anderen Organe schon zum grössten Theil differenzirt sind. Ungefähr sechzig Tage nach dem Streichen oder vierzehn Tage vor dem Ausschlüpfen, d.h. wenn der Embryo eine Länge von 11 bis 12mm hat und die Muskel- knospen in der Rückenflosse schon gebildet sind, kommen die 1) Nur nach Citaten bekannt. 532 R. G. Harrison: ersten Spuren zum Vorschein. Vor dem Entstehen der Bauch- flosse liegen schon in dem ventralen Theil der Körperwand, d.h. ventral zu den ventralen Urwirbelkanten, zerstreute Mesenchym- zellen. Diese bilden ein Netzwerk, ungefähr wie dasjenige der unpaaren Flossensäume und sind thatsächlich in Zusammenhang mit den Zellen des vor dem After liegenden Theiles des ventralen Saumes. Dieses Netzwerk ist nach innen zu durch das Peritoneal- epithel und nach aussen zu durch das Eetoderm begrenzt. | Die Mehrzahl dieser Zellen stammt zweifelsohne von dem anliegenden Theil der Somatopleura ab, da diese Schicht vor dem Auftreten des Mesenchyms dichter ist, als später. Da aber das Mesenchym an mehreren Stellen seinen Ursprung von dem Mesoderm nimmt und die Zellen von ihrem Bildungs- herde weg wandern, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass das Gewebe des ventralen Theiles der Körperwand und das der später daraus zu entwickelnden Bauchflosse auch dem Sklerotom und anderen Quellen seinen Ursprung verdankt. Die ersten Spuren der Bauchflosse selbst sind dann Ver- diekungen des Mesenchyms der Körperwand und zwar in der Gegend, die gerade ventral zur ventralen Kante des vier-, fünf- und sechsundzwanzigsten, des caudalen Theiles der dreiund- zwanzigsten und des oralen Theiles des siebenundzwanzigsten Myotoms, liegt!). Die Lage der Bauchflosse!) ist daher unge- fähr in der Mitte zwischen dem Dottersack und dem After (Fig. 30b f.). Dieser Verdiekung von Mesenchymzellen folgt kurz nach her eine Verdiekung des sie bedeckenden Eetoderms. Mit Genauigkeit zu bestimmen, wie diese Ansammlung von Mesenchym zu Stande kommt, ist nicht leicht. Man findet Mitosen im Mesenchym dieser Gegend und ebenso auch 'im angrenzen- den Peritonealepithel (Fig. 23). Dass aber hier im Gegensatz zu den anderen Gegenden eine sehr rege Zelltheilung in den ersten Stadien der Flossenentwicklung vor sich geht, kann nicht be- hauptet werden. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass auch hier die Protoplasmabewegungen eine Rolle spielen, indem ein- 1) Diese Lage ist nur wenig Variationen unterworfen. Doch war in einem von mir beobachteten Falle die Flosse ein Segment weiter caudalwärts, und in einem anderen ein Segment weiter oralwärts ge- legen, Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 533 zelne Zellen aus der Umgegend herwandern, um die erste Anlage der Flosse zu bilden, wie es auch bei den unpaaren Flossen für möglich gehalten werden muss. In der Abbildung (Fig. 23), die einen Querschnitt durch die Flossengegend in der ersten Entwicklung darstellt, findet man in der Körperwand rund vierzig Kerme. In diesem Stadium unterscheidet sich diese Gegend nur dadurch, dass die Kerne etwas diehter gelegen sind. Oral- und caudalwärts findet man durchschnittlich eine viel geringere Anzahl. Aus dieser Abbildung ersieht man auch, dass das Epidermis nicht mehr bloss zwei- schiehtig ist, wie bei der Entstehung des unpaaren Flossensaumes. Obgleich die äussere Lage noch ausserordentlich dünn und ein- schiehtig ist, wie auch in den früheren Stadien, ist die innere Lage unregelmässiger geworden, und oft finden sich zwei Kerne über einander gelagert. In dieser Zeit differenziren sich in dieser Gegend die grossen becherförmigen Schleimzellen (Fig. 24 sc). Die besondere Verdiekung des die Flossenanlage über- ziehenden Theils der Epidermis ist in diesem Stadium kaum wahr- nehmbar, obgleich sie bald nachher viel deutlicher hervortritt; wobei man sieht, dass sie durch die Vermehrung der Zellen der Malpighi'schen Schicht verursacht ist und nicht, wie in dem un- paaren Flossensaum bloss durch das Höherwerden der einzelnen Zellen (p. 511). Neben dieser Vermehrung kommen auch Aende- rungen in den das Mesoderm direkt begrenzenden Zellen vor, in- dem hier ihre Umrisse regelmässig werden, und sie allmählich sich in ein Cylinderepithel umwandeln. Indem das Mesenchym der Flossenanlage sich sehr stark vermehrt, wird an der Körper- oberfläche ein starkes Schwellen verursacht, das von dem ver- diekten Eetoderm überzogen wird. Dann entsteht kurz darauf, nahe der ventralen Grenze der Verdiekung, eine Längsfalte (Fig. 24 ef... Hier wird die innerste Schicht ausgesprochener cylinder- förmig und die ovalen Kerne ihrer Zellen treten stark hervor. Diese Falte ist sehr nahe der Bauchgrenze des Körpers. Zwischen diesen auf beiden Körperseiten liegenden Falten ragt der vor dem After liegende Theil des unpaaren Flossensaums stark her- vor (Fig. 24a bfs.). Während der Entwicklung der Eetodermfalte zieht sich das Mesenchym enger zusammen und bildet dicht unter dem Eeto- derm eine deutlich unterscheidbare Masse von Zellen oder viel- 534 R. G. Harrison: mehr von Cytoplasma ohne Zellgrenzen, in welcher die ovalen Kerne dieht aneinander gelagert sind und meist mit ihrer Haupt- achse senkrecht zur Oberfläche der Haut liegen. Innerhalb dieser Anhäufung bleibt das Gewebe viel lockerer und die Kerne, so- wie die in dem Peritonealepithel selbst, sind kleiner und rundlicher. Kurz nach dem Erscheinen der mesenchymalen Anla- gen sprosst eine kleine Muskelknospe von jedem Myotom der Flossengegend hervor. Diese entstehen wie auch die in den unpaaren Flossen an dem oralen Ende der betreffenden Myotom- kante. Sechs dieser Muskelknospen, d. h. die .von dem drei- undzwanzigsten bis zum achtundzwanzigsten Segmente abstam- menden, treten in die Flossenanlage hinein (Fig. 30). Vor und hinter diesen werden rudimentäre Knospen gebildet, gerade so, wie bei den unpaaren Flossen; aber auch hier werden sie nie unabhängige Zellmassen, die in den präanalen Mittelsaum wandern, sondern sie scheinen, wie die rudimentären Knospen in den un- paaren Flossen, nach und nach zu verschwinden, indem sie im Wachsthum von dem übrigen Theil der Myotomkante überholt werden. Die Muskelknospen der Bauchflossen sind denen der un- paaren Flossen ähnlich, obgleich die letzteren eine bedeutende Grösse erlangen. Dohrn (85) hat aber die Aufmerksamkeit auf eine angebliche Verschiedenheit zwischen dem Ursprung der Mus- kulatur in den After- und Bauchflossen gelenkt. Er giebt an (p. 401), dass „die Teleostier die Afterflosse durch Muskelknospen mit Muskulatur versorgen, ehe die Beckenflosse damit versehen wird, die erst später dazu gelangt und nun wiederum ihrerseits ohne Vermittelung von Muskelknospen, direet durch Einwachsen der Museulatur vom Urwirbel aus, wie sich leicht an Lachs- und Forellenembryonen nachweisen lässt“. Die hier gemachte Unter- scheidung scheint mir nicht der Wirklichkeit zu entsprechen. Die Knospen der Bauchflosse sind allerdings nicht leicht an ganzen aufgehellten Embryonen nachzuweisen. Wenn man aber das Thier halbirt, kann man oft solch’ deutliche Bilder erhalten, dass gar nicht daran zu zweifeln ist, dass man es hier und im den unpaaren Flossen mit homodynamen Gebilden zu thun hat. Von Sagittal- schnitten sind auch klare Bilder manchmal zu bekommen. In der Abbildung (Fig. 30) sind die Knospen in der Bauchflosse nach einer Sagittalschnittserie hineingezeichnet worden, und um Die Entwicklung d. unpaären u. paarigen Flossen d. Teleostier. 535 das Verständniss zu erleichtern, deutlicher gemacht, als sie an Uebersichtspräparaten zu beobachten sind. Bei Aecipenser hat Wiedersheim ähnliche Knospen beschrieben, aber bei den Teleostiern (Thymallus, Esox und Salmo) ihr Vor- kommen verneint (p. 81). Zwischen den Selachiern und Teleostiern aber gibt es hin- sichtlich der Art, wie die Muskelknospen entstehen, wichtige Unterschiede. Alle Beobachter stimmen darin überein, dass bei den Selachiern jedes Myotom zwei Knospen entwickelt, eine vom vorderen und eine vom hinteren Ende der ventralen Kante. Während sodann bei den Selachiern die Bildung der Knospen an dem vordersten Myotom, das an dem Aufbau der Flossen theil- nimmt, beginnt und sich schrittweise nach hinten ausbreitet, fängt sie beim Lachs in der Mitte der Flossenanlage an und dehnt sich in beiden Richtungen nach den Enden aus, wie auch bei den unpaaren Flossen (siehe p. 514). Im Gegensatz zu den unpaaren Flossen liegen die Muskel- knospen der Bauchflossen nicht dicht am Ectoderm, sondern inner- halb der mesenchymatischen Cutis der äusseren (lateralen) Flossen- wand. Die gegenüberliegende oder mittlere Seite der Flosse ist weiter entfernt von der ventralen Kante der Myotome, und hier- her wandern keine Muskelknospen. Eine Theilung der ein- zelnen Knospen in je zwei Zellenmassen, von denen eine auf jeder Seite der Flosse zu liegen kommt, wie bei den Selachiern, ist weder in diesem noch im späteren Stadium nachzuweisen. Die Grenzen der Knospen gegen das umgebende Mesenchym zu sind nicht sehr deutlich. Doch kann man in frühen Stadien die zwei Gebilde aus dem verschiedenen Verhalten ihre Kerne unterscheiden. Auf Querschnitten erscheinen die Kerne der Mus- kelknospen (Fig.28 mknk.) rund und kleiner als die Mesen- chymkerne. Diese letzteren (mesk.) sind besonders in der Lage unmittelbar unter dem Eetoderm ovale Gebilde, deren lange Achse senkrecht zur Oberfläche steht. Untersucht man aber Sagittal- schnitte, so findet man, dass die Kerne der Muskelknospen (Fig. 27 m kn k.) oval und eben so gross wie die Kerne des Mesenchyms in Querschnitten sind, während die Mesenchymkerne in der Regel rund und kleiner erscheinen. Demgemäss müssen die Zellen der Muskelknospen und die des Mesenchyms gleich gestaltete Kerne 536 ' R. G. Harrison: haben, die sieh nur durch ihre specifische Orientirung unter- scheiden lassen. Es giebt aber selbst in frühen Stadien eine nicht unbeträchtliche Zahl von Ausnahmen, die sich bei der weiteren Entwieklung so vermehren, dass es bald gar keine Regel giebt (Fig. 25) und die Unterscheidung der zwei Zellenarten sehr schwierig wird. Während der Entwicklung der Muskelknospen nimmt das Mesenchym der Flossenanlage sehr stark an Volumen zu und veranlasst, dass die Flosse von der ventro-lateralen Oberfläche des Körpers dieht bei dem unpaarigen Flossensaum wie ein Lappen herabhängt (Fig. 25 und 26). Zuerst erscheint die Flosse im Profil gesehen nahezu symmetrisch nach vorn und hinten verlaufend (Fig. 30), aber die Asymmetrie kommt bald zum Vorschein bei stärkerem Wachsthum des caudalen Theiles. Dieht unter dem Eetoderm ist das Mesenchym an beiden Seiten stärker verdickt. Im der Mitte der Flosse finden sich die Kerne weniger dicht gelagert und das Cytoplasma erscheint in der Form eines diehten Netzwerkes von Zellfortsätzen, das nach der Peritonealwand zu lockerer wird. In diesem Stadium erschemen in der Flossenanlage Nerven- fasern, die von jedem Rückenmarksnerven ausgehen, dessen ent- sprechendes Myotom eine Muskelknospe hervorgebracht hat. Das Gewebe der Bauchflosse ist in dieser Zeit weniger differenzirt, als das der unpaaren Flossen zur Zeit, wann die Nerven- fasern zuerst erkannt werden konnten. Die Nervenfasern der ein- zelnen Nervenstämme anastomosiren miteinander und bilden schon in diesem Stadium einen Plexus. Bei den Selachiern müssen nach Angaben von Mollier (93) die Nerven viel deut- licher und im Anfang sogar ganz von einander getrennt sein. Durch das Dichterwerden des umgebenden Mesenchyms werden die Grenzen der Muskelknospen immer undeutlicher, bis sie kurz nach dem Stadium, welches in Fig. 25 abgebildet ist, ganz verschwinden. Von diesem Zeitpunkt an, d. h. schon bevor die Differenzirung des Gewebes in der Flossenanlage beginnt, lassen sich die Zellen der Knospen und des Mesenchyms nicht von einander unterscheiden. Die Verbindung zwischen Muskel- knospen und den betreffenden Myotomen wird aufgelöst, in- dem die sie verbindenden Zellen auseinander weichen. Ja, man Die Entwicklung d. unpaaren ü. paarigen Flossen d. Teleostier. 537 kann nicht umhin anzunehmen, dass sogar die Muskelknospen selbst ganz disintegriren. Das Mesenchym wird in diesen Entwick- lungsstadien, besonders in der lateralen Wand der Flosse, sehr dieht gegen die Kante der Myotome gepresst, die selbst jedoch nicht weiter zur Entwicklung der Flossen beitragen. Es muss aber hervorgehoben werden, dass man bei der Untersuchung dieser Stadien sehr leicht Trugbilder erhalten kann. Die Grenze der Myotome gegen die Flossenanlage ist in Wirklichkeit undeutlich, und da das Mesenchym so dieht an die Rumpfmuskulatur gepresst ist, scheint es manchmal, als wenn eine thatsächliche Strömung nach der Flosse zu stattfände. Es sind gewiss solche Bilder, die Dohrn veranlasst haben, zu beschrei- ben, dass die ganze ventrale Myotomkante in die Flossenanlage hineinwüchse. Ich habe aber mehrere Schnittserien in diesen Stadien mit der Immersion durehgemustert und habe mich über- zeugt, dass eine Grenze zwischen Myotom und Mesenchym wirk- lich besteht. Dies ist nachzuweisen im Stadium, das in Fig. 26 dargestellt ist und auch früher; 'selbst im dem vorderen Theil der Kante jedes einzelnen Myotomes, womit nur kurz vorher die Muskelknospe noch im Zusammenhang war, ist eine Grenze aufzu- finden. Der nächste wichtige Schritt in der Entwicklung ist An- häufung von Zellen in der Mitte der Flosse, d. h. in demjenigen Theil, wo das Gewebe zuvor nur locker gelagert war. Das ist die erste Anlage des Knorpelskelets (Fig. 26 knpl.). Sie erscheint bei Embryonen von 15—16 mm Länge. Die Verknor- pelungsvorgänge schreiten fort von einem Mittelpunkt aus, der beinahe die Mitte der Flosse bildet. Bekanntlich erstreckt sich dieser Knorpel allmählich weiter oral in die Körperwand, und bildet dort das ganze Beckenskelet, das man jetzt allerdings bloss als ein Basale metapterygii auffasst. Die Abgliederung dieses einen Stückes in en Basale und die Radii findet erst später, aber auch zum Theil schon im Vorknorpelstadium statt. Ueber diesen Vorgang sind Einzelheiten von Wiedersheim an- gegeben. Um ungefähr dieselbe Zeit, wo das knorpelige Skelet erscheint, findet eine geringe Aenderung in jenen Zellen statt, die den Raum einnehmen, welcher vorher von den Muskel- knospen besetzt war, nämlich an der Basis der Flosse inner- 538 R. G. Harrison: halb”der lateralen mesenchymatischen Wand. Die Kerne häufen hier mehr Cytoplasma um sich herum an: der erste Schritt zur Differenzirung in Muskelzellen (Fig. 26 m. add. p.). Dies ist die Anlage desM. adductor profundus. Gleichzeitig oder vielleicht etwas später findet eine ähnliche Aenderung statt an einer entsprechenden Stelle der gegenüberliegenden Seite der Flosse (m. abd. p.). Dies ist die erste Anlage des M. ab- duetor profundus. Bei den Selachiern sind bekanntlich die zwei sich gegenüberliegenden Muskeln, nämlich die primitiven Streck- und Beugemuskeln der Flosse in ihrer ursprünglichen Lage, durch die Hälfte je einer sich secundär spaltenden Mus- kelknospe gebildet. Wie schon vorher erwähnt, ist eine solche Halbirung der Muskelknospen beim Lachs nieht nachzuweisen. Da der Adducetor, der äussere (laterale) von den beiden Muskeln, die Stelle inne hat, die zuvor die Muskelknospen aus- füllten und da derselbe kurz nach dem Verschwinden der Kno- spen erscheint, so ist anzunehmen, dass die Zellen, die von den Muskelknospen abstammen, wirklich an der Bildung des Muskels theilnehmen. Bei dem inneren (medialen) Muskel, dem Abduc- tor, verhält es sich anders. Wenn es auch nicht ganz ausge- schlossen ist, dass einzelne Zellen von den Muskelknospen mög- licherweise in diesen Muskel einwandern, so spricht doch seine Lage sehr gegen eine solche Annahme. Jedenfalls wandern keine Massen von Zellen aus den Muskelknospen dorthin, wie sie es bei den Selachiern thun. Sagittal- und Horizontalschnitte durch diese embryonalen Muskelanlagen zeigen deutlich, das nur eine einzige Muskelmasse an jeder Seite des knorpeligen Skelets liegt. Die Metamerie der Flosse ist somit vollständig verloren. Wäh- rend bei den Selachiern jede Muskelknospe und jeder Nerv seine Individualität bis spät in seinem embryonalen Leben und sogar im erwachsenen Zustand noch bis zu einem gewissen Grade wahrt; während ferner das knorpelige Skelet von vorn- herein eine ausgesprochene Theilung in Strahlen aufweist, die allerdings an der Basis verschmolzen sind, bilden bei den Knochen- fischen sowohl Muskeln als Knorpel je eine einzige Masse, und die Nerven anastomosiren fast von Anfang an. Die Segmenti- rung der Flossen bei den Knochenfischen ist, wie durch die Flossenstrahlen bewiesen wird, vollständig sekundär und hat über- Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 539 haupt keine Beziehung zu der Zahl von Somiten, die zum Auf- bau der Flosse beitragen. “Die Differenzirung der Muskeln sowohl als des knorpeligen Skelets beginnt, wie bei den unpaaren Flossen, im mittleren Theil der Flosse und breitet sich schrittweise nach den Enden aus. Bei der Eetodermfalte findet dasselbe statt. Dies Verhalten ähnelt der Entwicklungsweise der Muskelknospen, so dass Beides von der Entwicklungsweise bei den Selachiern abweicht (siehe p. 548 u. 557). Die Kerne der oben beschriebenen Muskelzellen zeigen schon frühzeitig den späteren Verlauf der Muskelfasern an, indem sie sich demselben entsprechend in einer schrägen Richtung verlän- gern und dorsal und kopfwärts verlaufen. Die Differenzirung der Mm. profundi schreitet weit vor, ehe die oberflächlichen Mus- keln erscheinen. Die oberflächlichen Muskeln, sowohl der Adduc- tor als der Abduetor superficialis, entstehen später als die tiefer gelegenen Muskeln. In älteren Stadien als die in Fig. 26 abge- bildeten wird das Mesenchym zwischen der Anlage des M. adduc- tor profundus und dem Eetoderm lockerer, so dass eine deut- lich abgesetzte Cutis an dieser Stelle fehlt. Noch später bildet sich hier eine Anhäufung von Zellen. Diese Zellmasse, die An- lage des M. adductor superfiecialis, sind von der Epi- dermis nur durch wenige weit zerstreute Zellen getrennt; peripher hängt sie zusammen mit dem äussersten Ende des tiefer gelegenen Muskels, wo beide unmittelbar in den Skleroblasten-Zelleneomplex (Fig .26 skbl.) übergehen, aus dem die Flossenstrahlen und Horm- fäden hervorgehen. Querschnitte dieses Stadiums gleichen den Querschnitten der unpaaren Flossen in dem Stadium der Fig. 7. Die Differenzirung des oberflächlichen Adduetor schreitet nach dem Rumpf zu. Der Muskel ist von dem tiefen Adducetor durch lockeres Bindegewebe getrennt. Da der oberflächliche Muskel sich an einer Stelle entwickelt, wo früher Mesenchym- zellen gelegen waren, so würde man von vornherein zu schlies- sen geneigt sein, ihn hauptsächlich von Mesenchymzellen abzu- leiten. Dass dies in der That geschehe, ist aber nicht mit absoluter Sicherheit nachzuweisen. Denn der oberflächliche und der tiefe Adductor hängen an ihrem peripheren Ende zusam- men, und der tiefere Muskel leitet sich unzweifelhaft vorzugsweise von den Muskelknospen ab. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46. 35 540 R. G. Harrison: Der oberflächliche Muskel auf der anderen Seite der Flosse entspringt unzweifelhaft aus dem mesenchymatischen Zellenlager (m. abd. s.), das an dieser Stelle unter der Epidermis liegt. Man kann ihn von vornherein nicht von dem M. abductor pro- fundus scharf abgrenzen. Er besteht vielmehr in den ersten Stadien aus einer undifferenzirten Zellenmasse, die auf der me- dialen Seite in den schon deutlich differenzirten Zelleneomplex des profundus übergeben. Später werden die beiden Muskel- anlagen durch Bindegewebe getrennt. Ueber den Ursprung der Bildungszellen des oberflächlichen Muskels kann man nicht gut in Zweifel sein. Oben wurde gezeigt, dass der M.profundus, wenn überhaupt, nur einzelne Zellen aus den Muskelknospen zu- geführt erhält. Was nun für den profundus wahrscheinlich ist, ist für den oberflächlichen Muskel in höherem Grade anzu- nehmen: Er wird nur aus Mesenchymzellen gebildet. Das spätere Wachsthum der Muskeln besteht in ihrer Ver- längerung nach dem Kopfe zu zwischen den ventralen Kanten der Myotome. Begleitet wird dies Wachsthum von einer eben- falls kopfwärts gerichteten Verlängerung der knorpeligen Anlage, aus der das längliche Basale hervorgeht. Die tiefer gelegenen Muskeln dringen weiter kopfwärts vor, als die oberflächlichen. Die Fasern der beiden Systeme kreuzen sich unter spitzem Win- kel. Zufolge des oralen Wachsthums liegt der grössere Theil des knorpeligen Skelets und jedes Muskels beim erwachsenen Fisch in der Körperwand, und nicht in der freien Extremität, die fast ausschliesslich von den Flossenstrahlen gestützt wird. So erreicht die Flosse ungefähr den Zustand, den sie beim erwachsenen Lachs aufweist. Die weitere Entwicklung be- steht nur darin, dass sie grösser wird und eine kleine Form- veränderung erleidet. Während der Entwicklung aber findet eine Rotation statt. In den früheren Entwicklungsstadien läuft die Linie, in der die Flosse dem Körper anhaftet, parallel mit der Körperachse, und wenn die tiefliegenden Muskeln sich entwickeln, liegt einer auf der Aussen- (lateralen) Seite des Knorpelskelets und der andere auf der Innen- (medialen) Seite. Die Bauchflosse bildet also in diesen Stadien einen Lappen, der parallel mit dem unpaaren Flossensaum von der ventralen Seite des Körpers herunter- hängt. Die Entwicklung d. unpaaren tu. paarigen Flossen d. Teleostier. 541 Beim Wachsthum wird nun das vordere Ende des Lappens lateral rotirt, so dass die Basis des vordersten Strahles viel wei- ter von der Bauchmittelline entfernt wird, als die der hintersten. Die Linie, die die Basen dieser zwei Strahlen verbindet, d. h. die Befestigungslinie der Flosse am Körper, macht somit einen Winkel von ungefähr 60° mit der Mittelebene des Körpers. Daher kommt es, dass beim erwachsenen Lachs das gekielte Basal- stück mit dem Kiel nach der Mittellinie und dorsal zu gerichtet liegt und die Mm. abductores, die beim Embryo medial lie- gen, beim erwachsenen Thier fast rein ventral zum Skelet sich befinden, während die Mm. adduetores von der Oberfläche verdrängt sind und meist zwischen Skelet und Rumpfmuskula- tur eingebettet liegen. Zusammenfassune. In die Bauchflosse treten wie in die unpaaren Flossen, zwei verschiedene Zellgruppen ein — Muskelknospen und Mesenchym. Das Mesenchym ist verhältnissmässig viel dichter als in den unpaaren Flossen, und kurz nach dem Hineinwachsen der Mus- kelknospen sind letztere nicht mehr vom umgebenden Mesenchym- gewebe zu unterscheiden. Alle vier Muskeln dieser Flosse sowie das Knorpelskelet entwickeln sich aus einer einheitlichen Zellmasse. Die Meta- merie, die die Muskelknospen aufwiesen, ist somit verwischt, und die Gliederung des Knorpelskelets, sowie die Metamerie, wie sie die Flossenstrahlen zeigt, ist als sekundär erworben zu betrachten und ganz ohne genetische Beziehung zur Metamerie des Körpers entstanden. Der M. adduetor profundus entsteht an der Stelle, wo die Muskelknospen zuletzt zu sehen waren. Eine Theilung der Knospen in Streck- und Beuge-Muskel- anlagen, wie es bei den Selachiern geschieht, ist nicht nach- weisbar. Es ist wahrscheinlich, dass die drei anderen Muskeln der Flosse wenigstens zum grössten Theil aus Mesenchym hervor- gehen. Die Nerven der Flosse stammen aus mehreren Spinalstäm- men her, und in den frühsten Entwicklungsstadien anastomosiren sie schon mit einander, 542 R. G. Harrison: Die Brustflosse nebst der Hypoglossusregion. Anatomisches. Die Brustflosse des Lachses ist diebt hinter der Kiemen- region gelegen, aber nicht so nahe der Mittellinie, wie die Becken- flosse, so dass ein Theil des M. obl. abdominis neben dem M. reetus abdominis sich zwischen die Flossen der beiden Körperseiten weit oralwärts hineindrängt bis die genannten Mus- keln den ventralen Theil des Schultergürtels und zum Theil sogar den Zungenbeinbogen erreichen. Die Basis der Flosse verläuft schräg zur Längsachse des Leibes von der Seite her ventral- und eaudalwärts. Die Lage der Flosse ist somit ungefähr dieselbe, wie die der Bauchflosse. Das primäre Skelet des Brustgürtels und der Brustflosse besteht aus einem eigenartig gestalteten Knochen, der am ehesten noch einem Pfluge zu vergleichen ist, dessen Spitze oral- und ventralwärts gerichtet ist. Man unterscheidet für gewöhnlich einen der Seapula entsprechenden und einen Coracoid-Abschnitt. Die Adduetor-Muskeln liegen auf der inneren Seite des Knochens, während die Abductoren die äussere Fläche be- decken. Zu den vier gewöhnlich beschriebenen Muskeln der Flosse tritt noch auf der Abduetorenseite ein fünfter hinzu. Dieser Mus- kel ist zweifellos von M®. Murrich (84) als der vordere Theil des M. abduetor superficialis beschrieben worden. Da dieser Muskel ebenso deutlich abgegrenzt ist wie irgend ein Muskel des Fischkörpers und seine Wirkung eine ganz bestimmte ist, so schlage ich für ihn den Namen M. arrector vor. Da- dureh steigt die Zahl der vier bekannten Brustflossenmuskeln auf fünf, deren Beschreibung hier folgt. Der M. abduetor superficialis entspringt von der ventralen Kante des Os eoracoideum. Seine Fasern sind parallel, laufen dorsal- und eaudalwärts, um sich an den einzel- nen Flossenstrahlen mit je einer besonderen Sehne zu befesti- gen. Der Muskel kann nicht in einzelne Bündel zerlegt werden. Der M.abduetor profundus entspringt von dem cau- dalen Theil des Os eoracoideum. Seine Fasern verlaufen fast parallel zu den Fasern des oberflächlichen Muskels und in- Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 543 seriren unter den Sehnen des Abduetor superficialis an den Basen der einzelnen Flossenstrahlen. Der Muskel wird voll- ständig von dem Abduetor superficialis bedeckt und ist bedeutend kürzer. Der M. arreetor entspringt von einer Leiste auf der oralen Oberfläche, seitlich am Os eoracoid. und zum Theil von dem sekundären Sehultergürtel. Seine Fasern verlaufen dorsal- und caudalwärts und befestigen sich an der Basis des ersten Flossenstrahles auf der Aussenfläche der oralen Kante. Nahe seinem Ursprung ist der Muskel theilweise von dem M. ab- duetor superfieialis bedeckt. Auf der inneren oder Adduetoren-Seite der Flosse ist jeder der beiden Muskeln fast vollständig in Blätter gespalten, von denen je eins mit besonderer Sehne an den entsprechenden Flossenstrahl heranzieht. Der M.adduetor superfieialis. entspringt zum Theil von der Clavieula, ventral zur Befestigung der Scapula, zum Theil von der Seapula selbst. Die Fasern sind bündelweise an den einzelnen Strahlen der Flossen mit Ausnahme des ersten kopfwärts gelegenen Strahles befestigt. Die dadurch entstandene Aufblätterung des Muskels verhält sich dann so, dass jedes cau- dalwärts gelegene Blatt das vorhergehende orale deckt. Man kann den Muskel in eine lange und eine kurze Portion trennen. Die lange Portion besteht aus den drei oral gelegenen Blättern und entspringt von der Clavicula, verläuft durch den breiten Bogen der Seapula, um zu den Flossenstrahlen zu gelangen. Die kurze Portion entspringt von der Scapula. Die Fasern dieser Portion verlaufen von der Scapula zu den Strahlen theils hori- zontal, theils ventral- und caudalwärts. Der M. adduetor profundus entspringt von der Cla- vieula-und dem Coracoid, um sich an allen Flossenstrahlen unter der Insertion des oberflächlichen Adduetor zu befestigen. Die Fasern dieses Muskels, der ebenfalls theilweise deutlich in Blät- ter zerfällt, laufen zu den Strahlen caudal und dorsal, und kreu- zen auf diese Weise die Fasern des Adduetor superficia- lis unter einem beträchtlichen Winkel. Auch dieser Muskel zerfällt in eine lange und eine kurze Portion. Die lange Portion entspringt von der Innenseite der ventralen Kante, oral am Coracoidbein und verläuft durch den Bogen der Scapula 544 R. G. Harrison: zum ersten Flossenstrahl. Der kürzere Theil entspringt vorzugs- weise von dem eaudalen Theil derselben Fläche des Coracoid und befestigt sich mit Ausnahme des ersten an allen Flossen- strahlen. Innervirt wird die Flosse vorzugsweise von einem starken Nervenstamme, der durch die Vereinigung der ersten drei ächten Spinalnerven gebildet wird (Fig. 35). Dazu kommt ein zarter Nerv (n. hy.), der ohne eine dorsale Wurzel und ohne Ganglion den Wirbelkanal mit dem ersten Spinalnerven verlässt und den man gewöhnlich Hypoglossus nennt. Der aus der Vereinigung hervorgegangene Nervenstamm giebt einen Zweig zu den Mm. Coraco-arcuales (n. cor. arc.) und peripher davon einen starken Zweig zum M. coraco- hyoideus (n. cor. hy.) ab. Der Nervenstamm verläuft dann oral von der Scapula und dringt in die Flosse ein, kreuzt die innere oder Adduetorenseite oral von der Masse des M. adduc- tor profundus, durchbohrt aber den Adduetor super- fieialis und hat die lange Portion dieses Muskels oral vor sich liegen. Wenn der Nerv eben in die Flosse eingetreten ist, giebt er einen starken Zweig ab, der caudal zwischen dem Adductor superfieialis und profundus verläuft, aber bloss den oberflächlichen Muskel innervirt (n’. add. s.). An denselben Stellen giebt der Hauptstamm des Nerven einen Ast ab, der sich, oral wendend, in kleinere Zweige zerfällt und den tief liegenden Adduetor versorgt (n. add. p.). Darauf passirt der Haupt- nervenstamm ein Loch des primären Schulterknochens und ge- langt auf die äussere oder Abduetorenseite, innervirt den M. arrector (n. ar), abduetor superficialis (n. abd. s.) und profundus (n. abd. p.) und giebt ausserdem einen sen- siblen Zweig zu den Flossenstrahlen ab. Neben dem echten Plexus pectoralis bilden der vierte und fünfte Spinalnerv einen Plexus, der wesentlich sensible Fasern abgiebt. Ein Zweig des fünften Nerven aber ist motorisch, und dringt in den M. adductor superficialis (n?. add. s.) an seinem ceaudalen Ende ein. Dieser Muskel wird somit von zwei durchaus getrennten Nervenprovinzen versorgt. Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 545 Entwieklungsgeschichte. Die vergleichenden Anatomen stimmen im Allgemeinen darin überein, dass die vordere Extremität sich weiter von dem uranfänglichen Zustand entfernt hat, als die hintere. Wenn auch Dohrn und Mollier nicht geneigt sind, dies für die Selachier zuzugeben, so zeigt doch das Studium der Teleostierflossen, dass die Entwicklungsgeschichte der Brustflosse sich weit mehr von dem Typus, wie man ihn bei Selachiern findet, entfernt, als die Bauchflosse. Während die Beobachtungen über die Entwicklung dieser Flosse weit zerstreut in Arbeiten über Gesammtentwicklung der Teleostier sich finden, hat Boyer (92) es vor Kurzem unter- nommen, den Ursprung der mesodermalen Bestandtheile dieser Flosse einem besonderen Studium zu unterziehen. Frühere Ar- beiten sind in seiner Arbeit sämmtlich aufgezählt und gewürdigt worden, so dass ich mich hierauf beziehen kann. Seitdem hat ausser Kästner (9) auch Corning (94) seine Beobach- tungen über diesen Gegenstand veröffentlicht. Wenn Corning auch zu andern Resultaten gelangt war, als ich in meiner schon früher erschienenen Mittheilung, so ist die Differenz zwischen uns ausgeglichen durch einen später auf dem Baseler Anatomen-Congress von Corning gehaltenen Vortrag, worin meine Angaben über die Muskelknospen der Brustflossengegend bestätigt werden. In vielen anderen Einzelheiten, über die ersten Anlagen der Flosse usw., stimmen unsere Angaben überein. Für das Verständniss meiner Beschreibung wird es aber nöthig sein, dieselbe noch ein- mal zu wiederholen. Die Brustflosse erscheint viel früher im Embryonalleben als alle die anderen, und zwar zu einer Zeit, wo die Gewebe des Körpers noch keinen hohen Grad der Differenzirung aufweisen. So erscheint sie ungefähr am zwanzigsten Tag, während die nächst ihr erscheinende Rückenflosse erst ungefähr am fünfzigsten die ersten Spuren der Entwicklung zeigt. Ungefähr am fünfzehnten Tage nach der Befruchtung bilden die Zellen der Seitenplatten bei den Lachsembryonen ein eubi- sches Epithel in einem beträchtlichen Areal in und hinter der Herzgegend. Sowohl Somatopleura als Splanchnopleura zei- gen die Verdickung, und das verdiekte Epithel setzt sich durch das Nephrostom in das Epithel des Wolff’schen Ganges fort. 546 R. G. Harrison: Oral, eaudal und lateral von dieser Gegend ist das Peritoneum aus ‘den gewöhnlichen abgeplatteten Zellen zusammengesetzt. Ich kann leider nicht angeben, wie früh diese Verdiekung beim Em- bryo auftritt, da mir die Stadien fehlen, wo dies nachzuweisen wäre. Die ersten Spuren der Brustflosse treten auf als weitere Verdiekungen eines Theiles der Somatopleura in dem eben be- schriebenen allgemein verdickten Bezirk. Ich gehe bei dieser Betrachtung nicht auf den Ursprung der mesodermalem Somiten und des Kopfmesoderms näher ein. Es wird aber für das Verständniss der folgenden Beschreibung nöthig sein, einige Punkte, die vorderen Urwirbel betreffend, näher zu beleuchten. Zur Zeit des ersten Erscheinens der Flossenan- lage sieht man, dass der erste, oral sichtbare Urwirbel nur rudimentär entwickelt ist (Fig. 21 my“). Er besteht aus einem einzigen, bestimmten Zelllager, offenbar die Seitenwand oder die Cutisplatte, zu der median einige weniger locker gefügte Mesen- chymzellen gelegen sind. Von hier bis zum Gehörbläschen liegt ein breiter Zwischenraum, der in seiner Ausdehnung etwa der Länge von drei Myotomen entspricht. In dieser Gegend liegen Mesodermzellen, an denen keine Spur von Segmentirung nachzu- weisen ist. Da später alle Spuren des eben beschriebenen vor- dersten Urwirbels verschwinden), eine Thatsache, die mir noch bei der Verfassung meiner vorläufigen Mittheilung unbekannt war, so möchte ieh ihn nicht Urwirbel eins nennen, sondern als Ur- wirbel a bezeiehnen, indem die Bezeichnung „erster“ für den vordersten bleibenden Urwirbel reservirt wird. Ich glaube hiermit Missverständnisse zu vermeiden, obgleich dadurch die Bezeichnung eine andere sein muss als sie in meiner, ersten Mittheilung war. Der dortige zweite wird nämlich hier zum ersten, der dritte zum zweiten usw. Den vergänglichen Urwirbel hat Corning (94) nicht 1) Beim Verschwinden scheint dieser Urwirbel bloss Mesenchym zu liefern, das sich von dem übrigen des Kopfes nicht unterscheiden lässt. Bei Embryonen von 8—-10 mm Länge, d.h. bei denen, wo das Gewebe in der Flossenanlage schon im Anfang der Differenzirung ist, ist er in den meisten Fällen nicht mehr zu sehen. In einzelnen Fällen scheint er fortzubestehen und sich in Muskelgewebe zu differenziren. Dadurch lässt sich das Vorhandensein von einem kleinen Muskel- segment erklären, das in einigen Embryonen, oft nur aufeiner Körper- seite, vor dem vordersten völlig ausgebildeten Muskelsegment liegt. Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 547 erwähnt, obgleich er in einer seiner Abbildungen vom Hecht (Fig. 4 auf Tafel IV) angedeutet ist. Die zwei folgenden Urwirbel, d. h. der erste und zweite bleibende, enthalten neben der einzelligen Cutisplatte eine deut- liche Muskelplatte. Doch sind diese Segmente ventralwärts nicht scharf von den Seitenplatten abgegrenzt. Die folgenden Segmente sind noch deutlicher und völlig von dem peritonealen Theil des Mesoderms abgesetzt. In keinem von den Myotomen in diesen Stadien sind Muskelfibrillen entwickelt. Lateral, oder wenn man die Bezeichnung nach dem Schwunde des Dottersacks von neuem bestimmt, ventral, zu den ersten drei Segmenten sind zahlreiche Mesenchymzellen zwischen Somato- pleura und Eetoderm vorhanden (Fig. 12 u. 13 mes.). Diese Zellen hängen innig mit den ventralen Enden der ersten Urwirbel zusammen und ebenso mit dem unsegmentirten Kopfmesoderm. - Von hier aus eaudalwärts gehen die Zellen des Mesenchyms all- mählich in die Verdiekung der Somatopleura, die erste Anlage der Brustflosse, über (Fig. 12 ppl.). Diese Verdiekung der Somatopleura ist bedingt durch die Verlängerung der hier gelegenen Zellen in einer zur Oberfläche senkrechten Richtung, so dass die Zellen ein Cylinderepithel bilden. Sie ist im Quer- und Längsschnitte leicht von der vor ihr gelegenen Verdiekung zu unterscheiden. Das Cylinderepithel fängt kurz vor dem Septum zwischen dem zweiten und dritten bleibenden Urwirbel an und dehnt sich nach hinten über drei Segmente, also bis zu der Grenze zwischen dem fünften und sechsten bleidenden Segment aus. Nach den Abbildungen Boyer’s zu urtheilen wird bei Fundulus kein solch regelmässiges Cylin- derepithel gebildet. An Uebersichtspräparaten sind die zwei ver- diekten Zonen nicht leicht auseinander zu halten. Dadurch er- klärt es sich, dass Ziegler (87), wie nach ihm auch Corning, die Flossenanlage etwas zu ausgedehnt beschrieben haben, die sie sich zu weit nach vorn erstrecken lassen. Spätere Stadien zeigen, dass, wenn überhaupt, dann nur ein kleiner Theil dieser Zellen in die Flosse zu liegen kommt. In der ersten Entwicklung stimmt daher die Brustflosse mit der vorderen Extremität der Selachier und der höheren Wirbelthiere überein; sie ist aber von der Entwicklung der Bauchflosse verschieden, indem bei der letzteren keine epithelartige Verdickung vorkommt. 548 RHGaEkamınısiom: Die relative Lage der Flossenanlage mit Bezug auf die Urwirbel, ist, wie schon Ryder (84) hervorgehoben hat, sehr verschieden bei den verschiedenen Teleostiern. Nach diesem Forscher finden sich bei Cybium zwölf Somiten zwischen der Brustflossenanlage und dem Gehörbläschen, während bei Alosa und Pomolobus nur zwei Somiten zwischen diesen Grenzen liegen. Nach Boyer liegt die Flosse von Fundulus in der Gegend der vier ersten Myotome. Bei Salmo liegt sie, wie schon erwähnt wurde, in der Gegend des dritten, vierten, und fünften” Segmentes. Für die folgende Beschreibung ist deshalb zu bedenken, dass bei anderen Knochenfischen bedeutende Ab- weichungen von dem Verhalten beim Lachs vorkommen können. Die Zellen des verdiekten Cylinderepithels der Pectoral- platte vermehren sich ungemein schnell, so dass sehr bald ein Haufen von dieht an einander gepressten Zellen ohne Schichten- bildung vorliegt (Fig. 14). Die Zellgrenzen, die vorher ganz deutlich waren, verschwinden jetzt fast vollständig. Diejenigen Zellen dieses Complexes, welche die Leibeshöhle begrenzen, werden wieder abgeplattet, so dass die Somatopleura in ihrer ganzen Ausdehnung gleich beschaffen ist und nicht mehr wie vorher in der Gegend der Flossenanlage verdickt erscheint. Die Zellen der Flossenanlage, welche an das Peritoneum grenzen, liegen nicht so dicht wie die unter dem Eetoderm direkt ge- legenen, so dass sict ein Zustand herausbildet, ähnlich dem in der Bauchflosse (vgl. Fig. 16 und 24), wenn auch in verschie- dener Weise. Während der Wucherung in der Somatopleura tritt die Eetodermfalte (Fig. 14, ef.) der Flosse auf und zwar auf die- selbe Weise wie bei dem unpaaren Flossensaum, und nicht wie bei der Bauchflossenfalte. Dies lässt sich wohl dadurch erklären, dass zur Zeit, wo die Bauchflosse sich entwickelt, die Epidermis eine andere Beschaffenheit hat, als bei der viel früher sich ent- wickelnden unpaaren- und Brust-Flossenfalte. Die Faltenbildung im Eetoderm beginnt ungefähr in der Mitte (von oral nach cau- dal) der Flosse und schreitet parallel mit der Körperachse nach vorn und hinten fort. In mehreren Schnittserien von Stadien zwischen den in Fig. 11 und 14 abgebildeten, fand ich die in Entstehung begriffene Falte in nur wenig Schnitten. Oral und caudal von diesen waren viele Schnitte, die die Flossenanlage Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 549 trafen, aber die Falte nicht. Dies ist besonders hervorzuheben, da die Sache nicht ohne Bedeutung ist (s. p- 55) und Boyer und Corning angeben, dass die Entwicklung der Teleostier- flosse wie die der Selachier stets von vorn nach hinten fort- schreitet. Wie Boyer bei Fundulus in Uebereinstimmung mit den neueren Befunden bei anderen Wirbelthierklassen nachgewiesen hat, sind Veränderungen in der Somatopleura schon zu Stande ge- kommen, ehe die Verdiekung des darüber liegenden Eetoderms auftritt. Da die Angaben der früheren Autoren, wie Balfour (78) u. A. hiervon abweichen, so ist die Frage oft sehr ein- gehend diseutirt worden. Möglicherweise hat man diesem Punkt mehr theoretisches Gewicht beigelegt, als er verdient. Es ist schwer, sich vorzustellen, dass ein kleiner Zeitunterschied im Auftreten zweier unabhängigen Strukturen die wichtige phylo- genetische Bedeutung haben könne, die man ihr so häufig zu- schreibt. Am unversehrten Thier erscheint jetzt die Flossenanlage als ein Auswuchs der äusseren Bedeckung des Dottersackes und voll- ständig ohne Verbindung mit dem Rumpf. Die Eetodermfalte bildet den Gipfel des Auswuchses und ist beinahe parallel zur Körperachse gestellt. Die Falte convergirt kopfwärts ein wenig mit der der anderen Seite. Durch diese Convergenz wird bis zu einem gewissen Grade die Lage der ausgebildeten Flosse an- gedeutet (s. p. 569). Auf dem Querschnitt (Fig. 14 und 16) ist die Flosse drei- eckig. Die Basis dieses Dreiecks, die Somatopleura (som.), er- streckt sich fast horizontal über den Dottersack. Solche Quer- schnitte treffen auch die Cardinalvene (» c.), die dicht am Peri- toneum und median zur Flossenbasis verläuft. Auch der Wolff- sche Gang (w. g.) verläuft durch den eaudalen Theil dieser Ge- gend. Die vordere Grenze des Ganges fällt in die Mitte oder den caudalen Theil des vierten Segmentes (Fig. 21, 22 u. 32). Während die Somatopleura in der eben beschriebenen Weise wuchert, erleiden auch die ersten Urwirbel gewisse Veränderungen. Obgleich dieselben eigentlich nichts mit der Entwicklung der Flosse zu thun haben, so liegen sie doch so in ihrer Nähe, dass sie von Anderen als an der Flossenbildung selbst betheiligt auf- gefasst worden sind. Deshalb erscheint esangebracht, die Vorgänge 550 R. G. Harrison: an den ersten Urwirbeln schon hier und vor der Beschreibung der Weiterentwicklung der Flosse abzuhandeln. Am ersten bleibenden beginnend (Fig. 21 my!.), entwickelt sich aus jedem der vorderen Urwirbel ein ventraler Auswuchs (vw f.). Der vorderste, nur rudimentär entwickelte und später schwindende Urwirbel (my“.) bildet keinen solchen Fortsatz. Die Fortsätze sind solide Zellstränge undifferenzirten Muskel- gewebes. Der vorderste (v w ft) ist weniger stark entwickelt, als die folgenden und wächst hauptsächlich vom caudalen Ende der betreffenden Urwirbelkante. Der zweite (v u f.?) ist be- deutend grösser und kommt mehr von der Mitte des Urwirbels, während bei dem dritten die ganze ventrale Kante des Urwirbels sich zu betheiligen scheint. Der vierte hat denselben Typus wie der dritte, nur ist er etwas kräftiger. Caudal von diesem sind, in den ersten Stadien, die Fortsätze kaum entwickelt, obgleich sie bald danach auch hier auftreten. Die Bildung der Fortsätze schreitet somit von vorn nach hinten fort. Bei dem Wachsthum der Auswüchse in die Körperwand biegen sie alle nach vorn um, was schon vom ersten Beginn des Wachsthums an angedeutet ist. Corning hat die Form der einzelnen Fortsätze haupt- sächlich beim Hecht beschrieben und abgebildet, der in dieser Beziehung an Oberflächenpräparaten leichter zu studiren ist, als der Lachs. Den vordersten Auswuchs hat er aber nicht gesehen, und sein Vorhandensein geläugnet. Jeder von uns hat die Fort- sätze Muskelknospen genannt, eine Bezeichnung, die mir jetzt nicht ganz zutreffend scheint, wenn man unter Knospen solche Gebilde versteht, die bei den Selachiern durchweg oder beim Lachs in den anderen Flossen vorkommen. Die Fortsätze sind eher mit den ventralen Urwirbelfortsätzen zu vergleichen, aus denen die ventrale Rumpfmuskulatur hervorgeht. An Querschnitten sieht man, dass allein die Cutisplatte sich in den zweiten und dritten Urwirbelauswuchs fortsetzt (Fig. 13 v u f?). Wie Maurer und Andere nachgewiesen haben, ist in der Regel auch die Muskelplatte an dem Aufbau der ventralen Urwirbel- fortsätze betheiligt. Dies ist auch der Fall bei den weiter nach hinten gelegenen Auswüchsen des Lachses. Die eben erwähnte Ausnahme verdient um so mehr betont zu werden, als viele Forscher geneigt sind, der Cutisplatte die Fähigkeit abzusprechen, quergestreifte Muskeln zu bilden. Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 551 In Bezug auf das Verhalten zwischen Muskelplatte und Fort- satz bilden der dritte und vierte Fortsatz einen Uebergang zwi- schen den beiden ersten von der Muskelplatte nicht abstammenden und den hinteren mit der Muskelplatte deutlich zusammenhän- genden Fortsätzen. Der erste Fortsatz wird nie völlig ausgebildet. Der zweite und dritte verlängern sich stark, indem sie ventral und kopfwärts in die Pericardialregion der Leibeswand eindringen. Bei dem kopfwärts gerichteten Wachsthum folgt der eine Auswuchs dicht dem anderen (Fig. 22 und 51). Der vierte (vu f.*) wächst ebenfalls kopfwärts, geräth aber nicht so weit ventralwärts als wie die übrigen. Ihr Verlauf ist ein wenig ventral und lateral zum ventralen Ende der Urwirbel dicht an der Basis der Brust- flosse (Fig. 17). Wenn auch dieser vierte Fortsatz nothwendiger Weise unter die Brustflosse auf der Strecke eines ganzen Muskel- segmentes gerathen muss, so dringt er doch nieht in die Flossen- anlage ein, wie es bei den Muskelknospen der unpaaren und Bauchflossen geschieht. Er schliesst sich vielmehr dem zweiten und dritten Fortsatz an und bildet mit ihnen einen Muskelstrang, der sich von der Brustregion bis zum Zungenbein erstreckt. (Siehe Schema p. 565.) Der Theil des vierten Fortsatzes, der im Bereich der Flossenbasis gelegen ist, ist ein Zellstrang von etwas diehterer Beschaffenheit als das umgebende Mesenchym. Wenn seine Conturen auch nicht so scharf und bestimmt sind, so kann man seinem Verlauf trotzdem an Längs- oder Querschnittserien gut folgen. Es ist möglich, dass einzelne Zellen sich von der Peripherie dieses Zellstranges ablösen und mit dem Mesenchym der Flossen mischen, wie ja Boyer annimmt; jedenfalls hat der Strang als eine Zellmasse eine andere Bestimmung als in die Flosse einzutreten. Kästner (92), der diesem Punkt seine Aufmerksamkeit gewidmet hat, hat seine Präparate nicht zutreffend interpretirt. So sagt Kästner mit Bezug auf die Forelle (p. 200): „Im Stadium mit 50—60 Ursegmenten, zur Zeit, wo der Embryo die ersten Bewegungen ausführt, erscheint nun auch die Anlage der Brustflossenmuseulatur, sie entsteht aus der ventralen Myotom- kante, wie Fig. 32 zeigt. Die Figur stellt einen Querschnitt dar durch die Gegend der Brustflossen von einem Embryo mit 57 Ur- segmenten. An der linken Seite der Figur sieht man, wie der 552 R. G Harrison: ventrale Myotomfortsatz sich verdickt hat und ein Stück in die Anlage der Flosse hineinragt; auf der rechten Seite hat sich der ganze Fortsatz vom Myotom losgelöst und ist in die Flossen- anlage hineingerückt.*“ Ein ähnliches Bild hat auch Corning in seiner Fig. 3 dargestellt. Meine eigenen Querschnittserien zeigen eine gleiche An- ordnung. Fig. 14 entspricht der linken Seite Kästner’s Fig. 32. Da er in seiner Figur keine Andeutung vom Wolff’schen Gang gegeben hat, schliesse ich, dass ein Querschnitt durch den oralen Theil des vierten Urwirbels dargestellt ist. Die rechte Seite liegt etwas mehr kopfwärts und trifft die Knospe vor ihrer An- heftung an den Urwirbel (vgl. Fig. 15, die dasselbe darstellt, aber einem späteren Stadium angehört). Boyer’s Darstellung von dem Verhalten der ersten Ur- wirbel bei Fundulus ist etwas verschieden. Der Unterschied zwischen dieser Species und Salmo ist offenbar auf die That- sache zurückzuführen, dass bei Fundulus die Brustflosse mehr kopfwärts in der Gegend der vier ersten Myotome angelegt wird. Seine Figuren aber, besonders 40, 41, 42, nach Querschnitten durch das erste, zweite und dritte Somit, gleichen den Quer- schnitten von Salmo oral von der Flossengegend mehr als solchen Schnitten, die die Flossenanlage selbst getroffen haben. Der enge Zusammenhang der Myotome mit den Seitenplatten ist genau derselbe wie bei Salmo, wenn auch bei diesem die Brustflosse erst am hinteren Ende des zweiten Somiten beginnt. Die weiteren Veränderungen, welche die ventralen Fortsätze erleiden, sind sehr einfach. Der erste ist alsbald nicht mehr als solcher nachzuweisen. Er scheint nur einzelne Mesenchymzellen zu liefern. Die folgenden drei Fortsätze fahren fort, sich zu verlängern und nach vorn zu wachsen. In dem in Fig. 22 ab- gebildeten Stadium hat der vorderste die Region des dritten Kiemenbogens erreicht, während er etwas später (Fig. 31) bis zum ersten Kiemenbogen sich erstreckt. Die Fortsätze sind abgerundet an ihrem vorderen Ende. Während ihrer Verlängerung werden die Zellstränge, welche jeden einzelnen Fortsatz mit seinem Urwirbel verbinden, nach und nach langgezogen und verschwinden. Die drei verbreiterten Fort- sätze vereinigen sich dann in sagittaler Richtung, um einen ein- zigen Zellstrang embryonaler Muskelzellen zu bilden, deren orales Die Entwicklung d. unpaaren ü. paarigen Flossen d. Teleostier. 553 Ende durch einen Strang von embryonalem Bindegewebe mit dem Zungenbein verbunden wird. Unterdessen tritt die Bindegewebs- Anlage des Deekknochens des Schultergürtels auf. Hier be- festigt sich das caudale Ende des vierten Auswuchses oder des letzten der drei zur Bildung des Muskels verbrauchten Fortsätze. Der so entstandene Muskel ist Coraco-hyoideus von van Wyhe (8) und Dohrn (84); Retractor hyoidei von Owen (68); Sterno-hyoideus von Vetter (78) und Hyo- peetoralis von M“. Murrich (84) genannt worden. Beim erwachsenen Lachs behält der Muskel noch Spuren einer Seg- mentation in drei Abschnitte. In der Entwicklung dieses Muskels zeigt Salmo eine auffallende Aehnlichkeit, einige unbedeutende Unterschiede ab- gerechnet, mit den Selachiern auf einer Seite und mit den Rep- tilien auf der andern. Nach van Wyhe (83, p. 16) verlängern sich bei Pristiurus die drei letzten Kopf- und die ersten Rumpfurwirbel ventralwärts, um kopfwärts abzubiegen und diesen Muskel zu bilden. Van Bemmelen (89) giebt eine ähn- liche Darstellung von der Eidechse, wo die fünf ersten Urwirbel Fortsätze bilden, die sich ventralwärts zu einem Zellstrang ver- einigen und nach der Kiefergegend auswachsen!). In beiden Fällen, bei Pristiurus und Lacerta, liegt die vordere Extremität caudal von dieser Gegend. Die Extremität bezieht ihre Muskel- knospen von Urwirbeln, die nicht zur Bildung des M. coraco- hyoideus beitragen. Die Zahl der vor der vorderen Extre- mität (Brustflosse) bei Salmo gelegenen Myotome ist gegen die bei Selachiern und Reptilien verkleinert, so dass es den Anschein hat, als sei die Extremität nach dem Kopf zu gewandert. Die Beziehung zwischen M. Coraco-hyoideus und Brustflosse in solehen Arten wie Cybium, wo die Flosse weiter caudal- wärts und Fundulus, wo sie weiter kopfwärts als beiSalmo entsteht, dürfte vielleicht zur Aufklärung dieser Frage dienen. Von den Fortsätzen des ersten, zweiten, dritten und vierten Urwirbels ist jetzt das Nöthige ausgeführt worden. Der Fort- 1) Corning (9%) hat neulich die Angaben van Wyhe’s und van Bemmelen’s über die Zungenmuskulatur bestätigt und auch neue Einzelheiten beschrieben. Besonders eingehend ist Mollier’s (95) Beschreibung der ersten Urwirbel resp. ventralen Fortsätze bei Lacerta. 554 R. G. Harrison: satz des fünften Urwirbels (Fig. 14), den man ebenfalls in der Gegend der Brustflosse findet, tritt nicht m den M. coraco- hyoideus ein. Dieser Fortzatz wächst, wie der nächst nach vorn liegende von der ganzen ventralen Kante seines Urwirbels gegen die Flossenanlage hin; aber er wächst nicht so weit kopfwärts wie die vorderen (Fig. 21). Er schnürt sich allmählich von seinem Urwirbel ab und bei 35 Tage alten Embryonen findet man ihn als einen gesonderten, aber nicht deutlich abgegrenzten Zellstrang, der an der Basis der Flosse liegt (Fig. 18). Dieser Zellstrang nimmt, trotzdem man es seiner Lage nach erwarten könnte, keinen wesentlichen Antheil an dem Aufbau der Flossen- muskulatur. Er ist nämlich noch als gesonderter Zellstrang nach- zuweisen zu Zeit ihrer ersten Differenzirung (siehe p. 558). Was aus diesem Strang wird, habe ich nicht entdecken können (vergl. p- 556). In dem in Fig. 19 abgebildeten Stadium ist er nicht mehr aufzufinden. Es ist wohl möglich, dass er sich mit dem Fortsatz des sechsten Urwirbels verbunden hat, da von Anfang an die zwei Fortsätze eng an einander gelagert sind. Ursprüng- lich war dieser fünfte Fortsatz, aller Wahrscheinlichkeit nach, auch ein Bestandtheil des M. coraco-hyoideus, der späterhin aber, als die Flosse nach vorn rückte, seine Funktion verlor und dann nicht mehr aus seiner Anlage fertig gebildet wurde !). Die Urwirbel, die hinter der Flossenanlage liegen, bilden ebenfalls ventrale Auswüchse. Auch diese wachsen über den Dottersack nach der späteren Bauchseite zu; aber nicht in Form gesonderter Fortsätze, wie bei den Urwirbeln, die denM.coraco- byoideus liefern, sondern vereinigt zu einem Blatt von Muskel- gewebe, das allmählich über den Dottersack wachsend, schliess- lich die ganze Bauchseite umwächst. Das ist der „ventrale Ur- wirbelfortsatz“ von Maurer (91), aus dem die ventrale Rumpf- muskulatur hervorgeht. Der nächste, eaudal von der Flossen- anlage liegende Urwirbel, d.h. der sechste, weist zuerst Spuren dieses Vorganges auf. Er bildet seinen Fortsatz kurz nach der Zeit, wo die Fortsätze für den M. coraco-hyoideus ent- 1) Corning (9, p. 170) schreibt mir irrthümlich zu, dass ich den M.coraco-hyoideus aus den fünf vordersten Urwirbelfortsätzen her- vorgehen lasse. Das wäre nur richtig, wenn man den disintegriren- den Fortsatz des ersten Urwirbels und den des fünften mitrechnete, was für den jetzt lebenden Lachs aber nicht zutrifft. Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 555 stehen (Fig. 32). Der Fortsatz hat eine dreieckige Gestalt. Die folgenden fangen beträchtlich später an zu wachsen, und zwar der Reihe nach so, dass die eaudalen nie einen so langen Fort- satz haben, wie die dem Kopf näher gelegenen. Wenn man nun Embryonen von 18—20 mm Länge, an denen die ventrale Muskellamelle schon beträchtlich verlängert ist, von der dorsalen Seite betrachtet, so sieht man, dass die ventrale Wachsthumskante von jeder Seite eine schräge, leicht gebogene Linie auf dem Dottersack bildet, die kopfwärts am weitesten von der Mittelebene liegt und sich nach der Brustflosse zu dem Körper nähert. Vor dem Auftreten ihrer Fortsätze sind die Urwirbel, welche die Muskellamelle bilden, im Profil leicht V-förmig gebogen (Fig. 32). Die Spitze des Winkels ist gegen den Kopf des Embryo gerichtet (vergl. p. 513). Wenn nun das Wachsthum um den Dottersack beginnt, wird jeder Urwirbel brüsk kopfwärts gebogen, anstatt dass er sich in der Richtung seiner ventralen Hälfte schwanzwärts verlängert. Dadurch ist jetzt jedes Intermuskularseptum doppelt, d. h. S-förmig gebogen. Was den feineren Bau dieser Lamellen betrifft, so ist nichts neues darüber anzugeben. Beide Urwirbelplatten, d.h. Muskelplatte und Cutisplatte nehmen an ihrem Bau Theil. Am äusseren Ende des Fortsatzes bleibt das Gewebe undifferenzirt und sorgt für das weitere Wachsthum. Muskelfibrillen entstehen bald. Um die viel discutirte Frage zu entscheiden, ob ausschliesslich die Zellen der inneren (Muskel-)Schicht des Fortsatzes Muskelfasern bilden, oder ob auch die äussere (Cutis-)Schicht sich daran betheiligt, fehlen mir beweisende Beobachtungen. Beim Auswachsen dieser ventralen Muskellamelle ist die Wachsthumsrichtung so stark nach vorn beibehalten, dass sie gerade ventral (oder, wenn man den Embryo mit Dottersack betrachtet, lateral) von der Flossenanlage sich erstreckt. Der Sehultergürtel wird schliesslich erreicht, der zum grössten Theil als vorderer Ansatz dieser Muskelschicht dient. Durch fortgesetztes Wachsthum der Muskellamelle über den Dottersack hinaus und durch den graduellen Schwund des letztern, treffen sich die beiderseitigen Lamellen schliesslich an der Bauch- mittellinie zusammen. Da inzwischen der M. recetus abdo- minis (Harrison 94, 2) von der wachsenden Kante gebildet Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46 36 556 R. G. Harrison: wird, so werden die Muskellamellen beiderseits durch diese gra- cilen Muskelstränge zeitlebens von einander getrennt. | Die äusserst ventral gelegenen Fasern der Muskellamellen heften sich nicht an den Schultergürtel an. Sie wachsen weiter nach vorn und bedecken den M. coraco-hyoideus von aussen und erreichen auch den Zungenbeinbogen. Dieses Wachs- thum findet sehr spät statt, da bei Embryonen nach dem Schwund des Dottersacks der Vorgang noch nicht ganz abgelaufen ist. Während der bei weitem grösste Theil der ventralen Rumpf- muskulatur, ventral zur Brustflossenbasis nach vorn wächst, wächst ein Strang dorsal der Flossenbasis nach vorn zu. In meiner vorläufigen Mittheilung gab ich an, dass dieser Strang aus dem Fortsatz des fünften Urwirbels hervorging. Bei genauerer Nach- untersuchung kann ich diese Angabe nicht mehr aufrecht er- halten, da der Vorgang nicht continuirlich zu verfolgen ist. Dieser Muskelstrang hat lange Zeit noch keinen festen An- satz, sondern endet frei etwas ventral zur dorsalen Rumpfmusku- latur und zwischen ihr nnd dem vorderen Theil der Flossenbasis. Bei 120 Tage alten Embryonen hat der Strang den Schulter- gürtel noch nicht erreicht. In meiner ersten Mittheilung sprach ich die Vermuthung aus, dass dieser Muskel vielleicht in die dorsale Rumpfmuskulatur übergehe. Seitdem habe ich nach- weisen können, dass er noch beim erwachsenen Lachs als ein besonderer Muskel dargestellt werden kann, der caudal dicht hinter der Flosse aus der Rumpfmuskulatur sich absetzt und deutlich von dieser getrennt, kopfwärts oberhalb der Anheftung der Flosse im Scehultergürtel endet. Innervirt wird dieser Muskel vom vierten und fünften Rückenmarksnerven. Nach dieser Schilderung der Entwicklungsvorgänge in den Urwirbeln der Brustflossenregion kehre ich zu der Beschreibung der weiteren Entwicklung der Flosse selbst zurück. Das Mesenchym der Flosse wuchert sehr schnell; jeder Schnitt zeigt eine grosse Zahl von Mitosen. Die Zelltheilung scheint nicht auf eine bestimmte Region der sich vermehrenden Zellmassen beschränkt zu sein. Die Zunahme des Gewebes der Flosse verursacht eine Formänderung, so dass ungefähr fünfzehn Tage nach dem Erscheinen der Verdickung der Somatopleura der freie Rand der Flosse über das Niveau der dorsalen Kante der Myotome hinausragt. Die Basis der Flosse verlängert sich nicht Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 557 im gleichen Maasse wie der freie Rand, hält vielmehr gleichen Schritt mit dem Wachsthum der Myotome. Die ganze Flosse wird wie die Bauchflosse fächerartig. Die genauen topogra- phischen Beziehungen zwischen Flosse und Myotomen ist in diesen späteren Stadien nur schwer zu bestimmen, da die Oberfläche der Myotome nicht allein gebogen ist, sondern die Grenzen zwischen den Myotomen nach der Medianebene zu sich weiter kopfwärts erstrecken als aussen. Die Myotome sind kopfwärts abgeschrägt, sie fallen nach innen nicht senkrecht ab, sondern jedes schiebt sich eine Strecke weit unter das vorhergehende vor. In Fig. 32 sind die Urwirbel bei der tieferen Einstellung gezeichnet. Die Differenzierung des Mesoderms der Flosse beginnt um ungefähr den fünfunddreissigsten Tag (Fig. 18). Wie in der Bauchflosse, so erscheint auch hier eine centrale Anhäufung von Zellen als Anlage des knorpeligen Skelet. Die Abgrenzung der Knorpelanlage (kn pl.) tritt auf, ehe eine wirkliche histologische Differenzirung beginnt. — Auf beiden Seiten der Knorpelanlage ist dieht dem Eetoderm ein mehrschichtiges Lager von Zellen angegliedert, aus dem die Muskeln hervorgehen. Die drei Zell- massen, in denen die Zellgrenzen nicht zu erkennen sind, sind dureh unregelmässige Spalten, die von Protoplasmafortsätzen durchzogen werden, von einander getrennt. Die ersten Spuren der Trennung dieser verschiedenen Ge- websanlagen, wie auch der später auftretenden Differenzirung, sind in dem mittleren Theil der Flossenanlage zu finden. Von da aus schreiten die Sonderungs- resp. Differenzirungsvorgänge oral und caudal fort. In dieser Hinsicht wie auch bei der Ent- wicklung der Eetodermfalte stehen meine Angaben denen Boyer’s und Corning’s gegenüber. Die von diesen Forschern aufgestellte Regel halte ich daher nicht für zutreffend, sie ist nur in Bezug auf die Entwicklung der Urwirbelfortsätze, die aber nicht in die Flossenanlage eintreten, richtig. Einige Tage später als die Spal- tung, gegen den siebenunddreissigsten bis vierzigsten Tag, tritt in der centralen Zellmasse Gewebsbildung auf (Fig. 19). Der Knorpel entsteht (kn pl... Daraus resultirt eine breite dünne Platte der Form der Flosse entsprechend peripher abgerundet; den freien Rand der Flosse erreicht diese Knorpelplatte jedoch nieht. Sie wächst ventral und oral in den Rumpf und zu einem dünnen Stabe aus. Während der Bildung des Knorpels tritt auch in dem Zell- 558 IR GHRENamıTnsom® lager zwischen Knorpel und Ecetoderm die erste Andeutung einer Umbildung zu Muskelzellen und Muskelgewebe auf. Bei der Be- sprecehung dieses Stadiums sagt Kästner (92) „während des Wachs- thums wird die Muskelanlage in zwei Theile gespalten, von denen der eine medial, der andere lateral von der central gelegenen Seeletanlage sich befindet. Die Zellen der Muskelanlage wachsen allmählich parallel der Sceletanlage aus, so dass Querschnitte durch den Embryo die Muskelfasern längs treffen.“ Wie ich schon oben gezeigt habe, hat die von Kästner beschriebene Muskelanlage ein anderes Schicksal. Die Muskelanlagen der Flosse entstehen nach meinen Beobachtungen nicht aus Abkömm- lingen der Muskelknospen, sondern als Differenzirungen des Mesen- chyms der Flosse. Kästner führt übrigens keine Beobachtun- gen an, wodurch seine Ansicht gestützt würde, sondern hält sie nach den bei Selachiern gemachten Erfahrungen für zutreffend. Wenn man aber continuirlich der Entwicklung des Mesenchyms der Flosse von der Zeit, wo die Somatopleura verdickt wird, folgt, bis zur Zeit, da die Muskeln sich differenziren, so wird man finden, dass das Mesenchym unter dem Eetoderm in allen Stadien ein continuirliches Zelllager darstellt, das die Flossenanlage ganz ausfüllt. Tritt die Differenzirung auf, so liegen die embryo- nalen Muskelzellen genau an derselben Stelle, wo in wenig Tage Jüngeren Embryonen nur Mesenchym zu finden war. Die Mus- kelfortsätze des vierten und fünften Myotoms ziehen unter der Basis der Flosse hin und kommen deshalb auf der medianen Seite der Flosse dicht an das Mesenchym heran. Selbstverständ- lich kann man, wie auch schon oben hervorgehoben wurde, nicht mit Gewissheit sagen, ob nicht isolirte Zellen des Fortsatzes des Myotoms in das Gewebe der Flosse einwandern. Sicherlich aber schieben sich keine bestimmten und geschlossenen Zellmassen aus den Urwirbeln in die Flosse vor. Nur der Fortsatz von dem fünften Segment hat keine nach- weisbare Bestimmung. Es muss zwar zugegeben werden, dass seine Lage an der Basis der Knorpelplatte der Flosse, wo er auch in Berührung mit dem Gewebe steht, aus dem die Muskulatur der inneren Flossenseite hervorgeht, verdächtig ist (Fig. 18). Die dort entstehende Muskulatur ist aber als selbstständiger, abgegrenzter Zellhaufen nachzuweisen, ehe der Fortsatz als soleher verschwindet. Wenn er an dem Aufbau der Muskeln Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 559 theilnimmt, so kann er nur einen späteren Zuwachs dazu liefern. Sicher ist es, dass der grösste Theil dieser Muskeln unabhängig von ihm sich entwickelt. Weiterhin ist das Muskellager, welches sich auf der vom Rumpf abgewandten Seite des Knorpels entwickelt, weit entfernt von den Fortsätzen der Urwirbel, und gerade dieser Umstand be- stimmt mich zu dem Schluss, dass wenigstens dieser Muskel sich ganz im Mesenchym bildet. Selbst auf der anderen Seite des Knorpels muss auf jeden Fall das Gewebe, woraus Muskeln ent- stehen, fast ganz mesenchymatisch sein. Das erste Zeiehen der beginnenden Muskelbildung besteht, wie schon bei den unpaaren Flossen angegeben wurde, in der Verlängerung der Zellkerne in der Richtung der künftigen Längs- achse des Muskels und in der Vermehrung des Zellprotoplasmas (Fig. 19). Im Gegensatz zu der Bauchflosse entwickelt sich die Muskulatur der Brustflosse als eine continuirliche Masse auf jeder Seite des knorpeligen Skeletts. So entsteht auf der Körperseite der Flosse ein primitiver Adduetor (m.add.) und auf der freien Seite der Flosse ein primitiver Abductor (m. abd.). Die Sonderung in eine oberflächliche und eine tieferliegende Muskel- schicht findet erst später durch Spaltung statt. Am fünfzigten Tag kann man in beiden Muskeln deutliche Fibrillen erkennen. Diese Fibrillen ziehen von der Peripherie vorzugsweise oral und ventral; jedoch weichen sie fächerartig auseinander, entsprechend der Form der Knorpelplatte. Um diese Zeit hat sich nur ein gewisser Theil der Zellen des Mesenchyms in der Flosse zu Muskeln entwickelt. Jenseits der Grenzen des knorpeligen Skeletts, der ganzen Flossenperi- pherie entlang, liegen Mesenchymzellen, aus denen Hornfäden und Flossenstrahlen hervorgehen (Fig. 19 und 20 skbl.) Eine Abgrenzung dieser Zellen von den Muskelmassen besteht in diesem Stadium nicht. Ausser diesen Zellen liegen am eranialen Ende der Flosse eine Anzahl von undifferenzirten Zellen vor den Mus- keln zwischen dem primitiven Adductor und dem Eetoderm der entsprechenden Flossenseite (Fig. 19). Einige Tage nach dem Auftreten der Muskelfibrillen zer- fällt jeder der primitiven Flossenmuskeln in zwei Lagen (Fig. 20). In den Spalten zwischen den nun entstandenen oberflächlichen und tiefen Muskeln liegen nur wenige Bindegewebszellen. In 560 R. G. Harrison: meinen vorläufigen Mittheilungen war ich noch der Ansicht, dass nur die Abduetoren auf diese Weise entständen. Von dem Addue- tor superficialis gab ich damals an, dass er sich von den Zellen ableite, die zwischen dem primitiven Adductor und dem Ectoderm verblieben waren. Diese Zellen gehen thatsächlich zu einem grossen Theil in diese Muskelmasse über. Die beiden Muskel- lagen sind aber in diesen frühen Stadien noch nicht gegen einan- der abgesetzt, sondern bilden sich durch Spaltung der ursprüng- lich soliden Muskelmasse. Auf der Abduetorenseite der Flosse bleibt lange, nachdem der Muskel deutlich abgegrenzt ist, eine beträchtliche Anhäufung undifferenzirter Zellen zurück (Fig. 20 m. arr.). Gegen den sechzigten Tag wird diese Zellmasse eylindrisch und wandelt sich in den M. arrector um. Somit sind die Anlagen aller der wichtigsten Bestandtheile der Flosse vorhanden. Ihr Verhalten wird in Fig. 20 veran- schaulicht. Diese stellt einen Frontalschnitt durch die Flossen- basis der rechten Körperseite dar. Caudal erstreckt sich der freie Rand weit von der Basis heraus, entsprechend der Fächer- form der Flosse in diesem Stadium. Die Nerven waren in dem abgebildeten Schnitt nicht alle enthalten, sondern sind nach einigen weiter ventral gelegenen Schnitten hineingezeichnet. Die Nerven in der Brustregion sind schon zu sehen, bevor irgend welche Differenzirung der Gewebe der Brustflosse oder des M. coraco-hyoideus aufgetreten ist. Den Verlauf der Nervenfasern kann man aber in jungen Stadien freilich nicht so einfach und deutlich erkennen als später. Drei Spinalnerven bilden einen Plexus, um den M. coraco-hyoideus und die Brust- flosse zu versorgen. Die beiden ersten vereinigen sich; weiterhin tritt der dritte dazu. Die Abgangsstelle des Nerven für den M. coraco-hyoideus unterliegt kleinen individuellen Variationen. In einigen Fällen kommt er aus dem Plexus, bevor der dritte Spinalnerv in den Plexus eingetreten ist, in anderen Fällen dicht nach der Vereinigung des dritten Nerven mit dem ersten und zweiten. Die Beziehung zwischen diesen Nerven und den Myotomen kann man besonders deutlich an siebzig bis achtzig Tage alten Embryonen erkennen (siehe Schema p. 565). Um diese Zeit ist das vorderste, schon in der Anlage rudimentäre’Myotom bis auf die Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 561 oben erwähnten Ausnahmefälle (siehe Anmerkung p. 546) völlig verschwunden. DasPrimordialeranium hat sich so weit entwickelt, dass es das erste bleibende Myotom von dem Gehirn abgedrängt hat. Das Myotom kommt jetzt in die Gegend der knorpeligen Ohrkapsel, während es an dreissig Tage alten Embryonen noch weit davon ablag. Für das erste zu dieser Zeit aufzufindende Myotom ist weder Nerv noch Spinalganglion entwickelt. Das Myotom liegt in der That in der Kopfregion und ihm gegenüber liegen die dieken Wurzeln des Vagus. Das dritte bleibende Myotom ist das erste, welches einen vollständig entwickelten Spinalnerv mit dorsalen und ventralen Wurzeln und einem Spinalganglion besitzt. Das Ganglion dieses Nerven ist um diese Zeit etwas kleiner als die folgenden. Dem zweiten Myotom entsprechend findet man einen Nerven, der meist nur eine ziemlich starke Ventralwurzel hat und den motorischen Nerven dieses Segmentes darstellt. Bei einigen Embryonen, die vierundachtzig Tage nach der Befruchtung alt geworden waren, hatte dieser Nerv sowohl eine dorsale als eine ventrale Wurzel. Bei einem Exemplar fand sich auch ein aus wenig grossen Zellen bestehendes Ganglion. Bei einem anderen gleich alten Exemplar lag auf einer Körperseite eine einzige Gang- lionzelle, während auf der anderen Seite weder Zellen noch sensible Wurzel nachgewiesen werden konnte. Bei einem noch anderen, neunzig Tage alten Embryo waren weder dorsale Wurzeln noch Ganglienzellen zu finden. Wenn dagegen weit Jüngere Stadien untersucht wurden, so fand sich jedesmal der erste Spinalnerv stets von demselben Bau als die übrigen. Sein Ganglion war ganz deutlich, wenn auch nicht so grosss als wie bei den ächten Rückenmarksnerven. Demgemäss ist dieser zum zweiten Myotom ge- börige Nerv, der mit dem Hypoglossus (Owen und andere ver- gleichende Anatomen) identisch ist, der Entwicklung nach einem Rückenmarksnerven homolog !). Beim erwachsenen Lachs hat der Nerv seine sensible Wurzel und das Spinalganglion verloren, wie dies Froriep (82 und 83) zuerst vom Hypoglossus der Amnioten ge- zeigt ‚hat. Bei den höheren Vertebraten vereinigen sich aber, 1) Bei den oben erwähnten Embryonen konnte ich keine Ver- bindung zwischen Hypoglossus und erstem Rückenmarksnerv wie beim erwachsenen Lachs nachweisen. 562 R. G Harrison: wie z. B. bei den Vögeln, vier Nerven zu einem gemeinschaft- lichen Stamme, während bei Schaf und Rind drei Nerven zu dem späteren Hypoglossusstamme zusammentreten. Der Verschmelzungsprocess mehrerer Nerven zum Hypo- slossus ist aber bei den Teleostiern schon angedeutet. Die bei- den ersten Nerven, der Hypoglossus und der erste eigentliche Rückenmarksnerv, verlassen den Wirbeleanal durch eine einzige Oeffnung zwischen dem Oceipitale und dem ersten Wirbel. Kein Wirbelbogen, weder in der Form des Vorknorpels noch des Knochens trennt die beiden Nerven. Somit steht der Umbildungs- process von Rückenmarks- zum Kopfnerven bei den Teleostiern auf niederer Stufe als bei den Amnioten. Der Verlauf der Nerven in der Flosse selbst wird aus der Fig. 20 verständlich. In diesem Stadium theilt sich der Sammel- nerv des Plexus, nachdem er einen Zweig an den M. coraco-hyoi- deus!) abgegeben, an der Flossenbasis in zwei Zweige. Ein Zweig verläuft zwischen dem oberflächlichen und tiefer liegenden Adduc- tor. Der andere Zweig läuft ventral und oral von den Addue- torenmuskeln durch die Knorpelplatte hindurch, innervirt den M. arrector, den tiefliegenden Abduetor und den oberflächlichen Abduetor. In diesem Stadium kann man auch die Eintritts- stelle des Zweigs von dem vierten Spinalnerv (n. sp.*) in den M. adduetor superficialis finden. Man findet demgemäss schon um diese Zeit fast dieselbe Anordnung der Nerven, wie später beim erwachsenen Thier. 1) Die Innervation des M. coraco-hyoideus ist in Bezug auf die Art seiner Entwicklung ungemein interessant. Wie oben nachge- wiesen wurde, entsteht der Muskel aus ventralen Knospen des zweiten, dritten und vierten Myotoms. Die den Myotomen entsprechenden Nerven, d. h. Hypoglossus und die beiden ersten Rückenmarksnerven geben ihm motorische Fasern ab. Ob auch der dritte Spinalnerv diesen Muskel versorgt, ist sehr zweifelhaft. Die beim Embryo nach- gewiesene Wanderung dieses Muskels kann in gleicher Weise beim erwachsenen Thier durch die lange extramuskuläre Strecke seines Nerven erkannt werden. Schon Me Murrich schloss aus dem Auf- bau der Nerven, dass der Coraco-hyoideus bei Amiurus mehreren Körpersegmenten angehören müssen. Meine embryologischen Un- tersuchungen beweisen die Richtigkeit dieser Vermuthung und er- härten das von M. Nussbaum (94, 1) vor kurzem formulirte Gesetz, dass der extramuskulare Verlauf eines Nerven den Weg kennzeichnet, den die Muskelanlage von ihrem Mutterboden aus genommen hat. Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 563 Wenn nun alle diese Veränderungen in der embryonalen Flosse abgelaufen sind, hat diese noch Fächergestalt. Nach dem Auskriechen aus dem Ei dient die Flosse dem jungen Fisch dazu, in seiner Umgebung Strömungen im Wasser zu erzeugen. Von da an wächst alles sehr schnell. Das Knorpelskelet und die Muskeln dringen ventral und oral wie bei der Bauch- flosse in die Leibeswand ein, zwar so, dass auf der Aussenseite der Flosse der Arrector und der oberflächliche Abductor sich beträchtlich verlängern, während der tiefgelegene Muskel relativ kurz bleibt. Auf der Innenseite der Flosse betrifft die Verlänge- rung vorzugsweise den oralen Theil beider Adduetoren. Bei diesem oral und ventral gerichteten Auswachsen des Adductor superficialis wird der vorher freiliegende Hauptstamm des Nerven von dem Muskel überdeckt. Dadurch werden die Lage- rungsverhältnisse von Muskeln und Nerven beim erwachsenen Thier herangebildet. Der Nerv zieht durch denM. adduetor super- ficialis hindurch, um die Aussenseite der Flosse zu erreichen. Während des Wachsthums der Flosse treten die Flossen- strahlen auf. Die Muskeln, namentlich auf der Adductorenseite, werden in Bündel zerlegt. Jeder Strahl ist mit dem ihm zuge- hörigen Muskelbündel durch eine Sehne verbunden. Der Muskel bekommt dadurch das blättrige Gefüge, das beim erwachsenen Thier schon beschrieben worden ist. Dadurch wird die Theilung in einen oberflächlichen und tiefen Adduetor bis zu einem gewissen Grade verwischt. Während der Dotter aufgezehrt wird, rückt die Flosse ven- tralwärts. Zuerst standen beide Flossen in einer nur von der Rückseite des Embryo sichtbaren Frontalebene. Schwindet der Dotter, so wird die Leibesgestalt in dieser Region abgeplattet. Die Flossen müssen, ohne dass sie sich von ihrer ursprünglichen Anheftungsstelle irgendwie auffällig entfernen, durch die Bewe- gung der Leibeswand aus der ursprünglichen dorsalen Horizontal- ebene in symmetrisch gelegene Sagittalebenen gelangen. Man kann dies leieht zur Anschauung bringen, wenn man auf einem Stück Papier die ursprüngliche Flossenlage einträgt und die bei- den seitlichen Ränder des Blattes nach abwärts biegt. Dabei ersieht man auch, dass die in der anfänglichen Lage gegenein- ander cranial convergirenden Flossen nach dem Schwund des Dotters in der secundären Lage caudal convergiren, weil sie 564 R. G. Harrison: nunmehr nicht mehr von der dorsalen sondern von der ventralen Seite gesehen werden können. Während dieser Zeit der Flossen- verlagerung macht die Drehung der Flosse weitere Fortschritte. Beim erwachsenen Lachs ist die Flosse in einer schrägen Rich- tung an der seitlichen Leibeswand befestigt. Sie nähert sich mit ihrem caudalen Ende der Mittellinie unter einem Winkel von 45° Dadurch ist die Brustflosse in ungefähr dieselbe relative Lage gebracht worden wie die Bauchflosse — nur geht ihre Dre- hung nicht ganz so weit. Die Flossenstellung variirt bei den verschiedenen Knochen- fischen ganz beträchtlich. In einigen Fällen beträgt die Drehung ganze 90° Grad, so dass die Basis der Flosse senkrecht zur Körperachse verläuft. Diese Rotation der Flosse erklärt es, weshalb die Fasern des Adduetor superficialis zum Theil caudal und ventral verlaufen, während die übrigen Fasern mehr parallel zur Leibes- achse gestellt sind als beim Embryo, wo sie alle fast senkrecht zur Leibesachse verliefen. Zusammenfassung. Die Brustflosse entsteht als eine Verdiekung der Somato- pleura. Muskelknospen treten, wie es bei den anderen Flossen geschieht, nieht in dieser Flossenanlage ein. Die Urwirbel der Brustflossengegend lassen je einen Auswuchs von der ventralen Kante hervorsprossen. Die Auswüchse sind nicht als Muskelknospen zu betrachten, sondern als homolog mit den ven- tralen Urwirbelfortsätzen, aus denen die Bauchmuskulatur hervorgeht. Die vorderen von diesen Auswüchsen bilden den M. eoraco- hyoideus, einen Muskel, der von dem Schultergürtel bis zum Zungenbein sich erstreckt. Die caudal gelegenen Auswüchse bilden die ventrale Rumpf- muskulatur. Einer derselben, der fünfte, nimmt an dem Aufbau von diesen Muskeln keinen nachweisbaren Antheil. Er gelangt an die Basis der Flosse und verschwindet nachher. Er bildet aber auch nicht die Flossenmuskulatur, denn diese ist schon abge- grenzt, ehe der fünfte Urwirbelfortsatz verschwunden ist. Wie aus der Art des Wachsthums .der Flosse, durch die Vermehrung des Mesenehyms zu schliessen ist, gehen die Muskel- Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 565 anlagen und das knorpelige Skelet aus einer einheitlichen Anlage hervor. Die oberflächlichen und tiefer liegenden Muskeln auf jeder Seite der Flosse entstehen durch Spaltung einerzuerst einfachen Masse. In die Flosse treten die vier ersten Spinalnerven ein, nach- dem sie sich zu einem Stamm vereinigt haben. Dieser giebt auch einen Ast zum M. coraco-hyoideus. Der erste der zur Flosse gelangenden Spinalnerven gehört genetisch zum zweiten Urwirbel. Der Nerv hat aber beim erwachsenen Thier nur eine ventrale Wurzel, obgleieh in jungen Embryonen eine dorsale Wurzel so- wie einige dazu gehörende Ganglienzellen vorhanden sind. Der Nerv ist mit dem N. hypoglossus zu vergleichen. Er verlässt die Wirbelsäule zwischen Os oceipitis und erstem Wirbel und begleitet somit den ersten ächten Spinalnerven. Ausser diesem eben erwähnten Hauptnervenstamm gehen vom fünften und sechsten Spinalnerven Zweige, die einen secun- dären Plexus bilden, zur Flosse. Der fünfte Spinalnerv versorgt mit einem Ast zum Theil den M. adductor profundus, der aber auch aus dem Hauptplexus motorische Fasern erhält. Schema des Verhaltens der Urwirbel resp. ihrer Fort- sätze und der Nerven in der Brustflossenregion. =. 23 »egment Ventraler Somato- Verlauf der 55 im Er- 3 Nerv ar wachsenen | Urwirbelfortsatz pleura Nerven a Nur Mesen- Fehlt \ Verdickung ? — chym | der Pericar- 1 |I. Oceipital Mesenchym | dialgegend ? = 2 II. Oceipital M. eor.-hyoideus |, Hypo- |Plexus pectoralis | glossus 3| I. Rumpf | M. cor.-hyeideus Gegend der, 1. Spinal |Plexus pectoralis 4 | II. Rumpf | M. cor.-hyoideus || a 2. Spinal Plexus pectoralis ectoral- | 5 | II. Rumpf ‚Verbindet sich mit platte | 3. Spinal |Plexus pectoralis dem nächstfolgen- i den (?) 6 ı IV. Rumpf 'Wächst unterhalb 4. Spinal SekundärerPlexus. ‚derFlosse weitnach ZweiganM.add.s. ıvorn. Bauchmus- kulatur. Er | | | Keine be- 7 | V. Rumpf | Bauchmuskulatur | / sondere |5.Spinal SekundärerPlexus. Verdick- In der Flosse nur ung sensibel 8 | VI. Rumpf | Bauchmuskulatur 6. Spinal ‚Rumpfmuskulatur 9 | VO. Rumpf etc. etc. etc. 566 RG SENAT stiom: Vergleichende und resumirende Betrachtungen. Nach der voraufgehenden Beschreibung weichen die ver- schiedenen Flossen des Lachses nicht unbeträchtlich in ihrem Entwicklungsgange von einander ab. In demselben Maasse, wie sie sich von einander unterscheiden, haben sie dann auch weit- gehende Unterschiede von dem primitiven Entwieklungsmodus der Selachierflosse. Bei den Selachiern aber haben sowohl paarige wie unpaarige Flossen trotz verschiedener Abweichungen von einan- der so viele fundamentale Vergleichungspunkte, dass man nicht daran zweifeln kann, wie hier zwei homodyname Bildungen vor- liegen. Wenn demgemäss die unpaaren Flossen der Teleostier in ihrer Entwicklung der der Selachierflosse näher kommen, als die paarigen Flossen und wenn die Bauchflosse der Teleostier mehr als die Brustflosse und weniger als die unpaaren Flossen dem allgemeinen Aufbau der Selachierflosse folgen, so scheint der Schluss gerechtfertigt, dass die unpaarigen und die bauchständige Flosse der Teleostier aufeinanderfolgende Stadien darstellen, an denen man verstehen lernen kann, wie sich die Abänderung in der Entwicklung der Brustflosse bei den Teleostiern und vielleicht der Extremitäten höherer Wirbelthiere vollzogen hat. Die eben betonten Unterschiede beruhen wesentlich in der Verschiedenheit des Ursprungs der Extremitätenmuskulatur. Die Muskeln der Selachierflosse leiten sich von Knospen bereits seg- mentirter Körpermuskulatur ab und geben den Flossen eine gleichfalls metamerische Anordnung, die beim Embryo deutlich ausgeprägt, beim erwachsenen Thier aber in hohem Grade ver- wischt ist. Die Muskelknospen behalten aber ihre Selbständig- keit bis zum Auftreten des Knorpelskelets, dass ebenfalls, trotz der Concentration an der Basis, Spuren einer Metamerie erkennen lässt. Dadurch wird, wie Rabl (92) zuerst hervorgehoben hat, die einfache numerische Beziehung in der Zahl der Strahlen an der ausgebildeten Flosse und der bei ihrem Aufbau bethei- listen Myotome verständlich. Wenn nun Muskelzellen benach- barter Muskelknospen, wie Mollier (93) zuerst gezeigt hat, miteinander anastomosiren, so muss man darin den ersten Schritt erkennen, die aus den verschiedenen Körpersegmenten abstammen- den Elemente zu vereinigen, so dass die Extremität dadurch einen Die Entwicklung d. unpaaren u. paärigen Flossen d. Teleostier. 567 einheitlichen Charakter gewinnt. Dabei aber bleibt die Sonde- rung der embryonalen Muskelzellen und des Mesenchyms nach den vorliegenden Beobachtungen bestehen. Die Muskelknospen bilden nur Muskeln und das Mesenchym nur Knorpel und Binde- gewebe. Untersucht man nun die unpaaren Flossen des Lachses, so gleicht ihre Entwicklung in hohem Grade dem bei den Sela- chiern festgestellten Typus. Jede Muskelknospe bewahrt soweit ihre Individualität, als aus ihr nur ein einziger Muskel, der Ereetor des betreffenden Segmentes entsteht. Die anderen Bestandtheile entwickeln sich nach ganz bestimmten Relationen zu den Muskel- knospen. Die Metamerie der Flosse (abgesehen von ihrem äussersten oralen Ende) lässt sich demgemäss auf die ursprüng- liche Metamerie des Körpers zurückführen. Trotz der schärferen Spezialisirung ihrer Theile behält die unpaare Teleostierflosse sogar eine deutlicher ausgebildete Metamerie als die Flossen der Selachier. Nun ist es aber keineswegs sichergestellt, dass bei den unpaaren Teleostierflossen die ganze Muskulatur sich von Muskel- knospen ableite. Die mesenchymatischen Zellen anastomosiren so zahlreich mit den Zellen der Muskelknospen, dass man zu einer gewissen Zeit die Zellen auf ihren getrennten Ursprung nicht mehr zurückführen kann. Namentlich die Mm. inelina- tores und depressores entstehen aus Anlagen, welche abseits von der Hauptmasse des Muskelknospengewebes liegen. Man kann demgemäss sich nicht der Annahme erwehren, dass Mesenchymzellen an dem Autbau dieser Muskeln einen gewissen Antheil haben. In dieser Auffassung wird man wesentlich durch die Vorgänge bei der Entwicklung des oralen Theiles der unpaaren Flossen bestärkt, dessen Muskeln sicher nieht von Mus- kelknospen sich ableiten, und an dem die im übrigen Theile der Flosse ausgesprochene Metamerie demzufolge in der An- lage fehlt. In der Bauchflosse der Teleostier sind wie bei den unpaaren Flossen Muskelknospen nachzuweisen. Es haben sich demzufolge sowohl die Metamerie der Flosse als auch der zweifache Ursprung ihrer mesodermalen Bestandtheile erhalten. Man findet aber in ihnen das Massenverhältniss der Muskelknospen und desMesenchyms im umgekehrten Verhältniss wie bei den unpaaren Flossen. Die 568 R. G. Harrison: Muskelknospen sind kleiner und das Mesenchym ist massiger geworden. Das Ueberwiegen des Mesenchyms ist höchst auf- fällig, trotzdem das Skelet der Flosse nur wenig kräftiger aus- gebildet wird, als bei den unpaaren Flossen. Thatsächlich ver- dickt sich das Mesenchym so stark, dass kurze Zeit nach ihrem Auftreten und vor der Bildung von Muskelgewebe die Muskel- knospen als abgegrenzte Zellmassen verschwinden. Eine Theilung in eine für den Extensor und eine andere für den Flexor bestimmte Hälfte, wie bei den Selachiern, konnte an den Muskelknospen nicht beobachtet werden. Wenn späterhin die fertigen Flossenbestandtheile sich auszubilden beginnen, so ent- stehen sowohl Muskeln als Knorpelskelet als je eine einheitliche Masse, an der keine Spur von Segmentirung nachzuweisen ist. Untersucht man die Art des Wachsthums der Flosse, so wird es im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass die Muskeln der medialen oder Abductorseite der Flosse aus den Muskelknospen Material für ihren Aufbau erhalten. Im Lauf der Entwickelung zeigt jeder Schnitt zahlreiche Kerne in den verschiedensten Stadien der Theilung, während gerade an den Kernen der Muskelknospen Theilungen selten zu finden sind. Wenn das Mesenchym nicht in die Bildung der Muskeln eingeht, so ist es schwer zu verstehen, was denn aus ihm wird. Noch auffälliger ist das Ueberwiegen des Mesenchyms in der Brustflosse. Hier werden thatsächlich gar keine Muskel- knospen gebildet, die irgendwie mit den Knospen der unpaarigen Flossen und der Bauchflosse verglichen werden können. Wenn man nicht das Zugeständniss macht, das möglicher Weise einzelne Zellen der ventralen Myotomfortsätze dieser Gegend in die Flossenanlage einwandern, so muss man die Flosse als eine durchaus reine Wucherung der Somatopleura auffassen. In jedem zur Untersuchung gelangten Embryo ist das mesenchymatische Gewebe in lebhafter Wucherung. Verfolgt man aufmerksam eine continuirliche Entwicklungsreihe in dieser Zeit, so kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass die Flossenmuskeln von dieser Zellmasse abstammen. Sie liegen nämlich an der- selben Stelle, wo kurz vorher ein Mesenchym zu finden war. Die ventralen Fortsätze der Myotome dieser Gegend bilden den M. coraco-hyoideus. Fasse ich das Gesagte kurz zusammen, so zeigt sich, dass Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 569 die Zellen der Myotome, d. h. die Muskelknospen bei der am weitesten abgeänderten Teleostierflosse allmählich im Lauf der weiteren Entwicklung aus der Urform durch Zellen des Mesen- chyms ersetzt worden sind. Bei dieser Substitution besteht schliesslich die embryonale Anlage der Flosse nur aus einer Art undifferenzirter Zellen, deren Bestimmung zu verschiedenartig ausgebildeten Geweben erst erkennbar wird, wenn sie ihre definitive Lage in der Flosse eingenommen haben. Hiernach liegt die Bedeutung unserer Kenntnisse über die Entwicklung der Selachierflosse hauptsächlich in der Auffindung der Urform der Wirbelthier-Extremität. Die Extremitäten bei den einzelnen Klassen der Wirbelthiere entwickeln sich aber nicht streng nach den bei den Selachiern innegehaltenem Typus. Ich glaube, man geht nicht zu weit, wenn man behauptet, dass die paarigen Flossen der Teleostier ein markirtes Hinausrücken über diesen primitiven Entwicklungszustand zeigen. Ein Organ, das an Ort und Stelle seine Gewebe aus undifferenzirten Zellen aufbaut, kann einen höheren Grad der Coordination seiner Theile erreichen, als wenn seine Gewebe in einer grösseren Zahl von kleinen Stücken — den Metameren -— einzeln und in ziemlich weit vorgeschrittenem Entwicklungsstadium zusammengebracht werden. Zeigt sich nun, dass die Muskeln der Brustflosse und einige Muskeln der anderen Flossen mit den Skeletbestandtheilen zugleich aus einem einheitlichen Blastem entstehen, so weicht diese Anschauung über die Entwicklung der Extremitäten zwar von der gewöhnlichen ab, ist aber, soweit es sich übersehen lässt, die Einzige, die den Thatsachen gerecht wird. Das Auf- finden von Uebergangsstadien von der primitiven Form zu den abgeänderten höheren stützt wesentlich die vorgetragene Ansicht. Ja, es ist sogar nicht unmöglich, dass die Extremitäten aller höheren Wirbelthiere gemäss den bis jetzt vorliegenden Be- obachtungsthatsachen sich im Embryo aus einer einheitlichen undifferenzirten Zellmasse aufbauen. So. sprechen zu Gunsten eines solchen Verhaltens die bisher zwar wenig anerkannten Beobachtungen von Paterson (87) die Beschreibung G ötte’s!), 1) Götte leitet den Extremitätenwulst allerdings aus der Cutis- platte (äussere Segmentschicht) ab. 570 R. G. Harrison: und eine Meinungsäusserung von Kölliker (79 p. 491). Die beiden letzten Autoren haben freilich ihr Urtheil abgegeben, bevor man genaue Kenntniss von der Entwicklung der Selachier- flosse gewonnen hatte. Trotzdem mag ich mich nicht ent- schliessen, die Extremitäten der höheren Wirbelthiere auf die vorgetragene Weise abzuleiten, ohne die einschlägigen Studien selbst gemacht zu haben; wenn auch alle Beobachter besonders erwähnen, dass sie bei ihren Untersuchungen nicht im Stande gewesen seien, die Extremitätenmuskeln direkt auf Bildungs- zellen aus den Myotomen abzuleiten. Das triftt zu bei den Studien Kaestner’s (92 und 93), an Teleostiern, Amphibien und Vögeln; Boyer (92), an Teleostiern; Wiedersheim!) (92), an Teleostiern, Ganoiden, Amphibien und Reptilien; Field (94), an Amphibien; van Bemmelen (89) an Reptilien und Koll- mann (91) an Säugethieren. Wenn demgemäss diese Beobachter trotzdem die Extremitätenmuskeln von irgend einer Art von Auswüchsen der Myotome ableiten, so können sie hierzu wesent- lich nur an der Hand von Verallgemeinerungen eines bei Selachiern nachgewiesenen Vorgangs gekommen sein ?). Man kann es wohl verstehen, wie man trotz des Mangels beweisender Thatsachen die bisher geläufige Theorie hat auf- stellen können. Denn man nimmt an, dass zu einer Entwicklungs- 1) Die Monographie von Wiedersheim bezieht sich hauptsäch- lich auf die Entwicklung des Skelets der Extremitäten. Dabei finden sich auch Angaben über die Entstehung der Muskulatur. In der Brust- flosse der Ganoiden und Teleostier wird das Vorkommen von „Muskel- knospen in der Weise, wie sie bei Selachiern zur Beobachtung kommen‘, ausdrücklich verneint. Doch scheint W. die Flossenmuskulatur aus einer Wucherung des ventralen Fortsatzes der Myotome abzuleiten. Auf den Unterschied von Mesenchym und Mesothel geht Wieders- heim nicht ein; beides wird unter dem Sammelnamen „Mesoblast“ zu- saınmengefasst. 2) Für die neue Arbeit von Mollier (9) über die Entwicklung der vorderen Extremitäten bei Eidechsen muss eine Ausnahme ge- macht werden. Nach diesem Forscher liefern mehrere Urwirbel Mus- kelknospen, die aber sehr früh mit einander in eine Zellmasse ver- schmelzen, welche durch Theilung zwei Muskelanlagen bildet. In Hin- sicht der Extremitätenentwieklung ähneln dann die Eidechsen den Se- lachiern mehr als die Knochenfische. Dies wäre aber nicht so über- raschend, da bei den Reptilien auch sonst viele primitiven Eigenschaften beharren. Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 571 periode die Zellen. des Mesoderm in Gruppen zerlegt werden, aus denen nur je eine besondere Gewebsart hervorgeht. Die Muskelanlage, mit Ausnahme der des Kopfes, fasst man als eine einheitliche auf. Wenn man, um diese Vorstellung auszudrücken, den einzelnen Zellgruppen des Mesoderms bestimmte Namen, Myotom, Sklerotom ete. gibt, so darf man doch nicht vergessen, dass diese Gruppen in gewissen Gegenden in einander übergehen. Stellt sich überdies noch heraus, dass zum Beispiel die Seiten- platten, und das Sklerotom durch Abschnürung von der an- grenzenden Anlage der Körpermuskulatur sich bilden, und dass auch die Seitenplatten neben anderen Gewebearten auch Muskeln liefern, so wird man nicht weiter die theoretische Vorstellung vertheidigen können, dass die Körpermuskulatur nur aus den Muskelplatten hervorgeht. Die bei den Teleostiern gefundenen Thatsachen widersprechen der Annahme einer einheitlichen Muskelanlage im Embryo. Ohne nachweisbaren Zusammenhang mit den für die Körpermuskulatur bestimmten Zellen treten in der Flosse Muskeln auf, die sich von den Seitenplatten und dem Sklerotom ableiten. Von den Elasmobranchien ist es nicht be- kannt geworden, dass mit Ausnahme am Kopfe diese Theile des Mesoderms quergestreifte Muskeln bilden könnten. Noch mehr Gewicht als auf die histogenetische Bedeutung der Seitenplatten hat man in der modernen Anschauung über das Mesoderm auf den fundamentalen Unterschied zwischen Mesenchym und Mesothelien gelegt. Die beiden Zellenarten kommen sowohl bei den Wirbelthierembryonen als bei den Entwicklungsstadien der Wirbellosen vor. Doch scheint mir die Annahme einer fundamentalen histogenetischen Verschiedenheit dieser Theile während des ganzen Lebens der Organismen nicht gerechtfertigt zu sein. Das Mesenchym kann wohl embryo- nales Bindegewebe, braucht aber nicht unbedingt ausschliesslich ein Vorstadium des fertigen Bindegewebs zu sein. In dem embryonalen Mesenchym können immerhin Zellen von anderer Bedeutung vorgekommen sein. Man wird auch nicht imm er ander äusseren Form die in Kern und Protoplasma schlummernden Kräfte erkennen können. So entsteht beispielsweise die Ver- diekung der Somatopleura, die erste Anlage der Brustflosse, durch Vermehrung eines ceylindrischen Epithels, während die erste Spur der Bauchflosse dadurch zu Tage tritt, dass einzelne Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 46 37 572 R.G. Harrıson!: Zellen mit langen pseudopodienartigen Fortsätzen sich zusammen- gruppiren. Man braucht nur an die Schwärmsporen mancher Rhizopoden und Flagellaten zu erinnern, die bald als amoeboide Zellen, bald als geisseltragende Cylinderzellen sich zeigen und aus einer Form in die andere übergehen. Hier hat dieselbe Zelle zwei ebenso verschiedene Gestalten als die Zellen des Mesenchyms und des epithelialen Mesoderms, obwohl der Spezies- Charakter durch die äussere Form nicht verändert wird. Die Thatsachen weisen mit Sicherheit darauf hin, dass fundamentale Unterschiede zwischen den beiden Arten des Mesoderms zwar bestehen können, aber nicht immer bestehen müssen, so dass die Einleitung der Differenzirung von Muskel- sewebe nicht ausschliesslich an die Abspaltung eines Epithel- bezirks im Mesoderm gebunden ist. Es können Zellen ohne epitheliale Grenzflächen, Zellen, mit lang verzweigten Fortsätzen, die untereinander anastomosiren, Muskelgewebe bilden. Das Mesenchym ist demgemäss ein Bildungsgewebe erster Ordnung und muss noch mehr histogenetische Kräfte entfalten können, als man ihm heutzutage für gewöhnlich zuschreiben möchte. Literatur-Verzeichniss. Balfour, F. M. 78. A .Monograph on the Development of Elasmo- branch Fishes. London 1878. van Bemmelen, 89. Ueber die Herkunft der Zungen- und Extre- mitätenmuskulatur bei Eidechsen. Anat. Anz. Bd. IV. Boyer, E.R. 92. The Mesoderm in Teleosts; Especially its share in the Formation of the Pectoral Fin. Bull. Mus. Comp. Zool. Harv. Univ. Vol. XXIII. Corning, H.K. 9%. Ueber die ventralen Urwirbelknospen in der Brustflosse der Teleostier. Morph. Jahrb. Bd. XXI. *Derselbe, 95. Ueber die Entwicklung der Zungenmuskulatur bei Reptilien. Verh. der anat. Gesellschaft. Dohrn, A., 84. Studien zur Urgeschichte des Wirbelthierkörpers. VI. Die paarigen und unpaaren Flossen der Selachier. Mittheil. aus der zool. Station zu Neapel. Bd. V. Derselbe, 85. Studien ete. IX. Die unpaare Flosse in ihrer Bedeu- tung für die Beurtheilung der genealogischen Stellung der Tuni- caten und des Amphioxus, und die Reste der Beckenflosse bei Petromyzon. Ibid. Bd. VI. Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 573 Field, H. H., 94. Die Vornierenkapsel, ventrale Muskulatur und Ex- tremitätenanlagen bei den Amphibien. Anat. Anz. Bd. IX. Froriep, A. 82. Ueber ein Ganglion des Hypoglossus und Wirbel- anlagen in der Oceipitalregion. Archiv f. Anat. u. Phys. Anat. Abtheil. Derselbe, 8. Zur Entwieklungsgeschichte der Wirbelsäule, ins- besondere des Atlas und Epistropheus und der Oceipital-Region. Archiv f. Anat. und Phys. Anat. Abtheil. Götte, A., 75. Entwicklungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. Harrison, R. G. 9. Ueber die Entwicklung der nicht knorpelig vorgebildeten Skelettheile in den Flossen der Teleostier. Archiv f. Mikrosk. Anat. Bd. XLIl. Derselbe, 9,1. The Development of the Fins of Teleosts. The Johns Hopkins University Cireulars. No. 111. Derselbe, 94, 2. The Metamerism of the Dorsal and the Ventral Lon- gitudinal Muscles of the Teleosts. Ibid. Hertwig, OÖ. und R., 82. Die Coelomtheorie. Jena. Zeit. Bd. XV. Kästner, S. 92. Ueber die allgemeine Entwicklung der Rumpf- und Schwanzmusculatur bei Wirbelthieren. Mit besonderer Berück- sichtigung der Selachier. Arch. f. Anat. und Phys. Anat. Abtheil. Derselbe, 9. Die Entwicklung der Extremitäten- und Bauchmus- culatur bei den Anuren-Amphibien. Archiv f. Anat. und Phys. Anat. Abtheil. v. Kölliker, A. 79. Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Kollmann, 91. Die Rumpfsegmente menschlicher Embryonen von 13 bis 35 Urwirbeln. Archiv f. Anat. und Phys. Anat. Abtheil. v. Kuppfer, C. 94 Studien zur vergleichenden Entwicklungsge- schichte des Kopfes der Kranioten. 2. Heft. Die Entwicklung des Kopfes von Ammocoetes Planeri. *Derselbe, 9. Ueber die Entwicklung des Kiemenskelets von Am- mocoetes und die organogene Bestimmung des Exoderms. Verhand- lungen der anatomischen Gesellschaft. Maurer, F., 91. Der Aufbau und die Entwicklung der ventralen Rumpfmuskulatur bei den urodelen Amphibien und deren Bezie- hung zu den gleichen Muskeln der Selachier und Teleostier. Morph. Jahrb. Bd. XVII. Derselbe, 9. Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyelostomen und höheren Wirbelthieren. Morph. Jahrb. Bd. XXI. Mayer, P., 8. Die unpaaren Flossen der Selachier. Mittheil. aus der zool. Station zu Neapel. Bd. VI. Me Intoshand Prince, 90. On the Development and Life-Histories of the Teleostean Food and Other Fishes. Trans. Roy. Soc. Edin- burgh. Vol. XXXV. Me Murrich, J. P., 84. On the Myology of Amiurus Catus. Proce- dings of the Canadian Institute. New Series. Vol. Il. 574 R. G. Harrison: Mollier, S, 9. Die paarigen Extremitäten der Wirbelthiere. I. Das Ichtyopterygium. Anat. Hefte vonMerkel u. Bonnet. Bd. III. »Derselbe, 9. II. Das Cheiropterygium. Anat. Hefte von Merkel und Bonnet. Heft 16. Nussbaum, M., 94,1. Nerv und Muskel: Abhängigkeit des Muskel- wachsthums vom Nervenverlauf. Verhandl. d. anat. Gesellschaft. Derselbe, 9,2. Die mit der Entwicklung fortschreitende Differen- zirung der Zellen. Sitzungsberichte d. Niederrh. Gesellsch. f. Nat.- u. Heilkunde z. Bonn. Derselbe, 9. Ueber den Verlauf und die Endigung der peripheren Nerven. Verhandl. d. Anat. Gesellschaft. Owen, R., 66. Anatomy of Vertebrates. Vol. I. Paterson, A. M. 87. On the Fate of the Muscle-Plate and the De- velopment of the Spinal Nerves in Birds and Mammals. Quart. Journ. Mier. Sci. Vol. XXVII. Rabl, C., 89. Theorie des Mesoderms. Morph. Jahrb. Bd. XV. Derselbe, 92. Fortsetzung. Morph. Jahrb. Bd. XIX. Ryder, J. A., 84. A Contribution to the Embryography of Osseous Fishes with special Reference to the Development of the Cod (Gadus Morrhua) Annual Report. U. S. Com. of Fish and Fisheres for 1882. v.la Valette St. George, 80. Ueber den Bau der Fettflosse. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. XVII. Vetter, B., 78. Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Kiemen- u. Kiefermuskulatur der Fische. Jenaische Zeitschr. Bd. XII Wiedersheim, R., 92. Das Gliedmassenskelet der Wirbelthiere mit besonderer Berücksichtigung des Schulter- und Beckengürtels bei Fischen, Amphibien und Reptilien. Jena 189. van Wyhe, J. W., 83. Ueber die Mesodermsegmente und die Ent- wicklung der Nerven des Selachierkopfes. Verhandl. der Konink. Akad. der Wetenschappen Amsterdam. Deel XXI. Ziegler, H. E. 87. Die Entstehung des Blutes bei Knochenfischem- bryonen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. XXX. Derselbe, 88. Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei den Selachiern. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. XXX. NB. Die mit * bezeichneten Arbeiten konnten nicht so aus- giebig berücksichtigt werden, als ich es wünschte, weil sie erst nach Fertigstellung meiner Abhandlung erschienen sind. Die Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 575 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIV—XXVH. Sämmtliche Abbildungen, mit Ausnahme von Figuren 26 und 29, sind nach Präparaten von Salmo salar gezeichnet. Die Längen der Embryonen sind nach Messungen an conservirten Exemplaren ange- geben. Die Altersangaben beziehen sich auf die in fliessendem Wasser bei 80 C. ausgebrüteten Eier. Allgemein gültige Bezeichnungen. a. — af. —= Afterflosse. ao. = Aorta. bf. = Bauchflosse. bfs. = Preanaler Unpaa- renflossensaum. bg. = Blutgefäss. bkn. —= Basalknorpel in d. Schwanzflosse. ch. — Chorda dorsalis. epl. —= Cutisplatte. d. — Därm. ect. = Eetoderm. ef. —= Eetodermfalte. DE — Fettflosse. fst. — Flossenstrahl. fsttr. — Flossenstrahl- träger. gehb. — Gehörbläschen. h.mes.ver. = Mesenchym - Ver- dickung am hin- teren Ende der Flosse, aus der die Muskeln des hin- teren Flossenseg- ments hervorge- hen. hs. — Hornschicht des Eetoderm. hz. — Herz. kb. — Kiemenbogen. kfb. — Kieferbogen. knk. —= Knorpelkugel im Gelenk zwischen Strahl und Strahl- träger. R knpl. —= Knorpelige An- lage des paarigen Flossenskelets. ksp. —= Kiemenspalten. Ih. — Leibeshöhle. m. abd. p. —=M. abductor pro- fundus. m. abd. Ss. —=M.abductor super- ficialis. m. add.p. —=M. adducetor pro- fundus. m. add. Ss. —= M. adductor super- ticialis. m. arr. —=M. arrector. m. cor.arc. =M. coraco arcualis, m.cor.hy., =M. coraco-hyoi- deus. m. dep. —=M. depressor. m. er. =M. erector. m. inc. —M. inclinator. m.sup.car.a.—=M. supra carinalis anterior. m.sup.car.p.—=M. supra carinalis posterior. mes. —= Mesenchym. mesk. —= Mesenchymkern aus der Flossen- anlage. mkn. —= Muskelknospe. mknk. —Kerne aus einer Muskelknospe. mS. — Malpighi’sche Schicht des Eeto- derms. my. — Myotom. MYa. — Vorderstes später verschwindendes Myotom. 576 R. GoHarrıson: myk —= Kerne aus dem som. —= Somatopleura. Myoteom. spl. = Spritzloch. n. abd. p. =Nerven, die die vcC. — Cardinalvene. u.8.w. oben gleich be- v. mes. ver. =\Vordere Mesen- zeichneten Mus- chymverdiekung, keln besorgen. aus welcher meh- ne. — Eintrittstelle des rere Flossenseg- Nerven in den mente hervor- Muskel. gehen. N. Sp. — Rückenmarksnerv. vsi. — Subintestinalvene. n. hy. — Hypoglossusnerv. vuf. = Ventraler Urwir- ppl. — Pectoralplatte. belfortsatz. rf. — Rückenflosse. ab. = Wirbelbogen. 7.1.06 =Ramus _|lateralis w. 9: = Wolff’scher Gang. vagi. w. 9. 0. = Aeussere Oeffnung rm. = Rückenmark. des Wolff’schen sc. = Schleimzelle. Ganges. skbl —= Skleroblast. zbb. —Zungenbeinbogen. Die Pfeile ("—) zeigen kopfwärts). Tafel XXIV. Fig. 1. Querschnitt durch das verdickte Ectoderm der Rückenmittel- linie kurz vor dem Auftreten der Falte. Fig. 2. Querschnitt derselben Gegend zur Zeit des Erscheinens der Ectodermfalte. Fig. 3. Querschnitt einer noch weiter fortgeschrittenen Falte. Fig. 4. Querschnitt durch die dorsale Kante eines Myotoms der Rücken- tlossengegend vor der Entwicklung der Muskelknospen. Fig. 5. Querschnitt durch ein Myotom mit zugehörigen Muskelknospe. Alter des Embryo 63 Tage. Länge 11 mm. Fig.5a. Oriertirungsbild zu Figuren 5 und 23. Fig. 6. Querschnitt durch: dieselbe Region. Der mittlere Theil der Muskelknospe disintegrirt. Dasselbe Stadium wie Fig. 30. Fig. 7. Querschnitt durch dieselbe Region im Stadium von Fig. 9 und 31. Fig. 8. Theil von einem Frontalschnitt durch eine Rückenflosse in einem Zwischenstadium zwischen Fig. 6 und 7. Alter des Em- bryo 76 Tage. Fig. 9. Frontalschnitt durch eine Rückenflosse. Dasselbe Stadium wie Fig. 31. Zwölf Flossenstrahlträger sind entwickelt, ein drei- zehnter entsteht. Alter des Embryo 84 Tage. Fig. 10. Sagittalschnitt durch eine Rückenflosse mit vierzehn Flossen- strahlträgern. Die Mm. carinales sind nach einem.nebenliegen- den Schnitt gezeichnet. Alter desEmbryo 150 Tage. Länge 24mm. Fig. 10a. Querschnitt durch die Rückenflossengegend eines gleich alten Fischehens, um das Gelenk zwischen Strahl und Strahlträger zu demonstriren. Fe N Fig. Entwicklung d. unpaaren u. paarigen Flossen d. Teleostier. 577 . 13 414: ig. 15. 6. 17T. 18. 19 ig. 20. Querschnitt durch die Brustflossenregion. Der vierte Urwirbel und die in dieser Gegend säulenartig verdickte Somatopleura, die Pectoralplatte sind getroffen. Alter des Embryo 20 Tage. . 11a. Orientirungsbild zu Fig. 11. 82. Sagittalschnitt durch die Leibeswand inder Brustflossenregion im selben Stadium wie Fig. 11. Kopfwärts geht die Flossen- anlage in das Mesenchym der Pericardialregion über. und 13a. Querschnitt oral vor der Brustflossengegend eines Em- bryo im Stadium wie Fig. 14. Der zweite Urwirbel mit ven- tralem Fortsatz im Zusammenhang mit der Cutisplatte. Tafel XXV. Querschnitt durch die Brustflossenanlage und anliegenden Theile. Der fünfte Urwirbel und sein Fortsatz sind getroffen. Alter des Embryo 24 Tage. Querschnitt durch die Gegend des zweiten Urwirbels, also ge- rade vor der Brustflosse. Alter des Embryo 29 Tage. Querschnitt durch den vierten Urwirbel resp. Knospe aus der- selben Serie wie Fig. 15. Querschnitt durch die Brustflossenanlage eines etwas älteren (32 Tage alten) Embryos. Gegend des dritten Urwirbels. Dieses Stadium steht eben vor der Sonderung des Gewebes der Flosse in die Anlagen der Muskeln und der Knorpelplatte. Querschnitt durch die Mitte der Brustflosse in einem Stadium, etwas älter als Fig. 17. Stadium Fig. 32. Der Schnitt in der Gegend des vierten Urwirbels trifft den Fortsatz von dem fünften Urwirbel, der an der Basis der Knorpelanlage liegt. Alter 35 Tage. und 19a. Querschnitt durch eine ältere Flosse, wo die Muskeln und der Knorpel schon zum Theil differenzirt sind. Die Flosse ist etwas von der ventralen Urwirbelkante abgerückt. Alter 40 Tage. Frontalschnitt durch die Basis der rechten Brustflosse nach der Differenzirung aller Bestandtheile. Die Nerven sind aus einigen weiter ventral liegenden Schnitten eingetragen. Sonst alles auf einen Schnitt. Nach dem Kopf zu findet sich der vierte Kiemenbogen im Querschnitt getroffen. Alter des Em- bryo 84 Tage. Tafel XXV1. . Sagittalschnitt durch die vordere Rumpf- und hintere Kopf- gegend eines Embryo im selben Stadium, wie das in Fig. 13 und 14 abgebildete. Der Wolff’sche Gang ist projizirt. . Bild combinirt aus einigen Schnitten einer Sagittalserie. Die- selbe Gegend wie Fig. 21. Die .drei ventralen Urwirbelfort- sätze (vuf.) sind schon weit nach vorn gewachsen. Der vor- derste Urwirbel (my«@.), der später verschwindet, ist eben noch zu erkennen. Die Fortsätze von dem fünften und sechs- 578 Fig. Fig. R.G. Harrison: Die Entwickl. d. unpaaren u. paarigen Flossen ete. 23: ..28. 2, ig. 30. ig. 31. 32. 39. ten Urwirbel sind nicht dargestellt. Die Linie an der oberen Seite des Bildes stellt den Umriss des Rückenmarks resp. Ge- hirns dar. m. Mund. ph. Pharynx. Querschnitt durch die Bauchflossengegend im Stadium, wo die Mesenchymverdickung eben wahrnehmbar ist. Aus derselben Serie wie Fig. 5. ‚. 24 und 24a. Querschnitt durch die Bauchflossengegend, kurz nach dem Entstehen der Eetodermfalte. Querschnitt durch die Bauchflossengegend kurz vor dem Ver- schwinden der Muskelknospen. Alter des Embryo 74 Tage. . 26 und 26a. Querschnitt durch die Bauchflossengegend zur Zeit der ersten Differenzirung der Muskeln und der Knorpel- platte. Dasselbe Stadium wie Fig. 7. Von Salmo irideus. . Kerne aus den Myotomen, den Muskelknospen und dem Me- senchym, wie sie im Sagittalschnitte der Bauchflosse in dem- selben Stadium wie bei Fig. 24 und 31 getroffen werden. . Kerne aus Myotom, Muskelknospe und Mesenchym der Bauch- flosse, wie sie im Querschnitt getroffen werden. Tafel XXVI. Theil der Rückenflosse eines erwachsenen Carassius auratus. Die Flossenmuskeln sind durch das Abpräpariren der Rumpfmuskulatur blos gelegt. Vier Spinalnerven- stämme sind abgebildet. Die Mm. inclinatores sind den drei hinteren Flossenstrahlen nicht mitgezeichnet. Der Ast des R. lateralis vagi, der in tief schwarz dargestellt ist, ver- läuft über den anderen Nerven. Präparat nach dem Nuss- baum'’schen Aceto-Osmiumsäure-Verfahren angefertigt. Hinterer Theil von einem Lachsembryo zur Zeit der völligen Ausbildung der Muskelknospen. In der Rückenflosse sind die Knospenstiele meistens nicht mehr deutlich. Ausser elf völlig ausgebildeten Knospen ist noch eine kleine vorhanden, die vermuthlich vom 19. Myotom abstammt. Die Knospen in der Bauchflosse sind nach einer Sagittalschnittserie gezeichnet. Alter des Embryo 70 Tage. Länge 12,5 mm. Uebersichtspräparat von einer Rückenflosse in einem späteren Stadium als das vorhergehende Präparat. EIf Strahlenträger sind vorhanden, der zwölfte (vorderste) entsteht. Alter des Embryo 84 Tage. Länge 16 mm. Kopf und vordere Rumpfregion eines Embryo in der Zeit eben von dem Anfang der Differenzierung des Gewebes in der Brust- flosse. Alter des Embryo 32 Tage. Länge 8 mm. Plexus pectoralis vom erwachsenen Lachs. Der sekundäre Plexus, der von den vierten und fünften Rückenmarknerv gebildet wird, liegt meistens an der medialen Fläche der Ad- ductorenmuskeln, zwischen denselben und der Körperwand, 579 Ueber die Selbständigkeit der väterlichen und mütterlichen Kernbestandtheile während der Eimbryonalentwicklung von Cyclops. Von Dr. Valentin Häcker, a. 0. Professor und Assistent am zoologischen Institut der Universität Freiburg i. B. Hierzu Tafel XXVIIL, XXIX u. XXX. Ueber den im Titel angegebenen Gegenstand liegen bezüg- lich der Copepoden bereits einige Angaben vor. In einer früheren Arbeit!) habe ich ein Zweizellenstadium von Cyelops tenuicornis abgebildet, in welchem die beiden Kerne aus je zwei gleich grossen Hälften zusammengesetzt sind, und habe dieses Bild dahin gedeutet, „dass es sich hier um die selbständig gebliebenen Abkömmlinge der selbständig sieh zur Theilung vorbereitenden und selbständig dieselbe durehführenden Geschlechtskerne handelt“. Rückert?) ist sodann bei der Untersuchung der sich furchenden Eier von Cyelops strenuus auf das nämliche Ver- 1) DieEibildung beiCyclops und Canthocamptus. Zool. Jahrb., Abth. f. Anat. 5. Bd. 1892. Fig. 29, S. 244. 2) Zur Kenntniss des Befruchtungsvorgangs. Sitzb. Math.- Phys. Cl. Bair. Ak. 1895. Heft 1. Ueber das Selbständigbleiben der väterlichen und mütterlichen Kernsubstanz während der ersten Entwicklung des befruchteten Cyelops-Eies Arch. f. mikr. Anat. 45. Bd. 1895. Die letztere, mit Abbildungen aus- gestattete Arbeit kam mir durch die Güte des Verfassers erst in die Hand, als der vorliegende Aufsatz bereits druckfertig war. Da je- doch, was die thatsächlichen Beobachtungen sowohl als die Schluss- folgerungen anbelangt, die zweite Arbeit Rückert’s sich in allen wesentlichen Punkten, theilweise sogar im Wortlaute, mit dem ersten Aufsatz deckt, so sah ich mich nur zu kleineren Textänderungen ver- anlasst. Zufälligerweise hatte ich für meine Arbeit einen Titel ge- wählt, welcher fast gleichlautend mit dem der zweiten Rückert- schen Arbeit war; für eine nachträgliche Abänderung desselben schien mir kein Anlass vorzuliegen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46 35 580 Valentin Häcker: hältniss gestossen, insofern auch hier die ruhenden Kerne des Zweizellenstadiums deutlich zweitheilig sind. Rückert konnte dieses Verhalten auch in den in die Ruhe eintretenden Kernen der späteren Furchungsstadien verfolgen, bei einem Theil der Kerne sogar bis zum Stadium der dreigliedrigen Larvenanlage. Aber nicht nur beim Eintritt der Kernruhe, sondern auch während der Metakinese und des Dyasterstadiums der ersten Theilung, in vielen Fällen auch im Spirem, Aster und Dyaster der zweiten und der folgenden Theilungen war eine Anordnung des Chromatins in zwei Portionen nachzuweisen, so dass die Selbständigkeit der väterlichen und mütterlichen Kernbestandtheile in einer zusammenhängenden Reihe von Theilungs- und Entwicklungsphasen in überzeugen- der Weise hervortrat. Ich habe meinerseits seit dem ersten Befund den fraglichen Punkt nicht ausser Auge gelassen, und bei Oyelops brevicornis, einer Form, welche schon wegen der Grösse der Eier für die Untersuchung der embryonalen Theilungen besonders günstig ist, das einschlägige Material seither bedeutend vermehren können. Es sollen daher im Folgenden die betreffenden Verhältnisse behufs Ergänzung und Erweiterung der Rückert'schen Befunde eingehend dargestellt werden. Da Rückert gewisse Bilder aus den Vorstadien der Eireifung gleichfalls im Sinne einer Selbständigkeit der väter- lichen und mütterlichen Kernbestandtheile zu deuten versucht hat, so habe ich auch diese Verhältnisse aufs Neue geprüft und bin dadurch in die Lage gekommen, eine zusammenhängende Darstellung des ganzen Verlaufs der Reifungstheilungen erstmals für einen Copepoden geben zu können. Noch einige andere Punkte werden bei dieser zweiten, nach mehrjährigem Zwischenraum aufgenommenen Bearbeitung von Cyelops brevicornis zur Besprechung kommen, denn ebenso wie kürzlich bei einer zweiten Inangriffnahme von Canthocamptus!), so hat auch hier manches Vorkommniss fast von selber seinen richtigen Platz gefunden, das bei der ersten Bearbeitung unver- standen geblieben war, oder irmthümliche Deutungen veran- lasst hatte. 1) Die Vorstadien der Eireifung. Arch. f. mikr. Anat. 45. Bd. 1895. Ueb. d. Selbständisk. d. väterl. u. mütterl. Kernbestandtheile ete. 581 Ich habe versucht, den Vortheil, den die Tümpelformen gegenüber «den pelagischen Arten gewähren, nämlich die Möglich- keit einer planmässigen Zucht der gewünschten Stadien, nunmehr auch bei Öyelops brevicornis auszunützen. Während aber bei Canthocamptus die Sachlage deshalb eine einfachere war, weil die Mutterthiere in einer bestimmten Tageszeit, nämlich in den ersten Vormittagsstunden, ihren Eisack zu bilden pflegen, stellte es sich bei C. brevic. heraus, dass die Neubildung der Eisäcke zu jeder Tages- und wohl auch Nachtstunde stattfindet. Es wurden daher die Thiere während des Monates Mai, in dem sie in lebhaftester Fortpflanzungsthätigkeit begriffen sind, in grösserer Anzahl ge- sammelt. Besondere Aquarien, welche ein paar grüne Blätter zum Unterschlupf der Thiere und einige Spirogyrafäden ent- hielten, nahmen diejenigen frischgefangenen eiersacklosen Weib- chen auf, welche gefüllte Ovidukte zeigten, sowie diejenigen Mutterthiere, welche eben einer Brut von Nauplien die Freiheit gegeben hatten. Diesen Gefässen konnten dann mehrmals täg- lieh Weibehen mit frisch gebildeten Eisäcken behufs Conservirung entnommen werden. An Stelle des heissen Sublimat- Alkohols, den ich bei meiner ersten Untersuchung über die Embryonal - Entwicklung von C. brevie. !) angewandt hatte, habe ich jetzt ausschliesslich die bei Canthocamptus bewährte vom Rath'sche Platinchlorid- Osmiumessigpikrinsäure angewandt, und zwar wurden die Thiere für einige Minuten in die concentrirte Lösung gebracht und dann längere Zeit, eine Viertelstunde bis 24 Stunden, in der durch Wasser auf die Hälfte oder noch mehr verdünnten Mischung belassen. Die Verklumpung der Chromosomen, wie sie bei An- wendung von heissem Sublimat-Alkohol namentlich im Dyaster- stadium aufzutreten pflegt, fällt bei der neuen Methode weg und die Zahlenverhältnisse der Chromosomen kommen besonders auf Querschnitten "durch die Dyasıer in bester Weise zur Anschauung. 1) Die Kerntheilungsvorgänge bei der Mesoderm- und Entodermbildung von Cyelops. Arch. f. mikr. An. 39. Bd. 1899, 582 Valentin Häcker: 1. Die unmittelbaren Vorstadien der ersten Richtungs- theilung. Rückert hat gewissen von mir für Cyelops signatus ge- gebenen Bildern, die ich als das Dyasterstadium der ersten Richtungstheilung gedeutet hatte, auf Grund seiner Befunde bei C. str. eine Stellung in den Prophasen dieser Theilung zuge- wiesen, und ich selbst konnte mich bei Canthocamptus, wo ich auf entsprechende Bilder stiess, von der Richtigkeit dieser Ver- besserung überzeugen. In «den betreffenden Bildern sind die Vierergruppen in typischer (CO. str., Canth.) oder weniger deut- lich ausgeprägter Ausbildung (C. sign.) gruppenweise auf die zwei Pole des ellipsoidischen Keimbläschens vertheilt. Die Ver- theilung ist meistens eine solche, dass jede der beiden Gruppen .die Hälfte der Anzahl der Vierergruppen enthält. Rückert kam daher später !) zu der Vermuthung, dass es sich auch hier um eine Trennung der väterlichen und mütterlichen Chromatinmasse handelt. Da aber die Vertheilung doch nicht immer eine regelmässige ist, vielmehr erhebliche Schwankungen in den Zahlenverhältnissen auftreten, so spricht Rückert, wie ich glaube, mit Recht diese Vermuthung nur mit aller Reserve heraus. Ich hoffte bei C. brevie. einen weiteren Einblick in diese Bilder erhalten zu können, stiess aber hier nicht auf die oben beschriebenen Verhältnisse, sondern auf eine wesentlich ab- weichende Anordnung der Vierergruppen. In den eben ausgetretenen Eiern, in welchen der Sperma- kern gerade noch im der Randzone des Eiplasmas steckt (Fig. 1, sp), liegt das Keimbläschen (%bl) dicht an der Eiperipherie in tangentialer Stellung. Nicht selten ist dasselbe — vielleicht in Folge der Einwirkung der Reagenzien — theil- weise über die Eioberfläche herausgedrängt (Fig. 1 und 2). In der Längsaxe des Keimbläschens beobachtete ich mit Regel- mässigkeit ein dunkler gefärbtes Gebilde, von dem ich aber nicht mit Sicherheit entscheiden konnte, ob es einen von Pol zu Pol gehenden Plasmastrang oder eine das Keimbläschen in zwei Hälften kammernde Scheidewand darstellt. Zu beiden Seiten 1) Z. Kenntn. d. Bef., p. 37; üb. d. Selbständigbleiben, p. 362 ff. Een ne tree ee ee ut Du ee nn ne u - | > > Ueb. d. Selbständigk. d. väterl. u. mütterl, Kernbestandtheile ete. 583 dieses Gebildes sind die zwölf Vierergruppen symmetrisch angeordnet. Sie haben die von Cyelops strenuus und Cantho- camptus her bekannte Form, d. h. jede Vierergruppe setzt sich aus zwei dieht nebeneinander gelagerten, je durch eine quere Kerbe halbirten Stäbehen zusammen (Fig. 4—6). Bei fester Einstellung (Fig. 2 und 3a) treten jederseits vom Centralgebilde gewöhnlich nur je drei Vierergruppen hervor, welche unter sich parallel und mit ihrer Längsaxe senkrecht zur Längsaxe des Keimbläschens angeordnet sind. Bei wechselnder Einstellung tauchen auch die beiden andern Kolonnen von je drei Vierer- gruppen auf (Fig. 3b und 4). Um das fragliehe Centralgebilde sind also vier Colonnen von je drei Vierergruppen gelagert, welch’ letztere mit ihrer Längsrichtung anfänglich noch senkrecht zur Keimbläschenaxe angeordnet sind (Fig. 4). Nunmehr drehen sich die meisten der Vierergruppen je um einen rechten Winkel und kommen mit ihrer Längsaxe parallel zur Kernaxe zu liegen. Die colonnenartige Anordnung geht dabei verloren und es wird schliesslich eine Gleichgewichtslage erreicht, in welcher die Vierergruppen zu je sechs in zwei zur Eioberfläche parallelen Ebenen vertheilt sind. Zwischen den beiden Ebenen befindet sich das Centralgebilde. Fig. 5 zeigt diese Anordnung in schräger Seiten-, Fig. 6 in Oberflächenansicht. Während das Keimbläschen seine Färbbarkeit verliert und aus der länglich-ellipsoidischen Gestalt in eine mehr gedrungene Eiform übergeht (Fig. 5), sieht man senkrecht zur Kernaxe eine Streifung innerhalb des Kernraumes auftreten, welche an- fänglich nur aus wenigen Streifen besteht, später eine immer grössere Anzahl von solehen erkennen lässt. Man ist geneigt, diese Streifung für die Anlage der Kernspindel anzusehen, und in der That lassen auch die späteren Phasen diese Annahme als gerechtfertigt erscheinen. Aber das Unerwartete ist, dass, während diese quere Streifung aufzutreten beginnt, an den spitzigen Polen des Keimbläschens, also an den Endpunkten dies Centralgebildes, sphärenähnliche, dunkelgefärbte Plasmasterne in der perinucleären, dotterfreien Zone mit Regelmässigkeit wahr- zunehmen sind (Fig. 7 und 8, und schon früher in Fig. 3a). Ich habe mich immer wieder davon überzeugt, dass zu einer gewissen Zeit Plasmasterne, Centralgebilde und Querstreifung nebeneinander bestehen, und so sehe ich mieh auch hier 584 Valentin Häcker: vor eine jener schwer zu verstehenden Erscheinungen gestellt, welehe auch sonst bei der Bildung und Drehung der ersten Riehtungsspindel des Metazoen-Eies beobachtet worden sind und jedem Versuch, diesen Vorgang mit unsern sonstigen Er- fahrungen in Einklang zu bringen, zunächst noch im Wege stehen. Neben den bisher beschriebenen Phasen treten in den älteren (distal gelegenen) Eiern Bilder auf, welehe sich mit sonst bekannten Erscheinungsformen der radiär gestellten ersten Richtungsspindel ohne Weiteres vereinigen lassen (Fig. 9 und 10). Die gegen die dotterfreie Plasmainsel scharf abgegrenzte Theilungs- figur zeigt nunmehr eine gedrungen-ovale Gestalt und ist mit ihrer längsten Richtung senkrecht zur Eiperipherie eingestellt. Sie ist ihrer ganzen Länge nach von einer dichten und feinen Streifung gleichmässig durchsetzt... Der gegen das Ei-Innere gerichtete stumpfe Pol trägt eine Anzahl dunkel färbbarer Krümmel, welche mitunter eine kreisförmige Anordnung zeigen. Der peripherische Pol dagegen lässt nie etwas derartiges wahrnehmen, derselbe schneidet vielmehr häufig mit einem wunregelmässig gezackten oder abgeschrägten Rande ab. Beachtet man, dass die Vierergruppen auch hier mit ihrer Längsrichtung parallel zur Eioberfläche eingestellt und im Allgemeinen in zwei Ebenen angeordnet sind, so lassen sich die Bilder Fig. 9 und 10 unter der Annahme auf die vorhergehenden Figuren 7 und 8 zurückführen, dass sich die Kernfigur in der Richtung der Querstreifung gestreckt hat, dass die letztere be- deutend diehter geworden ist und dass das Centralgebilde und die Plasmasterne verschwunden sind. Inwieweit die letzteren etwas mit den Krümmeln am inneren Pole der radiären Spindel- anlage zu thun haben, darüber geben die mir vorliegenden Bilder keinerlei Aufschluss, wie denn überhaupt der ganze Umordnungs- vorgang in ein vorläufig undurchdringliches Dunkel gehüllt ist. Man könnte höchstens dem ganz allgemeinen Eindruck Raum geben, dass hier ein erstes „achromatisches“ System, welches mit der Einstellung der Chromosomen zusammenhängt, durch ein zweites. bei der dicentrischen Wanderung derselben wirksames superponirt worden ist. Damit soll freilich in keiner Weise eine Theorie ausgesprochen sein. Die Fig. 11 zeigt das zuletzt beschriebene Stadium in Ueb. d. Selbständigk. d. väterl. u. mütterl. Kernbestandtheile ete. 585 Polansicht. Man erkennt, dass die Vierergruppen immer noch parallel zur Eioberfläche gelagert sind, dass sie aber, wie ein Vergleich mit der in gleicher Weise orientirten Fig. 6 zeigt, ihre gegenseitige Lage etwas verändert haben. Sie sind im Ganzen auch hier noeh in zwei Niveaux geschichtet und liegen nun in zwei gleich grossen Gruppen übereinander. Es ist dies das einzige Bild, welehes mit den Vorkommnissen verglichen werden könnte, die Rückert im Sinne einer in diesem Stadium noch vorhandenen Zweitheiligkeit des Kernes zu deuten versucht hat. Eine gewisse Aehnlichkeit mit den neuerdings von Rückert segebenen Bildern, welche die Polansicht der in Bildung be- sriffenen ersten Riehtungsspindel darstellen (Ueber ‚das Selbständig- bleiben, Fig. 16—18), lässt sich wenigstens nicht von der Hand weisen. Bezüglich der Frage, ob auch hier noch, also im Stadium des reifenden Eies, eine Selbständigkeit der den beiden Ge- schlechtskernen entsprechenden Chromatingruppen zum Ausdruck kommt, möchte ich mich bis auf Weiteres den Andeutungen Rückerts anschliessen, beziehungsweise die von ihm ge- äusserten Bedenken zu den meimigen machen. 2. Die Bildung der beiden Richtungskörper. Die Veränderungen des Chromatins bei der Richtungskörper- bildung sind bis jetzt nur für einen Copepoden, Canthocamptus, in ihren Einzelheiten bekannt geworden !). Von andern Formen, so von Cyelops strenuus und von den Calaniden, liegen nur die Phasen bis zur Aequatorialplatte der ersten Richtungstheilung vor ?). Ge- rade die späteren Phasen sind aber auch in theoretischer Hinsicht 1) D. Vorst. d. Eireifung, 189. 2) In seinem zusammenfassenden Referat über die Chromatin- reduktion (Erg. d. An. u. Entw., Bd. 3, 189, p. 546, Fig. 4-7) hat Rückert einige der einschlägigen Eiadien (von Cyelops strenuus) halbschematisch vorgeführt. Seine Fig. 5, welche das Auseinander- weichen der Tochterplatten der ersten Richtungstheilung darstellen soll, zeigt Anklänge an meine hier gegebenen Bilder Fig. 1—8, welche jedoch, wie oben gezeigt wurde, einer etwas früheren Phase angehören; wückert’s Fig. 7 (die fertige zweite Richtungsspindel darstellend) erinnert bezüglich des Aussehens der chromatischen Elemente wieder mehr an die Vorkommnisse bei Canthocamptus (D. Vorst. d. Eir., Fig. 53). 586 Valentin Häcker: von grösserem Interesse, und da in Folge der äusserst subtilen Verhältnisse, in welchen sich dieselben bei Canthocamptus dar- stellen, die hier gewonnenen Ergebnisse von keiner grösseren Tragweite sein konnten, so möchte ich an dieser -Stelle von meinem Gegenstand abschweifen und die schönen und übersicht- lichen Bilder bei Cyel. brevie. einer etwas eingehenderen Be- sprechung unterziehen. Aus dem Stadium der Fig. 9—11 geht das der Fig. 12—14 hervor. Die Spindel hat die bekannte Tonnenform angenommen, welche so häufig schon bei der ersten Richtungstheilung beobachtet worden ist. Der innere, flach gewölbte Boden der Tonne ist von einer dunkel gefärbten Kappe bedeckt, während der periphere Boden mit der Eiperipherie unmittelbar zusammenzufallen scheint. Die zwölf Vierergruppen haben sich bedeutend verkürzt, und die Querkerben sind wieder undeutlicher geworden (Pol- ansicht Fig. 12). Dagegen hat sich die Längsspalte, wie aus den Seitenansichten der Fig. 13 und 14 hervorgeht, eher wieder etwas erweitert. Man hat hier also den Zustand der grössten Contraktion der Vierergruppen — wenn man so bildlich sagen darf — vor sich und es wird sich herausstellen, dass noch während des Auseinanderrückens der Tochtergruppen eine Wieder- verlängerung der doppelwerthigen (quergetheilten) Tochterelemente Platz greift, ein Verhältniss, dem wir auch wieder bei der zweiten Richtungstheilung und ebenso bei den „heterotypischen“ Theilungen der Furchungsstadien in besonders ausgeprägter Weise begegnen werden. Ich will im Folgenden die eben besprochene Ver- kürzung der Elemente im Aequatorialplatten- oder Asterstadium als „astrale Verkürzung“ bezeichnen und sie der in den späteren Phasen des Dyasterstadiums bemerklichen „dyastralen Verkürzung“ gegenüberstellen. Das Auseinanderweichen der Tochterchromosomen und die Abschnürung des ersten Richtungskörpers ist in Fig. 15 und 16 dargestellt. Man kann in der gedrängten Masse der Chromo- somen deutlich die Schleifenform einzelner Individuen erkennen. Diese Schleifen zeigen keinerlei Andeutung einer Längsspaltung, es müssen also Tochterschleifen sein, und man wird daher zu der Ansicht geführt, dass bei der ersten Richtungstheilung, wie bei allen typischen Mitosen, die durch Längsspaltung entstandenen Tochterschleifen auseinanderweichen. Dass es deren jederseits Ueb. d. Selbständigk. d. väterl. u. mütterl. Kernbestandtheile ete. 587 zwölf sind, geht aus einer etwas späteren, in Fig. 17 dar- gestellten Phase hervor. Die Chromosomen haben sich wieder bedeutend verkleinert (dyastrale Verkürzung) und einzelne zeigen deutlich die Winkelform, die durch Contraktion aus der Schleifenform hervorgegangen sein muss. Die Stäbchenform, in welcher sich die übrigen darstellen, ist wohl nur eine scheinbare und in der Lage derselben begründet. Deutlich geht auch die Zwölfzahl der je an einen Pol rückenden Elemente aus den- jenigen Bildern hervor, in welchen der abgeschnürte erste Riehtungskörper in Polansicht zn sehen ist (Fig. 25). Es kann also wohl der Satz aufgestellt werden, dass bei der ersten Richtungstheilung von Cyel. brevie. die Vertheilung in der Weise erfolgt, dass die Vierergruppen entlang dem Längsspalt durchsehnitten werden und dass die im Eikern ver- bleibenden doppelwerthigen Tochterschleifen unter Uebergang zur Winkelform sich bedeutend verkürzen, um sich sofort wieder in der Aequatorialebene des Spindelrestes zusammenzuordnen. Was ist nun das Schicksal dieser zwölf im Eikern ver- bleibenden Winkel, denen auf Grund der Entstehungsgeschichte der Vierergruppen eine Zweiwerthigkeit zuerkannt werden muss? Es sei gleich hier bemerkt, dass ich bei der Untersuchung der folgenden Stadien auf Erscheinungen gestossen bin, die für mich sehr überraschend waren und jedenfalls nicht dem Rückert'schen Schema entsprechen; ich muss mich damit be- snügen, hier die Thatsachen aufzuzeichnen und die mir als nächstliegend erscheinende Deutung als eine provisorische hin- stellen. Der Kernpunkt der Sache ist folgender: Die Vor- stadien der ersten Richtungstheilung zeigten, wie erinnerlich, zwölf Vierergruppen in der bekannten Zusammensetzung, also Verhältnisse, wie sie mit den für Cyelops strenuus, für die Calaniden und für Canthocamptus beschriebenen im Wesentlichen sich decken. Wenn auch für Cyelops brevicomis die früheren Vorstadien nicht genau untersucht worden sind, so darf doch wohl ohne Weiteres angenommen werden — und die mir vor- liegenden Bilder weisen thatsächlich auch darauf hin —, dass diese Vierergruppen, rein morphologisch betrachtet, die ab cd Zusammensetzung u‘ haben. Nun sehen wir plötzlich 588 Valentin Häcker: in der Aequatorialplatte der zweiten Richtungstheilung sechs chromatische Gebilde auftreten, die in ihrem Bau auf den ersten Anbliek hin auch wieder an die Vierergruppen der ersten Theilung erinnern (Fig. 18 und 19, verglichen mit Fig. 6 und 11). Zum Mindesten stellen sich dieselben in reiner Polansicht (Fig. 18) als zwei baecillenartig aneinander gereihte Stäbehen dar und erinnern so an die Kantenansichten der Vierergruppen bei den Copepoden (z. B. Fig. 6). Durch ein Merkmal freilich unterscheiden sie sich von den bei der ersten Theilung auftretenden Vierergruppen: Der Längs- spalt ist nämlich in diesem Stadium in der Mitte stets unter- brochen und das ganze Chromatingebilde hat demnach mehr eine X- od. H-förmige (Fig. 19, 21, 22) oder auch eine Y-ähnliche (Fig. 20, 28) Gestalt. Mitunter stossen sogar die beiden Hälften in T-Form aufeinander (Fig. 23). Besonders instruktiv sind aber diejenigen Fälle, m denen sich das einzelne Gebilde aus zwei hufeisenförmigen Schleifen zusammensetzt, die sich mit ihrer Mitte gegeneinander zu lehnen scheinen (Fig. 21 und namentlich Fig. 24). In diesem Fall wird man an das Zustandekommen jener ophiurenartigen Figuren erinnert, welche nach O. Hertwig in den Vorstadien der Samenreifung von Ascaris auftreten: auch hier legen sich, allerdings zu je vieren, die gekrümmten Chromatin- schleifen mit ihren konvexen Seiten aneinander. Unmittelbar vor der zweiten T'heilung ändert sich die Ge- stalt der Chromatingebilde noch einmal. Die Fig. 25 (aus einem Eisack), sowie Fig. 26 und 27 (aus einem andern, demselben, dem die Polansicht Fig. 28 entnommen ist) zeigen endlich die fertige zweite Richtungsspindel, in deren Aequatorialplatte sechs „Doppelstäbehen“, d.h. zwölfpaarweise zusammengelagerte Elemente wahrzunehmen sind. Namentlich das in Fig. 25 dargestellte Bild lässt dieses Verhältniss deutlich erkennen, und durch das näm- liche Bild werden wir gleichzeitig wieder an den Zustand erinnert, aus welchem sich diese sechs „Doppelstäbehen“ entwickelt haben müssen: denn der erste Richtungskörper, der offenbar auf einer früheren Phase stehen geblieben ist, zeigt in Polansicht immer noch die zwölf ursprünglichen schleifenförmigen Elemente. Wie sind die sechs „Doppelstäbehen“ der zweiten Richtungs- theilung auf die zwölf Schleifen des ersten Richtungsdyasters zurückzuführen? An und für sich wäre eine ganze Reihe von Ueb. d. Selbständigk. d. väterl. u. mütterl. Kernbestandtheile ete. 589 Möglichkeiten denkbar, aber die Zahl derselben wird durch die thatsächlichen Befunde sofort auf eine oder höchstens zwei eingeschränkt. Man könnte vor allem daran denken, dass zwischen der ersten und zweiten Theilung die Elemente sich wieder zu einem Fadenknäuel zusammenschliessen, dass dann dieser Knäuel sich unter gleichzeitiger Längsspaltung in sechs Segmente zerlegt und dass die sechs „Doppel- stäbchen“ der zweiten Spindel alsce längsgespaltene Chromosomen dar- stellen !. Gegen diese Annahme würde aber entschieden sprechen, dass ich in den zahlreichen Eisäcken, welche die betreffenden Stadien enthalten, niemals ein Bild vorgefunden habe, welches auf eine Re- konstruktion des Knäuels hingewiesen hätte. Auch bei andern ge- nauer untersuchten Objekten ist etwas derartiges bekanntlich nicht be- obachtet worden, und so müssen wir, wie ich glaube, diese erste Mög- lichkeit mit voller Bestimmtheit ausschalten. Eine zweite Möglichkeit wäre die, dass bei der ersten Theilung die zwölf Vierergruppen als solche zu je sechs an die beiden Pole treten, dass also der im Ei zurückbleibende Spindelrest von vornherein sechs Vierergruppen enthält, welche sich in sechs Doppelstäbchen ver- wandeln. Man könnte sich dabei auf die Vorstadien der ersten Thei- lung beziehen, in welchen die Vierergruppen vorübergehend in zwei Ebenen angeordnet sind. Allein auch gegen diese Möglichkeit spricht ohne Weiteres der Umstand, dass, wie z.B. aus den Fig. 16 und 17 einerseits, aus Fig. 25 andrerseits hervorgeht, Eikern und erster Rich- tungskörper je zwölf ungespaltene, schleifen- oder winkelförmige Elemente erhalten. Weder die Bilder, welche das Auseinanderweichen der Elemente bei der ersten Theilung darstellen (Fig. 15, 16, 17), noch das Aussehen der ir den ersten Richtungskörper aufgenommenen Chromosomen geben irgend einen Anhaltspunkt zu der Auffassung, dass eine Vertheilung der Vierergruppen als solcher stattgefnnden hat. Alles weist vielmehr darauf hin, dass hier derselbe Vorgang stattge- funden hat, wie bei allen typischen Mitosen, nämlich eine Scheidung der Elemente entlang dem präformirten Längsspalt. Und so drängen denn, nach Ausschaltung auch dieser zweiten Möglichkeit, alle Bilder zu der Auffassung hin, dass die zwölf im Spindelrest zurück gebliebenen Schleifen irgendwie zu den sechs „Doppelstäbehen“ der zweiten Aequa- torialplatte paarweise zusammengetretew sein müssen. Es sind hier zwei Möglichkeiten in Betracht zu ziehen: nach- 1) Dieselben müssten dann, wie leicht zu sehen ist, die Zusam- AR abed mensetzung , lich zwölf zweiwerthige Elemente von der Zusammensetzung ab, cd... auf und da aus dem hypothetischen Knäuel nur sechs Elemente her- vorgehen, so müssten dieselben vierwerthig sein, also der Formel abcd entsprechen. haben. Im Dyaster der ersten Theilung traten näm- 590 Valentin Häcker: dem die vorübergehende dyastrale Verkürzung der Elemente (Fig. 17) wieder einer Verlängerung Platz gemacht hat, können sich die- selben entweder in der Weise zusammenlegen, dass je zwei winkel- förmige Elemente mit ihren Spitzen aneinanderstossen oder aber dass sich die Elemente ausstrecken und sich paarweise parallel lagern. Im ersteren Fall würden zwei winkelförmige (doppel- werthige) Elemente s > und > sich zur Figur \e a zu- sammenlegen, wie die Chromosomen in der Hertwig’schen Öphiure, und es würden dann die „Doppelstäbchen“ einer Zerlegung dieses Kreuzes in zwei Hälften ihre Entstehung a B 5 os B , 7, verdanken können, nämlich nach dem Schema „_ d Die X- und H-förmigen Elemente der Figuren. 19, 21, 22 und namentlich 24, sowie die Y-förmigen in Fig. 20 liessen sich wenig- stens sehr gut mit dieser Auffassung in Einklang bringen (1. Fall). Im zweiten Fall würden sich die winkelförmigen Elemente nach Aufhebung der dyastralen Verkürzung ausstrecken und sich er a b Je mit einem Partner zusammenlegen, nach der Formel „7 Hierauf weisen einigermaassen die Figuren 22 und 28 hin (2. Fall). Welcher der beiden Fälle in Wirklichkeit Geltung hat, darüber lässt sich auf Grund der Beobachtungen bei Cyelops brevic. kein endgültiges Urtheil fällen. Es muss sogar der Möglichkeit Raum gegeben werden, dass beide Fälle gleich- zeitig nebeneinander vorkommen. Immerhin dürften aber die Erscheinungen, im Ganzen genommen, mehr darauf hinweisen, dass der erste Fall die Regel ist. Das weitere Schieksal der Doppelstäbe ergibt sich wieder mit grösserer Deutlichkeit aus den folgenden Figuren. Die zweite Riehtungsspindel, welche bisher die bekannte Tonnenform gezeigt hat, wandelt sich nunmehr, indem sich der innere Boden der Tonne zuspitzt, in die Gestalt eines Spitzgeschosses oder einer Granate um und gleichzeitig tritt die Phase der Metakinese ein (Fig. 29 und 30). Die Figur 29 zeigt die auseinander- weichenden Chromosomen theils in Gestalt flacher Bögen, theils in Winkelform, in Figur 30 haben sie nur noch das letztere Aus- sehen und dasselbe ist auch noch im Dyaster (Fig. 31) bewahrt. Ueb. d. Selbständigk. d. väterl. u. mütterl. Kernbestandtheile ete. 591 In Figur 32 ist ein Querschnitt durch einen Dyaster abgebildet. Die sechs winkelförmigen Chromosomen stellen sich demgemäss als Doppelpünktchen dar. Derartige Querschnitte durch die Winkel sind auch in der schiefen Dyasteransicht Figur 33 zu erkennen. Wie schon nach den Bildern Fig. 25 bis 27 anzunehmen war, erfolgt also die dicentrische Vertheilung der Elemente in der Weise, dass von jedem „Doppelstäbehen“ je ein Stäbchen in Schleifen- oder Winkelform an die Pole tritt. Nach dem voraus- gehenden haben diese Elemente entweder die Zusammensetzung ac (1. Fall) oder ab (2. Fall), und es lässt sich also als ein für Cyel. brevie. ceharakteristisches und offenbar aussergewöhnliches Vorkommniss feststellen, dass auch bei der zweiten Theilung doppelwerthige Elemente auf die beiden Pole vertheilt werden. Ob jedes derselben aus zwei im ursprünglichen Faden benach- barten Elementen sich zusammensetzt, oder ob eine Neukom- binirung stattgefunden hat, muss dabei dahingestellt bleiben. Jedenfalls stehen aber die Ergebnisse im besten Einklang mit den bei andern Objekten gewonnenen Thatsachen; in der zweiten Riehtungstheilung erfolgt eine Vertheilung der Elemente ohne vorhergehende zweite Längsspaltung. Die zweite Riehtungs- theilung ist also eine Reduktionstheilung im Sinne Weismann’s. Bei anderen Formen, speciell bei anderen Copepoden, dürfte der Vorgang etwas einfacher verlaufen. Die Untersuchungen Rückert's haben es sehr wahrscheinlich gemacht, dass bei den von ihm unter- suchten Formen bei der ersten Richtungstheilung eine Zerlegung a ab Ä der Vierergruppen ab gleichfalls nach dem Schema ab N Y ab erfolgt, und die Beobachtungen bei Canthocamptus weisen auf das Bestimmteste darauf hin, dass sich bei der zweiten Theilung die Grup- pen ab zerlegen, dass also dieselbe nach dem Querspalt erfolgt. Bei Cyclops brevicornis dagegen liegt insofern eine Complikation vor, als sich die Elemente nach der ersten Theilung wieder zu Pseudo-Vierer- gruppen zusammenschliessen, welche bei der zweiten Theilung wieder in zweiwerthige Elemente zerfallen. Wie man sich auch die Zusammen- setzung der Pseudo-Vierergruppen zu denken hat, auf jeden Fall tritt auch hier wieder als Ausgangspunkt für die Auseinanderscheidung der Elemente an Stelle des Längsspalts eine Quertheilung und zwar 1 592 Valentin Häcker: entweder mit oder ohne vorhergehende Umkombinirung der Elemente. Im ersten Fall würde der Vertheilungsakt, wie aus der Formel > .. . An = \ 35 worauf es ja doch hauptsächlich an- A En LE Sacl- ar ıyı kommt — durch Anspannung der RE Re : ISIN Polradien auseinanderbewegt, durch ISIN Drüner’s Arbeit doch nieht wider- legt ist. Und zwar bestimmen mich dazu besondere Präparate von Spermatocyten aus dem Sala- manderhoden !), die Meves an- gefertigt hat und von denen er mir das in Fig. 1 dargestellte freundlich zur Zeichnung überliess. Hier findet man, und zwar durchweg, in Stadien, wo die Pole erst eben auseinanderrücken, massenhafte von diesen ausstrahlende radiäre Fasern, welche grossentheils die Zellperipherie erreichen, oder doch ganz nahe an ihr in die Zellstruetur übergehen. Ob letzteres oder ersteres der Fall ist, thut nichts zur Sache; denn ich habe mir ja eben gedacht, dass die Strahlungen gebildet werden, indem das Faserwerk der Zelle, das noch keine be- stimmte Anordnung hatte, zu ihnen gestreckt wird. Wenn die schon gestreckten Fasern mit noch ungestreckten Portionen 1) Behandlung; Hermann’sche Lösung, Eisenhämatoxylin, 698 W. Flemming: dieses Faserwerks zusammenhängen, so kann das in Bezug auf eine Bewegung der Gentrosomen ganz denselben Effeet haben, als ob vollständig gestreckte Fasern bis zum Umfang der Zelle vorlägen, in Anbetracht, dass es sieh bei der Ortsverschiebung der Centrosomen doch anscheinend um recht leichtbewegliche Dinge und geringe Widerstände handelt. Ich betone also, dass es für meine Anschauung gar nicht darauf ankommt, ob eine Faser, wie Drüner es ausdrückt, mit der Zellmembran !) in Verbindung steht, oder ob sie sich mehr oder weniger entfernt von dieser in das Fadenwerk des Zellleibes vertheilt. Für die radiären Fasern nun, die man in meiner Fig. 1 hier von den Centrosomen ausstrahlen sieht, ist es ganz klar, dass sie sich im Weiteren nieht verlängern, sondern verkürzen werden; denn sie nehmen ja schon in dem Anfangsstadium, das die Figur zeigt, ziemlich den halben Zellendurchmesser ein. In den sämmtlichen von Drüner gegebenen Bildern der betreffenden Stadien?) sind nur sehr kurze, wenig m die Zell- substanz reichende Polradien dargestellt. Dies beruht zum Theil darauf, dass Drüner hauptsächlich die kleineren Spermatogonien untersucht hat, an denen in der That die Polstrahlungen etwas unscheinbarer sind als an den Spermatoceyten; obwohl wir sie an Meves Präparaten auch an jenen Zellen sehr viel ausgedehnter finden, als Drüner sie zeichnet, und in manchen Fällen sie in denselben Anfangsstadien, denen diese Zeichnungen entsprechen, sogar den Zellumfang erreichen sehen. Man wird danach denken müssen, dass Drüner’s Methoden, so Vorzügliches sie sonst leisten, in diesem Punkte etwas im Stich gelassen haben. Aber wenn ich einmal annehmen will, es verhielte sich ganz so wie es seine Abbildungen zeigen und es wäre bei diesen Zellen in der That in jenen Anfangsstadien nur eine so kurze Polstrahlung vorhanden, so würde dies nichts zur Sache thun. Denn ich wieder- hole, dass es für meine Anschauung nicht von Belang ist, ob eine Polfaser den Zellumfang erreicht oder nicht, ja ich gebe völlig zu, dass sie auch im Anfang kürzer, und später, wenn 1) Eine Zellmembran im eigentlichen Wortsinne möchte ich bei diesen Zellen nicht annehmen. 3) Mit Ausnahme von Fig. 44, 47 und 48, Taf. VII; dies sind Spermatocyten und zeigen recht lang entwickelte Polradien. Zur Mechanik der Zelltheilung., 699 sie mehr Zellfadenwerk in sich hinein anneetirt hat, länger sein kann; deshalb kann sie doch während dieses ihres Wachsens einen Zug an dem Polkörperchen geübt haben. Die Schemata Fig. 2 und 3 zeigen, wie ich mir die Sache ungefähr denke. In Fig. 2 entspricht a der Fig. 1, d dem Zu- stand, der auf diese folgt: hier sind aus dem Mitom der Zelle neue Radien hinzugebildet worden, die schon vorhandenen wie die neuen haben sich verkürzt und dadurch sind die Pole aus- einanderbewegt. Fig. 5 zeigt eine Zelle, wie die vonDrüner unter- suchten kleinen Spermatogonien, in der Annahme gezeichnet, dass diese Zellen wirklich anfangs so kurze Polstrahlungen hätten, wie es seinen Abbildungen entspricht; diese in a ganz kurzen Strah- len haben sich in b, wie hier wenigstens angenommen ist, sogar verlängert, indem das Mitom sich zu ihnen umgestaltete; darum können sie aber doch an den Polen gezogen haben. Drüner hat gegen meine Anschauung geltend gemacht, dass bei der Mitose der Follikelzellen durch die Spitzen der Spindel oft der Zellumfang sogar nach Aussen aufgetrieben wird, und sieht darin ein Zeichen, dass auf die Pole und ihre Entfernung von einander kein Zug wirken können, dass sie viel- mehr selbst auf den Zellumfang eimen Druck ausüben. Be- schreibwg und Abbildungen beziehen sich jedoch hier auf das 700 W. Flemming: Monasterstadiuns, m dem es so ist, und es wird ausdrücklich gesagt, dass die Polstrahlung bei diesen Zellen nur sehr schwach entwickelt sei. Hierbei ist wohl wenig Aussicht, bei ihnen die früheren Stadien, auf die es ankommt, zu kontrolliren. Ich kann somit meine Meinung, dass bei der Auseinander- bewegung der Pole die Polradien durch Zug betheiligt sind, bisher nicht widerlegt finden; aber ich behaupte auch nicht, dass sie richtig sein müsse, oder dass, falls man dies annehmen will, sie sich mit Drüner’s Anschauung von der Zelltheilungsmechanik nicht in der Hauptsache vertrüge. Seine Auffassung der Central- spindel als Stützorgan, das die Pole von einander stemmt, so neu sie klingt, ist, so viel ich einstweilen sehen kann, mit den zu beobachtenden Dingen in gutem Einklang und geeignet, vieles zu erklären, namentlich die Krümmung und sonstigen Gestalt- verhältnisse der Centralspindel, welche durch meine Hypothese keine Erklärung findet; ich bin deshalb gewiss nicht gemeint, seiner Anschauung über die Funetion der Spindel entgegenzu- treten, aber ich sehe bis jetzt nicht, weshalb damit eine richtende und ziehende Mitwirkung der Polstrahlen ausgeschlossen sein muss. Freilich mit der Meinung Drüner’s über die Bedeutung dieser Strahlen (wonach dieselben stützende Funetion haben und dienen sollen, die Pole durch ihr Wachsthum gegen die Zell- membran zu verschieben) wäre dies nicht vereinbar; diese Meinung kann ich jedoch nicht theilen. Sie beruht auf der Annahme, dass alle Polstrahlen sich bis zur Ausbildung des Monasters verlängerten; dies ist aber nicht der Fall, wie als ein Beispiel für viele Fig. 1 hier zeigt: denn hier sind die Polstrahlen im ersten Anfang der Spindelbildung schon länger, als sie in der Monasterform sein können. In Bezug auf das Ei von Ascaris füge ich zur Vermeidung von Missverständnissen noch eine Bemerkung an. Drüner sagt, „es bedürfe nur eines Bliekes auf die Figuren van Beneden’s, um festzustellen, dass es die Contraetion der Polstrahlung, speeciell der cönes antipodes, nicht sein könne, welche die Entfernung der Pole von einander hervorbringe. Denn die Entfernung zwischen den Polen und den jedesmaligen Ansatzpunkten der Cönes antipodes werde immer grösser statt kleiner, und die Be- wegung der Pole erfolge in"einer'ganz’anderen Richtung. Wollte man diese auf die Contraetion irgendwelcher anderer Fasern Zur Mechanik der Zelltheilung. 701 zurückführen, so kämen zunächst die äussersten an die Membran ansetzenden Fasern in Betracht (also die in Fig. 4a nach rechts in den Bereich der cereles subequatoriaux fallenden); aber auch diese verkürzten sich nicht, sondern verlängerten sich“. Drüner hat sich hier eben an den unglücklicherweise von mir gebrauch- ten Ausdruck „Verkürzung“ gehalten, und daraus resultirt das Missverständniss. Allerdings ist in van Beneden s Figuren keine Verkürzung der Fasern ‚der cönes antipodes zu sehen, sondern eine, wenn auch sehr geringfügige Verlängerung, und für die Fasern der cereles sub@quatoriaux, die sich nach und nach um die Zelle ausdehnen, ist die letztere selbstverständlich. Aber ich habe mir auch‘ keineswegs gedacht, dass es dieselben Fasern sind und bleiben, welche in a und 5b dem Gebiet des cerele polaire und dem des cerele subequatorial angehören; sondern, dass sich mit dem Fortschreiten von ersterem zu letzterem Zustand immer neue Radien aus der Zellstruetur, dem treillis protoplas- mique van Beneden’s, herausbilden — wie dies ja schon nach der Massenvermehrung der Polstrahlung annehmbar wird —, dass diese Bildung von Fasern in der Richtung erfolgt, in welcher die Pole auseinandergerückt werden, und dass sie die Bedingung für dies Auseinanderrücken ist oder sein kann, inso- fern diese Fasern an den Polen angreifen. 702 W. Flemming: Zur Mechanik der Zelltheilung. Erklärung der Figuren. "Fig. 1. Spermatocyt von Salamandra im Anfangsstadium der Thei- lung, die beiden Centrosomen dicht beieinander am Kern, Strahlung von ihnen fast bis zum Umfang der Zelle, was sich in diesem Stadium allgemein so verhält (Chromosomen im Kern nicht in den Einzelheiten berücksichtigt). Fig. 2 und 3. Schemata zur Erläuterung, vergl. Text. Fig. 4 Copien nach vanBeneden'’s Nouvelles recherches, Taf. VI, Fig. 1, 2, zur Erläuterung, vgl. Text am Schluss. (Aus dem II. anatomischen Institut zu Berlin.) Ein junger menschlicher Embryo und die Entwicklung des Pankreas bei demselben. Von Dr. med. A. Jankelowitz. Mit 11 Figuren im Text. Mit freundlicher Erlaubniss des Herrn Prof. Hertwig lasse ich hier kurz die Beschreibung eines menschlichen Embryo aus der vierten Woche folgen, an dem ich Untersuchungen über die Entwieklung des Pankreas angestellt habe. Die beigefügte Zeich- nung ist nach einer Photographie in 10 facher Vergrösserung angefertigt. Der Embryo, Figur 1, misst in der Nackensteisslänge 4,7 mm, in der Scheitelsteisslänge 4,9 mm. Der Kopf und die Stammtheile des Rumpfes sind auf der Figur mit ihren Enden 0,8 cm von einander ‘entfernt und stellen eine Spange dar, deren Längsachse von links nach rechts in Form einer Spirale verläuft. Die Kopfbeuge bildet fast einen rechten Winkel, während die Naekenbeuge zwar deutlich, aber nicht so scharf wie z. B. bei dem His’schen Embryo hervortritt, mit dem unser Embryo äusser- lich sonst vielfache Uebereinstimmung zeigt. Noch mehr erinnert er an ©. Rabl’s Embryo, der in Hertwig’s Entwicklungsge- —— A. Jankelowitz: Ein junger menschlicher Embryo ete. 705 schichte Fig. 178 abgebildet ist, und an Fol’s Embryo von 5,6 mm. Ich möchte aber an dieser Stelle nicht weiter auf ver- sleichende Betrachtungen eingehen. Die einzelnen Hirnbläschen sind an der Figur nur undeutlich zu unterscheiden. Das Augen- bläschen wölbt sich leieht vor. Nach innen zu verläuft der Oberkieferfortsatz, dem gegenüber der Unterkieferfortsatz an Deutliehkeit etwas zurücktritt. Der IL., III. und IV. Kiemenbogen sind gut abgegrenzt, hinter jedem Bogen ist die zugehörige Kiemenspalte sichtbar. Ueber dem II. und III. Bogen erscheint das Gehörbläschen als Vorwölbung. In der Nackengegend be- ginnen die ersten äusserlich siehtbaren Urwirbel, die nach dem Schwanz zu an Breite gewinnen. Im ganzen sind auf der Ober- Fig. 1. fläche 28 Urwirbel deutlich abgegrenzt. Nach vorn von den Urwirbeln verläuft die Wolff’sche Leiste, von der sich die obere ‚Extremität flossenartig abhebt. Die Basis der obern Extremität liegt in einer Linie, die von der Mitte des 5. bis zur Mitte des 11. äusserlich wahrnehmbaren Urwirbels reicht. In der Höhe des 12. Urwirbels biegt sich die Längsachse des Em- bryo im stumpfen Winkel nach links und läuft dann anfangs wenig, dann stärker gekrümmt dem Beckenende zu. Der Schwanz liegt mit seiner Spitze dem Dottergang auf und ist nach einer Bucht zu gerichtet, die vom Dottergang und dem untern Theil des Herzens begrenzt wird. Der Dottergang läuft zur rechten Seite des Schwanzes zur Dotterblase, deren grösster Durchmesser 0,58 em beträgt. Links und unten vom Dotterstiel ragt die 704 A. Jankelowitz: untere Extremität als säulenförmiger Stumpf hervor. Der Schwanz ist stark nach innen gerichtet. In dem „vom Kopf und von der Rumpfspange umschlossenen centralen Kern“ (His) treten drei wulstige Vorsprünge in den Vordergrund: nach vorn zu der Vor- hof und der Ventrikeltheil des Herzens, nach hinten zu die Leber. Der Embryo ist in Pikrinsublimat-Eisessig gehärtet und in Boraxcarmin gefärbt. Die Einbettung in Paraffın ist in gewöhn- licher Weise vorgenommen worden. Der ganze Embryo wurde in eine Schnittserie zu 10 u zerlegt. Die Schnitte auf dem Objeetträger wurden mit Aurantia behandelt. Ueber die erste Entwicklung des menschlichen Pancreas hat man bisher ein sicheres Urtheil nieht abgeben können, weil die unmittelbare Anschauung fehlte. Material, das für diesen Zweck sich eignet, ist nicht gerade häufig. Und so musste die Annahme einer Analogie mit den Thatsachen aushelfen, die für die Genese des Pankreas in der übrigen Wirbelthierreihe schon gesichert waren. Ueber die Entwicklung des Pankreas bei ‘ Wirbelthieren lagen eine ganze Reihe von Untersuchungen vor (Felix, Göppert, Götte, Hammar, Kupffer, Laguesse, Stoss, Wlassow), über die ich in meiner Dissertation im Zusammenhang referirt habe. Ich machte meine Untersuchungen an dem oben beschrie- benen Embryo und bin zu folgendem Resultat gekommen: Die Bauchspeicheldrüse des Menschen entsteht aus drei Anlagen, die ursprünglich vollständig von einander getrennt sind: einer dorsalen, die dem Epithel des primitiven Duodenum angehört, und zwei ventralen, die von der rinnenförmigen An- lage des Duetus choledochus ausgehen. Die Vermuthung, dass auch das Pankreas des Menschen dreifach angelegt wird, sprach W. Felix im Jahre 1892 aus. Er studirte die Reconstruction von dem His’schen Embryo H M, genauer und fand, abgesehen von dem deutlichen dorsalen Pan- kreas, an der rechten Seite des Ductus choledochus eine Vor- buchtung, die sich vom Lebergang abgelöst hat. Weiter aber beobachtete er, dass auch der ganze, der Vorbuchtung ent- sprechende Streifen der kaudalen Seite des Leberstieles sieh mit abschnürt. In den Resultaten seiner Arbeit kommt Felix zu dem Schluss, dass auch der Mensch wahrscheinlich drei Pankreas- Ein Junger menschlicher Embryo und die Entwieklung ete. 705 anlagen hat, eine dorsale und ausser einer vollständig ausge- bildeten rechten noch eine rudimentäre linke ventrale Anlage. Die beiden ventralen Anlagen sind mit einander verwachsen. Der letzte Satz erklärt uns, warum die Existenz einer dritten Pankreasanlage beim Menschen lange Zeit im Dunkel blieb. Untersucht man Embryonen von 6—10 mm, so sind die ventralen Bestandtheile des Pankreas schon verschmolzen. So fand C. Phisalix bei einem menschliehen Embryo von 10 mm 2 Anlagen, eine obere, voluminösere und eine untere kleinere. Zimmermann reconstruirte einen 7 mm langen menschlichen Embryo und eonstatirte ausser dem dorsalen Pankreas noch rechts eine kleinere vom Ductus eholedochus ausgehende Pancreasanlage. Zu demselben Resultat kam Hamburger, ebenfalls auf Grund einer Reconstruction von einem Embryo, den er auf 5 Wochen schätzt. Aus biologischen und vergleichend anatomischen Gesichts- punkten war es wichtig, die Vermuthung. von Felix, dass das Pankreas beim Menschen ebenso wie bei den meisten Wirbel- thieren eine dreifache Anlage hat, auf ihre Gültigkeit zu prüfen. Dorsale Anlage. Der Embryo ist, wie schon bemerkt, in Schnitte von 10 u zerlegt. Im ganzen kommen 38 Schnitte in Betracht. Das erste, was vom Pankreas bemerkbar wird, ist eine Zellenwucherung in der dorsalen Wand des Duodenum, dessen Lumen auf den ersten Schnitten in schräger Richtung von links nach rechts ver- läuft. Der dorsale Zellenwulst nimmt nach der rechten Seite hin zu und dringt wie ein Keil in das umliegende Mesenchym hin- ein, während das Lumen des Darmes in die sagittale Ebene zu liegen kommt. Auf den meisten Schnitten ist das dorsale Diver- tikel noch mehr nach rechts gewachsen, es rundet sich ab und fasst zwischen seine beiden Wände ein kolbenförmiges Lumen, das sich kontinuirlich in das Lumen des Darmes fortsetzt (siehe Fig. 2 und 5). Die ganze Anlage nimmt in caudaler Rich- tung an Volumen zu, der Breitendurchmesser wird geringer, wäh- rend der Längendurchmesser bedeutend vergrössert ist. Die beiden Wänden des dorsalen Pankreas rücken immer näher an- einander, es bleibt nur noch ein feiner Spalt zwischen ihnen und endlich sieht man nur noch punktförmige Trennungen der Kon- 706 “ A. Jankelowitz: tinuität. Schon in diesem Stadium ist eine leichte Ein- schnürung zu beobachten am Uebergang des dorsalen Pankreas in das Duodenum. Diese Einschnürung wird auf den unmittelbar darauf folgenden Schnitten deutlicher. Die Anlage wird kleiner, die Einschnürung immer tiefer (Fig. 3, 4 und 5). Auf Schnitt 22, also 220 u vom ersten Beginn des dorsalen Pankreas, stellt es einen sehr kleinen, undeutlichen Zelleneomplex dar und ist auf dem nächsten Schnitt nicht mehr zu beobachten. Ventrale Anlagen. Die ventralen Anlagen des Pankreas gehen von der rinnen- förmigen Anlage des Duetus choledochus aus. Diese liegt in einer Zellenmasse, die sich ventral vom Darm mächtig entwickelt und die Zellenschläuche in die Vorleber schickt. Der „Ductus chole- dochus“, oder genauer seine rinnenförmige Anlage, steht in unmittel- barer Verbindung mit dem Duodenum (Fig. 3, 4, 5, 6 und 7). 180 u vom ersten Auftreten des dorsalen Pankreas caudalwärts gerechnet, buchtet sie sich nach rechts aus, wobei das Epithel buckelförmig in das umgebende Mesenchym vorgewölbt wird (Fig. 3). Auf Schnitt 19—21, d. h. in einer Ausdehnung von 30 u nimmt so- wohl die Ausbuchtung wie die Vorwölbung des Epithels nach rechts hin bedeutend zu. (Fig. 4 und 5). 10 u caudalwärts von dieser rechten Anlage zeigt sich links ebenfalls eine Ausbuch- tung und eine Vorwölbung des Epithels (Fig. 4), anfangs weniger mächtig als die analoge Bildung rechts. Die Aus- dehnung der linken Anlage nimmt auf Schnitt 20 und 21 mäch- tig zu und erscheint auf Schnitt 21 bereits grösser als die An- lage rechts. Gleichzeitig beginnt sich die linke Anlage gegen das Duodenum vorzuwölben (Fig. 5). Die beschriebenen Bil- dungen rechts und links von der rinnenförmigen Anlage des Duct. choled. sind als ventrale Anlagen des Pankreas an- zusehen, die von rechts und links in den späteren Duct. choled. und mit diesem in das Duodenum ausmünden (Fig. 5). All- mählich rücken die Wände der ventralen Anlage, die auf Schnitt 21 (Fig. 5) durch die breiten Ausführungsgänge weit von einander liegen, sich näher; die Wände jeder. Anlage legen sich aneinander (Fig. 6) und fassen endlich nur noch jederseits ein kleines, kreisföürmiges Lumen zwischen sich (Fig. 9). Ein jünger menschlicher Embryo und die Entwicklung ete. 707 Dieser Verwachsungsprocess geht am linken ventralen Pankreas schneller vor sich als rechts (Fig. 7) und endet rechts wie links mit einer völligen Abschnürung vom Duodenum sowohl wie von der Anlage des Duetus choledoch (Fig. 7—9). Auf Schnitt 31, also 130 u caudalwärts vom ersten Beginn des rech- ten ventralen und 120 u vom ersten Beginn des linken ventralen Pankreas ist. diese Abschnürung vollendet. Die beiden ventralen Anlagen des Pankreas wachsen sich nun entgegen, verschmelzen und zeigen ein einheitliches Lumen (Fig. 10 und 11). Der Nachweis der drei Anlagen des menschlichen Pankreas ist vergleichend anatomisch und biologisch von Interessse. Ein- mal werden durch Berücksichtigung der Entwicklungsgeschichte die Variationen in der Zahl und Anordnung der Ausführungsgänge des Pankreas olne Zwang verständlich, und ferner ergiebt sich als Resultat, dass das Pankreas des Menschen sich ontogene- tisch nicht anders verhält als das der überwiegenden Mehrzahl der niederen und höheren Wirbelthiere. Literatur-Verzeichniss. W. Felix, Zur Leber- und Pankreasentwicklung. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1892. Göppert, Die Entwicklung des Pankreas der Teleostier. Morphol. Jahrbuch XX, Heft 1. Götte, Die Entwicklungsgeschichte der Unke. Hamburger, Zur Entwicklung der Bauchspeicheldrüse des Men- schen. Anatom. Anzeiger 1392. His, Anatomie menschl. Embryonen. Jankelowitz, Zur Entwicklung der Bauchspeicheldrüse. 1.-Dissert. 1595 Berlin. Kupffer, Ueber die Entwicklung von Milz und Pankreas. Münch. mediein. Abhandl. Arbeiten aus dem anatom. Institut VII. Reihe, 4. Heft. Laguesse, Comptes rendus hebd. de la Societe de Biol. 1889 u. 1890. Derselbe, Bibliogr. anatom. 1894, Nr. 3. Derselbe, Journal de l’Anat. et de la Physiol. 1894. Phisalix, Etude d’un embryon humain de 10 mm. Arch. de Zoolog. exp. et generale 1888. Stoss, Inaug.-Diss. 1892 München. Wlassow, Zur Entwicklung der Bauchspeicheldrüse des Menschen. Morph. Arb. v. Schwalbe, Bd. 4, Heft 1. Zimmermann, Verhandl. der anat. Gesellschaft 1889. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46 46 A. Jankelowitz: Ein junger menschlicher Embryo etc. 708 Zur Erklärung der Figuren D = Duodenum. pd = dorsales Pankreas. pv = rechtes ventr. Pankreas. pv, = linkes ventr. Pankreas. L = Leberschläuche. lage deh = rinnenförmige An- des Ductus choledochus. 709 Ueber Muskelspindeln und intramuskuläre Nervenendigungen bei Schlangen und F'röschen. Von Dr. Chr. Sihler., Cleveland, Ohio U. S. A. Hierzu: Tafel XXXVI. Vor etwa einem Jahre durfte ich der Physiologischen (sesellschaft zu Berlin eine Mittheilung machen über eine Me- thode, die Nerven in den Muskeln zu verfolgen !). Die mit- getheilten Resultate bezogen sich auf die Muskeln des Frosches. Seitdem habe ich diese Methode auch an den Muskelnerven der Schlange versucht und gefunden, dass sie auch hier brauch- bar ist. Die Anwendungsweise war ungefähr dieselbe wie beim Frosche. Zwar was das Bindegewebe betrifft, so wäre eine mehr intensive Maceration wohl am Platze gewesen, aber ich fand, dass die Muskeln der Schlange nicht so widerstandsfähig sind als die des Frosches und leichter scheibenartig zerfallen. Die Muskeln der Schlange sind deshalb besonders lehrreich, weil man in ihnen ohne grosse Mühe die Organe finden kann, welche in den meisten Lehrbüchern kaum berührt werden, wohl im allgemeinen mit dem Namen Muskelspindeln bezeichnet werden, von Kölliker jedoch unter dem Namen Muskelknospen aus- führlich besprochen sind. Ein zweiter Grund, warum die Schlangen- muskeln in dieser Sache den Vorzug verdienen, ist der, dass hier diese Organe viel einfacher gebaut sind, als beim Frosche. Wenn man die Muskelbündel, welche dem Rücken entlang bei der Schlange verlaufen, in Stücken von etwa 1 em Länge zerschneidet und nach der Maceration in Stückchen von der Dicke einer starken Strieknadel zerlegt, gefärbt hat, so wird man sehr häufig in einem Stück Muskel dieser Grösse ein solches Organ finden und zeigt Fig. 1 eine solche Muskelspindel der Schlange. Die Abbildung ist zwar diagrammatisch, doch hält 1) Verh. d. Physiol. Ges. zu Berlin 7. 12. 94; du Bois-Rey- mond's Arch. 189, S. 202. 110 Chr. Sihler: sie sich sehr genau an die Thatsachen und eine naturgetreue Abbildung würde ziemlich ähnlich sein. Beim Zerzupfen der Schlangenmuskeln findet man also so und so oft eine sehr dünne Muskelfaser, welche im übrigen sich nicht von den anderen Muskelfasern unterscheidet, aber etw: nur den 8. bis 10. Theil des Durchmessers der dieksten Muskel- fasern besitzt. Verfolgt man nun eine solche Faser, so findet man, dass an einer gewissen Stelle sie sich in einen Mantel hüllt, welcher aus verschiedenen Häuten besteht, die einen spindel- förmigen Sack bilden. Diese Hülle ist gebaut nach Art der diekeren Henle’schen Scheiden, besteht also aus mehreren Lagen elastischer Membranen, in welche endothelial Zellen ein- geschichtet sind, so dass so eine Art spindelförmiger Lymphraum zu Stande kommt. Die Muskelfaser nun, indem sie in diesen Raum eintritt, erleidet meistens eine Modifieation; sie wird einmal breiter, zeigt oft (vielleicht zufällige) Unregelmässigkeiten in ihren Umrissen, ferner findet eine Anhäufung von Kernen hier statt, welche auch mehr rund oder oval sind, als die gewöhn- lichen Muskelkerne der übrigen Faser, endlich besteht die Faser (meist) aus einer Substanz, welche sich so dunkel färbt, wie die feinen Nerven und das Gerlach’sche Fasernetz der quergestreiften Muskeln, und ist hier die Querstreifung ganz oder fast verschwunden. Diese dunkel gefärbte Substanz, in der man kaum eine Struetur erkennen kann, erstreckt sich mehr oder weniger weit in die Muskelfaser hinein, manchmal als feines Stäbchen in grössere Entfernung von der Spindel wie bei (a) in der Zeichnung, manchmal hört sie mehr abrupt auf, in der Nähe der Grenze des Spindelmantels, wie bei (b) der Zeichnung. An diese Muskelfaser tritt nun ein myelinhaltiger Nerv, der seine Henle sche Scheide beim Passiren des Spindelmantels verloren hat, er ist mit s. n. auf der Abbildung bezeichnet. Meist kommt er diagonal mehr von oben oder von unten und verbindet sich mit der Muskelfaser, indem er hier ganz dünn ausläuft, also die Myelinscheide hier verliert und nur als Axen- eylinder weitergeht. So weit ist alles klar und deutlich; es bleiben aber noch zwei Fragen übrig, welche ich nicht beantworten kann. Einmal was bedeutet die dunkel gefärbte Substanz? Da sie so gefärbt ist wie das Gerlach sche Fasernetz, so wäre ich geneigt, hier Ueber Muskelspindeln u. intramuskuläre Nervenendigungen etc. 711 eben eine Ansammlung dieser Substanz zu sehen, aus welcher (las Netz besteht auf Kosten der contractilen Substanz. Wenn wir wüssten, was eigentlich die Function dieses Gitterwerks im Muskel ist, so könnten wir wohl auch die Anhäufung hier ver- stehen. Was ferner das weitere Schieksal des Nerven betrifft, so möchte ich vorerst nichts endgültiges sagen. Eben die dunkle Färbung der Muskelfaser und die Anhäufung von Kernen schaffen hier einen solehen dunklen Hintergrund, dass es unmöglich ist, den Nerven weiter zu verfolgen. Denn vermuthen könnte man allerdings, dass feine Fäserehen abgegeben werden, welche sich der Muskelfaser anlegen. Und dafür giebt es auch einen Beweis. ‘ Es giebt nämlich auch Spindeln, wo die Querstreifung des Muskels im Spindelmantel nicht verloren geht, wo bloss im inneren des Muskels ein Streifen der dunklen Substanz sich findet. In solehen — freilich seltenen — Spindeln konnte ich mehrere feine Nervenzweige vom myelinhaltigen Nerven abgehen sehen, und glaube ich kaum, dass optische Schnitte der Henle’schen Scheiden mich getäuscht haben. Zu bemerken ist noch, dass man die dünne Muskelfaser oft in weiter Entfernung von der eigentlichen Spindel mit einer Henle’schen Scheide umgeben sieht also eine Fortsetzung einer der Schichten des Spindel- mantels. Um wo möglich Licht auf diese dunklen Punkte zu werfen, habe ich denn auch die Spindeln des Frosches einer Unter- suchung unterzogen. Bekamntlich bestehen beim Frosche die Muskelspindeln aus einer Anzahl dünner Muskelfasern, welche sich auch über eine gewisse Strecke mit einer Henle’schen Scheide nmgeben und an welche eine (oder mehrere) ungewöhn- lich dieke Nervenfaser mit ungewöhnlich weiter Henle’scher Scheide herantritt. Man kann beim Zerzupfen schon oft an den grossen Verhältnissen des Nerven und seiner Scheide voraussagen. Dass eine Muskelspindel in der Nähe sein wird, ehe man noch die Muskelfasern, die die Spindel aufbauen helfen, zu Gesicht bekommt. Was man also sehen kann, wenn man eine solche Spindel beim Frosche gefunden hat, ist eine Unmasse von Kernen zwischen denen man eben noch gestreiftes Muskelgewebe erkennen kann, oben und unten in feine Muskelfasern auslaufend, in welche ein starker Nerv in weiter Scheide einläuft. Es ist ein hoffnungs- 712 Chr. Sihler: vernichtender Anblick, wie die Abbildung auf Seite 395 der 6. Aufl. von Kölliker's Buch beweist. Und doch kann man mit einiger Zeit und Geduld die Dinge immerhin etwas aufklären und der Wahrheit wenigstens einen Sehritt näher kommen. Was man wissen möchte ist doch dieses: wohin geht der Nerv und was ist sein weiteres Schicksal, nachdem man ihn unter dem Haufen der Kerne aus dem Auge verloren hat. Auf folgende Weise habe ich mich belehrt, dass die Ver- hältnisse der Art sind, wie sie auf der Zeichnung Nr. 2 diagram- matisch wiedergegeben sind. Was hier abgebildet ist, ist also nur ein Theil einer solehen Muskelspindel, Man hat also 4—8 mal so viele Fasern aufeinander gelegt zu denken und mit Henle’scher Scheide umhüllen, vielleieht auch mit Gefässen durchziehen zu lassen, um einzusehen, wie schwer es ist, sich hier durchzufinden. Bei der Zeichnung habe ich natürlich auch Nerv und Muskel viel mehr auseinander gehalten, als sie es in Wirklichkeit sind, — der Deutlichkeit halber. Um also einen Einblick in den Bau einer Spindel zu er- halten, zerzupfe ich das Bündel Muskeln, welches solch eine Spin- del enthält, nachdem ich die Muskelbündel erst einem möglichst grossen Druck (in Glycerin) durchs Deckglas aussetzte: Ist das betreffende Muskelbündel, das die Spindel enthält, jetzt nach dem Zerzupfen noch zu dick, so wird es allein für sich wieder gedrückt und dann kann man meist wieder zupfen; dieser Pro- cess wird fortgesetzt, bis die Spindel nur von etwa 4—8 Muskel- fasern begleitet ist. Nun gilt es die Spindel zu zerdrücken, die Kapsel zu zerreissen und die Muskelfasern aus einander zu legen, so dass man die dazwischen verlaufenden Nerven verfolgen kann. Auf den ersten Blick würde es als das gerathenste er- scheinen, dieses Bündelchen isolirt unter ein Deckglas zn bringen und nun zu zerdrücken; dann würde man aber wahrscheinlich alles zerquetschen. Um dieses zu verhindern, legt man also das genannte kleine Muskelbündel in Glycerin in die Mitte, wo nach- her die Mitte des Deckglases sein wird und im Umkreis herum 3—4 ebenso kleine Muskelbündel, und drückt nun wiederholt aufs Deekglas. Durch die 3—4 zugetheilten Muskelbündel wird nun ein Schutz auf die Spindel ausgeübt, der Druck wird einmal nicht so stark sein und dann wirken die Bündelchen federnd; Ueber Muskelspindeln u. intramuskuläre Nervenendigungen ete. 713 nachdem der Druck ausgeübt, heben sie das Deckglas wieder in die Höhe. Wenn man diese Manipulation oft genug ausübt und nieht zu stark drückt und doch stark genug, so gelingt es einem manchmal, die Henle’sche Scheide der Spindel aufzu- reissen und die Muskelfasern genügend von einander zu entfernen, (dass man doch etwas Neues sehen kann. Eine weitere Hülfe bei dieser Procedur ist, das Spindelbündel aus dem Glycerin zu nehmen und es in Essigsäure mit einem geringen Zusatz von Glycerin zu legen und hier wieder zu drücken. Einmal werden dureh die Essigsäure die verschiedenen Theile der Spindel wieder frisch herumgezerrt, so dass dann zufällig andere Punkte deutlich werden, und es wirkt die Essigsäure auch noch weiter aufweichend und hilft in der Zerlegung der Spindel. Natürlich kommt man in der Mehrzahl der Fälle nicht zum Ziele, und darf sich nieht die Misserfolge verdriessen lassen. — Ich führe diese Procedur auf dem Tische des Mikroskops aus, mit der rechten Hand drückend und mit der linken den Objeetträger festhaltend und dazwischen mit der rechten so oft wie möglich den Tubus hebend und senkend, um zu sehen, was vorgeht. Man sollte für solehe Ar- beit und zum Präpariren überhaupt em Mikroskop haben, dessen Tubus man mit dem Fusse einstellen könnte, so dass man beide Hände zum Manipuliren frei hätte. Dieses meine ich, liesse sich durchführen, ohne so sehr grosse Kosten. Was man beim Zerdrücken solcher Spindel also erfährt ist dieses, dass der starke Nerv sich theilt und seine Zweige dies wiederholt thun, dass sie den Muskelfasern entlang verlaufen und darin eigenthümlich sind, dass ihre Glieder — d. h. die Strecke von einerRanvier’schen Einschnürung zur anderen, — sehr kurz sind, dass sie sehr unregelmässige Form haben, oft keulenförmig sind und uneben, und, dass schliesslich der Nerv dünner wird und sich dann an die Muskelfaser ansetzt und zwar im Bereich einer solchen Stelle des Muskels, wo eine Anhäufung von Kernen in der Faser stattfindet. Die Muskelfasern nämlich, die im Bereich der Spindel schon so wie so sehr zahlreich mit Kernen versehen sind, zeigen an einer kürzeren Strecke eine solehe Häufung von runden und ovalen Kernen, dass von der eigentlichen Muskelsubstanz meist wenig übrig ist, und dass diese, soweit vor- handen, aus feinen Längsfasern zusamınengesetzt erscheint. In dem ganzen Muskelbündel liegen aber die Partien der einzelnen 714 Chr. Sihler: Muskelfasern, welche durch Kernhäufung ausgezeichnet sind, nicht gerade neben einander, in der einen Muskelfaser findet man die Kernanhäufung etwa in der Mitte der Spindel, in der nächsten gegen das eine, in der dritten gegen das andere Ende der Spin- del. An diese Stelle also tritt die Nervenfaser und vereinigt sich mit der Muskelfaser, indem, wie gesagt, das letzte Glied dünner ist als die vorhergehenden. Was aber das weitere Schieksal des Nerven ist, kannich auch für den Frosch leider nicht sagen. Er- wartet hatte ich zu finden, dass eine Anzahl feiner myelinfreier Fasern hier abgehen würden, um sich der Muskelfaser anzulegen, aber ich habe diese Vermuthung soweit nicht bestätigen können. Kölliker sprieht dieselbe Vermuthung aus indem er sagt: „Um diese Endäste finden sich stets eine grosse Anzahl von runden und länglich runden Kernen, die unzweifelhaft marklosen Enden der Nervenfasern angehören.“ Dass freilich die Mehrzahl der Kerne den Muskeln angehören, haben wir gesehen. Ob solche Endfasern vorhanden sind, müssen spätere Untersuchungen zeigen. Fast würde ich sagen, ieh hätte sie gefunden, wenn sie nicht sehr viel feiner sind als die feinen Nerven an den Capillaren; aber das könnte ja der Fall sein. Zur Abbildung bemerke ich noch, dass die Scheide ganz weggelassen ist und dass man, wie gesagt, um sich einen rechten Begriff von der Spindel zu machen, sich die beiden Muskelfasern mit den Nerven 2—8mal aufeinandergelegt denken muss in die Scheide gehüllt; s. n. bedeutet sensorischer Nerv; wie wir später sehen werden, haben nämlich diese Muskelfasern auch motorische Nervenendigungen; doch hätte ich erstere viel länger zeichnen müssen, um auch diese anbringen zu können. Wir kommen nun zu einer physiologischen Frage: Was ist die Function dieser Organe? Ich vertrete die Ansicht, dass diese Organe die sensorischen Endorgane der Muskeln sind, dass hier die centripetalen Nerven- ströme ihren Ausgang nehmen, welche dem Muskelgefühle zu Grunde liegen. Bisher haben die Histologen wenig befriedigendes über die sensorischen Nerven der Muskeln gebracht und würde mit der Feststellung dieser Organe als der Gefühlsorgane der Muskeln eine Lücke ausgefüllt sein. Folgende Ueberlegung begründet mir diese Ansicht. Ein- mal passt die Struetur dieser Organe ausgezeichnet für solehe Ueber Muskelspindeln u. intramuskuläre Nervenendigungen etc. 715 Funetion. Der Nerv, in einem Lymphraum liegend, kann durch seitlichen Druck, sowie auch durch den Zug an der Muskelfaser, mit der er verknüpft ist beeinflusst werden. Es wäre auch daran zu denken, dass er von dem jeweiligen Molecular-Zustand der Muskelfaser Kenntniss nehmen könnte. Dann haben wir ja — wenigstens der Beschreibung nach — ähnliche Organe an den Sehnen, die Sehnenspindeln; wer nicht daran zweifelt, dass diese Gefühlsorgane sind, braucht es bei der Muskelspindel auch nieht zu thun. Drittens unterscheidet sich der Spindelnerv von den motorischen Nerven durch seine Dieke und weite Scheide; und der Einwurf den solehe machen möchten, welehe Kölliker’s Ansicht vertreten, dass es sich hier um eine Wucherung von Muskelfasern handle und der Nerv deswegen so stark sei, weil er eine Anzahl von Muskelfasern zu versorgen habe, trifft nicht zu, weil eine Nervenfaser von gewöhnlicher Dicke ja ganz ge- wöhnlich eine grosse Anzahl von obendrein ganz dieken Muskel- fasern versorgt. Endlich aber bleibt noch eine Thatsache übrig, welche am meisten ins Gewicht fallen und überzeugend wirken dürfte, und das ist diese: Die Muskelfasern, welche an einer Stelle modifieirt die Spindel bilden helfen, haben an davon ent- fernten Stellen die gewöhnlichen motorischen Nerven, wie auch ihre Nachbarn sie haben. Die motorische Endigung der Schlangen-Muskelfasern habe ich in Fig. 1 bei m. n. gezeichnet und die Fig. 3 bringt die motorischen Nervenendigungen des Frosches. Die Zeichenfläche war nicht gross genug, um sie den beiden Muskelfasern von Fig. 2 anzuzeichnen. Die Endigung der Schlangenfaser ist entsprechend der Dieke der Muskelfasern klein, die Endfasern des Froschnerven sind der Art, wie man sie oft an kleinen Muskelfasern, z. B. in der Zunge findet. Die Zeichnung ist diagrammatisch, bringt aber nur Thatsachen. Diese motorischen Endigungen habe ich bei der Schlange oft in grosser Entfernung von der Spindel getroffen, näher oft beim Frosche. Man braucht diese motorischen Endigungen nur oberfläch- lich anzuschauen und mit den Spindelnerven zu vergleichen, um die Eimsicht zu gewinnen, dass es sich bei den Spindelnerven um etwas ganz Anderes handeln muss, als bei den gewöhnlichen motorischen Endfasern. Man kann auch sofort der Ansicht wider- sprechen, «dass die Spindelnerven die motorischen seien, indem 716 Chr. Sihler: man eben zeigt, dass diese Muskelfasern wo anders die ihnen zukommenden motorischen Endapparate haben. Auch hat Sherrington, dessen Arbeit im Joumal of Physiology ich vor einigen Monaten nur flüchtig lesen konnte, experimentelle Beweise für die hier vertretene Ansicht gebracht. Wenn man sich nun nach anderen Erklärungen umsieht, so haben wir den Ausspruch, dass diese Organe pathologische Bildungen seien. Wer je die planvolle und elegante Structur einer solchen Spindel bei der Schlange beobachtet hat, kann sich über eine solehe Ansicht nur wundern. Dann hätten wir noch die Ansicht von Kölliker. Dieser Forscher widmet diesen Organen nicht weniger als sechs Seiten und nennt sie Muskelknospen, weil er die Ansicht ver- tritt, dass hier ein Spaltungsprocess vor sich gehe, dass eine Anzahl junger Muskelfasern aus einer vollentwickelten gebildet werden. Ich sehe keinen Grund zu dieser Annahme, ausser der Kernanhäufung, die aber an und für sich doch nicht entscheidend ist. Schon an der Thatsache, dass man bei der Schlange (so weit ich gesehen) immer eine einzelne Muskelfaser findet, scheitert diese Theorie und dann kann ich andererseits an den Muskel- fasern des Frosches in einiger Entfernung von der Spindel nichts Auffallendes an den Fasern finden. Man sieht da keine Zeichen, dass die Muskelfaser eine eben frisch formirte wäre, dann sollte man doch diesen Process in verschiedenen Stadien, und die Kern- anhäufung auf grossen Strecken sehen; und was soll endlich die Henle’sche Scheide, man braucht sie doch nicht zur Neubildung frischer Muskelfasern. Nach meiner Meinung hat eben Kölliker einen oder den Hauptpunkt bei diesen Organen übersehen. Er kennt bloss den Spindelnerven und spricht ihn als motorischen Nerven an. Wenigstens erwähnt er keine anderen Nerven und hebt nicht den Unterschied zwischen den beiden Gattungen her- vor. Hätte er dieses gethan und wäre er von der Schlange aus- gegangen, anstatt vom Frosche, so wäre er vielleicht anderer Ansicht geworden. Ganz unwiderleglich wäre der Beweis, wenn man nach Durchschneidung hinterer Wurzelfasern distal vom Ganglion Entartung im Spindelnerven finden könnte. — Aber auch so haben wir wohl eben so gute Beweise für die Funetion der Muskelspindeln wie für die der Sehnenspindeln. Wenn ich recht verstehe, so vertritt Kerscehner auch die Ansicht, dass Ueber Muskelspindeln u. intramuskulare Nervenendigungen etc. 717 die Spindeln sensorische Organe sind. Ich will noch hinzufügen, dass meine Arbeit und auch meine Resultate ganz unabhängig von Einflüssen seitens Kersehner’s sind, da ich nie eine be- kehrende (nur eine referirende) Arbeit von ihm gelesen und keine seiner Abbildungen gesehen habe. Sätze also, in denen wir übereinstimmen, beruhen auf von einander unabhängigem Zeugniss, Ich will nun noch schliesslich ein wenig über meine Arbeit an den motorischen Endigungen der Schlange berichten, damit es sich zeige, ob und wie weit die dabei angewandte Methode neben anderen Berechtigung hat und um zugleich einige Schwie- rigkeiten zu erwähnen, die mir vielleicht benommen werden können. Zur Erläuterung habe ich eine Anzahl von Zeichnungen beigefügt, welche möglichst genau (jedoch ohne camera) ange- fertigt sind und zu welehen von 4+—14 eine Immersionslinse ver- wendet worden ist. Unter den Muskelfasern der Schlange giebt es auch gröbere und feinere und scheinen nur die letzteren besonders geeignet für das Verständniss der museulo-motorischen Endigungen zu sein, ein- mal weil man wegen ihrer geringen Dicke hier einen sehr günstigen Hintergrund für den Nerven hat und zweitens, weil man es nur hier mit wirklich einfachen Nervenendigungen zu thun hat, denn, wie wir später sehen werden, besteht das gewöhnlich als End- platte bezeichnete Organ aus einem Bündel solcher einfacher Endigungen, wie man sie auf den dünnen Muskelfasern findet. Es ist also sehr verkehrt von diesen Endplatten auszugehen bei der Beschreibung der motorischen Nervenendigungen, und die Nervenendigungen beim Frosche sind die Einfachheit selber, ver- glichen mit den Endplatten der Schlange. Die Nervenfasern, welche diese dünneren Muskelfasern ver- sorgen, sind fast immer nackt, entbehren der Henle’schen Scheide und haben keine oder eine dünne Myelinscheide. Anstatt eine längere Beschreibung zu geben, verweise ieh nun auf die Abbildungen und mache nur bei einigen auf Punkte aufmerksam, die mir wichtig sind. In Fig. 4 sehen wir, wie bei « die Henle’sche Scheide aufhört und ich habe bis jetzt nichts gesehen, was mir zeigte, dass es sich, was die Henle’sche Scheide betrifft, bei der 718. Chr, Sihler: Sehlange anders verhalte als beim Forsch, wo man fast jedesmal die Stelle angeben kann, wo die Henle’sche Scheide aufhört, so dass also kein Grund vorhanden ist zur Annahme, dass die Henle’sche Scheide etwas mit den wirklichen Endfasern zu thun hat. Wir sehen dann weiter, dass von der nackten End- faser eine Anzahl grösserer oder kleinerer Läppchen oder Plätt- chen abgehen; endlich bemerken wir noch einige Kerne b, welche den Kernen an den Endfasern der Fasern beim Frosche ent- sprechen und also zur Scehwann’schen Scheide gehören. Fig. 5 zeigt ähnliche Läppchen mit den Kernen der Sehwann'schen Scheide (b). In der 6. und 7. Figur mache ich auf die Kerne aufmerk- sam, welche ich mit (s) bezeichnet und denen ich einen star- ken Rand gezeichnet habe, um sie auffällig zu machen. In Wirklichkeit haben sie eine blasse Farbe und sind wohl flach. Diese entsprechen gewiss den Sohlenkernen von Kühne. Was einem an ihnen auffallen muss, ist die grosse Entfernung von den Endläppchen. Was ist nun ihre Bedeutung. Nach Kühne — und Kölliker stimmt ihm hierin bei — befindet sich, da wo die Nerven sich ansetzen, eine feinkörnige Substanz. Dieser wären diese Kerne zuzurechnen. Doch sollen manchmal auch diese Sohlenkerne fehlen (nach Kölliker). Was nun diese Kerne betrifft, so habe ich sie meistens gesehen, aber was die granulirte Substanz betrifft, so kann ich nicht dasselbe sagen — nur selten konnte ich derartiges erkennen. Was diese Kerne selbst anlangt, so halte ich sie vorerst, bis ich weitere Erfahrung gesammelt habe, für Kerne, welche den Bindesubstanzen oder dem Bindegewebe angehören, weil sie diesen Kernen, welche man sonst auf und zwischen den Muskelfasern findet, so ähnlich sind, dass ich sie nicht von denselben unter- scheiden kann. Da mit dem Nerven oft auch mehr faseriges Bindegewebe an die Muskelfaser tritt, könnte man auch mehr soleher Kerne erwarten. Dass diese Kerne jedoch der Sehwann'schen oder Henle’schen Scheide angehören sollen, wie Kölliker meint, das glaube ich bestimmt verneinen zu können. Ebenso bestimmt muss ich von der Hand weisen, dass sie irgend einer Substanz unterhalb des Sarcolemma angehören; das sogenannte Sarco- Ueber Muskelspindeln u. intramuskuläre Nervenendigtingen ete. 719 plasma, oder lieber das Gerlach’sche Fasernetz zeigt absolut keine Modification im Bereich der Endplatten oder Endfasern. Dann wäre in Figur 6 besonders auf die zweierlei Endigungs- weisen des Nerven aufmerksam zu machen, einmal bei M haben wir die flache dünne, blass blaue Platte mit einigen diekeren Stellen und dann bei O eine Gruppe von Beeren oder Knötchen, welche an feinen Fasern, den Ausläufern der Nerven, hängen und Kernen sehr ähnlich sind. Es giebt noch viel feinere solcher Beeren oder Knötehen und die sie tragenden Fasern sind von ungemeiner Feinheit; auch unter den Immersionslinsen sind sie gewiss oft, selbst wo sie vorhanden sind, nicht zu erkennen. Zwischen diesen beiden Formen von Abbildung 6 giebt es nun Uebergänge; welche Bedeutung aber die verschiedenen Formen haben, ist mir auch nicht klar. In Fig. 8 sehen wir wiederum eine einzige Endigung, in welcher es sowohl flache Lappen (m) mit Sehwann'schen Kernen giebt, als auch eine Gruppe kleiner dunklerer End- beeren (0). Fig. 9 zeigt eine Form der Endigungen, welche sehr häufig ist; wir sehen hier eine Reihe von länglichen Platten an die Faser angereiht und hier sehen wir etwas, was mir nicht ganz klar ist. Von s bis # sehen wir nämlich eine Reihe Platten, welche auf einer Seite dunkelblau gefärbt sind und das, worüber ich nicht recht ins klare kommen kann ist dies: sind diese dunkelblauen Objeete Keme, den Schwann’schen Kernen entsprechend, oder sind es nur so dicke Stellen der Endplatten, welche den Endbeeren in Fig. 6 (0) entsprechen. Ich gestehe hier meinen Mangel an Kenntniss oder Geschick ein. Dann habe ich noch Fig. 10, A und B einerseits und 11 und 12 andererseits neben einander gestellt, weil sie gute Exem- plare der beiden Arten der Nervenendigungen sind, indem Fig. 10 A und D die kleinen aber diekeren und darum sich dunkler färbenden Beeren oder Knötchen zeigt, während in Fig. 11 und 12 die sehr verschiedenartig geformten flachen und darum heller gefärbten Lappen oder Platten zu sehen sind. Während man es also bei dem Frosche nur mit Fasern zu thun hat, finden wir hier bei der Schlange verschiedenartig ge- formte Läppchen, Beeren und ausserdem die sogenannten Sohlen- kerne. Henle’sche Scheide mit ihren Kernen vermisse ich bei 726 Chr. Sihler: beiden, während die der Sehwann’schen Scheide entsprechen - den Kerne sich bei der Schlange wie beim Frosch finden. Indem ich mieh nun zu den Endigungen auf den diekeren Muskelfasern wende, will ich gleich hier eines schwachen Punktes der Methode Erwähnung thun. Das Hämatoxylin färbt alles, was Protaplasma oder Kern heisst, mag es sich nun um Nerven oder Muskeln oder sonst etwas handeln. In unserem Material färbt sich nun das Gerlach ’sche Fasernetz (oder Sarcoplasma) ganz ähnlich wie die feinen Nerven, und die „Endplatten“ liegen also auf einem diffus blauen Hintergrund, in dem noch die Fasern des Gerlach’schen Netzes, die direet unter der Endplatte sind, sich deutlich zeigen. Man muss also hier bei Verfolgung sehr feiner Fäserchen auf Schwierigkeiten stossen und auch dünnere diffuse Schiehten Protoplasmas auf dem blauen Hintergrund sind schwer genau zu sehen und zu verstehen. Wenn es möglich wäre, den Inhalt des Sarcolemmaschlauches sanz oder theilweise zu entleeren, so würde dieser Schwierigkeit abgeholfen sein und ich glaube, dass die Methode dann alles so deutlich zeigen würde, wie beim Frosche. Vielleicht lässt sich das bewerkstelligen und ich erwähne hier, wie ich zu leeren (und was besser ist) halbleeren Sarcolemmaschläuchen beim Frosche gekommen bin. Doch habe ich keine weitere, als diese eine zufällige Erfahrung. Ich legte nämlich gefärbte Muskeln des Frosches in Glycerin, welchem Borax reichlich zugesetzt war, um die Bindesubstanzen zwischen den protoplasmatischen Elemen- ten noch mehr zu entfernen, als es die Essigsäure im Macerations- process gethan hatte. Nach S—10 Monaten, als ich die Muskeln untersuchte, fand ich die schönsten, klarsten Endigungen, die ieh je gesehen und ferner, dass viele Sarcolemmaschläuche ganz leer, andere mehr oder weniger leer waren. Letztere boten die schön- sten Präparate, weil die Endfasern mehr in ihrer natürlichen Lage bleiben, als bei den ganz leeren. — Vielleicht liesse sich mit Hülfe des Brütofens diese Methode weiter ausbilden und liessen sich dann systematisch ieere Sarcolemmaschläuche erzielen. Eine sehr undankbare Arbeit ist es, die „Endplatten“ oder genauer bezeichnet die zusammengesetzten Endorgane, oder End- bäumehen zu untersuchen, weil man eigentlich kein einziges solches Organ ganz vollkommen verstehen kann. Immerhin giebt es I [80 m Ueber Muskelspindeln u. intramuskuläre Nervenendigungen ete. auch solche, welche zu einem gewissen Grade klar und deutlich sind und dann Licht auf die andern werfen. Ein solches Präparat bringt Fig. 13. Hier werden einem also doch eine Anzahl von Punkten klar. Einmal sehen wir, dass die Platte kein einfaches Organ ist, dass eine Anzahl feiner End- fasern von ihr abgehen, auf der Nordseite a, b, c, d, e, f, dann sehen wir, dass diese Endfasern noch auf eine, hier nur kurze Strecke, von der Henle’schen Scheide begleitet werden, wenn auch kein Grund vorhanden ist zu glauben, dass diese Scheide bis zu den letzten Enden reicht, ebensowenig wie beim Frosche, ferner sehen wir, dass die dünne Centralfaser, welche die Terminalkör- perchen trägt und diese selber, welche dunkelblau sind, von einem hellblauen Hals umgehen sind, also wohl von einer dünnen Lage von Protoplasma, wir erkennen auch, dass die einzelnen Gebiete jeder Faser hier von einander getrennt sind, man kann also sehen, welche Endkörperchen zu Faser a, welche zu b ge- hören u. s. w. Auf der Südseite des Präparats sind die Sachen nicht so klar, bei g sehen wir allerdings eine Endfaser mit ihrem Areal deutlich abgegrenzt und mit ihren Körperchen; bei m da- gegen sehen wir eine Anzahl Endknoten, welche gewiss auch durch eine Endfaser mit dem Nerven verbunden sind, aber diese Faser selbst nicht und man sieht hier eine zusammenhängende Fläche Protoplasmas ohne Eintheilung für die verschiedenen Fasern. Die Kerne sind absichtlich weggelassen. Dann bitte ich noch auf Fig. 14 zu achten, Diese bringt einen Theil einer Endplatte, welche sich auf leerem Sarcolemma- schlauch zeigte. Wir sehen hier zwei Endfasern, von denen eine deutlich einen Kern, der Schwann’schen Scheide angehörig, trägt, wir sehen auch die dunklen Endbeeren aber nicht durch Fasern verbunden, umgeben von dem hellblauen Hals. Und nun möchte ich auf einen Punkt aufmerksam machen, der mir nicht verständlich geworden ist. Bei der Untersuchung der einfachen Endapparate auf den dünneren Muskelfasern kam mir die Frage, wie Kühne von einem Axioplasma und Stroma reden könne. Als ich aber die Endplatten studirte, erkannte ich, dass er wohl solche Endapparate vor sich gehabt haben müsse, denn hier haben wir allerdings einen inneren sich dunkel färbenden Theil, die feinen Fasern und Beeren, und einen blasseren, > Ohr. Sihler: den diese umragenden Hals. Wie kommt es nun, dass ich dieses nicht an den einfachen Endapparaten gesehen habe. Es wird mir schwer zu glauben, «dass diese anders gebaut sein sollen? Habe ich etwa dort diesen Hals übersehen, da er nicht so deutlich ent- wickelt ist oder haben die flachen Läppehen auch ein Axioplasma, las ich übersehen hätte ? Was wir also von den Endplatten wissen, ist dieses. Eine Endplatte ist ein zusammengesetztes Organ, und besteht aus einer Anzahl feiner Endfasern, deren jede eine Strecke weit noch von Henle’scher Scheide umgeben ist, die wiederum noch mit einem Kern versehen sein kann; die eigentlichen Endfasern haben oft noch die der Scehwann’schen Scheide entsprechen- den Kerne, und die feinen Endfasern tragen dann die Endbeeren, welche zusammen mit den letzten Endfasern mit einer Hülle von Protoplasma umgeben sind. Unter allem diesem liegen dann oft noch 4—6 Kerne, die sogenannten Sohlenkerne. Der Regel nach liegen nun die Endapparate der verschiedenen Endfasern dicht aneinander, so dass an eine Trennung der einzelnen Areale bei der Untersuchung nicht zu denken ist, wenn sie auch manchmal theilweise durchführbar sein mag. Dann haben wir Endfasern verschiedener Länge, welche öfters quer übereinander herziehen, so dass vielleicht der Kern der Henle schen Scheide von Nr. 1 über dem Sehwann schen Kern von No. 2 zu liegen kommt, und dieser vielleicht über den Endbeeren von Nr. 3 ruht. Um das Bild noch schwieriger für das Verständniss zu machen, sind dann noch die Sohlenkerne im Hintergrund. Wenn man diese Endplatten mit mittelstarken Systemen untersucht, so sieht man einen runden oder länglich runden flachen Kuchen von hellerem Farbenton, in welchem man zweierlei dunkelblaue Figuren sieht, die kleineren den Endbeeren ent- sprechend, die grösseren den Kernen, dann kann man auch meistens erkennen — wenn auch nicht so ganz deutlich —, dass der myelinhaltige Nerv nicht direkt in diese Platte einmündet, sondern sich vorher verzweigt. Ich gestehe, dass es mir unmöglich ist, irgend eine solehe Endplatte vollkommen zu interpretiren. Wir haben es mit dreierlei Kernen zu thun, und man müsste bei jedem sicher entscheiden, zu welcher Classe er gehört; die feinen Fasern, welche für die stärksten Systeme eminent zarte Gebilde sind, werden von dunkel- gefärbten Endkuoten und Kernen verdeckt; eine Faser ist kurz, Ueber Muskelspindeln u. intramuskwläre Nervenendigungen etc. 723 die andere lang und sie kommen, nicht in derselben Ebene von der Hauptfaser abgehend, über einander zu liegen. Wenn man dieses alles bedenkt, so ist nicht zu erwarten, dass auch ein noch so gut gefärbtes Präparat darum immer zu interpretiren sei in allen seinen Einzelheiten. Auch unter den Autoritäten scheint, trotz der Goldmethoden ohne Zahl, doch eigentlich nicht viel mehr fest angenommen zu sein als eben das, was ich auch mit schwächeren Vergrösserungen unterscheiden kann. Kölliker z. B. lässt es dahin gestellt, ob die sogenannten Sohlenkerne der Scehwann’schen oder Henle'- schen Scheide angehören. Ich glaube, dass man sich durch die angegebene Methode überzeugen kann, dass diese Kerne von denen der Henle-Schwann schen Scheiden unterschieden werden können und müssen. Was die Lage der Endapparate, ob unter oder über dem Sarcolema, betrifft, so habe ich Manches gesehen, was für die Lage über, aber nichts, was für die Lage unter dem Sarcolema spricht. Vielleicht ist es mir vergönnt, ein anderes mal über diesen Punkt zu reden. Was nun die Leistungsfähigkeit dieser Methode im Ver- gleich zu den Goldmethoden betrifft, so muss das Urtheil hierüber denen überlassen werden, die beide gleich gut zu handhaben ver- stehen. Vermutlich wird die eine die andere unterstützen, indem gewisse Verhältnisse besser durch die eine, gewisse durch die andere aufgeklärt werden können. Vergessen freilich darf bei der Abschätzung die Leichtigkeit der Essigsäure-Haematoxylin- Methode nicht werden. Die Demonstration der Muskelspindeln der Schlange könnte ganz gut in den elementaren histologischen Cursus aufgenommen werden. Nur beachte man, dass nicht das Färben, sondern ein gründliches und genaues Macerations- verfahren das Geheimniss der Methode ist. Die Formel zur Bereitung des Ehrlich schen Haematoxylin, das ich brauche findet man z. B. in Orth’s Histologie 4. Aufl. pag. 55, und man kann 4 Wochen und 1 Jahr altes verwenden. Beim Färben braucht man sich nicht genau an die von mir vorgeschlagene Stärke der Flüssigkeit zu halten, lieber verwende man stärkere. Doch hat die jüngere Flüssigkeit den Vortheil, dass man gar nicht überzufärben braucht, und nachher sich das Auswaschen ersparen kann. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 46, 47 124 (Aus dem Institut für vergleichende Anatomie, Histologie und Embryologie des Herrn Geheimrat von Kölliker.) Beitrag zur Kenntnis vom feineren Bau der sympathischen Ganglienzelle des Frosches. Von Dr. Adolf Dehler, Assistenten am anatom. Institut der Universität Würzburg. Hierzu Tafel XXXVII. Mit doppeltem Interesse ging ich an diese vorliegende Arbeit: Einerseits wollte ich nachsuchen, ob die in anderen Zellarten bereits gefundene Centralkörpergruppe und ein davon abhängiger Bau des Protoplasmas auch in der sympathischen Ganglienzelle vorhanden sei, andererseits schien es wohl der Mühe wert, zur Kenntnis des feineren Baues dieser Zellen einen kleinen Beitrag zu liefern. Erweeckt doch gerade das sympathische Nervensystem in neuester Zeit wieder das Interesse der For- scher, nachdem die Untersuchungen und auch die Kenntnisse davon hinter jenen über das Centralnervensystem zeitweise zu- rückgeblieben waren. Der Sympathieus mit seinen vielen Ganglien und Nervensträngen, mit dem Üentralnervensystem so innig verbunden, spielt gewiss eine grössere Rolle, als man bisher an- nahm und vielleicht auch annehmen konnte. Gegenüber der extremen Ansicht von Hale White (Joum. of physiol. VIII), dass die Grenzstrangganglien der Thiere phy- siologisch intakte funktionierende Gebilde, die des Affen und des Menschen aber nur embryonale Reste seien, erscheint als er- freulicher Kontrast jener Vortrag v. Köllikers (9), in welchem der grosse Erforscher des Nervensystems seine Kenntnisse über dieses Abzweigungsgebiet des Cerebrospinalsystems niederlegte und das Interesse für die weitere Durchforschung „dieses dunklen Gebietes“ zu wecken suchte, Adolf Dehler: Der feinere Bau der symp. Ganglienzelle ete. 725 Ich stellte Untersuchungen an über den Bau der sympathi- schen Ganglienzelle bei dem Frosche (Rana esculenta), dem nach Courvoisier „den Mikroskopikern so holden Thiere*. Ueber den Bau dieser Zellen liegen Untersuchungen am frischen Objekte vor, die ich dahin zusammenfassen und mit meiner Aussage bestätigen kann, dass die Zellen matt granuliert, nicht fibrillär, meist von schwach graugelblicher Farbe erscheinen, einen bläschenförmigen Kern mit excentrischem Nucleolus be- sitzen und in einen homogen scheinenden Fortsatz auslaufen. Im bindegewebigen Gerüst der Ganglien findet sich viel grob- körniges dunkles, häufig die Zellen verdeckendes Pigment und wanchmal in der Zellhülle, aber ausserhalb des Protoplas- mas gelegen, einige feine, gelbliche, schwach färbbare Pigment- körner. Weiter auf die Untersuchung des frischen Objektes einzu- gehen, war für das Endziel meiner Arbeit wertlos. Ich ging vielmehr sofort zu jener Fixationsmethode über, die mir auch sonst an einzelnen Zellen und Geweben, besonders auch an Nerven- zellen gute Dienste geleistet hatte: ich brachte die vorsichtig, aber schnell aus dem eben getöteten Frosche entnommenen Bauch- ganglien auf einige Stunden in concentrierte Sublimatlösung und härtete die Präparate mit langsam steigendem Alkohol. Um kurz auf einige andere Fixationsmethoden einzugehen, sei erwähnt, dass bereits Flemming (4) für die Spinalganglien- zelle mehrere Methoden erprobt und kritisiert hat. Ich halte für das Studium des feineren Baues der Nervenzelle die Fi- xierung mit Osmiumsäurelösung und ihren Combinationen für weniger brauchbar, da sich die feineren Gebilde diffus, ver- schwommen, eventuell schichtweise ungleich färben. Den abso- Iuten und den 90 °/, Alkohol habe ich hier als völlig unbrauch- bares Fixierungsmittel ausgeschaltet, weil neben starker Schrum- pfung oft ein glasiges Aussehen der Zellen erzeugt wird. Und auch Chromsäurelösungen bis zu 1 °/,, in denen, wenn auch ge- ringe, Schrumpfungen eintreten können, habe ich nur zur Kon- trolle der Fixierung mit Sublimat benutzt. Die Behandlung mit Sublimat bietet, wie M. Heiden- hain (6) sagt, den Vorteil, dass sie einfach ist, rasch ohne Schrumpfung und Quellung und ohne Zerreissung der Substanz 736 Adolf Dehler: fixiert, dass sie eine gute distinkte Färbung sämtlicher Schichten zulässt, und dass sich fast keine Farbe nachträglich verändert. Nach Peequeur (14) ist die Behandlung mit Alkohol nach Sublimatfixierung die verlässlichste, „während die sonst ge- bräuchlichen Chromsalze die Ganglienzellen am meisten de- formieren*. Die mit Sublimat fixierten und in Alkohol gehärteten Prä- parate wurden durch Bergamottöl in Paraffin eingebettet, die Schnitte von 4u Dicke mit Wasser aufgeklebt und verschiedenen Färbungen unterzogen. In der äusseren Gestalt sind die sympathischen Ganglien- zellen im Schnitte unter einander so verschieden, dass fast nie- mals eine der andern gleicht. Das kann ja nicht Wunder nehmen, wenn man bedenkt, dass die Zellen dicht gedrängt, von „resi- stentem“ (Ranvier) bindegewebigem Gerüstwerk getrennt, neben einander liegen. Näher erklärt sich die Verschiedenheit der Gestalt im Schnitte dadurch, dass sie mit ihrer Längsachse nicht in gleicher Richtung, sondern schräg zu einander liegen; be- zeichnet man nämlich den längsten Durchmesser der Zelle, den man sich von der Mitte des Kerns dureh die Mitte der Zelle bis in die Gegend des Abgangs des Nervenfortsatzes (s. unten) ge- zogen denkt, als Zellenachse, so finden sich in einem Schnitte von 4u Dieke ziemlich alle möglichen Richtungen der Zellen- achse vertreten. Man sieht in die Umgebung eingepasst mehr polygonale Querschnitte mit abgerundeten Ecken, bei denen der Kern in der Mitte liegt, und länglich ovale Zellbilder ent- weder ohne Kern oder mit einem Abschnitt desselben, d.h. dann schräg geschnittene Zellen; endlich findet man längliche Zell- bilder mit Kern in der Nähe des einen Pols, das sind Bilder von längs geschnittenen Zellen. Die Zellen als ganze Gebilde sind weder kugelig noch vieleckig, sondern länglich oval, gegen den einen Pol hin etwas verschmälert, also mit Recht als birn- förmig bezeichnet. Dabei unterscheiden sich die Zellen an Grösse beträchtlich; man findet rundliche Zellbilder bis zu einem Durchmesser von 55:45 u, und längliche von TO u Länge und 40 u Breite. Die Ganglienzellen füllen, wie schon v. Kölliker betont, im Leben die sie umgebende Hülle vollständig aus und auch. bei Sublimatfixation mit nachfolgender langsam steigender Al- Der feinere Bau der symp. Ganglienzelle ete. 127 koholhärtung entstehen keine vaenolenartige Hohlräume zwischen dem Zellleib und seiner Hülle. Solange nicht durch eine beson- dere Methode ein pericellulärer Lymphraum zwisehen dem Proto- plasma und der bindegewebigen Scheide nachgewiesen ist, muss ich das Vorhandensein desselben in der bisher angegebenen Grösse für hypothetisch halten. Auch Ranviers Auslassung darf man nieht auf die Gan- glienzelle des Frosches beziehen, wenn er sagt, dass die Sympathi- eusganglien kleine Gehirne seien, nicht allein infolge des Baues ihres Gefässapparats, sondern weil sie Ganglienzellen enthalten, deren Sternform der in den eigentlichen Nervencentren beobach- teten ähnlich sei. „Beim Menschen, beim Hunde und mehreren anderen Säugethieren haben die Ganglienzellen eine gewisse Re- traktion ins Innere der Kapsel erlitten und erscheinen deut- lich sternförmig.“ Das sternförmige Aussehen mit theilweiser Abtrennung des Zellleibes von der Kapsel kommt nieht nur bei multipolaren (Ranvier benützt 14—21tägige Fixation mit 2—3 pro mille Chromsäurelösung und Alkoholhärtung), sondern beson- ders auch bei unipolaren Zellen von der Behandlung her. Von dem Bilde des Kerns interessiert uns zunächst seine Lage und äussere Gestalt. Ich will sogleich bemerken, dass ich unter den vielen Ganglienzellen des Frosches, die ich betrachtete, sehr selten eine zweikernige fand und den feineren Bau der- selben nicht näher studierte. Der eine Kern liegt nun in längs- geschnittenen ovalen Bildern stets excentrisch, d. h. stark gegen den einen, dem Zellfortsatz (s. unten) gegenüberliegenden Pol und oft geradezu in eine rundliche Ausbuchtung des Zellleibes gelagert, welche dann manchmal durch eine schmälere Stelle mit dem übrigen breiteren Protoplasmateil verbunden ist. Auf Quer- schnitten zeigt der Kern eine centrale Lage und erscheint im Durchschnitt als ein Kreis. Auf Längsschnitten der Zellen ist der Kern fast niemals rund, sondern fast immer auf der Seite gegen die grösste Protoplasmamasse abgeflacht oder gar einge- buchtet, s. die Abbildungen; in einzelnen Fällen sah ich eine Lap- pung des Kerns in der Weise, dass in der Mitte der abgeflachten Seite die „Lappen“ etwas übereinander geschoben waren, und eine scharfe zackige Linie als Andeutung der Kernmembran gegen die Mitte des Kerns eingebogen war (Fig. 7). Nachdem wir nun von denjenigen Eigenschaften des Kerns, 128 Adolf Debhler: die zum Bau des Protoplasmas zunächst in Beziehung stehen, Kenntnis genommen, mögen meine Beobachtungen über das Pro- toplasma der sympathischen Ganglienzelle angeführt sein. Hier sei sogleich auf die bekannte Arbeit Flemmings über die Spinalganglienzelle (Festschrift für Henle 1882) ver- wiesen, welehe in ebenso gründlicher Weise die vorhergehende Literatur sichtet und kritisch beleuchtet, ‘wie sie in Bezug auf Technik und Darstellung mustergiltig ist; auch die älteren Lite- raturangaben über den Bau der sympathischen Ganglienzelle sind dort gebührend berücksichtigt. Bekanntlich hat Flemming die Spinalganglienzellen mit dünner Chromsäurelösung fixiert und in Alkohol gehärtet und vertritt danach die Ansicht, dass die Spinalganglienzelle nieht parallel faserig sind wie die centralen Nervenzellen, sondern ausser Körnehen und der Interfilarsubstanz feine Fädchen zeigen, die, ohne netzförmig zusammenzuhängen, dicht gewundene, „geknickte* längere oder kürzere Bildungen darstellen. S. Mayer (12) sagt von der sympathischen Ganglienzelle, dass sich in ihrer Substanz nicht bloss an der Oberfläche, sondern auch im Innern nicht selten feine Fäden in ziemlicher Anzahl finden. Ranvier (15) gibt an: „Jede Ganglienzelle entspricht einem Bündel Remakscher Fasern, welehes Bündel aus Fasern besteht, die‘ unter sich zur Bildung eines Plexus anastomosieren.“ Nach Ranvier erscheint innerhalb der Zellkapsel als oberflächlichste Lage die fibrilläre Schicht (herrührend von der Ausstrahlung des Zellfortsatzes, s. unten). „Die Streifung dieser läuft parallel zur Achse der Zelle“ (?) „und zwischen den Fibrillen findet sich eine körnige Substanz.“ v. Lenhossek (10) findet in der Spinalganglienzelle (des Ochsen) nach Alkoholfixation „weder eigentliche Fibrillen noch aber kurze Fädchen, sondern eine schwach färbbare Grundsubstanz und in diese in grosser Menge eingestreut lauter kleine gut färbbare Körm- chen“. Die Grundsubstanz zeigt nach ihm „eine äusserst femme Struk- tur, die sich aber ebensowenig bildlich darstellen wie treffend schil- dern lässt; es handelt sich um enorın feine stärker lichtbrechende Punkte oder richtiger punktförmige Lichteffekte, die dicht neben einander angeordnet sind und der Grundsubstanz ein schaum- oder wabenartiges Aussehen verleihen“. Ich möchte mich in meiner Auffassung von dem Bau der Der feinere Bau der symp. Ganglienzelle etc. 129 sympathischen Ganglienzelle des Frosches am ehesten der Schil- derung, weniger der Abbildung anschliessen, die Flemming von der Spinalganglienzelle 1882 gegeben hat. In einer auch mit sehr starker Vergrösserung nicht mehr ge- nau definirbaren T) hellen fein gekörnelten, doch auch ver- schwommenen schwach färbbaren Grundsubstanz, von der sich eigentlich nur das mit Sicherheit sagen lässt, dass sie nicht homogen erscheint [ich habe sie in meinen Zeichnungen nur mit Hilfe des Wischers angedeutet], finden sich II) Körnehen, die nicht rund, sondern länglich oder unregelmässig gestaltet, schmäler oder spitz an den Enden auslaufend, stets ungleich gross durch die ganze Zelle vertheilt sind. Sie färben sich bei einfacher Eisenhämatoxylinfärbung nur blassblau, bei nachfolgender Rubin- färbung rot, mit Thionin hellblau u. s. w., sie werden gebildet oder durchsetzt von chromatischer Substanz, die weniger dicht zu sein scheint. Ohne sich zu Gruppen, Netzen oder Strängen zusam- menzufügen, bilden. sie mit der blassen Grundsubstanz ein dichtes Gerüstwerk, in das die eigentliche, stärker schollige chromatische Substanz eingelagert ist. Ich halte diese an zweiter Stelle be- schriebenen fädigen Körncehen oder körnige Fädchen für ent- sprechend den von Flemming in Chromsäurepräparaten und von Niss| beschriebenen Gebilden. Scharf begrenzt sind sie wohl, aber dass sie sich „nur abgerundet“ zeigen, wie v. Len- hoss&k von entsprechenden Gebilden in der Spinalganglienzelle angibt, kann ich nicht finden. Was aber die Verschiedenheit meiner Präparate von der Abbildung und Beschreibung Flemmings (4) und den Zeich- nungen v. Lenhosseks (10) bedingt, das ist das auffallende Vorhandensein von III) Schollen, die sich eoncentrisch im Zellleik zu einander reihen. Flemming sagt 1882: „Ich habe eine derartige con- eentrische Streifung von Wirbeltbierganglien noch nicht erhalten, würde sie, wenn sie vorhanden wäre, auch für künstlich erzeugt halten.“ Key und Retzius: „Man sieht nach Erhärtung in Chromsäure u. dgl. bekanntlich oft in der Zellsubstanz concen- trische Streifen, die zuweilen als Strukturverhältnisse gedeutet sind“. Nach Key und Retzius ist diese Streifung in mensch- lichen Ganglienzellen durch Reagentien entstanden. Betrachtet man ein Schnittbild eines ganzen Ganglions, so 130 Adolf Dehler: findet man am häufigsten Zellen, welche um die Mitte kleinere, an der Peripherie grössere Schollen zeigen; sehr selten ist das Umgekehrte der Fall. Seltener sieht man ferner Zellen, welehe sleichmässig durchsetzt sind mit groben Schollen (getigertes Aussehen) oder mit kleinen. Diese Schollen, die ich auch an Chromsäurepräparaten, wenn auch nicht so zahlreich, sah, haben eine ziemlich unregelmässige Gestalt: von einer körnchenartigen Zusammensetzung an findet man sie bis zur Gestalt von flachen Dreiecken mit breiter Basis; auch ‚grosse Schollen, die aus kleineren lose zusammengesetzt erscheinen, sind vorhanden; sie sind nicht kugelig und haben niemals scharfe Ecken, so dass der Aus- druck „Scholle“ der einzig passende zu sein scheint. Während sich die feineren Körnchen mit manchen Farben nur schwach tingieren, scheinen die gröberen Substanzpartikel für sämtliche von mir angewandte Farbstoffe empfänglicher zu sein: besonders färben sie sich mit Thionin schön Iila-blau, mit Magenta schön rot, an einfachen Eisenhämatoxylinpräparaten schwarzblau ; je nach schärferer oder stärkerer Differenzierung behalten sie in letzteren Präparaten bei Rubinnachfärbung einen dunkelblau violetten Farbenton. Durch die Einteilung in feinere körnerartige und gröbere schollenartige Gebilde möchte ich nicht den Eindruck hervor- rufen, als hielte ich diese für chemisch und physikalisch scharf getrennte Bestandtheile der Zellsubstanz; es gibt natürlich auch Uebergänge in-Form und Färbbarkeit: die gröberen dichteren färben sich dunkler resp. halten die Farben länger als die "kleineren Gebilde. Manchmal finden sich in kleineren Zellen wenig oder keine chromatischen Sehollen; dafür ist dann die Zelle diffus und in- tensiver gefärbt. Flesch nennt dieses Verhalten Chromophilie. Ich erkläre mir das so, dass in solchen Fällen die chromatische Substanz nieht wie zu Sehollen geronnen, sondern diffus im die achromatische Substanz verteilt ist; wahrscheinlich ist sie im den kleineren Zellen in derselben oder fast derselben Menge vorhanden, nur gleichmässiger verteilt wie in den grossen, wo sie dann auf- fallend das Bild beherrscht. v. Kölliker wd v. Len- hoss&ek beschuldigen den verschiedenen Schrumpfungsgrad, der ein verschiedenes Dichtigkeitsverhältnis der färbbaren Teile bedinge. Der feinere Bau der symp. Ganglienzelle ete. 731 Mögen nun auch die Schollen selbst durch Reagentien (Key und Retzius, Flemming 1882) oder gar dureh den ver- schiedenen Funktionszustand, in welchem die Zelle getötet und fixiert wurde, verursacht und nach ihnen verschieden sein, sicher ist von vornherein vorhanden die eoncentrische Schiehtung des Protoplasmas; denn ich wüsste nicht, wie durch ein Reagens, das die Forın der Zelle und des Kerns nieht ändert, die Proto- plasmateile so verlagert werden sollten, dass sie vorher diffus oder etwa radienförmig verteilt, sich im Bilde im Gegensatz zu anderen Zellarten eoncentrisch zeigen. Die gröberen Schollen liegen mehr an der Peripherie, oft in einfachem Kranz, kleinere bis herab zu den Körnern liegen je kleiner je näher der Mitte. Liegt in einem Zellquerschnitt der Kern in der Mitte des Bildes, dann scheinen die Schollen in ein- oder mehrfachere Kreise um ihn gelagert. Ist dagegen eine Zelle längs oder schräge zur Längsachse geschnitten, so dass auch die Abgangs- stelle des Nervenfortsatzes siehtbar ist — und nur solche Bilder werden von’ jetzt an''berüeksichtigt — dann finden wir die auffallende Thatsache, dass alle die schollen- und körnehenartigen Gebilde sieh nieht um den Kern in Ovalen gruppiren, sondern eoncentrisch um einen Punkt, der zwischen Kern und entgegengesetztem Pol gelegen fast immer genau der Mitte der Zelle entspricht (s. die mit Zeissschem Zeichenapparat angefertigten Abbildungen). Gröbere Schollen liegen freilich auch dann noch als äusserste oberflächlichste Schicht nahe der Zellperipherie und umgreifen mit dieser den Kern, der eventuell in einer Ausbuchtung liegt, aber die gegen die Mitte zu gelegenen feineren Gebilde lassen in ihrer Gruppierung den Kern geradezu unberücksichtigt. Wie es scheinbar nur mit der Eisenhämatoxylinmethode vonM.Heiden- hain und ihren Combinationen (Bordeaux-Vor-, besonders aber Rubm-Nachfärbung) nachzuweisen ist, nehmen die Gebilde von der Peripherie gegen die Zellmitte in den allermeisten Fällen regelmässig an Grösse, Dichtigkeit und Gehalt an ehromophiler Substanz ab, ja in günstigen Schnitten — und von solehen be- sitze ich nicht wenige — verlieren sich diese Gebilde in jetzt völlig kreisförmiger Schichtung je näher der Mitte, desto mehr, 7132 Adolf Dehler: so dassin der Mitte eine helle Scheibe nur von jener fein gekörnten Substanz gebildet wird, die ich unter T) beschrieb (s. Fig. 5—10). Aber nieht so ganz allmählich vollzieht sich dieser Übergang, viel- mehr hat es den Anschein, als sei für die grösseren Gebilde in überall gleich weiter Entfernung vom Mittelpunkte eine ziemlich schroffe Grenze gesetzt. Die Mitte ist frei und erscheint schon bei schwacher Vergrösserung als hellleuchtende kreisrunde Scheibe von ungefähr 5—7 u Durchmesser, die deutlich von der Um- gebung verschieden, aber niemals durch ein etwa membranartiges besonderes Gebilde von ihr abgegrenzt ist; auch vanBeneden- sche Granula sind nicht zu sehen. Inmitten dieser Scheibe taucht, in gut differenzierten Eisen- hämatoxylinpräparaten schon bei einer: 500fachen Vergrösserung deutlich siehtbar, hinwiederum jene Gruppe von tief schwarz gefärbten Körperchen auf, welche von Flemming und M. Heidenhain zuerst, dann von anderen bei ruhenden Leuko- eyten und Riesenzellen u.s.w. und von mir jüngst an den roten Blutkörperchen des Hühnerembryos beschrieben wurden. Die Centralkörpergruppe ist es offenbar, die diese Schich- tung der Schollen und des übrigen Protoplasmas verursacht hat und trotz ihrer Kleinheit ihre physiologische Funktion, dem Auf- bau der Zelle und dem Zusammenhalt ihrer Substanz vorzustehen, bis in den entferntesten Teil der Zelle wirken lässt. Um diese Gruppe als Mitte des Zellkörpers sind die kleinen und grösseren Körnchen und Schollen eoncentrisch gelagert, sie ist es, die mit dem um sie gelagerten und nach ihr sich richtenden Protoplasma den Kern einbuchtet und an den entfernten Pol verdrängt. Die Centralkörpergruppe setzt sich zusammen aus scharf begrenzten kleinen Kügelchen von verschiedener Zahl und Grösse, welche, wenn auch die dunkle Färbung der Chromatinschollen bei der Differenzierung in Eisenoxydammon ins Bläuliche über- geht, homogen schwarz gefärbt bleiben, fast so lange und so intensiv wie der Nucleolus im Zellkern. Besonders deutlich treten die Centralkörperehen hervor, wenn die sie umgebende runde Scheibe sich in Rubin hell rötet; sie liegen stets dicht bei ein- ander und scheinen öfters durch eine schwächer gefärbte Zwischen- substanz verbunden. Ich habe bezüglich der Centralkörper in den roten Blut- zellen des Hühnerembryos die Ansicht vertreten, dass man in Der feinere Bau der symp. Ganglienzelle etc. 133 0} Anbetracht ihrer stets auf 2 oder 3 beschränkten Anzahl und ihrer eonstanten Grösse jedem einzelnen eine gewisse Selbständig- keit und Individualität zuschreiben müsse. Die Centralkörper, die in den sympathischen Ganglienzellen, in Zellen, welche sich nicht mehr teilen, zu einer Gruppe vereint beisammenliegen, haben mit ihrer Grösse und geringen Anzahl auch wohl ihre individuelle Wichtigkeit verloren, sich wahrscheinlich „öfter als notwendig“ geteilt, d. h. ohne dass ihnen der Kern und das Protoplasma in der Teilung folgte. Jedenfalls betone ieh auch hier wieder den Wert und die physiologische Wirkung der Centralkörpergruppe und kann der Protoplasmascheibe und -schiehtung nur eine sekundäre Wichtigkeit zuschreiben. Anders verhält es sich freilieh mit der Beantwortung der Frage, warum nicht in allen Zellen die Centralkörpergruppe und das sie direkt umgebende Protoplasmabild nachzuweisen sei; hierzu möchte ich bemerken: Es ist nicht anzunehmen, dass manche sympathische Ganglienzelle von bestimmter Grösse, Funktion oder Alter dieses Organ überhaupt nicht besitze; denn ich habe die Centralkörper mit entsprechendem Protoplasmahof an verschieden grossen Zellen gesehen. Ferner wird von vielen Autoren angenommen, dass die Ganglienzellen, einmal ausgebildet, sich überhaupt nicht mehr, auch nicht behufs Regeneration (Ziegler) teilen, vielmehr wie in ihrem Leben und Wirken, so auch in ihrem grundsätzlichen Aufbau beständig, konservativ seien. Daraus könnte man folgern, dass die Centralkörper, bisher hauptsächlich bei Teilungsvorgängen beobachtet, nach der Aus- bildung dieser Zellen verschwinden ; aber dieser Annahme wider- spricht auch ihr bisheriger Nachweis in ruhenden Zellen anderer Arten. Dann aber ist es klar, dass bei der Kleinheit der Central- körpergruppe und der „Sphäre“ nicht besonders viele Schnitte so grosser Zellen dieselben zeigen können. Endlich allerdings scheint die Centralkörpergruppe und Sphäre manchmal durch darin und darüber gelagerte Körnehen und Schollen verdeckt worden zu sein; ich sage: „scheint“ ; denn ich möchte mich nicht verloeken lassen, den vorläufig durch keine sonstigen Thatsachen begründeten Glauben anzunehmen, dass durch die Funktion eine solche Verschiebung in der An- 134 Adolf Dehler: ordnung des Protoplasmas und infolgedessen auch der Schollen zu Stande komme. — Ich will anderen Arbeiten auf dem Ge- biet der histologisch nachweisbaren Funktionsveränderung des Kerns und Protoplasmas hier nieht folgen, Betrachten wir nun den Kern der sympathischen Ganglien- zelle, so finden wir keine wesentlichen Unterscheidungsmerkmale von dem Kern der Spinalganglienzelle, wie dieser von Flemming u.a. beschrieben wurde. Eine scharfe schmale Membran, die sich sehr distinkt färbt, begrenzt die an sich kugelige, oft aber abge- flachte, eventuell (s. oben) napfförmig eingebuchtete Kernsubstanz. Die Grösse steigt bei abgeflachten und in die Breite gezogenen Kernen bis zu 20 u grössten und 15 u kleinsten Durchmessers ; der Kern ist in kleinen Zellen relativ grösser als in den grösseren. Direkt auffallend ist, dass der Kern eine relativ nur geringe Menge chromatischer Substanz besitzt. Sein Gerüstwerk besteht manchmal aus feinen Fäden, die sich locker diametral durch ihn hindurehspannen und dabei spitzwinkelig zusammenhängen, manchmal ist aber, auch bei anderen Fixationsmethoden, nur eine krümliche Masse zu sehen, die wie in kleinen Ringeln zu einem oder mehreren Konglomeraten gehäufelt liegt oder in fast durch- sichtiger Schicht den Kern durchsetzt. Nur die Nucleolen, die in Schnittbildern meist einfach, selten mehrfach vorhanden und dann unregelmässig gross sind, sind stark chromatinhaltig. Ent- gegen früheren Annahmen möchte ich hervorheben, dass der Nucleolus m manchen Fällen nicht homogen ist, sondern beson- ders bei Magentarotfärbung wie aus kleinsten Körnchen zusammen- gesetzt und dann mit stärker färbbarem Rand umgeben erscheint. Stets liegt er excentrisch; beim Vorhandensein von mehreren Nucleolen liegen diese ziemlich weit von einander entfernt. Für die Ganglien des Meerschweinchens (Schwalbe), des Kaninchens und die stark pigmentierten Ganglien der Maus (Mayer) sind, wie mir scheinen will, zweikernige Zellen häufig. An Präparaten vom Frosch, von Hund, Katze und des Menschen hat S. Mayer zweikernige Zellen gesehen, v. Kölli- ker besonders an jungen Tieren. Ich muss zweikernige Ganglien- zellen beim Frosch als sehr selten bezeichnen. Der feinere Bau der symp. Ganglienzelle etc. 135 Während nach Ranvier die sympathischen Ganglienzellen der Säugetiere im allgemeinen multipolar sind, von ihren Polen Remaksche Fasern abgehen, die alle von derselben Art ‚sind, werden die sympatischen Ganglienzellen des Frosches meist als unipolar beschrieben; ich habe keine bi- oder multipolaren gesehen. Vielmehr entsenden diese Zellen an oder ganz nahe seitlich an einem Pol und zwar an dem dem Kern gegenüberliegenden Ende einen Fortsatz ; zunächst verläuft dieser eine kurze Strecke ziemlich gestreckt oder nur schwach gewunden, so dass er den Namen „gerader Fortsatz“ mit Recht verdient. Er erscheint, wie auch Ranvier 1888 hervorhebt, deutlich fibrillär, er zeigt eine blasse, feinste Parallelstreifung, weder Körnelung noch Homogenität. Die Ansicht Ranviers, dass die Fibrillen sich in die Rinde der Zelle verfolgen lassen, möchte ich nach meinen Präparaten modifizieren, da nach meiner Beobachtung der Verlauf der Fibrillen ebenso oft, wenn auch nicht so deutlich sichtbar, gegen die Mitte der Zelle hin gerichtet ist (s. Fig. 3 u.5). Eine schärfere Abgrenzung der Eintritts- resp. der Ursprungsstelle des Fortsatzes von der übrigen Zellsubstanz durch eine schärfere Bogenlinie konnte ich nicht finden; freilich ist die Stelle durch ihre Helle deutlich unterscheidbar, aber der Übergang ist ein allmählicher. Sicher ist, dass der Fortsatz mit seiner Ausstrahlung sich nach der Centralkörpergruppe und der Sphäre, die zwischen Kern und Fortsatzpol liegen, richtet, sie zu umfassen scheint. Fasst man die verschieden gestalteten Körnchen und Fädchen im Protoplasma als Quer- und Schrägschnitte der Fibrillen auf, so kann man zur Vorstellung gelangen, dass der Fortsatz in die Zell- substanz wie etwa ein Pinsel in eine teigig-füssige Masse einge- stülpt sei, dessen Fasern nach allen Richtungen hin auseinander und in die Substanz einstrahlen und so mit ihr in innige che- mische, physikalische und funktionelle Beziehung treten. Nur höchst selten konnte ich diese Ausstrahlung bis in die Nähe des ‘ Kerns, niemals bis an den Kern hinan verfolgen, so dass nach diesem Befunde wie nach anderen Angaben die Ansicht Arnolds stark bezweifelt werden muss, dass der Fortsatz mit dem Kern und dem Nucleolus in Verbindung stehe. Manchmal sind an der Eintrittsstelle gröbere Schollen in der Richtung der eintretenden Strahlen zwischen dieselben gelagert, manchmal auch schiebt sich in die Mitte des einstrahlenden Fortsatzes keilförmig eine Gruppe 136 Adolf Dehlet: kleiner Körnehen. Auf den weiteren Verlauf des Nervenfortsatzes in grösserer Entfernung von der Zelle und auf die die Zelle umspinnende Spiralfaser, von der auch ich in Schnittpräparaten oft Andeutungen sah, waren meine Untersuchungen nicht gerichtet und verweise ich hier nur auf die Äusserungen von Köllikers (Gewebel. 6. Aufl. S. 3, 33, 35) und auf die interessanten Arbeiten von Al. Smirnow (Arch. f. mikr. Anat. 35. B. 1890) und von Retzius. Im v. Köllikerschen Vortrag ist die Rede nur von moto- rischen sympathischen Nervenfasern, von Ganglienzellen aus- gehend, die von Spiralfasern umsponnen werden. „Diejenigen Fasern, welche für gewöhnlich dumpfe, in pathologischen Zuständen gesteigerte Empfindungen vermitteln, verlaufen zwar teilweise im Sympathieus, sie treten aber aus den sensiblen Wurzeln in den Grenzstrang des Sympathieus über und verzweigen sich in den Eingeweiden.“ Ein Zusammenhang dieser sensiblen Fasern mit den Ganglienzellen des Sympathieus wird dort direkt in Abrede gestellt (S. 10). Der scheinbare Wider- spruch, der durch den Nachweis der die Zelle umspinnenden Spiralfaser und durch die Annahme entsteht, dass sich der eine Fortsatz der sympathischen Ganglienzelle in grösserer oder ge- ringerer Entfernung von der Zelle teile, löst sich vielleicht in einfacher Weise, wenn der Nachweis gelingt, dass es, abgesehen von Verbindungen der Zellen desselben Ganglions unter sich 1) sym- pathische Ganglienzellen gibt, die von Spiralfaseın umsponnen einen ungeteilt bleibenden Nervenfortsatz peripheriewärts entsen- den — entsprechend den motorischen Vorderhornzellen im Rücken- mark, und dass es 2) sympathische Ganglienzellen gibt, welche von Spiralfasern nieht umsponnen — die Spiralfaser ist wohl nicht an allen sympathischen Ganglienzellen nachzuweisen — einen Fortsatz haben, der sich, entfernt von der Zelle, teilend die eine Hälfte central-, die andere peripheriewärts sendet — entsprechend den sensiblen Spinalganglienzellen. Dann könn- ten die Zellen der sympathischen Ganglien in motorische und sensible klassifiziert und so das sympathische als dem Cerebrospinalsystem analog betrachtet werden. In manchen Ganglien zeigen sich die auch von Smirnow erwähnten sog. Zellnester; ihm gelang der Nachweis von Der feinere Bau der symp. Ganglienzelle etc. 137 Spiralfasern an diesen Zellen und somit der Beweis, dass es sich hier um Conglomerate von Ganglienzellen handelt. Daran kann übrigens auch nach meinen Präparaten kem Zweifel sein: Das ‚Protoplasma gleicht dem der oben beschriebenen Zellen, nur hat es weniger schollige Gebilde und die Kerne sind gleich den Ganglienzellkernen, nur etwas kleiner und chromatinreicher. Das Eigentümliche an den Zellnestern ist, dass eine stärkere bindege- webige Kapsel, die wie aus der grösseren Zahl von Bindegewebs- kernen zu schliessen ist, aus mehr und kleineren Zellen besteht, gewöhnlich eine grössere unregelmässig gestaltete Protoplasma- masse umschliesst, in der bis zu drei, gewöhnlich zwei Kerne liegen, ohne dass die Protoplasmasubstanz nach den Kernen ge- trennt wäre. Durch den in. vorliegend berichteten Untersuchungen ge- lungenen Nachweis ist nun auch die sympathische Ganglienzelle des Frosches unter diejenigen Zellen eingereiht, welche auch im Ruhezustand jene Organe und jenen centrierten Bau des Zellleibes zeigen, welche das Interesse vieler Forscher in neuester Zeit er- weckt haben. „Centralkörpergruppe und ein nach ihr sich richtender Bau des Protoplasmas in der ruhenden Zelle“ scheint in weiterer Verfolgung der bekannten M. Heidenhainschen Theorien mit Hilfe der neueren technischen Mittel ein interessan- tes Kapitel der Cellularhistologie und auch der Physiologie bilden zu sollen. Durch die eingehendere Behandlung der übrigen Strukturverhältnisse wollte ich die Analogie des cerebrospinalen und sympathischen Nervensystems um ein Kleines deutlicher machen helfen. Die Untersuchungen, deren Resultate hier vorliegen, waren ihrem Ende nahe, als Herr v. Lenhossek, mit dem ich an demselben Institut thätig zu sein die Ehre hatte, seine Beob- achtung über das von ihm sogenannte „Centrosom und Sphäre in den Spinalganglien des Frosches“ in einem Vortrag veröffent- lichte. Wie dieser Forscher am Ende seines in den Sitzungsbe- richten der Würzburger physikalisch-medizinischen Gesellschaft er- schienenen Vortrags voraussagte, ist also dem von ihm geliefer- ten ersten Nachweis von „Centrosom und Sphäre“ in Nerven- zellen einzweiter bald nachgefolgt. Wenn mir nun auch in dankens- werter Weise mancher Meinungsaustausch ermöglicht war, so habe ich doch für meine Untersuchungen und Ansichten volle 738 Adolt Dehler: Selbständigkeit gewahrt; es haben sich denn auch neben mehreren einander entsprechenden Punkten einige Verschiedenheiten der Resultate und der theoretischen Ansichten ergeben, die sich nicht aus der Verschiedenheit des Objektes allein erklären. Durch die Freundlichkeit des Herrn Geheimrat Waldeyer war mir ferner nach Abfassung dieser Arbeit ein Bericht zu- gänglich über den Vortrag Prof. Flemmings (Basel 1895), worin dieser Forscher über seine neuen Untersuchungen an der Spinalganglienzelle berichtete. Ich glaube annehmen zu dürfen, dass meine Resultate in keinem wesentlichen Punkte den von Herrn Flemming erzielten widersprechen. Doch möchte ich die Entscheidung anderen Untersuchungen überlassen. Berlin, September 1895. Literatur. 1. J. Arnold, Ueber die feineren Verhältnisse der Ganglienzelle in dem Sympathicus des Frosches. Virchow’s Arch. 1865. 32. B. 3. Derselbe, Ein Beitrag zur feineren Struktur der Ganglienzelle. Virchow'’s Arch. 1867. 41. B. 3. Courvoisier, Ueber die Zellen der Spinalganglien, sowie des Sympathicus beim Frosch. A. f. mikr. An. IV. B. 1868. 4. Flemming, Der feinere Bau der Spinalganglienzelle. Festschr. f. Henle, 1882. 5. Derselbe, Der feinere Bau der Spinalganglienzelle. Vortrag geh. auf dem Anatomenkongress zu Basel 189. 6. M. Heidenhain, Kern und Protoplasma. Festschrift f. v. Kölliker 189. 7. Derselbe, Neue Untersuchungen über die Centralkörper und ihre Beziehungen zu Kern und Zellenprotoplasma. A. f. mikr. Anat. 1894. 8. v. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen. 6. Aufl. IB; '1>H.183: Derselbe, Ueber die feinere Anatomie und die physiologische Bedeutung des sympathischen Nervensystems. Vortrag, geh. auf der 66. deutschen Naturforscherversammlung zu Wien 1894. 10. v. Lenhoss&k, Der feinere Bau des Nervensystems im Licht neuester Forschungen. 2. Aufl. 189%. Ne} 4: 500 Der feinere Bau der symp. Ganglienzelle etc. 139 Derselbe, Centrosom und Sphäre in den Spinalganglienzellen des Frosches. Sitzungsbericht der Würzburger physik.-medie. Ge- sellschaft 1895. . S. Mayer, Das sympathische Nervensystem, Stricker’s Hand- buch der Gewebelehre 1871. G. Mann, Anat. Anz. 1870. VL J. Pecequeur, Krit. Bemerkungen üb. die Bedeutung der Kunst- produkte etc. Neurol. Centralbl. 1886. . Ranvier, Techn. Lehrb. 20. Kap. 1888. . G. Schwalbe, Bemerkungen über die Kerne der Ganglienzelle. Jen. Zeitschr. f. Nat. X. B. . Derselbe, Lehrb. der Neurologie 1881. A. Smirnow, Arch. f. mikr. An. 35. B. 1890. . Vas, Studien über den Bau des Chromatins in der symp. Gang- lienzelle. A. f. mikr. An. 40. B. 1892. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXVIN. Die mikroskopischen Bilder wurden bei einer Vergrösserung von mit Hülfe eines Zeissschen Zeichenapparats bei doppelter Beleuch- tung auf den Arbeitstisch projieiert, die Zeichnungen also bei einer etwa 600fachen Vergrösserung angelegt und mit Bleistift und Wischer ausgeführt. Centralkörper, Nucleolen und das Chromatingerüst der Bindegewebskerne sind als absolut schwarz anzunehmen. Fig. 1. Nervenfortsatz, Lage des Kerns, Grösse der Zelle 50:30, des Kerns 14:10 u. . 2. Zwischen Kern und Sphäre über einander geschichtete gröbere . Schollen. Gr. d. Z. 60:40, des Kerns 20: 14. . 3. Nervenfortsatz, Lage des Kerns, Gr. d. Z. 34:30, des K. 12:10. 4. Nervenfortsatz, Spiralfaser. Gr. d. Z. 45:35, des K. 14:10. 5. Grösse der Zelle 40:20, desK. 14:10, Durchmesser der Sphäre Tu, Abstand von der Zellspitze 10, vom Kern 4u. g. 6. Zwischen Kern und Sphäre über einander geschichtete Schollen. Gr. d. Z. 50:44, des K. 14:12, Durchm. d. Sphäre 6 u. . 7. Kern gelappt. Gr. d. Z. 40:30, Gr. d. K. 15:10, Durchm. d. Sphäre 14:12. . 8. Nervenfortsatz. Gr. d. Z. 30:25; Gr. d. K. 10:5. g. 9. Nervenfortsatz. Gr. d. Z. 54:30, Gr. d. K. 18:12, Durchm. d, Sphäre 7 u, ihr Abstand von d. Spitze 20 u. g. 10. Nervenfortsatz, Spiralfaser. Gr. d. Z. 40; 25, 740 Nachtras. Zur Frage nach dem Vorkommen der Schein- Reduktion‘) bei den Pflanzen. Von Dr. Valentin Häcker, a. 0, Professor und Assistent am zoologischen Institut der Universität Freiburg i. B. Strasburger hat vor einiger Zeit?) eine phylogenetische Erklärung des Reduktionsvorganges zu geben versucht und ist 1) Wie bekannt sein dürfte, habe ich vor mehr als drei Jahren (Die het. Kernth. im Cykl. d. gen. Z., 1892, p. 31 [190]) dem in Frage stehenden Prineip zuerst in voller Schärfe die jetzt mehrfach aner- kannte Fassung gegeben und habe damals schon von einer schein- baren Reduktion gesprochen. Seither bin ich in mehreren Schriften für seine Begründung und Anerkennung eingetreten und habe speciell auch die erste Reifungstheilung — u. A. auf . Grund der unzweideutigen Befunde vom Rath’ bei Gryllo- talpa (l. ec. p. 16) — in entsprechender Weise gedeutet. Rückert ist bei späterem Anlass meiner Urheberschaft durchaus ge- recht geworden (Erg. d. An. u. Entw., 3. Bd., 1894, p. 541) und hat, ohne das Prineip selbst im weiteren zu begründen, die Bezeich- nung „Pseudoreduktion® vorgeschlagen, was ich dann angenommen habe. So ist es gekommen, dass nunmehr das Princip bereits schlecht- weg als „Rückert’s Pseudoreduktion“ eitirt wird. Ich halte nun zwar derartige Auseinandersetzungen, soweit sie nur kleinliche Eifersüchte- leien sind, für eine durchaus unnöthige Beigabe sachlicher Mittheilun- gen, fühle mich aberin diesemFalldazu verpflichtet, gegen die weitereEinbürgerung dieserEigenthums- übertragung entschieden zu protestiren und möchte nunmehr meinerseits in Anlehnung an die obige Bezeichnung „schein- bare Reduktion“. die vielleicht etwas handlichere Modifikation „Schein- reduktion“ in Vorschlag bringen. ° 2) E. Strasburger, The Periodie Reduction of the number Valentin Häcker: Zur Frage nach dem Vorkommen ete. 741 dabei von dem Satze ausgegangen, dass in den Mutterzellen der Gesehleehtsprodukte (Embryosack- und Pollenmutterzellen, thie- rische Ei- und Samenmutterzellen) die redueirte Zahl der Chromo- ‘somen schon beim Eintritt in die erste Theilung bestehe. Da dieser Satz zoologischerseits nicht mehr allgemein an- erkannt wird, da vielmehr wohlbegründete Thatsachen mit dem- selben in Widerspruch stehen, so waren die beiden Fragen aufzuwerfen '), ob die von den Botanikern gegebenen Bilder wirklich so unzweideutig sind, dass sie bezüglich der botanischen Objeete zur bedingungslosen Festhaltung der älteren zoologischen Auffassung berechtigen, und zweitens, ob es sich speziell bei der ersten Theilung der Embryosack- und Pollenmutterzellen nicht um eine scheinbare Reduktion handle. Auf die erste Frage ist Strasburger am Schluss seiner letzten Arbeit 2), in weleher er eine neue Interpretation der frag- lichen Kermntheilungsbilder giebt, eingegangen. Strasburger weist selbst auf die grosse Aehnlichkeit hin, welche die Vor- gänge in den Kernen der Einmutterzellen von Cyclops und der Pollenkörner zeigen, betont aber auf Grund seiner eigenen Beob- achtungen mit Nachdruck, dass bei pflanzlichen Objekten bei der ersten Theilung zwei Längsspaltungen aufeinander folgen. Nun stehen aber diesen Angaben die — unmittelbar vorher und gleichzeitig gemachten — Beobachtungen von Belajeff?°), Miss Sargant*) und Farmer?) entgegen, denen zu Folge die erste of the Chromosomes in the Life-History of Living Organisms. Ann. of Bot., Vol. VIII, 1894. — Ueber periodische Reduktion der Chromosomen- zahl im Entwicklungsgang der Organismen. Biol. Centralbl., 8. Bd., 1894. 1) V. Häcker, The Reduction of the Chromosomes in the Se- xual Cells as described by Botanists; A reply to Professor Stras- burger. Ann. of Bot., Vol. IX, 189. 2) E. Strasburger, Karyokinetische Probleme. Jahrb. f. wiss. Bot., 28. Bd., 189. 3) W.L. Belajeff, Zur Kenntniss der Karyokinese bei den Pflanzen. Flora, 1894, Ergänzungsband. 4) E.Sargant, Some Details of the First Nuclear Division in the Pollen-Mother-Cells of Lilium Martagon. Journ. R. Miser. Soc., 189. 5) Vgl. J. Bretland Farmer und J. E. S. Moore, On the essential Similarities existing between the heterotype nuclear Divisions in Animals and Plants. Anat, Anz., 11. Bd,, 189. 742 Valentin Häcker: Theilung der Pollenmutterzellen im Allgemeinen dem bekannten Rabl’schen Schema entsprechend, d. h. unter einmaliger Längsspaltung, verläuft, und ebenso theilt Toyamat) in kurzem mit, dass die Bildung des Pollens „shows much more similarity with the mode of reduetion observed of animals“. Angesichts dieser sich durchaus widersprechenden Angaben möchte ich auch Jetzt noch die erste Frage für eine offene halten. Auf die zweite, mehr ‚specielle Frage ist Strasburger nicht eingegangen. Es wäre dies umso wünschenswerther ge- wesen, als diese Frage in engster Berührung steht mit den An- sichten Strasburgers über die phylogenetische Entstehung der Reduction. Strasburger fasst nämlich ?) die sogenannte „redueirte* Zahl als den phylogenetisch ursprünglichen Zustand auf, wie er den Kernen jener Organismen zukam, die sich ge- schlechtlich erst differenzirt haben. Als Begründung führt Stras- burger an, dass diese „redueirte* Zahl bei Phanerogamen und Metazoen sich da einstellt, wo die — in die ungeschlechtliche Generation einbezogene — Geschlechtsgeneration ihren Anfang nimmt, nämlich bei dem Auftreten der Embryosack- und Pollen- mutterzellen, bezw. der Ei- und Samenmutterzellen. Es ist klar, dass die Strasburger’sche Auffassung etwas modifieirt werden inüsste, wenn es sich herausstellt, dass in den betreffenden Zellen nur eine Schein-Reduktion vorliegt. In diesem Sinne habe ich in meiner ersten Erwiderung an Strasburger — ohne auf die Theorie selbst einzugehen — die Frage gestellt, ob die von den Botanikern bisher be- schriebenen Reduktionen nicht bloss Schein-Reduktionen sind. Es ist ja sehr wohl denkbar, dass der Schlüssel zur beiderseitigen Verständigung irgendwo ganz anders liegt. Da nun aber einmal die Vorstellung der Scheim-Reduktion eine ganze Reihe von Erscheinungen auf zoologischem Gebiet, vor Allem die ,„redu- eirte* ChromosomenzahlbeiFurcehungstheilungen und beim Auftreten der Genitalzellen, in einfacher Weise erklärt, so wird man sich der Erörterung dieses Punktes doch nicht ganz entschlagen dürfen. 1) K. Toyama, On the Spermatogenesis of the Silk-Worm. Bull. Agr. Coll. Imp. Un. Tokyo. Vol. II, 1894, S. 25. 2) Ueber periodische Reduction u. s. w., S. 823 f., S. 852. u Zur Frage nach dem Vorkommen der Schein-Reduktion ete. 743 So scheint mich denn auch J. Beard missverstanden zu haben, wenn er von mir sagt '): „Apparently it does not oceurr to him that the something lacking to complete agreement might lie at the door of the zoologist himself.“ Ich bin mir nicht bewusst, durch die Form meiner Aus- einandersetzung diesen Vorwurf der Einseitigkeit verdient zu haben, glaube vielmehr J. Beard entgegenhalten zu dürfen, dass durch kritische Gegenüberstellung der einzelnen Befunde wohl noch manche Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt werden müssen, ehe auf unserm Gebiet ein „universal law“ auf- gestellt werden kann, wie dies soeben von Seiten Beard's, unter Hinwegsetzung über widerstrebende Thatsachen, mit mehr als gewöhnlicher Emphase unternommen worden ist. Freiburg im Breisgau, den 23. November 189. 1) J. Beard, On the Phenomena of Reproduction in Animals and Plants, on antithetic Alternation of Generations, and on the Con- jugation of the Infusoria. Anat. Anz. Il. Bd. 189. \ AN ET HAN) Zr Pe Br fi: KALI Ne Fu ii 2.5 Pr -Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. I 4 } 4 0 De u} a” v [mikroskop. Anatomie Ba. XXX. en ia Lüh. Anst. v Werner & Winter, Frankfiart 3M. [4 4 y; / \N un ro SR m \ De ne — Archir f mikroskop. Anatomie Ba XXXXIT. | Pr 7 % | | Taf } ö i | s Dit. Anst.v Werner «Winter, Frankfurt ”M Ei . x ER ' = - = IN Sn I N ax RETTEN Zr ee * . ; * ‘ = = Archir f mikroskop. Anatomie Da. XXANIT. Zieh: Anst = ——— vr Werner&Winier Frankfurt M nn Archiv [ mikroskop. Anatomie Ba.XXXMT. Archiv f. mikroskop Anatomie Ba.NXXXH a Zaf. V. Archiv fmikroskop. Anatomie Ba.XXXMT. | 5°459 2.(10) 1.(9) | | a | 3.1) 4+.12.) f 1 | 9.14) 10.(15.) 7 8. I \ | | | 13.19) j 14.(18) | | | | | | | | | | | i I 19. 22:4 . | | \ E23 | Dr Jith. Ans}. vw Werner a Winter, Frankfurt ®M. j GEe®—_ LOL III In 0% >: IILI I l vom Rath del. a u nn mise 27 . e y - | : ; P r ER en > x = I 1% | Pr u \ R Is DENE ! “ % an \ N k | x h ur a r ® J 3 PH - j ” Pr a Pr # “. i = 1 ar { { j I IR DIE NUM KT n. ’ [ ! j N N BIEN he ur 5 aultE r f Di ’ N ’ j d h Lil f N | j | q a) if 7 7 ua! =, l ] N ut { b' E ı Te j u j r . Sl 2 h j Ih 0 - BEE 3 2% a Bu® öN Anıam e HH il) u in = iM + h 4 A A « j Bir, NP 7 Bil) At, TER | f [ IM) Bi F I N y UBER } ii II | f r#: iM It = REDE TEN)" tan I i } { N ds Pl Frankfüre® N. U be ann Lich. Arst. v Werner & Mi A & » # Archiv ['mikroskop. Anatomie Ba x. Archiv f mikroskop. Anatomie Ba.XXXXT. N a AN Archivf£ mikroskop. Anatomie Bd.KAXKXUT. gi e ARE: hih. Anst.wWerner & Winter, Frankfurt $M. Archiv f. mikroskop. Anatomie. Ba. AXXXAVI. DaSET Lichtdruck von Albert Frisch, Berlin W. = ed Fr Zr = S g Irchiv f mikroskop. Anatomie Ba_XXXXIT. Taf Xu. 1% | f PL A j z Taf xıv. IT. Archir f mikroskop. Anatomie Ba.X En m Archir £mikroskopAnatomie BaXXXAT. u in . ne Fe Fr a un F ER ” h PR FA | 1% A a # ” Archir [ mikroskop. Anatomie _Ba.MNXT. v.benhossek gez. : 2 - . om Se - Lit. Anst w Werner & Winter, Frankfurt. | ER, » » Archiv f mikroskop. Anatomie Ba._XXXAVT. Taf. XVH. 4 r | r3h adnar del Tag 2 S \ — en r E; ne = Archiv f mikroskop. Anatomie Bd.XXXXV. - Br Taf. XVII. gi Pas. 2 een Yan ne Archiv f mikroskop. Anatomie Bad.XXAATT. FRRET al Ba?) c Archiv f£ mikroskop. Anatomie Ba. XXXATT. N Y # 7 Jith. Anst. vWerner &Winter, Frankfurt ®M. Archiv [ mikroskop. Anatomie Bd. XXX. Taf.xxt } EN re 2 5 i “WR 8 «E 3:1: = ey 4 6) Ar ; 7? 1. 3 13. Br vr ® o. % 12. 714. 15. 174 — 78 Ey aR- 77 = \\ 16. x 27a 99 N 23, | m 4, ey ® EN: w 90, 20, ZB S 10. 23a 24. 95, = —| Adolf Dehler gez. 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