a, nn Ku Rare N 2er wir Archiv für Mikroskopische Anatomie und Entwicklungsgeschichte herausgegeben von O. Hertwig in Berlin, v. la Valette St. George in Bonn und W. Waldeyer in Berlin. Fortsetzung von Max Schultze’s Archiv für mikroskopische Anatomie. Fünfzigster Band. Mit 40 Tafeln und 13 Figuren im Text. Bonn Verlag von Friedrich Cohen 1897. v2. £ \ = , 5% AT N 3 A EL urn make an ame an RCAHRO KRPREENERBNER VRRO Do TE rn 2 Ana k Hi : n x y ;‘ ’# a RETTEN Fr Fr Kahn deck® Inhalt. » Beiträge zur Histologie des Menschen. Zweite Folge. Von Fr. Reinke. (Aus dem anatomischen Institut in Rostock.) Hierzu Tafel I - Die Reifung und Befruchtung "der Bes von N lozne baucen: latus. Von Dr. J. Sobotta, Prosector am Institut für ver- gleichende Anatomie in Wahn Hierzu Tafel II—V . Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. Von Dr. Hugo Rex, ausserordentlicher Professor der Anatomie an der Prager deutschen Universität. Hierzu Tafel VI und 12 Text- figuren Ueber. Structur und ist aflene Klar Samöntkklene von dla maculosa. Von Dr. Friedrich Meves. (Aus dem anat. Institut in Kiel.) Hierzu Tafel VII und VIII Die Nervenendigungen an den Tasthaaren von En ugethiesem Von Eugen Botezat. (Aus dem zoologischen Institute der Universität Czernowitz.) Hierzu Tafel IX und X ? Bemerkungen über die Histologie und Histogenese des Knorpels - der Cyelostomen. Von Josef Schaffer in Wien Karyokinese des Spermakerns. Von Franz Doflein. (Aus ei zoologischen Institut in München.) Hierzu Tafel XI, XII und XIII ei Beiträge zur Bade 6 chi Sina. vn IV. Graham. (Aus dem zoologischen Institut in N Hierzu Tafel XIV, XV und XVI 2 Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. Von De F. He rmann. (Aus dem anatomischen Institut der Universität Erlangen.) Hierzu Tafel XVII Die periostale Ossifikation. VonDr. ee Kasandr Asstetent an der Lehrkanzel für allgemeine und experimentale Pathol. in Wien. Hierzu Tafel XVII . Studien über die Abstammung und die Bildung: ER utplamenie Von B. Rosenstadt in Wien . Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Bopalie a Yan Dede Hierzu Tafel XIX, XX und XXI Zur Histologie der menschlichen Lippendrüsen. Von J. Nadlen. (Aus dem anatomischen Institut in Zürich.) Hierzu Tafel XXII Seite 15 1 110 142 170 189 219 276 315 350 385 419 IV Inhalt. Ueber ein neues Verfahren auf optischem Wege Farben-Contraste zwischen einem Objekt und dessen Untergrund oder zwischen bestimmten Theilen des Objekts selbst hervorzurufen. Von J. Rheinberg in London. Hierzu Tafel XXIII u. XXIV Das Nervensystem von Careinus Maenas. Ein anatomisch-physiol. Versuch. I. Theil. I. Mittheilung. Von Albrecht Bethe. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Strassburg.) Hierzu Tafel XXV—XXX. Beiträge zur Kenntniss der Drüsen in der Nosenschleruant Von Max Goerke. (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Hierzu Tafel XXXI VE Untersuchungen über die Natur der Zonula eiliaris. Von Dr. A.Agababow. (Aus dem I. anatomischen Institute in Berlin.) Hierzu Tafel XXX. BE rdErE 5; BEN ARE Das Nervensystem von Careinus Mionak Ein anatom.-physiol. Versuch. I. Theil. 1. Mittheilung. Von Albrecht Bethe. (Aus dem physiol. Institut der Univers. Strassburg.) Hierzu Tafel XXXII . Zur Kenntniss der Anatomie 2 Phesilagıe u Geschieuhle organe. Von J. Plato. (Aus dem anatomisch-biologischen Institute zu Berlin.) Hierzu Tafel XXXIV .... . Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electricus L.), im Be sonderer Berücksichtigung seiner electrischen Organe. Von Dr. med. E. Ballowitz, a. o. Professor und Proseetor an der Universität Greifswald. Hierzu Tafel XXXV, XXXVI URIRRRVIL?. LE AN En Zur Samen- u. Eibildung beim Selklenkpäuner re ar Yo v.la Valette St. George. Hierzu Tafel XXXVIII-XXXX, Seite 563 589 640 686 al (Aus dem anatomischen Institut in Rostock.) s Beiträge zur Histologie des Menschen. Zweite Folge. Von Fr. Reinke. Ueber die Neuroglia in der weissen Substanz des Rücken- marks vom erwachsenen Menschen. (Eine kritische Studie.) Hierzu Tafel I. Zur Darstellung der Stützsubstanz des nervösen Central- organs haben wir bekanntlich drei verschiedene Methoden: 1) die Golgi’sche Chromsilbermethode; 2) die Weigert’sche Färbung; 3) die sonst üblichen Methoden der Färbung mit Karmin ete. nebst Macerationsmethoden zur Darstellung von Zupf- präparaten. Je nachdem die modernen Untersucher der Nach-Golgi’schen Zeit, bei Anfertigung und Beschreibung ihrer Präparate, sich der einen oder der andern oder aber auch mehrerer Methoden zu- gleich mit gutem Erfolg bedienten, finden wir in der Literatur drei Parteien, die im Grossen und Ganzen drei verschiedene An- sichten über das Neurogliagerüst vertreten: 1) die Golgianer, 2) die Weigertianer, 3) die Fusionspartei. -Zu der ersten, besonders unter den normalen Anatomen augenblicklich herrschenden Partei reehne ich als bedeutendste Vertreter Golgi Archiv f. mikrosk. Anat, Bd, 50 1 I Fr. Reinke: selbst, Ramon y Cajal, Nansen, van Gehuchten, v. Lenhossek, Retzius und Cl. Sala y Pons. Die zweite Partei, die namentlich bei den Pathologen Anhänger gefunden hat, wie z. B. neuerdings B. Pollack, schaart sich um Weigert. Die dritte Partei endlich wird namentlich von Lavdowsky und von Kölliker repräsentirt und dürfte wohl als die weit- verbreitetste gelten. Die Ansichten dieser drei Parteien sind am ausführlichsten in den Arbeiten von von Lenhossek, Weigert und von Kölliker dargelegt, und ich werde mich deshalb im Interesse der Klarheit hauptsächlich an die Darstellung dieser drei Reprä- sentanten halten. Nach von Lenhossek!), der hauptsächlich thierische und menschliche Embryonen, aber auch Kinder bis zum ersten Lebens- jahr und zwar mit der oben genannten Chromsilbermethode untersuchte, besteht die Stützsubstanz des Rückenmarks aus zwei Arten von Zellen. „Astrocyten“: 1) Langstrahlern und 2) Kurzstrahlern. Die ersteren kommen in der weissen und grauen Substanz des Rückenmarks, die zweiten allein in der grauen Sub- stanz neben den Langstrahlern vor. Die Langstrahler überwiegen numerisch bedeutend (ef. 2a). Er sagt Seite 182: „Bei den Langstrahlern entspringen die Aeste selten ganz gleich- mässig vertheilt ringsum vom Umfange des Zellkörpers; gewöhnlich heben sich in der Verästelung einzelne dichtere Büschel wie „Strahlen- bündel“ hervor. Zwischen den Ursprüngen der Aeste und namentlich der stärkeren Stämmchen, zeigt der Kontur des Zellkörpers bogenför- mige Einziehungen. Die Aeste sind im Allgemeinen fein, namentlich mit den Dendriten verglichen, die meisten bei den typischen Lang- strahlern von gleicher Stärke, und was sehr bezeichnend ist, von An- fang bis Ende gleich dick. Einzelne Fasern zeichnen sich allerdings manchmal durch auffallende Breite aus. Im Allgemeinen erscheinen sie an Golgi’schen Präparaten etwas dicker als an anderweitigen, was man vielleicht auf eine Umhüllung der Fäserchen mit der Chrom- silbermasse zurückführen darf. Varikositäten kommen nicht vor, die Fasern zeigen das Verhalten von Nervenfasern und können mit solchen in der That verwechselt werden. Im Allgemeinen kann man die Aeste der Langstrahlern, nament- lich im Vergleich zu den Dendriten, als ungetheilt kennzeichnen, in- 1) M. von Lenhossek, Der feine Bau des Nervensystems im Lichte neuester Forschungen. Zweite Auflage. Berlin 1895. Beiträge zur Histologie des Menschen. b) dessen kommt es öfters vor, dass ein Fortsatz sich spitzwinklig in zwei Aeste gabelt, doch erfolgt dies immer in der Nähe der Zelle und wiederholt sich kaum. Die Fortsätze der Astrocyten sind von verschiedener Länge, manche durchdringen oft ganz isolirt weite Gebiete des Marks, andere endigen schon ganz in der Nähe ihres Ursprungs, dazwischen findet man alle Uebergänge. Am dichtesten stehen sie natürlich unmittelbar am Zellkörper; hier drängen sie sich häufig so stark zusammen, dass sie die Konturen des Zellkörpers ganz verdecken.“ Er sagt Seite 178: „Diese Zellen bilden nun für sich allein das Stützgerüst des Rückenmarkes, sie bilden nicht den Hauptbestandtheil, sondern die einzigen Elemente dessen, was man bisher „Neuroglia“ genannt hat. Es giebt keine selbständigen „Gliafasern“, sondern nur Ausläufer von Gliazellen. „Ausserdem, findet von Lenhossek an allen Stellen des Quer- sehnitts Astrocyten, bei denen die Aeste eine einseitige Entwick- lung zeigen, in denen sie sich büschelartig nur auf die eine Seite beschränken, oder wie zwei Pinsel der beiden Polen einer spindel- förmigen Zelle aufsitzen. Alle Ausläufer der Astrocyten, die längeren wie die ganz kurzen, endigen mit freien Spitzen.“ — „Die Astro- cyten sind vollkommen unabhängige Gebilde, sie stellen ebenso wie die Nervenzellen Einheiten für sich dar. Das Gewirr, das aus ihren Aesten hervorgeht und das namentlich in der grauen Substanz einen ansehnlichen Theil des Nervengewebes bildet, ist ebenso wie das Neuro- pilema ein Gefilze, ein Astropilema oder Spongiopilema, kein Netz.“ „Ist für die Darstellung der einzelnen Gliaelemente die Golgi- sche Methode weitaus das ausgiebigste Verfahren, so giebt sie über Art und Weise, wie die Spinnenzellen und ihre Fortsätze, die „Glia- fasern“, quantitativ über den Rückenmarksquerschnitt vertheilt sind — keinen sicheren Aufschluss. — Hier sind andere Methoden am Platze. — Es sind in der letzten Zeit zwei Verfahren erfunden worden, die in dieser Bezeichnung Vorzügliches, ja vielleicht Unübertreffliches leisten. Die erste stammt von Weigert. Die andere Methode, die mit der Weigert’schen offenbar nahe verwandt ist, ist von Benecke.“ Dies möge genügen, um den Standpunkt der ersten Partei, als deren Vertreter wir von Lenhossek auffassen, zu charak- terisiren. Lassen wir jetzt den Vertreter der zweiten Partei Weigert sprechen. Auf Seite 27 seines grossen Werkes!) sagt derselbe: „Die Erfolge der Golgi’schen Methode sind ungemein überschätzt worden. Von wirklichen Erfolgen hat die Golgi’sche Methode nur 1) €. Weigert, Beiträge zur Kenntniss der normalen mensch- lichen Neuroglia. Festschrift, Frankfurt a. M. 1895. 4 Fr. Reinke: solehe auf dem Gebiet der Entwicklungsgeschichte aufzuweisen. Für die Lehre von der Anordnung der Neuroglia im ausgebildeten Körper hingegen sind die Resultate äusserst dürftige, ja vielfach geradezu falsche gewesen.“ „Die Gründe dafür, warum mit der Golgi’schen Methode für die wichtigste Frage, die Topographie der Neuroglia, nur dürftige Re- sultate zu erlangen waren, liegen auf der Hand. Sie konnte das Gerüst nicht im Zusammenhang, d. h. vollständig darstellen.“ „Die Golgi’sche Methode hat aber noch einen anderen Nachtheil für die Forschung gehabt. Sie stellt, wie erwähnt, nur die Zellen und die ihnen anliegende Fasern dar. Ganz abgesehen nun davon, dass bei der entstehenden Silhouette die chemisch-physikalischen Unter- schiede der Fasern von den Zellen verschwinden, und so Trugbilder von Zellen mit „Fortsätzen“ entstehen — so wurde durch die Einseitig- keit der Methode die Aufmerksamkeit ganz von den Fasern (,„Zellfort- sätzen“) abgelenkt und auf die „Zellen“ konzentrirt.“ Dagegen sagt Weigert von seiner eigenen Methode Seite 29 Folgendes: „DieMethodeist unfähig, die Entwickelungsgeschichte der Neuroglia weit zurück zu verfolgen. Die Methode stellt ferner, abgesehen von den Kernen der Neurogliazellen, nur die, wie wir sehen werden, in besonderer Weise differenzirten Fasern dar. Wenn daher, was a priori durchaus nicht bestritten werden kann, Zwischensubstanzen im Centralnervensystem existiren, welche solcher differenzirter Fasern entbehren, so entgehen diese bei Anwendung der Methode vollkommen der Kenntnissnahme.“ In Bezug auf seine Resultate sagt dann Weigert wörtlich Seite 33: „Irotzdem so viele Kerne ohne charakteristische Beziehung zu den Fasern sind, trotzdem die meisten Fasern keine Beziehung zu den Kernen erkennen lassen, wird man doch nicht umhin können, alle die nach unserer Methode gefärbten Fasern für identisch mit den Gebilden zu halten, die man seitFromman für Aus- läufer der Neurogliazellen hält.“ „Die von uns dargestellten Fasern sind kein Novum, kein bisher unbekanntes Strukturelement, sondern sie sind identischmitdem, was man bisher als Ausläufer der Deiter- schen Zellen beschrieben hat.“ Ferner sagt Weigert Seite 41: „Wir können nach alledem mit der grössten Sicherheit folgende Sätze autstellen: 1. Die Neurogliafasern, die man bisher als Fortsätze der Deiter’schen Zellen aufgefasst hat, sind nicht mit dem Protoplasma chemisch identische Gebilde, sondern sind von diesem stofflich durchaus verschieden. Beiträge zur Histologie des Menschen. 5 2. Die chemische Verschiedenheit tritt nicht etwa all- mählich in mehr oder weniger weiter Entfernung vom Zell- leib an den „Fortsätzen“ auf, sondern die Differenzirung besteht von Anfang an schon in unmittelbarer Nähe des Zellkerns. 3. Die meisten der sogenannten Fortsätze der Zellen sind überhaupt schon aus dem Grunde keine Fortsätze, weil beiihnen jezwei anscheinende Ausläufer einen an der Zelle vorbeilaufenden gemeinschaftlichen Faden bilden. DieserwirddurchdenZellleibinkeiner Weiseunterbrochen, wie das doch bei Ausläufern der Fall sein müsste, die ja Jeder einzeln vom Zellleib ihren Ursprung nehmen würden. Mit einem Wort: Es handelt sich garnicht um Fortsätze oder Ausläufer von Zellen, sondern um Fasern, die vom Protoplasma vollkommen differenzirt sind. Wenn daher Fromman, später Golgi und letzterem fol- gend so ziemlich alle neueren Autoren gesagt haben, dass dieNeuroglia nur ausZellen und deren Fortsätzen besteht, so trifft dies beim Menschen nur für dieEmbryonalzeit zu. Imausgebildetennormalen Zustande besteht die Neuroglia aus Zellen und ausserdem aus Fasern, von denen die letz- teren in räumlicher Ausbreitung so kolossal überwiegen, dass man sie als den wesentlicheren Theil der Neuroglia ansehen muss.“ Endlich wollen wir feststellen, zu welehen Ansichten die dritte Partei, als deren Haupt ich von Kölliker betrachte, gelangt ist. Ich halte mich auch hier wieder an eine abschliessende Darstellung, die v. Kölliker!) in seinem grossen Handbuch der Neuroglia widmet. Nachdem v. Kölliker zunächst die Neuroglia des embryo- nalen Markes besprochen und ungefähr in derselben Weise wie v. Lenhossek geschildert hat (Verhältnisse, auf die wir später noch einzugehen haben), giebt er auf Seite 142 eine Darstellung der Neuroglia des ausgebildeten Markes. In dieser Darstellung der Neuroglia fallen, ganz abgesehen von der Schilderung der Ependymfasern, drei verschiedene Auffassungen auf, die v. Kölliker an der Hand von Zeich- nungen giebt, die nach drei verschiedenen Methoden ge- wonnen sind. 1) A. v. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen. 6. Aufl. Bd. II. pag. 136. Leipzig 1893. 6 Rimshresmekler: Dieerste Auffassung v. Kölliker's (Seite 144— 148) lehnt sich an die Präparate an, die mit der Golgi’schen Chrom- silbermethode gewonnen sind und kommt zu dem fast gleichen Resultat, wie v. Lenhossek: Die Neuroglia besteht hauptsächlich aus den sternförmigen Golgi’schen Zellen: Kurz- strahlern und Langstrahlern, die niemals anastomosiren. Die zweite Aufassung v. Kölliker's (Seite 148— 150) basirt auf Zupfpräparaten, die nach verschiedener Methode, beson- ders nach Behandlung mit dünner Müller’scher Flüssigkeit und Karminfärbung gewonnen sind. Darüber sagt v. Kölliker Seite 147 wörtlich: „Solche von frischem Material angefertigten Präparate geben dureh nichts zu ersetzende Anschauungen über die eigentliche Be- schaffenheit der Golgi’schen Zellen, ihrer Kerne und Fortsätze, stehen dagegen, wenn es sich darum handelt, die genauen Formen der Zellen und ihrer Fortsätze sowie ihre Lagerung und Anordnung zu bestimmen, weit hinter der Golgi’schen Silberfärbung zurück.“ Seite 150 geht dann v. Kölliker auf die Ranvier’sche Ansicht ein, dass die Gliafasern des Erwachsenen keine Ausläufer der Golgi schen Zellen, sondern entweder denselben nur angelegt oder durch das Protoplasma derselben hindurchziehend sind, und kommt dann auf Grund seiner Zupfpräparate zu fol- gendem Schluss Seite 148: „Was meine Erfahrungen über diesen Punkt betrifft, so bemerke ich, dass diese scheinbaren Zellenreste ihre wirkliche Natur dadurch deutlich zur Schau tragen, dass sie in allen Grössen keineswegs ver- kümmert und in der mannigfachsten Weise mit kurzen Zacken oder breiteren platten Fortsätzen versehen, vorkommen, sodass klar ersicht- lich wird, dass es sich nicht um verkümmerte Zellen oder Zellreste handelt. Ferner muss ich sagen, dass solche freien Zellenkörper doch zu häufig und mit zu bestimmten Formen sich finden, als dass man sie nur für zufällig abgelöste Bestandtheile der Golgi’schen Zellen halten könnte und hat mir die Erwägung dieser Verhältnisse die Mög- lichkeit nahe gelegt, dass die Golgi’schen Zellen doch vielleicht nicht ganz richtig aufgefasst werden, wenn man sie einfach als sternförmige Zellen auffasst. Eine Prüfung vieler Golgi’schen Zellen ergiebt, dass dieselben sehr häufig wie aus zwei Theilen bestehen, einem Zellkörper und einer demselben einseitig ansitzenden Platte, von welcher die Ausläufer abgehen.“ „Gestützt auf diese Thatsachen, möchte ich nun die Hypothese aufstellen, dass die Golgi’schen Zellen aus einem Theil ihres Proto- plasmas einseitig eine mit Ausläufern versehene Platte erzeugen, welche anfänglich und so lange die Ausläufer noch sich verlängern, Beiträge zur Histologie des Menschen. 7 mit dem kernhaltigen Theil des Zellprotoplasma innig und unmittel- bar zusammenhängt, später jedoch in vielen Fällen eine andere Diehtirkeit und vielleicht auch eine etwas abweichende chemische Konstitution gewinnt und von diesem Zeitpunkt an unter gewissen Umständen von dem Zellkörper sich trennen lässt. So aufgefasst, würde Ranvier, wenigstens bei seiner Vergleichung der Golgi’schen Zellen mit den Müller’schen Fasern der Netzhaut Recht behalten und ebenso könnte das, was er über das Durchlaufen der Fasern durch den Zellenkörper der Gliazellen sagt, bei meiner Auffassung auch für möglich gehalten werden, obschon ich von einem solchen Durchlaufen nichts gesehen habe und in der Deutung der Bilder, die Ranvier zu dieser Aufstellung veranlassten, ganz mit Golgi über- einstimme. Ranvier ist überhaupt geneigt, die Gliafasern als viel zu selbständig aulzufassen, indem er freie Enden derselben leugnet und dieselben für unmessbar lang erachtet. Jedes Golgi’sche Prä- parat zeigt jedoch, wie ungenügend diese Anschauung ist und finden sich ja an solchen Enden der Golgi’schen Zellen z. Th. ganz frei, z. Th. in grosser Anzahl an Blutgefässen.“ Man sieht, dass trotz aller Einwände, die v. Kölliker, auf Grund der Golgischen Präparate, der Ranvier’schen Ansicht macht, er doch nicht umhin kann, aufGrund seinerZupfpräparate im Grossen und Ganzen der Ranvier’schen Fabrillentheorie Recht zu geben. Diese Ranvier'sche Theorie deckt sich aber im Wesentlichen ohne Zweifel mit der Weigert’schen Ansicht, so dass also v. Kölliker sowohl als Anhänger der v. Len- hossek’schen Partei, als auch der Weigert’schen angesehen werden kann. Die dritte Auffassung v. Kölliker’s glaube ich aus seinen Abbildungen entnehmen zu müssen, die er auf Seite 152 bei Besprechung der Vertheilung und Anordnung der Neuroglia im Marke giebt. Es handelt sich um einen Längsschnitt aus dem Mark des Ochsen (Müller’sche Flüssigkeit und Karmin). Von Kölliker legt augenscheinlich auf diese Figur 419, die nicht schematisirt ist, besonderes Gewicht. Das Präparat ist bei starker Vergrösserung gezeichnet. Von Kölliker sagt: „Durch die Verpflechtung der longitudinalen, queren und schiefen Ausläufer der Golgi’schen Zellen entsteht nun durch die ganze weisse Substanz ein Flechtwerk ähnlich dem Neuropilema von His von einer solchen Diehtigkeit und Verwirrung, dass es ungemein schwer hält ein, Bild daneben zu geben.“ Ich sehe in der Abbildung zunächst einige Dutzend Zellen 8 Fr. Reinke: mit verschieden starken Ausläufern, die am Zellkörper breit be- ginnen und sich theilweise theilend immer dünner werden. Der Verlauf dieser Ausläufer ist hauptsächlich ein schräg nach oben und unten gehender, die senkrechte und horizontale Richtung ist entschieden seltener. Ausserdem findet sich aber ein kolossales Gewirr von longitudinal und horizontal verlaufenden feinen Fäserehen, die offenbar mit den Zellkörpern nichts zu thun haben, denn, wäre dies der Fall, so müssten, wie v. Lenhossek sehr richtig von seinen Golgi-Bildern bemerkt, die Fasern der Langstrahlen“ natürlich am dichtesten unmittelbar am Zell- körper stehen, hier drängen sie sich häufig so stark zusammen, dass sie die Konturen des Zellkörpers ganz verdecken. In der v. Kölliker’schen Abbildung ist aber gerade das Gegentheil der Fall: die Fasern sind am dichtesten in einiger Entfernung vom Zellkörper. Ich schliesse, wie ich glaube mit Recht, dass diese v. Kölliker’sche Abbildung beweist, dass in der weissen Substanz des Marks zahlreiche Zellen mit Ausläufern, aber noch viel mehr freie Fasern vorkommen, die nicht mehr mit den Zellen in Verbindung zu bringen sind und die die Haupt- masse des Stützgeruchs ausmachen. Von Kölliker’s Ansicht dürfte nach alledem dahin gehen, die v. Lenhossek’sche und Weigert’sche Meinung zu combiniren, wenn er es auch nirgends so deutlich und unbedingt ausspricht, wie ich es hier aufge- fasst habe. Nach den obigen Citaten könnte beim Lesen der Glauben erweckt werden, dass v. Lenhossek und Weigert in ihren Schriften zwei unversöhnliche Gegensätze darstellten. Das ist aber keineswegs der Fall. Im Gegentheil bekommt man den Eindruck, als ob beide Forscher, wenn auch mit Wahrung ihrer gewonnenen Resultate, doch gern bereit sind, sich allerhand Con- cessionen zu machen und ihre Resultate, so gut es geht, in Ueber- einstimmung zu bringen. Dies Bestreben hat für mich etwas Ueberraschendes gehabt, als ich nach Einsicht der betreffenden Präparate zu der Ansicht kam, dass es sich hier offenbar um nicht zu überbrückende Gegensätze handelt, und kann ich mir diese Angelegenheit jetzt anders nicht erklären, als dass keiner der Parteiführer seiner eignen Sache so recht sicher gewesen ist. Von Lenhossek sucht die Widersprüche zwischen seinen Beiträge zur Histologie des Menschen. I und den Weigert’schen Resultaten dahin zu deuten, dass die Weigert’sche Methode eine Gliazelle komplet zu färben nicht gewachsen ist, sie färbt nur einen Theil davon, nur ihre fibril- lären Anhänge, die „Gliafasern“, und man muss diese Bilder allemal in der Phantasie in dem Sinne ergänzen, dass man die gefärbten Fasern auf ungefärbt gebliebene Zellen, aus denen sie radiär hervorspriessen, zurückführt. Weigert hebt zwar die Gegensätze seiner Methode mit den Golgi-Bildern sehr stark hervor, führt aber,doch alle Fehler der Golgi’schen Methode immer auf den Umstand zurück, dass diese Methode zu launenhaft und unbeständig wirkt. Er scheint thatsächlich der Ansicht zu sein, dass wenn sich mit Chromsilber alle Gliazellen an jedem Ort und zu jeder Zeit imprägniren liessen ohne Mitfärbung von Nervenfasern und man ganz dünne Schnitte gut conservirt beobachten könnte, man im Wesentlichen dieselben Resultate wie mit seiner eigenen Methode bekommen würde; sollen doch die Weigert’schen Fibrillen durchaus identisch sein mit den Zellausläufern der Golgibilder. Dieser Hinweis auf die herrschenden Ansichten mag ge- nügen, um den Leser dieser kleinen Arbeit zu orientiren, wenn ich jetzt daran gehe, an der Hand einiger Zeiehnungen meine eigene Auffassung auseinander zu setzen. Ich habe das Halsmark eines 25jährigen, herkulisch gebauten Hingerichteten zum Objekt meiner Studien gemacht. Dieser Mann war durchaus normal gebaut und gesund. Es ist derselbe Mann, in dessen Hoden ich die Krystalloide in so kolossaler Anzahl in der Ley di g’schen Zwischensubstanz nach- weisen konnte. Jedenfalls haben wir es mit einem‘ selten kräftig entwickelten und durchaus normalen Menschen zu thun. Die Methode der Behandlung war folgende: Das Rücken- mark wurde zunächst in grössern Stücken in eine Mischung von 4 Theilen doppeltehromsaurem Kali von 3°/, und 1 Theil einer 2°/, Lösung des käuflichen Formols gelegt (diese entspricht etwa einer 1°/, Formaldehydlösung). Am andern Tage wurde das Stück in 1—2 Centimeter dieke Scheiben zerlegt, aber noch einige Wochen in der Flüssigkeit belassen. Darauf kamen die Stücke in der üblichen Weise in die Höllensteinlösung und wurden dann kurz mit 95°, Alkohol und Celloidin behandelt und mit dem Mikrotom geschnitten. Zunächst wurden Quer- 10 Fr. Reinke: schnitte und dann Längsschnitte angefertigt. Beide zeigten in der weissen Substanz die Langstrahler nebst Gefässen in, wie es scheint, recht vollkommener Weise braunroth gefärbt. Fig 1 und Fig. 2 der Tafel I zeigen die genaue Abbildung der weissen Substanz und zwar in den Seitensträngen dieses Rücken- marks. Die Langstrahler in Fig. 1 erscheinen mehr oder minder deutlich bipolar gebaut. Die Ausläufer haben hauptsächlich und vorwiegend eine longitudinale Richtung. Sie beginnen abgeplattet am Zellleib, zertheilen sich dann aber alsbald zu theilweise sehr langen, meistens unverästelt verlaufenden Fortsätzen. An einzelnen Sehnitten finden sich mehr Fortsätze, die horizontal verlaufen, als die Fig. 1 es darstellt, niemals aber so, dass diese horizontale Richtung überwiegt, vielmehr sind bei weitem die meisten Fasern, nach theilweiser Umbiegung kurz nach ihrem Abgang von der Zelle, longitudinal, also parallel mit den Nervenfasern, gerichtet. Der Querschnitt Fig. 9 bestätigt dies. Auch hier kommen an einzelnen Schnitten mehr horizontale Fasern vor, besonders auch längere, als Fig. 2 zeigt. Doch ist Fig. 2 das typische und gewöhnliche Bild. Man sieht die kurzen verzweigten Aus- läufer, die eben nach ihrer Umbiegung in die verticale Richtung abgeschnitten sind. Daneben zahlreiche quer getroffene Büschel. Der Vergleich bei den Abbildungen wird, wie ich denke, das Verhältniss richtig wiedergeben. Die Seitenstränge der anderen Seite desselben Stücks wur- den dann (also nach der Silberbehandlung) entwässert, in Paraffin gebettet und in sehr feine Längs- und Querschnitte zerlegt. Die sehr feinen Schnitte wurden mit Wasser-Eiweissglycerin aufge- klebt und nun auf folgende Weise gefärbt. Zunächst nach der M. Heidenhain’schen Hämatoxylin- färbung und dann, nach der Differenzirung, mit Eosin nach- gefärbt. In Fig. 3 ist zunächst ein Längsschnitt ohne Nachfärbung bei homogener Immersionsvergrösserung gezeichnet. Man sieht hier einige schwach gefärbte Axeneylinder und Kerne und sodann die etwas schräg getroffenen Fibrillen. Von der Silberimprägna- tion ist hier nichts zu sehen, sie ist vollständig zerstört. Diese Fibrillen entsprechen offenbar den Weigert'schen Fibrillen genau, sind verschieden diek und verlaufen meistens senkrecht gegen die Axe der Nervenfasern, also horizontal, nur ganz Beiträge zur Histologie des Menschen. 11 wenige verticale Fasern finden sich vor. Sehr häufig kreuzen sich diese Fibrillen. Dies alles entspricht der Darstellung und Abbildung, die Weigert Taf. I, Fig. 4 giebt. Ist die Rich- tung des Schnittes genau senkrecht gegen die Fibrillen geführt, so sieht man sie als feine schwarze Punkte, während man sie auf Schnitten, die parallel dem Fibrillenlauf gehen, sie quer über das Gesichtsfeld und die Nervenfasern laufen sieht. Der Verlauf dieser Fibrillen ist also im Grossen und Ganzen grade umgekehrt wie die der Zellfortsätze m Fig. 1, die aber bei schwacher Vergrösserung gezeichnet ist. In Fig. 4 u. Fig. 5 sind Zeichnungen von Gliazellen bei sehr star- ker Immersionsvergrösserung im Quer- und Längsschnitt gegeben. Hier ist das Protoplasma der Zellen mit Eosin gefärbt, die Fi- brillen wieder mit M. Heiden hain’schem Hämatoxylin. Die beiden Zellen in Fig. 4 entsprechen also den Zellen der Fig. 2, aber bei sehr starker Vergrösserung. Die eine Zelle in Fig. 5 entspricht in derselben Weise den Zellen der Fig. 1. Fig. 4 und Fig. 5 beweisen nun, dass die Gliazellen proto- plasmatische Ausläufer haben, die hier aber wegen der Fein- heit des Schnittes sehr bald in der Nähe des Zellleibes abge- schnitten sind. In und an diesen Ausläufern, aber auch ziemlich weit im Zellleib, sieht man die Quer-, Schräg- und Längsschnitte der Fibrillen schwarz gefärbt und deutlich differeneirt. In Fig. 5 gehen nach den Seiten, also horizontal, dichtere Büschel ab, wäh- rend nach oben weniger derartige Fibrillen gehen. Die meisten Fibrillen sind an diesen Dünnschnitten am und im Zellleib ab- geschnitten; wo man sie weitere Strecken verfolgen kann, sieht man, dass sie, ganz wie Ranvierund Weigert das beschrei- ben, an oder resp. durch die Zellsubstanz ziehen. Ausserdem zeigt das Präparat der Fig. 5 noch zahlreiche ganz frei verlaufende Fibrillen, von denen hier nur einige wiedergegeben sind. In Fig. 6 habe ich dann ein Schema der Glia nach der Golgi’schen und der M. Heidenhain’schen Färbung ge- geben, das, so meine ich, das thatsächliche Verhalten der Glia darstellt und vielleicht aufklärend wirkt. Es ist diese Abbildung Fig. 6 aber doch der Natur entsprechend und nicht rein aus der Phantasie ergänzt, weil ich es im Anschluss von Präparaten gegeben habe, wo trotz der Manipulationen sich das Chromsilber erhalten und die Fibrillen ausserdem gefärbt hatten. 12 Fr. Reinke: Es gelingt das zuweilen, doch ohne Sicherheit. Nach An- wendung der Kallius’schen Methode habe ich deshalb auch keine besseren Bilder bekommen, weil dann die Fibrillen sich nur unvollkommen färben, doch ist es sehr wohl möglich, dass man solehe Doppelbilder noch sehr vollkommen herstellen kann. Man sieht dann hier, dass die Fibrillen in der Hauptsache ganz anders verlaufen, als die Fortsätze. Zuweilen gelingt es aber an den Enden der queren Fortsätze gleichsam, wie aus der Silber- röhre herauskommend ein oder mehrere, zu einem Bündel ver- einigte mit Hämatoxylin geschwärzte Fibrillen, als Fortsetzungen der Fortsätze zu beobachten. Fasse ich nun die Resultate zusammen, die ich nach diesen Methoden gewonnen, so komme ich zu folgenden Schlüssen : Das Gerüstwerk der Stützsubstanz oder Neuroglia der weissen Substanz des Rücken- marks besteht I) aus Zellen, 2)-aus Bihrillem A. Die Zellenhaben zahlreiche theilweise verästelte, protoplasmatische Fortsätze, ae zum Theilquer und schräg, hauptsächlich aber verticalnach oben und unten und parallelmit den Nerven verlaufen. ‚Sie werden. durchaor. Golgi’seche Methode gut dargestellt. B. Die Fibrillen sindmorphologisch, physika- lisch und chemisch durchaus verschiedenvom Zellleib und dessen protoplasmatischenFort- sätzen. Sie werdenabervomProtoplasma ge- bildet, liegeninundtheilweisean ihm, haben aberim Wesentlichen beimerwachsenen Men- schen eine den Protoplasmafortsätzen entge- sSengesetzte Richtung. Zum srossen Theilhe ben sich die Fibrillen, über deren Länge nichts bekanntist, vom Zellleib emancipirt und sind ganz selbständig geworden. Ebenso giebt es aberaueceh Zellen, die garnicht, oder nur mit wenigen Fibrillen in Verbindung stehen. Diese Fibrillensind vonsehr ungleicher Dieke und vielleichtohne Anastomosen. DieseFibrillen sind es, welche die Weigert’sche Methode so schön darstellt. Beiträge zur Histologie des Menschen. 13 Damit dürften wir, wie ich glaube, des Räthsels Lösung haben. Von Lenhossek, mit der Golgi’'schen Methode, und Weigert mit seiner Färbung haben beide im Einzelnen Recht, nur darin irren sie sich, dass ihre Resultate vergleichbar sind, und so dürfte schliesslich die dritte Partei, dievon Kölli- ker vertritt und der ich mich hiermit aus voller Ueberzeugung anschliesse, das Richtige getroffen haben. Sehliesslich möchte ich noch darauf hinweisen, dass beim Embryo die Richtung der Fortsätze der Golgi'schen- Zellen ja im Wesentlichen der Richtung der Fibrillen im fertigen Mark entspricht. Ich möchte glauben, dass hier diese Richtung bedingt wird durch die Entwickelung der Fibrillen. Das Gesammtverhalten des fertigen Neuroglia ist dem Bindegewebe durch unsere Untersuchung in so fern ähnlich ge- worden, als wir auch hier Zellen und Fasern zu unterscheiden haben, die aber histogenetisch durchaus zusammengehören. Es tritt eben nur eine Emaneipation der Fasern gegenüber dem Protoplasma der Mutterzelle auf. Der „Rindentheil“ der Zelle differeneirt sich immer mehr, bis er dem übrig gebliebenen ‚„Mark- theil“ gegenüber eine weitgehende Selbständigkeit gewonnen hat. Rostock, Februar 1897. Erklärung der Abbildungen auf Tafel 1. Fig. 1. Längsschnitt des Seitenstrangs des erwachsenen menschlichen Halsmarks. Formol-Kalibichromikum-Argentum nitr. Dicker Schnitt. Zeiss’ Ocul. 4. Obj. CC. Tubuslänge 16. Man sieht zahlreiche meist bipolare Langstrahler, die sich braunroth gefärbt haben. Die Fortsätze verästeln sich ganz nahe dem Zellleib und nehmen hauptsächlich einen verticalen Verlauf. Viele setzen sich an die hier dunkelbraunen Blutgefässe. Fig. 2. Querschnitt wie Fig. 1 (vom gleichen Stück). Die Aus- läufer der Zellen erscheinen hier viel kürzer, weil sie, aus der horizontalen in die verticale Richtung umbiegend, abgeschnitten sind. Zwischen ihnen sieht man zahlreiche verticale Bündel tieferer Zellen quer durchschnitten. Fig. 3. Sehr feiner Längsschnitt des Seitenstrangs. Formol-Kalibi- chromat-Argent. nitrie. Färbung mit M. Heidenhain’schem 14 Fig. Fig. Fig. 6. Fr. Reinke: Beiträge zur Histologie des Menschen. Hämatoxylin. (Dasselbe Stück wie Fig. 1u.2) Apochromat Hartnack. Brennweite 2,0 mm. Comp. Oecul. 2, Man sieht einige Axeneylinder und Kerne, ausserdem die Schiefschnitte zahlreicher, hauptsächlich horizontal verlaufender Fibrillen, die bei verschiedener Einstellung gezeichnet sind. Querschnitt desselben Stückes. Vergrösserung wie bei 3. Zwei Gliazellen, deren Zellleib und Fortsätze durch Eosin her- vorgehoben sind. Man sieht in ihm zahlreiche feine durch M. Heidenhain’sches Hämatoxylin gefärbte Fibrillen, auf Quer-, Längs- und Schrägschnitten. Die Axeneylinder sind roth, die Markscheiden schwarz gefärbt. Längsschnitt einer solchen Gliazelle, vom selben Stück bei gleicher Vergrösserung. Man sieht, wie aus den horizontalen Fortsätzen starke Bündel von Fibrillen abgehen. Die proto- plasmatischen Fortsätze sind in Folge der grossen Feinheit des Schnitts kurz abgeschnitten. Ueber den Zellen sieht man eine Anzahl freier Fibrillen. Schematisirte Zeichnung nach Präparaten, die mit beiden Methoden nacheinander behandelt waren. Rothbraun der Zell- leib und die protoplasmatischen Fortsätze, hier hauptsächlich in verticaler Richtung verlaufend. Schwarz die Fibrillen, die horizontal sich theilweise kreuzend, entweder durch die Zelle und ihre Protoplasmafortsätze ziehen, oder ihnen anliegen, oder endlich ganz frei verlaufen. Die Reifung und Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. Von Dr. J. Sobotta, Prosector am Institut für vergleichende Anatomie in Wärzburg. Hierzu Tafel II—V. Im Juni 1895 gelang es mir nach vielfachen vergeblichen Bemühungen Material für die Reifung und Befruchtung des Am- phioxuseies auf der zoologischen Station zu Neapel zu sammeln. Ich glaubte, dass die kleinen Eier dieses wegen seiner ganzen Entwicklungsvorgänge so viel begehrten Thieres ein beson- ders günstiges Objekt für das Studium der Befruchtungsvorgänge sein würden. Diese Erwartung bestätigte sich nun allerdings nicht gerade, im Gegentheil viele Stadien der Amphioxusbefruchtung setzen der Untersuchung gar manche Schwierigkeiten in den Weg, wenn auch andere recht klare Bilder liefern. Ich begann nun sofort nach der Conservirung des Materials mit der Verarbeitung desselben und legte einen Theil der dabei gewonnenen Resultate in einer vorläufigen Mittheilung!) nieder. Da ich jedoch sah, dass die vollständige Verarbeitung desselben eine recht erhebliche Zeit in Anspruch nehmen würde, unterbrach ich damals die Untersuchungen, um dieselben später wieder unter Anwendung aller nur möglichen Hilfsmittel von Neuem zu be- ginnen. Inzwischen hat nun van der Stricht?) eine ziemlich 1) Sobotta J., Die Befruchtung des Eies von Amphioxus lan- ceolatus. Vorlfg. Mitth. Anat. Anzeiger Bd. XI. Nr. 5. 189. 2) van der Stricht O., La maturation et la fecondation de l’oeuf d’Amphioxus lanceolatus. Bullet. de l’Ac. roy. de Belgique Ser. 3. T. XXX. Nro. 11. 1895 u. Archiv d’Biolog. T. XIV. f. 3. 1896, 16 J. Sobotta: ausführliche Arbeit über denselben Gegenstand veröffentlicht und zwar über die Befruchtung des Eies des Amphioxus von Messina. Dieselben gelangten gerade in meine Hände, als ich meine eigenen Untersuchungen wieder aufnahm. Die Resultate der Veröffentlichung v. d. Stricht’s ent- sprachen nun in manchen Punkten nicht dem, was ich bereits in Neapel gesehen hatte, zum Theil aber in der vorläufigen Mittheilung noch nicht angegeben hatte. Ich liess mir nun bei der Verarbeitung des grössten Theils meines Materials, der damals noch unverarbeitet war, besonders angelegen sein, auf das von van der Stricht angegebene Verhalten der „Sphären“ im Ei des Amphioxus zu achten, obwohl ich von vornherein auch auf Grund dessen, was ich schon in Neapel gesehen hatte, Bedenken gegen diese Angaben hatte. Immerhin glaubte ich, dass es vielleicht doch noch möglich sein würde, ein oder das andere Anzeichen zu finden, das für die Auffassung van der Stricht’s sprechen könnte. Je weiter jedoch die Verarbeitung des Materials fort- schritt, um so weniger war das der Fall. Und während ich ange- sichts meiner Untersuchungsresultate Anfangs nur feststellen konnte, dass dieselben mit den Angaben van der Stricht’s nicht übereinstimmten, kann ich jetzt, wie ich denke, auch den Nach- weis führen, dass die von meinen Resultaten abweichenden Angaben van der Stricht’s auf Irrthümern beruhen. So hoffe ich auch dass die Deutung der positiven Angaben van der Stricht’s, die ich selbstverständlich nicht zu bezweifeln wage, so wie ich sie hier gebe, ziemlich ungezwungen dem thatsächlichen Verhalten entspricht. Ausser der Arbeit van der Stricht’s kommen aus der Literatur nur noch die wenigen aber genauen Angaben Hat- sehek's!) über die am lebenden Ei während der Befruchtung zu beobachtenden Erscheinungen in Betracht. Hatschek be- obachtete die Bildung des zweiten Richtungskörpers, die Abhebung der Eimembran nach der Befruchtung, den Furchungskern und die erste Theilung des Eies?). 1) Hatschek, B., Studien über Entwicklung des Amphioxus. Arbeit aus dem zoolog. Institut der Universität Wien. Bd. IV. 1882. 2) Soweit die übrige Befruchtungsliteratur in Betracht komme, verweise ich auf mein Referat in den Ergebnissen der Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Bd. IV. Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 17 Gewinnung des Materials und Laichung des Amphioxus. Der Amphioxus ist im Golf von Neapel ungemein häufig, insbesondere an gewissen flachen Stellen desselben, so inder Gegend des Posilip, jenes bekannten Hügels im Westen von Neapel. Hier lebt der Amphioxus namentlich am sogenannten Palazzo di Donn’ Anna im grobkörnigen Meeressande und vermehrt sich gegen Ende des Frühjahrs und im Sommer, so dass an diesen Stellen häufig Larven und Embryonalstadien gefischt werden. Mitunter laicht der Amphioxus auch, wenn er in Gefangenschaft im Aquarium gehalten wird; jedoch scheint das vom Zufall ab- zuhängen, denn ich habe monatelang vergeblich versucht, auf diese Weise Amphioxuseier zu erhalten. Dagegen kann man das Material an Ort und Stelle sammeln, wenn man im Monat Juni (vielleicht auch schon etwas früher, wahrscheinlich auch noch später) sich an die Stellen begiebt, wo der Amphioxus häufig ist. Der Amphioxus hat die Gewohnheit, gegen Abend zu laichen und zwar in Neapel sowohl wie in Messina!); in Neapel bald nach 6 Uhr p. m. im Juni, d. h. gerade wenn die Sonne hinter den Posilip tritt, also wenn das Wasser des Golfes schattig wird. Entnimmt man dem Grunde des Wassers etwas Sand, der immer eine grössere Anzahl Thiere enthält, sucht dieselben heraus und bringt sie wieder in Wasser, so legen sie meist schon nach !/, Minute spätestens nach 2—3 Minuten ihre Geschlechtsproducte ab. Erfolgt das nicht innerhalb dieser Zeit, so sind weitere Ver- suche unnöthig. Die Erfahrung lehrt, dass man alsdann noch viele Proben entnehmen kann, ohne Erfolg zu haben. Man erhält nun aber durchaus nicht alle Abende Eier. Man muss vielmehr die Geduld besitzen, allabendlich hinauszufahren, um sein Glück zu versuchen. Warum die Thiere an dem einen Tage sämmtlich fast ohne Ausnahme laiehen, an dem nächsten Tage kein einziges, ist bisher noch nicht bekannt. Es wurde nun folgendermaassen verfahren: Es wurden aus dem Sande eine Anzahl Thiere herausgesucht und in eine mit 1) Nach den Angaben Hatschek’s laicht der Amphioxus in Messina erst um 8 Uhr Abends, nach denen van der Stricht’s be- reits um 6 Uhr. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50. 2 18 J. Sobotta: Seewasser sorgfältig gereinigte grosse Schale Wasser gebracht. Man erhält, da männliche und weibliche Thiere meist in gleicher Anzahl vorkommen, stets in wenigen Augenblicken einige Exem- plare von beiden. Naclı einiger Zeit sieht man nun, dass sich aus dem Abdominalporus einiger Thiere, sowie dieselben sich beruhigt haben (anfangs schnellen sie im Wasser umher), feine weisse Wölkchen in das Seewasser ergiessen. Es sind das die Geschlecehtsproduete. Die Eier sind als feine weisse Punkte auch nach der ziemlich schnell erfolgenden Vertheilung im Seewasser noch einzeln zu erkennen, während das Sperma, das Anfangs als feiner weisslicher Schleier erscheint, sehr bald bei der Vertheilung sich den Blieken entzieht. Binnen wenigen Augenblicken ist dann die ganze Wassermasse sperma- haltig, so dass selbst Eier, die am entgegengesetzten Ende der Schale ausgeworfen sind, sofort besamt werden. Ich liess stets Männchen wie Weibehen ihre Geschlechts- producte ablegen, ohne sie dabei zu stören, um nicht etwa patho- logische Bildungen zu erzielen. Von Zeit zu Zeit entnahm ich dann Eier zur Conservirung. Einige Male habe ich die Pipette, mit der ich die Eier herausnahm (ich hatte stets eine ganze Anzahl sauber mit Seewasser gereinigter zur Hand), dieht an den Abdominalporus eines laichenden Weibchens ge- halten und so die Eier theils noch vor, theils während der Be- samung bekommen. Ferner" habe ‘ich ganze‘ Th rere, die laäichten, cm Conservirungsflüssigkeit gethan, um die Ovarialeier untersuchen zu können. Es geschah das mit 7 verschiedenen Weibchen, von denen 2 nahezu abgelaicht hatten. Diese ganzen Manipulationen müssen im Bote vorgenommen werden, auf dem Wasser. Die kleinen Schwankungen desselben, die auch bei ruhigster See unvermeidlich sind, bewirken es natür- lich, dass die entleerten Eier, die anfangs nahe beisammen liegen und so zu Boden fallen, in alle Richtungen des Gefässes zerstreut werden, so dass man mit einem Pipettenzug Anfangs sehr viel, nachher relativ wenig Eier erhält. Häufig machen auch die laichenden Thiere selbst, öfter aber nicht laichende in derselben Schale befindliche, Bewegungen und zerstreuen die Eier noch mehr. (Es wurde deswegen auch mehrmals so verfahren, dass die frisch abgelegten und besamten Eier mit reinen Pipetten herausgehoben Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 19 und in neuen Schalen gesammelt wurden, wodurch es nachher leichter war, mehr Eier auf einmal zu eonserviren.) Das alles erhöht die Bequemlichkeit der an und für sich schon aufregenden Manipulationen nicht. Es werden die Eier übrigens fast immer einzeln entleert, wie auchHatschek!) angibt. Die Angaben Kowalevsky'’s?), dass die Eier in Klumpen austreten, kann ich nicht bestätigen. Nur einmal, als ich mit der Pipette die Eier vom Abdominalporus weg in die Öonservirungsflüssigkeit brachte, habe ich einige Klumpen z. Th. noch unbefruchteter und sogar unreifer Eier erhalten. Die Eier wurden stets durch den Abdominalporus entleert, niemals durch die Mundöffnung ausgeworfen. Ersteres hatte Kowalevsky zuerst als constant angegeben. Seinen Mittheilungen wurde wenig Glauben geschenkt, bis dieselben durch Hatschek?) für den Amphioxus von Messina auf das Bestimmteste bestästigt wurden. Um so merkwürdiger ist es, dass keiner der Nachuntersucher, für Messina Willey°),, Wilson®), van der Strieht; für den Neapler Amphioxus ich, dies bestätigen kann. Keiner von uns hat jemals eine Entleerung durch den Mund be- obachtet. Uebrigens habe ich auch deutlich sowohl am lebenden Thiere wie an den eonservirten constatiren können, dass die Entleerung der Ovarialsegmente von hinten nach vorn fort- schreitet. Man entnimmt dem Sande sogar häufig Thiere, deren hintere Segmente schon leer von Eiern sind, die also wohl schon im Meere entleert haben. Von solchen Thieren kann man meiner Erfahrung nach mit Sicherheit erwarten, dass sie weiter laichen. Uebrigens habe ich nie die Kiemenhöhle mit Eiern strotzend ge- füllt gefunden, wie Kowalewsky und Hatschek. Im Gegen- theil, normaler Weise passiren meiner Erfahrung nach, Eier wie Sperma den Peribranchialraum sehr schnell. Ein längeres Verweilen dort scheint mir sogar pathologisch. Man kann nun nicht wohl annehmen, dass der Amphioxus Nele. u 2) Kowalevsky A. Entwicklungsgeschichte des Amphioxus lanceolatus. Mem. de l’Acad. imperial. de St. Petersbourg. Ser. VII. EARLY Nr. .A: 3) Willey, The later larval Development of Amphioxus. Quart. Journ. of mierose. sc. Vol. XXXV. 1891. 4) Wilson, Amphioxus and the mosaic Theorie of Development. Journ. of Morphol. 1894, 30 J. Sobotta: von Messina und Neapel mit der fortschreitenden Cultur und Civili- sation das Auswerfen der Geschleehtsprodukte durch die Mund- öffnung als unästhetisch erkannt und seine Laichmanieren ge- ändert hat. Wahrscheinlicher ist es mir, dass Kowalewsky und Hatschek Thiere unter anomalen Bedingungen vor sich hatten, die am Laichen gehindert waren und deren Eier oder Sperma sich in der Kiemenhöhle anhäufte. Uebrigens erfolgt die Entleerung der Eier und des Spermas stets stossweise. Nachdem eine Quantität entleert ist, folgt ein Stadium der Ruhe, dann eine neue Entleerung. So wieder- holt sich das mehrmals. Häufig scheinen dann die Thiere eine längere Pause zu machen. Ob ein Amphioxus an einem Abend seine ganzen Eier entleert, weiss ich nicht anzugeben, vermuthe es aber, da man fast immer in allen Ovarialsegmenten dieselben Entwicklungsstadien findet. Angewandte Untersuchungsmethoden. Was die zur Conservirung verwandten Reagentien betrifft, so hatte ich drei Conservirungsmittel in Anwendung gebracht, von denen das eine — mehr durch Zufall als mit Absicht haupt- sächlich angewandte, sich den beiden andern weit überlegen zeigte. Es waren Flemming'’sche Flüssigkeit, Sublimat mit geringem Eisessigzusatz und Pikrinessigsäure. Letztere Lösung, die ja gerade bei der Conservirung vieler Eier vortreflliche Dienste leistet!), hat mir hier ausnahmsweise gute Resultate gegeben, was aber auf eine zu kurze Einwirkungsdauer zurückzuführen sein . dürfte, da es sich herausstellte, dass in den meisten Fällen die Flüssigkeit das Centrum des Eies noch nicht erreicht hatte. Aehnlich habe ich mit Sublimateonservirung nur in den frühen Stadien constant später nur gelegentlich gute Präparate bekommen. (Die Dauer der Einwirkung betrug 4—5 Stunden.) Dagegen waren die mit der Flemming’schen Lösung eonservirten Eier (Dauer der Einwirkung 24 Stunden) ausnahmslos vortrefflich conservirt. 1) Die unberechtieten Vorwürfe, dieM. Heidenhain (s. u.) der Pikrinessigsäure in einer soeben erschienenen Publikation macht, dürften doch wohl nur darauf beruhen, dass der Autor sie nicht am geeigneten Objekt versucht hat. Man kann eben nicht alle Objekte mit demselben Conservirungsmittel behandeln. Auch das Sublimat Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 21 Ich kann hierin van der Strieht!) nur zustimmen, dass das Flemming’sche Gemisch für das Amphioxusei das beste Con- servirungsmittel ist, das unter anderen vor dem Sublimat auch den Vorzug hat, eine viel geringere Schrumpfung zu bewirken. Die mit ihm eonservirten Eier bleiben durchschnittlich 15— 25 °/, grösser als die mit Sublimat behandelten. Die stärkere Schrumpfung der’ Sublimateier erstreckt sich übrigens gleichmässig auf alle Theile des Eies, auch auf Kerne, Kerntheilungsfiguren, selbst die Dotterkömer. Diese gleichmässige Schrumpfung bringt es mit sich, dass sie erst bei Controlmessungen erkennbar ist. Die laiehenden Thiere habe ich in toto mnPikrin Sublimatlösung mit Essigsäurezusatz gethan, eine Methode, die es gestattet, die Thiere unzerschnitten einzulegen, da die Conservirungsflüssigkeit schnell genug in die Ovarien eindringt. Die eonservirten Eier wurden in gewöhnlicher Weise mit steigendem Alkohol nachbehandelt (die Präparate aus Flem- ming scher Lösung erst gewässert) und in Paraffin eingebettet. Um viele Eier auf einmal schneiden zu können, wurden dieselben eingewickelt (nach dem Vorgange von Boveri für das Seeigelei), wozu ichmich hier der Amniosstücke von Schwein-, Schaf- oder Rinds- embryonen bediente, die zu diesem Zwecke besonders geeignet sind. Das Schneiden der Eier bereitet mitunter einige Schwierig- keiten, indem sich kleine Sand- oder Kalkpartikel zwischen die- selben verirren, die selbst mit feiner Pincette unter Lupenver- grösserung häufig nieht gänzlich entfernt werden können. Die Sehnittdieke musste für unsere Zwecke eine sehr geringe sein; sie betrug stets unter 5u. Für Ovarialeier und in Sublimat conservirte abgelegte Eier genügen 4u, da das Proto- plasma an ihnen völlig hell bleibt; doch sind auch hier Schnitte von 3 u in manchen Stadien von Nutzen. Für Eier aus Flem- schlägt oft völlig fehl. Ich erinnere nur an die schlechten Resultate, die es am Hoden der meisten Thiere giebt. Wer sich viel mit embryo- logischen Conservirungen abgiebt und dabei Gelegenheit hat, sein Objekt vor der Conservirung zu betrachten, womöglich zu messen und zeichnen, der lernt erst richtig die colossal schrumpfende Wir- kung namentlich der concentrirten Kochsalzsublimatlösung kennen und fürchten. Der Histologe, der sein Objekt selten frisch vorher betrachtet, übersieht das meist. Re 22 J.Sobotta: ming’scher Lösung genügt 4 u nur in den späteren Befruchtungs- stadien; es wurde daher fast stets bis auf 3 u!) heruntergegangen. Dünner als 3u zu schneiden ist mir nicht gelungen (wenigstens nicht in Serie). Die Schnitte wurden ausnahmslos mit Eiweissglycerin und Wasser aufgeklebt ?). Gefärbt wurde fast ausschliesslich nach der M. Heiden- hain’schen Eisenhämatoxylinmethode, daneben wur- den einige andere Methoden, auch Saffraninfärbung, aber ohne Erfolg versucht. Vielleicht liegt der Misserfolg mit Saffranin daran, dass ich schon seit Jahren kein so gut färbendes Saffra- nin mehr erhalten habe wie früher. Gelegentlich wurden auch in Sublimat eonservirte Eier mit Boraxkarmin gefärbt, obwohl weder während der Befruchtung, noch während des Beginns der Furchung eine gute Kernfärbung damit zu erzielen ist. Das Heidenhain’sche Verfahren wurde Anfangs nach den von ihm früher angegebenen Vorschriften ausgeübt, später wurden auch die nachträglichen Modificationen desselben (gebrauchtes Hämatoxylin und stärkere Eisenlösung) in Anwendung gebracht. Da die Kerne der Amphioxuseier der Färbung einen starken Widerstand entgegensetzen, wurde schon nach den ersten Ver- suchen eine lange Einwirkungsdauer des Hämatoxylin (24—48 Stunden, z. Th. sogar bei Bruttemperatur) in Anwendung ge- bracht, was auch für die Darstellung der Centrosomen nütz- lich war. In Sublimat conservirte Eier, namentlich die Ova- rialeier, wurden auch zum Theil vor der Eisenhämatoxylinmethode mit Bordeaux vorgefärbt. Stets zeigten die Dotterkörner stärkere Verwandtschaft zum Farbstoff als das Chromatin und vor allem als die Centrosomen. Uebrigens ist die Färbbarkeit der Kerne an bald nach der Con- servirung verarbeitetem Material anscheinend eine noch erheb- lichere als an Eiern, die längere Zeit vor der Färbung in Spiritus gelegen haben. So zeigten die in Neapel bereits ver- 1) Ich schneide nicht gerne so dünn, weil man dabei sicherlich leicht Artefacte macht (s. u. p. 52); jedoch war es hier wegen der dicht liegenden Dotterkörner nöthig. 2) Näheres siehe darüber in einer im: Druck befindlichen Arbeit über das Corpus luteum des Kaninchens in den „Anatomischen Heften“. Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 23 arbeiteten Eiern trotz kurzer Hämatoxylinfärbung relativ viel stärkere Chromatinfärbung als die später intensiver gefärbten Eier. Die Reifungserscheinungen des Amphioxuseiesan Ovarialeiern. (Bildung des ersten Riehtungskörpers, Bildung der zweiten Riehtungsspindel.) Von den Reifungserscheinungen des Eies, die sich im Ovarium abspielen, kann ich eine nur lückenhafte Schilderung geben, immerhin aber doch Einiges mehr nrittheilen, als ich selbst vor Kurzem noch hoffte. Durch einen Zufall näm- lich untersuchte ich noch vor einigen Monaten die letzten kleinen Ovarialsegmente eines laichenden Thieres, bei dem ich an an- dern Stellen ebenso wie bei den übrigen Thieren nur zweite Richtungs- spindeln gefunden hatte, und entdeckte hier wider Erwarten au einer allerdings nur kleinen Anzahl von Eiern die erste Rich- tungsspindel. Die Ovarien des Amphioxus stellen bekanntlich segmentirte paarige Gebilde dar, welche sich zu beiden Seiten des Thieres fast in seiner ganzen Länge finden. Untersucht man die in ihnen enthaltenen Eier, so findet man stets nur neben kleinen unreifen Eiern ausgebildete Eier mit einem grossen hellen runden Kern, der wiederum einen geradezu riesigen Nucleolus zeigt, wie schon Hatschek !) angibt. Das habe ich monatelang in Neapel bei fast täglicher Untersuchung gesehen. Da nun aber die Eier nur befruchtungsfähig sind, wenn der erste Richtungskörper ab- gestossen und die zweite Richtungsspindel bereits gebildet ist 2), so ist es klar, dass die künstlichen Befruchtungsversuche miss- lingen müssen. Untersucht man dagegen die Ovarien der Thiere, die lai- chend conservirt wurden, so findet man nur ganz ausnahmsweise Eier mit dem grossen Kern (solche Eier werden mitunter auch entleert, aber nie befruchtet. Van der Stricht hat in seiner Fig. 1 ein solches Ei abgebildet, allerdings in einem sehr stark geschrumpften und wenig gut conservirten Zustand. Ich ver- = 1.2c. 2) Dasselbe ist bei allen Wirbelthieren der Fall. Vergl. Mein Referat in den Ergebn. der Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Bd. IV. 24 I). Srosbro-t: ba ; ziehte auf die Abbildung eines solchen Eies, weil ich die Um- bildungsstufen desselben zur ersten Richtungsspindel doch nicht beobachtet habe !),. Meine Darstellung lasse ich vielmehr mit dem nächstfolgenden beobachteten Stadium beginnen, der ersten Richtungsspindel. Ich muss nun erst einiges über die Struktur der reifenden ÖOvarialeier mittheilen, da die diesbezüglichen Angaben van der Strieht’s durchaus nicht meinen Beobachtungen entsprechen und van der Strieht emen Vorgang, aus dem sich ein Struk- turverhältniss der Ovarialeier erklärt, gänzlich übersehen hat. van der Striceht giebt an, dass das Ei eine Randzone habe, die aus sehr grossen Dotterkörnern bestehe. Die äusserste Rindenzone des Ovarialeies erscheint nämlich auffällig hell und bei richtiger Eisenhämatoxylinextraction völlig farblos. Sie be- steht allerdings aus sehr durchsichtigen rundlichen Elementen, die innerhalb eines feinen Netzes der Plasmasubstanz des Eies liegen. Letztere erscheinen auf den Durchschnitten der reifen Eier gewöhlich als feine radiäre Züge innerhalb der hellen Rin- denzone. Die Elemente der Rindenzone sind eine wahrscheinlich halb oder ganz verflüssigte Zellsubstanz, deren Auftreten in Gestalt vacuolenartiger Bildungen sich an noch wachsenden Eiern verfolgen lässt. Es sind keine Dotterkörner. Diese Rindenlage des Eies spielt später bei der Bildung der Hauptmembran eine wichtige Rolle. Auf diese helle Rindenzone des Eies folgt eine ungefähr gleichmässig gebaute centrale Masse, welche die eigentliche Eisubstanz repräsentirtt und aus einem sehr dichten Proto- plasmanetzwerk, das zahlreiche mit Eisenhämatoxylin sich dunkel färbende Dotterkörner enthält. Ich werde auf den Bau der- selben unten näher eingehen, bemerke aber gleich, dass das reife Ovarialei etwas weniger Dotterkörner hat als das entleerte Ei beziehungsweise einige weniger stark färbbare Dotterkörner. Von diesen lässt sich der grösste Theil nach starker Bordeaux- vorfärbung vom Eisenhämatoxylin schneller entfärben als die Chromosomen der Richtungsspindel, ein Theil der Dotterkörner 1) Mehr könnte ich über die Umbildung der Ureier zu diesem Stadium mittheilen. Indess glaube ich, bei der dann folgenden grossen Lücke das besser jetzt zu unterlassen. Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 25 indess und zwar namentlich kleine halten das Eisenhämatoxylin auch dann noch viel stärker fest als jene. Das ganze Ovarialei ist umgeben von einer deutlichen Membran, über deren Bildung ich näheres nicht angeben kann. Sie liegt Anfangs (zur Zeit der ersten Richtungsspindel) der Eissubstanz noch fest an und scheint von dieser eben erst gebildet worden zu sein. Ihre Dicke beträgt ungefähr 0,5 u. Wir werden derselben später noch begegnen. Was nun die erste Riehtungsspindel betrifft, so möchte ich zunächst in Kürze angeben, woraus ich schliesse, dass es sich in den wenigen beobachteten Fällen noch um die erste Riehtungstheilung handelte. Ich fand in den betreffenden Ova- rialsegmenten nämlich die Eier ohne einen bereits abgestossenen Richtungskörper vor, während letzterer sonst überall im Ovariıum nachweisbar war. Auch lag den Eiern die oben erwähnte Membran noch ganz dieht an, während sie von den Eiern der zweiten Rich- tungsspindeln stets bereits etwas abgehoben war. Diese erste Richtungsspindel — für eine solche muss ich sie halten — habe ich an nur im Stadium der Aequatorialplatte und nur an ca. 20 Eiern beobachtet. Sie lag stets senkrecht zur Oberfläche mit ihrer Längsaxe oder wenigstens nahezu senk- recht. Ich fand sie stets in den äusseren dotterhaltigen Parthien der eigentlichen Eisubstanz, doch so, dass sie in die aller- äusserste oben beschriebene Zone mit ihrem peripherischen Ende noch hineinragte, allerdings umgeben von einem plasmatischen Fortsatz (Fig. 2). Diese Spindelfigur ist nun eine sehr eigenthümliche Bildung, deren Eigenart schon bei schwacher Vergrösserung auffällt. Sie besitzt nämlich eigentlich gar keine Pole, sondern besteht aus einer Anzahl sehr dieker, fast gerade von einem Ende zum an- dern verlaufender Fasern, von denen einzelne nicht selten fast parallel verlaufen, Es handelt sich wesentlich um eine Central- spindel; nicht durchlaufende Fasern scheinen um diese Zeit gar nicht vorhanden zu sein. Die Fasern der Centralspindel halten das Eisenhämatoxylin (auch nach Bordeauxvorfärbung) recht lange fest, so dass man häufig neben völlig entfärbten Spindeln noch solche sieht, bei 26 J. Sobotta: denen eine oder mehrere der dicken Centralspindelfasern ganz dunkel erscheinen, wie lange schwarze Striche. An einer so gestalteten Spindel wird man nun Centrosomen an den eigentlich gar nieht vorhandenen Polen kaum suchen. Sucht man sie übrigens, so findet man sie nicht. Ich habe mir alle nur erdenkliche Mühe gegeben, dieselben mit der Eisenhä- matoxylinmethode darzustellen und habe die Differenzirung mit einer Wasserimmersion überwacht, die wegen ihrer starken Ei- genvergrösserung auch zum Erkennen selbst sehr kleiner Centro- somen sehr geeignet gewesen wäre. Aber alle Versuche waren vergebens !). Die Richtungsspindeln des Amphioxus — dasselbe gilt für die unten zu besprechende zweite — gehören nun einmal zu der Sorte von Richtungsspindeln, welche wirklich allen Ver- suchen widerstehen und vielleicht auch in Zukunft widerstehen werden ?). Die Chromosomen der ersten Richtungsspindel liegen in Gestalt unregelmässiger länglicher Stäbchen ungefähr in der Mitte der Centralspindelfasern. Ihre Zahl ist sehr schwer festzu- stellen. Ich glaube aber ziemlich sicher, dass es zwölf sind. War die achromatische Spindel nicht völlig entfärbt, so er- scheinen die Chromosomen mit den Centralspindelfasern eins, be- 1) Zu seiner neuesten Publication (s. u.) empfiehlt M. Hejden- hain, dem negative Resultate nicht imponiren, die Anfertigung von Controlpräparaten, die dann auch für Objekte, wo die Centrosomen leicht darstellbar sind, fehlschlagen würden. Nun habe ich nicht bloss an vielen anderen Objekten Centrosomen mit derselben Methode gefärbt, sondern auch gelegentlich in den benachbarten Geweben des Amphioxus (ich schnitt anfangs die ganze ventrale Hälfte des Thieres) die Centro- somen der sehr kleinen Mitosen darstellen können. Selbst im Ovarium habe ich zwei Mitosen mit gefärbten Centrosomen gefunden, die wahr- scheinlich Ureiern angehörten. 2) Das Centrosoma des Amphioxuseies wird also wohl in den frühen Reifungsstadien schon zuGrunde gehen. Das sonstige Verhalten ist ein sehr verschiedenes. Manche Eier behalten ihre Centrosomen bis zur Richtungstheilung (Seeigel, Ophyotropha, Physa u. a.), und wo- möglich noch länger, andere verlieren es früh. Zu letzteren gehört auch das Säugethierei, das in frühen Entwicklungszuständen dasselbe in Gestalt des bekannten Dotterkerns besitzt, der lange vor der Reife zu Grunde geht, ja bei Eiern älterer Thiere gewöhnlich überhaupt nicht mehr auftritt, während er in der reifenden Eizelle junger Thiere fast eonstant anzutreffen ist (Maus). Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 27 ziehungsweise als Verdiekungen derselben. Das ergiebt höchst seltsame Bilder, die Anfangs sehr verwirren, bis man an geeig- net differenzirten Präparaten den Aufschluss erhält. Alle ersten Richtungsspindeln, die ich beobachtete, befanden sich im Stadium der Figur 2. Ich habe leider kein einziges anderes Stadium erhalten, insbesondere kein früheres, aber auch keine in Metakinese. Das nächst beobachtete Stadium stellt vielmehr Fig. 3 dar. Der erste Richtungskörper ist gebildet und in Abschnürung be- griffen. Derselbe stellt eine kugelige oder auch etwas ab- geplattete Masse von ungefähr 10 u Durchmesser dar, die von Dotterkörnern fast immer frei ist und an Stelle des Kerns eine Anzahl chromatischer Klumpen enthält. Eimen ersten Rich- tungskörper mit einem echten Kern habe ich nicht beobachtet. Der Richtungskörper der Figur 3 war von der Eisubstanz wenigstens von deren äusserster Zone noch nicht losgelöst. Das ganze Ei wird von der vorhin schon beschriebenen Hülle um- geben, die sich jetzt stets deutlich von der Eisubstanz selbst trennen lässt und stellenweis auch von dieser bereits abgehoben ist. Unterhalb des ersten Riehtungskörpers schnürt sich dann die Eimembran zusammen, so dass später der Riehtungs- körper vom Ei völlig getrennt wird. Man sollte meinen, dass nach Maassgabe des Verhaltens, das in Figur 3 abgebildet ist, der erste Riehtungskörper immer von der Eihaut umgeben gefunden werden müsste. Das ist aber nicht der Fall. Ich finde denselben vielmehr gewöhnlich einfach aussen an der Eihaut anliegend ohne eigene Umhüllung (Fig. 4). Man kann nun annehmen, dass die Membran stets wie in Fig. 3 auch um das Richtungskörperchen gebildet wird und später ver- loren geht, andererseits aber auch, dass gewöhnlich die Abstossung des ersten Richtungskörpers vor der Bildung der Membran er- folgt. Allerdings hatten in den wenigen Fällen, die ich beob- achtete, die Eier mit erster Richtungsspindel bereits diese Mem- bran, und auch reife!) Eier mit noch ruhenden Keimbläschen haben dieselbe noch, während sie allen unreifen Eiern fehlt. Indess — es ist leicht möglich, dass diese Eier in der Ausbildung 1) D. h. solehen, die ihre definitive Grösse erreicht haben, 28 J. Sobotta: ihres Kerns zurückgeblieben waren !) und ihr Zellleib dieselben Veränderungen durchgemacht hatte wie der ihrer Nachbareier. Der Umstand, dass auf die beschriebene Art und Weise der erste Richtungskörper vom Ei sich völlig abtrennt, ist die Ursache, dass man den letzteren an entleerten Eiern nur ganz ausnabmsweise antrifft (Fig. 10). Ich habe daher auch in meiner vorläufigen Veröffentlichung angegeben, dass ich, wie Hatschek?), beim Amphioxus nur ein Riehtungskörperchen finden könne, was für entleerte Eier auch zutrifft. Ich hatte damals die Ovarien laichender Thiere nur ganz flüchtig untersucht. Bald darauf fand ich ihn dort jedoch vor und konnte die Angaben van der Strieht's in dieser Beziehung bestätigen. Die erste Riehtungsspindel dagegen suchte ich, wie van der Strieht, bis vor Kurzem noch ver- geblich. Es dürfte auch mehr ein Zufall sein, dass ich sie kürzlich noch entdeckte. Wahrscheinlich wird gewöhnlich die Bildung des ersten Richtungskörpers in den Nachmittagsstunden der Tage vor sich gehen, an denen der Amphioxus Abends laicht. Sehr häufig habe ich nun die zweite Riehtungs- spindel in allen ihren Entwieklungsphasen beobachtet an hun- derten von Ovarialeiern sowohl wie an einer wohl noch erheblich grösseren Zahl entleerter Eier. Im Ovarium findet man stets nur das Stadium der Aqua- torialplatte und zwar steht die Richtungsspindel fast ausnahms- los senkrecht zur Eioberfläche mit ihrer Längsaxe, höchstens schräg. In einem entleerten Ei habe ich ein einziges Mal eine bis vor Kurzem von mir übersehene Figur beobachtet, die nahezu tangential stand (Fig. 7). Van der Stricht hat solehe mehr- fach beobachtet. Es findet sich also jedenfalls auch beim Amphioxus die so weit verbreitete Erscheinung der Richtungsspindel- drehung°). Sehr leicht möglich, wenn nicht wahrscheinlich ist es, dass die erste Richtungsspindel längere Zeit in dieser Lage verharrt, bevor sie in die beobachtete radiäre Stellung übergeht. 1) Das trifft sicherlich für diejenigen Eier zu, die man im Ova- rium (oder auch entleert) mit noch unverändertem Kern trifft. D)nlase: 3) Näheres darüber in meinem Referat in den Ergebnissen der Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Bd. IV. Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 29 Die Struktur der Ovarialeier ist zur Zeit, wo sie die zweite Richtungsspindel enthalten, keine andere alsdie vorhin beschriebene. Nur findet man die Membran gewöhnlich abgehoben und durch einen geringen Spaltraum vom Ei getrennt. In der Gegend der Richtungsspindel erfolgt diese Abhebung anscheinend zuletzt. Die zweite Riehtungsspindel erscheint Anfangs wie die erste ohne Pole mit einer ziemlich intensiv färbbaren Centralspindel ohne erkennbare Zugfasem und mit stäbchen- förmigen Chromosomen (Fig. 4). Diese Form der zweiten Rich- tungsspindel findet‘ man recht häufig und gewöhnlich über ihr den abgestossenen ersten Richtungskörper durch die Hülle vom Ei getrennt (Fig. 4). Die ganze Figur unterscheidet sich von der ersten wenig, höchstens hat sie etwas geringere Grösse. Was die Zahl der Chromosomen betrifft, so ist die Zäh- lung schwer, häufig war sie mit den mir zu Gebote stehenden optischen Hülfsmitteln (Apochromat Zeiss3 mm, 1,50 Apertur, also eine Vergrösserung von höchstens 1200—1500 X) unmöglich. In einigen Fällen (namentlich an entleerten Eiern war sie jedoch ziemlich genau anzustellen, und ich kann bestimmt sagen, dass die Zahl nicht mehr als 15, nieht weniger als 10, wahrschein- lich 12 beträgt. Van der Stricht zählt ebenfalls 10—-11 Chromosomen. Die Zahl scheint also die gleiche zu sein wie bei der ersten Riehtungsspindel, bei der ich allerdings eine so genaue Zählung nicht machen konnte. Jedenfalls kann es sich um keine grosse Differenz handeln, und dann ist es wohl erlaubt, die gleiche An- zahlanzunehmen, da die halbe und doppelte ausgeschlossen erscheint. Die Form der Chromosomen weicht von der der ersten Riehtungsspindel kaum ab. Auch liegen sie Anfangs genau so in der Mitte der Centralspindelfasern. Kurz bevor die Eier nun aus den Ovarien entleert werden, nimmt die zweite Richtungsspindel eine Gestalt an, die der in Entleerung begriffenen und eben ins Wasser entleerten Eier völ- lig entspricht. Ich schliesse aus diesem Grunde schon, dass es sich um ein späteres Entwieklungsstadium der zweiten Rich- tungsspindel handelt, zumal während der Metakinese sich stets diese Form findet. Die Spindelfigur selbst wird nämlich viel zarter, die Cen- tralspindelfasern feiner und weniger färbbar, so dass sie schon 30 S.Sohotta: bei schwacher Eisenhämatoxylindifferenzirung völlig farblos wer- den; daneben findet man übrigens jetzt deutliche Zugfasern, und vor allem besitzt die Spindel jetzt geschlossene Pole. Jedoch fehlen an letzteren natürlich auch jetzt Centrosomen, die man hier wenigstens wegen der Gestalt der Spindelpole erwarten könnte. Obwohl es ja naclı dem Vorhergesagten natürlich aus- geschlossen ist, dass nun mit einem Male Centrosomen aufstehen, während sie vorher namentlich auch an der ersten Richtungs- spindel fehlten, so habe ich trotzdem auch diese Form der zweiten Richtungsspindel einer genauen Untersuchung auf diesen Punkt hin unterzogen, aber ohne positiven Erfolg !). Die beschriebene Art der Spindel zeigt nun schon im Ovarium (Fig. 5l), viel deutlicher aber an entleerten Eiern (Fig. 8, 11, 15) fast constant und zwar an Eiern der verschiedensten Conservirung (Sublimat, Pikrinsublimatessigsäure, Pikrinessigsäure, Flemming sche Flüssigkeit) eigenthümliche zarte, dabei aber oft recht deutliche Fasern, welche seitlich von der Centralspindel und der eigentlichen Spindelfigur überhaupt liegen, und sich von den Polen aus gegen die Gegend des Spindeläquators erstrecken, sich dort aber mit den vom entge- gengesetzten Pol kommenden meist eben nur berühren (häufig auch das nicht einmal), sehr selten sich am Aequator kreuzen. Diese Fasern hat auch van der Strieht anscheinend ge- sehen, obwohl seine Abbildung 4 (l. e.) nicht gerade ein hervor- ragend typisches Beispiel giebt. Dasselbe Verhalten der Rich- tungsspindeln finde ich in noch viel auffälligerer Weise an den Riehtungsspinden der Forelle, und auch Born hat ein sol ches Verhalten an den Richtungsspindeln vom Triton beobachtet, obwohl er die Fasern als Pohlstrahlung deutet (siebe mein Refe- rat in den Ergebn. der Anat. und Entwicklungsgesch. Bd. IV). Ich glaube, dass es sich hier um Zugfasern der Spindel handelt, die nicht an Chromosomen angreifen, was sich vielleicht aus der Kürze der Chromosomen der Riehtungsspindeln erklärt 2). 1) Man könnte ja glauben, dass an den offenen Polen der vor- her beschriebenen Spindeln das Centrosoma eine versteckte Lage habe und jetzt erst deutlich am Spindelpol zu finden sei. 2) Man kann das vielleicht als eine Art Reminiscenz an die fr üher en Mitosen der Eier (Ureier) auffassen, bei denen die Chromosomen Schleifen waren. Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 31 Van der Strieht hat wahrscheinlich nur unmittelbar vor der Entleerung stehende Eier beobachtet und daher auch nur die zuletzt beschriebene Form der Riehtungsspindel gesehen. ‘Man könnte natülich glauben, dass die Form der Richtungs- spindeln mit den offenen Polen nur ein Kunstproduet sei, aber abgesehen davon, dass Aehnliches an anderen Objeeten ja auch schon vielfach gesehen worden ist, findet man diese Form in gleich typischer Weise so häufig und noch dazu in denselben Ovarien, in denen sich auch die andere Form findet, dass eine solehe Annahme wohl ungerechtfertigt ist. Die von mir be- obachteten derartig gestalteten Richtungsspindeln sah ich nun alle in den mit Pikrinsublimatessigsäure conservirten Ovarien. Da aber die neben ihnen vorkommenden Spindeln mit geschlos- senen Polen genau ebenso aussehen, wie die an entleerten Eiern mit Pikrinessigsäure, Sublimat und Flemming'scher Lösung eonservirten (höchstens sind letztere wie die ganzen Eier etwas grösser), so kann man nur annehmen, dass die Form der offenen Pole ein früheres Entwicklungsstadium ist, was einerseits dadurch bestätigt wird, dass die erste Richtungsspindel ebenso aussieht, zweitens, dass man im Stadium der Metakinese diese Form nie mehr findet. Die Form der zweiten Riehtungsspindel mit geschlossenen Polen findet sich erstlich an einem Theil der Ovarialeier, zwei- tens an allen Eiern, die gelegentlich auf dem Wege der Ent- leerung z. B. im Peribranchialraum getroffen werden, drittens an allen eben in's Wasser entleerten Eiern. Eine Verdoppelung der Chromosomen hat an all den Spindeln dann noch nicht statt- gefunden. Immer findet man das Stadium der einfachen Aequa- torialplatte. Die Form der Chromosomen ist dieselbe wie die vor- hin beschriebene, längliche, häufig etwas unregelmässig gestaltete Stäbehen, die sieh aber von der Spindelfigur sehr viel schärfer abheben, als zur Zeit der offenen Spindelpole, weil der Unter- schied in der Färbung jetzt ein viel deutlicherer ist und ferner, weil auch die Spindelfasern viel zarter sind. Diese Darstellung der Richtungsspindeln an Ovarialeiern stimmt im Wesentlichen mit der van der Stricht’'s über- ein, soweit dieser dieselben Stadien beobachtete. Auch er ver- misst Centrosomen. Nur an einem bereits besamten Ei (Fig. 11 l. e.) will derselbe „Sphären‘“ an den Enden einer Richtungs- 39 J. Sobotta: spindel gesehen haben. Nun ist mir diese Abbildung aber über- haupt unverständlich. Es handelt sich um eine zweite Richtungs- spindel (im Stadium der Metakinese wahrscheinlich). Ich sehe nun an van der Stricht’s Figur gar keine Chromosomen. Vielmehr ist die eigentliche Spindel, die an anderen Figuren schwarz gezeichnet ist, hier hellroth dargestellt, und die ver- meintlichen ‚Sphären‘ enthalten dunkelroth — gezeichnete Chromo- somen, anders kann man die Figur van der Stricht’s doch gar nicht auffassen, denn sonst zeichnet er ja die Chromosomen dunkelroth, und sonst sind an der Figur ja keine zu erkennen. Die von den ‚‚Sphären‘“ ausgehenden scheinbaren Pohlstrahlen sind die oben schon erwähnten Fasern neben der (Central-) Spin- delfigur, die im Stadium der Metakinese so gut wie nie fehlen. In anderer Weise die betreffende Abbildung zu erklären, ist mir unmöglich, da sie laut Angabe der Tafel ad naturam delinea- ta ist. Entleerung der Eier und Besamung. Den Peribrauchialraum passiren die stossweise entleerten Eier normaler Weise nach meinen Beobachtungen sehr schnell. Erst wenn sie ins Wasser gelangt sind, werden sie befruchtet. In letzterem befinden sich, wie oben angegeben, allenthalben vertheilte Spermatozoön, da die Eier fast immer bereits im besam- tes Wasser abgelegt werden. Schon Kowalewsky !) machte diese Beobachtung. Niemals habe ich bereits besamte Eier im Peribranchialraum gefunden ; im Gegentheil, ich habe dadurch, dass ich eben aus dem Abdominalporus des T'hieres austretende Eier dort mit der Pipette aufsog, noch eine Anzahl erst in Be- samung begriffener und sogar noch unbesamter Eier erhalten. Van der Stricht!) giebt nun an, dass die Besamung wahrscheinlich im Peribranchialraum vor sich gehe und bildet eine Anzahl besamter beziehungsweise befruchteter Eier ab, die er dort gefunden hat (Fig. 8, 10, 15, 17). An und für sich ist es nun wohl vielleicht nicht unmög- lich, dass Spermatozoen in den Peribranchialraum gelangen, es scheint aber doch unter normalen Bedingungen nicht vorzu- kommen. Vielleicht erfolgte es bei den von van der Striecht 1) 1.Re: Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 35 untersuchten Thieren deswegen, weil er sie nicht während der Laichung in Ruhe liess. Uebrigens möchte ich zu den von diesem Autor abgebil- deten Eiern der erwähnten Figuren (8, 10, 15, 17) bemerken — eine Bemerkung, die zum Theil auch für die Figur 16 gilt —, dass diese Eier so auffallend abweichend von Amphioxuseiern sind — was auch van der Stricht erkennt —, dass ich sie, abgesehen davon, dass sie fast alle (8, 10, 15) polysperm zum Theil sogar stark polysperm (10, 15) sind, nur für ganz exquisit pathologische Bildungen halten kann. Wenn mir jemand ein Präparat zeigt, welches der Figur 17 van der Stricht's entspricht, so würde ich dasselbe für alles andere eher erklären, als für ein Amphioxusei ; ich möchte fast sagen, das geht auch aus van der Stricht’s eigenen Abbildungen, namentlich denen der Pl. II. hervor. Was diese Figuren (8, 10, 15, 16, 17), die ich nie beobachtete, zu bedeuten haben, kann ich nicht angeben. Sind es überhaupt Ampbhioxuseier, dann sind sie, auch abgesehen von der Polyspermie, enorm pathologisch. Wie gesagt, erfolgt die Entleerung der Eier eigentlich immer in bereits besamtes Wasser oder wenigstens zur gleichen Zeit, wo ein Männchen Sperma auswirft. Fälle, in denen die Eier in nicht besamtes Wasser gelangen, scheinen für Polyspermie zu prädisponiren. An den Eiern vollzieht sich nämlich, sowie sie ins Wasser selangen, meist gleichzeitig mit der Besamung, aber eventuell auch unabhängig von ihr, eine Erscheinung, die van der Strieht völlig entgangen ist, weil er wahrscheinlich in Be- samung begriffene Eier nieht conservirte. Auf diese Weise ver- fällt der verdiente belgische Histologe in eine Reihe entschuld- barer Irrthümer. Die Erscheinung selbst ist übrigens zum Theil schon von Hatschek!) beschrieben worden und hat fast ge- naue Analogien bei der Besamung von Eiern anderer Thiere. Es erfolgt nämlich im Augenblick, wo die Eier ins Wasser gelangen, die Bildung der Hauptmembran des Eies, die im Ovarium noch nieht gebildet war, und zwar durch Umwand- lung der Rindenzone des Eies; und bei gleichzeitiger Besamung erfolgt meist auch die sofortige Abhebung der Membran vom Ei. oelre: Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 3 34 I Sobotta® Die Bildung der Membran selbst erfolgt schon durch Berührung mit dem Wasser, erfolgt oder beginnt also auch schon an Eiern, die den Peribranchialraum nicht schnell durchsetzen. | Der ganze Vorgang vollzieht sich anscheinend sehr schnell, so dass ieh ihn nur an Eiern, die ich am Abdominalporus des Thieres auffing, in allen Phasen beobachten konnte. Es handelt sich im Wesentlichen darum, dass die eigen- thümliche homogene Rindenzone des Ovarialeies sich — wahr- scheinlich nach Retracetion der in sie hineinragenden Plasmafäden vollständig vom Ei lostrennt und zu einer festen Haut erstarrt. Die Trennung von der eigentlichen Eisubstanz erfolgt wohl blitz- schnell, denn in allen Eiern, die ich untersuchen konnte, war diese Trennung schon erfolgt und bereits so deutlich, dass es fast schien, als sei die eigentliche Eisubstanz sogar schon durch eine Art Zellmembran gegen die abgestossene Rindenzone abge- grenzt. Wahrscheinlich wird man den Vorgang nur am lebenden Ei unter dem Mikroskop als solchen verfolgen können. Die Erstarrung der abgestossenen Rindenzone dagegen er- folgt langsamer und zwar nicht immer in ganz gleicher Weise. In Fällen, in denen nicht gleichzeitig die Besamung stattfindet, scheint sie sich einfach an der Oberfläche des Eies allmählich zu einer anfangs ziemlich dicken (über 1 u starken) Haut umzu- bilden (Fig. 9). Meist aber erfolgt gleichzeitig Besamung und damit zugleich eine starke ziemlich plötzliche Abhebung der in Bil- dung begriffenen Haut. Dieselbe kann unter den gleichen Umständen wieder in zwei etwas abweichenden Formen erfolgen: entweder werden die grossen rundlichen Elemente der Rindenzone des Ovarialeies durch Retraction der ganzen Plasmamasse frei und erfüllen so ziemlich dieht den Raum zwischen der eigentlichen Ei- zelle und der vom Ei nach dem Eindringen des Wassers weiter abgehobenen äusseren im Ovarium gebildeten Hülle (Fig. 7). Später legen sich dann diese „Körner“ wahrscheinlich unter weiterer Verflüssigung und nachträglicher Erstarrung an die äussere Hülle dicht an, wo sie zu der (diekeren) Hauptimembran des Eies werden. In andern nicht viel selteneren Fällen — man findet bei- des nebeneinander an gleichzeitig entleerten Eiern desselben Thieres — findet man bei der Bildung der Membran nicht die kugeligen Elemente der ehemaligen Rindenzone des Ovarialeies, Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 35 sondern eine aus diesen hervorgegangene, wahrscheinlieh Anfangs halbflüssige Masse, die dem Ei zunächst fest anliegt (Fig. 6), sich aber sofort nach dem Eindringen des Samenfadens eine Strecke weit abhebt (Fig. 11, 13, 15). Sie erfüllt dann zunächst den ganzen Raum bis zur äusseren im Ovarium gebildeten Hülle, verdichtet sich dann aber deutlich von der dem Ei zugekehrten Seite aus zur Hauptmembran desselben (vgl. Fig. 11 u. 13 mit Fig. 15). Man könnte beide Vorgänge der Membranbildung, für ver- schiedene Stadien desselben Processes halten; indess habe ich namentlich von dem letzteren Modus alle Zwischenstadien von der eng anliegenden Membran an bis zur völligen Abhebung und Verdichtung gesehen. Der letztere Modus des Processes scheint derjenige zu sein, welcher an reiferen Eiern stattfindet, bei denen die Rindenzone schon mehr verflüssigt ist. Das entleerte Ei des Amphioxus, namentlich das besamte, besitzt also ausnahmslos zwei Hüllen, eine innere stärkere und eine äussere schwächere. Letztere wird bereits im Ovarium ge- bildet, nimmt aber durch Eindringen von Wasser und dadurch bedingte Dehnung bald an Dicke ab, Beide Hüllen liegen später meist dicht aneinander, wobei die dünnere äussere häufig stark gekräuselt erscheint (Fig. 10—26); sie entfernen sich im Lauf der Entwicklung immer mehr vom Ei, wie schon Hatschek!) genau beschrieb, verdünnen sich dabei natürlich entsprechend der Dehnung. Ich möchte nun zunächst noch Einiges über die Gestalt der Eier mittheilen. Im Ovarium liegen die Eier gegeneinander ab- geplattet (Fig. 1), auch sind sie häufig etwas länglich, während sie schon im Peribranchialraum fast genaue Kugelgestalt anneh- men. Die entleerten Eier sind stets kugelig und zeigen höchstens an der Stelle der Richtungsspindel eine leichte Abplattung, die auch schon Hatschek!) abbildet. Grössere Abweichungen von der Kugelform kommen an entleerten Eiern kaum vor. Der Durchmesser der Eier ist ein individuell ziemlich verschiedener; er schwankt zwischen 95 und 155 u an Eiern aus Flemming- scher Lösung gemessen (Sublimateier sind durchgängig kleiner) ; Jedoch sind beide Extreme selten. Meist beträgt die Grösse Niere 36 J. Sobotta: 110—1l5u. Ob das Ei eine eigene Zellmembran besitzt, wird schwer zu entscheiden sein, jedenfalls bestelit eine membranartige äussere Schicht der Eisubstanz, die aber schwerlich eine isolir- bare Hülle darstellt. Das gilt noch mehr für die Ovarialeier, an denen van der Stricht ebenfalls eine eigene (Zell-) Mem- bran annimmt. Jedenfalls, selbst wenn man die äusserste Lage des Zellleibs als Membran bezeichnen will — man kann ja streiten, was eine Membran ist —, ist die Zellmembran des Ovarial- und entleerten Eies nieht die gleiche, wie van der Stricht angiebt, denn die ganz äussere Rindenzone des Övarialeies fehlt ja schliesslich an den besamten entleerten Eiern, und die Zell- membran der letzteren ist eine Neubildung. Dasselbe gilt auch für die Richtungskörper, an denen van der Stricht ebenfalls eine Membran annimmt. Die des ersten ist dann jedenfalls ganz verschieden von der des zweiten. Indess ist diese ganze Frage so gänzlich belanglos, dass ein weiteres Verweilen bei ihr wohl unnöthig ist. Was nun die allgemeine Struktur der entleer- ten Eier gegenüber den Ovarialeiern betrifft, so ist dieselbe nieht unerheblich abweichend, so dass die entleerten Eier auf den ersten Blick einen von den Ovarialeiern nicht unwesentlich andern Anblick gewähren (vergl. Fig. 3 u. 4 mit den folgd. Fig.). Es rührt das hauptsächtlich davon her, dass die ganze Rinden- zone der ÖOvarialeier nun fehlt. Die mit Dotterkörner dicht besetzte plasmatische Substanz des Eies reicht also bis an die neugebildete Zellmembram desselben. Nur ganz aussen findet sich oft eine minimal schmale Zone dotterfreien Protoplasmas. Sonst ist gerade der peripherische Theil des Eies derjenige, der die meisten und grössten Dotterkörner zeigt, eine Anordnung, die namentlich während der späteren Befruchtungsstadien deut- lich ist. Die Zahl der Dotterkörner hat sich gegenüber dem Ovarialei anscheinend vermehrt, in Wirklichkeit dürfte jedoch nur die Gesammtzahl der Dotterkörner jetzt mit Eisenhämatoxy- lin intensiv färbbar sein, während im Ovarium immer ein Theil sich nur schwach damit färbt. Uebrigens enthalten die kleineren Eier meist auch kleinere Dotterkörner, obwohl auch die abso- lute Zahl in kleinen und grossen Eiern nicht die gleiche ist. Die Grösse der Dotterkörner ist im selben Ei eine wechselnde. Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 37 Die grössten messen bis 1,5 u, die grösseren bis 1 u, die klein- sten 0,3—0,5 u). Das zwischen den Dotterkörnern allenthalben vertheilte Protoplasma zeigt eine sehr diehte und zarte Struktur, über die ich nichts Genaueres eruiren konnte. Ihre wesentliche Anord- nung ist die eines Netzes feinster Fädchen, das aber nicht an- nähernd so grob ist wie m van der Stricht's Figuren 19 und 22—24. Von den hier beschriebenen Vorgängen der Bildung der Hauptmembran des Amphioxuseies hat van der Stricht überhaupt nichts gesehen, beziehungsweise nichts beschrieben. Nur einige der Resultate bildet er ab, nämlich, dass die ent- leerten Eier doch eine wesentlich anders gestaltete Rindenzone haben als die Ovarialeier. Er bemerkt das übrigens auch aus- drücklich, und da er die Elemente in der Rindenzone der Ova- rialeier für Dotterkörner hält und sie an den entleerten Eiern vermisst, so nimmt er an, dass diese „Dotterkörner‘“ später ins Innere des Eies wandern, ein Vorgang, der mir in seiner Mecha- nik allerdings nicht ganz klar ist. Was mir an van der Stricht’s Angaben und Abbil- dungen am unverständlichsten ist, ist der Umstand, dass er an allen entleerten Eiern nur eine Membran beschreibt und abbildet, welehe unzweifelhaft die Hauptmembran ist. Falsch ist, dass er diese mit der später von ihm nicht mehr beobachteten Hülle der Ovarialeier identifieirt, die zur äusseren Membran wird. Der im Ovarium abgestossene erste Richtungskörper ist nach dem oben (pag. 27) Gesagten natürlich jetzt vom Ei durch 2 Mem- branen getrennt, wie in den wenigen Fällen, wo man ihn Jetzt noch antrifft, zu sehen ist (Fig. 10). Diese völlige Trennung vom Ei und auch vom zweiten Riehtungskörper (s. u.), die dureh die Dehnung der Hülle immer noch grösser wird, macht die Angabe Hatschek’s von nur einem Richtungskörper ebenso wie meine ersten gleiehlautenden Aussagen verständlich und entschuldbar. Ueber das Verhalten der Richtungsspindeln an entleerten 1) In meinem Referat in den Ergebnissen der Anat. u. Ent- wicklungsgeschiche ist ein Druckfehler stehen geblieben. Es heisst dort, die Dotterkörner des Amphioxus seien 1—-3u gross. Es sollte heissen 0,3—1yu gross. Dotterkörner von 3 giebt es beim Am- phioxus nicht. 38 J:S:0%brolL a: Eiern werde ich erst unten sprechen, nachdem ich kurz das Wenige mitgetheilt habe, was ich über den Modus des Eindringens des Spermatozoons gesehen habe. Dasselbe erfolgt wahrschein- lich sehr schnell, denn nur an den Eiern, welche mir auch zum Studium der Bildung der Hauptmembran des Eies dienten (siehe oben pag. 33), war es mir möglich, einiges darüber zu erfahren. Die kleinen Spermatozoen des Amphioxus sind be- kanntlich zuerst von Kölliker!) 1843 beschrieben worden. Auch die Beobachtung mit den von mir angewandten Methoden hat nichts wesentlich Neues über ihren Bau ergeben, soweit solche Beobachtungen gelegentlich dieser Untersuchungen angestellt wurden. Der Kopf ist kugelig oder nahezu kugelig und färbt sich mit Eisenhämatoxylin intensiv schwarz. Er hat die Grösse der grösseren Dotterkörner des Eies und misst 1 u oder wenig mehr. Von den grösseren Dotterkörnern ist derselbe häufig gar nicht zu unterscheiden. Es kommt nämlich vor, dass beim Sammeln der Eier das eine oder andere zerdrückt wird, dass die Dotter- körner ausfliessen und an den Hüllen benachbarter Eier kleben bleiben. Dann findet man der äusseren Hülle des Amphioxuseies zahlreiche mit Eisenhämatoxylin sieh schwarz färbende kugelige Körper anliegend, von denen es nicht zu sagen ist, ob sie Dotter- körner oder Spermatozoen darstellen. Hier gaben die wenigen Boraxkarminpräparate Aufschluss, die angefertigt wurden, indem die Spermatozoenköpfe sich dunkelroth, die Dotterkörner fast gar nicht färbten. Es zeigt sich dabei, dass während der Befruch- tungsvorgänge und auch noch während der Furchung die äussere Hülle des Eies mit Spermatozoenköpfen besetzt ist, die häufig sogar in kleinen Klumpen beisammen liegen. Vom Schwanzfaden sieht man an den Canadabalsam- präparaten gewöhnlich wenig. Nur an einzelnen Präparaten, die mit Orange G nachgefärbt waren, konnte ich denselben als feinen nicht übermässig langen Faden sehen, ähnlich wie ihn Kölliker?) abbildet. In einigen Fällen sah ich auch eine blassgefärbte, un- gefähr halbmondförmige Masse dem hinteren Ende des Kopfes 1) Müller’s Archiv Jahrgang 1843 als Anhang zur Beobach- tung über das Riechorgan des Amphioxus. DEE. Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 39 aufsitzend, vielleicht das Verbindungsstück. Jedoch schien es sich dabei um unreife Spermatozoen zu handeln, denn die Erscheinung war relativ selten. Mitunter bemerkte ich auch hinter dem Sper- matozoenkopf einen ganz kleinen punktförmigen Körper, ihm ganz dieht anliegend (nur bei stärkster Vergrösserung und günstiger Lage von der Substanz des Kopfes trennbar), der sich mit Eisen- hämatoxylin ebenfalls intensiv färbte, vielleicht das Centrasoma. Constant habe ich das aber nicht sehen können. Die an das Ei herantretenden Spermatozoen durchbrechen im Augenblick, wo das Ei mit dem bereits besamten Wasser in Berührung gelangt, die äussere im Eierstock gebildete Hülle des- selben und kommen in den Bereich der um diese Zeit sich meist erst bildenden zweiten (Haupt-)Membran, d. h. entweder zwischen die körnerartigen Bildungen oder in die zähflüssige halberstarrte Masse der Membran (Fig. 6, 13). Letztere setzt dem Eindringen der Spermatozoen in diesem Stadium sicherlich nieht den ge- ringsten Widerstand entgegen. Unmittelbar aber nachdem der Samenfaden die Eisubstanz berührt hat, findet unter gleichzeitiger Erstarrung die Abhebung der Membran statt (Fig. 15). Auf diese Weise wird das Ei ziemlich sicher vor Polyspermie geschützt. Erfolgt nach der Entleerung ins Wasser nicht sofort Be- samung, so bildet sich wohl die Membran, aber sie bleibt dem Ei fest anliegen (Fig. 9). Für Spermatozoen ist sie auch dann nicht undurehdringlich, wie zahlreiche Beobachtungen zeigen, aber die Samenfäden dringen, da nun nachträglich keine augen- bliekliche, sondern nur eine ganz allmähliche Abhebung!) erfolgt, dann häufig in Mehrzahl in die Eisubstanz ein. Das unter normalen Verhältnissen zu beobachtende Ver- halten bein Amphioxus ist also ein ganz analoger Vorgang wie beim Seeigelei. Thatsächlich schützt er auch beim Amphioxus ziemlich sicher vor Polyspermie. Der durch die im Bildung begriffene Hauptmembran des Eies gedrungene Samenfaden tritt mit seinem Kopf in die äusserste etwas plasmareichere Zone des Eies, die sich ihm wahrscheimlich 1) Eine Abhebung der Membran findet auch in diesen Fällen stets statt, da die Eier immer, bereits während der Befruchtung und Furchung, von der Schale durch einen grossen Schalenraum getrennt sind. Aber diese Abhebung erfolgt langsam und ganz allmählich. 40 J2,Siorblortit.ar: in Gestalt eines Empfängnisshügels entgegenwölbt. Dafür sprachen wenigstens die wenigen Bilder, die ich in diesem Sta- dium beobachtete (Fig. 13). Beobachtungen an lebendem Mate- rial fehlen mir leider. Aber der Ort, an dem ich das Material sammelte (s.obenpag. 19), war zur Anstellung solcher wenig günstig. Wenn der Samenfadenkopf ins Ei eingedrungen ist (ob der durchsichtige Schwanzfaden mit eindringt, konnte ich an meinem Material nicht constatiren), nimmt er — wahrscheinlich sehr schnell — eine höchst eigenthümliche Gestalt an. Er quillt näm- lich ganz enorm auf, erreicht das vielfache seiner Grösse und zeigt dabei die seltsamsten oft geradezu bizarre Formen. Es lässt sich nicht einmal ungefähr angeben, welches die Grundform ist; meist ist es eine längliche, bald an einem Ende dickere, bald gleichmässig dieke Masse; oft zeigt sich auch die Gestalt eines mehrfach gefalteten Bandes (Fig. 10, 12, 17). Stets han- delt es sich um ganz unregelmässige Formen. Hand in Hand mit der Aufquellung und Vergrösserung des Spermatozoenkopfes nimmt seine Färbbarkeit ab. Anfangs mit Eisenhämatoxylin sich intensiv färbend, zeigt er jetzt nur noch eine ganz matte Tinction. Der so gestaltete aufgequollene Spermatosomen- kopf liegt in einem kleinen plasmatischen Hof unmittelbar an der Eioberfläche (Fig. 10, 12, 17), doch grenzen die nächst- gelegenen Dotterkörner, namentlich die kleinsten Durchmessers, häufig fast unmittelbar an den Samenfadenkopf. Dieser Um- stand macht es so gut wie unmöglich, zu constatiren, ob an dem eingedrungenen Samenfadenkopf ein Centrosoma nachzuweisen ist, da die Dotterkörner sich mit Eisenhämatoxylin ganz schwarz färben '). Man sieht in allernächster Nähe des Spermatozoen- kopfes häufig einen kleinen intensiv gefärbten Punkt, der sehr wohl das Öentrosoma sein könnte, aber angesichts der vielen ge- nau so aussehenden benachbarten Dotterkörner wage ich das nicht zu entscheiden. 1) Auch Bordeauxvorfärbung hat mir hier keine Entscheidung gebracht. Die meisten in Frage kommenden Eier waren mit Flem- ming’scher Lösung conservirt, wobei ich nie eine genügende Fär- bung mit Bordeaux erzielte. Sublimatpräparate gaben in so fern keine besseren Resultate, als die Dotterkörner auch nach starker Bordeauxvorfärbung die Eisenfarbe sehr fest halten, insbesondere die kleinen, die sich nicht mal an Ovarialeiern ganz entfärben lassen. Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 41 Nun fragt es sich, ob die aufgequollene aus dem einge- drungenen Samenfaden sich bildende Masse der Kopf allein ist oder aueh der Schwanzfaden. Ich entscheide mich trotz der gegentheiligen Behauptungen van der Strieht’s unbe- dingt für das Erstere. Die ganze Masse scheint mir doch wegen ihres Aussehens und ihrer einheitlichen gleichmässigen Färbbarkeit nichts weiter zu sein als stark aufgequollenes Chromatin. Sollte auch der Schwanzfaden darin enthalten sein, so müsste derselbe ja doch dieselbe Structur und Färbbarkeit angenommen haben wie die Chromatinsubstanz des Samenfadenkopfes. Dass aber der Schwanzfaden aus CUhromatin besteht, wird nicht leicht Je- mand behaupten. Nun stützt sich van der Stricht’s Angabe auf die Ge- stalt der Chromatinmasse in seiner Figur 12. Das Eindringen des Samenfadens selbst hat er par nicht beobachtet. Das Ge- bilde der Figur 12 stellt aber meiner Ansicht nach nichts anderes dar, als einen besonders auffällig gestalteten aufgequollenen Samenfadenkopf, zumal ich ähnliche Bilder selbst oft erhalten habe, daneben aber alle Uebergänge zu den gewöhnlicheren Formen. Es müsste, wenn van der Stricht's Deutung seiner Figur wirklich riehtig wäre, der Schwanzfaden genau dasselbe Aus- sehen angenommen haben wie der Kopf und zugleich auf das Vielfache seiner Dicke angewachsen sein. Wie bereits erwähnt, dringen Spermatozoen auch durch die bereits gebildete aber noch nicht abgehobene Hauptmembran des Eies, in Fällen, wo die Besamung nachträglich erfolgt. Da auch dann keine sofortige Abhebung erfolgt, so können auch eine ge- wisse Zeit nachher noch Spermatozoen eindringen. Dieselben machen im Ei natürlich dieselben Veränderungen durch, wie oben aus- einandergesetzt, und man findet daher auch in solchen Eiern mehrere derartig umgewandelte Spermatozoenköpfe und zwar, wie wir unten sehen werden, zum Theil gleichzeitig in verschiedenen Stadien der Umbildung. Van der Stricht hat-nun beim Sammeln des Materials einen anderen Weg eingeschlagen als ich. Er isolirte die Eier auswerfenden Weibchen und setzte dann zu den ins Wasser abgelegten Eiern Sperma. Er schuf also andere Bedingungen, als man unter normalen Verhältnissen beobachtet (s. oben p. 33) und begünstigte nach dem oben Gesagten geradezu die Poly- 49 J. Sobotta: spermie. Daher kommt es auch, dass er sieherlich, und noch dazu zum grossen Theil unbewusst, mit mindestens sehr poly- spermem Material gearbeitet hat. Während nun der Samenfaden ins Ei eindringt und sich dort zu dem beschriebenen chromatischen Klumpen umwandelt, vollzieht sich die Metakinese an der zweiten Richtungsspindel. Der Samenfaden kann natürlich an beliebigen Stellen der Ei- oberfläche eindringen; gewöhnlich geschieht es aber in einiger Entfernung von der Stelle der Richtungsspindel, gewöhnlich so- gar dieser ungefähr gegenüber am entgegengesetzten Pole des Eies. Die Riehtungsspindel erscheint jetzt im Wesentlichen in derselben Gestalt wie an den älteren Ovarialeiern. Dagegen ist natürlich ihre Lage eine abweichende, da ja die ganze äusserste Zone des Ovarialeies in die Hauptmembran umgewandelt ist, und zwar eine viel oberflächlichere, so dass der peripherische Pol meist unmittelbar die Eiperipherie berührt. In diesem Zu- stand verharrt die zweite Richtungsspindel, wenn keine Befruch- tung eintritt. Umd ich habe zwischen gefurchten Eiern gelegent- lich ungefurchte gefunden, bei deren grösstem Theil zwar die weitere Entwicklung wegen polyspermer Befruchtung ausgeblieben war, bei einem kleinen Theil aber auch deswegen, weil that- sächlich keine Befruchtung eingetreten war. Dieselben zeigten dann das Verhalten der Fig. 9, d. h. eine Richtungsspindel im Stadium der Aequatorialplatte; jedoch hebt sich die Membran natürlich bei längerem Liegen im Wasser auch von unbefruch- teten Eiern allmählich ab. Bei den Amphioxuseiern findet also, ohne dass Befruch- tung stattfindet, eine weitere Entwicklung nicht statt, ja es kommt dann nicht einmal zur Metakinese der zweiten Riehtungs- spindel. Das Amphioxusei verhält sich in diesem Punkte ge- nau so wie alle anderen Wibelthiereier, d. h. wenn es nicht be- fruchtet wird, geht es mit der zweiten Richtungsspindel zu Grunde. Niemals findet auch nur eine Andeutung einer parthe- nogenetischen Furchung statt, nieht einmal die sogenannten Pseudofurchen treten auf. Ist ein Spermatozoon im Ei des Amphioxus eingetreten, so vollzieht sieh an der Richtungsspindel die Erscheinung der Meta- kinese. Die Verdoppelung der Chromosomen durch Theilung habe ich nicht beobachten können, und es dürfte auch das Am- Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Ampbioxus lanceolatus. 43 phioxusei für diesen Vorgang ein recht ungeeignetes Object sein. Jedenfalls findet eine Theilung statt, denn man findet in Diaster- und Dispiremstadium an jedem Pol ungefähr die gleiche Anzahl Chromosomen wie vorher in der Aequatorialplatte. Die Chromo- somen sind stäbehenförmig, häufig allerdings (Fig. 15) von sehr un- regelmässiger Gestalt. Stets deutlich sind jetzt die seitlich neben der Centralspindel liegenden Zugfasern (Fig. 8, 11, 12), oft so- gar eminent deutlich (Fig. 15). An den Centralspindelfasern bilden sich in der Mitte in den meisten Fällen spindelförmige Verdiekungen aus (Fig. 11). Die Pole der Spindel zeigen natürlich auch jetzt keine Centrosomen. Häufig (Fig. 8, 9) bildet sich über dem periphe- rischen Pol der Spindel, also an der Stelle, wo der zweite Rich- tungskörper entsteht, schon jetzt eine leichte kuppelförmige Er- hebung der Eisubstanz. Die Spindelfiguren sind übrigens mit- unter von recht verschiedener Grösse, auch bei gleich grossen Eiern und gleicher Conservirung. So stellt Fig. 15 eine gerade- zu enorm grosse Figur dar. Das Stadium der zweiten Bichtungsspindel in der Meta- kinese mit dem eingedrungenen Samenfaden(kopf) findet man ungemein häufig an Eiern, die wenige bis 10 oder 15 Minuten nach der Besamung conservirt werden. Allmählich — ungefähr 15 Minuten nach der Besamung — erfolgt dann die Bildung des zweiten Richtungskörpers. Das Ei bildet eine plasmatische Erhebung, in die sich nur selten einige Dotterkörner verirren. Diese Erhebung nimmt den peripherischen Theil der Spindelfigur mit der dort gelegenen Chromosomengruppe auf (Fig. 16). Der centrale Pol der Spindel mit seiner Chromo- somenhälfte bewahrt jetzt ein viel regelmässigeres Aussehen. Die Centralspindel als solche mit den meist deutlichen Ver- diekungen erhält sich dabei lange. Erst wenn die Abschnürung des zweiten Richtungskörpers weiter fortschreitet (Fig. 14), schnürt sie sich ein und bildet gewöhnlich an dieser Stelle kleine aus den vorhin beschriebenen Verdiekungen hervorgegangene Central- spindelkörperchen, Bildungen, die ja nun bereits bei sehr vielen Mitosen beobachtet worden sind. Die Reste der Centralspindel erhalten sich noch lange; auch wenn die Abschnürung des Richtungskörpers so gut wie vollendet ist, sind sie noch zu erkennen (Fig. 17 und 18). An 44 JE, StorhroHa: der Stelle der Centralspindelkörperchen trennt sich dann der zweite Richtungskörper vom Ei. Die Chromosomen des ersteren bleiben entweder als solche in etwas unregelmässiger Gestalt bestehen oder bilden auch nicht selten einen kleinen runden Kern. Letzteres erfolgt beim ersten Riehtungskörper anscheinend nie. Der zweite Richtungskörper ist nur wenig mehr als halb- sogross wie der erste. Ob er eine Membran hat oder nicht, scheint mir eine müssige Frage. Nimmt man an, dass das Ei eine eigene Zellmembran hat, so hat diese auch der Rich- tungskörper. Wenn die Abschnürung des zweiten Richtungskörpers vor sich geht, bildet sich um die im Ei zurückgebliebene Chromo- somengruppe eine Anfangs sehr zarte aber doch deutliche Strah- lung aus, mit den Chromosomen als Mittelpunkt (Fig. 14). Es scheint fast als ginge die Strahlung ganz oder zum Theil aus den oben erwähnten seitlichen Zugfasern (s. ob. p. 30) hervor. Von den hier beschriebenen Erschemungen der Metakinese der zweiten Richtungsspindel hat van der Stricht eine genaue und zutreffende Darstellung gegeben (einzige Ausnahme s. ob. pag. 32), sodass meine Darstellung mit der seinigen im Wesent- lichen übereinstimmt. Bildung der Vorkerne. Ungefähr 20—25 Minuten nach der Besamung (ganz genaue Zeitangeben kann ich nieht machen) findet man die beiden Vorkerne im befruchteten Amphioxusei. Obwohl ich dieselben im fertigen Zustand gleich Anfangs bei meinen Untersuchungen beobachtete, war es mir damals doch bloss möglich, die Bildung des Eikerns zu verfolgen. Erst nach langem Suchen habe ich Stadien gefunden, welche die Umwandlung des aufgequollenen Samenfadens in den Spermakern darstellen. Der Grund, warum ich diese Stadien Anfangs ganz übersehen konnte, wurde mir dabei zugleich klar. Diese Stadien (Fig. 22 und 23) entzogen sich innerhalb der dicht gelegenen Dotterkörner dem Blicke auch bei Benutzung starker Vergrösserungen, und erst die Anwendung ganz hoher Vergrösserungen auf vorher als verdächtig befundene Stellen gab mir die gewünschten Aufsehlüsse. Was zunächst die Bildung des Eikerns betrifft, so nimmt die vorhin beschriebene Chromosomengruppe am centralen Pole Die Reifung u. Befruchtung des Kies von Amphioxus lanceolatus. 45 der Riehtungsspindel allmählich die Form eines unregelmässig begrenzten ehromatischen Klumpens an, der durch Reste der Centralspindel noch mit der Eioberfläche und meist auch dem Riehtungskörper in Verbindung steht, und zugleich das Centrum der bereits erwähnten zarten Strahlung darstellt. Die ganze Figur findet sich in einem von Dotterkörnern nicht ganz freien Hof an der Stelle der zweiten Richtungsspindel. Aus dieser intensiv färbbaren Chromatinmasse bildet sich ein kleiner ebenfalls noch ausnahmslos intensiv färbbarer Kern, der wiederum im Centrum der jetzt meist noch etwas deutlicheren Strahlung liegt (Fig. 17 und 18), was auch van der Stricht angiebt und abbildet. Es findet sich nicht etwa neben dem Kern ein Centrosoma, von dem die Strahlung ausginge. Welche Veränderungen macht nun der aufgequollene Sperma- tozoenkopf durch? Ich bemerke gleich, dass die Ausbildung desselben zum Spermakern nicht etwa völlig Schritt halten muss mit der Bildung des Eikerns. So zeigt Fig. 17 einen schon ge- bildeten Eikern und erst aufgequollenen eingedrungenen Samen- faden!), Fig. 18 dagegen den Spermakern deutlich dem Eikern in der Entwicklung voraus, Fig. 19 beide ungefähr von gleicher Ausbildung. Von der Umbildung des so häufig zu beobachtenden aufge- quollenen Spermatozoon in dem Spermakern stehen mir nur wenige Präparate zur Verfügung. Das zunächst in Betracht kommende ist auf Fig. 22 zur Darstellung gebracht. Es fand sich hier zunächst eine recht deutliche von einem punktförmigen Centrosoma ausgehende Strahlung innerhalb eines kleinen nahezu dotterfreien Plasmahofs, die mir beim Durchsuchen des Präparats zuerst ins Auge fiel. Ich suchte anfangs vergeb- lich nach einem zu dieser Strahlung gehörigen Kerne oder Kern- gebilde, ohne denselben — auch auf den angrenzenden Schnitten nicht — zu finden. Erst später fiel mir bei Anwendung sehr hober Vergrösserung der m Figur 22 mit spk bezeichnete chromatische Klumpen auf, der sich mit Eisenhämatoxylin unge- fähr ebenso so stark gefärbt hatte wie die umliegenden Dotter- kömer. Er fiel letzteren gegenüber durch seine etwas unregel- mässigen Formen, durch seine Grösse und auch etwas geringere 1) Allerdings bei etwas verspäteter Befruchtung. 46 J. Sob.otta” Färbbarkeit auf. Vor allem zeigte sich aber eine unverkennbare Beziehung zu der oben beschriebenen Strahlung. In Anbetracht dessen und mit Rücksicht auf das gleich zu beschreibende folgende Stadium glaube ich nicht fehl zu gehen, wenn ich annehme, dass es sich hier um den in Bildung be- griffenen Spermakern handelt, zumal im Ei ausser dem unter dem oben abgeschnürten Richtungskörper gelegenen jungen Eikern sonst kein Kern oder kernähnliches Gebilde zu finden war. Dass es sich hier nieht etwa um ein früheres Ent- wickelungsstadium handelt, als das oben beschriebene des auf- gequollenen Spermatozoenkopfes, geht schon daraus hervor, dass das Gebilde nicht mehr an der Oberfläche des Eies lag, wie letzterer, sondern von dieser bereits durch eine Dotterbrücke ge- trennt war. Auch spricht die Entwicklung der Strahlung und die Aehnlichkeit mit dem folgenden Stadium unbedingt dafür, dass es sich um ein späteres Stadium handelt. Das anfangs zu einer relativ wenig färbbaren Masse aufge- quollene Chromatin des Samenfadenkopfes contrahirt sich also nachträglich wieder zu einem bei weitem stärker färbbaren und kleineren chromatischen Klumpen. Die Erscheinung, dass der Samenfadenkopf des Amphioxus so colossal nach seinem Eintritt ins Ei aufquillt, ist bereits eine sehr eigenthümliche. Es findet ja auch bei Eiern vieler anderer, ja wohl der meisten Thiere ein Aufquellen des Samenfadens statt, aber meines Wissens nirgends in dem Maasse. Vor allem findet dann aber niemals wieder eine Verkleinerung nachträglich statt, wie es beim Amphioxus der Fall ist, sondern es erfolgt dann direkt die Umbildung in den Jungen Spermakern. Das Verhalten des Amphioxus dürfte daher auch in dieser Beziehung ziemlich einzig dastehen. Wie bereits kurz bemerkt, liegt das so contrahirte Chro- matin des Samenfadenkopfes in einem kleinen Plasmahofe, der nicht mehr mit der Eioberfläche zusammenhängt, sondern bereits durch eine dünne Brücke von Dotterkörnern von dieser getrennt ist. Die Mitte des plasmatischen Hofes nimmt nicht der Spermakern, sondern das Centrosoma ein. Letzteres erschien als sehr kleiner, nur 0,4 u messender Punkt, der mit Eisenhämatoxylin sich dunkel, aber etwas weniger intensiv als die Dotterkörner färbte. Es tritt gleichzeitig mit der Entfernung Die Reifune u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 47 oO > des Spermakerns von der Eioberfläche, also auch sein Gentrosoma in Action, indem es eine Strahlung ausbildet. Alsbald entsteht nun aus dem eben beschriebenen ehroma- tischen Klumpen ein zunächst sehr kleiner und zwischen den Dotterkörnern ebenfalls nur schwer zu erkennender dunkel färb- barer Kern mit sehr diehtem Chromatinnetz (Fig. 23). Zugleich nimmt die Strahlung um das Centrosoma herum deutlich zu und ebenso vergrössert sich der plasmatische Hof. Das Centrosoma selbst zeigte ungefähr dieselbe Grösse wie in den vorigen Sta- dien und hatte in dem der Abbildung zu Grunde liegenden Prä- parat einen etwas dunkleren Hof um sich. Während der junge Spermakern sich so ausbildet und auf die angegebene Weise allmählich seinen Weg nach dem Inneren des Eies zu antritt, schnürt sich auch der junge Eikern, der langsam an Grösse zunimmt, von der Eioberfläche ab, indem eine Anfangs nur ganz dünne Brücke von Dotterkörnern sich zwischen ihn und die Eiperipherie schiebt (Fig. 19). Der ab- gestossene zweite Richtungskörper liegt dann später noch meist in der Nähe des jungen Eikerns. Wenn der Eikern die Ober- fläche des Eies verlässt, verschwindet die Anfangs deutliche Strahlung um ihn (s. oben pag. 44) allmählich gänzlich. Das Prä- parat der Fig. 19 zeigte nur noch ganz undeutliche Reste einer solchen. Es fehlt dann also dem jungen Eikern nicht bloss ein Centrosoma, sondern auch eine Strahlung. Wir haben um diese Zeit im Ei des Amphioxus also nur ein Centrosoma, das des jungen Spermakerns. Mit den oben auseinandergesetzten Beobachtungen stehe ich im direkten Gegensatz zu den Angaben van der Stricht's. Zunächst glaubt derselbe, ohne übrigens die entscheidenden Stadien beobachtet zu haben, dass von der aufgequollenen Sper- matozoenmasse sich nur ein Theil, anscheinend sogar nur ein mässiger Theil zum jungen Spermakern umwandle. van der Stricht schliesst das erstlich aus der geringen Grösse des neu- gebildeten Spermakernes und zweitens daraus, dass angeblich auch nach Bildung des Spermakernes noch ein Theil der aufgequollenen Samenfadenmasse an der Eioberfläche unumgewandelt zurück- bleibe. Dazu giebt van der Stricht’s Fig. 20 eine Illustra- tion. Man müsste die nicht umgewandelte Spermatozoenmasse in noch deutlicherer Weise auf dem früheren Stadium der Fig. 19 48 J.:Sobotta: van der Stricht’s sehen, wovon aber nichts zu entdecken ist. Es scheint nach Maassgabe mangelnder Angaben des Autors auch auf andern Schnitten nichts davon zu sehen gewesen zu sein, wie übrigens die betr. Fig. 19 eine der wenigen Abbildungen van der Stricht'’s ist, gegen welche ich nichts Wesentliches einzuwenden habe. Das Ei der Figur 20 dagegen ist ein polyspermes. Solehe Bilder kenne ich auch, obwohl man sie nur dann antrifft, wenn man auch sonstige Anzeichen von Polyspermie findet. Der angebliche Rest der aufgequollenen Spermatosomenmasse ist ein nachträglich eingedrungener und in gewöhnlicher Weise umge- wandelter Samenfaden (siehe darüber oben pag. 46); an der Stelle, wo er liegt, ist auch die Eihaut noch gar nicht abgehoben. Uebrigens zeigt dasselbe Ei der Figur 20 van der Stricht’s noch weitere Zeichen von Polyspermie, worauf ich unten zurück- komme. An normalen Eiern findet man stets nach Ausbildung des jungen Spermakerns die aufgequollene Chromatinmasse an der Oberfläche gänzlich verschwunden. Die geringe Grösse des jungen Spermakerns ist ja nichts Auffälliges, wenn man die geringe Grösse des Spermatozoenkopfes in Betracht zieht. Ferner behauptet van der Stricht, dass nieht bloss der neugebildete Spermakern, sondern auch der neugebildete Ei- kern ein Centrosoma habe. Nun vermisst van der Stricht ebenso wie ich an den Polen der zweiten Richtungsspindel die Centrosomen. Woher erhält nun der Eikern das Centrosoma, das ihm van der Stricht zuschreibt? Man kann dann doch nur annehmen, dass es sich völlig neubildet, etwa wie eine Vacuale neu entsteht, eine Annahme, die nach allem, was wir von Cen- trosomen wissen, nichts weniger als wahrschemlich ist. Ich gebe zu und habe es selbst beobachtet, dass der in Bildung begriffene und eben gebildete Eikern, so lange er an der Oberfläche des Eies liegt, das Centrum einer Strahlung bildet. Diese Strahlung, die ja die Annahme eines Centrosoma an den Polen der Richtungsspindel sehr nahe legt, obwohl die oben erwähnten Befunde und auch die Entstehung der Strahlung dagegen sprechen, hört aber gänzlich auf, sowie der Ei- kern in die Tiefe rückt. Nun behauptet van der Strieht, dass der Eikern An- Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 49 fangs selbst das Centrum der Strahlung bilde, dass später aber im Centrosoma als Mittelpunkt neben dem Kern aufträte, das sich sogar dann theilte. Hier stützt sich van der Stricht auf seine Fig. 13. Eine solche ist mir, obwohl ich das Stadium, welches sie darstellen soll, recht oft gesehen habe, nie zu Ge- sicht gekommen. Ich halte sie nicht nur für verdächtig der Polyspermie, sondern direkt für pathologisch, indem hier wohl sicher ebenso wie in der erwähnten Figur 20 auch nachträgliche Polyspermie vorliegt.. Die Abbildung ist unter solchen Umständen schwer zu erklären, aber immerhin dürfte Folgendes wohl eine zuverlässige Deutung sein. Unter dem Richtungskörper liegt eine ziemlich grosse chromatische Masse, die anscheinend aus drei nahe beiein- ander liegenden Kernen besteht. Der mittelste derselben scheint mir der Eikern zu sein. Er hat kein Centrosoma. Die beiden seitlichen können als Spermakerne jeder mit seinem Üentrosoma gedeutet werden, die nahe der Richtungsspindel ziemlich gleich- zeitig eingedrungen waren. Gegenüber dem Richtungskörper liegt ein nachträglich eingedrungener Samenfaden. Ein zur normalen Zeit eingedrungener dürfte gegenüber dem Eikern in der Ent- wicklung nicht mehr soweit zurück sein, der Eikern selbst ist nie so gross wie das, was van der Stricht dafür hält. Ob diese Deutung richtig ist, weiss ich natürlich nieht; es scheint mir aber die einzige Möglichkeit, die Abbildung van der Stricht’s zu erklären. Vor allem muss ich den Angaben van der Striecht’s "bier meine absolut anders lautenden Befunde gegenüberstellen, die constant ein anderes Verhalten ergeben, als die an mehr als zweifelhaftem Material gemachten Beobachtungen desselben. Waehsthum der Vorkerne. Bald nacbdem die Vorkerne gebildet sind, macht sich an ihnen ein deutliches Wachsthum geltend, das sich bis zu einer mehrfachen Grösse ihres Volums steigert, ein Verhalten, das sich auch an den Befruchtungsvorgängen der meisten Eier, namentlich aller bisher untersuchten Vertebrateneier, findet. Zugleich damit nimmt das Chromatin der Kerne an Färbbarkeit ab, so dass es thatsächlich namentlich an Eiern, die nach der Conservirung lange Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 4 50 J. Sobotta: Zeit in Spiritus gelegen haben, Mühe macht, dieselben zu färben. Beides hat auch van der Stricht beobachtet. Die Kerne wachsen im Allgemeinen gleich schnell; bald ist der eine, bald der andere etwas grösser. Häufig scheint das beim Eikern der Fall zu sein. Jeder Kern liegt in einem plasma- tischen von Dotterkörnern nahezu freien Hof, der Eikern in dem von der Oberfläche an der Stelle des Richtungskörpers abge- schnürten, der Spermakern in einem wesentlich neugebildeten (Fig. 19-21). Sieht man bei schwacher Vergrösserung im Ei zwei helle protoplasmatische Höfe, so kann man mit ziemlicher Sicherheit in jedem derselben einen der Vorkerne treffen. Sind mehrere oder gar viele solcher vorhanden, so handelt es sich fast ausnahmslos um polysperme Eier. | Neben dem Spermakern findet sich constant!) ein ziem- lich kleines Centrosoma mit einer deutlichen aber meist noch nieht sehr entwickelten Strahlung. Es erscheint bei hoher Ver- grösserung jetzt nicht mehr ganz homogen und gleichmässig ge- färbt, doch konnte ich auch mit den mir zur Verfügung stehen- den optischen Hilfsmitteln nicht erkennen, welche Veränderung an ihm vorgegangen war. Es schien einige weniger färbbare Stellen im Innern zu besitzen. Es ist übrigens jetzt regelmässig grösser als zur Zeit der Bildung des Spermakerns, erscheint aber im ganzen etwas weniger stark gefärbt. Anfangs gehen die Strahlen wesentlich von einer Seite desselben aus (Fig. 18 und 19), später findet man dieselben nach allen Seiten hin ent- wickelt (Fig. 20), obwohl auch jetzt noch meist die eine Seite bevorzugt wird. ; Die Kerne liegen an ziemlich variablen Stellen des Eies, stets aber eine Strecke von der Oberfläche entfernt. Beide sind Anfangs meist ziemlich weit von einander getrennt, da das Sper- matozoon der Riehtungsspindel gegenüber einzutreten pflegt. Nun erfolgt nach einiger Zeit die Theilung des (Sperma-) Centrosoma, die ich direkt allerdings nicht beobachten konnte. Man findet an normalen monospermen Eiern jetzt einen Kerm ohne Centrosoma und Strahlung, den Eikern (durch seine Be- 1) Häufig sieht man nur die Strahlung (bei ungünstiger Schnitt- richtung) und sucht zwischen den Dotterkörnern vergeblich nach dem Centrosom. Die Reifung u. Befruchtung des Kies von Amphioxus lanceolatus. 51 ziehung zum zweiten Richtungskörper kann man denselben jetzt nicht mehr als solehen erkennen), zweitens einen Kern, der zu jeder Seite ein Centrosoma mit Strahlung besitzt, den Sperma- kern. Einen Fall, wo die Centrosomen noch dicht bei einander lagen, habe ich nicht beobachtet. Die Centrosomen sind zwar noch klein, aber doch grösser als im vorigen Stadium, mit Eisen- hämatoxylin zwar noch ziemlich stark, aber nieht annähernd so intensiv als die Dotterkörner färbbar. Sie sind nieht homogen, sondern zeigen bei starker Vergrösserung oft den Bau wie den eines ganz engmaschigen kleinen Netzes, d. h. sie zeigen insbe- sondere kleine heller gefärbte Stellen. Die Strahlungen, die von ihnen ausgehen, sind übrigens auch jetzt noch nicht sehr intensiv. Die Theilung des Centrosoma am Spermakern erfolgt schon, wenn die Kerne noch weit von einander entfernt liegen, jeden- falls noch von einer starken Dotterbrücke getrennt sind. Alsdann rücken beide näher auf einander los. Die trennende Dotterbrücke wird durchbrochen und es findet zunächst eine V er- einigung-der beiden plasmatischen Höfe zu einem ein- zigen statt, der allerdings sehr selten im Centrum des Eies liegt, sondern fast immer mehr oder weniger excentrisch. Normale monosperme Eier zeigen in diesem Stadium stets nur einen ein- zigen von Dotterkörnern freien Hof bei Betrachtung mit schwachen Vergrösserungen. Wenn die Verschmelzung der beiden Plasmahöfe erfolgt ist, legen sich die Kerne unmittelbar aneinander. Die Öentrosomen gehören aber auch jetzt noch deutlich dem einen der Kerne an (Fig. 24). In dieser Lage verharren die Kerne eine Zeit lang. Ueber die Struetur der Kerne ist wenig zu sagen, auch ist dieselbe etwas wechselnd. Meist findet man ein nicht sehr stark färbbares Chromatingerüst mit deutlichen Knotenpunkten. Ihre Form ist gewöhnlich eine unregelmässige, im Wesentlichen rundliche oder länglich runde. Während die Hauptmembran des Eies zur Zeit der Bildung der Vorkerne von dem Ei nur eine relativ kleine Strecke entfernt lag, wird dieselbe nun durch Eindringen von Seewasser immer weiter gedehnt und umgiebt jetzt bereits das Ei in einem ziemlich weiten Abstande (Fig. 21). Stets sind es beide Eihäute, die man findet; die innere Hauptmembran liegt relativ glatt, die 52 J. Sobotta: äussere ihr meist dicht an, aber fast immer stark gekräuselt. Mit der weiteren Entwickelung werden beide Eihäute natürlich auch ent- sprechend dünner. Die hier beschriebenen Vorgänge finden bei van der Strichteine insofern abweichende Darstellung, als er vollständig - andere Angaben über Centrosomen macht, worauf ich unten noch zu sprechen komme. | Verschmelzung der Vorkerne zum Furchungskern; Umwand- lung desselben zur ersten Furchungsspindel, Nachdem die Vorkerne eine Zeit lang in der oben beschrie- benen Weise nebeneinander gelegen haben, findet ihre Ver- schmelzung zum Furchungskern statt. Wie dieselbe erfolgt, darüber kann ich ebensowenig wie van der Stricht etwas Genaueres angeben. Ich beobachtete auf einem bereits in Neapel angefertigten Präparat ein Stadium, wo auf den ersten Bliek ein unregelmässig begrenzter Kern vorhanden zu sein schien, bei genauerem Zusehen aber noch die Grenzen der beiden Kerne zu erkennen war. Ich hatte das Präparat in meiner vorläufigen Mittheilung!) (ohne die Sphären) abgebildet und muss auf die betreffende Figur auch jetzt noch verweisen, da der in Frage kommende Schnitt, der dem Deckglasrande zu nahe lag, so ab- geblasst ist, dass man nichts Genaues mehr an ihm erkennt. Wahrscheinlich vollzieht sich die Verschmelzung der Vorkerne zum Furchungskerne ganz unmerklich. Während die Vorkerne ziemlich unregelmässige Gestalt zeigen und selten ganz rund, meist sogar mehr länglich sind, zeigt der Furchungskern bald nach seiner Bildung eine meist genaue Kugelform (die Abweichungen von derselben be- ruhen wohl meist auf Conservirungskunstprodueten). Der Durch- messer beträgt 12—15 u. Seine Struktur weicht meist von der der Vorkerne etwas ab, indem er stets zierliche den mit viel Kernsaft erfüllten Kernraum durchsetzende Chromatin- stränge enthält. Er ist stets viel stärker färbbar als die Vor- kerne vor ihrer Verschmelzung. Die dünnen Schnitte, welehe man zum Studium der Amphi- oxusbefruchtung anfertigen muss, machen in dem Furchungskern häufig deutliche Artefaete, indem die Chromatinstränge innerhalb A. eaNFig. 7. Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 53 der Streeke zweier Insertionspunkte getroffen werden und ent- weder ganz ausfallen oder sich im Schnitt umlegen. So erklären sich die nicht seltenen grossen hellen Flecke in diesen Kernen. Der Furehungskern liegt innerhalb eines ziemlich grossen plasmatischen Hofes, der aus der Verschmelzung der oben erwähnten der Vorkerne hervorgeht. Er wird nach der Verschmelzung der Kerne grösser als er vor derselben war (vergl. Fig. 24 u. 25). Constant liegen neben dem Furchungskern und zwar stets an entgegengesetzten Polen zwei ziemlich „grosse Centrosomen, von denen eine stets deutliche und intensive Strahlung ausgeht. Die Centrosomen liegen meist in einer gewissen Entfernung vom Kern, die aber wechselnd ist (Fig. 25, 26). Sie sind in den verschiedenen Eiern von verschiedener Grösse und werden das eine mal oft doppelt so gross und grösser gefunden als in andern Fällen. Zum Theil handelt es sich dabei wohl um individuelle Versehiedenheiten, zum grossen Theil aber sicherlich um Alters- verschiedenheiten, denn zur Zeit, wo der Furchungskern sich an- schickt, in die erste Furchungsspindel überzugehen, sind die Cen- trosomen stets erheblich grösser als zur Zeit, wo der Kern sich in völliger Ruhe befindet (vergl. Fig. 25 u. 26). Die Centrosomen des Furchungskerns habe ich niemals mehr punktförmig gefunden, wie die der Vorkerne: Sie besassen stets eine gewisse Grösse (bis 1 u und darüber) und waren mit Eisenhämatoxylin zwar färbbar, aber hielten dasselbe nicht an- nähernd so intensiv fest, wie das Chromatin der Kerne oder gar die Dotterkörner. Sie erscheinen aber unter dem Mikroskop jetzt ziemlich homogen; wenigstens habe ich keine Struktur erkennen können. Die von ihnen ausgehende Strahlung ist zunächst nach allen Seiten hin ziemlich gleichmässig ausgebildet (Fig. 25). Nun besitze ich eine Reihe von Präparaten, welche die Umbildung des Furchungskerns in die erste Fur- ehungsspindel beziehungsweise seine Vorbereitung zur Mitose erkennen lassen. Davon stellt Fig. 26 eines der deut- lichsten dar!). 1) Das betreffende Präparat habe ich ebenso wie die Mehrzahl der den folgenden Abbildungen zu Grunde liegenden, auch eine An- zahl der früheren mit gutem Erfolge selbst bei hoher Vergrösserung photographiren können. 54 J. Sobotta: Was zunächst die Centrosomen betrifft, so wachsen diesel- ben jetzt ziemlich rapide auf das Doppelte und Mehrfache ihrer Grösse an und nehmen dabei an Färbbarkeit ab, obwohl sie das Eisenhämatoxylin noch erheblich stärker festhalten, als das um- liegende Protoplasma. Von der Structur der Centrosomen kann ich auch jetzt nichts aussagen, obschon sie bei starker Vergrösse- rung eine solche erkennen lassen. Sie erschien aber auch bei der höchsten Vergrösserung, die ich anwenden konnte, zu unbe- stimmt. Ihre Form ist meist genau kugelig oder leicht abgeplattet. Beide sind stets gleich gross. Was nun die von diesen Centrosomen ausgehenden Strah- lungen betrifft, so kann man deutlich 2 Arten von solchen unter- scheiden: 1) feine nach den dem Kern abgewandten Theilen des Eies, also nach der Peripherie laufende Strahlen, welche in ihrem ganzen Verhalten den Polstrahlen der spätern Mitose ent- sprechen. Die Oberfläche des Eies erreichen diese Strahlen weder jetzt noch später (Fig. 26). Gegen den Kern hin laufen nun wesentlich anders gestaltete Strahlen, die bis zur Kernperipherie sehr deutlich sind, dann aber weniger deutlich zu verfolgen waren. Sie erstreckten sich bis auf die Kernoberfläche, entzogen sich hier aber einer genaueren Untersuchung. Sie sind stärker und entschieden auch intensiver färbbarer als die Polstrahlungen und stellen sicher die Anlage derSpindelfigur dar. Ob sie die Anlage des Centralspindel- theils darstellen, vermag ich nieht sicher zu entscheiden, möchte es aber doch annehmen, da ein anderer Modus der Ent- stehung derselben bei den von Anfang an an entgegengesetzten Polen liegenden Centrosomen kaum denkbar wäre. Was nun den Kern selbst betrifft, so ist seine Membran achromatisch und daher nur eben noch zu erkennen. Im Innern des Kerns finden sich unregelmässig gestaltete Chromatin- schleifen, welche die Anlage der Chromosomen der ersten Fur- chungsspindel darstellen. Sie bilden einen dichten Knäuel, der eine feinere Analyse kaum gestattet. Der Furehungskern mit seinen beiden Centrosomen findet sich fast nie genau central im Ei, sondern mehr oder weniger excentrisch. Der protoplasmatische Hof, in dem er liegt, ver- grössert sich während dieser Zeit nicht unerheblich und zwar Hand in Hand mit dem Wachsthum der Centrosomen und der Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amıphioxus lanceolatus. 55 Ausbildung der Strahlung, so dass er zur Zeit der Ausbildung der ersten Furchungsspindel eine recht erhebliche Ausdehnung gewonnen hat (Fig. 26 u. 27). Die Dotterkörner werden dabei zum grössten Theil dicht an die Peripherie des Eies gedrängt, wo sie nın eins an dem andern liegen. Es kommt also beim Amphioxus — wie es scheint, immer — zur Bildung eines Furchungskerns. Van der Striecht macht eine kurze Angabe, dass die chromatischen Substanzen der Kerne auch ihre Selbständigkeit bewahren könnten. Ich habe nur einen Fall gesehen, von dem es auch zweifelhaft ist, ob er hierhin ge- hört; es schienen nämlich an einem der Fig. 26 entsprechenden Stadium zwei getrennte Chromosomenhaufen zu sein. Jedoch war das Bild nicht überzeugend. Dagegen habe ich ausserordentlich oft den ersten Furchungskern beobachtet. Seine Bildung erfolgt ungefähr 40 Minuten nach der Besamung. Hatschek!) hat wahrscheinlich den ersten Furchungskern am lebenden Ei beobachtet, da er angiebt, dass nach der Be- fruchtung und vor der Furchung das Amphioxusei wieder einen Kern habe. Ich habe auch um diese Zeit die ersten Beobachtungen der lebenden Eier anstellen können, da man das Material jetzt bereits an einem für die Untersuchung günstigeren Orte haben kann. Den hellen Hof habe ich deutlich wahrnehmen können, einen Kern habe ich mit Sicherheit nicht erkannt. Indess waren die Untersuchungen hierfür auch nicht eingehend genug, da ich mit dem Conserviren reichlich beschäftigt war. Van der Strieht gedenkt des Furehungskernes nur mit wenig Worten. Ein typisches Stadium desselben im Ruhezustand bildet er nicht ab; dagegen stellt er in Figur 25 ein Umwand- lungsstadium desselben in die erste Mitose sehr schön dar. Van der Strieht macht nun von den meinigen gänzlich verschiedene Angaben über die Herkunft der beiden Centro- somen (Aster, Sphären) des Amphioxuseies. Er nimmt an, dass jede der Sphären zur Hälfte männlich und zur Hälfte weiblich sei, dass dieselben also durch Verschmelzung ungleich- geschlechtlicher Hälften entstünden. Er schliesst sich damit 56 J.Sorbroitt a: der von Fol für das Seeigelei angegebenen Centrenqua- drille an. Bekanntlich!) haben nun eine grosse Reihe von Untersuchern am selben Objekt wie Fol die Centrenquadrille als einen durch Polyspermie hervorgerufenen Irrthum einstimmig verurtheilt. Ande- rerseits haben eine ganze Anzahl Untersucher an zum Theil sehr geeigneten Objeeten mit Sicherheit nachweisen können, dass die Centrosomen beide männlichen Ursprungs seien!), so dass die Fol’sche Hypothese jetzt für das thierische Ei nur noch zum Theil von Blane für die Forelle gestützt wird, aber auch hier ganz und gar mit Unrecht ?). Nun fragt es sich, worauf stützt van der Stricht seine Behauptungen? Er giebt an, dass man in den Eiern des Amphi- oxus während der Befruchtung 2 Kerne findet, von denen erst- lich jeder einen Aster, zweitens der eine einen, der andere zwei Aster haben könnte, drittens beide je zwei. Was zunächst den letzten Fall betrifft, so habe auch ich denselben beobachtet. Er ist eine Erscheinung der Polyspermie: der eine Kern mit den beiden „Sphären“ ist der Furchungskern, der andere ein Spermakern mit bereits getheilter „Sphäre“ (siehe darüber auch unten im Capitel über Polyspermie),. Was den zweiten Fall betrifft, den van der Strieht mehrfach abbildet, so handelt es sich nach meiner Ansicht ebenfalls um Polyspermie. Der Kern mit den beiden „Sphären“ ist dann der Furchungskern, der mit einer ein (nachträglicher) Spermakern mit noch unge- theiltem. Centrosoma. Die Figur 20 van der Stricht’s, die derselbe für diese Annahme insbesondere ins Feld führt, zeigt Ja ein Ei, das auch weitere Zeichen der Polyspermie aufweist (siehe oben p. 48). Nun bleibt nur noch der dritte Fall übrig, d. h. jeder der Vorkerne hat je eine Sphäre. Einen solchen habe ich nicht be- obachtet. Van der Stricht bildet in seiner Figur 22 einen solchen Fall ab. Hier liegen aber die beiden Kerne schon in 1) Siehe darüber auch Jahresbericht für die gesammte Mediein (Virchow-Hirsch) für das Jahr 1895, Abschn. Entwicklungsgeschichte. 2) Siehe Näheres darüber in meinem Referat in den Ergebnissen der Anatomie und Entwicklungsgeschichte. Bd. IV. Soeben erscheint von van der Stricht eine kurze Mittheilung, in der der Verf. die Centrenquadrille bei Thysanozoon zu finden glaubt. Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 57 dem gemeinsamen Plasmahof nebeneinander; wenn das der Fall ist, so hat bereits nach meiner und auch nach van der Strieht’s eigenen Beobachtungen die Theilung der Sphären statt- gefunden. Es müssten nach letzterem also 4 vorhanden sein. Das Stadium der Fig. 22, die auch sonst nicht einwandsfrei ist, entspricht ja doch dem der Fig. 24 van der Stricht’s. Die beiden Aster der letzteren Abbildung deutet van der Stricht aber als die „Sphären“ der späteren ersten Furchungsspindel, also als die verschmolzenen Centrosomen in seinem Sinne. „Die Ab- bildungen van der Strieht’s können mich also gar nieht von der Richtigkeit seiner Behauptungen überzeugen, im Gegentheil, sie beweisen mir eher ihre Haltlosigkeit. Setzt man nun diesen Beobachtungen van der Stricht’s meine eigenen gegentheiligen Resultate gegenüber, so wird man nach den schwachen Stützen, auf denen jene Angaben stehen, nicht von der Wahrscheinlichkeit einer Centrenquadrille beim Amphioxus überzeugt sein, zumal van der Stricht auch weder die Theilung noch die Vereinigung der Centrosomen hat direkt beobachten können. Die erste Furchungsspindel. Die ausgebildete erste Furehungsspindel findet man 45—-50 Minuten nach der Besamung, mitunter auch schon früher. Die lebenden Eier zeigen bei der Untersuchung unter dem Micro- scop eine helle von Dotterkörnern freie meist excentrische Zone im Innern von wechselnder Gestalt. Fig. 27 zeigt eine erste Furchungsspindel im Stadium der Aquatorialplatte. Ein Zwischenstadium zwischen dem Prä- parat dieser Figur und dem der Figur 27 habe ich nicht beob- achtet. Ueberhaupt scheint die Entwickelung jetzt schnell zu erfolgen, denn man trifft erst das Stadium der Metakinese der ersten Furchungsspindel etwas häufiger. Die erste Furchungsspindel besteht aus einem namentlich im Stadium der Metakinese deutlichen Centralspindeltheil und ausgeprägten Zugfasern. Die Aequatorialplatte bildet eine Anzahl nicht besonders langer, ziemlich kleiner ehroma- tischer Schleifen. Ihre Zählung ist mir in diesem Stadium nie mit Sicherheit gelungen; man zählt etwas über 20 (es sind 24 s. ı.). 58 J.Sonhmetta: Die Spindelfigur selbst ist recht breit und verjüngt sich nach den Polen zu ziemlich plötzlich. An letzteren finden wir grosse Centrosomen, die auch jetzt noch mit Eisenhämatoxylin dunkler gefärbt erscheinen, als das Protoplasma. Sie haben ihre volle Grösse jetzt noch nicht erreicht, sondern wachsen noch stärker an. Die von den Centrosomen ausgehende Polstrahlung lässt sich ziemlich weit verfolgen, erreicht aber nirgends die Eiober- fläche. Ueberkreuzende Fasern, wie sie van der Stricht in seiner Fig. 28 abbildet, habe ich an den Spindeln nicht beobachtet. Die Spindelfigur nimmt ungefähr die Mitte des plasmatischen Hofes im Ei ein und liegt in Folge dessen selbst excentrisch im Ei, nur selten annähernd central. Die Längstheilung der Chromosomen in der Aequatorial- platte habe ich nicht beobachten können, dagegen habe ich eine ganze Anzahl von Stadien der Metakinese beobachtet, welche ausserordentlich hübsche Bilder geben. Ein recht typisches stellt Figur 28 dar. Die auffälligste Erscheinung an dieser Figur ist das riesige Centrosoma, dessen Grösse zwar an den verschiedenen Eiern nieht ganz gleich ist, das aber eonstant einen enormen Umfang hat. Das Centro- soma erscheint jetzt als grosse nach geeigneter Eisenkämatoxylin- differenzirung ziemlich helle Kugel, welche meist eine fein- körnige oder feinfädige gleichmässige Struktur, mitunter aber einige dunkler sich färbende Einschlüsse enthält, die in Bezug auf Grösse, Gestalt und Vorkommen überhaupt aber gänzlich in- constant sind, so dass man ihnen eine weitere Bedeutung nicht zuschreiben kann (siehe darüber auch unten p. 67). Mit der Vergrösserung der Centrosomen in Zusammenhang steht ein abweichender Verlauf der Spindelfasern. Die Pole der Spindel sind breiter geworden und die Centralspindelfasern laufen jetzt nahezu parallel nebeneinander. Die ganze Spindelfigur ist nur in der Mitte ein wenig breiter. Ferner findet man einen Einfluss auf diePolstrahlung, welche um diese Zeit das Maximum ihrer Entwicklung erreicht und aus ungemein zahlreichen dichten und deutlichen, dabei aber auch zarten Fasern besteht. Dieselben inseriren genau am Rande Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 59 des grossen Centrosoma, verlieren sich andrerseits im Plasma des Eies zwischen den Dotterkörnern. Zwischen den auseinandergerückten Chromosomengruppen liegen die Centralspindelfasern frei zu Tage und zeigen in der Mitte deutliche Verdiekungen. Der zwischen Centrosoma und Chromosomen gelegene Theil der Spindel enthält ausser den Centralspindelfasern natürlich auch die Zugfasern. Hier erscheint dann bereits auf den ersten Blick die ganze Spindelfaserung ausser- ordentlich viel dichter. Im weitern Verlauf der Mitose tritt nun eine Erscheinung ein, die auch bei anderen Objeceten, namentlich auch Furchungs- spindeln von Eiern beobachtet wurde (und zwar zuerst wohl von Belloneci an den Eiern des Axolotl), nämlich die Umbildung der Chromosomen zu Ringen !. Ich babe das Stadium mehr- mals beobachtet und dabei Gelegenheit gehabt, die Zahl der Chromosomen mit annähernder Genauigkeit festzustellen, nämlich 24. Auch in diesem Stadium findet man meist deutliche V er- diekungen der Centralspindelfasern (Fig. 34, 30) in ihrer Mitte, welche später Centralspindelkörperchen bilden. Um diese Zeit findet dann allmählich die Einschnürung des Eies statt (Fig. 54), und es bildet sich eine Dotterscheide- wand in der Mitte des Eies vom Rande her aus, welche aber das Centrum erst lange nach vollendeter Ausbildung der Tochter- kerne erreicht. Dabei muss noch einer weiteren Erscheinung gedacht wer- werden, die eine eigenthümliche ist und meines Wissens sonst noch nirgends beobachtet wurde, die aber zeigt, einen wie hohen Einfluss die riehtende Wirkung der Centrosomen besitzt. Die erste Furchungsspindel liegt, wie mehrfach bereits angegeben wurde, nicht central im Ei sondern häufig sogar stark excen- trisch. Liegt die Spindelfigur mit ihrer Längsaxe nahezu cen- tral, so erfolgt wohl ohne Weiteres oder vielleicht auch unter einer gleichmässigen Verschiebung nach dem Centrum hin die Theilung. Gewöhnlich ist das nun aber nicht der Fall, sondern die Spindel liegt auch in der Diasterphase noch excen- 1) Näheres darüber in meinem Referat in den Ergebnissen der Anatomie und Entwicklungsgeschichte Bd. IV. 60 J. Sobotta: trisch. „Wenn in dieser Lage die Theilung erfolgen würde, so würden die Kerne der beiden ersten Furehungskugeln nicht ins Centrum der Tochterzellen zu liegen kommen, sondern ex- centrisch, und die Folge wäre eine inäquale weitere Furchung, die aber beim Ampbioxus thatsächlich erst später auftritt. Die Kerne gelangen nun aber dennoch in das Centrum der Zellen. Es geschieht das so, dass zuerst die Centrosomen der excentrisch gelegenen Spindelfigur nach den Centren der neuen Zellen hinstreben, so dass die ganze Figur gekrümmt wird (Fig. 29). Die Chromosomen der Tochterkerne, beziehungsweise Knäuel, werden auf diese Weise nach der Mitte der zu bildenden Tochterzelle hingezogen. Diese Erscheinung habe ich recht häufig beobachtet. Von den hier beschriebenen Stadien hat van der Stricht die meisten beobachtet und auch abgebildet. Auch die Umbildung der Chromosomen in Bläschen beschreibt er kurz, obwohl die Abbildung nicht gerade sehr dem von mir beobachteten Verhalten entspricht. Uebrigens sind am lebenden Ei die hellen Höfe, in denen die Tochterkerne liegen, resp. in die sie zu liegen kommen, deutlich zu erkennen, auch sieht man die lange Zeit bestehende dotterfreie Verbindungsbrücke zwischen beiden Tochterzellen. Verhalten polyspermer Eier. Für gewöhnlich dringt nur ein Samenfaden in das Ei des Amphioxus ein und das ist das allein normale Verhalten. Nicht selten dagegen, namentlich unter gewissen Bedingungen, erfolgt auch ein Eindringen mehrerer Samenfäden. Es kann das entweder in der Weise geschehen, dass eine Anzahl Samen- fäden auf einmal ins Ei eindringen, oder dass nach dem Ein- dringen des ersten befruchteten Samenfadens spätere, noch wei- tere überzählige, nachträglich eindringen. Oder auch beides er- folgt am selben Ei. Die Bedingungen, unter denen Polyspermie leicht ein- tritt, sind meiner Ansicht nach hauptsächlich der Umstand, dass Eier in noch nicht besamtes Wasser abgelegt werden, wodurch ihnen die Möglichkeit der Abhebung der Membran beim Ein- dringen der Samenfäden genommen wird (s. ob. p. 34), ferner auch in Fällen, in denen die Eihaut verletzt oder gesprengt war. Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 61 Die Erscheinungen der Polyspermie äussern sich nun in folgender Weise. Jeder eindringende Samenfaden bildet die ‘ oben beschriebene aufgequollene Chromatinmasse, aus dieser ent- steht je ein Spermakern mit seinem Oentrosoma und seiner Strah- lung. Waren gleichzeitig mehrere Samenfäden ins Ei einge- drungen, so erfolgt auch eine gleichzeitige Umwandlung der Spermakerne, und es kommt zur Copulation mehrerer Sperma- kerne mit dem Eikern, d. h. zur Bildung einer mehrpoligen Mi- tose, wie beim polysperm befruchteten Seeigelei. N Mit der pluripolaren Furchungsspindel gehen dann die Eier, ohne sich zu entwickeln, zu Grunde. Dringt dagegen zunächst nur ein Samenfaden ein, so er- hält dieser vor später eindringenden einen Vorsprung und copu- lirt mit dem Eikern, während die andern sich erst im Kern- stadium befinden oder zu diesem umwandeln. Die im Kern- stadium befindlichen können nach dem oben auseinandergesetzten entweder ein einfaches oder ein doppeltes Centrosoma haben, der Furchungskern hat natürlich immer zwei. So kann man aus derartig polyspermen Eiern die mannigfaltigsten Bilder erhalten: Eier mit 2 oder mehr Kernen, jeder mit 2 Centrosomen (Fur- chungskern und Spermakern mit bereits getheiltem Centrosoma), Eier mit 2 oder mehr Kernen, von denen einer oder mehrere 2, andere nur 1 Centrosoma haben (Furchungskern mit 2, Sper- makerne mit getheiltem oder ungetheiltem Centrosoma) ete. Einige solcher Bilder habe ich auch direkt beobachtet. Am häufigsten scheint es vorzukommen, dass bald nach dem ersten copulirenden Samenfaden noch ein zweiter eindringt. Das Endresultat ist dann dasjenige, was in Figur 32 abgebildet ist. Man hat zwei Spindeln im Ei, von denen die eine meist grösser ist und mehr (ungefähr doppelt so viel) Chromosomen erkennen lässt als die andere, die andere dagegen, zugleich die kleinere, weniger Chromosomen hat. Ersteres ist die Furchungs- spindel, letzteres eine Spindel eines überzähligen Spermatozoon. Diesem Stadium vorher geht natürlich ein solches, in dem zwei Kerne, jeder mit 2 Sphären im Ei sich finden, was dann dazu verleiten kann, die Kerne beide für Vorkerne zu halten. Uebrigens bleiben die Centrosomen an den Spindelfiguren wie an den Vorkernen bei polyspermen Eiern deutlich kleiner als bei monospermen. 69 J. Sobottaä: Nun wäre noch der dritte Fall zu besprechen, der zu den häufigsten gehört. Es findet eine gleichzeitige und ausserdem nachträgliche Polyspermie statt, wenigstens glaube ich, dass die gleich zu beschreibenden Fälle am leichtesten so erklärt werden. Man findet nämlich neben pluripolaren Mitosen noch andere ein- fache von ziemlich geringer Grösse und geringer Chromosomen- zahl. Diese Eier geben dann ganz eigenthümliche schwer ana- Iysirbare Bilder (Fig. 33). Sie gehen ohne Entwieklung zu Grunde. Charakteristisch für sie ist schon bei schwacher Ver- grösserung die grosse Anzahl plasmatischer Höfe. Wie ich bereits oben angab, glaube ich einen Theil der von meinen Beobachtungen abweichenden Angaben van der Strieht’s auf die schwer erkennbareren Fälle von Polyspermie, in denen im Ei nur zwei Kerne sind, zurückführen zu müssen, eine Annahme, in der mich die Thatsache bestärkt, dass der betreffende Autor deutlich polysperme Eier, die er selbst abbildet, als solche gar nicht erkannt hat. Die Polyspermieerscheinungen des Amphioxuseies sind eigen- artiger Natur und von Interesse deswegen, weil sie einerseits nahe verwandt sind mit den folgenschweren polyspermen Er- scheinungen der kleinen Eier mancher Evertebraten, andrerseits überleiten zu den fast folgenlosen Vorgängen der physiologischen (?) Polyspermie mancher Vertebrateneier. Die Erscheinung, dass mehrere Samenfäden zugleich ins Ei eindringen und mit dem Eikern zu einer mehrpoligen Fur- ehungsspindel copuliren, ist ja namentlich vom Seeigelei lange bekannt. Andrerseits erinnern die Erscheinungen nachträglicher Polyspermie an das von Oppel beim Reptilienei beobachtete Verhalten, von dem es noch zweifelhaft ist, ob es in den Bereich des normalen oder bereits des pathologischen gehört. Auch die Bildung von Mitosen seitens überzählig eingedrungener Sperma- tozoen findet in dem Verhalten der überzähligen Spermatozoen der Selachier und Reptilien eine Analogie. Das histologische Verhalten der Centrosomen im Am- phioxusei. Ich beabsichtige, wenn ich hier das oben im Wesentlichen bereits geschildette Verhalten der Centrosomen im Amphioxus noch einmal zusammenfassend darstelle und mit eini- Die Reifung u. Befruchtung des Fies von Amphioxus lanceolatus. 63 gen anderen Befunden vergleiche, nicht, den Gegenstand der Centrosomenfrage, der in neuerer Zeit ja Objeet mehrerer be- sonderer Publikationen war, ausführlich zu behandeln, son- dern ich beabsichtige nur, hier meinen Standpunkt zu dieser Frage kurz darzulegen und die Gründe für oben bereits unlegandis Bezeichnungen darzulegen. Eine Berücksichtigung der gesammten einschlägigen Litera- tur liegt mir dabei fern und würde auch weit über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen, welche ja nur eine Darstellung der bei der Befruchtung des Amphioxuseies zu beobachtenden Phä- nomene sein soll. Wir haben im Laufe dieser Darstellung gesehen, dass das Centrosoma des Amphioxuseies durch den in Einzahl eindringen- den (befruchtenden) Samenfaden in dasselbe eingeführt wird. Das Centrosoma zeigt sich zunächst in Einzahl neben dem Sper- matozoon und ist vom Augenblick an, wo der letztere sich in den Spermakern umbildet, deutlich und mit einer Strahlung um- geben zu erkennen. Es ist zunächst punktförmig und bleibt eine Zeit lang punktförmig, obwohl es langsam an Grösse etwas zu- nimmt. Es theilt sich dann, ohne zunächst stark zu wachsen, und ohne dass die Strahlung eine besonders intensive würde. Nachdem die Verschmelzung der Vorkerne zum Furchungskern stattgefunden hat, finden wir an entgegengesetzten Polen des letzteren die etwas weiter angewachsenen Centrosomen, die Mit- telpunkt einer deutlichen Strahlung sind, aber noch nieht erheb- lich über die gewöhnliche Grösse der Centrosomen anderer Zellen hinausgegangen sind. Erst während der Umbildung dieses Kerns zur ersten Furehungsspindel findet eine excessive Vergrös- serung det Centrosomen statt, also zugleich mit der Ausbildung der Spindelfigur und der Zunahme der Strahlungen. Dahei zeigt sich zugleich, dass das Centrosoma Hand in Hand mit seinem Wachsthum an Färbbarkeit abnimmt. Man wird also auch wohl annehmen müssen, dass das Wachsthum des Centrosoma durch Aufnahme von Zellbestand- theilen namentlich Zellsaft erfolgt, und dass das Wachsthum des Centrosoma bedingt wird durch die Ausdehnung und Ausbildung der Strahlung, namentlich dureh die Anzahl der Strahlen. Wachs- thum des Centrosoma, Abnahme seiner Färhb- 64 J.Sobotta: barkeit und Ausbildung der Strahlung gehen also Handin Hand. Alle drei erreichen ihren Höhepunkt im Stadium der Metakinese der ersten Furchungsspindel (vergl. Fig. 18—29). Später, gegen Ende der Mitose und bei Beginn der Durchtheilung der Eizelle, wird das Centrosoma wieder nicht unerheblich kleiner, zugleich mit einer Rückbildung der Strahlen. Stets bildet das Centrosoma den Insertionspunkt für die Strahlen, ebensowohl das kleine punktförmige neben dem Sper- matozoon wie die grosse kugelige Masse in den späteren Stadien der ersten Furchungsspindel. Die Centrosomen in Gestalt der Kugeln sind ja auch bei anderen Wirbelthiereiern zur Zeit der ersten und folgenden Fur- chungsspindeln längst bekannt. Ich verweise z. B. auf die Ab- bildungen Agassiz’ und Whitman’s!) (Knochenfischeier). Nun sind die Centrosomen der meisten Gewebszellen ge- wöhnlich punktförmig, und es ist M.Heidenhain bekanntlich gelungen, eine Methode zu finden, welche dieselben, die man sonst meist nur wenig gefärbt an den Polen vieler Kermtheilungs- figuren beobachtete, intensiv zu färben gestattet, auch unter Um- ständen, in denen sie sich sonst unseren Blicken meist völlig entzogen, nämlich im Ruhezustand der Kerne, beziehungsweise Zellen. Diese Gebilde sind nun immer recht klein, ca. 0,5 u gross, mit Eisenhämatoxylin dunkel färbbar. M. Heidenhain be- zeichnet sie als Centralkörper. Auf Grund von Untersuchungen au Riesenzellen und Leukocyten, bei denen derselbe Autor mit gewohnter und bekannter Sorgfalt in Ruhezustand mehrere, sogar viele Centralkörper (Centrosomen ?) färben konnte, hat M. Hei- denhain eine Reihe neuer Begriffe sowohl wie neuer An- schauungen eingeführt. Er nennt eine besondere Zone der Zelle, in der im Ruhezustand die Centrosomen (Centralkörper) liegen, Mikrocentrum und glaubt, dass eine Einzelzelle mehr als ein beziehungsweise zwei Centrosomen haben können, dass auch an den Polen von Kerntheilungsfiguren die Centralkörper im Mikro- centrum in Mehrzahl auftreten könnten. Er ist daher auch ge- neigt, die grossen an den Polen insbesondere vieler Furchungs- 1) Agassiz, A. and 0, O. Witman, The development of Osseous Fishes II. Memoirs of the Mus. of Comp. Zool. at Harvard College. Vol. XIV. No. I. 1889. Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 65 spindeln auftretenden „Sphären“ nicht für Centrosomen zu halten, sondern für „Mikrocentren“. M. Heidenhain hat nun aber gezeigt, dass die Riesen- zellen und ein Theil der Leukocyten mehr als zwei Centrosomen (?) haben; der Grund für dieses Verhalten liegt bei ersteren ja auf der Hand, da sie auch viele Kerne haben und mehrpolige Kern- theilungsfiguren bilden. Auch die Leukoeyten zeigen schon durch ihre Neigung zu Kernzerschnürungen und Fragmentirungen, dass bei ihnen «ein von den gewöhnlichen Zellen abweichendes Verhalten vorliegt. M. Heidenhain ist nun meiner Ansicht nach einen fal- schen Weg gegangen. Anstatt den zum Theil ja offenkundigen Gründen nachzugehen, die zu einer Vermehrung der Centrosomen in Riesenzellen und Leukocyten geführt haben, insbesondere zu der von ihm beobachteten, von der Mitose unabhängigen Ver- mehrung der Centrosomen dieser Zellen, verallgemeinert er die Befunde bei diesen zum Theil doch extrem differenzirten Zell- formen. Hätte er die Untersuchungen an andern Zellen, insbesondere solchen angestellt, von denen sich alle übrigen Zellen des Orga- nismus ableiten, die also als Vorbilder für alle gelten können, an den Furchungszellen, so würde er bei der constanten Zwei- zahl der Centrosomen seine Theorien wohl wesentlich anders ge- staltet haben. Uebrigens ergeben auch M. Heidenhain’s!) neueste Untersuchungen an älteren Embryonalzellen nichts wesentlich anderes. An Cylinderzellen von Vogelembryonen findet er fast constant 2 in einem kleinen Hof (Mierocentrum) gelegene Üen- trosomen (Centralkörper). Ueber das Verhalten derselben zur Mitose, welche doch bei der Beurtheilung der Centrosomen maass- gebend ist, macht der Autor nun leider keine Angaben. Ich glaube aber nicht fehl zu gehen, wenn ich nach dem, was man an Embryonalzellen sonst beobachtet, annehme, dass jeder Pol der Mitose eines der beiden Centrosomen darstellt. Charakteristisch dafür ist ja auch die eigene Angabe M. Heidenhain’'s, dass bei den Blutkörperchen von Entenembryonen, bei denen er neben 13 M: Heidenhain u. Th. Cohn, 2. a! O0. Arhiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 5 66 J. Sobotta: zwei Öentrosomen gelegentlich 3 findet, auch gelegentlich drei- polige Mitosen !) auftreten. M. Heidenhain behauptet nun, dass seine Untersuchungs- resultate über Centralkörper, Mikrocentrum und ihr Verhalten zur Zelle und Mitose auch für die Eizelle durch die Untersuchungen v. Kostaneeki’s bei verschiedenen Objekten (ich nenne na- mentlich Physa fontinalis und Ascaris megalocephala) ?) gestützt werden. v. Kostanecki findet nun aber stets nur ein Cen- trosoma an den Polen der Furchungsspindeln »(und Richtungs- spindeln von Physa), das selbst der Ausgang- beziehungsweise Insertionspunkt der Strahlen ist. Dasselbe ist bei seinen Ob- jekten punktförmig °), wenn auch grösser als bei gewöhnlichen Gewebszellen. Die Beobachtungen v. Kostanecki’s stützen also von den hier in Frage kommenden Behauptungen Heiden- hain’s nur die eine, dass die Centrosomen relativ klein bei seinen Untersuchungsobjekten sind; die übrigen Punkte finden durch sie gar keine Stütze. Die Verallgemeinerungen aber, dieKostanecki aus seinen Untersuchungen zieht, dass die Centrosomen auch an anderen Eiern punktförmig sein müssten und die grossen „Sphären“ wo- möglich Kunstprodukte seien, sind doch jedenfalls unerlaubt. Ich habe selbst bei den kleinen Eiern der Maus kleine Cen- trosomen an der ersten Furchungsspindel gesehen, aber hier handelt es sich um kleines Ei mit wenig entwickelter Strahlung. Bei grösseren, insbesondere auch dotterreichen Eiern, bei denen es zur Bildung einer starken und dichten Strahlung kommt, wie beim Amphioxus, findet eben ein Anwachsen des Centrosoma, des Insertionspunktes dieser Strahlen bei ihrer Vermehrung statt. Ich verweise hier auf die Fig. 32 dieser Veröffentlichung, welche den Durchschnitt eines Centrosoma einer im Diasterstadium 1) Ich glaube, dass man die Befunde vieler 3poliger Mitosen bei den Präparaten von Brütofeneiern sehr vorsichtig aufnehmen muss. Diese Eier werden ja sehr leicht pathologisch, namentlich die Eihäute. An anderen embryonalen Objekten gehören 3polige Mitosen zu den allergrössten Seltenheiten, wenigstens im Embryo selbst. 2) v. Kostanecki, K. u. M. Siedlecki, Ueber das Verhältniss der Centrosomen zum Protoplasma. Arch. f. mikr. Anatomie. Bd. XLVII. Darin die näheren Literaturangaben. 3) Die Abbildungen der Centrosomen von Ascaris, die Kosta- necki giebt, zeigen nur z. Th. die wahre Grösse derselben, Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 67 befindlichen quer zu ihrer Achse durchschnittenen ersten Furchungs- spindel des Amphioxus darstellt. Man sieht das grosse Centrosoma, an dessen Rande dieht gedrängt ein Strahl neben dem andern inserirt. Im Innern findet sich ein etwas stärker färbbarer Körper, der auch mitunter (Fig. 25) nahezu punktförmig ist, auch ganz fehlen kann, nie aber auch nur die geringste Beziehung zu den Strahlen besitzt. Ihn hat wohl auch van derStricht gesehen, wenn er einen an Eisenhämatoxylinpräparaten nach Sublimateonser- virung färbbaren Centralkörper in der „Sphäre“ beschreibt; seine Abbildungen stimmen dagegen ja gänzlich mit meiner Auffassung überein. Man könnte sich übrigens an dem in Fig. 32 abgebildeten Centrosoma auch gar nicht denken, dass alle Strahlungen an einem centralen Punkt ansetzen. Dazu fehlt einfach der Raum und ich muss wiederum sagen, dass die Vergrösserung der Centrosomen beim Amphioxus eben bedingt wird durch die Anzahl der inse- rirenden Strahlen. Uebrigens geben Sublimatpräparate hier keine anderen Bilder als solche aus Flemming'scher Lösung. Nach dem hier Gesagten wird also auch wohl Kostanecki die grosse Kugel der Figur 29 u. ff. für das Centrosoma halten müssen. Einige Zeit nach Ausbildung der Tochterkerne findet man neben jedem derselben wieder 2 grosse Centrosomen an entgegen- gesetzten Enden des Kernes. Ebenso sind die Centrosomen noch an der zweiten (van der Stricht’s Fig. 26) und den folgenden Furchungsspindeln gross; später werden sie wieder allmählich kleiner, allmählich intensiver färbbar und erreichen schliesslich nach beendeter Furchung, wenn die Zellen klein geworden sind und die Strahlungen schwach, die Punktform. Schlussbetrachtungen. Ich habe in diesen Zeilen im Wesentlichen eine Beschreibung der Befruehtungserscheinungen des Amphioxuseies gegeben, die den Anspruch absoluter Vollständigkeit zwar nicht machen kann, aber doch keine wesentlichen Lücken aufweist. Anders steht es mit den Reifungserscheinungen, von denen ich nur die zweite Richtungstheilung genauer darstellen konnte. Die andern Beobachtungen über Reifungsersceheinungen sind leider sehr lückenhaft. Für die Reduetionsfrage haben 68 J. Sobotta: meine Untersuchungen nichts ergeben, was bei der Ungunst des Materials, das noch dazu in den entscheidenden Stadien mir wohl ganz fehlte, nicht wunderbar ist. Ich habe zeigen können, dass die Befruchtungsvorgänge am Amphioxusei nicht anders verlaufen als bei den Eiern (fast) aller Thiere, d. h. dass die Centrosomen der befruchteten Eizelle lediglich männlichen Ursprungs sind, das Chromatin zur Hälfte männlich, zur Hälfte weiblich. Eine Centrenquadrille oder ein ihr ähnlicher Vorgang existirt am Ei des Amphioxus nach meinen Beobachtungen nicht. Ich setze mich damit also in direkten Widerspruch zu den gewiss sorgsamen Untersuchungen eines verdienten belgischen Forschers, ©. van der Stricht's. Ich erhebe keinen Tadel gegen seine Untersuchungen, wenn ich denselben nicht zustimme. Selbstverständlich hege ich auch keinen Zweifel gegen ihre Richtig- keit, und ich habe daher auch im Vorhergehenden versucht, die Befunde und namentlich die Abbildungen van der Stricht’s zu erklären und zu deuten. Es hat sich dabei natürlich nur um einen Versuch gehandelt; ich behaupte nicht immer, aber doch wohl mehrmals das Richtige getroffen zu haben. Ich glaube, wie mehrfach betont, dass van der Stricht an stark polyspermen und zwar zum grossen Theil unbewusst an solchem Material gearbeitet hat und so trotz aller Sorgfalt der Untersuchung nicht auf den richtigen Weg gelangte. Ich habe auch bereits oben mehrfach meine Bedenken gegen die meisten der Abbildungen van der Stricht’s geltend ge- macht, die mit den meinigen eben nicht übereinstimmen und kann auch hier nur wiederholen, dass ich nur van der Stricht’s Figur 14, 26 und 28 für völlig einwandfrei erklären kann; die Abbildungen 12, 19, 24 und 25 weichen immerhin sehon von den von mir beobachteten Präparaten gleichen Stadiums ab, ob- wohl sie sonst wohl normalen Eiern entstammen. (Ich mache z. B. nur auf die collosal verschiedene Grösse der Dotterkörner und die Struktur des Protoplasmas in Fig. 24 und 25 van der Stricht’s einerseits und Fig. 26 und 28 andererseits aufmerk- sam.) Ferner bildet anscheinend van der Stricht chromatische und achromatische Substanzen bald mit der einen, bald mit der anderen Farbe ab, so dass Chromosomen meist roth, achromatische Bestandtheile meist schwarz sind; mitunter aber genau umgekehrt Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 69 (siehe Fig. 16 (?), Fig. 23). Das trägt mindestens nicht zur Deut- lichkeit bei. Präparate, wie das in Fig. 17 abgebildete, kann ich gar nicht als Durchschnitte von Ampbhioxuseiern wiedererkennen. Das Präparat der Fig. 7 erscheint wie in der Rindenschicht zerrissen. Hier handelte es sich wohl noch um ein Präparat, das die Bildung der Hauptmembran zeigte, die van der Stricht gar nicht erkannte. So lässt sich gegen alle Präparate van der Stricht’s (mit Ausnahme der oben genannten) gar manches anführen, was an normalen Eiern völlig anders aussieht. Ich kann die Arbeit van der Stricht’s daher zwar nur als eine sehr sorgsame bezeichnen, aber als eine, die an einem nicht geeigneten Material angestellt wurde. Am Schlusse dieser Arbeit erfülle ich die angenehme Pflicht, zunächst der Direktion der zoologischen Station zu Neapel insbesondere auch Herrn Geheimrath Dohrn, Professor H. Eisig und Dr. Lo Bianco für die bei der Gewinnung des der Arbeit zu Grunde liegenden Materials in besonderm Maasse nothwendigen Unterstützungen bestens zu danken. Ferner spreche ich auch hiermit meinem Freunde Herrn Dr. Ziegenhagen aus Danzig öffentlich meinen Dank für seine un- entbehrliche Hilfe beim Sammeln und Conserviren des Materials aus. Schliesslich erstatte ich hiermit dem Curatorium der Gräfin Bosestiftung in Berlin meinen Dank ab, welches durch Gewährung eines Arbeits- und Reisestipendiums meinen Aufenthalt in Neapel sowohl wie die Ausführung dieser Arbeit insbesondere ermöglichte. Erklärung der Abbildungen auf Tafel I—V. Fig. 1. Querschnitt des Ovariums eines laichenden Amphioxus. 100 mal vergrössert. Ps. Fig. 2. Ovarialei des Amphioxus. Erste Richtungsspindel. 1200 mal vergrössert. Ps. Fig. 3. Ovarialei des Amphioxus. In Abschnürung begriffene erste Richtungskörper. Zweite Richtungsspindel. 700 mal ver- grössert. Ps. 10. JS 0bro tb b-a. Ovarialei des Amphioxus. Zweite Richtungsspindel. Abge- schnürter erster Richtungskörper. 1200 mal vergrössert. Ps. Ovarialei des Amphioxus, kurz vor der Entleerung. Späteres Stadium der zweiten Richtungsspindel. 1200 mal vergrössert. Ps. Entleertes Ei. Bildung der Hauptmembran, an dieser Samen- fäden, auffällig kleine zweite Richtungsspindel. 7200 mal ver- grössert. S. Entleertes Ei. Bildung der Hauptmembran, nahezu tangential- liegende zweite Richtungsspindel. 1200 mal vergr. $. Zweite Richtungsspindel eines besamten Eies. 1200 mal ver- grössert. 8. Entleertes unbefruchtetes Ei mit gebildeter aber nicht abge- hobener Hauptmembran, zweite Richtungsspindel. 700 mal ver- grössert. Fl. Entleertes, besamtes Ei mit noch daran haftendem ersten Richtungskörper. Zweite Richtungsspindel, eingedrungener Samenfadenkopf, Membranen. Vergr. 700. FT. . Dasselbe wie Fig. 8 mit Eimembranen. Fl. . Entleertes besamtes Ei. Vergr. 700. FT. . Entleertes in Besamung begriffenes Ei. Vergr. 1200. $. . In Abschnürung begriffener zweiter Richtungskörper. Ver- grössert 1200. Ft. . Auffällig grosse zweite Richtungsspindel. Vergr. 1200. Fl. . Zweite Richtungsspindel. Vergr. 1200. Ft. . Besamtes Ei mit nicht abgehobener Hauptmembran. Bildung des Eikerns. Vergr. 700. Fl. . Ei mit den beiden Vorkernen. Eikern eben gebildet. Ver- grössert 700. Ft. . Dasselbe Stadium. Richtungskörper völlig abgeschnürt. Ver- grössert 700. Fl. . Ei mit Vorkernen, Centrosoma des Spermakerns mit Strahlung. Vergr. 700. Fl. . Ei mit Vorkernen. Centrosoma des Spermakerns getheilt. Vergr. 700. Fl. . In Bildung begriffener Spermakern. Centrosoma. Vergr. 1200. Fl. . Eben gebildeter Spermakern. Vergr. 1200. Fl. . Vorkerne dicht neben einander. Vergr. 700. Fl. . Furchungskern mit den beiden Centrosomen. Vergr. 700. Fl. . Furchungskern in Umbildung zur ersten Furchungsmitose. Hüllen des Eies. Vergr. 700. Fl. . Aequatorialplatte der ersten Furchungsspindel. Vergr. 700. Fl. u. 29. Diasterstadien der ersten Furchungsspindel. Vergr. 700. Fl. . Erste Furchungsspindel mit Chromatinringen. Vergr. 1200. $. . Polyspermes Ei mit Furchungsspindel und Nebensperma- spindel. Vergr. 700. Fl. . Durchschnitt des Centrosoma einer querdurchschnittenen ersten Furchungsspindel im Diasterstadium. Vergr. 1500. Fl. Die Reifung u. Befruchtung des Eies von Amphioxus lanceolatus. 71 Fig. 33. Polyspermes Ei, näh. s. Text. Vergr. 700. Fl. Fig. 34. Dispiremstadium der ersten Furchungspindel. Vergr. 700. Fl. Die Zeichnungen sind sämmtlich mit dem Zeichenapparat nach Abbe und zwar die 100fache Vergrösserung mit Apochromat 16 mm, die 700fache mit Apochromat 3mm Apert. 1,30 Oc.8, 1200fache Oec. 12, 1500fache Oe. 18 hergestellt. Die Buchstaben hinter den Figurenbezeichnungen bedeuten die Conservirungsinethode: Ps. = Pikrinsublimatessigsäure, S. = Sublimat- essigsäure, Fl. — Flemming’sches Gemisch. Für alle Figuren giltige Bezeichnungen: ah. = äussere Eihülle, ek — Kikern, fsp. = Furchungsspindel, ?h.= innere Eihülle, r£. = reife Eier, rk I. = Erster Richtungskörper, rklI. = Zweiter Richtungskörper, rsp. = Richtungsspindel, sp. = Spermatozoon, spk. — Spermakern, unr. E. — unreife Eier. Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Einte. Von Dr. Hugo Rex, a. 0. Professor der Anatomie an der Prager deutschen Universität. Hierzu Tafel VI und 12 Textfiguren. Gelegentlich der Untersuchung der Entwicklung der Augen- muskeln der Ente stiess ich auf Eigenthümlichkeiten der Entwick- lungsverhältnisse der Prämandibularhöble, welche in Zusammen- halt mit v. Kupffers!) kurzer Mittheilung über den gleichen Gegenstand weitere Untersuchungen als lohnend verhiessen. Ich entschloss mich daher über Anregung von Professor Ra bl meine 1) €. v. Kupffer, Entwicklungsgeschichte des Kopfes. Referat in den „Ergebnissen der Anatomie und Entwicklungsgeschichte‘. Bd. II. 1892. Wiesbaden 1893. 72 Huge.Rex: Untersuchungen auf jüngere und jüngste Stadien auszudehnen. Die Ergebnisse derselben liegen in den folgenden Blättern vor und bilden einen, wenn auch bescheidenen Beitrag zur Entwick- lungsgeschichte des Vorderkopfes der Ente. Der jüngste Embryo, den ich der Beschreibung zu Grunde lege, hatte jederseits einen Urwirbel, jedoch war derselbe proxi- mal und distal noch so wenig scharf begrenzt, dass er bei der Betrachtung der Keimscheibe im durchfallenden Lichte nicht deutlich hervortrat; erst die Untersuchung der Sagittalschnittserie, die ich von der Keimscheibe angefertigt hatte, überzeugte mich von seiner Existenz. Ich werde mich zunächst an diejenigen Bilder halten, welche Schnitte zeigen, die möglichst genau der Medianebene entsprechen. Einen solehen Schnitt durch das Vor- derende der Embryonalanlage stellt die Tafelfigur 1 dar. Die Embryonalanlage fällt hier steil gegen den ausserembryonalen Theil der Keimscheibe ab. Eetoderm und Entoderm (ect und ent) sind überall deutlich von einander getrennt. Das Eetoderm besteht aus hohen Cylinderzellen, die so dieht gedrängt stehen, dass die Kerne nicht in einer Höhe Platz finden. Sehr eigen- thümliche Verhältnisse bietet das Entoderm. Während es an der vorderen Darmwand (bei vd) den Charakter eines hohen ein- schichtigen Cylinderepithels trägt, das über die vordere Keim- falte hinaus sich im das flache Epithel der Area pellueida fort- setzt, zeigt es an der dorsalen Darmwand (bei Dd) ein wesent- lich anderes Bild. Hier ist die Darmwand dieker und ihre Zellen sind weniger deutlich zu einem Epithel angeordnet. Zwischen beiden Streeken (bei s) sieht man einen Schlitz, der in schiefer Richtung nach hinten und oben in eine schmale Bucht der dorsalen Darmwand führt. Die Zellen, welche diese Bucht begrenzen, sind dorsalwärts mehr ceylindrisch und gehen nach vorne und unten in das Cylinderepithel der vorderen Darmwand über. Nach unten wird die Bucht von weniger deutlich epithel- artig angeordneten Zellen begrenzt. Die erwähnte Verdiekung der Dorsalwand wird durch eine Zellmasse dargestellt, deren nachbarliche Beziehungen von In- teresse sind. Ich verweise diesbezüglich auf die halbschematische Textfigur 1. Dieselbe ist einem grösseren Abschnitte desselben Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. 73 Medianschnittes entnommen, nach welchem auch die Tafelfigur 1 gezeichnet ist und zeigt uns die Umrisse der uns interessirenden Gebilde. Während das Entoderm vor der Stelle s aus hohen Cylinderepithelien und hinter der Stelle s, aus niedrigen platten Epithelien besteht, zeigt es in der Streeke zwischen s und s, noch ein mehr indif- ferentes Verhalten. Mit Rücksicht darauf will ich das Entoderm, wel- ches von s bis s, die dorsale Darmwand bil- det, als interepitheliales Entoderm oder auch als Figur 1. interepitheliale Zellmasse bezeichnen (J). Von der Stelle s, an hat sich nach hinten zu die Chorda deutlich vom Ento- derm gesondert, nach vorne aber geht diese in das interepitheliale Entoderm continuirlich über. Mit anderen Worten, das Ento- derm zeigtsiechin der Strecke s biss, in einem geringeren Grade der Differenzirung als an- derwärts. Verlassen wir den eben der Beschreibung zu Grunde ge- legten Schnitt und betrachten wir die unmittelbar auf ihn nach aussen hin folgenden Schnitte. In einzelnen derselben taucht in der interepithelialen Zellmasse in nur geringer Entfernung vom Distalende der oben erwähnten Bucht eine längliche scharf um- grenzte Lichtung auf, welche sich distalwärts in einen feinen Spalt fortsetzt. Die dorsale Begrenzung der Lichtung und des Spaltes bilden Epithelzellen. Wir können also sagen : im Vorder- ende der Zellmasse leitet sich eine Spaltbildung ein, welche zur Sonderung eines dorsalen, einschichtigen epithelialen Abschnittes führt. Die Beziehungen der Zellmasse zum Mesoderm werden uns an Querschnittserien klar. Ich schildere im Folgenden den Be- fund einer Serie von einem Embryo, bei welchem beiderseits ein Urwirbel proximal- und distalwärts scharf abgegrenzt sich vorfand. Durehmustern wir die Serie von vorne nach hinten, so treffen wir zunächst das Gebiet der oben mehrfach erwähnten Bucht im Vorderende der Dorsalwand des Darmes. Die Ab- 74 HugoRexs: grenzung der interepithelialen Zellmasse ist hier weniger klar als in Sagittalschnitten zu ermitteln. Desto klarer wird dieselbe, je weiter wir nach hinten in der Serie fortschreiten. In den unmittelbar ans Hinterende der Bucht sich anschliessenden Abschnitten der Zellmasse treffen wir sehr charakteristische Ver- hältnisse an. Ich verweise auf die Tafelfigur 2. Der in dieser abgebildete Schnitt geht durch den vorderen Theil der Em- bryonalanlage hindurch und zwar in nur geringer Entfernung distalwärts von der vorderen Keimfalte. Im Bereiche des Eetoderms ist es noch nieht zur Bildung von Medullarwülsten gekommen ; jener Abschnitt der Rücken- wülste, der sich später zur Medullarplatte umwandelt, ist late- ralwärts noch nicht scharf abgegrenzt. Die Rückenrinne ist flach. Aeusserst charakteristische Verhältnisse zeigt das Entoderm. Es bildet die epitheliale Auskleidung der dorsalen und der bei- den seitlichen Wände des ventralwärts weit offenen rinnenför- migen Darmes. Die Dorsalwand Dd ist in der Mitte verdickt. Diese Verdiekung entspricht dem Querschnitte der interepithe- lialen Zellmasse J. Analysiren wir dieselbe etwas genauer. Sie besteht zunächst aus einer Zellgruppe, welche mehr weniger den Eindruck der Selbständigkeit erweckt. Deutliche cylindrische Zellen umsäumen radiär gestellt ein scharf begrenztes, querge- stelltes Lumen DA. Die Abgrenzung dieser Zellgruppe gegen- über den seitlich angrenzenden schlanken Epithelzellen der dor- salen Darmwand ist zwar keine sehr scharfe, allein immerhin deutliche. Ventralwärts ist die Zellgruppe einer einfachen Lage platter Zellen gleichwie aufgelagert, von welcher sie auf der einen Seite (links in der Figur) scharf gesondert ist. Gehen wir von diesem Schnitte aus in der Serie nach vorne und hinten, so verschwindet bald das Lumen, ebenso auch die regelmässige Ausdehnung der dieses umsäumenden Zellen. Die Deutung dieses Schnittbildes fällt mit Rücksicht auf die oben beschriebene Eigenthümlichkeit des Auftretens von Spaltbildungen im Bereiche des vorderen Abschnittes der Zell- masse nicht schwer. Das eben beschriebene Lumen in der Zellmasse entspricht dem Querschnitte einer solchen Spalte, deren Auftre- ten die Scheidung der Zellmasse in einen dorsalen und ventralen Abschnitt zur Folge hat. Schon in den nächsten distalwärts folgenden Schnitten ist Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. 75 das Epithel der dorsalen Darmwand bedeutend niedriger, auch die Zellmasse ist deutlich abgeplattet. Aus ihren seitlichen Ab- schnitten treten nun mesodermale Zellstränge hervor. In man- chen Schnitten kommt es abermals zur Spaltbildung in der Zell- masse; doch ist der beide Abschnitte trennende Spalt nicht mehr so deutlich wie jener in dem Schnitte der Tafelfigur 2. Gehen wir in der Serie noch weiter distalwärts, so tritt zu dieser Spaltbildung in der Zellmasse eine andere, sehr bemer- kenswerthe Eigenthümlichkeit hinzu. Bei der Beschreibung der Tafelfigur 2 wies ich bereits darauf hin, dass auf der einen Seite eine Sonderung der beiden Zelllagen, welche den ven- tralen Abschnitt der Zellmasse bilden, deutlich in Erscheinung tritt. Diese Sonderung kann zu einer durchgreifenden werden und so zum Ausschlusse der Zellmasse von der dorsalen Darm- wand führen. Nicht wenige Schnitte zeigen jetzt folgendes Bild. Die Zellmasse besteht aus zwei durch einen feinen, trans- versalen Spalt geschiedenen Zelllagen, von welchen namentlich die dorsale deutlich epithelialen Charakter zeigt; aus ihren seit- liehen Abschnitten spriesst beiderseits Mesoderm hervor. Beide Gebilde, die Zellmasse und das ihr entstammende Mesoderm sind von der dorsalen Darmwand, die sich aus niedrigen Zellen auf- baut, deutlich geschieden. In der weiteren Verfolgung der Serie distalwärts treten die soeben geschilderten Verhältnisse immer mehr in den Hinter- grund. Die dorsale Darmwand weist flache, platte Zellen auf; die Mesodermproduktion von Seite der Zellmasse ist verringert. Beiderseits entstammen derselben nur mehr zarte Zellketten. Die Zellmasse wird ferner allmählich recht platt, löst endlich ihre Verbindung mit der dorsalen Darmwand und geht, nach- dem jetzt auch die Mesodermproduction erloschen ist, in das Chordavorderende über. Der nächst ältere Embryo, von dem ich in der Figur 3 einen medianen Sagittalschnitt abgebildet habe, zeigte beiderseits zwei scharf abgegrenzte Urwirbel. Die Medullarwülste und die von ihnen begrenzte Medullarrinne waren gut ausgebildet und das Vorderende der Embryonalanlage zeigte einen weit höheren Grad von Selbständigkeit. Mit dieser grösseren Selbständigkeit 76 HugoRexs: des Kopfendes hängt es auch zusammen, dass der vordere Ab- schnitt des Darmes, der früher — vergleiche Tafelfigur 1 — in ganzer Ausdehnung gegen den Dotter geöffnet war, einen ven- tralen Abschluss gefunden hat. Dieser geschlossene Theil des Darmes geht hinter der vorderen Darmpforte (bei dpf) in den offenen über. Die starke Krümmung des Kopfendes bringt es mit sich, dass der Boden der Medullarrinne, der auf dem Schnitte bei mr zu sehen ist, in steilem Bogen nach vorne abfällt. Ein Vergleich der Tafelfigur 1 und 3 lehrt ohne Weiteres, dass der- jenige Theil der Darmwand, den wir früher als vorderen be- zeichnet haben (Tafelfigur 1, va) jetzt zur ventralen Wand des Kopfdarmes geworden ist. An der vorderen Grenze zwischen dorsaler und ven- traler Darmwand sieht man noch deutlicher als früher im dem zuerst beschriebenen Sagittalschnitte einen Schlitz s, der in eine schmale Höhle führt (DA,), die sich dorsalwärts allmählich ver- engt und sodann in eine Spalte übergeht, welche sich nach hinten beträchtlich weit in die dorsale Darmwand hinein forterstreckt (DA). Man erhält den Eindruck, als setzte sich das Vorder- darmlumen in Gestalt eines sich nach und nach verengernden Divertikels in das Vorderende der dorsalen Darmwand fort. Die dem Boden der Medullarrinne zugewandte dorsale und proximale Wand des Divertikels wird durch Epithelzellen gebildet, welche von hinten nach vorne allmählich an Höhe gewinnen und sich direet ins Epithel der ventralen Darmwand fortsetzen. Die ven- trale und distale Wand stellt ein nach hinten sich etwas ver- Jüngender Wulst bei, welcher dem Vorderende der dorsalen Darm- wand angehört (entw.). Die Dorsalwand des Kopfdarmes wird, wie aus der Tafel- figur 3 leicht ersichtlich ist, vom Vorderende der interepithelia- len Zellmasse gebildet. Dementsprechend müssen wir die eben gegebene Beschrei- bung dahin abändern, dass wir sagen: das Divertikel der Kopf- darmlichtung dringt ins Vorderende der interepithelialen Zell- masse ein und hierdurch wird von diesem ein einschichtiger, epithelialer Abschnitt gesondert, der die dorsale und proximale Wand des Divertikels bildet. Ein Vergleich der Tafelfiguren 1 und 3 mit einander lehrt, dass sich das Divertikel jetzt viel weiter nach hinten in die Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. 17 Zellmasse forterstreckt als früher. Auf welche Weise diese Ver- längerung zu Stande gekommen sein dürfte, lehrt der Bau des Zellmassenvorderendes bei dem Eingangs beschriebenen Embryo mit einem Urwirbelpaare. Es fand sich hinter dem noch kurzen Divertikel eine Spalte vor, deren Wandung denselben Bau auf- wiess, wie jene des Divertikels. Mit Rücksicht auf diesen Be- fund erscheint es mir als nicht unwahrscheinlich, dass die Ver- längerung des Divertikels, die wir bei dem älteren Embryo vor- finden, auf die Vereinigung des ursprünglich kurzen Divertikels mit einer hinter ihm gelegenen selbständig entstandenen” Spalte zurückzuführen ist. Die Chorda, die bei diesem Embryo im Rumpfe schon deutlich vom Entoderm abgegliedert ist, reicht nach vorne bis nahe an die vordere Darmpforte heran. Die Abgliederung ihres Vorderendes ist noch keine vollkommene. Der vorderste Ab- schnitt Ch, welcher noch deutlich als zur Chorda gehörig an- gesprochen werden kann, verjüngt sich nach vorne hin und geht direkt in den proximalwärts angrenzenden dorsalen Abschnitt des Hinterendes der Zellmasse über. Hand in Hand mit der proximalwärts vorschreitenden Differenzirung der Chorda hat also auch die interepitheliale Zellmasse distalwärts an Ausdeh- nung eingebüsst. Geht man im der Serie von der Mitte nach den Seiten, so wird zunächst der in der Tafelfigur mit DA be- zeichnete Abschnitt des Divertikels undeutlich, um bald zu ver- schwinden. Mit grosser Beharrlichkeit kehrt jedoch die kleine Höhle DA,, welche wir in dem Medianschnitt vorfanden, wieder, ebenso auch der Schlitz s. In manchen Schnitten besteht zwischen Höhle und Schlitz keine Verbindung. In solchen Schnitten sind auch die Zellen, welche die Höhle begrenzen, nicht selten zu einem deutlichen Epithel angeordnet; bei gleichzeitiger Ver- grösserung der Höhle erweckt dieselbe den Eindruck einer selb- ständigen Bildung. Bei der Durchsicht der ganzen Serie erhält man den Ein- druck, als ginge das Entoderm des Vorderkopfes, namentlich die interepitheliale Zellmasse direkt in das Mesoderm über. Darüber erhält man indessen an Querschnittserien besseren Aufschluss. Einen solchen Querschnitt durch den Vorderkopf stellt die Tafelfigur 4 dar. Der Embryo war etwas jünger als der eben vorhin beschriebene. Bei schwacher Vergrösserung 18 HugoRex: sieht man innerhalb des vom Eetoderm umsehlossenen Raumes einen scheinbar einheitlichen, ziemlich diehten Zellhaufen. Bei stärkerer Vergrösserung gewahrt man aber in demselben mehrere, bis zur vier Höhlen, die von mehr oder weniger deutlich epithel- artig angeordneten Zellen umgeben sind, und sich, wie die Unter- suchung der ganzen Serie zeigt, nach hinten in den Vorderarm öffnen. Ebenso kann man sich überzeugen, dass der erwähnte Zellhaufen sich nach hinten nicht allein ins Entoderm, sondern auch ins Mesoderm fortsetzt. Das Auftreten der Höhlen in dem Zellhaufen lässt sich leicht aus der oben beschriebenen eigenthümlichen Gestaltung des aufsteigenden in der Tafelfigur 3 mit DA, bezeichneten Diver- tikelabschnittes erklären. Ich wies auf die relativ starke Aus- dehnung desselben in transversaler Richtung sowie auf seine seitlichen Ausbuchtungen hin. Die Tafelfigur 4 zeigt uns diesen Abschnitt des Divertikels, sowie dessen seitlichen Ausbuchtungen im Anschnitt. In Folge dessen fehlt der Zusammenhang zwischen letzteren und sie erwecken den Eindruck selbständiger Höhlen. An den Schnitten, welche auf den in der Tafelfigur 4 abge- bildeten folgen, kann man sich auch überzeugen, dass an der Bildung des Mesoderms des Vorderkopfes das Entoderm nicht in seiner ganzen Ausdehnung gleichmässig betheiligt ist, sondern dass die Ventralwand des Vorderdarmes an dieser Differenzirung in keiner Weise theilnimmt. Nur aus der dorsalen und den seitlichen Wänden des Darmes wuchern Zellen hervor, die sich dem Mesoderm zugesellen; im Bereiche der dorsalen Wand geht die Mesodermbildung namentlich von der interepithelialen Zell- masse aus. Diese zeigt nicht mehr jenen einfacheren, ursprüng- lichen Bau, den wir in den zuerst beschriebenen Stadien kennen lernten, sondern ist jetzt im Querschnittsbilde eine aus dicht ge- drängten Zellen aufgebaute stattliche Verdiekung des mittleren Dritttheiles der dorsalen Darmwand, welche distalwärts allmählich an Höhe und Breite abnimmt und sich schliesslich in das Chorda- vorderende fortsetzt. Bei Embryonen mit 4 und 5 Urwirbeln zieht das Diver- tikel des Vorderdarmes als feine Spalte nach vorne, wendet sich dann im Bogen aufwärts, um schliesslich horizontal nach hinten Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. 79 zu verlaufen. S. die Tafelfigur 5. Wir können nunmehr zwei Abschnitte des Divertikels unterscheiden. Jener Abschnitt, welcher als feine Spalte in der direkten Fortsetzung der Kopfdarm- lichtung nach vorne zieht, sei als ventraler Abschnitt be- zeichnet (VA). Der in das Vorderende der Zellmasse eindringende Abschnitt sei als dorsaler bezeichnet. Er steigt zunächst dorsalwärts empor und zieht sodann distalwärts umbeugend nach hinten (DA, und DA). Der dorsale Abschnitt des Divertikels hat ungefähr dieselbe Ausdehnung, wie wir sie in dem Median- schnitte der Tafelfigur 3 von einem Embryo mit 2 Urwirbeln kennen lernten. Ueber die Formverhältnisse und die Ausdeh- nung der interepithelialen Zellmasse gewährt die Textfigur 2 guten Aufschluss. Die- selbe ist einem Schnitte entnommen, der jenem der Tafelfigur 5 nahe be- nachbart ist. Er ist von letzterem an gerechnet der zweite. (Die Schnittdieke beträgt 0,0075 mm.) Fassen wir das Vorder- Figur 2. ende der Zellmasse J ins Auge. Wir überblicken zunächst den Verlauf des Divertikels des Vorderdarmes. Sein ventraler Ab- schnitt geht bis & in den dorsalen über. Dieser durchsetzt in der eben beschriebenen Weise das Vorderende der Zellmasse. Der epitheliale Abschnitt des Vorderendes der Zellmasse grenzt an den Boden des Medullarrohres und geht bis x in die epitheliale Wand des ventralen Divertikelabschnittes über. Das Hinterende der Zellmasse besitzt eine beträchtliche Höhe, schliesst das Hinterende des Divertikels und das Vorder- ende der Chorda in sich ein und füllt den Raum zwischen Medullarrohr und dorsaler Darmwand völlig aus. Der Schnitt der Textfigur zeigt eine Eigenthümlichkeit, welche jenem der Tafelfigur mangelt. Ich meine eine hintere scharfe Grenze der interepithelialen Strecke der dorsalen Darmwand in Gestalt eines kurzen Schlitzes s!, welcher das Vorderende der epithelialen Strecke scharf vom Hinterende der interepithelialen Strecke ab- setzt. Ihre vordere Grenze besitzt letztere in dem zum Diver- tikel führenden Schlitze s (s. auch die Tafelfigur 5). 80 HugoRex: Fassen wir nochmals das Divertikel ins Auge. Sein Lumen ist wie gesagt auf eine enge Spalte redueirt und kann sogar — wenigstens scheinbar — hier und da ganz unterbrochen sein. Eine solche Stelle ist auch an dem abgebildeten Schnitte der Tafelfigur zu sehen. Andererseits kann es vorkommen, dass sich das Lumen an der einen oder anderen Stelle zu einer grösseren Höhle erweitert. Derartige Höhlen sieht man namentlich häufig an solchen Schnitten, welche von der Medianebene weiter ent- fernt gelegen sind. Die Zellen, welche diese Höhlen begrenzen, sind dann nicht selten zu einem deutlichen Epithel angeordnet, das radiär das Lumen der Höhlen umgrenzt. Letztere erwecken dann oft den Eindruck scheinbar vollkommen selbständiger Bil- dungen. Wir finden also ähnliehe Verhältnisse, wie bei dem Embryo mit zwei Urwirbelpaaren. Ob und inwieweit die Medullarwülste sich schon mit ein- ander vereinigt haben, lässt sich an unserer Sagittalschnittserie nicht mit Sicherheit erkennen; jedenfalls sind sie vorne noch weit von einander getrennt. Querschnittserien bestätigen dies; ich finde in einer solchen von einem Embryo mit 5 Urwirbeln die Medullarwülste von der vorderen Darmpforte an nach vorne hin noch nicht im Contakt und vorne weit klaffend. Durch- mustert man jedoch mehrere Serien, auch solche von jüngeren Stadien, so findet man, dass der Eintritt des Verschlusses des Medullarrohres bei der Ente gewissen zeitlichen Schwankungen unterworfen zu sein scheint. So z. B. finde ich in einer Quer- schnittserie von einem Embryo, bei dem beiderseits ein vierter Urwirbel in Bildung begriffen war, die Medullarwülste von der vorderen Darmpforte an nach vorne bis zur Gegend des Vorder- endes des Kopfdarmes bereits in Contakt. Derartige zeitliche Schwankungen wiederholen sich auch in älteren Stadien. Kehren wir zu unserem Stadium zurück. Der Boden der Medullarrinne beziehungsweise des in Bildung begriffenen Me- dullarrohres zeigt an seiner basalen, dem Entoderm zugewendeten Fläche ein eigenthümliches Aussehen, das namentlich deshalb eine grössere Aufmerksamkeit beansprucht, weil es bei oberfläch- licher Betrachtung eine Verschmelzung des Ectoderms mit dem Entoderm vortäuschen könnte. Diese Fläche zeigt nämlich Zapfen oder buckelförmige Vorsprünge, die mehr oder weniger tief in die interepitheliale Zellmasse vordringen und bei der Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. 81 Untersuchung ‘mit schwachen Linsen in dieselbe überzugehen scheinen. Es ist dies auch in dem Querschnitte der Textfigur 3 deutlieh ersichtlich. Bei starker Vergrösserung kann man sich aber mit voller Bestimmtheit überzeugen, dass ein solcher Zu- sammenhang nicht existirt, dass vielmehr Eetoderm und Ento- derm überall scharf und deutlich von einander getrennt sind. Anders sieht der Boden der Medullarrinne ganz vorne aus, da wo er sich in steilem Bogen nach abwärts senkt. Hier ist das Entoderm von der basalen Fläche des Bodens der Medullarrinne stets durch einen deutlichen, nicht ganz einen Zellkern breiten Spaltraum geschieden. Figur 3. Querschnittserien liefern instruktive Bilder über die Aus- dehnung des Divertikels in transversaler Riehtung. Ich habe in der Textfigur 3 aus einer solchen Serie von einem Embryo mit 5 Urwirbeln einen Schnitt wiedergegeben, der das Vorderende des Darmrohres im Anschnitt enthält. Wir finden in den mitt- leren Abschnitten des Schnittes eimen Zellhaufen J. Dorsal und ventral ist dieser von Cylinderzellen umsäumt, Ep, und Ep, und zwischen Epithel und Zellhaufen findet sich eine dorsale und ventrale Spalte Sp, und Sp. Diese Figur kann leicht auf den Medianschnitt der Tafelfigur 5 bezogen werden. Das in dieser Figur dargestellte Divertikel des Vorderdarmes ist entsprechend seinem eigenthümlichen Verlaufe zweimal im Schnitt getroffen. Sein dorsaler Abschnitt ist bei Sp, sein ventraler in der direkten Fortsetzung der Lichtung des Vorderdarmes gelegener Abschnitt bei Sp getroffen. Das Vorderende der Zellmasse haben wir in Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 50 6 82 HugoRex: den mit J und Ep, bezeiehneten Abschnitten vor uns. Die mit Ep, bezeichnete Epithellage entspricht dem durch die dorsalen Schenkel des Divertikels von der Zellmasse getrennten epithelialen Abschnitte derselben. In der mit Zp bezeichneten Epithellage erkennen wir die epitheliale Wand des ventralen Abschnittes des Divertikels leicht wieder. Aus der interepithelialen Zellmasse sprosst beiderseits Zell- material, zumeist in Form zarter Zellketten hervor, welches sich dem benachbarten Mesoderm des Vorderkopfes zugesellt. Auch in der Textfigur 3 ist dies deutlich ersichtlich (2, 2,). Verfolgt man die Serie weiter nach hinten, so findet man, dass der ventrale Abschnitt des Divertikels bald in die Lichtung des Vorderdarmes übergeht; der dorsale Abschnitt jedoch lässt sich, seiner stärkeren Ausdehnung entsprechend, noch durch eine grössere Zahl von Schnitten deutlich weiter verfolgen. Ferner verliert die Zellmasse an Höhe und Breite und bald beginnt auch ihre Ablösung von der dorsalen Darmwand. Gleichzeitig mit dieser Ablösung tritt in der Mitte der Zellmasse der Querschnitt des in der Differenzirung begriffenen äussersten Vorderendes der Chorda auf; die Mesodermproliferation aus den seitlichen Ab- schnitten den nun recht platten Zellmasse hält nach wie vor an. Dasselbe gilt auch für den von der Dorsalwand des Darmes völlig abgelösten distalen Endabschnitt der Zellmasse. Ist auch die Mesodermproliferation erloschen, so ist damit der Uebergang der Zellmasse in die Chorda vollzogen. Von nun an erleidet das Divertikel des Vorderdarmes eine Reduction, die in der Richtung von hinten nach vorn rasch weiter schreitet und mit der in gleicher Richtung erfolgenden Abgliede- rung der Chorda untergeht, ohne dass sich aber ein causaler Zusammenhang zwischen beiden Processen nachweisen liesse. Diese Reduction macht sich schon bei Embryonen mit 6 Urwirbeln bemerkbar und ist noch deutlicher an Medianschnitten durch Em- bryonen mit 7 Urwirbeln, von welchen die Tafelfiıgur 6 ein Bei- spiel gibt, zu sehen. Wie aus der Abbildung hervorgeht, fehlt hier schon die ganze, horinzontal unter dem Boden der Medullar- rinne verlaufende Strecke (DA in der Tafelfigur 5). Dieselbe Reduction wie das Divertikel hat auch der epitheliale Abschnitt der Zellmasse erfahren. Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. 83 Die Chorda, welehe in diesem Stadium fast bis zur Höhe des blindsaekförmigen Vorderendes des Darmes reicht, verliert sich hier in der ziemlich diehten interepithelialen Zellmasse. Ueber die Ausdehnung der letzteren gewährt die Textfigur 4, welcne die Umrisse der Tafelfigur 6 wiedergibt, Aufschluss. Die inter- epitheliale Zellmasse ./ hat an Höhe gewonnen, jedoch eine weitere Verkürzung erfahren. Das noch nicht völlig abgegliederte Chor- davorderende stellt den dorsalen Abschnitt des leicht verjüngten Hinterendes der Zellmasse dar. Es sei noch auf eine Eigen- thümlichkeit hingewiesen, welche in dem Schnitte der Tafelfigur 6 ziemlich scharf ausgeprägt ist. Man sieht über dem Schlitz s noch eine kleine Grube g und über dieser noch einen zweitenSchlitzs, welch letzterer sich gerade- zu wie eine Continuitäts- trennung der Dorsalwand des Darmes ausnimmt. Figur 4. Doch sind diese Grübcehen von viel geringerer Bedeutung wie der Schlitz s, der ins Diver- tikel führt, denn sie sind lange nicht so constant und reichen namentlich nicht so tief wie dieser. Oft sind sie nur an wenigen Schnitten einer Serie gut zu sehen. Immerhin verdient der erwähnte zweite Schlitz s; Beachtung; er stellt eine hinten scharfe Grenze der interepithelialen Strecke der Dorsalwand vor, ähnlich wie früher bei Embryonen mit 5 Urwirbeln. Grübchen, wie das in der Figur mit g bezeichnete, fand ich auch in Sagittalschnitten von jüngeren Stadien. Sie führen bald mehr, bald weniger tief in die interepithelialen Zellmassen hinein. In einer Quersehnittserie von einem Embryo mit 6 Urwirbeln finde ich die Medullarwülste im Bereiche des Kopfes nur in der Gegend des Vorderendes der Chorda einander genähert, sonst mehr oder weniger klaffend. Bei einem Embryo mit 7 Urwirbeln hingegen sind die Medullarwülste von der vorderen Darmpforte an nach vorne hin bis über das proximale Ende des Kopfdarmes hinaus in engem Contakt. Diese nicht unbeträchtliche Differenz in der Entwicklung des Medullarrohres bei zwei einauder sonst nahe stehenden Stadien liefert einen weiteren Beleg meiner früheren 84 HugoRex: Angabe, dass der Eintritt des Contaktes der Medullarwülste zeit- lichen Schwankungen unterliegt. Es wiederholt sich auch in diesem Stadium die oben für Embryonen mit 5 Urwirbeln beschrie- bene eigenthümliche Gestaltung des Bodens des Hirnrohres. Man kann jedoch wie früher auch jetzt eine scharfe Grenze zwischen Eetoderm und Entoderm nachweisen. Vorne ist der steil ventral- wärts abfallende Boden des Hirnrohres vom Entoderm durch eine recht breite Spalte geschieden, welche sich namentlich nach aussen hin immer vergrössert. Querschnitte durch das Divertikel des Vorderdarmes dieser Stadien zeigen Folgendes. Wie früher — vergleiche Textfigur 3 — findet sich in der Mitte zwischen dem Boden des Medullarrohres und dem Eetoderm der Querschnitt der interepithelialen Zellmasse, welche eine be- deutende Höhe aufweist. Die Zellmasse wird jetzt, entsprechend der Reduction des Divertikels nunmehr ventralwärts von Epithel umsäumt. Zwischen ihrer Ventralfläche und dem Epithel sieht man den Querschnitt des ventralen Abschnittes des Divertikels als schmale, stellenweise undeutlich contourirte Spalte. Die seit- lichen Abschnitte der Zellmasse stehen wie früher durch Zell- ketten mit dem benachbarten Mesoderm des Vorderkopfes in Ver- bindung. Gehen wir in der Serie weiter distalwärts, so treffen wir den Uebergang des ventralen Abschnittes des Divertikels in das proximale Ende des Kopfdarmes. Ein Schnitt, welcher uns diese Verhältnisse erkennen lässt, ist in der Tafelfigur 7 abge- bildet. Derselbe entstammt einer Querschnittserie von einem Embryo mit 7 Urwirbeln und zeigt uns den vordersten Endab- schnitt des Kopfdarmes (KD), sowie auch die Beziehungen der interepithelialen Zellmasse (J) zu dessen Dorsalwand. Ventral- wärts von der Zellmasse ist die Lichtung des Kopfdarmes auf eine enge Spalte redueirt. Diese Spalte geht proximalwärts ins Divertikel über. Der ventrale Abschnitt der Zellmasse, welcher die eben erwähnte Spalte dorsalwärts begrenzt, setzt sich nach aussen direkt in die seitlichen epithelialen Abschnitte der dorsalen Darmwand fort. Die aus den seitlichen Abschnitten der Zellmasse hervortretenden Zellketten Z und Z, gesellen sich dem benachbarten mesodermalen Zellhaufen M zu. Verfolgen wir die Zellmasse in dieser Serie weiter distalwärts, so verliert dieselbe allmählich an Breite, und bald auch an Höhe. Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. 85 Der Uebergang ihres distalen Endes in das Chordavorderende zeigt die oben für Embryonen mit 5 Urwirbeln beschriebenen Verhältnisse. Noch weiter gediehen ist die Reduction des Divertikels bei Embryonen mit 9 Urwirbeln. (Siehe Tafelfigur 8.) Nicht nur die vertikal verlaufende Strecke des dorsalen, auch die vordere Hälfte des ventralen Abschnittes ist nicht mehr nachweisbar. An Stelle der Wände des rückgebildeten Abschnittes des Divertikels ist embryonales Bindegewebe getreten; in dieses verliert sich das Vorderende des Divertikelrestes unmerklich. Die Ventral- wand desselben setzt sich wie früher direkt ins Epithel der ven- tralen Darmwand fort. Die an ihr Vorderende (VE) sich unmittel- bar anreihenden Zellen zeigen noch deutlich Charakter und An- ordnung epithelialer Zellen, doch ist ihre Verbindung bereits ge- loekert und vorne ganz gelöst. Endlich schliessen sich dieselben noch weiter vorne auch in ihren Formverhältnissen der benach- barten embryonalen Bindegewebszellen an. Die Ausdehnung der interepithelialen Zell- masse der dorsalen Darmwand zeigt die Umrisszeichnung im der Textfigur 5 sehr klar. Vorne ist die Zellmasse mit dem oben geschilderten Bin- degewebe, welches an die Stelle der früheren Wände des Diver- tikels getreten ist, innig verbunden; hinten hat dieselbe eine weitere Reduction erfahren, wie früher bemerkt, im Anschluss an die vorwärts schreitende Differenzirung der Chorda. Verfolgt man die Serie nach aussen, so gewahrt man, dass die Zell- masse nach hinten eine grössere Ausdehnung besitzt, als es nach den Bildern der Medianschnitte zu sein scheint. Diese distale Fortsetzung ist enge mit den seitlichen Ab- schnitten des Chordavorderendes verbunden, welch letzteres also noch nicht völlig abgegliedert ist. Ventralwärts ist die Zellmasse nur auf einer kurzen Strecke vom Reste des Divertikels umsäumt. Die interepitheliale Strecke der dorsalen Darmwand ist Figur 5. 86 Hugo Rex: jetzt schon recht kurz (s. Textfigur 5 s—s,). Eine scharfe Ab- srenzung derselben distalwärts gegen das Vorderende der epi- thelialen Strecke, also bei s,, wie wir sie früher in Form eines Schlitzes fanden, konnte ich bei diesem Embryo nieht auffinden. In der Gegend des Vorderendes des Darmes tritt in diesem Stadium bereits die Verschmelzung der Medullarwülste ein. Zwi- schen Boden des Hirnrohres und Chorda findet sich eine deut- liche Spalte. Die früher beobachtete Ungleichmässigkeit der Ventralfläche des Hirnbodens ist grossentheils geschwunden. Die Ventralfläche ist glatt und eben. Zwischen dem vorderen, ven- tralwärts schräg abfallenden Abschnitt des Hirnbodens und der interepithelialen Zellmasse findet sich jetzt zwar keine Spalte, allein stets eine scharfe deutliche Grenze. So finden wir auch in diesem Stadium die einander benachbarten Abschnitte des Medullarrohres einerseits, und des Vorderdarmes und der Chorda andererseits scharf von einander geschieden. Querschnittserien zeigen zunächst, dass wie früher so auch jetzt den seitlichen Abschnitten der Zellmasse Mesoderm in Gestalt zarter Zellketten entspriesst. Ungemein deutlich vermochte ich in diesen Stadien den Uebergang des Hinterendes der Zell- masse in das Chordavorderende zu verfolgen. Noch vor der Ab- lösung des Zellmassenhinterendes von der dorsalen Darmwand taucht in der Mitte seines unmittelbar an den Boden des Hirn- rohres angrenzenden dorsalen Abschnittes der deutlich als solcher zu erkennende Querschnitt des vordersten in der Differenzirung begriffenen Abschnittes der Chorda auf. Gehen wir in der Serie weiter nach hinten, so tritt eine allmähliche Abplattung der Zellmasse ein und sie löst sich endlich von der dorsalen Darm- wand ab. Die Chorda stellt jetzt den Mitteltheil der Zellmasse dar. Immer noch aber spriessen aus den seitlichen Abschnitten dieses hintersten Theiles der Zellmasse Zellen hervor, die sich dem benachbarten Mesoderm zugesellen. Noch weiter hinten tritt eine weitere Verjüngung der Zellmasse ein, und nachdem auch die Mesodermproliferation aus ihren seitlichen Abschnitten erloschen ist, hat sich endlich ihr Uebergang in das völlig ab- gegliederte Chardavorderende vollzogen. Diese eben beschriebenen Verhältnisse sind zum Theil aus der Tafelfigur 8 ersichtlich; ich möchte auch an das oben gelegentlich der Beschreibung derselben über das Verhalten des Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente, 87 Hinterendes der Zellmasse zum Chordavorderende Gesagte er- innern. Bei Embryonen mit 11 Urwirbeln hat die Reduction des Divertikels nur geringe Fortschritte gemacht; ebenso ist auch die Rückbildung der interepithelialen Zellmasse nur eine unbe- deutende. Der Bau derselben hat eine leichte Auflockerung er- fahren. Die Medullarwülste sind von der Gegend der Gehör- grübchen an bis über das Vorderende des Darmrohres hinaus mit einander verschmolzen; der vordere Neuroporus ist 'schlitz- förmig. In diesem Stadium findet sich auch schon die Mundbucht ziemlich deutlich entwickelt vor. Die für Embryonen mit 9 Urwirbeln beschriebenen Be- ziehungen zwischen dem Hinterende der Zellmasse und Vorder- ende der Chorda finden sich auch jetzt wieder. Ich gehe nun zu etwas älteren Stadien über, zu solchen mit 14 und 15 Urwirbeln. Die Tafelfigur 9 zeigt uns das Vorderende eines Embryo, bei dem beiderseits ein fünfzehnter Urwirbel in Bildung begriffen war, im Medianschnitt. Der enge vordere Neuroporus ist nur mehr in zwei Schnitten nachweisbar. Ueber die weitere nur unbedeutende Rückbildung des ventralen Divertikelabschnittes (VA) gibt die Tafelfigur guten Aufschluss; ebenso auch über die Ventralwand desselben. Sie geht wie früher direkt ins Vorderende der ventralen Darmwand über. Man er- hält den Eindruck, dass sich das Epithel der Ventralwand des Divertikels auch in diesem Stadium an der Bildung neuen Zell- materials betheiligt, welches sich mit dem embryonalen Binde- gewebe vereinigt, das an die Stelle der früheren Divertikel- wände trat. Der in der Figur sichtbare Abschnitt der interepithelialen Zellmasse, in dessen dorsalen Theil das verjüngte Chordavorder- ende hineintaucht, hat im dorsoventralen Durchmesser an Aus- dehnung verloren und grenzt ventralwärts an jenen Abschnitt des Ectoderms, der sich später zur Hypophysentasche umbildet. Verfolgt man die Serie nach beiden Seiten hin, so wird der distale, an das Vorderende der Chorda (Ch. V.) beiderseits ange- schlossene Abschnitt der Zellmasse sichtbar. Das Vorderende der epithelialen Strecke der dorsalen 88 HugoRex: Darmwand wird von der interepithelialen Strecke durch eine feine Spalte — bei ss, — unvollständig abgesetzt. Die inter- epitheliale Strecke s—s, hat also eine abermalige starke Ver- kürzung erfahren. In dem Schnitte der Tafelfigur 9 bildet die interepitheliale Strecke die direkte Fortsetzung des Vorderendes der epithelialen Strecke. Durchmustert man andere Serien, so zeigt sich eine Eigenthümlichkeit, welche bereits bei Embryonen mit 12 Ur- wirbeln und von diesem Stadium an sehr häufig, wenn auch Figur 6. nicht immer, auftritt. Ich verweise auf meine schematische Skizze zu der Textfigur 6, welche einem Medianschnitt durch einen Embryo mit 14 Urwirbeln entnommen ist. Sie zeigt, dass die Zellmasse im Bereiche der interepithelialen Strecke distalwärts als rundlicher Wulst ins Darmlumen vorspringt (J W). Dieser interepitheliale Wulst baut sich aus dicht gedrängten Zellen auf und sticht dadurch recht scharf von der Nachbarschaft ab. Ventralwärts vom Wulste führt der Schlitz s zum Divertikel des Vorderdarmes. Dorsalwärts gewahren wir einen zweiten Schlitz s,, der zwischen dem Wulste und dem Vorderende der epithelialen Darmwand nach vorne vordringt; ob so weit, dass derselbe das Vorderende der epithelialen Strecke, wie wir es in jüngeren Stadien sahen, scharf abgrenzt, kann ich nach meinen Präparaten nicht entscheiden. Die Durchsicht anderer Serien von Embryonen dieses Sta- diums lehrt noch folgende Eigenthümlichkeit erkennen. Man findet nicht selten im Medianschnitt den interepithelialen Wulst so innig dem Vorderende der ventralen Darmwand angeschmiegt, dass von dem Reste des ventralen Divertikelabschnittes nichts zu sehen ist. Dies war offenbar in dem Schnitte der Fall ge- Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. 89 wesen, welcher der Textfigur 6, „Medianschnitt durch den Kopf eines Entenembryo mit 14—15 Urwirbeln“ in v. Kupffer’s Referate !) zu Grunde lag; ein Vergleich dieser Figur mit meiner Textfigur 6 lehrt ferner, dass die vorhin besprochenen Abgren- zung des Vorderendes der epithelialen Strecke der dorsalen Darmwand gegen die interepitheliale Strecke in v. Kupffer’s Schnitt sehr scharf ausgeprägt war, sodass es an dieser Stelle zu einer förmlichen Continuitätstrennung der dorsalen Darmwand kam. Aehnliche Verhältnisse fand ich bei dem Embryo mit 7 Urwirbeln. (Siehe dort die nähere Beschreibung und ferner auch die Tafelfigur 6.) Die eigenthümlichen Beziehungen der interepithelialen Zellmasse zum Vorderende des Kopfdarmes in v. Kupffer’s Zeichnung vermag ich mir nicht zurecht zu legen. Querschnitte durch Embryonen dieses Alters zeigen, dass das der interepithelialen Zellmasse beiderseits entstammende Zellmaterial an Mächtigkeit gewonnen hat. Früher fanden wir, dass der Zellmasse beiderseits zarte Zellketten entsprossten ; jetzt setzt sich dieselbe beiderseits in starke Zellstränge fort, über deren topischen Beziehungen die Tafelfigur 10 Aufschluss ge- währt. Der Schnitt entstammt einer Querschnittserie von einem Embryo mit 14 Urwirbeln und trifft das Vorderende des Kopf- darmes. Die Schnittrichtung ist in der Textfigur 6 durch die Linie &—x, angedeutet. Zwischen dem Boden des Vorderhirnes VH und der dorsalen Darmwand finden wir den Querschnitt der interepithelialen Zellmasse J und zwar den distalen Abschnitt derselben, welcher das noch nicht völlig differenzirte Chorda- vorderende einschliesst und sehen, dass sich dieser Abschnitt beiderseits direkt in die erwähnten Zellstränge Zs fortsetzt. Jeder dieser Zellstränge ist ventralwärts durch eine mehr oder weniger breite Spalte von der dorsalen Darmwand geschieden und grenzt lateralwärts an den absteigenden Schenkel Ad des vordersten Aortenbogens. Dorsolateralwärts setzt sich jeder Zell- strang direkt ins benachbarte Mesoderm fort. Der mittlere Abschnitt des Darmes ist von einem dichten Zellhaufen erfüllt, welcher mit den benachbarten Bezirken der dorsalen und ventralen Darmwand direkt zusammenhängt. Das 1) ler 90 Hugo Rex: Studium der Serie, welcher der Schnitt dieser Figur angehört, ergibt, dass der interepitheliale Wulst deutlich entwickelt war. Zieht man nun auch die Textfigur 6, in der die Sehnittrichtung durch die Linie &—x, angegeben ist, zu Rathe, so fällt die Deu- tung des erwähnten Zellhaufens nicht schwer. Er ist der Quer- schnitt des interepithelialen Wulstes der Zellmasse. Der Zusammen- bang desselben mit der Dorsalwand des Darmes erklärt sich daraus, dass der Schnitt gerade jene Stelle trifft, innerhalb welcher sich das Vorderende der epithelialen Dorsalwand an die Zellmasse anschliesst. Nun sollten wir aber ventralwärts den Querschnitt des Divertikels erwarten, welcher den interepithelialen Wulst von der ventralen Darmwand trennt. Allein die Erfahrung lehrt, dass ein Querschnitt, der nur wenig von der auf eine feine Spalte senkrechten Richtung abweicht und dessen Dicke die Breite einer solchen Spalte überschreitet, sehr leicht letztere übersehen oder auch gar nicht erkennen lässt. Der Uebergang des Hinterendes der Zellmasse in das Chorda- vorderende vollzieht sich in der uns bereits bekannten, früher ge- schilderten Form. Bei Embryonen mit 17 und 18 Urwirbeln ist die Rück- bildung des Divertikelrestes geringer als jene der interepithelialen Zellmasse. Diese ist im Medianschnitt kurz und etwas höher als früher. Ihre Abgliederung von der dorsalen Darmwand ist recht weit gediehen. Auch in diesen Stadien findet sich der interepitheliale Wulst der Zellmasse. Ventralwärts grenzt letztere an den Scheitel der noch wenig tiefen Hypophysentasche und dessen distalen Abhang. Fassen wir das von der Dorsalwand des Darmes abgegliederte Hinterende der Zellmasse ins Auge, so bmerken wir, dass der in ihm eingeschlossene Abschnitt des Chordavorderendes nicht mehr so weit nach vorne reicht, als früher. Es hält also die vorwärts schreitende Differenzirung der Chorda nicht mehr gleichen Schritt mit der in gleicher Richtung vor sich gehenden Abgliederung der Zellmasse von der dorsalen Darmwand. Wir finden in diesen Stadien eigenthümliche Veränderungen der entodermalen Lamelle der Rachenhaut. Schon bei Em- bryonen mit 16 Urwirbeln ist der mittlere Abschnitt dieser La- Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. 9 melle stark verdünnt; jetzt treten überdies abwechselnd Ver- diekungen und Verdünnungen derselben auf und ihr Gefüge ist stellenweise stark gelockert. Bei Embryonen mit 19 Urwirbeln ist der Beginn der Rückbildung durch eine feine, spaltförmige Continuitätstrennung eingeleitet. Bei Embryonen mit 21 Urwirbeln hat die Rückbildung der entodermalen Lamelle der Rachenhaut weitere Fortschritte gemacht; sie ist im Bereiche des mittleren Abschnittes der Rachenhaut gesehwunden. Der Rest des Divertikels ist jetzt sehr kurz; die Verbindung der stark redueirten interepithelialen Zellmasse mit der dorsalen Darmwand ist auf einen klemen Ab- schnitt beschränkt. Einen interepithelialen Wulst konnte ich nicht mehr nachweisen. Die interepitheliale Strecke der Dorsal- wand ist dem Gesagten zufolge verschwindend klein. Die Beziehungen der Ventralwand des Divertikelrestes zum ventralen Abschnitte der Zellmasse einerseits und der Ventral- wand des Darmes andererseits sind die gleichen, wie wir sie früher kennen lernten. Die im Medianschnitt kurze und hohe Zellmasse grenzt ventralwärts an den hinteren Abhang des Scheitels der jetzt mässig tiefen Hypophysentasche. Charakteristische Veränderungen erfahren nun die früher erwähnten, der interepithelialen Zellmasse beiderseits entstammen- den Zellstränge und gewähren über diese Verhältnisse nament- lich Querschnitte guten Aufschluss. Die in den folgenden Text- figuren 7 und 8 wiedergegebenen Schnitte gehören einer Quer- schnittserie von einem Embryo mit 21 Urwirbeln an. Der Schnitt der Textfigur 7 trifft das Vorderende des Kopfdarmes XD im Anschnitt. Das Hirnrohr ist, entsprechend der Krümmung des Embryo, zweimal getroffen. Zwischen Kopf- darm und Hinterhirn ZH sieht man die Chorda ch, zwischen Kopfdarm und Vorderhirn VY den, wie früher, mit der Darm- wand verschmolzenen Rest der interepithelialen Zellmasse J, von welchem nach beiden Seiten die schon früher erwähnten Zell- stränge ausgehen (vergl. Tafelfigur 10), die sich zwischen dem Boden des Hirnrohres und dem ersten Aortenbogen aa! hinauf- drängen, um dorsolateralwärts ins locker gewebte Mesoderm des Vorderkopfes überzugehen. Weiter nach vorne schwindet in der Serie der Anschnitt 92 HugoRex: des Vorderdarmes, während die Chorda, die jetzt seine Stelle einnimmt, gegen die Basis des Vorderhirnes zieht, um mit dem Reste der interepithelialen Zellmasse zu verschmelzen. Von der Figur 7. Verschmelzungsstelle ziehen, wie auf dem Schnitte der Text- figur 7, mesodermale Zellstränge nach aussen und oben. $. Text- figur 8. Geht man in der Serie noch weiter nach vorne, so schwindet Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. 95 zunächst die Chorda und der Rest der interepithelialen Zellmasse und endlich treten in den beiden seitlichen Zellsträngen kleine Höhlen auf, die von epithelartigen Zellen umgeben sind. Dies sieht man indessen besser in einer Serie von einem Embryo mit 22 Urwirbeln, welcher der Schnitt der Textfigur 9 angehört. Auf der einen Seite (links in der Figur) ist die Aushöhlung völlig, auf der anderen Seite nur theilweise eingetreten (AH). Geht man in der Serie noch weiter nach vorne, so entfernen sich die dorsalen ausgehöhlten Endabscehnitte der beiden seitlichen Zellstränge allmählich vom Hirnrohr und es nähert sich jede der beiden kleinen Höhlen der hinteren Peripherie der Augenblase ihrer Seite. Dem Gesagten zufolge entsteht in den aus der interepithe- lialen Zellmasse hervorwuchernden mesodermalen Zellsträngen Jederseits eine Höhle. Dieselbe wird demnach paarig angelegt und stellt die erste Anlage der Prämandibularhöhle dar. Im Hinblick auf die späteren Erörterungen möchte ich schon jetzt betonen, dass die Kopfhöhle auch bei den jüngsten Embryonen, die mir eine solche zeigen, in keinerlei Communikation mit der Höhle des Vorderdarmes steht. Erwähnenswerth erscheinen mir noch die Beziehungen der Zellstränge zum vordersten Aortenbogen. Jeder derselben zieht durch die vom Wurzelstück der Carotis interna und dem Aortenbogen aa! gebildeten Winkel nach aussen. Ueber das Verhältniss des Chordavorderendes zur Zellmasse erhält man jetzt in Sagittalschnitten gute Aufklärung. Dieselben lehren, dass sich das stark verjüngte Chordavorderende in den dorsomedianen Abschnitt der Zellmasse einsenkt und auf eine kurze Strecke weit ventralwärts in der Zellmasse eindringt. Das in der Differenzirung begriffene äusserste Chordavorderende ist also kurz. Die Untersuchung zweier Sagittalschnittserien von Embryo- nen mit 25 Urwirbeln ergab, dass in der einen Serie die Ab- sliederung des Restes der interepithelialen Zellmasse von der dorsalen Darmwand fast beendet war, hingegen war die Verbin- dung des Vorderendes der ventralen Darmwand mit der Zellmasse noch nicht gelöst. Der Divertikelrest stellte eine feine, an ihrem Vorderende leicht erweiterte Spalte dar, welche nurmehr die an 94 HugoRex: einander angrenzenden Endabschnitte der dorsalen und ventralen Darmwand von einander trennte. In der zweiten Serie ist der Rest des Divertikels des Vor- derdarmes nieht mehr vorhanden; der Rest der interepithelialen Zellmasse hat seine Verbindung mit dem Vorderende des Kopf- darmes gänzlich gelöst; der Scheitel des letzteren ist jetzt völlig geschlossen. Ueber diese Verhältnisse giebt uns der Median- schnitt aus dieser Serie in der Tafelfigur 11 Aufschluss. Wir erblicken in demselben den Scheitel des Kopfdarmes KD, dor- salwärts vom Darm die Chorda Ch und proximalwärts von dem- selben die Hypophysentasche 4y. Ventralwärts wird das Vor- derende des Kopfdarmes durch die eetodermale Lamelle der Rachenhaut abgeschlossen. Dieselbe zeigt bei diesem Embryo bereits deutliche Zeichen des beginnenden Schwundes. Betrachten wir die dorsale Darmwand näher. Ein Vergleich mit der erst erwähnten Serie, in welcher der Rest des Vorderdarmdivertikels noch vorhanden war, gestattet uns, in dem Schnitt der Tafelfigur 11 mit annähernder Sicherheit jene Stelle zu bestimmen, an wel- cher früher das jetzt verödete Divertikel die scharfe Grenze zwischen den Vorderenden der Dorsal- und Ventralwand bildete Sie dürfte ungefähr der in der Figur mit einem Sternchen be- zeichneten Stelle entsprechen. Das ursprüngliche Vorderende der Dorsalwand DD reichte also früher bis zum Sternchen. Der von letzterem an ventralwärts ziehende Abschnitt der Darmwand, der nach kurzem Verlaufe mit stumpfer Spitze frei endigt, ent- spricht dem früheren Vorderende der ventralen Darmwand, das sich in jüngeren Stadien distalwärts direkt im die entodermale Lamelle der Rachenhaut fortsetzte.. Nach dem Schwunde dieser Lamelle und des Divertikels stellt jetzt dieser restliche Abschnitt des Vorderendes der Ventralwand die direkte Fortsetzung und zugleich das ventrale Ende der Dorsalwand vor. Ueber der dorsalen Darmwand erklicken wir die Chorda Ch. Ihr Vorderende weist etwas unregelmässig geformte Ver- diekungen auf und setzt sich ventralwärts unter rascher Ver- jüngung in einen mit .J bezeichneten schmalen Zellstreifen fort, der dem Scheitel der tiefen Hypophysentasche aufruht. Die Durchsicht dieser Serie, ferner der Vergleich mit Serien von nächst jüngeren und älteren Stadien lehren, dass dieser Zell- streifen den medianen Abschnitt des Restes der Zellmasse vor- Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. 95 stellt, in dessen dorsalen Abschnitt das Chordavorderende sich einsenkt. Durehmustern wir unsere Serie nach aussen hin, so verschwindet bald das Chordavorderende aus den Schnitten; der erwähnte Zellstreifen kehrt jedoch immer wieder und zeigt uns das bekannte Bild des Ueberganges des Zellmassenrestes in seine seitlichen mesodermalen Abschnitte. Der Process der Aushöhlung dieser Abschnitte hat in die- sem Stadium weitere Fortschritte gemacht. Nicht nur die ven- tralen Abschnitte der Zellstränge haben eine Aushöhlung erfahren, auch der dorsale Abschnitt des Restes der interepithelialen Zell- masse zeigt jetzt eine feine spaltförmige Lichtung. Ich verweise auf die Textfigur 10, welche einen Querschnitt durch den Kopf eines Embryo mit 25 Urwirbeln wiedergiebt. Der Schnitt trifft den Scheitel des Kopfdarmes. Zwischen diesem (XD) und dem Boden des Zwischenhirnes (ZH) findet sich der Rest der interepithelialen Zellmasse. Derselbe setzt sich beiderseits in die verjüngten, zwischen dem vordersten Aor- tenbogen und dem Zwischenhirnboden gelagerten medialen Ab- schnitte beider Kopfhöhlen fort (AH). Der den Rest der Zell- masse durchsetzende spaltförmige Kanal verbindet die Lichtungen beider Höhlen mit einander. Jede Kopfhöhle ist dem Seitenrande des Bodens und einem an diesen angrenzenden kleinen Bezirk der seitlichen Wand des vordersten Zwischenhirnabschnittes an- geschlossen. Geht man in der Serie weiter nach vorne, so findet man, dass die dorsalen Abschnitte beider Köpfhöhlen längs der Seitenfläche des Zwischenhirnes etwas höher gegen den Scheitel dieses Hirnabschnittes hin emporrücken. Fig. 10 gibt uns auch guten Aufschluss über die topischen Beziehungen der Kopfhöhlen zur Augenblase. Jede Höhle ist lateralwärts von der Hirnfläche der Augenblase durch einen mässig breiten Zwischenraum geschieden. Bei Embryonen mit 29 Urwirbeln ist die Reduetion der Rachenhaut fast vollendet; es sind nunmehr unbedeutende Reste derselben vorhanden. Die Aushöhlung des Restes der Zellmasse und ihrer seit- lichen Zellstränge erscheint beendet: die jetzt stattlichen Kopf- höhlen stehen durch einen kurzen, mässig breiten Kanal mit 96 HugoRex: einander in Verbindung. Ueber die topischen Beziehungen beider Höhlen erfahren wir aus den Schnitten in den Textfiguren 11 und 12, welche einer Querschnittserie von einem Embryo mit 29 Urwirbeln angehören, folgendes. In der Textfigur 11 sieht man zwischen dem Kopfdarm KD und dem Boden des Zwischenhirnes ZH den Querschnitt der Hypophysentasche Ay. Nach aussen von den unteren Ab- schnitten der Seitenwände des Zwischenhirnes treffen wir die Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. 97 dreieekigen Querschnitte der Kopfhöhlen XH an. Die laterale Seite jedes der beiden Querschnitte ist vom hinteren Abschnitte der dem Hirnrohr zugewandten Fläche der Augenblase durch einen schmalen Mesodermstreifen getrennt. Die mediale Seite ist dem unteren Dritttheil der Seitenwand des Zwischenhirnes nahe benachbart. Zwischen den medialen Abschnitten beider Höhlen findet sich der Querschnitt der Hypophysentasche. Gehen wir in der Serie weiter nach vorne, so schwindet zunächst die Hypophysentasche, dann die Augenblasen umd der Kopfdarm aus den Schnitten. In der Textfigur 12 ist letzterer nurmehr im Querschnitt vorhanden. Beide Kopfhöhlen werden jetzt durch den über den Scheitel der Hypophysentasche gelagerten kurzen Querkanal VX, der den ausgehöhlten Rest der interepithe- lialen Zellmasse darstellt, verbunden. Medianschnitte zeigen den Querkanal gleichfalls sehr deutlich; das stark verjüngte Chorda- vorderende setzt sich an die dorsale Wand des Kanales an. Bei einem Embryo mit 30 Urwirbeln zeigt der Median- schnitt durch die uns interessirende Region folgendes. Die Wandung des Verbindungskanales besitzt eine annähernd drei- eckige Gestalt. Das in einen dünnen Faden auslaufende Chorda- vorderende verbindet sich mit der dorsalen Kante des Ver- bindungskanales. Eine genauere Untersuchung mit stärkeren Linsen erweckt den Eindruck, als setzte sich das dünne Chorda- vorderende direkt in den dorsalen Abschnitt der proximalen Wand des Kanales fort. Um die im Vorstehenden geschilderten Entwicklungsver- hältnisse des Kopfhöhlenpaares richtig deuten zu können, müssen wir zunächst die Frage beantworten, welche Stellung dem von mir als interepitheliale Zellmasse bezeichneten Abschnitte der dorsalen Darmwand einzuräumen ist. Die Gestaltungsverhält- nisse der Zellmasse im jüngsten untersuchten Stadium sowie ihre innigen ‚Beziehungen zur Chorda- und Mesodermbildung dürften den Schluss gestatten, dass wir in ihr das mit der dor- salen Darmwand verschmolzene Vorderende des Kopffortsatzes des Primitivstreifens zu erblicken haben, welches einer nach vorne vorschreitenden Differenzirung unterliegt. Die Bedeutung des Divertikels des Vorderdarmes wird uns aus dessen Entwicklung Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50. 7 98 HugoRex: klar. Ich will dieselbe nochmals kurz bespreehen; hierbei kommt uns ein Vergleich der Tafelfiguren 1, 2 und 5 zur Hülfe. Der Schnitt der Tafelfigur 1 gehört dem jüngsten untersuchten Embryo, jenem mit einem Urwirbelpaare an. Wir sehen in dem- selben das Vorderende des ventralwärts weit offenen Darmes; die Vorderwand desselben ist kurz. Fassen wir den Scheitel des Darmvorderendes näher ins Auge, so bemerken wir, dass sich seine Liehtung als schmale Spalte in das Vorderende der inter- epithelialen Zellmasse fortsetzt. In dem nächst älteren Stadium, jenem mit zwei Urwirbeln, haben sich diese einfachen Verhältnisse wesentlich geändert. Ich verweise auf den Medianschnitt in der Tafelfigur 3. Das Darm- vorderende hat einen ventralen Abschluss gefunden. Jenen Ab- schnitt der Darmwand, den wir in der Tafelfigur 1 als Vorder- wand ansprachen, finden wir jetzt als Ventralwand wieder. Be- trachten wir wiederum den Scheitel des Darmvorderendes näher. Seine Dorsalwand wird von dem verdiekten, ventralwärts etwas hervorragenden Vorderende der Zellmasse, seine Ventralwand vom Vorderende der noch kurzen ventralen Darmwand gebildet. Seine Lichtung ist zu einer schmalen, proximalwärts sich leicht ver- engernden Tasche umgewandelt; sie setzt sich bei s wie früher, ins Vorderende der Zellmasse fort. Diese Fortsetzung hat distal- wärts bedeutend an Ausdehnung gewonnen. Bei Embryonen mit fünf Urwirbeln haben sich diese Ver- hältnisse abermals geändert. Wir finden, dass es zur Bildung eines neuen Scheitels des Vorderdarmes kam. Ich verweise auf die Tafelfigur 5. Indem sich die dorsale und die ventrale Wand des ursprüngliehen Scheitels, der in der Tafelfigur 3 noch deut- lich als solcher erkennbar war, enge aneinanderschlossen, wurde dessen Lichtung zu einer schmalen Spalte umgebildet, hie- dureh aber erhielt der Vorderdarm proximalwärts einen neuen Abschluss, es kam zur Bildung eines neuen Scheitels. Distalwärts steht die spaltförmige Lichtung des ursprünglichen Scheitels mit jener des neugebildeten dureh eine feine quere Spalte in Verbin- dung. Die Lichtung des ursprünglichen Scheitels habe ich im be- schreibenden Theile meiner Abhandlung als ventralen, die in das Zellmassenvorderende eindringende Fortsetzung derselben als dor- salen Abschnitt des Divertikels des Vorderdarmes bezeichnet. Aus dieser Betrachtung geht hervor, dass jedem der beiden Ab- Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. 99 schnitte des Divertikels eine besondere Bedeutung zuerkannt werden muss. Fassen wir zunächst den dorsalen Abschnitt ins Auge. Die Zellmasse entspricht dem mit der dorsalen Darmwand verschmolzenen Vorderende des Kopffortsatzes. Auf die Bedeu- tung, welche einer Spaltbildung in diesem zukommt, hier näher einzugehen, muss ich unterlassen. Die Untersuchung der jüngsten Stadien, die mir zur Verfügung standen, weist darauf hin, dass zu einer gedeihlichen Besprechung dieser eigenthümlichen Organi- sationsverhältnisse eine gründliche Kenntniss der Gastrulatiönsvor- gänge bei der Ente gehört. Meine Untersuchungen setzen in einem Stadium ein, in dem nurmehr das Vorderende des Kopffort- satzes vorhanden ist. Von dem Bau dieses Endabschnittes Schlüsse auf die Gastrulation ziehen zu wollen, wäre denn doch zu gewagt. Nur darauf möchte ich hinweisen, dass n van Beneden'’s!) klassischer Mittheilung über die Gastrulation der Säuger Befunde verzeichnet sind, ‘welche den Schluss gestatten, dass das Vorder- ende des Kopffortsatzes bei Vespertilio murinus ähnliche Form- verhältnisse aufweist, wie ich sie bei der Ente auffand. So ein- ladend es auch sein mag, den Vergleich zwischen van Bene- den’s Befunden und den meinen weiter auszuspinnen, so muss ich gleichwohl aus dem vorhin angeführten Grunde darauf ver- zichten. Ebenso wenig wäre es erspriesslich, die Differenzirungs- prozesse der Zellmasse irgendwie deuten zu wollen; das Verständ- niss dieser Processe kann gleichfalls nur in engem Anschlusse an die Kenntniss der Gastrulationsvorgänge erschlossen werden ?). Anders steht es mit dem ventralen Abschnitte des Diver- tikels. Wir haben erfahren, dass derselbe der Lichtung des ur- [' 1) Erklärung der zwölf von Werner und Winter ausgeführten Tafeln, Untersuchungen über die Blätterbildung, den Chordakanal und die Gastrulation bei den Säugethieren (Kaninchen und Vespertilis mur.) betreffend. Verh. d. Anat. Gesellschaft auf der 2. Verhandlung in Würzburg 1888. 2) Zumstein, (Ueber das Mesoderm der Vogelkeimscheibe (Huhn und Ente). Inaug.- Dissertation. Bern 1887) beschreibt für Enten- embryonen eigenthümliche Kanalbildungen, welche das vordere ver- dickte Ende des Kopffortsatzes durchsetzen. Spalten oder kleinere Einziehungen des Entoderms an dieser Stelle mögen eine Entstehung derselben durch Einstülpung wahrscheinlich machen, beweisen konnte dies Z. indessen nicht. Diese kanalartigen Oeffnungen im noch in- differenten Gewebe des Kopffortsatzes sollen sich bis zum Alter von 100 Hugo Rex: sprünglichen Vorderdarmscheitels entspricht und konnten uns so wohl über seine erste Entwicklung als auch sein weiteres Schick- sal Rechenschaft geben. Sein Entwicklungsgang ist für uns von besonderem Interesse, denn er ist aufs Innigste mit jenem des Kopfhöhlenpaares ver- knüpft. Auch hier kommt uns ein kurzer Rückblick nieht uner- wünscht. Wie bereits erwähnt, wird die Dorsalwand des ursprüng- lichen Scheitels vom Vorderende der Zellmasse gebildet, die Ven- tralwand vom Vorderende der ventralen Darmwand. Im Bereiche des Vorderdarmes unterliegt die Zellmasse einer in der Richtung von hinten nach vorne vorschreitenden Ausschaltung aus der Dor- salwand unter gleichzeitiger Differenzirung des ausgeschalteten Absehnittes in Chorda und Mesoderm. Bevor nun dieser Aus- schaltungsprocess das Zellmassenvorderende, also die Dorsalwand des ursprünglichen Scheitels erreicht, beginnt die Rückbildung der Lichtung des letzteren. Die Zellen seiner epithelialen Ventralwand gesellen sich unter Verlust ihres epithelialen Charakters den benachbarten Zellen der Dorsalwand, also jenen des Zellmassenvorderendes, bei. Der bald zur Gänze lichtungslose ursprüngliche Scheitel unterliegt auch einer weitgehenden Reduction, welche sich vielleicht aus der stetig vorschreitenden Differenzirung des in ihm eingeschlossenen Zellmassenvorderendes erklären lässt. Endlich löst sich sein Rest — im beschreibenden Theile dieser Abhandlung bezeichnete ich denselben als Zellmassen- 8 Urwirbeln erhalten. Bei einem Embryo mit 5 Urwirbeln waren die- selben noch sehr deutlich entwickelt; sie schienen mit den vordersten Zipfeln des Kopfdarmes zusammenzuhängen. Diese kanalartigen Bil- dungen will Zumstein nicht direkt mit dem Chordakanal der Säuger verglichen wissen, weil sie zu einer Zeit auftreten, in der sich an der betreffenden Stelle kein Chorda bildet. Interessant erscheinen sie unserem Autor deshalb, weil sie in der Verlängerung der Chorda an der Stelle erscheinen, an der die Chordabildung am längsten hintan gehalten ist. Zumstein hat also den dorsalen Abschnitt des Vorder- darmdivertikels in jenen jüngeren Stadien, in welchen derselbe am deut- lichsten entwickelt ist, gesehen. Die Verbindung desselben mit der Lich- tung des ursprünglichen Vorderdarmscheitels dürfte er übersehen haben. Seine Angabe, dass bei Embryonen mit 3 Urwirbeln der Zeitpunkt ge- kommen ist, „in welchem hier vorne der Kopffortsatz sich in Chorda, Entoderm und Mesoderm differenzirt hat“, kann ich nicht bestätigen. Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. 101 rest — vor dem neu gebildeten bleibenden Scheitel völlig ab. Noch vor der gänzlichen Ablösung des Scheitelrestes setzt in den ihm seitlielr entstammenden mesodermalen Zellsträngen ein Aushöhlungsprocess ein; nach der vollendeten Ablösung des Scheitelrestes greift derselbe auch auf diesen über und führt so zur Bildung des Kopfhöhlenpaares und seines Verbindungskanales. Die Anlage des prämandibularen Höhlenpaares und seines Verbindungskanales wird dem Gesagten zufolge bei der Ente von dem stark rückgebildeten und seiner Lichtung verlustig ge- wordenen ursprünglichen Scheitel des Vorderdarmes, sowie von dem, diesem Scheitelreste seitlich entstammenden mesodermalen Zellsträngen gebildet. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Aushöhlungsprocess, dem die Anlage des Kopfhöhlenpaares und dessen Verbindungskanales unterliegt, zur ursprünglichen Lich- tung des Scheitelrestes in Beziehung gebracht werden kann. Meine Untersuchungen führen mich zunächst zu demselben Schlusse, zu welehem Kastschenko undRablfür die Selachier, v. Kupffer für Ammocoetes und Aeipenser kamen: die ganze Entwicklungsart dieses Höhlenpaares ist eine solche, dass sie nicht im Entferntesten mit jener eines Urwirbelpaares verglichen werden kann. Und nun der so bedeutungsvollen Frage, welche Stel- lung wir dem Kopfhöhlenpaare zuzuweisen haben. Wir können ihr wohl nur auf dem Wege der Vermuthung näher treten. Es ist uns indessen ein Anhaltspunkt gegeben, der von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Ich meine die Thatsache, dass der Verbindungskanal und vielleicht auch noch ein nicht näher zu begrenzender medialer Abschnitt jeder der beiden Höhlen aus dem Scheitelreste hervorgehen. Ferner ist es wohl recht naheliegend, die Lichtung des Verbindungskanales auf die Lich- tung zu beziehen, welche den Scheitelrest ursprünglich durch- setzte. Und das Höhlenpaar? Sollte etwa jede der beiden Höhlen selbständig in den mesodermalen Zellsträngen entstanden sein? Dann müssten wir wohl annehmen, dass sich beide Höhlen erst nachträglich mit dem wieder hohl gewordenen Scheitelreste vereinigt haben. Welche Bedeutung wir aber selbständig im Mesoderm des Vorderkopfes entstehender Höhlen, die durch einen abgeschnürten Endabschnitt des Kopfdarmes mit einander verbunden sind, beizulegen hätten, ist mir nicht recht klar. 102 HugoRex: Vielleieht dürfte folgende Auffassung eher zutreffen. Ich ver- muthe, dass beide Höhlen seitlich vordringenden Ausstülpungen des Scheitelrestes entsprechen. Dies setzt voraus, dass der ursprüng- liche Vorderdarmscheitel erst nach dem Verluste seiner Lichtung beiderseits eine nach aussen vordringende Ausweitung erfahren hat. Wann diese einsetzt, lässt sich, wie leicht begreiflich, nicht genau feststellen. Immerhin ist die eigenthümliche Erscheinung, dass bei Embryonen mit 14—15 Urwirbeln an Stelle zarter mesodermaler Zellketten stattliche Zellstränge dem . Vorderende der Zellmasse entstammen, sehr bemerkenswerth. Schon bei Embryonen mit 18 Urwirbeln sind diese Stränge gegenüber dem benachbarten Mesoderm durch einen hohen Grad der Selbständigkeit ausgezeichnet. Dies lässt wohl vermuthen, dass wir es nicht allein mit einer erhöhten Mesodermproduetion von Seite des im ursprünglichen Scheitel eingeschlossenen rest- lichen Abschnittes der Zellmasse zu thun haben, sondern dass in diesen Strängen auch schon seine seitlich vordringenden Ausstül- pungen eingeschlossen sind. Diese sind wie der Scheitel selbst lichtungslos. Sollte diese Annahme richtig sein, so hätten wir wohl die oben gegebene Beschreibung der Kopfhöhlenanlage folgender- maassen und zwar schärfer zu fassen. Die Kopfhöhlenanlage wird vom nachträglich beiderseits ausgestülpten Scheitelreste gebildet, dessen seitliche Abschnitte im den ihm entstammenden Zellsträngen eingeschlossen sind. Der Aushöhlungsprocess, dem diese Anlage unterliegt, ist erst dann beendet, nachdem die mit dem Scheitelreste verbundene Chordaanlage ihre endgül- tige Differenzirung erfahren hat und ist mit grosser Wahr- scheinlichkeit auf das Wiederauftauchen der Liehtung, welche den Scheitelrest ursprünglich durchsetzte, zu beziehen. Diese setzt sich nun auch in die neugebildeten seitlichen Ausbuchtungen des Scheitelrestes fort. Diese Auffassung nimmt nur den Rang einer Vermuthung für sich im Anspruch. Ich erhoffe weiteren Aufschluss über das Höhlenpaar von der Kenntniss seines endgültigen Schicksals. Uebrigens ist die hier vorgetragene Auffassung keineswegs originell. Ich vermuthe, v. Kupffer’s Forschungsergebnisse — ich komme auf diese bald zu sprechen — sind mit der- selben leicht vereinbar. Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. 103 Der Frage, ob das Höhlenpaar dorsalen oder seitlichen Ausstülpungen des Scheitelrestes seine Entstehung verdankt, ver- mag ich nicht einmal auf dem Wege der Vermuthung näher zu treten. Ich gehe indessen wohl nicht fehl, wenn ich annehme, dass sich an dem Aufbau der Höhlenwandung der Rest des Zell- massenvorderendes fast ausschliesslich betheiligt. Weitere Unter- suchungen werden lehren, ob die diesem Reste entstammenden Zellen der Höhlenwandung bereits ihre engültige Differenzirung er- fahren, also die Fähigkeit der Mesodermproduetion eingebüsst haben. Ein Versuch, den in den vorstehenden Blättern geschilderten Entwicklungsgang des prämandibularen Höhlenpaares der Ente mit jenem des gleichen Gebildes bei anderen Vertebraten in Ein- klang zu bringen, erscheint mir nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse nicht leicht. In den Grundzügen lassen sich meine Untersuchungsergeb- nisse mit jenen schönen Befunden v. Kupffer’s vergleichen, welche seine Untersuchung der Kopfhöhlenentwicklung bei Am- moecoetes!) ergaben. v. Kupffer’s Hinweis auf die Abstammung des Höhlenpaares vom Entoderm eröffnet der Erforschung der Entwicklung des Vorderkopfes neue, lichtvolle Bahnen. Ich will zunächst die wichtigsten Daten seiner Untersuch- ‘ungen in Kürze mittheilen. Die Tafelfiıgur 1 der Ammocoetes- arbeit stellt den Medianschnitt durch das Vorderende eines Embryos vom 5. Tage nach der Befruchtung dar. Das Chorda- vorderende ist noch nicht frei, es geht ins Vorderende der dor- salen Darmwand über. Nach vorne von diesem Uebergang setzt sich der Darm als epitheliales Rohr mit deutlicher Liehtung bis zur Hypophysenkante der Epidermis fort. Dieser Darmabschnitt wird von v. Kupffer als präoraler Darm bezeichnet. Schon am 6. Tage nach der Befruchtung zeigt der präorale Darm mächtige seitliche Auswüchse mit deutlicher Lichtung; die Wand- 1) Die Entwicklung von Petromyzon Planeri. Archiv f. mikr. Anatomie. Bd. 95. 1890. Ferner: Studien zur vergleichenden Ent- wicklungsgeschichte des Kopfes der Cranisten. 1. Heft. Die Entwick- lung des Kopfes von Acipenser sturio an Medianschnitten untersucht. 1893. 2. Heft. Die Entwicklung des Kopfes von Ammocoetes Planeri. 1894. Siehe auch das Eingangs citirte Referat: „Ueber die Entwick- Jungsgeschichte des Kopfes.“ 104 HugoRexs: zellen sind deutlich als Entodermzellen erkennbar. Am 7. Tage ist das Chordavorderende von der dorsalen Darmwand abgelöst. Bei Embryonen von 4 mm Länge wird der präorale Darm völlig durchgeschnürt; der vordere Theil bildet das die seitlichen Aus- stülpungen verbindende Mittelstück, der hintere erfährt eine völlige Reduction. Der vordere Theil hat also seine Verbindung mit dem Vorderende des Darmes eingebüsst. Nun noch einige nähere Daten über diesen vorderen Abschnitt des präoralen Darmes. Die Chordafalte der dorsalen Urdarmwand setzt sich nicht bis ans äusserste Ende fort. Das die seitlichen Ausstül- pungen des präoralen Darmes verbindende Mittelstück enthält in seiner dorsalen Wand bloss die ideelle Fortsetzung der Chorda- falte. Desgleichen werden auch die Mesodermfalten des Ur- darmes nicht bis zum äussersten Vorderende gebildet. Die seit- lichen Ausstülpungen des präoralen Darmes sind also rein ento- dermaler Natur. Dieselben treten in enge nachbarliche Beziehungen zu drei präoralen Visceralbogenpaaren; hierdurch wird jede der beiden Ausstülpungen in je drei taschenförmige Abschnitte ge- gliedert. Die Beziehungen der letzteren zu den Wurzeln dreier präoraler Aortenbogenpaare gestatten den Schluss, dass dieselben rudimentären präoralen Kiementaschen entsprechen. Mit Rücksichtnahme auf die topischen Beziehungen des die seitlichen Ausstülpungen verbindenden Mittelstückes zum Chorda- vorderende und zur Hypopbysentasche zieht v. Kupffer den Schluss, dass man in dem Mittelstücke und einem zur Zeit nicht näher zu bestimmenden Abschnitte der seitlichen Ausstülpungen das Homologon des prämandibularen Höhlenpaares der Selachier zu erblicken habe. Ein Vergleich dieser v. Kupffer schen Befunde mit den meinen lehrt in der Hauptsache Ueberein- stimmung. Bei beiden Untersuchungsobjeeten ist dem ursprünglichen Vorderdarmscheitel eine hervorragende Rolle in der Bildungsge- schichte des Kopfhöhlenpaares zugewiesen. Allein die Einzel- verhältnisse der Höhlenentwicklung sind bei beiden Untersuchungs- objecten so verschieden, dass ich von einem weiteren Vergleich vor der Hand absehen möchte. Ich vermag mir von den rein entodermalen seitlichen Ausstülpungen des ursprünglichen Vorder- darmscheitels bei Ammocoetes zu der mit der Chorda- und Meso- dermanlage innig verknüpften lichtungslosen Kopfhöhlenanlage bei der Ente keinen glatten Uebergang zu bahnen. Ich erhoffe Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. 105 eine Vermittlung zwischen diesen Gegensätzen von der Kenntniss der Gastrulationsvorgänge bei der Ente. Vielleicht vermag uns dieselbe diese Differenzen zu erklären. Noch besseren Bescheid dürften wir wohl von der Untersuchung des Höhlenpaares bei Reptilien zu erwarten haben. Die ursprünglichen Gastrulations- verhältnisse beim Gecko und der menorqunischen Sumpfschildkröte, deren Kenntniss wir Will’s bahnbrechenden Untersuehungen zu danken haben, lassen erwarten, dass die Untersuchung der Ent- wieklung des Vorderkopfes dieser Reptilien liehtbringend sein wird. Dann werden wir auch dem Vergleiche der Kopfhöhlenent- wicklung bei den Sauropsiden mit jener bei Aecipenser sturio näher treten können. v. Kupffer!) hat bei diesem Ganoiden die Entwicklung der Prämandibular- und der Mandibularhöhle untersucht und gefunden, dass diese symmetrischen Ausbuchtungen der Dorsalwand jenes Abschnittes des Kopfdarmvorderendes, der dem präoralen Darme des Ammocoetes entspricht, ihren Ursprung verdanken. Auch bei Acipenser entstammt der Verbindungskanal der Prämandibularhöblen einem abgeschnürten Theile des Urdarmes. Die Eingangs erwähnten Mittheilungen v. Kupffer’s!) über die Entwicklung des Kopfhöhlenpaares der Ente sind sehr kurz. Sie sind in seinem Referate „Ueber die Entwicklungsgeschichte des Kopfes‘ enthalten. v. Kupffer beschreibt bei Entenem- bryonen mit 3—4 Urwirbeln die Anlage des Kopfhöhlenpaares als paarige, klaffende Ausstülpung der Dorsalwand des verjüngten Kopfdarmvorderendes.. Nach aussen von jeder dieser Ausstül- pungen fand sich überdies beiderseits eine zweite. Ich kenne diese Bilder; allerdings habe ich dieselben nicht in jener Schärfe der Ausbildung gesehen, wie v. Kupffer. Diese Ausstülpungen scheinen nicht constant zu sein; sie sind mit einer eigenthümlichen Art der Verbindung zwischen dem Vorderende der Lichtung des ursprünglichen Kopfdarmscheitels und dessen in die Zellmasse eindringenden Fortsetzung vergesellschaftet. Dieselbe wird da- durch bedingt, dass der dem Vorderende der Zellmasse zuge- hörige Wulst — s. Tafelligur 5 entw. — nicht zur Entwick- lung gelangt. Zur Entwicklung des Kopfhöhlenpaares vermochte ich diese Ausstülpungen nicht in Beziehung zu bringen. v. Kupffer’s Beschreibung des Kopfdarmvorderendes bei einem Embryo mit 1) Siehe den vorhergehenden Literaturnachweis. 106 HugoRex: 14—15 Urwirbeln ist in der Hauptsache völlig zutreffend. Er hat den ursprünglichen Scheitel des Kopfdarmes richtig als solehen gedeutet und als „präoralen Darm“ bezeichnet. Auf die Differenzen zwischen seiner aus der Textfigur ersichtlichen Auf- fassung der Einzelverhältnisse und meinen Befunden habe ich bereits im beschreibenden Theile meiner Abhandlung hingewiesen. Ich wende mich nun zu den Entwieklungsverhältnissen der Prämandibularhöhle bei den Selachiern. Ein Vergleich der- selben mit meinen Befunden stösst auf nicht unbedeutende Schwie- rigkeiten. Bei aller Anerkennung der Verdienste der zahlreichen Forscher, welche die Differenzirung des Mesoderms des Selachier- kopfes untersuchten, kann ich mich des Gedankens nicht er- wehren, dass wir von der Klärung dieser so überaus schwierigen Verhältnisse noch weit entfernt sind. Ich verkenne durchaus nicht die Bedeutung jener Schlussfolgerungen, zu welehen Fro- riep!) in seinem klaren Referate!) im Anschlusse an die Be- sprechung der Platt’schen Befunde kam. Allein gerade in den Jüngsten Arbeiten findet sich eine so auffallende Divergenz in der Deutung der uns hier interessirenden Verhältnisse, dass ich von einem Vergleiche wohl Abgang nehmen muss. Der erste, der in beiden Sauropsidenklassen nach den Kopf- höhlen der Selachier gleichwerthigen Bildungen Umschau hielt, war van Wijhe?). Er wies unter Anderem auf das Vorkommen einer stattlichen Prämandibularhöhle bei Schwimm- und Stelz- vögeln hin und hat auch das Kopfhöhlenpaar der Ente richtig gedeutet. Auf die Entwieklungsverhältnisse desselben geht van Wijhe in seiner kurzen Mittheilung nicht ein. Dieser Forscher beschreibt ferner für Entenembryonen mit 17 Urwirbeln das Homologon des zweiten Somiten des Selachier- kopfes und zwar als weite Höhle mit stark gefalteter epithelialer Wand. Diese Angabe muss ich als ein Versehen auffassen. Es ist mir nicht gelungen, das von van Wijhe beschriebene Gebilde — ein Uebersehen desselben dürfte doch schwer halten — aufzufinden. Das von ihm für die Ente als Homologon des dritten So- 1) „Entwicklungsgeschichte des Kopfes. Referat in „Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte‘“, herausgegeben von Fr. Merkel.und.R. Bonnet. 1. Bd. 1892, 2) Ueber Somiten und Nerven im Kopfe von Vogel- und Rep- tilienembryonen. Zool. Anzeiger. IX. Jahrgang. Nr. 237. 1886. Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. 107 miten gedeutete Gebilde habe ich gefunden. Das jüngste Sta- dium, in dem ich dasselbe antraf, war ein solches mit 21 Ur- wirbeln. Durehmustert man eine Sagittalschnittserie von einem Embryo dieses Alters, so erblickt man in unmittelbarer Nachbarschaft der Anlage des Trigeminusganglions und zwar ventral- und distal- wärts von diesem einen mesodermalen Zellhaufen, der sich durch die eigenthümliche Anordnung seiner Zellen von der Nachbar- schaft etwas unterscheidet. Die mittleren Zellen sind etwas diehter gedrängt; die peripheren Zellen, nicht selten in Kreisen angeordnet, umschliessen dieselben. In einem Schnitte tritt in diesem Zellbaufen ein kleines ovales Lumen auf, das von epithel- artigen Zellen umsäumt wird. Das ganze Gebilde ist nur in fünf Schnitten nachweisbar. Soviel meine jetzigen Untersuchungen lehren, entsteht dasselbe völlig selbständig. Ich sehe von einer weiteren Verfolgung dieses Gebildes hier ab, weil ich die ohne- hin grosse Zahl meiner Abbildungen nicht noch vermehren will und mir eine bildliche Darstellung unumgänglich erscheint. Ich gehe nun zu Oppel’s!) Mittheilungen über die Ent- wicklung der Prämandibularhöhle bei Anguis fragilis über. Seine sonst recht dankenswerthen Untersuchungen setzen in relativ späten Stadien ein. Wir erfahren daher nichts über die erste Entwicklung der „Prächordalplatte“; über die mediane Glie- derung der von ihm untersuchten Embryonen erhalten wir nur dürftige Nachrichten. Die von Oppel als „Prächordalplatte“ und ‚„Mesoderm- flügel‘“ bezeichneten Gebilde dürften dem liehtungslosen, ursprüng- lichen Vorderdarmscheitel und diesem entstammenden mesoder- malen Zellsträngen, also der noch lichtungslosen Kopfhöhlen- anlage entsprechen. v. Kupffer?) vertritt folgende Auffassung der Oppel- schen Befunde. Er meint, in Oppel’s Darstellung sei „nichts enthalten, was eine Schwierigkeit böte, die Prächordalplatte mit ihren Flügeln, speciell mit dem später hohl werdenden Theil der Flügel, als den zeitweilig lichtungslosen, noch nicht abgeschnür- 1) Ueber Vorderkopfsomiten ‘und die Kopfhöhle von Anguis fragilis. Archiv für mikrosk. Anatomie, Bd. 36. 1890. 2) Studien zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte des Kopfes der Cranioten. 2. Heft. Die Entwicklung des Kopfes von Ammo- coetes Planeri, pag. 59, 60. 108 Hugo.Bex:; ten prächordalen Darm aufzufassen .. .“. v. Kupffer fasst also die gesammte Kopfhöhlenanlage als prächordalen Darm auf. Diese Annahme lässt sich wohl leicht mit meiner Vermutbung in Uebereinstimmung bringen, welche ich oben über das Ver- hältniss des Kopfhöhlenpaares zum ursprünglichen Vorderdarm- scheitel, im Anschlusse an die Besprechung meiner Untersuchungs- resultate mittheilte. Der Bezeichnung „praechordal“ vermag ich mit Rücksicht auf meine Erfahrungen bei der Ente nicht beizustimmen. Ich möchte schliesslich noch bemerken, dass ich manche Einzelheiten in Oppel’s Darstellung mit meinen Untersuchungs- resultaten nicht in Einklang zu bringen vermag. Dieser kurze Einblick in die einschlägigen Literaturberichte lehrt, dass es zur Zeit noch nieht möglich ist, die Einzelbefunde zwanglos mit einander zu vereinigen. Es bedarf hierzu neuer Untersuchungen. Namentlich von einer solchen des Vorderkopfes der Selachier ist wohl weitgehendste Aufklärung zu erhoffen. Es sei schliesslich noch einer Angabe gedacht, welche in der entwicklungsgeschichtlichen Literatur der Vertebraten seit einer Reihe von Jahren wiederkehrt. Ich meine die angebliche Verschmelzung, welche sich bei Embryonen bestimmter Ent- wicklungsstadien zwischen dem Boden des Medullarrohres und dem Vorderende des Kopfdarmes finden soll. Neuerdings wurde dieselbe von Goronowitsch') für Hühnerembryonen beschrieben. Diesen Angaben trat Rabl?) entgegen. Er wies die Annahme einer Verwachsung zwischen Hirnboden und Darmvorderende mit dem völlig berechtigten Einwande zurück, jede gute Sagit- talschnittserie lehre, dass eine solehe Verschmelzung nicht exi- stirt, dass zwischen beiden Gebilden ein deutlicher, zellenfreier Spaltraum vorhanden ist. Ich habe an meinen Serien diese Frage genau untersucht und kam zu demselben Resultate wie Rabl. Ich verweise auf 1) Untersuchungen über die Entwicklung der sogen. „Ganglien leisten‘ im Kopfe der Vogelembryonen. Morph. Jahrb. XX. band 2. Heft. 1893. 2) Ueber die Herkunft des Skelets. Verhandlungen der ana- tomischen Gesellschaft auf der achten Versammlung in Strassburg 1894. Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. 109 die bezüglichen Daten im. beschreibenden Theile dieser Ab- handlung, sowie auch auf meine Tafelfiguren 4, 5 und 6, welche den Hirnboden überall scharf von der Chorda, der interepithe- lialen Zellmasse und dem Darme getrennt zeigen. Ebenso ist auch das Eetoderm deutlich vom Darme getrennt. Prag, am 5. März 1897. Erklärung der Abbildungen auf Tafel VI. - Allgemein giltige Bezeichnungen: J= Interepitheliale Zellmasse. Ch = Chorda. DD = Dorsale Darmwand. VD= Ventrale Darmwand. DA, DA = Die beiden Theilstrecken des dorsalen Abschnittes des Vorderdarmdivertikels. VA= Der ventrale Abschnitt des Vorderdarmdivertikels. Bezüglich der übrigen Bezeichnungen sei auf den Text verwiesen. Fig. 1. Embryo mit einem Urwirbel. Vorderende eines nahe der Medianebene durch die Embryonalanlage geführten Schnittes. Vergr. 230fach. Embryo mit einem Urwirbel. Querschnitt durch das Vorder- ende der Embryonalanlage in nur geringer Entfernung von der vorderen Keimfaite. Vergr. 230fach. Fig. 3. Embryo mit zwei Urwirbeln. Medianschnitt durch dessen Vorderende. Vergr. 250fach. Fig. 4 Embryo mit zwei Urwirbeln. Querschnitt durch das äusserste Vorderende des Kopfdarmes. Vergr. 250fach. Fig. 5. Embryo mit 4—5 Urwirbeln. Medianschnitt durch das Vorder- ende desselben. Vergr. 250fach. Fig. 6. Embryo mit 7 Urwirbeln. Medianschnitt durch das Vorderende desselben. Das Vorderende des Medullarrohres ist nicht zur Gänze ausgezeichnet. Vergr. 220fach. Fig. {. Embryo mit 7 Urwirbeln. Querschnitt, der das Vorderende des Kopfdarmes trifft. Vergr. 130fach. Fig. 8 Embryo mit 9 Urwirbeln. Medianschnitt durch das Vorder- ende desselben. Das Vorderende des Medullarrohres ist nicht zur Gänze ausgezeichnet. Vergr. 230fach. Fig. 9. Embryo mit 14—15 Urwirbeln. Medianschnitt durch das Vor- derende desselben. Das Vorderende des Medullarrohres ist nicht zur Gänze ausgezeichnet. Vergr. 240fach. Fig. 10. Embryo mit 14 Urwirbeln. Querschnitt, der das Vorderende des Kopfdarmes trifft. Vergr. 130fach eo [or 73 10} 110 Hugo Rex: Ueber das Mesoderm des Vorderkopfes der Ente. \ Fig. 11. Embryo mit 25 Urwirbeln. Medianschnitt durch den Scheitel des Kopfdarmes und das Chordavorderende. Vergr. 250fach. Die Schnitte der Tafelfiguren 4 und 10 gehören zwei Serien des Herrn Professor Rabl, jener der Tafelfigur 2 einer Serie des Herrn Prosector Dr. Fischl an. Für die liebenswürdige Bereitwilligkeit, mit welcher mir beide Herren ihre Serien zur Verfügung stellten, sage ich denselben auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank. (Aus dem anatomischen Institut in Kiel.) Ueber Structur und Histogenese der Samen- fäden von Salamandra maculosa. Von Dr. Friedrich Meves. Hierzu Tafel VII und VIN. Die Samenfäden der geschwänzten Amphibien und speciell des Salamanders sind bereits häufig untersucht und beschrieben !) worden. Man unterscheidet an ihnen einen Kopf, ein Verbin- dungs- oder Mittelstück und einen Schwanzfaden, welch letzterer mit einem Flossensaum versehen ist. Für die im Folgenden zu gebende genauere Beschreibung empfiehlt es sich, eine Rücken- und eine Bauchseite der Samen- fäden zu unterscheiden, wie dies Czermak (7) schon vor bei- nahe fünfzig Jahren gethan hat; und zwar will ich diejenige Seite, auf welcher sich der Flossensaum erhebt, mit Czermak als Rückenseite bezeichnen. Der Kopf eines Samenfadens von Salamandra maeulosa ist ein langer, schmaler, im Querschnitt runder Strang, welcher 1) Die Literatur findet sich ausführlich bei Ballowitz (1, pag. 254) eitirt. Ueber Structur und Histogenese der Samenfäden ete. 111 sich nach vorn hin allmählich verjüngt, um schliesslich in eine Spitze auszulaufen. Er setzt sich (Retzius, 21) aus zwei chemisch differenten Bestandtheilen zusammen, einem hintern „eigentlichen Kopfstück“ und einem vordern Absehnitt, dem sogen. „Spiess“, welcher am Vorderende ein oder mehrere Widerhaken trägt. Zwischen Spiess und eigentlichem Kopf- stück sieht man nach Retzius einen mehr oder weniger deutlichen Querstrich oder sogar einen Absatz. Der Spiess endet jedoch nicht hier, sondern lässt sich als feiner gerader ‚Faden noch eine Strecke weit nach hinten im Innern des eigentlichen Kopfstücks (ungefähr in das vordere Drittel desselben) verfolgen. Mit Bezug auf den Spiess stellte Ballowitz (1) weiter fest, dass er aus einem dünnen Mantel, dem auch die Wider- haken angehören, und einem davon umbhüllten, sehr resistenten Innenkörper besteht. Unterwirft man nämlich Samenfäden der Maceration, so bröckelt von dem Spiess ein sehr dünner. Mantel sammt den Widerhaken ab; es ragt dann aus dem Kopf eme längere, sehr feine, borstenförmige Spitze, der Innenkörper, her- vor. Dieser Innenkörper ist es, welcher sich als feiner Faden nach hinten zu fortsetzt; er erstreckt sich jedoch nach Ballo- witz nicht in das Innere des eigentlichen Kopfstücks hinein, sondern ist am Rande in einer Rindenschicht desselben gelegen. Das kurze, eylindrische Verbindungs- oder Mittelstück zeigt ein halbkugelig abgerundetes vorderes und ein ebensolches hin- teres Ende. Während es nach den älteren Untersuchern durch und durch homogen ist, beschreibt neuerdings Ballowitz (1) nach Macerationspräparaten folgende Structuren desselben. Er beobachtete an ihm einen unregelmässigen Zerfall, wobei in der Axe ein diekerer, fadenförmiger Theil erschien, der sich nur sehr blass färbte und wie ein Axenfaden aussah. Bisweilen fand er, dass die dunkle Mantelbildung vollständig aufgelöst und nur ein sehr schmales blasses Gebilde übrig geblieben war, welches nach ihm eine Fortsetzung des Axenfadens des Schwanzes darstellt. Das vordere Ende dieses Axenkörpers endigte frei ohne Ver- dickung, das hintere dagegen sass einer intensiv tingirten, breiten Verdiekung auf, welche nach Ballowitz den Endknopf des eigentlichen Axenfadens darstellt. Ballowitz kommt also zu dem Resultat, dass das Ver- bindungs- oder Mittelstück bei urodelen Amphibien einen Axen- 112 Friedrich Meves: faden besitzt, der aber von dem Axenfaden des Schwanzes ab- gegliedert und von demselben durch das Dazwischentreten eines Endknöpfchens getrennt wird. Ich selbst habe mich von der Existenz eines „Axenkörpers“ im Mittelstück nicht überzengen können, habe allerdings auch keine Macerationspräparate von Samenfäden angefertigt. Ist ein solcher Axenkörper vorhanden, so stellt er jedenfalls nicht, wie aus den Färbungsreaetionen hervorgeht, substantiell eine Fortsetzung des Axenfadens des Schwanzes dar. Das Vorhandensein eines „Endknöpfehens“ dagegen kann ich Ballowitz bestätigen; jedoch möchte ich es zum Mittel- stück rechnen und demgemäss eine grössere, vordere und eine kleinere, hintere Partie desselben unterscheiden. Von der letz- teren, d. h. also dem Endknöpfehen von Ballowitz, habe ich die folgende genauere Beschreibung zu geben. In reinen Seitenansichten der Samenfäden (Fig. 44, 45) sieht man, dass die vordere Partie des Mittelstücks an ihrem Iinteren Ende nicht quer abgestutzt, sonderu von vorn und dorsal ach hinten und ventral abgeschrägt ist. Auf diese Abschrägung ist die kleinere hintere Partie des Mittelstücks aufgelagert; sie ergänzt die vordere in der Weise, dass das hintere Ende des ganzen Mittelstücks halbkugelig abgerundet ist. In Ansichten von dorsal oder ventral dagegen sind die beiden Partien des Mittel- stücks von einander durch eine Querlinie abgegrenzt. Um sich die beiden Partien des Mittelstücks zur Anschau- ung zu bringen, kann man Ausstrichpräparate von reifem Sperma, das aus dem Vas deferens entnommen ist, mit Osmiumsäure fixiren und 24 Stunden lang mit Alaunfuchsin färben; an solehen Prä- paraten (Fig. 45) erscheint die hintere Partie des Mittelstücks stärker gefärbt als die vordere. Tingirt man dagegen mit Os- miumsäure fixirte Präparate mit Gentianaviolett, so nimmt die kleine hintere Partie des Mittelstücks überhaupt keine Farbe an. Zwischen dem hinteren Ende der vorderen Mittelstückspartie und dem Anfang des Axenfadens bleibt ein nicht gefärbter heller Zwischenraum in der Weise, wie es Fig. 46 zeigt. An dem Schwanz des Samenfadens unterscheidet man ein Hauptstück und ein Endstück, welches letztere aus dem Haupt- stück unter plötzlicher Verengung mit einem deutlichen Absatz hervorgeht (Fig. 48). Längs dem Hauptstück und dem Endstück Ueber Structur und Histogenese der Samenfäden ete. 113 des Schwanzes sitzt die sogen. Flossenmembran, deren freier, in wellenförmigen Biegungen verlaufender Rand zu einem von der Membran scharf abgesetzten „Randfaden“ verdickt ist. Dieser Randfaden entspringt vorn am hinteren Ende des Mittelstücks; während aber die Membran selbst nur bis an das äusserste Ende des Endstücks reicht, ragt der Randfaden noch um eine Strecke weit darüber hinaus, sodass also das hinterste Ende des ganzen Samenfadens allein von dem Randfaden gebildet wird (Fig. 48). Während die äusseren Formverhältnisse des Schwanzes bereits seit längerer Zeit richtig beschrieben werden, ist die von dem innern Bau desselben gegebene Darstellung noch in meh- reren Punkten unzutreffend. Für die Schwänze der Säugethiersamenfäden hat Eimer (8) zuerst beschrieben, dass sie aus einem Centralfaden und einem umhüllenden Protoplasmamantel bestehen. Diese Beobachtung wurde durch v. Brunn (5) für Salamandra bestätigt; das von Czermak (7) zuerst beschriebene Endstück des Schwanzes stellt den des Protoplasmamantels entbehrenden Theil des Central- oder „Axenfadens“ (v. Brunn) dar. Die Flossenmembran fasst v. Brunn als eine Bildung der Mantelschicht auf. „Man wird nicht fehlgehen,“ sagt er, „wenn man den Protoplasmamantel und jene Membran in nahe Beziehung zu ein- ander stellt und letztere als Anhängsel des ersteren betrachtet.“ Gegen letztere Auffassung kann man nun aber geltend machen, dass der Flossensaum sich auch auf das Endstück des Sehwanzes erstreckt, welches doch dem Anschein nach frei von der Mantelschieht ist. Ballowitz, welcher gleichfalls den Flossensaum zur Mantelbildung rechnet, folgert daher (1, pag. 263), „dass das Endstück nicht einfach der entblösste Axenfaden sein kann, sondern noch von einer, wenn auch sehr dünnen Hülle umgeben sein muss“. Eine genaue Untersuchung des Schwanzfadens hat mir nun aber gezeigt, dass der Flossensaum überhaupt nicht als der Mantel- schicht zugehörig zu betrachten ist; es gelang mir nämlich über das Verhältniss von Axenfaden und Mantelschicht zu einander und zum Flossensaum Folgendes feststellen. . Wenn man Schwänze, an denen der Axenfaden gefärbt ist, in der Ansicht von dorsal oder ventral oder in halber Seiten- ansicht mikroskopirt, so sieht man an den Seiten des Axen- Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 50 8 114 Friedrich Meves: fadens, diesem parallel, je eine Conturlinie verlaufen, welche der äussern Begrenzung der Mantelschicht entspricht. Betrachtet man dagegen Samenfäden in reiner Seitenansicht (Fig. 44—46), so ist jetzt diese Mantelschicht nur auf der Bauchseite des Schwanzes wahrzunehmen. Letzteres Verhalten könnte nun darin seinen Grund haben, dass der sogen. Axenfaden innerhalb der ihn um- hüllenden Mantelschicht stark dorsalwärts!) verlagert ist, sodass sein dorsaler Randeontur in der Seitenansicht mit der Aussenwand der Hülle zusammenfällt. Diese Annahme trifft aber noch nicht das Richtige, wie man erkennt, wenn man Querschnitte des Schwanzes be- trachtet, welche bisher wohl nicht zur Untersuchung heran- gezogen wurden. Ein solcher Querschnitt (Fig. 49) zeigt, dass zunächst derjenige des sogen. Axenfadens nicht rund, sondern etwa hufeisenförmig gestaltet ist. Und zwar ist die Convexität der Krümmung nach der Bauchseite, die Concavität nach der Rückenseite des Samenfadens zu gerichtet. Es läuft also auf der Rückenseite des Axenfadens eine Furche entlang, wodurch das besehriebene Quersehnittsbild zu Stande kommt. Ferner erkennt man an den Querschnitten, dass die sogen. Mantelschicht den Axenfaden nicht ringsum, sondern nur einseitig umhüllt und zwar nur auf der konvexen, also ventralen Seite. Die äussere Wand der Mantelschieht ist auf den Kämmen fest- geheftet, welche die auf der dorsalen Seite des Axenfadens ent- lang ziehende Furche jederseits begrenzen. In dieser Furche des Axenfadens entspringt der Flossen- saum; derselbe ist also nicht, wie bisher (v. Brunn, Ballowitz) angenommen wurde, eine Bildung der Hülle, sondern steht allein zum Axenfaden in Beziehung. Wir werden später sehen, dass er wahrscheinlich auch histogenetisch zum Axenfaden gehört. Mit Bezug auf den Randfaden ist noch nachzutragen, dass er sich nach Ballowitz durch Anwendung von Maceration der Länge nach in feine Fädchen zerlegen lässt. Die Umbildungsprocesse, durch welche die Samenfäden aus den Spermatiden hervorgehen, beginnen unmittelbar nach Ablauf der zweiten Reifungstheilung. Bis zu diesem Punkt habe ich 1) Dass der Axenfaden „etwas excentrisch“, liegt hat Ballowitz bereits (2, pag. 438) angegeben, Ueber Structur und Histogenese der Samenfäden etc. 115 die Entwicklung der männlichen Geschlechtszellen von Salamandra in einer früheren Arbeit (16) verfolgt. Daselbst habe ich gezeigt, dass in den Telophasen der Reifungstheilungen die in den vor- hergehenden Stadien der Mitose verdoppelten Centralkörper gegen die neugebildete Zellwand verschoben werden, wobei sie sich dicht unter der Zelloberfläche entlang bewegen. Die Grösse der Drehung um den Kern pflegt zwischen 45 und 135° zu schwan- ken. Mit Bezug auf die Art und Weise, wie ich mir das Zu- standekommen dieses Vorgangs denke, erlaube ich mir auf 16, pag. 54 u. folg. zu verweisen. Ein Stadium einer solchen Centralkörperverschiebung in einer Tochterzelle der zweiten Reifungstheilung ist hier noch einmal in Fig. 1 abgebildet. Man sieht die Centralkörper von einer Strahlung umgeben oberhalb der ursprünglichen Polstelle liegen. Nachdem die Centralkörper meistens noch weiter als in dieser Figur gegen die neugebildete Zellwand zu verschoben sind, wird in einem nächsten Stadium die von ihnen ausgehende Strahlung undeutlich. Die Zelle kehrt allmählich zum Ruhestand zurück. Die Oentralkörper bleiben an der Zellwand liegen; ihre Verbindungslinie steht senkrecht zu dieser, sodass nur der eine von ihnen, welcher grösser als der andere zu sein pflegt, un- mittelbar an die Zellwand anstösst (Fig. 2). Da die Verdoppelung der Centralkörper in den Anaphasen in der Weise erfolgt, dass ihre Verbindungslinie senkrecht zur Spindel- axe, also parallel der Zelloberfläche, zu liegen kommt, so muss die durch die Centralkörper hindurchgelegte Axe im Verlauf der Ver- schiebung eine Drehung gegen die Zelloberfläche erfahren haben; in Fig. 1 hat sich diese Drehung, wie man sieht, bereits vollzogen. Zwischen den Centralkörpern und dem Kern hat sich eine nicht färbbare, graue, homogen aussehende Masse ohne scharfen Randcontur angesammelt. Dass es sich hier um Sphärensubstanz handelt, ist mir nicht im Geringsten zweifelhaft. Dieselbe um- gibt also nicht, wie gewöhnlich, die Centralkörper in Form einer Hülle, sondern bildet für sich einen Ballen, welcher zwischen den Centralkörpern und dem Kern gelagert ist. Die Umbildungsprocesse, durch welche die Spermatiden in Samenfäden übergeführt werden, nehmen nun damit ihren Anfang, dass von dem der Zellwand anliegenden grössern der beiden 116 Friedrich Meves: Centralkörper aus ein feines Fädchen aus der Zelle hervorwächst (Fig. 3, 4). Das Fädchen stellt die erste Anlage des Axen- fadens des Schwanzes dar. Dieser Befund ist geeignet, eine heute noch vielumstrittene Frage zur Entscheidung zu bringen, nämlich ob der Axenfaden des Schwanzes dem Kern oder dem Zellleib der Spermatide seine Entstehung verdankt. Die Mehrzahl der neueren Autoren (z. B. noch C. Niessing in einer im vorigen Jahr erschienenen Arbeit (15)) sprechen sich für eine nucleäre Herkunft desselben aus. Meine Beobachtungen zeigen aber, dass, zunächst bei Sala- mandra, der Axenfaden in seiner ersten Anlage sicher extra- nucleär entsteht '). Aehnliche Beobachtungen, wie die hier geschilderten, sind übrigens schon früher bei Elasmobranchiern von Moore (19) beschrieben worden. Moore schildert, dass nach Abschluss der zweiten Reifungstheilung die Sphären zunächst über die Ober- fläche des Kerns entlang einer Furche äquatorialwärts wandern; wenn sie einen Punkt mitten zwischen der polaren und äquato- rialen Kernoberfläche erreicht haben, bewegen sie sich von der Kernmembran fort gegen die Zellperipherie zu. Weiter heisst es dann (19, pag. 294): "The eentrosomes pass on to the outer ar- choplasmie surface, and from this?) there passes a fine protoplas- mie strand to the cell periphery, and the cell membrane is in- dented where this strand perforates it as the whiplash-like sper- matozoon tail. Nach obigem Wortlaut differirt Moore von mir unter an- derm darin, dass er bei Elasmobranchiern den Axenfaden von der Sphäre auswachsen lässt; seine Abbildungen (19, Taf. 16, Fig: 80—82) scheinen mir allerdings im Gegensatz zu seiner Beschrei-s 1) Aehnliche Bilder, wie sie Fig. 3, 4 dieser Arbeit hinsichtlich der Centralkörper zeigen, habe ich auch bei Säugethieren und zwar bei der Ratte beobachtet. Auch hier fand ich die Centralkörper in jungen Spermatiden unmittelbar unter der Zelloberfläche liegend und zwar ohne Beziehung zur Sphärensubstanz (vgl. dagegen C. Niessing unten, pag. 135); wie bei Salamandra bilden sie auch hier den Aus- gangspunkt eines feinen Fädchens, welches die erste Anlage des Axen- fadens darstellt. Hinsichtlich der extranucleären Herkunft’des letzteren kann daher auch für Säugethiere kein Zweifel sein. 2) Im Original nicht gesperrt gedruckt. Ueber Structur und Histogenese der Samenfäden etc. 117 bung zu zeigen, dass der Axenfaden auch hier von dem einen Centralkörper ausgeht. Nachdem die extranucleäre Herkunft des Axenfadens fest- gestellt ist, fragt es sich nun weiter, aus welchen Theilen des Zell- leibes derselbe hervorgeht. Dader Centralkörper, welcher seinen Aus- gangspunkt bildet, unmittelbar unter der Zelloberfläche gelegen ist, könnte man glauben, den Axenfaden als einen Auswuchs des Centralkörpers betrachten zu müssen. In den spätern Stadien zeigt sich aber auf Grund verschiedener Färbung deutlich, dass beide, Centralkörper und Axenfaden, substantiell von einander verschieden sind. Es dürfte sich daher vielmehr um einen Mitom- faden der Zellsubstanz handeln, welcher ebenso, wie z. B. ein Polstrahl oder eine Spindelfaser der achromatischen Figur der Mitose, an dem Centralkörper angeheftet ist und welcher die Substanz, auf Grund deren er wächst, um den Centralkörper herum oder vielleicht durch ihn hindurch aus der Zelle bezieht. Mit dem Auswachsen des Axenfadens beginnt nun die Zell- oberfläche da, wo der mehr periphere der beiden Centralkörper ihr anliegt, zunächst eine leichte Einziehung zu zeigen (Fig. 4). Später (Fig. 5 u. folg.) werden die Centralkörper und mit ihnen der Anfangstheil des jungen Axenfadens gegen das Centrum der Zelle zu verlagert. Dabei wird die Zelloberfläche von derjenigen Stelle aus, wo ihr der mehr periphere der beiden Centralkörper anliest und wo schon vorher eine Einziehung zu bemerken war, gegen das Zelleninnere zu eingestülpt. Diese Einstülpung trägt an ihrem zugespitzten Ende die Centralkörper und umhüllt scheidenartig den Anfangstheil des jungen Axenfadens. In der Folge setzen die Centralkörper ihre Wanderung fort und beginnen zugleich mehr und mehr heranzuwachsen. Der peripher liegende formt sich dabei (Fig. 8) in ein kleines Scheib- chen um, dessen Fläche senkrecht zur Längsaxe der Einstülpung gelegen ist. Mit dieser Umgestaltung des Centralkörpers nimmt auch die Einstülpung, besonders am centralen Ende, an Durch- messer zu. Während sie vorher (Fig. 5, 6) zugespitzt am Cen- tralkörper endete und im Ganzen Trichterform hatte, wandelt sie sich jetzt (Fig. 8) in eine Röhre um, welche überall den gleichen Durchmesser hat und nur nahe der Zelloberfläche noch wenig trichterförmig erweitert ist. In Folge der Feinheit der beschriebenen Verhältnisse glückt 118 Friedrich Meves: es nicht gerade leicht, die Einstülpung wahrzunehmen; dazu ist es durchaus nöthig, dass sie mit ihrer Längsaxe der Ebene des Öbjecttisches parallel liegt. Nachdem man sie aber zu Gesicht bekommen hat, will es ferner häufig nicht gelingen, den Axen- faden nachzuweisen, wahrschemlich deshalb nicht, weil er im Innern der Einstülpung ihrer Wand dicht anliegt und ausserhalb derselben der Zelloberfläche angeschmiegt ist. Bevor wir nun das weitere Verhalten der Centralkörper ins Auge fassen, wollen wir zunächst den übrigen Verhältnissen der Spermatide unsere Aufmerksamkeit zuwenden. Was zunächst die Zellsubstanz anlangt, so zeigt diese an Präparaten, die mit einem Osmiumgemisch fixirt sind, in Folge verschiedener Reagentienwirkung ein verschiedenes Aussehen, je nachdem man centrale oder periphere Partien der eingelegten Hoden oder Hodenstücke untersucht. In den mehr central gelegenen Zellen, deren Structur den natürlichen Verhältnissen, wie ich glauben möchte, durchaus ent- spricht, findet sich ein ausserordentlich deutliches, lockeres, mit Eisenhämatoxylin färbbares Fadenwerk. Die Fäden haben einen unregelmässigen, gewundenen Verlauf und sind dicht mit Körnern besetzt. An diesen Fäden spielen sich nun Wachsthumsprocesse ab; indem einzelne von ihnen stark in die Länge wachsen, wird die Zelloberfläche häufig an mehreren Stellen in Form von finger- förmigen Fortsätzen vorgetrieben. An meinen Abbildungen ist hiervon allerdings, ausgenommen in Fig. 12, nichts wahrzunehmen; jedoch sind solche Fortsätze schon von dem Stadium der Fig. 3 an oft zahlreich vorhanden. In den Zellen der peripheren Partien dagegen ist die durch Flemming bekannte Osmiumwirkung an der Zellsubstanz be- merkbar. Hier ist von Fadenstrueturen nichts zu sehen; die Zell- substanz zeigt vielmehr ein gleichmässig blass granulirtes Aussehen. Der Kern hat sich bald nach Ablauf der zweiten Reifungs- theilung in eine ausgesprochen excentrische Lage begeben. Das an das Dispirem erinnernde Aussehen des Kerngerüstes (Fig. 2—4) ist völlig verschwunden. Das Chromatin findet sich im Innern in feinen Körnern angeordnet, welche stellenweise stärker ge- häuft liegen, während es unter der Oberfläche eine dünne, viel- fach durchbrochene Schale bildet (z. B. Fig. 6). Ueber Steuctur und Histogenese der Samenfäden etc. 119 Diese Beschreibung gilt nur für die Kerne der mehr central gelegenen Zellen; diejenigen der peripheren Partien des Hodens zeigen ähnlich wie die Zellsubstanz ein diffus körniges Aus- sehen, welches darauf beruht, dass in ihnen die Kernstruetur in Folge der Wirkung der Osmiumsäure durch Niederschläge im Kernsaft verdeckt ist. Was schliesslich noch den Ballen von Sphärensubstanz anbetrifft, so findet er sich stets in der Nachbarschaft der Central- körper. In ihm treten eine grössere Zahl kleiner, heller Bläschen auf, welche sich offenbar auf Kosten seiner Substanz unter Ver- flüssigung derselben bilden; sie sind übrigens nur schwer und nicht in jeder Zelle wahrzunehmen (Fig. 3, 6, 8). Verfolgen wir nunmehr das fernere Schicksal der beiden Centralkörper, so finden wir, dass das Scheibehen, der Abkömm- ling des einen von ihnen, sich weiterhin in einen Ring umformt, wahrscheinlich, indem es in der Mitte durchbricht (Fig. 9 u. folg.). Die Wand der Einstülpung setzt rings an der Peripherie des Ringes an. Der Axenfaden, welcher mittlerweile schon erheblich an Länge zugenommen hat, tritt durch das Lumen des neu ent- standenen Ringes hindurch und setzt sich mit dem mehr central gelegenen der beiden Centralkörper in Verbindung, welcher sei- nerseits zu einem kurzen, leicht gekrümmten Stäbchen heran- gewachsen ist. Der Ring nimmt weiter an Durchmesser an, bis er schliesslich mehr als doppelt so gross ist wie zu dem Zeit- punkt, wo er zuerst als soleher zu erkennen war. Ebenfalls der andere, stäbehenförmige Centralkörper wächst in allen Dimen- sionen stark heran; in einigen Fällen (Fig. 14) habe ich kon- statiren können, dass er seinerseits schliesslich aus zwei Parallel- stäbchen zusammengesetzt ist. Während diese weitern Veränderungen mit den Central- körpern vor sich gehen, ist in der Sphärensubstanz unter den zahlreichen kleinen Vacuolen eine grössere (Fig. 10) aufgetreten, welche wahrscheinlich durch Verschmelzung mehrerer kleinerer entstanden ist. Diese nimmt immer mehr an Grösse zu; was noch nicht von Sphärensubstanz durch Vaeuolenbildung verflüssigt ist, erscheint schliesslich dem gross gewordenen Bläschen (Sphä- renbläschen) einseitig „lunulaartig* angelagert. Stäbchen und Ring sind auf den zuletzt beschriebenen Sta- 120 Friedrich Meves: dien bereits früher (13) von Hermann als „ehromatische Be- standtheile des Nebenkerns“ beschrieben worden, nachdem sie in noch spätern Stadien zuerst von Flemming (11) gesehen waren. Das Stäbehen wird von Hermann als „Knöpfehen“ bezeichnet und als Kugel abgebildet; als solche erscheint es je- doch nur in Ansichten von den Enden. Dass Stäbehen und Ring von den Centralkörpern der Sper- matide abstammen, habe ich bereits im vorigen Jahre (1896, 16 pag. 70) anmerkungsweise mitgetheilt; jedoch waren sie schon früher von Böhm und Davidoff (Lehrbuch der Histologie, Wiesbaden 1895) als Abkömmlinge eines Centrosoma bezeichnet worden. Der Ballen von Sphärensubstanz ist mit dem von Hermann sogen. „farblosen Bestandtheil des Nebenkerns“ identisch. Dass in den Spermatiden eine Sonderung der Sphärensubstanz in zwei Theile eintritt, hat zuerst Benda (3) bei Säugethieren beschrie- ben; die Vorgänge, die dazu führen, sind dann von Moore (18) genauer geschildert worden. Nachdem das Stadium der Fig. 14 erreicht ist, beginnt eine neue zweite Entwicklungsperiode, welche ich bis zum Auf- treten des Flossensaumes rechne, im Laufe derer die Samenzelle ihrer definitiven Form erheblich näher kommt. Im Interesse der Darstellung will ich nach einander Kern, Zellsubstanz, Cen- tralkörper und Sphäre durch diese Periode hindurch verfolgen. Mit dem Beginn derselben bildet sich zunächst der Kern zum Samenfadenkopf um, ein Vorgang, der speciell bei diesem Object zuerst von Flemming (11) genauer beschrieben ist. Zuerst machen sich Veränderungen im Kerninnern bemerk- bar. Es tritt ein ausserordentlich diehtes, aus feinen Balken ge- bildetes Chromatingerüst auf, welches sich im weiteren Verlauf auflockert, indem die Stränge weniger werden, aber an Dicke zunehmen. Es gehen also, wie ich bemerken möchte, mit dem Chromatin die gleichen Umwandlungen vor sich, wie sie für den Beginn einer Mitose, speciell für denjenigen der ersten Reifungs- theilung im Salamanderhoden, charakteristisch sind ?). 1) Meine Abbildungen der zweiten Periode betreffen fast sämmt- lich Zellen aus peripheren Hodenpartien, in welchen die Kerne in Folge der Osmiumwirkung ein nahezu homogenes Aussehen angenommen haben. Solche Zellen habe ich deswegen abgebildet, weil in ihnen Ueber Structur und Histogenese der Samenfäden ete. 121 Zu gleicher Zeit nimmt man an den fixirten Präparaten eine Abhebung der Kernmembran wahr. Dieselbe ist offenbar vielfach durch Reagentienwirkung verstärkt; denn sie ist bald mehr, bald weniger hochgradig. Bald nachdem die ersten Veränderungen im Innern aufge- treten sind, beginnen auch die Kerne sich umzuformen, indem sie aus der rundlichen Gestalt zunächst in eine ei- oder birnför- mige übergehen (Fig. 16 und folg.). Bevor sie aber diese Ge- stalten erreichen, müssen sie häufig noch einen mehr oder weniger grossen Formenwandel durehmachen, weleher damit zusammen- hängt, dass diejenigen Punkte der Kernoberfläche, welche zum vordern und hintern Ende des Samenfadenkopfes werden, einander meistens von vornherein nicht diametral gegenüberliegen. Im weitern Verlauf wachsen nun die Birnformen allmählich zu langen Strängen aus, wobei das chromatische Fadengerüst sich mehr und mehr verdichtet. Die abgehobene Kernmembran liegt (Flemming) scheidenartig um den jungen Kopf, relativ weit von diesem abgerückt. Zwischen ihr und dem Kopf findet sich eine recht erhebliche Schicht von heller Substanz. Diese Substanz, offenbar Kernsaft, welcher in Folge der Verdichtung des Chromatingerüstes nach aussen entweichen musste, wird durchsetzt von Lininfäden, welche von der rauhen Oberfläche des jungen Kopfes zur Kernmembran herüber gespannt sind. Weiterhin wird nun der ganze Kopf vollständig kompakt, wobei er die Form des reifen Samenfadenkopfes annimmt. Die Kopfoberfläche glättet sich; die Lininsträge, welche zwischen Kopf und Kernmembran ausgespannt waren, verschwinden, sei es nun, dass sie in den Kopf einbezogen werden oder sich im Kernsaft lösen. Die Kernmembran erhält sich bis zum Ende dieser Periode oder auch noch darüber hinaus intact. Später ist nichts mehr von ihr wahrzunehmen; sie muss sich entweder aufgelöst oder, indem der Kernsaft in die Zelle übertrat, sich der Kopfoberfläche dicht angelegt haben. Jedenfalls ist eine Vermischung von Kern- saft und Zellsubstanz eingetreten. Die Zellform richtet sich im Allgemeinen nach der Kern- form: wie der Kern streckt sich auch die umgebende Zellsubstanz das weitere Verhalten der Centralkörperabkömmlinge, welche für mich im Mittelpunkt des Interesses standen, am klarsten zu erkennen ist, 122 Friedrich Meves: in die Länge. Jedoch sind die Conturen der Zellen im Anfang noch häufig ausserordentlich unregelmässig. Während der vorher- gehenden Periode war die Zellwand vielfach in schmale und spitze Fortsätze ausgezogen. Solche Ausbuchtungen der Zell- oberfläche sind auch jetzt noch häufig vorhanden; jedoch sind sie im Gegensatz zu denen der ersten Periode breit und abgerundet. Mit diesen Fortsätzen greifen die Zellen vielfach tief in einander ein. .Der in Fig. 19 oben rechts siehtbare Kreis ist der optische Querschnitt eines solchen Fortsatzes, mit welchem eine Nachbarzelle in die Zelle der Fig. 19 eingreift. Was die Bedeutung dieser Fortsätze anlangt, so möchte ich daran erinnern, dass die sich entwickelnden Samenfäden später sämmtlich einander parallel innerhalb der Spermatocyste zusammenliegen, sodass die Schwanzenden nach der Cystenwand zu gerichtet sind. Ich könnte mir denken, dass die beschriebenen Fortsätze dazu helfen, der heranwachsenden Samenzelle diese Lagerung zu ertheilen, um so mehr, als sie verschwunden sind, nachdem die jungen Köpfe sich stärker in die Länge gestreckt haben und die Parallelordnung derselben erreicht ist. Die Zellsub- stanz bildet dann eine schlauchförmige Hülle um den Kopf. Indem die Zelle noch stärker in die Länge wächst, wird die Einstülpung der Zellsubstanz, an deren Spitze der ringförmige Körper liegt, meistens mehr und mehr ausgekrämpt (Fig. 20—23), sodass er am Ende dieser Periode gewöhnlich am hinteren Pol der ganzen Zelle unmittelbar an der Zelloberfläche liegt, wo er die Einfassung eines Loches der Zellwand bildet. Was die Struetur der Zellsubstanz anbetrifft, so müssen wir mit Bezug auf diesen Punkt wieder centrale und pe- riphere Partien des Hodens unterscheiden. In den Zellen centraler Partien erkennt man, dass die Zell- substanz mit dem Beginn dieser Periode anfängt, ein verändertes Aussehen zu zeigen. Die Filarmasse nimmt an Dichtigkeit erheb- lich ab; es macht mir den Eindruck, als wenn sie sich zum srössten Theil verflüssige. Das Zelleninnere sieht hell aus; nur auf der Innenseite der Zellwand findet sich ein spärlicher, körnig- fädiger Belag, von dem aus vereinzelte Fäden zum Kern hinüber- gespannt sind. Die beschriebenen Bilder können auf den ersten Blick den Eindruck machen, als seien sie arteficieller Natur. Jedoch finden Ueber Structur und Histogenese der Samenfäden etc. 123 sie sich in denselben Hoden unmittelbar neben früheren Stadien, die auf's beste konservirt sind. Wenn die Zellsubstanz daher in der That künstlich verändert ist, so ist wenigstens soviel sicher, dass sie von dem Beginn dieser Periode an den fixiren- den Reagentien gegenüber besonders empfindlich ist. In den peripheren Partien des Hodens dagegen ist ebenso wie bei den Entwicklungsstadien der ersten Periode in Folge der starken Osmiumwirkung eine körnige Koagulirung der Zellsubstanz eingetreten !). Besonderes Interesse können die weiteren Schieksäle des stäbehen- und des ringförmigen Körpers beanspruchen, von denen wir gesehen haben, dass sie Abkömmlinge der Cen- tralkörper sind. Von dem stäbehenförmigen Körper wissen wir durch Hermann, dass er an einer Stelle, welche zum distalen Ende des Samenfadenkopfes wird, in das Innere des Spermatidenkernes hineingeräth. Dies geht in der folgenden, bisher noch nicht beschriebenen Weise vor sich. Das Stäbehen lagert sich zunächst an die Kernmembran an, um sich weiterhin an ihr abzuplatten (Fig. 16). Von der der Kernmembran aufliegenden Seite desselben wächst dann ein Zapfen aus durch die Kernmembran hindurch (Fig. 17—19). Dieser Zapfen schwillt nun im Inneren des Spermatidenkernes rasch an (Fig. 20). Das ganze Gebilde besteht dann aus einem grossen, innerhalb des Kerns gelegenen kugeligen Theil und einem Scheibehen, welches am hinteren Pol des verlängerten Kernes der Kernmembran aussen aufliegt; dadurch, dass Kugel und Scheibe die Kernmembran zwischen sich fassen, wird das ganze Gebilde an ihr fixirt. Die Kugel wächst nun, während das Scheibehen schwindet, stark heran (Fig. 21), um sich weiter zu einem eylindrischen Körper (Fig. 22) umzuformen, welcher zunächst noch relativ kurz ist, aber bald die Länge des Mittelstücks des reifen Samenfadens erreicht (Fig. 23) und sich dann nach Fixirung mit Hermann- schem Gemisch bei Anwendung der Eisenhämatoxylinmethode leichter als der ringförmige Körper entfärbt. 1) Meine Abbildungen der zweiten Periode betreffen, wie erwähnt, fast nur Zellen peripherer Hodenpartien. 124 Friedrich.’ Mevies: Dieser eylindrische Körper (Fig. 23) entspricht jedoch nicht dem ganzen Mittelstück, sondern nur der von mir sog. „Vor- deren Partie“ desselben. Der ringförmige Körper nimmt (Hermann) seine Lage an derselben Stelle, an welcher das Stäbchen in den Kern ein- gedrungen ist, aber ausserhalb der Kernmembran; es ist dasselbe Gebilde, welches Flemming zuerst auf Stadien, wie Fig. 18, als schüsselförmigen Körper beschrieben hat. Er erleidet im Lauf dieser Periode keine Formveränderungen, ausgenommen solehe des Querschnitts. Sein Querschnitt, welcher vorher rund war, wird zunächst kommaförmig (Fig. 20—22) und ändert sich dann weiter so, dass er schliesslich halbmondförmig gestaltet ist (Fig. 23). Dass der Ring bis gegen Ende der Periode meistens an der Zelloberfläche zu liegen kommt, habe ich bereits oben mitgetheilt. Was die Lagerung der beiden Centralkörper, bez. Central- körperabkömmlinge zu einander anlangt, so ist diese, wie es durch die Verhältnisse bedingt wird, im Lauf des Entwieklungs- processes konstant; mit Bezug auf die durch sie bindurch gelegte Axe scheint mir folgender Punkt von Interesse. Flemming hat früher (12) die Vermuthung ausgesprochen, dass durch die Verbindungslinie der beiden Centralkörper eine Axe der Zelle und zwar eine Axe mit ungleichwerthigen Enden gegeben sei. Die Spermatide hat sich nun im Verlauf der Umwandlung zu einem ausgesprochen bipolaren Gebilde (und zwar zu einem Radiärgebilde) umgestaltet. Dabei scheint es mir mit Bezug auf die von Flemming ge- äusserte Muthmaassung bemerkenswerth, dass die durch die beiden Centralkörper hindurchgelegte Axe, bez. die Hauptaxe der Cen- tralkörperabkömmlinge (eine Linie, deren Verlängerung nach der einen Seite durch den Axenfaden repräsentirt wird), welches auch Anfangs ihre Stellung zum Kern sein möge, später mit der Haupt- axe des ganzen Radiärgebildes zusammenfällt. Das Sphärenbläschen wird bis zum Anfang dieser Periode in der Nachbarschaft des stäbehen- und ringförmigen Körpers gefunden. In der Folge entfernt es sich nun von ihnen, indem es an der Kernperipherie herumrückt, wobei der ihm noch anliegende kleine Rest von Sphärensubstanz meistens völlig schwindet. Nach einer verschieden weiten Wanderung lagert es sich in einer Delle dem Kern an, an einer Stelle, welche später Ueber Structur und Histogenese der Samenfäden etc. 125 zum Vorderende des Kopfes wird. Dieselbe liegt keineswegs demjenigen Punkt, an welchem der stäbehenförmige Körper durch die Kernmembran eindringt, gerade gegenüber, sondern ist meistens um einen kleineren Winkel als 180° auf der Kernoberfläche von ihm entfernt. Zwischen den beiden Fixationspunkten des stäb- chenförmigen Körpers und des Sphärenbläschens an der Kern- membran wächst der Kern in die Länge und zwar in der Weise, dass die Verbindung beider Punkte schliesslich zur Hauptaxe eines Radiärgebildes wird. Indem nun der Kern beginnt sich in die Länge zu strecken, tritt das Sphärenbläschen allmählich durch die Zellwand hindurch und aus der Zelle heraus. Verschiedene Stadien dieses Durch- tritts sind in den Figuren 15—18 abgebildet. Das Sphären- bläschen liegt schliesslich vor der ganzen Zelle am Kopfende des heranwachsenden Samenfadens. Durch weitere Umwandlung geht aus ihm der von Retzius sog. Spiess hervor, und zwar in folgender Weise. Zuerst ist, wie gesagt, das Sphärenbläschen einer Delle des Kerns angelagert. Soweit beide, Kern und Sphärenbläschen, einander anliegen, tritt nun zwischen ihnen an der Oberfläche des letzteren eine dünne schalenförmige Schicht einer Substanz auf, die sich mit Eisenhämatoxylin intensiv schwarz färbt !). Nach den mir vorliegenden Bildern hält es schwer zu entscheiden, ob diese Substanz zum Kern oder zum Sphären- bläschen gehört. Jedoch scheint sie mir vom Chromatin ver- schieden zu sein und möchte ich glauben, dass sie aus dem In- halt des Sphärenbläschens abgeschieden wird, in ähnlicher Weise, wie das „färbbare Korn“, dessen Auftreten in der aus der Sphäre hervorgegangenen „Vacuole* Benda bei Säugethieren zuerst beschrieben hat (vergl. unten pag. 133). Indem nun der Kern Strangform annimmt, plattet sich die Delle ab; die erwähnte Schicht erhebt sich gegen das Centrum des Sphärenbläschens in Form eines Kegels, welcher zunächst eine breite Basis, aber nur geringe Höhe hat (Fig. 24). Von seiner Spitze aus wächst ein feines Fädehen mitten durch das Bläschen hindurch bis zur gegenüberliegenden Wand desselben. Wenn weiterhin das Chromatin des Kopfes sich stärker 1) Bei starker Osmiumwirkung geht die Färbbarkeit verloren; daher ist an meinen Figuren 15—20, welche Zellen mit starker Osmium- wirkung betreffen, nichts von dieser Schicht wahrzunehmen, 126 Friedrich Meves: verdichtet und der Querdurchmesser desselben in Folge dessen geringer wird, verschmälert sich auch die Basis des Kegels, während seine Höhe zunimmt (Fig. 25, 26). Zuletzt ist er in ein kurzes, am Grunde nur wenig dickeres Stäbehen umgewandelt (Fig. 27). Wie der Kegel selbst, wächst auch das von seiner Spitze ausgehende Fädchen in die Länge. Dieses Wachsthum eines axial gelegenen Theiles des Sphä- renbläschens hat nun zu Folge, dass das ganze Gebilde sich mehr und mehr in die Länge streckt. Zuerst nimmt es eine auf dem optischen Längsschnitt ovale (Fig. 25), später eine Flammen- form (Fig. 26) an; zuletzt hat sich seine Gestalt in eine lang lancettförmige umgewandelt (Fig. 27), welche der definitiven Form des Spiesses bereits sehr nahe steht. Auf den weiteren Stadien der Entwicklung einen Innen- körper und eine Mantelschicht von einander zu trennen, ’ist mir durch Färbung bisher nicht gelungen. Dies ist aber, wie Ballo- witz (1) beschrieben hat, durch Maceration noch am reifen Samenfaden möglich. Ueber die Entstehung desjenigen Theils des Spiesses, welcher sich am reifen Samenfaden als fadenförmige Fortsetzung des Innenkörpers nach hinten ins Innere (Retzius) oder in die Rindenschicht (Ballowitz) des Kopfes verfolgen lässt, habe ich durch Beobachtung bisher nichts feststellen können, jedoch darf man wohl annehmen, dass derselbe von der Basis des Kegels (Fig. 24—27) nach hinten auswächst. Ueber die Spiessbildung bei Salamandra lagen bisher nur Angaben von Flemming (11) und Hermann (13) vor. Während Flemming annahm, dass der Spiess aus der nicht färbbaren Substanz des Kerngerüstes hervorginge, leitete Her- mann ihn von der achromatischen Kernmembran ab. Meine Beobachtungen zeigen dagegen, dass er ebenso wie die Kopfkappe bei Säugethieren (Benda, Moore) aus der Sphärensubstanz!) hervorgeht. Beide, Spiess und Kopfkappe, sind histogenetisch gleichwerthige Bildungen; der zuerst von Ballowitz beschrie- 1) Der Ballen von Sphärensubstanz, der „farblose Bestandtheil des Nebenkerns“ (Hermann) sollte nach Hermann mit dem Zellleib der Spermatide zu Grunde gehen. Ueber Structur und Histogenese der Samenfäden etc. 127 bene Innenkörper des Spiesses dürfte dem Spitzenknopf der Kopf- kappe analog sein. Eine dritte und letzte Periode in der Entwicklung der Samenfäden datire ich von dem Auftreten des Flossensaums, Nach Hermann (13) sollte der letztere aus der Ringbildung hervorgehen. Diese Angabe ist aber unzutreffend. Auf Stadien, wo der Ring noch vollständig unverändert daliegt, sieht man neben dem Axenfaden diesem parallel eine zarte Linie verlaufen, welche den Randfaden des Flossensaums darstellt. An Eisen- hämatoxylinpräparaten, die mit Alaunfuchsin nachgefärbt sind, kann man auch die dünne Membran selbst wahrnehmen, durch welche der Randfaden an den Axenfaden des Schwanzes ange- heftet ist. Nach diesen Bildern bestehen hinsichtlich der Genese des Flossensaums, soweit ich sehe, zwei Möglichkeiten. Entweder könnte der Randfaden in ähnlicher Weise, wie vorher der Axen- faden, vom Mittelstück, bez. der vorderen Partie desselben aus- wachsen, und in demselben Maass, wie er sich am Axenfaden entlang herunterzieht, könnte sich zwischen ihm und dem Axen- faden die Membran ausspannen. Oder aber der Flossensaum könnte sich mit verdiektem, von dem Randfaden gebildetem Rande kammartig in ganzer Länge auf dem Axenfaden erheben. Ich bin nun der Ansicht, dass die Entwicklung auf letzterem Wege vor sich geht, und zwar deshalb, weil ich den Randfaden sofort in ganzer Länge neben dem Axenfaden liegen sehe. Zu dieser Ansicht stimmt es auch, dass die Entfernung zwischen Axen- und Randfaden, d. i. also die Breite des Flossen- saums, zuerst nur sehr gering ist, dann aber mehr und mehr zu- nimmt, bis der Flossensaum seine definitive Breite erreicht hat. Der Querschnitt des Axenfadens, welcher bis zum Anfang dieser Periode rund war, beginnt nach dem Auftreten des Flossen- saums sich allmählich hufeisenförmig umzugestalten. Sehr bald tritt ausserdem ein Längenwachsthum des Rand- fadens auf. Hieraus resultirt einmal, dass der freie Rand des Flossensaums sich in wellenförmige Biegungen legt, und zweitens, dass schliesslich der Randfaden den Axenfaden um eine Strecke weit überragt und das hinterste Ende des ganzen Samenfadens bildet. 128 Friedrich Meves: Mit dem Auftreten des Flossensaums ist nun der heran- wachsende Samenfaden, welcher bis dahin ein Radiärgebilde dar- stellte, bilateral-symmetrisch geworden ; diejenige Seite desselben, auf weleher sich der Flossensaum erhebt, will ich, wie gesagt, mit Özermak (7) als Rückenseite bezeiehnen. Ich bemerke noch besonders, dass bei allen Samenfäden eines Bündels die Randfäden auf denselben Seiten der Axenfäden gefunden werden, sodass die Medianebenen der Samenfäden eines Bündels einander sämmtlich parallel liegen. Bald nachdem der Flossensaum zuerst aufgetreten ist, be- ginnt auch die Bildung der sog. Hülle des Axenfadens. Dieselbe umgiebt am reifen Samenfaden den Axenfaden nicht vollständig, wie oben besprochen wurde, sondern ist ihm nur einseitig, auf der Bauchseite, aufgelagert. Sie wird in der Weise gebildet, dass Zellsubstanz sich an der Bauchseite des Axenfadens entlang gegen das untere Ende zu hinunterzieht. Dabei muss der Ring, welcher am hintern Ende der ganzen Samenzelle die Einfassung eines Loches in der Zellenwand bildet, nothwendiger Weise in seinem Verhalten alterirt werden. Er erfährt zunächst Formver- änderungen (Fig. 28—34) und schliesslich eine Theilung in zwei Hälften, indem die ventrale Hälfte des Ringes von der sich caudalwärts vorschiebenden Zellsubstanz mitgenommen wird (Fig. 35— 39). Im Einzelnen stellen sich die Vorgänge folgendermaassen dar. Der Ring zieht sich zunächst von dorsal- nach ventralwärts in die Länge und biegt sich dann um eine zur Medianebene senkrechte Axe so durch, dass die Concavität gegen den Kopf zu gerichtet ist. Fig. 28 zeigt den durchgebogenen Ring in der Seitenansicht, Fig. 29 in der Ansicht von der Rückenseite. Sieht man halb von vorn (bez. hinten) und halb von der Seite auf den Ring, so bekommt man beim Heben und Senken des Tubus eine im Ganzen &-förmige Figur zu Gesicht (Fig. 30). Der in dieser Weise umgestaltete Ring beginnt nun in einem nächsten Stadium sich mit seiner ventralen Umbiegungs- stelle vom Mittelstück zu entfernen, während die dorsale an Ort und Stelle liegen bleibt (Fig. 31). In Seitenansichten (Fig. 31) erkennt man, dass sich seine Krümmung dabei in der Weise ändert, dass jetzt an einer Stelle eine stärkere Einkniekung auftritt. Letztere liegt aber nicht in der Mitte der Längsseite, Ueber Strucetur und Histogenese der Samenfäden etc. 129 sondern etwas weiter ventralwärts, so dass der Ring in der Seitenansicht aus einem kürzeren Schenkel besteht, der mit dem Axenfaden einen Winkel von ungefähr 45° bildet, und einem längeren, der ihm nahezu parallel verläuft. Beide Schenkel gehen abgerundet in einander über. Weiterhin wird nun die grössere proximale Partie des Ringes noch einmal eingeknickt und zwar in der Weise, dass die Concavität der Einknieckung eaudalwärts sieht (Fig. 32—34). Der ganze Ring ist also jetzt pessarförmig umgestaltet, so» dass er in der Seitenansicht etwa S-förmig (bez. (Fig. 32) umgekehrt S-förmig) aussieht. Der zwischen den beiden Einkniekungsstellen gelegene mittlere Theil liegt dem Axenfaden ungefähr parallel; von den beiden Bügeln des Pessars ist der proximale auf der dor- salen, der distale auf der ventralen Seite des Axenfadens gelegen. Die Zellwand setzt nach wie vor an den Ring an, erstreckt sich also auf der ventralen Seite des Axenfadens weiter nach hinten. In einem nächsten Stadium reisst nun der in dieser Weise umgestaltete Ring in der Mitte durch. Von den beiden Hälften bleibt die dorsale an der Rücken- seite des Axenfadens an Ort und Stelle liegen. Ihre caudalwärts umgebogenen Enden sind dem Axenfaden angelagert. Sie bildet auf der Rückenseite des letzteren die Begrenzung eines Loches der Zellwand, durch welches hindurch sich der Rand- faden bis zur vordern Partie des Mittelstücks verfolgen lässt (Fig. 35--39). Die ventrale Ringhälfte dagegen beginnt mit der Zellsub- stanz zur Bildung der Mantelschicht an der Bauchseite des Axen- fadens entlang zu wandern, wobei ihre beiden freien, proximal- wärts umgebogenen Enden auf dem Axenfaden gleiten (Fig. 35 bis 39). Die Zellwand heftet sich dabei fest auf den Kanten, welche die (Anfangs noch flache) Rinne auf der dorsalen Seite des Axenfadens beiderseits einfassen. Die Ringhälfte erreicht aber nieht das Ende des Axenfadens, sondern bleibt vorher liegen an einer Stelle, welche die Grenze zwischen Hauptstück und Endstück des Schwanzes bezeichnet!) (Fig. 48). Zu dieser Auflagerung auf der Bauchseite des Axenfadens 1) An Samenfäden, die aus dem Vas deferens entnommen waren, habe ich sie allerdings an dieser Stelle (Fig. 48) bisher nicht nachweisen können. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 9 130 Friedrich Meves. wird allmählich die Zellsubstanz um den Kopf herum verbraucht, in Folge dessen sich die äussere Zellwand im Bereich des Kopfes der Oberfläche des letzteren immer mehr nähert, um sich schliess- lich ihr fest anzulegen (Fig. 39—44). Zuweilen bleibt jedoch noch an einer Stelle ein grösserer Haufen von Zellsubstanz liegen, welcher dann eine halbkugelige Hervorragung am Samenfadenkopf bildet. Der Samenfaden ist nunmehr fertig bis auf die von mir sog. hintere Partie des Mittelstücks, welche aus der liegen ge- bliebenen dorsalen Ringhälfte hervorgeht in einer Weise, deren Sinn mir bisher noch dunkel geblieben ist. Wenn man bei Seitenansichten von Samenfäden aus dem Februar oder März, bei welchen die Bildung der sog. Mantel- schicht meistens nahezu beendet ist, auf die Medianebene ein- stellt (Fig. 41), so kann man am hintern Ende der „vordern Partie des Mittelstücks“ auf der Rückseite des Axenfadens ausser dem optischen Querschnitt der von früher bekannten Ringspange vorn und innen von diesem einen zweiten kleinern Punkt wahrnehmen. Beim Heben und Senken des Tubus erkennt man dann, dass dieser letztere Punkt den optischen Querschnitt einer zweiten kleineren Ringspange darstellt, deren Enden ebenfalls am Axen- faden liegen (Fig. 42). Der erste Halbring bildet nach wie vor die Begrenzung eines auf der dorsalen Seite des Axenfadens ge- legenen Looches in der Zellwand, während der zweite, neu hinzu- sekommene innerhalb der Zellsubstanz gelegen ist. Was die Entstehung dieses zweiten Halbrings anlangt, so spaltet er sich von dem ersten ab, und zwar anf dessen unterer und innerer Seite (Fig. 40). Zuerst laufen beide Reifen zusam- men, später sind sie durch einen kleinen Zwischenraum von ein- ander getrennt. Noch vordem diese Verdoppelung der dorsalen Ringhälfte eintritt, haben Veränderungen am hintern Ende der „vordern Partie des Mittelstücks“ begonnen, die ebenfalls mit der Bildung der „hintern Partie des Mittelstücks* in Zusammen- hang stehen. Bereits auf denjenigen Stadien, auf welchen die Zellsubstanz anfängt sich am Axenfaden herunterzuschieben, sieht man (Fig. 28, 32) einen hellen Zwischenraum zwischen Axenfaden und vorderer Partie des Mittelstücks auftreten. Diese Erscheinung Ueber Struetur und Histogenese der Samenfäden ete. 131 rührt daher, dass am hintern Ende der letzteren, am Ursprung des Axenfadens beginnend, eine Art Einschmelzungsprocess auf- tritt, in Folge dessen dieses Ende mit Eisenhämatoxylin nicht mehr färbbar ist oder wenigstens bei Differenzirung den Farb- stoff leicht abgiebt. Später geht der Process stärker vor sich an Theilen des Hinterendes, die von der Axe des Samenfadens ent- fernt liegen, so dass bald am Hinterende ein Zapfen vorragt in einer Weise, wie es die Figg. 35—42 zeigen; und zwar reicht die Einschmelzung auf der dorsalen Seite weiter nach vorn als auf der ventralen. Nachdem schliesslich auch der Zapfen geschwunden ist, ist die vordere Partie des Mittelstücks an ihrem hintern Ende in der Weise von vorn und dorsal nach hinten und ventral abge- schrägt, wie ich es bereits oben bei der Schilderung des reifen Samenfadens beschrieben habe. Auf das in dieser Weise abgeschrägte hintere Ende der vordern Mittelstückspartie lagert sich nun zunächst die zweite, abgespaltene Ringhälfte auf, indem sie sich gegen den Kopf zu vorschiebt; die andere Ringhälfte bleibt zunächst noch daneben liegen (Fig. 45); Bilder wie dieses sind in Hoden aus dem Juni und Juli zahlreich zu finden. Später schiebt sich auch die andere Ringhälfte proximal- wärts vor; beide Ringhälften verschmelzen und bilden auf diese Weise die hintere, kleinere Partie des Mittelstücks (Fig. 44, 45). Der reife Samenfaden des Salamanders stellt eine voll- ständige umgewandelte Zelle dar, deren Kern im Kopf, deren Cytoplasma im Sehwanzfaden, deren Sphärensubstanz im Spiess enthalten ist. Von den beiden Centralkörpern der Spermatide ist der eine zur grössern vordern Partie des Mittelstücks heran- gewachsen; der andere Centralkörper ist zur Hälfte in die Bil- dung der kleinern hintern Partie des Mittelstücks aufgegangen ; die zweite Hälfte dagegen ist an der Spitze der Zellsubstanz am Axenfaden bis zur Grenze zwischen Hauptstück und Endstück des Schwanzes entlang gewandert. Eine Abstossung von irgend- welchen Theilen der Spermatide hat im Laufe ihrer Entwieklung zum Samenfaden nicht stattgefunden. Was die zeitlichen Verhältnisse des Entwicklungsprocesses anlangt, so zieht sich derselbe über ein ganzes Jahr hin. Er beginnt nach Ablauf der zweiten Reifungstheilung im Juli oder 133 Friedrich Meves: August des einen Jahres und dauert mindestens bis Ende Juli des folgenden Jahres. Wenn das Sperma reif ist, wird es meistens sofort in die Ausführungsgänge befördert, wo es auf weitere Verwendung wartet. Bei der vorliegenden Untersuchung kam es mir vor Allem darauf an, über die Verwendung der Centralkörper und der Sphäre beim Aufbau des Samenfadens Aufschluss zu bekommen. Dass eine Beziehung zwischen Mittelstüick und Central- körper vorhanden ist, stand auf Grund des Verhaltens des Samen- fadens im befruchteten Ei schon seit Langem fest. In allen bisher untersuchten sehr zahlreichen Fällen war nämlich beobachtet worden, dass, nachdem der Samenfaden ins Ei eingedrungen ist, eine Strahlung um das Mittelstück desselben sich entwickelt. Man hat daraus geschlossen, dass das Mittel- stück den Centralkörper in sich birgt. Meine Beobachtungen zeigen dagegen, dass derjenige Theil des Samenfadens, welchen man bei Salamandra als Mittelstück bezeichnet, ganz aus Centralkörper- substanz gebildet wird. Speziell bei Amphibien hat zuerst Fiek (9) die Entstehung einer Plasmastrahlung „aus“ dem Verbindungs- oder Mittelstück des eingedrungenen Samenfadens beobachtet. Er hat ausserdem gezeigt, dass letzteres sich bei Anwendung der Eisenhämatoxylinmethode inten- siv schwarz färbt, also dieselbe Reaction giebt wie die Centralkörper der Zellen. Er fand es aber höchst unwahrscheinlich, dass das ganze Verbindungsstück ein etwa in die Länge gezogenes Centrosoma dar- stellen sollte, da es viel zu gross dafür sei, und versuchte deshalb, durch weitere Differenzirung zur Darstellung feinerer Details im Ver- bindungsstück, etwa eines oder mehrerer Centrosomen zu gelangen, ein Versuch, der resultatlos bleiben musste, weil, wie wir gesehen haben, thatsächlich das ganze Mittelstück aus Centralkörpersubstanz besteht. Während also, wie gesagt, alle Beobachtungen über das Verhalten des Samenfadens im befruchteten Ei auf das Mittel- stück als Sitz der Centralkörper hinweisen, sind dagegen sämt- liche Autoren, welche die Histogenese der Samenfäden unter Berücksichtigung der Centralkörper untersucht haben, mit einer einzigen Ausnahme zu dem Ergebniss gelangt, dass die Central- körper an das vordere Kopfende des Samenfadens treten. Nur Wileox (22) ist bisher beim Studium der Spermatogenese einer Ueber Struetur und Histiogenese der Samenfäden etc. 133 Heuschrecke, Caloptenus, zu dem Resultat gekommen, dass hier ein Körper, von welchem er nach Lage, Färbbarkeit und Grösse glaubt, dass es sich um ein Centrosom handelt, in das Mittelstück aufgeht. Betrachten wir zunächst die Angaben, welche über das Verhalten von Sphäre und Centralkörpern bei Wirbelthieren vor- liegen! Hinsichtlich des Schieksals der Sphäre haben Benda (3, 4), Moore (18) und C. Niessing (15) unter einander der Hauptsache nach übereinstimmende Beschreibungen gegeben, die auch mit meinen Befunden bei Salamandra durchaus im Einklang stehen. Ueber die Verwendung der Centralkörper da- gegen liegen Angaben von Moore (18, 19), Bühler (6) und C. Niessing (15) vor, die unter einander stark differiren und mit den von mir bei Salamandra gewonnenen Resultaten nicht übereinstimmen. Benda hat (3) 1891) bei Säugethieren zuerst festgestellt, dass die Sphärensubstanz Kopfkappe und Spitzenknopf aus sich hervor- gehen lässt. In den Spermatiden sondert sich das Archiplasma in zwei Be- standtheile.. Der eine blasser und homogen färbbare geht mit dem Zellleib der Spermatide zu Grunde. Der andere dagegen betheiligt sich beim Aufbau des Spermatozoons. Er erscheint zuerst als zart- wandige Vacuole, die einen bei vielen Säugern kornartigen, beim Meerschweinchen einen fast die ganze Vacuole erfüllenden stark färb- baren Körper enthält. Er stellt sich an den proximalen Pol des Spermatidenkerns und wandelt sich in die Kopfkappe, das Korn in den Spitzenknopf des Spermatozoons um. Ein von Benda als „chromatoider Nebenkörper“ bezeichnetes Gebilde, welches nach ihm den von Hermann sog. chromatischen Bestandtheilen des Nebenkerns bei Salamandra (Stäbchen und Ring) entspricht, kommt bereits in den Spermatocyten zur Beobachtung. Da dasselbe aber neben Centrosomen vorkommen kann und durch- aus keine konstanten Beziehungen zum Archiplasma erkennen lässt, ist seine Herleitung aus diesem ZelltheilnachBenda unsicher, und ist viel- leicht in Betrachtzu ziehen, ob es sich um ein vom Kern isolirtes Chro- mosom handeln könnte. Während nun dieser chromatoide Neben- körper in den Spermatocyten einfach gebaut ist, lässt er bei den Spermatiden eine komplieirtere Natur erkennen; er besteht hier, wie beim Salamander, aus zwei Bestandtheilen, von denen der eine grössere bei vielen der untersuchten Species (auch beim Menschen) ringförmig ist. Letzterer steht zum Spiralfaden des Verbindungsstücks in Be- ziehung, während der andere Theil des Nebenkörpers zum Endknopf des Axenfadens zu werden scheint, 134 Friedrich Meves: Bei Sauropsiden konnte Benda (4) die Entstehung der Kopf- kappe auf die Verhältnisse bei Säugethieren zurückführen. Der chromatoide Nebenkörper tritt zuerst als ein extrem kleines Pünktchen auf, welches sich an den distalen Kernpol begiebt. An diesem er- scheint später der Geisselfaden, „und es ist zu erkennen, dass die Hauptmasse des chromatoiden Nebenkörpers seitlich von dem Ansatz des Geisselfadens gelagert ist und jetzt als kurzes Stäbchen erscheint. Dass ein besonderer Theil als Endknopf der Geissel abgespalten wird, ist hier nicht zu erkennen, sondern nur aus der Analogie zu ver- muthen; jedenfalls ist das stäbchenförmige Gebilde nur mit dem Ring- theil des Nebenkörpers in Analogie zu bringen.“ Die Entstehung der „Vacuole* und des „färbbaren Korns“ (Benda) aus der Sphärensubstanz ist dann zuerst von Moore (18) ge- nauer beschrieben worden. Moore schildert bei Säugethieren, dass sich das Archoplasma der Spermatide zuerst mit kleinen hellen Bläs- chen (archoplasmie vesicles) anfüllt. Im Centrum jedes Bläschens tritt ein kleines dunkles Kügelchen (archosom) auf. Diese Bläschen ver- schmelzen nun unter einander und ebenso verschmelzen auch die Archosomen. Auf diese Weise entsteht ein einziges grosses Bläschen und ein einziges grosses Archosom. Eine undifferenzirte Portion von Archoplasma (residual archoplasm) bleibt an der Aussenseite des Archoplasmabläschens liegen. Das Archosom wird nun dem Kopfende des Spermatozoons an- gelagert und bildet, nach Moore allein, die Kopfkappe; das „residual archoplasm“ wird mit der degenerirenden Zellsubstanz abgestossen. Ueber das Schicksal der Centralkörper macht Moore folgende Angaben. Centralkörper treten in der Spermatide auf, wenn der Kern beginnt sich in die Länge zu strecken, nachdem sie bereits vor- her bald nach Ablauf der letzten Spermatocytentheilung sichtbar ge- wesen, dann aber wieder verschwunden waren. Sie lagern sich an die Basis des Axenfadens und verschmelzen hier zu einer einheitlichen Masse zusammen mit einem kleinen Körperchen, welches den Aus- gangspunkt des Axenfadens bildet (cercosom), und einem Chromatin- körper, der auf Kosten von eliminirtem Kernchromatin entstanden ist. In einem nächsten Stadium findet ein plötzlicher Schwund des Chroma- tinkörpers statt, dessen Substanz wieder in den Kern aufgenommen wird. Man sieht jezt den Axenfaden wieder zu seiner Insertion am Cercosom verlaufen und ferner nahe seiner Insertionsstelle zwei kleine Körperchen, je eines auf jeder Seite des Axenfadens, welche nach Moore die Centralkörper darstellen. Weiterhin werden die Centralkörper dislocirt und schliesslich dem Samenfadenkopf so eng angelagert, dass es unmöglich ist, ihr ferneres Verhalten zu ver- folgen. In einer zweiten Arbeit über Spermatogenese bei Elasmobran- chiern (19) beschreibt Moore, dass nach Ablauf der zweiten Rei- fungstheilung die Archoplasmen über die Oberfläche des Kerns ent- lang einer Furche äquatorialwärts wandern. Wenn sie einen Punkt Ueber Structur und Histogenese der Samenfäden ete. 135 mitten zwischen der polaren und äquatorialen Kernoberfläche er- reicht haben, bewegen sie sich von der Kernmembran fort gegen die Zellperipherie zu. Die Centralkörper treten an die Oberfläche des Archoplasmas, und von diesem aus wächst die Anlage des Schwanzes als ein feiner Faden aus der Zelle heraus. Am Ursprungspunkt dieses Fadens tritt weiterhin im Archo- plasma ein klares rundes Bläschen auf, welches grösser wird und sich mit dem umgebenden Archoplasma und den Centralkörpern dem Kern anlagert. In der Folge wandert nun der Anheftungspunkt des Schwanz- fadens, während Archoplasmabläschen und Centralkörper an Ort und Stelle liegen bleiben, fort, an der Kernoberfläche entlang, bis er dem Archoplasmabläschen gegenüber zu liegen kommt. Aus dem letzteren geht die Kopfkappe des Samenfadens hervor. Die Centralkörper gehen entweder unter oder werden, wenn sie in die Kopfkappe über- gehen, jedenfalls ununterscheidbar. Bühler (6) giebt an, dass bei Bufo ein kleines Kügelchen, welches er für einen Centralkörper hält, durch einfaches Längenwachs- thum zum Schwanz mit seinen beiden Randfäden sich entwickelt. Das Mittelstück soll aus dem Chromatin, der Spiess aus der Membran des Kernes hervorgehen. Die von C. Niessing (15) gegebene Darstellung stimmt hin- sichtlich des Verhaltens der Sphäre mit der Benda-Moore’'schen der Hauptsache nach überein, unterscheidet sich jedoch von dieser dadurch, dass nach Niessing ausser Bestandtheilen der Sphäre auch die Centralkörper in die Kopfkappe und zwar in den Spitzen- knopf aufgenommen werden. Die Spermatiden des Meerschweinchens enthalten eine Sphäre, in deren Innern nach Niessing 2—3 Centralkörper nachweisbar sind. Aus den Microsomen der Sphäre entstehen grössere, runde, dunkel und scharf gefärbte Kügelchen. In derselben Weise verändern sich auch die Centralkörper; anstatt mehrerer Centralkörper ist nur noch ein einziges den veränderten Microsomen gleichendes Kügelchen vorhanden. Welches Kügelchen aus der Centralkörpergruppe hervor- gegangen ist, ist später nicht mehr zu entscheiden. Weiterhin nehmen die Kügelchen an Zahl ab und vereinigen sich durch Verschmelzung mit einander zu wenigen grösseren, welche sich innerhalb der Sphäre jedes mit einem glashellen, kugelschalenartigen Körper umgeben. Durch weitere Verschmelzung der Kügelchen entsteht ein ein- ziges Korn, „Mitosom“ von Niessing genannt, offenbar dem „färb- baren Korn“ Benda’s und dem Archosom Moore’s entsprechend, welches von einem einzigen glashellen Körper umgeben ist. Aus dem glashellen Körper geht die Kopfkappe, aus dem Mitosom der Spitzenknopf hervor; in letzterem sind nach Niessing die Central- körper enthalten. C. Niessing’s Angaben über die Verwendung der Cen- tralkörper beim Aufbau der Säugethierspermatosomen kann ich 136 Friedrich Meves: ebensowenig wie diejenigen Moore’s für richtig halten. Ich bin vielmehr mit Hermann (14) der Meinung, dass die Cen- tralkörper bei Säugethieren im sog. Endknöpfehen des Axen- fadens enthalten sind, welches ich, wie auch Hermann, als gleichwerthig mit dem Mittelstück bei Salamandra betrachte. Hermann ist zu diesem Resultat im Hinblick auf die Beob- achtungen Fick’s gekommen, und, weil er (13) in den Spermatiden der Maus ebenso wie in denen des Salamanders einen Nebenkern ge- funden hat, der sich aus einem nicht färbbaren Element und einem Kügelchen, welches Farbstoff annimmt, zusammensetzt. Von letzterem beschreibt er, dass es mit dem sich umbildenden Spermatidenkern in Verbindung tritt, „um dann am relativ ausgereiften Samenkörper den Anfangstheil des Axenfadens, das sog. Endknöpfchen zu bilden“. Die Richtigkeit der von Hermann bei der Maus beschrie- benen Beobachtungen, auf welche hin er zu obigem Ergebniss ge- langt ist, wird allerdings von C. Niessing (15) bestritten. Es hat aber auch Benda (3) bereits oben eitirte Befunde mitgetheilt, nach welchen in den Spermatiden von Säugethieren ein sog. chromatoider Nebenkörper vorhanden ist, der ebenso wie bei Salamandra aus zwei Bestandtheilen besteht, von welchen der eine zum Spiralfaden des Verbindungsstücks in Beziehung steht, „während der andere Theil des Nebenkörpers zum End- knopf des Axenfadens zu werden scheint“ !). Bei wirbellosen Thieren liegen über die Verwendung des von v. la Valette St. George entdeckten sog. Nebenkerns beim Aufbau der Samenfäden zahlreiche unter einander diffe- rirende Angaben vor, von deren Aufführung ich absehen möchte. Ueber das Schicksal der Centralkörper haben meines Wissens bisher nur Platner (20), Field (10) und Wilcox (22) Be- obachtungen ?) mitgetheilt. 1) Ich selbst habe bei der Ratte die weitern Schicksale der Cen- tralkörper, welche ich hier in jungen Spermatiden in der gleichen Lage wie in Fig. 3, 4 unmittelbar unter der Zelloberfiäche auffand (vgl. pag. 16, Anm. 1), bisher noch nicht genauer verfolgen können, so dass ich über die Beziehung der Centralkörper zum chromatoiden Nebenkörper Benda’s auf Grund eigener Beobachtung keine Auskunft zu geben vermag. Ich hoffe jedoch, über diese Verhältnisse binnen Kurzem Mittheilung machen zu können. 2) In der Arbeit von Calkins: The Spermatogenesis of Lum- brieus (Journal of Morphology, vol, II, 1895) ist nicht von den Central- Ueber Structur und Histogenese der Samenfäden etc. 137 Platner (20) fand in den Spermatiden von Lepidopteren (Pygaera bucephala und Sphinx Euphorbiae) ein Centrosom, welches kurz nach Ablauf der letzten Spermatocytentheilung noch von einer Strahlung umgeben ist, und ferner zwei Gebilde, welche aus den Spindelfasern hervorgegangen sind und als grosses und kleines „Mito- soma“ unterschieden werden. Bei der Umwandlung in Samenfäden lagert sich das Centrosoma an die Spitze des Kopfes, während die Mitosomen eine Umhüllung um den Axenfaden bilden. Ebenfalls bei Echinodermen lagert sich nach G. W. Field (10) das Centrosom an das vordere Kopfende, während der Nebenkern in das Mittelstück übergeht. Wileox (22) ist, wie gesagt, bisher der einzige gewesen, welcher eine Beziehung zwischen Centralkörper und Mittelstück auf Grund spermatogenetischer Untersuchung behauptet hat. In den Sper- matiden von Caloptenus femur-rubrum fand er ausser einem aus den Spindelfasern der letzten Reifungstheilung hervorgegangenen Neben- kern einen Körper, welehen er nach Lage, Färbbarkeit und Grösse für ein Centrosom hält. Beide Gebilde liegen zuerst an entgegenge- setzten Seiten des Kerns; das Centrosom wandert dann aber um den Kern herum und lagert sich zwischen ihm und dem Nebenkern an die Kernmembran an. Weiterhin streckt es sich zur Bildung des Mittelstücks in die Länge, während der Nebenkern den Axenfaden des Schwanzes aus sich hervorgehen lässt. Untersuchungsmethode. Die Untersuchungsmethode war die bereits bei einer früheren Arbeit für das Studium der Spermatoeyten angewandte: Fixirung der Hoden mit dem Hermann’schen Osmiumgemisch, in wel- chem sie meistens ein bis zwei Monate belassen wurden; ein Theil wurde dann, nach dem Auswaschen in fliessendem Wasser, noch in toto mit rohem Holzessig weiter behandelt. Einbettung in Paraffın. Aufkleben der (6—10 u dieken) Schnitte mit Eiweiss, kombimirt mit Wasser. Färbung nach der Eisenhämatoxylin- methode von M. Heidenhain, welche ich neuerdings in der Weise anwandte, dass die Schnitte sowohl in dem schwefelsauren Eisenammonoxyd als auch in dem wässerigen Hämatoxylin je 24 Stunden verblieben. Für einige Zwecke erwies sich eine Nach- färbung mit Fuchsin als vortheilhatt. körpern, sondern nur vom Archoplasma die Rede, welches nach Cal- kins das Mittelstück des Spermatozoon bildet. 138 Friedrich Meves: Für das Studium von reifen Sperma (aus dem Vas deferens) verwandte ich ausserdem Ausstrichpräparate, die in 1°/,iger Os- miumsäure fixirt und in Alaunfuchsin oder Gentiana 24 Stunden lang gefärbt wurden. Ueber das Verhalten der kleinern hintern Partie des Mittelstücks bei diesen Färbungen vergl. Text pag. 112; die Mantelschicht des Schwanzes erhielt ich zuweilen farblos (Fig. 45, 46), zuweilen mitgefärbt (Fig. 48). Literaturverzeichniss). 1. Ballowitz, E., Untersuchungen über die Structur der Sperma- tozoen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 36, 1890. 2. Derselbe, Fibrilläre Structur und Contraktilität. Arch. f. Physiol. Bd. 46, 1890. 3. Benda, C., Neue Mittheilungen über die Entwickelung der Geni- taldrüsen und über die Metamorphose der Samenzellen. Verh. d. physiol. Ges. zu Berlin 1891/92, Nr. 4 u. 5. 4. Derselbe, Ueber die Histiogenese des Sauropsidenspermatozoons. Verh. d. anat. Ges. Wien 1892. 5. v. Brunn, A., Beiträge zur Kenntniss der Samenkörper und ihrer Entwicklung bei Säugethieren und Vögeln. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 23, 1884. 6. Bühler, Spermatogenese bei Bufo vulgaris. Verh. d. anat. Ges. Basel 189. 7. Czermak, J.N., Ueber die Spermatozoiden von Salamandra atra. Ein Beitrag zur Kenntniss der festen Formbestandtheile im Samen der Molche. Gesammelte Schriften, Bd. I. Leipzig 1879. 8 Eimer, Th., Untersuchungen über den Bau und die Bewegung der Samenfäden. Verh. d. physik.-mediz. Ges. Würzburg, N. F., Bd. VI, 1874. 9. Fick, R., Ueber die Reifung und Befruchtung des Axolotleies. Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Bd. 56, 1893. 10. Field, G. W., Echinoderm Spermatogenesis, Anatomischer Anz. Jahrg. 9, 1893. 11. Flemming, W., Weitere Beobachtungen über die Entwickelung der Spermatosomen bei Salamandra maculosa. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 31, 1887. 12. Derselbe, Neue Beiträge zur Kenntniss der Zelle. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 37, 1891. 1) Es sind nur diejenigen Arbeiten aufgenommen worden, auf welche im Text verwiesen ist, Ueber Structur und Histogenese der Samenfäden ete. 139 13. Hermann, Fr. Beiträge zur Histologie des Hodens. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 34, 1889. 14. Derselbe, Urogenitalsystem. Ergeb. d. Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. 2, 1892. 15. Niessing, C., Die Betheiligung von Centralkörper und Sphäre am Aufbau des Samenfadens bei Säugethieren. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 48, 1896. 16. Meves, Fr., Ueber die Entwicklung der männlichen Geschlechts- zellen von Salamandra maculosa. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 48, 189%. 17. Derselbe, Ueber Structur und Histiogenese der Samenfäden von Salamandra maculosa (Vortrag, gehalten im physiologischen, Verein zu Kiel am 8. Februar 1897). Mittheilungen f. d. Ver. Schlesw.- Holst. Aerzte, Jahrg. V., Nr. 5. 1897). 18. Moore, J. E. S., Some Points in the Spermatogenesis of Mam- malia. Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol., Bd. II, 1894. 19. Derselbe, On the Structural Changes in the Reproduktive Cells during the Spermatogenesis of Elasmobranchs. Quart. Journ. of microse. sc. vol. 38, 189. 20. Platner, G., Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilung. V. Samenbildung und Zelltheilung im Hoden der Schmetterlinge. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 33, 1889. 21. Retzius, G., Zur Kenntniss der Spermatozoen. Biologische Unter- suchungen. Jahrg. 1881. 22. Wilcox, E. V., Further Studies on the Spermatogenesis of Calop- tenus femur-rubrum. Bull. of. the Museum of Comparative Zoology at Harvard College, vol. 29, 1896. Erklärung der: Figuren auf Tafel VII u. VI. Sämmtliche Figuren sind mit Zeiss’ Apochromat 2mm (Apert. 1,40) und Ocular 12 (Tubuslänge 16 cm, Projection auf Objekttischhöhe) unter Benutzung des Abbe’schen Zeichenapparates entworfen. Fig. 1—44 sämmtlich nach Präparaten, die mit dem Hermann- schen Osmiumgemisch fixirt und nach der Eisenhämatoxylinmethode von M. Heidenhain gefärbt sind. Die Präparate, nach denen die Figg. 29, 30 und 34 gezeichnet sind, sind mit Alaunfuchsin nachgefärbt. Fig. 1. Eine Tochterzelle der zweiten homoeotypisch verlaufenden Reifungstheilung. Centralkörper, von Strahlung umgeben, oberhalb der ursprünglichen Polstelle gelegen. Fig. 2—43. Histogenese der Samenfäden. g. 2—14. Erste Entwicklungsperiode. Zellen .centraler Partien des Hodens. Juli oder erste Hälfte des August. 1) Enthält eine vorläufige Mittheilung über den Inhalt der vor- liegenden Arbeit. W 10: . 15. Friedrich Meves: Zwei Tochterzellen der zweiten Reifungstheilung nach Ab- schluss der Telophase. Centralkörper in der linken Tochter- zelle stark, in der rechten nur wenig gegen die neugebildete Zellwand zu verschoben; unmittelbar unter der Zelloberfläche gelegen, so, dass ihre Verbindungslinie senkrecht zu dieser steht. Zwischen Centralkörpern und Kern Ballen von Sphärensubstanz. 4. Axenfaden von dem peripheren Centralkörper auswachsend. In 3 Vacuolen in der Sphärensubstanz sichtbar; in 4 leichte Einziehung der Zelloberfläche an der Stelle, wo ihr der mehr periphere der beiden Centralkörper anliegt. . 5, 6, 7. Centralkörper gegen das Centrum der Zelle zu verlagert. Einstülpung der Zelloberfläche. Axenfaden nur in 7 wahr- nehmbar. Text pag 117. In 6 Vacuolen in der Sphärensubstanz. 9. Der mehr periphere der beiden Centralkörper zu einem kleinen Scheibcehen, dessen Fläche senkrecht zur Längsaxe der Einstülpung gelegen ist, der mehr centrale in 9 zu einem kur- zen Stäbchen herangewachsen. Vacuolenin der Sphärensubstanz. Das Scheibchen (Fig. 8, 9) ringförmig geworden. Unter den Vacuolen der Sphärensubstanz ist eine grössere aufgetreten. . 11—14. Weitere Entwicklungsstadien von Stäbchen und Ring Das Stäbchen (in 11—13 mehr von den Enden, in 14 von der Seite gesehen) lässt in 14 Zusammensetzung aus zwei Parallel- stäben erkennen. In Fig. 11 wird die Sphärensubstanz von Stäbchen und Ring verdeckt und ist deshalb nicht. mitge- zeichnet. Fig. 12—14 Sphärenbläschen mehr und ınehr heran- wachsend; Rest von Sphärensubstanz ist ihm lunulaartig an- gelagert. Einstülpung der Zelloberfläche, an deren Spitze der Ring liegt, nicht (Fig. 14) oder nur theilweise Fig. 12, 15) zu erkennen. In Fig. 12 Zellwand in mehrere spitz endigende Fortsätze ausgezogen. ‚. 15— 27. Zweite Entwicklungsperiode des Samenfadens. Mitte August bis Mitte September. . 15—20. Zellen mit starker Osmiumwirkung aus den peripheren Partien des Hodens. Das Sphärenbläschen hat sich von Stäbchen und Ring ent- fernt und sich in einer Delle dem Kern angelagert. . 16—20. In die Länge wachsende Spermatiden. Stäbchenförmiger Körper in den Kern eindringend. Sphärenbläschen durch die Zellwand durchtretend. Text pag. 120—125. In Fig. 20 Ring- querschnitt kommaförmig. . 21—23. Hintere Enden der stark in die Länge gewachsenen Samenzellen. Der in den Kern eingedrungene Centralkörper ist in Fig. 21 zu einer grossen Kugel, in Fig. 22 zu einem kürzeren, in Fig. 23 zu einem längern cylinderförmigen Körper von der Grösse des Mittelstücks des reifen Samen- fadens herangewachsen. Ringquerschnitt in Fig. 21, 22 komma- förmig, in Fig. 23 halbmondförmig gestaltet. ig. 31. ig. 46. ig. 47. ig. 29. . 30. 3% g. 40—42. Dorsale Ringspange gespalten. In Fig. 40 beide Spalt- . 43. . 48. „49, Ueber Structur und Histogenese der Samenfäden etc. 141 '. 24—27. Verschiedene weitere Entwicklungsstadien des Sphären- bläschens. Text pag. 125—126. . 28-49. Dritte Entwicklungsperiode bis zur Reife des Samenfadens. 28 g. 28. Ring von ventral nach dorsal in die Länge gezogen und so durchgebogen, dass die Concavität nach vorn sieht. Rand- faden des Flossensaums. Anfang September. Gleiches Stadium, wie Fig. 28, in der Ansicht von dorsal, bei Einstellung auf den dorsalen Theil des Ringes. Gleiches Stadium wie Fig. 28, halb von der Seite, halb von ventral gesehen; bei wechselnder Einstellung gezeichnet. Die ventrale Umbiegungsstelle des Ringes (Fig. 28) haf sich von der „vordern Parthie des Mittelstücks“ entfernt, während die dorsale an Ort und Stelle liegen geblieben ist. . 32—34. Ring pessarförmig umgestaltet. Fig. 32 in der Seitenan- sicht; Fig. 33 in der Ansicht von dorsal; Fig. 34 halb von der Seite, halb von dorsal gesehen. Septemberhoden. . 35—838. Ring in eine dorsale und eine ventrale Hälfte getheilt; letztere mit der Zellsubstanz am Axenfaden entlang wandernd. Einschmelzungsprocess am hintern Ende der vordern Mittel- stückspartie. Sämmtlich Seitenansichten. Gleiches Stadium wie Fig. 38; Ansicht von der Rückenseite hälften noch dicht nebeneinander liegend; in Fig. 41 (Ein- stellung auf die Medianebene des Samenfadens) und 42 durch einen kleinen Zwischenraum getrennt. Märzhoden. Von den beiden Spalthälften der dorsalen Ringspange hat sich die eine dem hintern abgeschrägten Ende der vordern Mittelstückspartie aufgelagert, während die andere noch da- neben liegt. Julihoden. jo, 44—49. Reife Samenfäden. g. 44, 45. Vordere und hintere Partie des Mittelstücks. Fig. 44 aus einem Schnitt durch eine in Entleerung begriffene Cyste. Hermann’sches Gemisch, Eisenhämatoxylin. Fig. 45. Aus- strichpräparat von reifem Sperma aus dem Vas deferens. Osmiumsäure, Alaunfuchsin. Hintere kleinere Partie des Mittelstücks ungefärbt geblieben. Ausstrichpräparat. Osmiumsäure, Gentiana. Text pag. 112. Vorderes Kopfende; Spiess mit Widerhaken, Ausstrichpräparat. Osmiumsäure, Alaunfuchsin. Hinteres Schwanzende. Text pag. 112—113. Ausstrichprä- parat. Osmiumsäure, Alaunfuchsin. Mantelschicht mitgefärbt. Schwanzquerschnitt. Text pag. 114. Hermann’'sches Gemisch, Safranin. Aus einem Schnitt durch eine in Entleerung be- griffene Cyste. (Aus dem zoologischen Institute der Universität Czernowitz.) Die Nervenendigungen an den Tasthaaren von Säugethieren. Von Eugen Botezat. Hierzu Tafel IX und X. Die bedeutenden Schwierigkeiten, welche die Untersuchung der Nervenendigungen an den Tasthaaren der Säuger bereitet, bringen es mit sich, dass die diesbezüglichen Angaben in der Literatur reich an Widersprüchen sind. Selbst die Anwendung der neuen, so vollkommenen Methoden vermochte die Bauver- hältnisse jener Nervenendigungen nicht vollständig zu enthüllen. Die neuesten Arbeiten von Szymonowicz!) (14) und Ostrou- mow (10), welche unabhängig von einander ungefähr gleichzeitig ausgeführt wurden, sind auch nicht frei von Widersprüchen. Diese Umstände bestimmten mich, jene Nervenapparate einer erneuten Untersuchung zu unterziehen: den Ergebnissen derselben sind die folgenden Zeilen gewidmet. Ehe ich auf den Gegenstand selbst eingehe, sei es mir gestattet, einer angenehmen Pflicht nachkommend, Herrn Professor von Lendenfeld, in dessen Institute die Arbeit durchgeführt wurde und der mich durchweg mit Rath und That unterstützt hat, den herzlichsten Dank für seine Hilfe und Zuvorkommenheit auszusprechen. Methoden. Zuerst wandte ich Osmiumsäure und Flemmig’sches Ge- misch an, um mich genauer über den anatomischen Bau der Tasthaarbälge, namentlich den Verlauf der gröberen Nerven in denselben, zu orientiren. Die rasche Golgi’sche Methode führte zu keinem positiven Ergebniss, was ja in Anbetracht der Natur des Objeetes von vorneherein wahrscheinlich war. Aus- gezeichnete Dienste leisteten dagegen die Chlorgold-Ameisen- 1) Siehe die Literaturliste am Schlusse. Die Nervenendigungen an den Tasthaaren von Säugethieren. 143 säuremethoden nach Bonnet (3, p. 395) und Ranvier (12), sowie auch Combinationen dieser beiden. Der Tasthaarbalg wurde, vor dem Einlegen in die Reagentien, aus dem umgeben- den Gewebe sorgfältig herauspräparirt und ein Theil desselben weggeschnitten, so dass das Blut aus dem Blutsinus herausfliessen konnte. In der Ameisensäure wurden sie, je nachdem die eine oder die andere von jenen Methoden zur Anwendung kam, 15 bis 36 Stunden belassen. Die meisten tingirte ich noch mit Pikrokarmin in toto nach. Auch Schnitttinktionen mit verschiede- nen Farben, namentlich mit Anilinblau und Säurefuchsin gaben gute Resultate. Die so erhaltenen Ergebnisse, welche manches Neue zu Tage förderten, wurden dann mit Hilfe der Methylen- blaumethode nach Bethe (2) erprobt. Ich konnte feststellen, dass bei Thieren, welehe mit Chloroform oder Alkohol betäubt wurden, die Methylenblau-Färbung nicht so gute Resultate gab als bei frisch geschlachteten. Dasselbe gilt auch für die subeutane Injeetion und für die Gefässinjection.e Um an den Tasthaarbälgen frisch geschlachteter Thiere ein gutes Ergebniss zu erzielen, müssen dieselben sehr schnell herauspräparirt, aufge- schlitzt und in die Farblösung gebracht werden. Am besten ist es, nach dem Verfahren von Bethe (2), die aufgeschlitzten Haar- bälge auf einem Objeetträger mit geringen Mengen der (schwachen) Farbstofflösung zu behandeln, da der Luftzutritt die Tinetion in be- deutendem Maasse fördert. Nach meinen Erfahrungen muss ich mich, in Uebereinstimmung mit Ostroumow (10, p. 782), dahin aus- sprechen, dassdie Methylenblaumethode zur Zeit die einzige ist, welche über alle Details der Tasthaarinnervation sicheren Aufschluss giebt. Freilich bleiben auch bei Anwendung dieser Methode manche Theile des in Rede stehenden Nervenapparates ungefärbt. Hingegen muss ich der Meinung Ostroumow’s (10, p. 781), dass sich mit der Chlor- soldmethode die Nervenendigungen in den Tasthaarbälgen nicht genügend darstellen lassen, entgegentreten; in Wahrheit lassen sich mit der Goldmethode alle jene Theile demonstriren, welche durch das Methylenblau sichtbar gemacht werden, nur färbt das Gold so vieles andere auch, dass die Methylenblaumethode zur Controlle nöthig ist. Allerdings kann man die allzustarke Mit- färbung anderer Gewebetheile durch das Gold wieder entfernen, indem man die Schnitte nachträglich mit einer 0,25 °/, Cyan- kaliumlösung behandelt, sodann in Wasser auswäscht und mit 144 Eugen Botezat: Alkohol entwässert, doch kann man sich auch dabei nie ganz darauf verlassen, dass das Gold aus allen Gewebetheilen mit Ausnahme der nervösen sicher ganz entfernt wird. Bemerkungen über den Bau der Tasthaarbälge, die Inner- vation der Bälge gewöhnlicher Haare und die zu den Tast- haaren führenden Nerven. Ehe ich auf die Betrachtung des nervösen Terminalappa- rates in den Tasthaarbälgen eingehe, möchte ich Einiges über den Bau derselben und die Unterschiede zwischen ihnen und den Bälgen der gewöhnlichen Haare, sowie über die Innervation dieser Haarbälge im Allgemeinen bemerken. Eingehende Schilde- rungen dieser Verhältnisse geben Szymonowiez (14, p. 642 bis 644) und insbesondere Bonnet (3, p. 345 — 360). Der Balg des Tasthaares zerfällt in eine äussere und eine innere Lage, den äusseren Balg (Fig. 3, 5, 13 ab) und den inneren Balg (Fig. 3, 4, 5, 6, 7, 8,9, 10,7153713 17 ib). Zwischen beiden befindet sich der Blut-(Venen-)Sinus (Fig. 8, 4, 5, 6, 7, 8.9513, 14, 17.bs).' 'Schrä@”, verlanzenne Bindegewebs-(Spann)balken (Fig. 3, 4, 7, 8, 13, 17 db) stellen die Verbindung zwischen denselben her. Ueberdies hängen sie am Haartaschenhalse sowohl, als auch unterhalb der Papille zusammen. Bei manchen Thieren durchziehen die Bindege- websbalken nicht den ganzen Blutsinus, sondern nur seinen unteren Theil, und es bildet dann der innere Balg jenen, in den Sinus hineinragenden nicht allseitig geschlossenen Wulst (Fig. 3, 4, 9, 13 rw), welcher als Ringwulst oder schildförmiger Körper bekannt ist. Der balkenlose Sinustheil ist der Ringsinus (Fig. 3, 5, 9, 13 rs). Bei einigen Thieren, wie z. B. beim ‘Schwein, kommen sowohl gewöhnliche, ringsinuslose Tasthaare, als auch mit einem Ringwulst versehene vor (Fig. 4 rw). Innerhalb des inneren Balges liegt die „äussere Wurzelscheide* (Fig. 3, 4,3,6, 7, 8, 9, 10, 11,"12, 93514, 16,17 ao), deremtopbe1e Hälfte die „Wurzelscheidenanschwellung* bilde. Namentlich an Haarbälgen mit Ringsinus erkennt man sehr deutlich, dass diese aus einer oberen (Fig. 3, 4, 10, 11, 13, 14, 16 oa) und einer unteren (Fig. 3, 4, 9, 13, 17 wa) Auftreibung besteht. In der Regel ist die erstere, zuweilen aber, wie beim Schwein, die letztere grösser. Zwischen beiden Auftreibungen liegt eine Ver- Die Nervenendigungen an den Tasthaaren von Säugethieren. 145 engung oder Einschnürung (Fig. 3, 4, 9, 11, 13 so), welche vom Ringwulste, falls ein solcher vorhanden ist, umgeben wird. Zwischen der äusseren Wurzelscheide und dem inneren Balge liegt die Glashaut oder homogene Membran (Fig. 3, 4, 5, 6, 7,8, 9, 14, 15, 17 g). Dieselbe ist nicht überall gleich diek: an der oberen Scheidenanschwellung ist sie recht dünn und nimmt gegen die untere Scheidenanschwellung an Stärke zu, um dann nach abwärts hin allmählich wieder dünner zu werden. An Goldprä- paraten ist sie meist deutlich erkennbar. In ihrem unteren Thede er- scheint sie an solchen sehr granulös, während sie sich an Methylen- blaupräparaten nicht immer, oder wenigstens nicht überall deutlich abhebt. Letzteres trifft besonders dann zu, wenn keine Nachtinetion angewendet wurde. An die äussere schliesst sich nach Innen die innere Wurzelscheide (Fig. 3, 5, 6, @w) an. Letztere wird gegen das Haar zu von der Cutieula vaginae (Fig. 5, 6 cv) begrenzt. Ueber die Innervation der Bälge gewöhnlicher Haare liegen ziemlich viele Untersuchungen vor, von denen die durch Bonnet (3, p. 332— 345) ausgeführten die wichtigsten sind. Nach seinen Angaben werden die Bälge der gewöhnlichen Haare von Hautnerven aus innervirt, und ihr Perceptions- apparat besteht aus longitudinal verlaufenden Axeneylindern, welche in den Längsfalten der Glashaut einen „Terminalfasermantel“ bilden, dann aus eireulär über diesen verlaufenden nackten Axen- eylindern, welche in den Querfurchen der Glashaut liegen. Die ersteren enden lancettförmig verbreitert in gleichem Niveau an der Glashaut, die Art der Endigung der letzteren konnte Bonnet nicht genau ermitteln. Gelegentlich meiner Untersuchungen über die Nervenendi- gungen in den Tasthaarbälgen habe ich natürlich oft Gelegenheit gehabt auch die Innervation gewöhnlicher Haare zu beobachten, und ieh möchte mir erlauben, hier einige Bemerkungen über meine diesbezüglichen Befunde einzuschalten. Im Allgemeinen "bin ich mit den Angaben Bonnet’s einverstanden, glaube aber beobachtet zu haben, dass die eireulär verlaufenden Fasern seit- liche Anastomosen bilden, von denen frei endigende Fäserchen nach Innen abgehen. Vielleicht liegen sie innerhalb der Glas- haut, wozu ich bemerken muss, dass ich diese Membran in den Bälgen der gewöhnlichen Haare nieht habe demonstriren können. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 10 146 Eugen Botezat: Ganz entschieden muss ich dem folgenden Ausspruche Arnstein’s (10 p. 789) widersprechen: „An den kleinen Haaren der Mäuse- haut existiren nur diese von mir 1876 (1) beschriebenen Nerven- endigungen“ (die longitudinal verlaufenden Fasern). „Man findet aber schon hier einen rudimentären Nervenring, da die Nerven- fasern, um sich am Halse der Haartasche regelmässig zu ver- theilen, halbe Cirkeltouren beschreiben müssten.“ Ich muss her- vorheben, dass man an den Bälgen der gewöhnlichen Haare in der Regel gerade diese, superficiell gelegenen Fasern zu sehen be- kommt, welche im Gegensatze zu Arnstein s Angaben vollständige Cirkeltouren beschreiben, seltener hingegen dielongitudinal unterhalb derselben verlaufenden und lancettförmig endigenden (Fig. 1). Hinsichtlich der letzteren habe ich mehrmals die Beobachtung gemacht, dass sie aus myelinhaltigen Nervenfasern hervorgingen, welehe, aus der Tiefe kommend, an den Haarbalg herantraten. Wesentlich verschieden von jener der gewöhnlichen Haare ist die Innervation der Tasthaare. An der muskelfreien Seite des Haarbalges befindet sich ein starkes Nervenbündel, welches aus der Tiefe emporsteigend, sich in mehrere dünne Bündel (Fig. 13 n) theilt. Letztere durch- setzen in verschiedenen Höhen den äusseren Balg und gelangen zum geringeren Theile von der Seite her durch die Bindege- websbalken, welche bei den Ringsinus-Haarbälgen ein compakte- res, schwammiges Gewebe, den „spongiösen oder cavernösen Körper“ (Fig. 3, 6, T, 8, 13, 14, 17 sp) bilden, zum grös- seren Theile von unten her, direet in die innere Lage des Balges. Hier ordnen sie sich in zwei Zonen: eine tiefer (Fig. T, 13, 17 ni) und eine höher gelegene (Fig. 2, 3, 4, 5, 8, 9, 10, 115v13,°14, 15, 16,"17’%s)Y 'an.’ Die "Fasern "der’ "letzteren ziehen longitudinal nach aufwärts‘). Die meisten bilden an der Scheidenverengung sowohl, als auch an der oberen Schei- denanschwellung sehr feine Anastomosen, welche der Glas- haut zustreben; einige von ihnen laufen direet zu derselben hin. Die ersteren erstrecken sich über die Scheidenanschwellung hin- aus und endigen nach Ostroumow (10, p. 784) abgeplattet am Haartaschenhalse, nachdem sie sich zuvor gabelig verästelt haben. 1) Homologie mit den longitudinalen Fasern der gewöhnlichen Haare (?). Die Nervenendigungen an den Tasthaaren von Säugethieren. 147 Szymonowiecz macht hierüber keine Angaben. Ich beobachtete diese Endigungsweise an Methylenpräparaten am deutlichsten beim Schweine (Fig. 2). Die der tieferen Zone angehörenden Fasern verzweigen sich alsbald sehr reichlich und erzeugen durch Anastomosenbil- dung ein strauchartiges Gebilde (Fig. 3, 4, 6,7, 8, 9, 15, 1T nn), welches den unteren Theil der Wurzelscheide und die untere Scheidenanschwellung in Kelchform nmgiebt. Einzelne Fasern dieses tiefen Nervengeflechtes gelangen wohl auch an die öbere Scheidenanschwellung. Der Terminalapparat. In Bezug auf die Endigungsweise dieser Nerven liegen verschiedene Ansichten vor. Dietl (4, II) lässt sie alle im obe- ren Drittel, d.i. an der oberen Scheidenanschwellung, in „knopf- förmige oder oblonge Anschwellungen übergehen“. In seiner letzten Abhandlung (4, III) drückt er die Vermuthung aus, „dass die Nerven der Tasthaare auf welchem Wege immer im Epithel der äusseren Wurzelscheide enden“. Bonnet (3, p. 390) dagegen meint, dass die Fasern der superficiellen Lage in dem „einschichtigen Endknospenmantel* (diese „End- knospen“ sind mit den „Endknöpfen* Diet’s und den „Tast- zellen“ Merkel’s identisch) der Scheidenanschwellung und jene der tiefen Lage „in den einzelnen, zwischen den verzahnten Zellen des tiefer gelegenen Wurzelscheidentheils“ endigen. Nach Merkel (8,9) finden sich innerhalb der Glashaut dieselben Tast- zellen, wie in der äusseren Haut. Ranvier (11, 12) lässt die longitudinal verlaufenden Fasern in Tastmenisken („menisques taetiles“) endigen, beschreibt jedoch auch freie, abgeplattete En- digungen (en forme des spatule) an der Aussenseite der Glashaut. Noch Szymonowiez (13, 14) gelangen die Fasern der super- fieiellen Lage an die obere Scheidenanschwellung, durehbohren hier die Glashaut und endigen mit Tastmenisken in den Merkel- schen Tastzellen, die der tiefen Lage dagegen abgeflacht an der Glashaut. Ostroumow (10, p. 782) endlich theilt die Endi- gungen der Tasthaarnerven in hypolemmale und epilemmale ein. Erstere bilden Menisken, von denen nur einzelne unterhalb des Ringwulstes gefunden werden. Die meisten Nervenendigungen 148 Eugen Botezat: befinden sich nach diesem Forscher ausserhalb der Glashaut. Er unterscheidet gerade Terminalfasern, welche den Hals der Haar- tasche umgeben, baumförmige Endigungen in den Balken des ca- vernösen Gewebes und Endigungen im Venensinus und in der Papille. Abgeplattete Endigungen von Longitudinalfasern habe ich, wie erwähnt, beim Schweine und anderen Säugethieren gesehen. Ausserdem habe ich Nervenendigungen auch in der Papille — an Chlorgoldpräparaten vom Schweine — beobachtet. Ferner sah ich freie, inträpitheliale Endigungen, welche zum Theil Fortsetzungen der longitudinalen Fasern zu sein schienen, ebenfalls an Gold- präparaten vom Schwein und vom Reh. Feine Fasern in der Wand des Blutsinus habe ich wohl beobachtet, diese gehören aber, ebenso wie die in den Bindegewebsbalken vorkommenden, welche beidean Methylenblaupräparaten ungemein varieöserscheinen, nicht hierher, da sie nicht zum Tastvermögen der Sinushaare bei- tragen, sondern vermuthlich motorischer Natur sind. In wieweit die vorgeführten Ansichten den Ergebnissen meiner Untersuchungen entsprechen, soll aus dem Nachfolgenden ersichtlich werden. Zur Untersuchung verwendete ich folgende Thiere: Die weisse und die graue Maus, die Hauskatze, den Hund, das Schwein, das Kaninchen, den Hasen, das Reh, das Rind und die Ratte. Anfangs erhielt ich bei der weissen Maus fast genau die- selben Bilder, wie sie Szymonowiez (14, Taf. XXXIHI, XXXIV) veröffentlicht hat, so dass ich nicht im mindesten an der Richtig- keit seiner Angaben zweifelte. Als ich jedoch an Längsschnitten durch die Tasthaare der Katze die Wahrnehmung machte, dass die äussere Zellenlage des unteren Theiles und der unteren An- schwellung der Wurzelscheide der entsprechenden Zellenlage in der oberen Anschwellung vollkommen glich, stiegen Bedenken in mir auf, und in der That stellte sich’s nun heraus, dass die Tastmenisken nicht, wie Szymonowiez (13, p. 634; 14, p- 646 und 647) angegeben hatte, auf die obere An- schwellung beschränkt sind, sondern auch in der unteren Hälfte der Wurzelscheide vorkommen. Später beobachtete ich dasselbe auch bei anderen Thieren. Ferner erkannte ich, dass sehr feine, dem Plexus am unteren Theile der Wurzelscheide und der unteren Scheidenanschwellung ent- stammende Axencylinder dieGlashaut durchsetzen. Der Beweiss, dass Die Nervenendigungen an den Tasthaaren von Säugethieren. 149 die von mir entdeckten Gebilde in den unteren Partien der Wurzel- scheide, welehe ich für Tastmenisken hielt, auch wirklich sen- sorische Endapparate seien, wurde dadurch erbracht, dass es mir gelang, den direeten Zusammenhang dieser Gebilde mit den er- wähnten, ausserhalb der Glashaut verlaufenden Nervenfasern festzustellen (Fig. 4, 7, 13, 17 ef). Gewöhnlich durchbohren die zu diesen Menisken hinführenden Fasern die Glashaut in eiwas schiefer Richtung. Es zeigte sich, dass die von Ostroumow (10) beschriebenen „Endbäumchen“ an der Glas- haut nichts anderes, als varieöse Fasern des tiefen Nerven plexus sind. Die irrige Anschauung Ostroumow s, dass sie an der Glashaut endeten, wurde vermuthlich dadurch hervorge- rufen, dass — was in der That häufig genug vorkommt — die Fasern bei den von ihm beobachteten Präparaten nur ausserhalb, und nieht auch innerhalb der Glashaut, durch welche die Reagentien offenbar schwer hindurehdringen, vom Golde oder vom Methylen- blau gefärbt wurden. Für diese Annahme spricht auch Ostrou- mow’s Abbildung (10, Fig. 6), nach welcher einzelne von den varicösen Fasern nicht an der Glashaut, sondern in derselben enden. Die Angabe von Szymonowiez (14, p. 645), man könne sich an dünnen Längs- und Querschnitten leicht davon über- zeugen, dass die Nervenfasern des tiefen Geflechtes die Glashaut nirgends durchdringen, muss ich als unrichtig bezeichnen. Ich habe meine Studien hauptsächlich an Längs- und Querschnitten gemacht und gerade an diesen gesehen, dass die Axeneylinder des Plexus an der unteren Scheidenanschwellung und an dem der Papille proximalen Theile der Wurzelscheide, ‚welche einen be- trächtlichen Theil des ganzen Nervengeflechtes ausmachen, die Glashaut jedenfalls durchdringen (Fig. 4, 6, 7, 17 of). Die longitudinal verlaufenden Fasern der superfieiellen Lage gelangen zunächst an die Verengung zwischen den beiden An- schwellungen, woselbst die meisten von ihnen einen spiraligen Verlauf nehmen (Fig. 13 ns). Einige betheiligen sich hier durch seitliche Auszweigungen an der Meniskenbildung, alle gelangen aber an die obere Scheidenanschwellung. Wo der Ringwulst vorhanden ist, verlaufen sie unterhalb desselben. Durch feine Seitenzweige, welche die Glashaut durchbohren — und welche zum Unterschiede von den oben besprochenen sehr leicht darzu- stellen sind — stehen diese mit den Menisken in der Scheiden- 150 Eugen Botezat: verengung und in der oberen Scheidenanschwellung in Zusam- menhang. Sie endigen beim Schweine unter gabeliger Verästelung (Fig. 2) abgeflacht am Haartaschenhals. Bei anderen Thieren durchdringen manche von ihnen mit ihren Enden die Glashaut und bilden Menis- ken, oder enden frei. Die meisten scheinen frei am Haartaschen- halse wie beim Schweine zu endigen, beziehungsweise an der Constituirung des bei manchen Thieren den Haartaschenhals umgebenden Nervenringes Theil zu nehmen. Der Terminalapparat selbst breitet sich imnerhalb der ge- sammten Innenfläche der Glashaut aus. Ich muss auch die Ansicht Ranvier's (12) u. a., wonach die Nervenfasern der tiefen Lage an der Glashaut endigen, als irr- thümlich bezeichnen und behaupte, auf unzweifelhafte Beobach- tungen mich stützend, dass die varieösen Verzweigungen der tiefen Nervenlage die Glashaut als äusserst feine Axeneylinder durehbohren (Fig. 4, 6, 7, 1Tof), um innerhalb derselben, gerade so wie die Seitenzweige der longitudinalen Fasern in Tastmenisken zu übergehen. In Bezug auf die Lagerungsweise der Menisken muss ich vor Allem hervorheben, dass dieselben im Allgemeinen zwischen den eine einfache Schicht bildenden Epithelzellen der äusseren Wurzelscheide liegen. Nicht selten bemerkt man aber auch ein- zelne zwischen den weiter im Innern befindlichen Zellen (Fig. 3, unten). Im oberen Theile der Scheidenanschwellung liegen die Me- nisken mehr oder minder tangential. Szymonowiez (14, p. 647) sagt, „dass sie mit ihrer Convexität nach aufwärts und aussen upd mit der Concavität nach unten gegen die Haaraxe gewendet die Zelle umfassen“; dies ist jedoch nur selten der Fall. In der Regel sind sie so angeordnet, dass ihre Convexität nach unten und aussen und ihre Concavität nach Innen, gegen das Haar hin, gerichtet ist (Fig. 3, 4, 10 nm). Weiter unten liegen sie so, dass ihre (Profil)-Längsaxe mehr oder weniger senkrecht zur Haaraxse steht. Gegen die Scheidenverengung hin geht diese Lagerungsart in eine der zuerst geschilderten ähnliche über (Fig. 3, 4, 9, 10 nm), jedoch sind sie hier so orientirt, dass ihre Spitze nicht nach abwärts, sondern nach aufwärts gerichtet ist. Ebenso sind sie in dem nun Die Nervenendigungen an den Tasthaaren von Säugethieren. 151 folgenden Theile, in der unteren Scheidenanschwellung ange- ordnet (Fig. 9»m). In der Mitte der letzteren stehen sie dann wieder fast senkrecht zur Haaraxe. Beim Schweine sind sie in der ganzen unteren Hälfte der Wurzelscheide fast senk- recht gegen die Haaraxe gerichtet (Fig. Arm). Nach unten hin ändert sich diese Lage nur wenig; trotzdem können hier drei Arten der Orientirung unterschieden werden: Im ersten Falle liegen sie mit ihrer Längsaxe senkrecht gegen das Haar (Fig. 4 nm), im zweiten Falle ist ihre Längsaxe schief nach abwärts (Fig. 3, 8, 1T nm) gerichtet und im dritten “Falle schief nach aufwärts (Fig. Tnm). Im ersten und zweiten Falle ist ihr inneres Ende nach aufwärts gekrümmt, während sie im dritten Falle ungekrümmt sind und dem entsprechend im Profil eine diskoide Gestalt haben. Dieser Anordnung entsprechend zeigen die beiden Querschnitte (Fig. 5, 6), dass die Längsaxe der Meniskenschnittfläche in dem einen Falle, d. i. in der oberen Scheidenanschwellung, tangential, in dem anderen Falle, d.i. in der unteren Scheidenanschwellung, radial liegt. Die Ansicht Szymonowiez’s (13, p. 634, 14, p. 647) über das Verhältniss der Menisken zu den Epithelzellen der Wurzelscheide, wonach sie sich denselben von oben her anlegen sollen, kann ich nicht theilen. Es machen mir die Präparate vielmehr den Eindruck, als ob sich die Menisken den Zellen zu- meist von unten her und nur selten von oben her anlegten. Deutlich sind diese Verhältnisse freilich weder an Goldpräpara- ten, noch an Methylenblaupräparaten zu erkennen. Die Zellen, denen die Menisken anliegen, erscheinen an Längsschnitten (am deutlichsten sieht man das an Osmiumprä- paraten) transversal gestreckt; ihre längeren Begrenzungslinien sind zu einander fast parallel und gegen die Haaraxe so orien- tirt, wie die unmittelbar an sie grenzenden Menisken. Diese Zellen bilden in ihrer Gesammtheit die von einigen älteren Au- toren als „Cylinderzellenlage‘“ bezeichnete, der Glashaut innen anliegende Schicht der äusseren Wurzelscheide. Es sind dies die sogenannten „Merkel’schen Tastzellen“, welche nicht auf die Gegend der Scheidenanschwellung beschränkt sind, sondern überall der Glashaut anliegen. Man scheint bisher überhaupt nur wenig Aufmerksamkeit auf die Innervation des unteren 152 Eugen Botezat: Theiles der Wurzelscheide und die Merkel’schen Tastzellen ge- richtet, sondern sich darauf beschränkt zu haben, die Nerven an der oberen und unteren Scheidenanschwellung, wo sie so zu sagen in die Augen springen, zu studiren. Durch die Anwesenheit von Merkel’schen Tastzellen ist aber gewissermaassen schon a priori die Anwesenheit von Menisken gegeben, da solche Tast- zellen allgemein mit Menisken verbunden zu sein pflegen. Ob ihnen eine spezifische (nervöse) Natur zukommt, wollen wir dahingestellt sein lassen. Merkel selbst hat sie als Ganglien- zellen bezeichnet; das sind sie gewiss nicht. Ostroumow (10, p. 783 u. 784) drückt seinen Zweifel an der Speeificität derselben offen aus, jedoch nur deshalb, weil er die Beobach- tung machte, dass Menisken auch solchen Zellen anliegen, welche sich von den übrigen Zellen der äusseren Wurzelscheide durch nichts unterscheiden. Wie oben erwähnt, habe auch ich Aehnliches beobachtet. Die Tastzellen dieser Haarbälge sind mit jenen identisch, welche in den Epitheleinsenkungen zwischen den Cutispapillen der Tastscheibe der Schweineschnauze vor- kommen. In Bezug auf letztere hat Szymonowiez (13, p. 636—640) durch ausgedehnte Untersuchungen an Embryonen verschiedenen Alters nachgewiesen, dass sie secundäre Bildun- sen epithelialen Ursprunges sind, deren Differenzirung aus ge- wöhnlichen Epithelzellen erst durch die von den herantretenden Nervenfasern aus erfolgende Bildung der Menisken bewirkt wird. Wahrscheinlich sind diese Merk el’schen Tastzellen Schutz- vorriehtungen für die Menisken, beziehungsweise mechanische Druckübertragungsapparate. Von besonderem Interesse ist die Tastscheibe der Schweineschnauze deshalb, weil sich hier die Menisken sowohl in den Epitheleinsenkungen, als auch in den Tasthaarbälgen leicht darstellen lassen. Diese beiden, neben- einander vorkommenden sensorischen Apparate sind einander so ähnlich, dass man sich nur ein Haar in so eine Epitheleinsen- kung hineinzudenken braucht, um, von den Haarwurzelhüllen abgesehen, denselben Tastapparat vor sich zu haben. Nun zeigen aber die entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen von Szy- monowiez (13, p. 636—40), dass die Tastmenisken und da- mit auch die Tastzellen anfänglich in einer horizontalen Fläche, an der Grenze zwischen Cutis und Epidermis gleichmässig ver- theilt sind. Zur Zeit der Papillenbildung gelangen sie durch Die Nervenendigungen an den Tasthaaren von Säugethieren. 153 Einsenkung des Epithels in die tiefer gelegenen Theile der Epi- dermis und erscheinen schliesslich beim erwachsenen Thiere in mehreren Etagen über einander gelagert. Wenn man nun bedenkt, dass auch die Haare, beziehungs- weise ihre unmittelbaren Hüllen, in analoger Weise durch Einsenken, respective Wucherung (6, 7) der Schleimschicht der Haut nach Innen in die Cutis hinein entstehen, so scheint es schon a priori klar zu sein, dass sich auch hier die Menisken mit ihren Tastzellen in der nämlichen Weise und an den entsprechenden Stellen (Aussenseite der äusseren Wurzel- scheide, Grenze zwischen Cutis, beziehungsweise Haarbalg und Sehleimschicht) ausbilden werden. Welche von diesen zwei Bil- dungen die ursprüngliche ist, die Menisken enthaltende Epithel- einsenkung, oder das Tasthaar, lässt sich nicht sicher entschei- den. Beide könnten sehr wohl gleichzeitig und neben einander gebildet worden sein. Nach Merkel (8, 9) kommen Tastzellen — und an diese sind, wie erwähnt, die Menisken gebunden — ausser beim Schwein auch bei vielen anderen Säugern, in der Nähe des Mundes und der Nasenlöcher, überhaupt an unbehaarten Stellen vor. Auch bei Vögeln fand er solche Gebilde am Gaumen und am Schnabel. Seltener werden sie an behaarten Hautstellen, so am Schwanze und an der Handwurzel des Igels, an der Vulva des Schweines ete. angetroffen. Auch beim Menschen finden sie sich, insbesondere dort, wo nur wenige Meissner- sche Tastkörperchen vorhanden sind. Jedoch scheinen sie beim letzteren schon zurückzutreten, da Ranvier (11) die Beobachtung gemacht hat, dass die Nervenendigungen (Menisken) an der Fingerspitze zahlreicher sind, als die Tastzellen. Ferner beschreibt Dogiel (5, p. 673, Taf. XXXIV Fig. 17) in der Cornea des Men- schen neben Nervenknäueln auch terminale Platten mit stellen- weise gezähnten Rändern. Diese sind, nack der Beschreibung und nach der Figur von Dogiel zu schliessen, den Menisken nicht gerade unähnlich; von Tastzellen erwähnt er aber nichts. In Bezug auf die Gestalt der Menisken muss ich vor allem hervorheben, dass ich, wenn ich meine Präparate mit den Be- schreibungen anderer Autoren vergleiche, eigentlich jedem der- selben Recht geben muss, obwohl sie nicht ganz mit einander übereinstimmen. Dies rührt daher, dass die Menisken keines- 154 Eugen Botezat: wegs alle eine und dieselbe Gestalt haben, etwa so wie sie z.B. von Szymonowicez (14, p. 647 u. 648) beschrieben werden. Sie sind vielmehr, namentlich bei verschiedenen Thieren, recht verschieden gestaltet und es ist daher nicht leicht, diese Ge- bilde in zusammenfassender Weise zu beschreiben. Während die Menisken bei der weissen und grauen Maus, beim Hasen und Kaninchen und theilweise bei der Ratte mehr mit der Beschreibung von Szymonowicez (14, p. 647—648) übereinstimmen, verhal- ten sie sich bei anderen Thieren (Katze, Hund, Ratte) ungefähr so wie sie Arnstein (Östroumow) (10, p. 784) beschreibt. Das wird wohl daher kommen, dass jener hauptsächlich die weisse Maus, dieser hauptsächlich die letztgenannten Thiere mit Einschluss des Schweines zur Untersuchung verwendet hat. Im Allgemeinen halte ich Arnstein’s (10, p. 784) Schilderung für die zutreffendere. An nicht allzudünnen Tangentialschnitten durch den oberen, seltener auch an solchen durch den unteren Theil der Scheiden- anschwellung, an Flächenschnitten also durch die Meniskenlage, erscheinen sie bei einigen Thieren als dieke, längliche mit Gold dunkelviolett bis schwarz gefärbte Striche (Fig. 13 nm), bei anderen als ebenso gefärbte Flecken von unregelmässigem Umriss (Fig. 11, 16 nm). Im beiden Fällen werden feinste Fasern beobachtet, welehe die Menisken untereinander ver- binden. An guten Schnitten dieser Art ist ihr. Zusammen- hang mit den ausserhalb der Glashaut verlaufenden Nerven- fasern immer zu beobachten (Fig. 11, 13, 16vf). Menisken und Nerven zusammen ähneln, wie dies auch schon von anderen Forschern erwähnt worden ist, beblätterten Zweigen. An gewissen Schnitten durch diese Schieht erscheinen, wie Szymonowiez (l4,p. 647) erwähnt, die Menisken „mehr in die Länge gezogen und haben von unten eine zweite, zu der oberen parallel verlaufende dünnere, violette Linie, welehe die untere Begrenzung der Zelle zu sein scheint“. Diese Angabe kann ich nicht ganz bestäti- gen. Jene „untere dünne Linie“ erscheint zwar bei der Maus, beim Kaninchen und beim Hasen an solchen Schnitten nieht selten (Fig. 13, 14), bei der Katze ete. wird sie dagegen fast nie wahrgenommen: sie ist weder eine allgemein und regel- mässig vorkommende Erscheinung, noch kann mit Sicherheit be- -hauptet werden, dass diese untere dünne Linie mit der oberen, breiten zusammenhängt. In manchen Fällen erkennt man wohl, Die Nervenendigungen an den Tasthaaren von Säugethieren. 155 dass sie demselben Meniskus angehört, sie stellt dann aber nur seinen unteren Rand dar. Dies ist der Fall, wenn der betreffende Meniskus eine etwas in die Länge gezogene Schalenform hat (Ranvier 11, 12) und in schiefer Stellung zur Anschauung gelangt, denn dann fällt der erhabene Theil desselben mit dem oberen Rande in eine Ebene, und diese beiden Theile zusammen erscheinen als die breite Linie, während der untere Theil des Meniskus einfach zur Anschauung kommt und in Folge dessen heller erscheint, wobei sein unterer Rand, welcher sich gegen das umgebende helle Gewebe scharf abhebt, eine einfache, dünne, dunkle Linie darstellt. An nachtingirten Präparaten hebt sich die untere Begrenzungslinie nicht ebeuso scharf ab, und es erscheint daher zwischen der unteren dünnen und der oberen dicken Linie ein gleichmässig hellerer Streifen (Fig. 14). Wird ein Meniskus so getroffen, dass sein erhabener Theil wegge- schnitten ist, so erscheint ein heller bieonvexer Fleck im gleichmässig dunklen Meniskus (Fig. 11 unten). An Schnitten, welche so geführt sind, dass die Menisken genau in der Flächenansicht zur Anschauung gelangen, ist jene doppelte Contourirung niemals zu bemerken. Auch im Längsschnitte stellen die Menisken sehr verschieden- artig aussehende Gebilde dar. Im Allgemeinen hat an solchen ihr Durchschnitt eine biconvexe oder coneavconvexe Form, er kann aber auch hackenförmig, keilförmig, selbst mehrspitzig sein (Fig. 10). Von besonderer Wichtigkeit ist die Erscheinung, dass die Menisken immer in mindestens eine Spitze auslaufen. Querschnitte zeigen, dass das Querprofil der Menisken gekrümmt linsen- oder keilförmig ist, oder die Gestalt eines schwach gebo- genen Striches hat, dessen Concavität der Haaraxe, dessen Convexität der Peripherie zugekehrt ist. Manchmal ist umgekehrt die Con- vexität dem Haare und die Concavität der Peripherie zugewendet. Am häufigsten tritt der letztgenannte Fall in den unteren Partien der Wurzelscheide auf. Man sieht die abgeschnittenen, oberen Ränder der dort fast horizontal orientirten Menisken: entweder ihre peripherischen oder ihre inneren Ränder. In der Regel er- scheinen diese Durchschnitte der Menisken in der oberen Scheiden- anschwellung und in der Scheidenverengung bieonvex mit tangen- tial orientirter Längsaxe. In den tieferen Partien sind diese Durchschnitte, entsprechend der Lagerungsweise der Menisken, häufiger unregelmässig rechteckig oder quadratisch (Fig. 5, 6 nm). 156 Eugen Botezat: Es ist also klar, dass auch die Menisken eines und dessel- ben Haarbalges durchaus nicht alle gleich gestaltet sind, von den Verschiedenheiten derselben bei verschiedenen Thieren nicht zu sprechen. Während sie bei der Maus, dem Schweine, dem Kaninchen etc. in die Quere gezogenen Kappen oder Schalen gleichen und oft auch im Sinne der Darstellung von Szymonowiez (14, p. 647) etwas spindelförmig sind, erscheinen sie beim Hund, bei der Katze, bei der Ratte ete. unregelmässig biconvexen Linsen ähnlich. Immer gehen von ihrem Rande an mehreren Stellen feine Fasern ab, welche die Verbindung der Menisken unter einander herstellen. Diese Faserausstrahlung ist bei der Katze, bei der Ratte und wohl auch bei der Maus am deutlichsten zu sehen, erscheint aber auch bei anderen Tbieren (Fig. 11, 12, 13, 16). Die Abgabe von Verbindungsfasern bedingt es, dass die Menisken in der Flächenansicht eine zackige Contour haben. Was die Grössenverhältnisse betrifft, so gelten die bisher gemachten Angaben vorzugsweise für die im oberen Theile der Scheidenanschwellung befindlichen Menisken. In Bezug auf die in den anderen Theilen der Wurzelscheide vorkommenden muss ich bemerken, dass sie beträchtlich dünner wie jene sind, wes- halb sie in der Flächenansicht, zumal an Goldpräparaten auch das umgebende Gewebe oft ziemlich stark verdunkelt ist, viel weniger deutlich hervortreten als die diekeren Menisken der oberen Scheidenanschwellung. Hierzu kommt noch, dass die Glashaut in der Gegend der unteren Scheidenanschwellung nicht nur dieker ist, sondern auch oft, besonders in den tieferen Theilen, entweder nur an ihrer Innenseite, oder durchaus granulirt und weniger durchsichtig ist wie oben. Ebenso erscheinen sie an dieser Stelle auch an Methylenblaupräparaten ziemlich undeutlich, während sie sich im oberen Theile der Scheidenanschwellung zumeist sehr intensiv blau färben (Fig. 4, 12, 16, 17, nm). Aus- serdem sind die Menisken in den unteren Partien der Scheiden- anschwellung und der Wurzelscheide überhaupt zumeist nicht tangential in die Fläche ausgedehnt, sondern stellen radial, in die Länge gezogene Läppchen dar, deren inneres, spitz zulaufen- des Ende nach aufwärts gekrümmt ist (Fig. 3, 4, 6, T, 8, 12, 17). Beim Schweine haben sie nicht jenes, bei der Katze so charakteristische strahlige Aussehen, weil ihre Ausläufer, wenig- stens in der unteren Hälfte der Wurzelscheide, zumeist nur nach Die Nervenendigungen an den Tasthaaren von Säugethieren. 157 zwei Seiten hin, lateral, die Verbindung mit benachbarten Menis- ken herstellen (Fig. 12). Es sind also die Menisken der unteren Partien des Tast- haarbalges im Allgemeinen zarter gebaut, als die der oberen Scheidenanschwellung, ebenso wie die zu ihnen gehörigen ausser- halb der Glashaut liegenden Nervenfasern zarter sind. Besonders instructiv für die dargelegten Verhältnisse sind jene Schnitte, von denen ich einen in Fig. 15 dargestellt habe. Dieser stellt einen annähernd optischen Längsschnitt durch den Tasthaarbalg der Hausmaus dar. Wir wollen diesen Längsschnitt etwas näher ins Auge fassen und uns zunächst der oberen Scheiden- anschwellung zuwenden. Links oben fallen mehrere dicke Striche auf, von denen einige nach oben in dünnere übergehen. Es sind das die — unten abgeschnittenen — longitudinal verlaufen- den Nervenfasern, welche nach oben in dünne Axeneylinder über- gehend, weiterhin an der Bildung des bei der Maus bekanntlich vorhandenen Nervenringes theilnehmen. Auf das weitere Ver- halten dieser Fasern werden wir unten zurückkommen. Links in der Figur sind, besonders unten, transversal gestreckte Menisken zu sehen, von denen fast alle mit longitudinalen Nervenfasern in Verbindung stehen. Bei einigen von ihnen sieht man auch die untere „dünne Linie“. Rechts in der Figur sind auch Me- nisken vorhanden, aber die meisten von ihnen zeigen den Bau der bei der Katze vorkommenden. Hierzu muss ich bemerken, dass auch bei der Katze, bei der Ratte etc. solche Menisken vorkommen, wie sie für die Maus (Fig. 13 links unten) und das Kaninchen (Fig. 14) charakteristisch sind. Diese stehen eben- falls mit longitudinalen Nervenfasern in Verbindung. Im lichten Felde der Figur bemerkt man zahlreiche, zerstreute Flecken, welche nicht so intensiv gefärbt sind. Diese sind die vom Schnitte nicht getroffenen (inneren) Theile der hier befindlichen Menisken. Die Menisken dieses Theiles der Wurzelscheide liegen ganz unzweifel- haft innerhalb der Glashaut. Mit der Betrachtung der Figur nach abwärts fortschreitend überspringen wir die Zone der longitudinal verlaufenden Nerven- fasern, welche, in Folge der hier befindlichen Verengung, vom Schnitte nicht getroffen wurden, zwischen denen einige Menisken (allerdings nicht ganz deutlich) sichtbar sind, und gelangen an die untere, oder besser gesagt an den unteren Theil der Scheiden- 158 Eugen Botezat: anschwellung. Das Erste, was uns da in die Augen fällt, ist das, neben den seitlich verlaufenden longitudinalen Nervenfasern ungemein reichhaltige Netzwerk dünner, varieöser Fäden. Diese nehmen, wie man sich leicht überzeugt, wenn man nach abwärts bliekt, ihren Ursprung von den tiefer gelegenen Nervenfasern. Jene Nervenfasern bilden, in ihrem weiteren Verlaufe nach ab- wärts, zusammen mit den superficiell gelegenen Longitudinal- fasern einen, beziehungsweise zwei stärkere Bündel. Einzelne Fasern dieses Nervennetzes reichen zwischen den längsverlaufenden dieken Fasern bis an die Verengung (Ein- schnürung) der Scheidenanschwellung hinauf. Aber nicht nur das ist es, was unsere Aufmerksamkeit fesselt, sondern wir er- blieken hier die nämlichen Gebilde, die wir schon im oberen Theile angetroffen haben. Abgesehen von etwaigen Grössen- unterschieden gleichen sie einander vollkommen. Demnach können diese Gebilde nur Menisken sein, nicht aber „abgeplattete Ner- venendigungen“ oder gar Nerven-„Endbäumehen“. Wenn wir sie nun in Bezug auf ihre Lage mit einander vergleichen, so möchte ich fragen, welehe Anzeichen an solehen, mehr tangentialen Sehnitten dafür sprechen, dass die Menisken der unteren Scheiden- anschwellung ausserhalb der Glashaut liegen, die Menisken der oberen Anschwellung dagegen innerhalb derselben? Offen- bar gar keine, da die Glashaut, welche allein bestimmend ist, an solehen Schnitten absolut nieht unterschieden werden kann, In Bezug auf die Lage der Menisken (innerhalb oder ausser- halb der Glashaut) sind also wahre Längs- und Querschnitte durch den Tasthaarfollikel allein ausschlaggebend. Die optischen Längs- beziehungsweise Tangentialschnitte sind dagegen für das Studium der Anordnung und des Verlaufes der Nervenfasern ausserhalb der Glashaut von der grössten Bedeutung. An Längs- und Quer- schnitten konnte ieh den Nachweis liefern, dass Menisken inner- halb der Glashaut in den unteren Theilen der Wurzelscheide vor- kommen, dass Secundärfasern des tiefen Nervenplexus die Glas- haut durchdringen und dass diese Fasern mit jenen Menisken in Verbindung treten (Fig. 4, 6, 7, 13, 17 of). Es zeigt sich also, dass auch das tiefliegende Nervengeflecht der Tasthaarbälge an der Bildung von Menisken partieipirt. Ich will damit nicht gesagt haben, dass nicht vielleicht Die Nervenendigungen an den Tasthaaren von Säugethieren. 159 einige dieser Fasern auch an der Glashaut frei endigen, weil sich dies weder im positiven noch im negativen Sinne beweisen lässt. Die Hauptaufgabe dieses Plexus ist aber jedenfalls die Meniskeninnervation. Es entsteht nun die Frage: Haben die sensiblen Nerven der Tasthaare in der Bildung von Menisken wirklich ihr Ende erreicht, oder nicht? Ich halte mich für berechtigt, darauf mit „nein“ zu antworten. E Schon Szymonowiez (13, p. 632) macht die bedeu- tungsvolle Angabe: „Ich bemerkte mehrmals, dass ein sehr dünner Axencylinder, hervorgegangen aus der Vereinigung von Ausläufern zweier Menisci, sich in die oberen Schichten des Rete Malpighii begab, um nach kurzem Verlaufe wieder nach unten umzubiegen, dadurch eine Schlinge zu bilden und wieder in einem Meniskus zu endigen.* Es macht mir den Eindruck, als ob Szymonowiez auf diese seine Entdeckung viel zu wenig Gewieht gelegt hätte. Ich habe meine Aufmerksamkeit auf die Menisken concentrirt und alle möglichen Schnitte in Be- zug auf dieselben mit einander verglichen. Dabei entdeckte ich die auffallende Thatsache, dass die besagten Gebilde gegen das Innere der Wurzelscheide hin in eine oder auch in mehr Spitzen auszulaufen pflegen, wie ich dies zu erwähnen schon oben Ge- legenheit gehabt habe. Wenn auch nicht immer, so konnte ich doch recht oft die Wahrnehmung machen, dass die Spitze des Meniskus in einen sehr [einen, zumeist un- regelmässig gekrümmten, varicösen Faden über- ging, welcher in seltenen Fällen auf eine grössere Strecke ver- folgt werden konnte (Fig. 4, 5, 7, 8, 10 #f). In den meisten Fällen verschwinden diese Fäden schon nach kurzem Verlaufe; nur einmal konnte ich an einem Me- thylenblaupräparat von der Ratte mehrere feinste blaue Fasern bis weit in das Innere der Wurzelscheide verfolgen, und ich glaube, dass diese auch solche Fasern, wie die in Rede stehen- den sind. Ihre Anwesenheit ist unzweifelhaft, obwohl sie weder mit Chlorgold noch mit Methylenblau in ihrem ganzen Verlaufe gleich deutlich gemacht werden können. Oft sieht man sie auch nach kurzem Verlaufe in eine geschlängelte Punktreihe übergehen (Fig. 5, 10 if), Da nun eine solche Erscheinung allgemein 160 Eugen Botezat: als postmortal angesehen wird, so muss wohl angenommen werden, dass diese Fasern entweder früher absterben, oder mit dem Reagens später in Berührung kommen, als die Menisken selbst: beides ist leicht begreiflich. Stellenweise gehen auch zwei oder drei solcher Fäserchen vom Meniskus ab, entsprechend der Zahl der in das Innere der Wurzelscheide hineinragenden Spitzen desselben. Zuweilen entspringen sie auch am Körper des Meniskus. Diese Fasern entsprechen, ebenso wie die Me- nisken, den erwähnten von Szymonowiez (13, p. 632) in den Epitheleinsenkungen der Tastscheibe des Schweines beschrie- benen Bildungen. Es frägt sich nun, ob diese Fasern, nachdem sie eine ge- wisse Strecke zwischen den inneren Zellen der Wurzelscheide, beziehungsweise den Epidermiszellen fortgezogen sind, eine Schleife bilden, indem sie umbiegen und zu einen andern Menis- kus zurückkehren, ob sie frei zwischen den Zellen endigen, oder ob sie sich mit noch unbekannten Endapparaten verbinden? So weit ich die Sache beurtheilen kann, muss ich mich für ihre freie Endigung erklären, denn ich habe nie beobachtet, dass die in Rede stehenden Fasern Schleifen bilden, und glaube, dass Szymonowiez durch, in ihrem Verlaufe sich kreuzende, ent- weder nur basal tingirte, oder am Kreuzungspunkte abgeschnit- tene Fasern getäuscht worden sein mag, wofür auch die von Szymonowiecz gegebene Zeichnung (13, Taf. XXXII, Fig. 8) wenigstens theilweise spricht. Es sind demnach die Tastmenisken nicht als die wirklichen Endigungen der sensiblen Nerven anzusehen; die eigentlichen Termini sind vielmehr frei endende, von den Menisken entsprin- gende Terminalfasern (Fig. 4, 5, 7, 10 if). Ueber das bei manchen Thieren vorkommende, den Hals der Haartasche umgebende, ringförmige Nervengeflecht finden sich in der Literatur ziemlich viele Angaben vor. Ich will der Kürze halber nur die wichtigsten anführen. Bonnet (3, p. 390) sagt darüber folgendes: „Zum Haartaschenhalse kommt bei manchen Thieren ein eigenes Stämmehen. Bei der Ratte und Maus aber findet sich diese An- ordnung zu einem eigenen, den Haartaschenhals umspinnenden Geflecht entwiekelt, das schliesslich in einen, über der Wurzel- Die Nervenendigungen an den Tasthaaren von Säugethieren. 161 scheidenanschwellung und unter den Talgdrüsen gelegenen Ner- venring auf unbekannte Weise sein Ende erreicht. Die ihn con- stituirenden Fasern haben als Ausläufer von Hautästen mit dem intra- follieulären Plexus völlig verschiedenen Ursprung“ (3, p. 367). Szy- monowiez (14, p. 648) fand, dass beim Maulwurfe ein von unten kommendes Nervenbündel an der Zusammensetzung des Ringgeflechtes mit betheiligt war. Sehr bemerkenswerth sind die Angaben von Ostrou- mov (10, p. 788) über den Nervenring; er sagt: „Der Ner- venring ist überhaupt keine Nervenendstelle. Die ihn consti- tuirenden Fasern betheiligen sich an der Bildung verschiedener Nervenendapparate, die in der oberen Hälfte der Haartasche ge- legen sind. An einigen Haaren ist der Nervenring durch einen locker gewobenen ringförmigen Plexus ersetzt und können da- her die Endigungen leichter verfolgt werden.“ Bei der Maus und der Ratte entstammen die den Nerven- ring zusammensetzenden Fasern zum Theile den Epidermis-, zum Theile den Follikelnerven. Nach Innen zu verzweigen sie sich vielfach und verlieren ihr Mark. Im der Nähe der Glas- haut bilden sie em Netzwerk von Axencylindern, ähnlich dem- Jenigen, welches wir am unteren Theile der Scheidenanschwel- lung und an deren Fortsetzung nach abwärts gesehen haben. Ich bin der Ansicht von Szymonowiez (14, p. 648 u. a. a.), wonach sich das Nervenringgeflecht aus markhaltigen Fasern zu- sammensetzt, welche nach Innen marklos werdend sieh unter ein- ander derart verschlingen, dass man nur in den seltensten Fällen einzelne derselben auf weitere Strecken verfolgen kann. An einem gelungenen Längsschnitte, an welchem die Glas- haut bis in den Haartaschenhals hinauf verfolgt werden konnte, bemerkte ich einige feine Axeneylinder, welche von diesem Nervennetze enteprangen und die Glashaut durchdrangen, um innerhalb derselben zu verschwinden [enden] (Fig. 15 nr, ns). Wie man sich leieht überzeugen kann, wird der Nerven- ring der Hauptsache nach aus Nervenfasern gebildet, welche von oben, also aus der Epidermis, kommen (Fig. 13). Nicht selten sieht man auch zwei Nerven-Stämmehen von zwei ver- schiedenen Richtungen an denselben herantreten. Es nehmen Jedoch auch einige longitudinale Follikelnerven an seiner Bildung theil. Von solchen sind zwei Arten zu unterscheiden: solche, Archiv f, mikrosk. Anat. Bd. 50 11 162 Eugen Botezat: . welche während ihres Verlaufes an der Wurzelscheidenanschwel- lung durch Seitenzweige an der Meniskenbildung partieipiren (Fig. 13, 15) und solche, welche sich, wie sie Szymono- wiez (14, p. 648) beim Maulwurfe nachgewiesen hat, direet zum Nervenringe begeben, ohne Menisken zu bilden. Obwohl es unmöglich ist die einzelnen Fasern des Ringes bis zu ihrer Endigung zu verfolgen, lässt es sich an Präparaten, in denen die Nerven deutlich hervortreten, namentlich durch Vergleich von Serienschnitten feststellen, dass die Nervenfasern der ersten Art mehrere unregelmässige, dicht gedrängte Spiral- touren beschreiben, ehe sie sich in das innere Nerzwerk der feinen Axeneylinder auflösen (Fig. 13). Die Fasern der zweiten Art scheinen sich dagegen sogleich, sobald sie an den Nerven- ring gelangt sind, vielfach zu verästeln, indem sie in marklose Axeneylinder übergehen, von denen einige, ohne weit nach auf- wärts vorzudringen, sehr bald die Glashaut passiren (Fig. 15 ns), die anderen hingegen abgeflacht an derselben enden. Zusammenfassung und Schluss. Wenn wir nun die gewonnenen Resultate einer allgemeinen, zusammenfassenden Betrachtung unterziehen, so ergiebt sich Fol- gendes: 1. Die zum inneren Balg gelangenden Nervenfasern ordnen sich hier in zwei Lagen an, einer tiefer gelegenen und einer über dieser verlaufenden superficiellen. 2. Die tiefere Nervenfaserlage bildet durch vielfache un- regelmässige Anastomosen ein complieirtes Netzwerk varicöser, geschlungener Fäden, welches den unteren Theil der Wurzel- scheide und die untere Scheidenanschwellung umgiebt. Die superficiellen Nervenfasern verlaufen über den tiefer liegenden longitudinal nach aufwärts und umgeben die Einschnürung zwi- schen den Scheidenanschwellungen, sowie die obere Scheiden- anschwellung. 3. Feine Axeneylinder, welche von den Nervenfasern beider Lagen entspringen, dringen indieGlashautein und bilden innerhalb der- selben, zwischen den äussersten Zellen der äusseren Wurzelscheide den Merkel’schen Tastzellen), eigenthümliche Verbreiterungen in Form von schwach ausgehöhlten verdickten Plättehen (Tastmenisken, Die Nervenendigungen an den Tasthaaren von Säugethieren. 163 menisques tactiles), welche sich an die Zellen dicht anschmiegen und die unter einander durch sehr feine Fasern verbunden sind !). 4. Diese Tastmenisken sind nicht die wahren Endigungen der sensiblen Tasthaarnerven. Proximal (gegen das Haar zu) laufen sie in eine oder auch in mehrere Spitzen aus. Von diesen Spitzen, sowie zuweilen auch von anderen Theilen des Meniskus, gehen nach Innen feinste, gekrümmte Fäden ab, welche zwischen den Zellen frei enden. Diese Fäden, die ich Terminal- fasern nennen will, sind die eigentlich letzten Endigungen, der sensiblen Tasthaarnerven innerhalb der Glashaut. 5. Der bei manchen Thieren vorkommende, den Haar- taschenhals umgebende Nervenring besteht aus Epidermis- und Follikelnerven, welche sich in ein complieirtes Netzwerk von Axeneylindern auflösen, dessen Ausläufer iunerbalb der Glashaut frei enden. Demgemäss besteht der Terminalapparat der Tasthaar- nerven aus einem hypolemmalen Netz feiner Axeneylinder, dessen Knoten, die Tastmenisken, in das Innere der äusseren Wurzel- scheide hineinragen und frei endende Terminalfasern nach Innen entsenden. Dieses Netzwerk steht mittelst feiner Fasern mit den epilemmal, d.h. ausserhalb der Glashaut verlaufenden, sensiblen Nerven in direetem Zusammenhange. ' Die Merkel’schen Tastzellen, deren Anwesenheit an die Menisken gebunden ist, sind nieht nervös, da sie sich weder mit Gold noch mit Methylenblau in gleicher Weise wie die Nerven- fasern und Menisken färben lassen. Die nicht nervöse Natur derselben wird auch durch die Art ihrer Entwicklung dargethan. Es sei mir nun zum Schlusse noch gestattet, Einiges über die Funetion der Tasthaare zu sagen. Bei den Tasthaaren ist durch die Scheidenanschwellung eine Vergrösserung der Oberfläche und durch die Menisken eine Vermehrung der Masse der Nervensubstanz erzielt worden. Dies entspricht den höheren Anforderungen, welche an die Leistungsfähigkeit dieser Haare im Vergleiche zu den gewöhn- 1) Ich habe wiederholt beobachtet, dass diese Fasern aus einer gleichmässig dünnen, axialen, mit Methylenblau intensiv gefärbten Fibrille bestehen, welche von der schwächer tingirten Interfibrillärsub- stanz umgeben wird. 164 Eugen Botezat: lichen Haaren als Tastorgane gestellt werden. Aus der Lebens- weise des Schweines lässt sich schliessen, dass die Terminalfasern der Menisken in den Epitheleinsenkungen seiner Schnauzenscheibe auf Druck reagiren. Neben diesen kommen aber bei dem näm- lichen Thiere auch Tasthaare vor, welche in Bezug auf die Or- ganisation ihres nervösen Terminalapparates vollkommen mit den ersteren übereinstimmen. Daher kann man auch von diesen an- nehmen, dass sie Druckperceptionsapparate sind. Was die End- apparate in den Tasthaarbälgen anderer Thiere anbelangt, so stimmen sie mit jenen des Schweines in Bezug auf ihren Bau im Allgemeinen überein. Daher werden ihre Tasthaare vermuth- lich in ähnlicher Weise wie jene des Schweines functioniren. Jeder auf das ziemlich steife Haar ausgeübte Druck (Stoss, Berührung) pflanzt sich durch dasselbe nach abwärts fort und wird in der Haarwurzel auf die Zellen der Wurzelscheiden über- tragen. Hier ruft er Verschiebungen hervor, welche auf die zwischen den Zellen befindlichen Terminalfasern einen mechani- schen Reiz ausüben, der dann in den Menisken gekräftigt wird. Analog gestalten sich die Vorgänge in den Epitheleinsenkungen der Schweineschnauze und überhaupt an allen Hautstellen, in denen Tastmenisken vorkommen, nur wird hier der Druck nicht durch ein Haar, sondern durch die Epitheldecke auf die Terminal- fasern übertragen. In jedem Falle werden zuerst die Terminalfasern gereizt. Daher sind diese als die eigentlich percipirenden Elemente auf- zufassen. Jedes mit Tasthaaren ausgestattete Thier vermag recht wohl zu unterscheiden, ob ein Körper, den es mit dem Tast- haare berührt, ruht oder sich bewegt, ob er hart oder weich, glatt oder rauh ist. Hiemit widerspreche ich der Meinung Bonnet’s, wonach die Function der Tasthaare mit dem Be- griffe des Tastens nicht vereinbar sei und trete zugleich seinem Vorschlage, die Bezeichnung „Tasthaare“ fallen zu lassen, ent- schieden entgegen. Ihre reiche und complieirte, von jener ge- wöhnlicher Haare grundsätzlich verschiedene Innervation, sowie die Thatsache, dass diese Haare nicht nur passiv, sondern mit Hilfe ihrer wohl entwickelten Muskulatur auch activ zum Tasten verwendet werden und endlich die Versuche Carpenter’s mit geblendeten Katzen, welche in einem Labyrinthe den Ausweg Die Nervenendigungen an den Tasthaaren von Säugethieren. 165 fanden, dies aber nicht mehr konnten, wenn ihnen die Tasthaare abgeschnitten waren, rechtfertigen es vollkommen, wenn man für diese Haare die Bezeichnung „Tasthaare“ beibehält. Die wesentlichen neuen Ergebnisse der vorliegenden Abhand- lung sind folgende: 1. Die Nervenfasern des tiefen Geflechtes durchdringen die Glashaut und bilden innerhalb derselben Tastmenisken. Diese finden sich nicht nur im unteren Theile der Wurzelscheiden- anschwellung, sondern auch in den tieferen, zur Papille hinab- reichenden Theilen der Wurzelscheide, welche keine Anschwel- lung bilden. 2. Die wahren Endigungen der sensiblen Tasthaarnerven sind die Terminalfasern, in welche die Tastmenisken übergehen, und die in das Innere der Wurzelscheide hineinragend, zwischen deren Zellen frei enden. 3. Die blassen Nervenfassern des bei manchen Thieren vor- kommenden Nervenringgeflechtes durchdringen die Glashaut und bilden freie Endigungen innerhalb derselben. Demnach ist die äussere Wurzelscheide der Tasthaare be- deutend nervenreicher, als bisher angenommen wurde, und es breitet sich der sensorische Terminalapparat der Teasthaare innerhalb der gesammten Glashaut aus. Literatur. 1. Arnstein, Die Nerven der behaarten Haut. Wiener Sitzungsber., LXXIV, 3. Abth., 1876. 2. Bethe, A., Angaben über ein neues Verfahren der Methylenblau- fixation. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLI1V, 1895, p. 579—588. 3. Bonnet, R. Studien über die Innervation der Haarbälge der Hausthiere. Morphol. Jahrb. Bd. IV, 1878. p. 329—398, Taf. XVII, XVIII, XIX. 4. Dietl, Untersuchungen über die Tasthaare. Sitzungsberichte der k. Akademie d. Wissensch. I. Abth. Bd. LXIV, Juliheft 1871; II. Abth. Bd. LXVI, Juliheft 1872; III. Abth. Bd. LXVIII, December- heft 1873. 5. Dogiel, A. S., Die Nervenendkörperchen (Endkolben, W. Krause) 166 Eugen Botezat: in der Cornea und Conjunctiva bulbi des Menschen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXXVII, 1891, p. 602—619, Taf. XXXIlI und XXXIV. 6. Hertwig, Oscar, Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbelthiere, Jena 1896. 7. Maurer, Hautsinnesorgane, Feder- und Haaranlagen, und deren gegenseitige Beziehungen. Morpn. Jahrb. Bd. 18, 1892, p. 717—804, Taf. XXIV—XXVI und 2 Textfiguren. 8. Merkel, Fr., Tastzellen und Tastkörperchen bei den Hausthieren und beim Menschen. M. Schultze’s Arch. f. mikr. Anat. Bd. XI, 1876. 9, Merkel, Fr., Ueber die Endigung der sensiblen Nerven in der Haut der Wirbelthiere, Rostock, 1880, mit 15 Tafeln. 10. Ostroumow, P., Die Nerven der Sinushaare, mitgetheilt von Prof. Arnstein, Anat. Anz. Bd. 10, 1895, p. 781—790, mit 9 Fi- guren im Texte. 11. Ranvier, L., Nouvelles recherches sur les Organes du tact. Comptes rendus de l’acad. des Sciences. T. 91, 1880. 12. Ranvier, L., Traite technique d’histologie, @d. II, Paris, pag 701—704, 1889. 13. Szymonowicz, W., Beiträge zur Kenntniss der Nervenen- digungen in Hautgebilden. Ueber Bau und Entwicklung der Nervenendigungen in der Schnauze des Schweines. Arch. f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. XLV, 189%, p. 624-641, Taf. XXXII, Fig. 1—12. 14. Szymonowicz, W., Beiträge zur Kenntniss der Nervenendigungen in Hautgebilden. Die Nervenendigungen in den Tasthaaren (mit schwellkörperhaltigen Haarbälgen). Arch. f. mikr. Anat. u. Ent- wieklungsgesch. Bd. XLV, 1895, p. 641— 654, Taf, XXXIH, Fig. 1-4 und Taf. XXAIV, Fig. 5—10. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX u. X. Alle Figuren sind nach Gold- oder Methylenblaupräparaten mit Hilfe der Cammera lucida entworfen worden. Die Nerven sind in denselben Farben dargestellt, in denen sie im Präparat erscheinen. In allen Figuren bedeutet: ab = äusserer Balg, aw = äussere Wurzelscheide, bb = Bindegewebsbalken, bw = die gefaltete Wandung des äusseren Balges, welche den Ring- sinus nach aussen begrenzt, cv = Cuticula vaginae, g = Glashaut, ha— Haar, Die Nervenendigungen an den Tasthaaren von Säugethieren. 167 ib =innerer Balg, iw = innere Wurzelscheide, Mu = Muskeln des Haarbalges, n = dünneres Nervenbündel, ni = tiefe Nervenfaserlage, nm = Tastmenisken, nn — secundäres Netzwerk des tiefen Geflechtes, nr — Nervenringgeflecht, ns = die superficielle Lage bildende, longitudinal nach aufwärts ver- laufende Nervenfasern, oa= oberer Theil der Wurzelscheidenanschwellung, rs der balkenlose Ringsinus, rw = Ringwulst, sp =spongiöser oder cavernöser Körper, gebildet durch dicht an- einander gelagerte Bindegewebsbalken, zwischen denen sich nur kleine, aber sehr viele Cavernen ausbreiten, sv — Verengung oder Einschnürung zwischen dem oberen und dem unteren Theile der Wurzelscheidenanschwellung, tf = Terminalfasern der Tastmenisken, tg = Stelle, wo die Talgdrüse liegt, va= unterer Theil der Wurzelscheidenanschwellung, vf = Verbindungsfasern zwischen Nervenfasern und Tastmenisken. Tafel IX. Fig. 1. Optischer Längsschnitt durch ein gewöhnliches Haar der Haus- maus. Zu oberst liegen die Nerven, dann folgt der Haarbalg (hb). Das Haar liegt tiefer und erscheint nicht in der Figur. Von unten verlaufenden Nervenfasern entspringen longitudinale Fasern, welche nach oben abgeflacht endigen. Ueber diesen verlaufen ceirkuläre Fasern. Vergr. Zeiss Homog. Immers. Apochrom. 2,0 mm Ap. 1,30, Oc. 2. (Goldpräparat.) Fig. 2. Längsschnitt durch den Haartaschenhals eines Tasthaares vom Schwein. Man sieht von unten kommende longitudinale Nervenfasern, welche sich hier dichotomisch theilen und etwas abgeflacht endigen. Vergr. Zeiss. D. Oe. 1. (Methylenblau- präparat.) Fig. 3. Längsschnitt durch den Tasthaarfollikel der Katze. An der ganzen Innenfläche der Glashaut sind die Tastmenisken deut- lich zu sehen. Vergr. Zeiss B. Oc. 2. (Goldpräparat.) Fig. 4. Längsschnitt durch den Tasthaarfollikel des Schweines. Die Tastmenisken sind sowohl im oberen (kleineren), als auch im unteren (grösseren) Theile der Seidenanschwellung zu sehen. Oben sieht man von einzelnen Menisken Terminalfasern ab- gehen, unten den Zusammenhang der Menisken mit Fasern des tiefen Geflechtes. Vergr. Zeiss D. Oc. 1. (Methylenblau- präparat.) Fig, 5. Querschnitt durch den oberen Theil der Scheidenanschwellung 168 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 10. a: 12. Eugen Botezat: eines Tasthaares der Katze in der Gegend, wo der Ringsinus bereits aufzuhören beginnt. Die Figur veranschaulicht die Querprofilgestalt der Menisken, ihren Zusammenhang mit lon- . gitudinalen Nervenfasern und mehrere von ihnen abgehende Terminalfasern. Vergr. Zeiss D. Oec. 2. (Goldpräparat.) Querschnitt durch die Basis des unteren Theiles der Scheiden-. anschwellung eines Tasthaares der Katze. Er veranschaulicht die Querprofilgestalt der Tastmenisken. Ausserhalb der stark granulirten Glashaut sieht man durchschnittene Fasern des tiefen Geflechtes, von denen einzelne in die Glashaut ein- dringen. Andererseits dringen in die Glashaut von den Menisken her Fasern ein. Vergr. Zeiss D. Oc.2. (Goldpräparat.) Längsschnitt durch den unteren Theil — oberhalb der Pa- pille — eines Tasthaarfollikels der Katze. Der vertical ver- laufende Streifen ist die granulirte Glashaut. Innerhalb der- selben die Menisken, welche mittelst feiner Axencylinder mit den, ausserhalb der Glashaut befindlichen Fasern des tiefen Nervenplexus in direktem Zusammenhang stehen. Einzelne Menisken sieht man in Terminalfasern übergehen. Vergr. Zeiss Hom. Immers. Apochrom. 2,0mm Apert. 1,30, Oe. 1. (Goldpräparat.) Längsschnitt durch den unteren Theil eines Tasthaares des albinotischen Kaninchens. Innerhalb der Glashaut die Tast- menisken, ausserhalb Fasern des tiefen Plexus und longitu- dinale Fasern des superficiellen Plexus. Vergr. Zeiss D. Oe. 2. (Goldpräparat.) Tafel X. Längsschnitt durch die Einschnürung der Wurzelscheidenan- schwellung und den oberen Theil der unteren Anschwellung eines Tasthaares der Katze. Innerhalb der Glashaut Menisken, ausserhalb Fasern der tiefen und superficiellen Lage. Vergr. Zeiss D. Oc. 1. (Goldpräparat.) I Längsschnitt durch den oberen Theil der Scheidenanschwellung eines Tasthaares der Katze. Veranschaulicht die Längs- profilgestalt der hier befindlichen Menisken und die Terminal- fasern, welche von ihnen nach dem Inneren der Wurzelscheide abgehen. Vergr. Zeiss D. Oc. 4. (Goldpräparat.) Tangentialschnitt durch den oberen Theil der Wurzelscheiden- anschwellung eines Tasthaares der Katze. Die Tastmenisken gelangen in der Flächenansicht zur Anschauung. Mittelst feiner Fasern stehen sie untereinander und mit den über ihnen hinziehenden longitudinalen Nervenfasern in Verbindung. In der Mitte unten sieht man den erhabenen Theil eines Meniscus weggeschnitten, weshalb diese Stelle hell erscheint. Vergr. Zeiss D. Oec. 1. (Goldpräparat.) Längsschnitt durch den unteren Theil der Wurzelscheide eines. Die Nervenendigungen an den Tasthaaren von Säugethieren. 169 Fig. 13. Fig. Fig. Fig ig. 14. 16. ur. Tasthaares vom Schwein. Oben liegt das Gewebe der Wurzel- scheide, darunter die Menisken, welche mittelst feiner Axen- eylinder unter einander in Verbindung stehen. Sie erscheinen ziemlich schmal infolge ihrer Lagerungsweise (senkrecht gegen die Haaraxe). Vergr. Zeiss D. Oc. 1. (Methylenblaupräparat,) Längsschnitt durch den Tasthaarfollikel der Hausmaus. Der Follikel ist so getroffen, dass der ringwulstfreie Theil des Balges sichtbar ist. Den Ringwulst selbst sieht man nur rechts. Die hellen Felder sind die weggeschnittenen Theile der Scheidenanschwellungen. Oben das Nervenringgeflecht, welches sich aus Hautnerven, die von der Gegend der Talgdrüsen kommen, und zum Theil auch aus Zweigen der longitudinalen Fasern zusaınmensetzt. Neben den transversal in die Länge gestreckten Menisken links sieht man auch unregelmässig stern- förmige. Am unteren Theile der Scheidenanschwellung sieht man das tiefliegende varicöse Nervengeflecht, welches eben- falls Menisken bildet und das nach unten theilweise in ein- zelne dickere (markhaltige) Fasern (ni) übergeht. Weiter nach unten stärkere Nervenbündel (r). Vergr. Zeiss D. Oe. 1. (Goldpräparat). Längsschnitt durch den oberen Theil der Scheidenanschwellung eines Tasthaares vom albinotischen Kaninchen. Da es ring- sinuslos ist, erscheint hier der spongiöse Körper. Vergr. Zeiss D. Oec. 2. (Goldpräparat). “ . Längsschnitt durch den Haartaschenhals eines Tasthaares der Hausmaus. Die Ausbiegung in der Mitte ist Artefaet. Die Glashaut ist an diesem Präparat ziemlich deutlich erkennbar, und man sieht, wie Axencylinder des Nervengeflechtes, sowie solche, die von unten kommen, also longitudinalen Nerven entstammen, dieselbe passiren. Vergr. Zeiss Homog. Immers. Apochrom. 2,0 mm. Apert. 1,30, Oc. 2. \Goldpräparat). Tangentialschnitt durch den oberen Theil der Scheidenan- schwellung eines Tasthaares der Ratte (Mus decumanus). Wie oben Fig. 11. Vergr. Zeiss. D. Oc. 2. (Methylenblaupräparat.) Längsschnitt durch den unteren Theil der Scheidenanschwellung eines Tasthaares der Ratte (Mus decumanus). Die Glashaut ist sehr deutlich zu sehen. Ebenso deutlich sieht man, wie an zwei Stellen Axencylinder des tiefen Nervengeflechtes (nr) durch die Glashaut hindurchdringen (vf) und innerhalb der- selben Menisken bilden. Weiter nach oben sind die Menisken nur sehr schwach sichtbar. Vergr. Zeiss B. Oc. 4. (Methylen- blaupräparat). 170 Bemerkungen über die Histologie und Histo- genese des Knorpels der Oyclostomen. Von Josef Schaffer in Wien. In einer kurzen Mittheilung „über einen neuen Befund von Centrosomen in Ganglien- und Knorpelzellen*!) habe ich weitere Untersuchungen über das Knorpelgewebe der Myxine in Aussicht gestellt. Dieselben sind in gleicher Weise angestellt worden, wie meine Untersuchungen des Knorpelgewebes von Ammocoetes und Petromyzon ?) und für Myxine schon im Sommer 1896 zum Abschlusse gelangt. Da die Arbeit jedoch noch eine Reihe an- derer Knorpel und knorpelähnlicher Gewebe zum Vergleiche heranziehen sollte, sowie aus äusseren Gründen konnte ich bis heute nicht an die Mittheilung meiner Ergebnisse schreiten. Unterdessen ist eine Untersuchung F. K. Studnicka’s°?) über denselben Gegenstand erschienen, welche mich nunmehr veran- lasst, einige Punkte aus meiner Arbeit, so weit sie durch die Mittheilungen Studnicka’s betroffen werden, auszuführen. Die Anschauungen, zu denen Studnicka über das Knorpel- gewebe von Ammocoetes und Petromyzon gelangt ist, decken sich erfreulicher Weise vielfach mit den meinen, und zwar ist dies nach einer mündlichen Auseinandersetzung, zu der mir Herr Dr. Studnicka Gelegenheit geboten hat, noch viel mehr der Fall, als es nach den dem Leser vorliegenden Darstellungen scheinen könnte. In einigen Punkten muss ich meine abweichenden An- 1) Sitzgsber. d. kais. Akad. d. Wiss. in Wien, math.-nat. Klasse, Bd. 105, Abth. III, Febr. 1896. S. 21—28. 2) Ueber das knorpelige Skelett von Ammocoetes branchialis nebst Bemerkungen über das Knorpelgewebe im Allgemelnen. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 61, 1896, S. 606—659. 3) Ueber die Histologie und Histogenese des Knorpels der Cy- elostomen, Arch. f. mikr. Anat., Bd. 48. 1896, S. 606—643. Bemerkungen über die Histologie und Histogenese etc. 171 schauungen, so weit sie auf verschiedener Beobachtung am Ob- jeet beruhen, auch im Folgenden festhalten; Differenzen in der Auffassung und Deutung des Gesehenen werden vielleicht durch diese Auseinandersetzungen ausgeglichen werden. Schon der Ausgangspunkt, welchen wir für die Untersuchung des Knorpelgewebes der Cyelostomen gewählt haben, ist ein ver- schiedener. Während ich die Uebereinstimmung im feineren Baue des Cyelostomenknorpels mit dem der höheren Thiere nach- zuweisen versuchte, um gleichsam im Verständniss jenes einfachen, ich möchte sagen schematischen Knorpelgewebes den Schlüssel für eine einheitliche und übersichtliche Auffassung der verwickel- ten Formen des Knorpelgewebes bei höheren Thieren zu finden, ist es Studnieka daran gelegen, die Eigenthümlichkeiten des Cyelostomenknorpels, welche ihn von den anderen Knorpelarten unterscheiden, hervorzuheben. Daher will er auch die Bezeichnung Parenchymknorpel beibehalten, wobei er jedoch selbst betont, dass man nicht an einen prinzipiellen Gegensatz zum Hyalin- knorpel denken darf. In letzterem Sinne ist jedoch der Ausdruck von Kölliker!) gebraucht worden, indem er das Knorpelzellen- parenchym (Knorpelgewebe ohne Grundsubstanz) dem Knorpel- gewebe mit Grundsubstanz gegenübergestellt hat. Somit ist mit dem Ausdrucke „Parenchym“, welcher im botanischen Sinne allerdings nur ein Gewebe bezeichnet, das vorwiegend aus iso- diametrischen Zellen besteht, ohne dass damit etwas Bestimmtes über die Intercellularsubstanz ausgesagt wäre — im thierhistolo- gischen Sinne eine gewisse Vorstellung über die Struktur oder morphologische Wertigkeit der zwischen den Zellen (im modernen Sinne des Wortes) gelegenen Substanz verbunden, die durchaus nicht auf alle sog. Parenehymknorpel zutrifft. Schon Kölliker hat unter dieser Bezeichnung höchst ungleichwerthige Gebilde zusammengefasst, wie Rollett?) betont; auch Studnicka belegt morphologisch recht verschiedene Gewebe der Cycelostomen mit demselben Titel. So bezeichnet er den weichen und harten Knorpel, der nach seiner Schilderung ?) aus Kapseln und einer 1) Gewebelehre, Leipzig 1852, S. 44. 2) Stricker’s Handbuch der Gewebelehre, Leipzig 1871, S. 79. 3) 1..c,.:8: 608. 172 Josef Schaffer: dieselben verbindenden Zwischensubstanz, besteht als Parenchym; weiter aber ‚auch das vesieulöse Stützgewebe von Myxine, in welchem die Scheidewände zwischen den Zellen ein einfaches und zusammenhängendes Alveolenwerk bilden und endlich das eigenthümliche arachnoidale Füllgewebe in der Schädelkapsel von Petromyzon, welches aus isolirten Zellen mit verdichtetem Exoplasma, mit dazwischen gelegenen Blutgefässen und Pigment- zellen besteht. Ich würde daher diesen Ausdruck, an den sich, wie an manche andere, in der Knorpelhistologie so zähe falsche Vor- stellungen anklammern, lieber fallen lassen. Will man den Knorpel, in welchem die Zellen vorherrschend sind, unterscheiden von einem Knörpel, in welchem die Grundsubstanz überwiegt, so scheint mir die alte, nichts präjudieirende Bezeichnung Zellen- knorpel (im Gegensatz zum Grundsubstanzknorpel) der Bezeichnung Parenchymknorpel vorzuziehen. Der zellige Knorpel zeigt schon bei den Myxinoiden, wie ja auch Studnicka betont, die mannig- fachsten Uebergänge zum Grundsubstanzknorpel; er findet sich aber auch bei den höheren Wirbelthieren und beim Menschen, so dass es doch nur der subjecetiven Empfindung anheimgegeben bleibt, wo man zwischen beiden Formen die Grenze ziehen will. Viel wiehtiger scheint mir die Ungleichheit in Bezug auf eine andere Prämisse für meine und Studnieka’s Schlussfolge- rungen. Studnieka hat hauptsächlich ältere Exemplare von Petromyzon untersucht, ich hingegen der Metamorphose nahe- stehende und Larvenstadien. Studnicka gründet einige prinzi- piell von den meinen abweichende Anschauungen auf das Studium des Schwanzflossenknorpels, den ich gar nieht untersucht habe. Während Studnicka Petromyzon fluviatilis und P. Planeri noch für zwei verschiedene Spezies hält, auf deren Verschiedenheit er auch Unterschiede im Aufbau des Knorpelgewebes zurückzuführen scheint !), legt er andererseits viel zu wenig Werth auf die grossen Unterschiede im Organisationsplane von Petromyzon und Myxine. Diese treten in der That auch in den Geweben beider Thiere so auffallend zu Tage, dass sich z.B. für das Knorpelge- webe bestimmte Homologien nicht aufrecht erhalten lassen. Ge- De Ss: eiTeskeae Bemerkungen über die Histologie und Histogenese etc. 173 rade die Unterschiede in der geweblichen Differenzirung beider Thiere scheinen mir eine wesentliche Stütze für die Anschauung jener Autoren, welche Petromyzon und Myxine als Vertreter zweier weit auseinander gehender Typen anerkannt wissen wollen. „Die Verschiedenheit ist so gross, dass man fast in keinem Punkte aus dem Bau des einen den Bau des anderen erschliessen kann !).* Indem ich nun zur Besprechung der wesentlichen Differenz- punkte in unserer beiderseitigen Darstellung übergehe, beginne ich mit der Beschreibung des weichen, oder wie Studnicka sich ausdrückt, „blauen“ Knorpels, als dessen Typus ich den Kiemen- knorpel von Ammocoetes betrachtet habe. Ich habe nachzuweisen versucht, dass die Intereellularsub- stanz desselben, im Gegensatze zum harten Knorpel eine Zu- sammensetzung aus Kapseln und interkapsulärer Kittsubstanz in keinerlei Weise erkennen lässt, weshalb ich die gesammte Grundsubstanz dieses Knorpels als ein einfaches zelltrennendes Wabenwerk oder Alveolensystem (nicht, wie Studnieka Anmerkung 1, S. 608 sagt, hyalines Faser- werk) aufgefasst habe. Ich lege auf die Richtigkeit dieser An- sicht, welche ich schon in meiner vorläufigen Mittheilung?) aus- gesprochen habe, besonderen Werth, weilin einem solchen Knorpel der unmittelbare Uebergang zu einer bei den niederen Thieren vorkommenden Form der Stützsubstanz gefunden wäre, welche ausserdem den frühesten genetischen Stadien höher differen- zirter Knorpel entsprechen würde. Dieser typische Zellenknorpel würde auch nicht der Vorstellung des Parenchyms im Sinne Kölliker’s entsprechen. Nach Studnicka hingegen werden die ‚Septa‘ dieses Knorpels fast nur von den Knorpelkapseln und gewöhnlich nur äusserst spärlicher, nur dort, wo mehrere Zellen an einan- dergrenzen, deutlich zu beobachtender Grundsubstanz gebildet. „Scehaffer hat die Grenzen der Knorpelkapseln übersehen“ 3), 1) Schneider, Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Ent- wicklungsgeschichte der Wirbelthiere. Berlin 1879, S. 82. Vergl. noch die Discussion zu dem Vortrage von Price, Verhdlg. d. Anat. Ges, X. Vers. Berlin 1896, S. 86. 2) Anat. Anz. X. Bd. 1895, S. 706. 3) l. e. S. 610. 174 Josef Schaffer: Den Beweis für diese Behauptung erachte ich jedoch nicht für erbracht. Studnicka beruft sich auf seine Fig. 9, Taf. XXX, die einen Durchschnitt durch den Schwanzflossenknorpel von Petromyzon fluviatilis darstellt. Wie erwähnt, habe ich diesen Knorpel nieht untersucht und könnten hier in der That Andeutungen von Kapselbildung vorkommen, wie ich solche gelegentlich im weichen Knorpel von P. marinus zu sehen glaube. Betrachtet man jedoch die Fig. ‚10 des Autors, welche einen Kiemenknorpel von Ammocoetes dar- stellt, für den ich meine Behauptung aufgestellt habe, so wird Jedermann die Uebereinstimmung mit meiner Fig. 14 zugeben; da kann man unmöglich von deutlichen Kapseln reden, wie z.B. beim Schädelknorpel. Weiter führt Studnicka die Bildungsweise dieses Knor- pels ins Feld, indem er sagt, dass die jungen Zellen dieses Knorpels zuerst nur eine eine ganz dünne, mit Hämatoxylin blau sich färbende Kapsel bekommen und dass erst secundär zwi- schen ihnen eine Grundsubstanz als ein Kitt ausgeschieden wird. Die Bilder, welche Studnicka bei dieser Schilderung vor Augen gehabt hat, habe ich ebenfalls beschrieben !), indem ich das Vorkommen von Zellen mit intensiv blau färbbaren Mem- branen an den Appositionsflächen erwähne, zwischen denen noch „kleinste trennende Zwickel des mit Eosin roth sich fürbenden Perichondriums eingeschoben erscheinen“. Ich glaube jedoch nicht, dass eine Kittsubstanz seeundär durch die Kapseln hin- durch ausgeschieden wird, sondern fasse vielmehr die Zwickel des Perichondriums als diese primäre Kittsubstanz auf, weil sonst die Frage, wohin beim perichondralen Wachsthum die faserige Grundsubstanz des Perichondriums kommt, eine offene bleibt und weil man Faserbündel des Perichondriums zweifellos in die Grundsubstanz des wachsenden Knorpels aufgenommen werden sieht. Es scheint mir in der That eine nothwendige Vorstellung zu sein, dass die Chondroblasten nicht nur um sich Knorpelsub- stanz abzuscheiden vermögen, welche an der einzelnen Zelle als 1) Zeitschr. f. wiss. Zool. 1. e. S. 628. Ich eitire fortan stets diese Arbeit. Bemerkungen über die Histologie und Histogenese etc. 175 Kapsel oder Membran erscheinen muss, sondern dass sie auch zwischen sich liegendes Gewebe zu assimiliren d. h. in ehondro- gene Grundsubstanz umzuwandeln im Stande sind. Die Knorpelbildungszellenbesitzen neben der rein produetiven auch eineassimilatorische Fähigkeit, welche gerade beim Knorpelgewebe höherer Thiere eine grosse Rolle spielt. Beim Kiemenknorpel von Ammocoetes nun verschmelzen die beiden Componenten jeder Knorpelgrundsubstanz (so weit es sich eben um perichondral wachsende Knorpel handelt), die primäre Kittsubstanz und die von der Zelle gelieferte Kapselsubstanz in ein untrennbares Ganze. Mir war es wenigstens nicht möglich, eine besondere Kapsel, sei es färberisch, sei es mechanisch, zu isoliren, wie dies beim harten Knorpel gelingt, und so lange nicht das Gegentheil erwiesen werden kann, muss ich bei meiner Auffassung beharren, dass im Kiemenknorpel des Ammocoetes die gesammte Intercellularsubstanz nur ein Wabenwerk bildet. Dasselbe scheint nicht der Fall zu sein mit dem weichen oder grauen Knorpel von Myxine; obwohl derselbe in mikro- chemischer und mechanischer Beziehung mit dem weichen Knor- pel von Ammocoetes übereinstimmt, zeigt er in morphologischer Hinsicht insofern einen Unterschied, als die intercellulären Scheidewände seiner Grundsubstanz stellenweise wenigstens zwei- fellos eine Zusammensetzung aus primärer Kittsubstanz und se- eundär eingelagerten Zellhöfen (Kapselsubstanz) erkennen lässt. Er stellt demnach eine höhere Entwicklungsstufe des Knorpelge- webes dar, welche zwischen Kiemenknorpel und Schädelknorpel von Ammocoetes steht. Ein zweiter Punkt, in welchem die Darstellung Stud- nieka’s von der meinen abweicht, betrifft die Knorpel- kapseln im harten (gelben) Knorpel. Ich habe die Kapselsubstanz, welche die Alveolen der Kittsubstanz ausfüllt und am frischen Schädelknorpel von Ammo- coetes und Petromyzon als homogene und dicke Zellkapsel er- scheint, als Analogoneines Zellhofes aufgefasst, weil sich diese Kapselsubstanz durch eine einfache Färbung mit sauren Anilinfarben (Eosin u. A.) in eine innere, meist scharf begrenzte Zone, die eigentliche Kapsel, und in eine äussere, nicht färb 176 Josef Schaffer:' bare Schiehte zerlegen lässt!. Studnieka misst dieser, auch von ihm anerkannten und dargestellten (Fig. 1 u.2, Taf. XXX) Zwei- schichtigkeit keine besondere Bedeutung zu und spricht einfach von einer inneren und äusseren Zone der Knorpelkapsel, so dass für ihn der harte Knorpel von Petromyzon nur aus Kapseln und sehr spärlicher Grundsubstanz (meiner primären Kittsubstanz) besteht. Er stützt sich dabei auf die Beobachtung, dass an manchen Stellen eine solche tinetoriell scharf nachweisbare Kapsel nicht vorhanden ist und dass sie bei Myxine überhaupt fehlt oder dass sich hier an ihrer Stelle eine dünne, aber mit Hämatoxy- lin blau sich färbende Kapsel findet. Dazu muss ich nun be- merken, dass gerade die Befunde am harten Knorpel von Myxine für meine Auffassung sprechen. Fertigt man aus freier Hand einen dünnen Durchschnitt durch die in Alkohol conservirten sog. Zungenbeinknorpel an, so sieht man bei Betrachtung des ungefärbten Schnittes in Alkohol jede der meist ovalen Zell- höhlen umgeben von einer ziemlich breiten, stark glänzenden Kapsel, der nach aussen ein schwächer lichtbrechender hyaliner Hof folgt. Die benachbarten hyalinen Höfe werden durch dün- nere oder diekere Scheidewände einer Substanz getrennt, welche, wenigstens oft auf grössere Strecken ein zusammenhängendes Al- veolenwerk bildet. Diese drei Componenten der gesammten Intercellularsub- stanz lassen sich nun auch bei Myxine nach der von mir ange- gebenen Methode (l. e. S. 621) mit Leichtigkeit färberisch trennen und ist, wo dies Studniceka nicht gelungen ist, wie z. B. an dem Fig.3, Taf. XXX abgebildeten Ohrkapselknorpel von Ammo- coetes offenbar diese Methode nicht befolgt worden (vgl. meine Fig. 13 von demselben Object). Weiters sind die im harten Knorpel von Myxine blau sich färbenden Kapseln durchaus nicht homolog den normalerweise acidophilen Kapseln; endlich betrifft der von Studnieka in Fig. 2, Taf. XXX dargestellte Schnitt, welcher zeigt, dass die innere Zone (meine Kapsel) auch in den äusseren Theil der Kapsel nur all- mählich ohne Grenzen übergehen kann, die Appositionszone des 1) 1. ce. S. 69. Bemerkungen über die Histologie und Histogenese etc. 177 Knorpels, in welcher die primäre Kittsubstanz noch faserig und es grösstentheils noch nicht zur Bildung einer wirklichen Kapsel gekommen ist. Die rechte Seite des Bildes, welche offenbar einer et- was tieferen Schiehte des Knorpels entspricht, lässt denn auch das von mir beschriebene Verhalten in ausgezeichneter Weise er- kennen. Ü Ich stimme mit Studnieka vollkommen in der Ansicht überein, dass sich die Kapsel in Grundsubstanz umwandeln kann und dass nicht alles, was als Knorpelkapsel bezeichnet wird, einander homolog ist (S. 616); dafür bietet wieder der harte Knorpel von Myxine ein klassisches Beispiel, indem sich hier die Umwandlung von Knorpelkapseln, ja von ganzen Knorpel- zellen in Grundsubstanz nachweisen lässt, andererseits aber auch leieht eine Erklärung für das gelegentliche Fehlen einer beson- ders nachweisbaren Kapsel oder für das entgegengesetzte färbe- rische Verhalten derselben gefunden wird. Und zwar liegt diese Erklärung in regressiven Veränderungen, welehe im hartenKnorpel derMyxine einegrosse Rolle spielen und in den verschiedensten Pha- sen angetroffen werden, auf die jedoch Studnicka nicht aufmerksam geworden ist. Ich habe denselben ein beson- deres Studium gewidmet, über dessen Ergebnisse demnächst be- richtet werden soll. Nach Studnicka ist die Knorpelkapsel nichts anderes, als ein besonders begrenzter festerer Saum von Grundsubstanz, der sich um eine Zelle als eine Hülle derselben durch Ausschei- den aus derselben bildet !). Nach dieser Definition, die dahin zu erweitern ist, dass die Abgrenzbarkeit dieser Hülle auf einem besonderen physikalischen und mikrochemischen Verhalten beruht, muss man doch die von mir beschriebene, unmittelbar die Zelle umgebende Zone, die sich färberisch und optisch von der übrigen Grundsubstanz aus- zeichnet, als Kapsel auffassen. Die intercapsuläre Substanz, welche als zusammenhängende Kittsubstanz den Knorpel durchzieht und im Zusammenhange mit dem Perichondriom, beziehungsweise der oberflächlichen DT e 8. 616. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 12 178 Josef Sehaffer: Appositionszone steht, zeigt bei Myxine dasselbe Verhalten, wie bei Petromyzon, d. h. sie ist sehr spärlich, oft kaum wahrnehm- bar. Und doch bezeichnet Studnicka den harten Knorpel von Myxine wegen seiner reichlichen Grundsubstanz und zwar mit Recht als wirklichen Hyalinknorpel. Worauf ist nun diese reichliche Grundsubstanz zurückzuführen ? Nur auf die zwischen Zellkapseln und Kittsubstanz abgelagerte Grundsubstanz, welche man im Vergleich mit den Befunden am Knorpelgewebe höherer Thiere also wohl mit Recht als Zellhöfe von den Kapseln unter- scheiden darf. Aus einem solchen Zellhof kann durch Theilung der Zelle ein Zellbezirk (Territorium) hervorgehen, und damit ist die vollständige Analogie mit dem vollentwickelten Hyalin- knorpel höherer Thiere gegeben. Ich glaube, dass gerade diese Auffassung der im harten Knorpel der Cyelostomen noch scharf zu trennenden Componenten der Intercellularsubstanz zu einem leichteren und volleren Verständniss des Knorpelgewebes höherer Thiere führen wird, wo die Grenzen oft mehr minder verwischt sind. Meine Auffassung lässt sich aber auch gut in Einklang brin- gen mit den neueren Anschauungen über die Entstehung-des Knor- pelgewebes, wie sie von Strasser!) angebahnt worden sind und mit den Versuchen besonders auf tinctoriellem Wege in der einst für homogen und strukturlos gehaltenen Grundsubstanz des Hyalinknorpels Bestandtheile verschiedener morphologischer und chemischer Natur nachzuweisen, wie dies hauptsächlich Ramön Cajal?), Mörner?), Renaut‘) und in neuester Zeit Ter- razas?) gelungen ist. 1) Zur Entwicklung der Extremitätenknorpel bei Salamandern und Tritonen. Diss. Breslau, 1879 und Morph. Jahrb. Bd. V, 7879. 2) Manual de Histologia 1887. 3) Histochemische Beobachtungen über die hyaline Grundsub- stanz des Trachealknorpels. Zeitschr. f. phys. Chemie, Bd. XII, 1888 und: Chemische Studien über den Trachealknorpel. Skandinav. Arch. f. Physiol. Bd. I, 1889. 4) Sur la formation cloisonnante (substance trab£culaire) de la substance fondamentale du cartilage hyalin foetal ete. C.R. de l’Aca- demie des sciences, mai 1887. 5) Metodos de coloracion de la substancia fundamental cartila- ginosa. Riv. trimestr. microgr. Madrid, Vol. I, 1896, p. 113. Bemerkungen über die Histologie und Histogenese etc. 179 Wenn auch die Analogien im Einzelnen noch durchaus nicht festgestellt sind, so wird man doch in dem Balkennetz von Mör- ner, der Interglobarsubstanz von Terrazas die primäre Kitt- substanz und in den Chondrinballen des Ersteren die Kapselsub- stanz des Cyelostomenknorpels erkennen dürfen; letztere ist, und damit stimme ich wieder mit St. überein, direktes Zellproduet, welches sich aber morphologisch, und mikrochemisch wieder in die eigentliche Kapsel und den Zellhof sondern ‚kann. Die ungemeine Mannigfaltigkeit im mikroskopischen Bilde des Knorpelgewebes bei verschiedenen Thieren und bei demselben Thiere in verschiedenen Knorpeln ist dann nur auf eine verschiedene Entwicklung jeder einzelnen dieser Componenten, denen wahr- scheinlieh verschiedene mechanische Funetio- nen zukommen, zurückzuführen. Besondere Aufmerksamkeit hat St. den genetischen Beziehungen des Knorpelgewebes zu den einzelnen Binde- und Stützsubstanzen gewidmet. Wie sieh diese Beziehungen bei der Metamorphose des Ammocoetes in den Petromyzon gestalten, wobei die rege Bil- dung neuen Knorpelgewebes nach dem Ausdrucke Studnickas an einen acuten pathologischen Prozess gemahnt, habe ich ziem- lich ausführlich dargestellt. Wie St. bestätigt hat, kommen als Grundlage für die neu entstehenden Knorpel sehr verschiedene Gewebe in Betracht und zwar der Hauptsache nach 1. fibröses Bindegewebe, 2. der Schleimknorpel und 3. das epaxiale Fett- gewebe. Nach St. soll bei Petromyzon ausserdem noch das lockere Bindegewebe als Matrix für die Knorpelbildung auf- treten, doch konnte er hier dieselbe nicht verfolgen; wohl aber bei Myxine, wo es eine grosse Rolle spielen soll. Endlich kommt bei Myxine (nach St. in beschränktem Maasse auch bei Petromyzon!) noch ein Gewebe vor, wel- ches in ausgedehnte und innige Beziehung zum Knorpelgewebe tritt und welches St. als „Vorknorpel“ bezeichnet hat. Es stellt nach ihm „einen umgewandelten, etwa wie in der Entwick- lung zu wirklichem Knorpel zurückgehaltenen Schleimknorpel 11. €. 8.69% 180 Josef Schaffer: dar“ und ist ganz nahe dem blasigen fetthaltigen Bindegewebe verwandt, nur dass seine Zellen selten Fett enthalten. Während ich nun für die bei der Metamorphose von Ammocoetes in den verschiedenen Geweben entstehenden Knorpel zu zeigen ver- sucht habe, dass an keiner Stelle der neue Knorpel dureh direkte Umwandlung, Metaplasie, des un- veränderten larvalen Gewebes entsteht; dass viel- mehr an allen diesen Stellen lebhafte Neubildung oder Zuwande- rung zelliger Elemente chondroblastischer Natur vor sich geht, die dann in mehr oder minder übereinstimmender Weise die neuen Knorpel bilden !), spricht sich St. dafür aus, dass ver- schiedenste Formen der bereits mehr weniger differenzirten Ge- webe sieh in einen Knorpel umwandeln ?). Demnach stehen sich in diesem Punkte unsere Anschauun- gen diametral entgegen. Nachdem es sich hier aber, wie so oft bei histogenetischen Fragen um die subjective Deutung des Ge- sehenen handelt, müssen wir die peinlichste Sorgfalt in der Ana- Iyse der mikroskopischen Bilder voraussetzen; dann können in ihnen allerdings zwingende Momente für eine bestimmte Deu- tung und damit eine Gewähr für die Richtigkeit der letzteren liegen. Ich glaube nun im Folgenden zeigen zu können, dass St. einige wichtige Momente in der Beobachtung seiner Uebergangs- formen entgangen sind. Was die Entstehung neuen Knorpelgewebes aus fibrösem Bindegewebe und Schleimknorpel anlangt, so stimmen unsere‘ Schilderungen ziemlich überein; dagegen kann ich die Vorstel- lung Studnieka’s über die Bildung des Knorpels aus blasigem fetthaltigem Bindegewebe nach meinen Beobachtungen über die Ent- stehung der Neurapophysen im epi- und parachordalen Fettge- webe °) nicht theilen. - Allerdings hat St. eine solehe Entstehung hauptsächlich an den Flossenknorpeln studirt, die ich nieht untersucht habe; doch stehen dieser Vorstellung von der Umwandlung der grossen, hoch- 1) 1. c. 8. 64. 2)1. c. 8. 69. 3) 1. ec. S. 650-655, Bemerkungen über die Histologie und Histogenese etc. 181 differenzirten Fettzellen, in denen das Bildungsplasma nahezu aufgebraucht ist, in die kleineren Knorpelzellen mit compactem Protoplasmaleib eine Reihe prinzipieller Bedenken entgegen. Uebrigens lässt St. auch die ‚untere, grössere Partie‘ der Neu- rapophysen aus Fettgewebe entstehen, wofür ich an meinen Ob- Jeeten nicht den geringsten Anhaltspunkt entdecken konnte. Ist es schon von vorneherein höchst unwahrscheinlich, dass sich das- selbe Knorpelstück zuerst aus sozusagen indifferenten Bildungs- zellen, in diesem Falle Chondroblasten und weiterhin aus hoch- differenzirten Fettzellen bilden sollte, so sind die von mir ge- schilderten Bilder vom Eindringen protoplasmatischer Bildungs- zellen zwischen die blasigen Fettzellen, die Umwandlung der ersteren in zunächst getrennte Knorpelinselehen, ja einzelne Knorpelzellen, welche schliesslich unter Verdrängung und teil- weiser Umwandlung der Fettzellen sich zu den dorsalen Bogen- stücken vereinigen, zu klar, als dass sie eine Deutung im Sinne Studnicka’s zulassen könnten. St. hat offenbar die kleinen Bildungszellen im Fettgewebe übersehen oder nicht als solche erkannt und ebenso die zweifellos zu beobachtenden Rückbil- dungserscheinungen an den Fettzellen. Man kann die unver- sehrten Fettzellen ringsum von Knorpel umschlossen und weiter- hin zusammengedrückt werden sehen; dabei geht das Fett wahr- scheinlich in Lösung, und der kernhaltige Protoplasmarest sammt Membran zerfliesst zu einer gleichmässigen Masse, welehe inter- capsuläre Zwickel ausfüllt und durch ihr Verhalten gegen Färbe- mittel deutlich erkennen lässt, dass sie eine chondromucoide Um- wandlung erfährt. Derselbe Prozess, der sich hier an den Fett- zellen abspielt, betrifft anderswo die faserigen Elemente des Perichondriums und offenbart sich auch hier wieder auf das Unzweideutigste die assimilatorische Kraft der Knorpelzellen. Bei der Schilderung dieses Fettgewebes erwähnt St. auch, dass das sonderbare Gewebe, welches bei den Cyelostomen (Pe- tromyzon und Myxine). oberhalb des Rückenmarkes und des Ge- hirns zwischen diesen Organen und dem Skelette sich befindet, auch hierher gehöre, nur enthielten seine Zellen kein Fett. Nach meinen Beobachtungen muss ich jedoch das arachnoidale Füllgewebe des Centralnervensystems von Ammocoetes’ und Pe- tromyzon in Uebereinstimmung mit Renaut als eine besondere 182 Josef Schaffer: Form des Stützgewebes auffassen, welches nieht mit Fettgewebe verwechselt werden darf, sondern ein Uebergangsglied von der formenreichen Reihe der Stützsubstanzen der Wirbellosen zu jenen der Wirbelthiere darstellt, welche zu echtem Knorpelgewebe hinüber führen. Meines Wissens war Renaut!) der Erste, welcher dieses eigenthümliche Gewebe richtig beschrieben und auch die funk- tionelle Wichtigkeit dieser elastischen und nicht zusammendrück- baren Masse betont hat. Im gehärteten Zustande erinnert dieses Gewebe bei Am- mocoetes an eine Chordagallerte; untersucht man dieselbe an Isolationspräparaten, so findet man die äusserste Schiehte, welche unmittelbar den fibrösen Rückenmarkskanal auskleidet, eine Art Endothel darstellen, indem sie aus abgeplatteten sechsseitigen Zellen besteht, deren Oberfläche eine zierliche Netzzeichnung er- kennen lässt. Nach innen davon findet man drehrunde, nach Art der elastischen Fasern korkzieherartig gewundene Fasern, welche vollkommen mit denen im Schleimknorpel des Ammocoetes über- einstimmen. Wie diese zeigen sie im gehärteten Zustande ein ziemlich starkes Lichtbrechungsvermögen und lassen manchmal deutlich Verästelungen erkennen. Sie wurden daher auch von den meisten Beobachtern ?) für elastische Fasern gehalten. Sie quellen jedoch in kalter Essigsäure und sind nichts anderes als dünnste Bündelchen leimgebender Fibrillen, deren Oberfläche eine äusserst dünne elastische Grenzschicht bedeckt. Ausser die- sen Fasern finden sich noch zweierlei eigenthümliche Zellformen: einmal anscheinend geschwänzte Bindegewebszellen, welche jedoch vollkommen in fibrilläre Platten und Häutchen eingebettet er- scheinen und zu denselben in einem ähnlichen Verhältnisse stehen, wie die verzweigten Zellen des Schleimknorpels zu den Platten, 1) Systeme hyalin de soutenement des centres nerveux et des quelques organs des sens. Arch. de physiol. 1881, p. 845—860. Siehe noch sein Trait& d’Histologie pratique. T. I, Paris, 1888, p. 339. 2) So von Goette, Beiträge zur vergleichenden Morphologie. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 15, 1878, S. 319. Ahlborn, Untersuchungen über das Gehirn des Petromyzon. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 39, 1883 und Langerhans, Untersuchungen über Petromyzon Planeri. Verh. d. naturw. Ges. zu Freiburg i. B. Bd. VI, 1876. Bemerkungen über die Histologie und Histogenese etc. 183 die ich dort beschrieben habe °), indem es beim Zerzupfen leicht gelingt, solehe Platten mit den anhaftenden Zellen zu isoliren und zweitens blasige, ovoide Zellen, mit deutlicher doppelt con- tourirter Membran, die von Renaut genau beschrieben worden sind. Sie zeigen die grösste Aehnlichkeit mit Pflanzenzellen, liegen in Lücken des Gewebes, aus denen sie beim Zerzupfen leicht herausfallen. Dann sieht man, dass die Membran einen von grossen Lücken durchsetzten Protoplasmakörper umschliesst, in welcher der Kern liegt. Von der Protoplasmamasse um, den Kern, welche oft auch ein sphärenähnliches Gebilde eimschliesst, gehen radiäre Protoplasmafäden gegen die Kapsel und vereini- gen sich hier mit einer dünnsten Protoplasmaschichte, welche die Membran innen auskleidet. In den Netzsträngen dieses Proto- plasmas finden sich kleinere und grössere Fetttröpfehen einge- schlossen. Alle diese morphologischen Elemente sind in eine reich- liche, in vivo flüssige Grundsubstanz eingetragen, die bei Fär- bungen deutliche Schleimreaction zeigt, wie im Schleimknorpel. Demnach ähnelt dieses ganze Gewebe sehr dem Schleimknorpel, nur dass es nicht so dieht gefügt erscheint und dass viele seiner Zellen eine Umwandlung in blasige, knorpelzellenähnliche Gebilde erfahren haben. Gegen das Gehirn zu verlieren sich die Fasern und Platten, die blasigen Zellen nehmen an Zahl zu, so dass sie um das Gehirn herum endlich bis zur gegenseitigen Berührung und Abflachung gelangen. Hier enthalten sie auch viele Fett- tröpfehen; zwischen den polyedrischen Zellen verlaufen jedoch Bluteapillaren und liegen auch Pigmentzellen. An Schnittpräparaten scheint es, als ob bei Myxine ein analoges Gewebe das Rückenmark umhüllen würde. Hier bildet jedoch die unmittelbare Umhüllung des letzteren eine dichtge- fügte Faserhaut, welche aus vorwiegend längsverlaufenden Bindegewebsbündelchen und elastischen Fasern besteht. Dann folgt allerdings ein Gewebe, welches dem eben beschriebenen von Ammocoetes einigermaassen gleicht: Fasern und Platten in deutlich schleimhaltiger Grundsubstanz, welche aber nur gewöhn- liche Fettzellen einschliesst, wie man sie auch bei Knochenfischen Diele 8; BAFUrE 184 Josef Schaffer: in dieser Gegend findet. Im Gegensatz zu Petromyzon verliert sich dieses Gewebe gegen das Gebirn zu ganz und ist das letz- tere bei Myxine nur von spärlichen Platten lamellösen Bindege- webes umgeben, welches auch die Oberfläche des arachnoidalen Füllgewebes im Rückenmarkskanal bedeckt. Nach dieser Abschweifung kehre ich zu der Darstellung Studnicka’s von den Beziehungen des lockeren Bindege- webes und des von ihm als „Vorknorpel‘“ bezeichneten Gewebes zum Knorpel der Myxine zurück. Was das letztere Gewebe anlangt, so habe ich dasselbe in meiner Eingangs dieser Bemerkungen angeführten Mittheilung kurz als Knorpel bezeichnete, es dabei aber eben so wenig, wie Studnieka, für echtes Knorpelgewebe gehalten. Die frühe- ren Autoren haben das Gewebe für Knorpel angesehen, und ich wollte einer besonderen und eingehenden Schilderung, die ich bereits damals vorbereitet hatte, nicht vorgreifen. Uebrigens habe ich bereits auf die Analogie mit dem Gewebe des Sesam- knotens in der Achillessehne des Frosches hingewiesen, die mir so wichtig scheint, dass ich erstaunt bin, dass St. von derselben keine Notiz genommen hat. Hätte er diese Analogie weiter verfolgt, so hätte er auch dieses Gewebe kaum als ‚„Vorknorpel“ bezeichnet. Der Ausdruck ‚Vorknorpel“ ist schon von verschiedenen Autoren zur Bezeichnung recht verschiedener Dinge verwendet worden und verweise ich in dieser Hinsicht auf die Anmerkg. 1, S.632 meiner Abhandlung. Verfolgt man jedoch die Verbreitung und den feineren Bau dieses fraglichen Gewebes bei Myxine ge- nauer, so wird man Studnicka vollkommen recht geben, wenn er es als ziemlich selbstständigen Gewebetypus bezeichnet!). Auch die Schilderung, welehe er vom feineren Bau desselben gegeben hat, ist zutreffend, wenn auch nieht erschöpfend, und kann ich die Vermuthung Studniceka’s, dass die Scheidewände zwi- schen den blasigen Zellen, welche die Hauptmasse des Gewebes bilden einfach sind, bestätigen. An Isolationspräparaten kann man sich überzeugen, dass es sich um ein dünnwandiges, inter- celluläres Fachwerk handelt, welches durch das ganze Gewebe 1) 1. e. S. 638. Bemerkungen über die Histologie und. Histogenese etc. 185 hindurch zusammenhängt und in dessen Alveolen die Zellen ein- gelagert erscheinen. Dasselbe Verhalten ist für das Sesamknöt- chen des Frosches nachgewiesen. Es bietet dieses Gewebe demnach in morphologischer Hin- sicht, wie ich St. gegenüber hervorheben muss, grosse Analogie mit den einfachsten Formen echten Knorpelgewebes, wie ich es z. B. im Kiemenknorpel von Ammocoetes geschildert habe. An- dererseits ist es durch eine ganze Reihe von Uebergangsformen mit dem Stützgewebe bei Wirbellosen verbunden. Was seine Verwendung im Aufbaue des Skeletes von My- xine anlangt, so will ich hier, um der ausführlichen Beschrei- bung nicht vorzugreifen, nur so viel erwähnen, dass es nicht nur selbstständige Skeletstücke bildet und als Füll- und Uebergangs- sewebe zwischen hartem und weichem Knorpel vorkommt, son- dern auch als Bildner eines echten Sesamknotens in der Sehne des Retraetor linguae. Somit müssen hier seine blasenförmigen Zellen, wie bei den Anuren, als eigenthümlich metamorphosirte Sehnenzellen angesehen werden. Stadelmann!) hat zur Be- zeichnung dieses Gewebes beim Frosche den Ausdruck „Pseudo- knorpel“ vorgeschlagen; ich werde es in Hinsicht auf seine Uebereinstimmung mit manchen Stützgeweben bei niederen Thieren als vesieulöses Stützgewebe bezeichnen. Dasselbe bietet nun bei Myxine je nach dem Orte seines Vorkommens ein verschiedenes Aussehen. Dort, wo es selbst- ständige Skeletstücke bildet, erreichen seine Zellen die beträcht- lichste Grösse, ihr Protoplasma wird glasartig durchsichtig, die Kerne zeigen ein weitmaschiges Chromatingerüst mit knotigen Verdiekungen und, übereinstimmend nach Studnicka’s und meinen Schilderungen, häufig Zeichen amitotischer Theilung. Im sog. Zungenbeinkiel, welcher das mächtigste, aus die- sem Gewebe aufgebaute Skeletstück darstellt, verlaufen ausser- dem zwischen den Zellen bestimmt und zwar nach Art .stützen- der Systeme angeordnete Balken und Bündel von fibrösem Gewebe. Dort, wo das vesiculöse Stützgewebe an Knorpel stösst, 1) Die Histologie des „Pseudoknorpels“ in der Achillessehne des Frosches. Inaug. Diss. Königsberg i. Pr., 1878. 186 Josef Schaffer: werden die Zellen kleiner, ihr Protoplasma dichter, ebenso der Bau ihrer Kerne, und zwischen den Zellen ist ein Flechtwerk einzelner dünner Bindegewebsbündelehen oder an manchen Stellen vorwiegend elastische Fasern zu sehen, die sich bei Myxine häufig mit Hämatoxylin blau färben. Eine sonderbare Umwandlung erfährt dieses Gewebe an der Basis der lateralen Schlundriemenknorpel und der Tentakel, sowie an manchen anderen Stellen. Es geht hier über in ein srundsubstanzreiches, lockeres Bindegewebe mit kleinen spindel- oder sternförmigen Zellen, die um den Kern nahezu kein Proto- plasma zu besitzen scheinen, nur an den Polen desselben, von denen schmale oder membranartige Fortsätze abgehen. Die homogene Grundsubstanz verhält sich ablehnend gegen saure Anilinfarben, färbt sich dagegen an manchen Stellen, so besonders um die Riechkapsel, in der Nähe der Augen deut- lich mit Hämatoxylin, so dass sie ganz an die Grundsub- stanz des Schleimknorpels erinnert. Wie in diesem, verlaufen in ihr auch Bindegewebsfasern, aber auch echte elastische Fasern. An manchen Stellen (z. B. zwischen den harten Knorpel- stücken der vorderen Reihe des sog. Zungenbeins) kann man die Umwandlung dieser spindelförmigen Zellen in blasige wahr- nehmen, so dass die Auffassung Studnicka’s, das vesiceulöse Stützgewebe (sein Vorknorpel) entstehe aus dem Schleimknorpel, gerechtfertigt erscheint. An manchen Stellen trifft man aber auch einzelne Knorpelzellen in diesem Gewebe sowohl, als auch im vollentwickelten vesieulösen Stützgewebe, z. B. des sog. Zun- genbeinkiels. In beiden Fällen sind jedoch diese Knorpelzellen weder aus einer direkten Umwandlung der geschwänzten Zellen, noch der blasenförmigen Zellen hervorgegangen, wie St. glaubt. Zu der Annahme einer direkten Verknorpelung der Zell- fortsätze hat St. das Vorkommen von Knorpelzellen mit verknor- pelten, faden- oder faserförmigen Anhängen geführt (vgl. seine Figg. Taf. XXX, 15 und Taf. XXXI, 6); andererseits liegt die Vorstellung, dass sich die Membran einer blasenförmigen Zelle in eine Knorpelkapsel und somit die differenzirte Zelle des vesiculösen Stützgewebes in eine Knorpelzelle umwandle, Bemerkungen über die Histologie und Histogenese etc. 187 bei dem engen räumlichen Zusammenhange beider Gewebefor- men nahe. Und doch fordern diese Bilder, die St. ja ganz richtig be- schrieben hat, eine andere Erklärung. In dem letzteren Falle hat St. das Vorkommen klei- ner, indifferenter protoplasmatischer Zellen allenthalben zwischen den differenzirten blasenförmigen über- sehen; diese sind es, welche sich in Knorpelzellen (oder in Bindegewebszellen) umwandeln, während die volldifferenzirte Zelle niemais Knorpelgrundsubstanz um sich erzeugt.” Dies lässt sich besonders im Zungenbeinkiel, wo die indifferenten, protoplasmatischen Reservezellen eine bestimmte Localisation zeigen, deutlich erkennen. Im zweiten Falle runden sich die geschwänzten Bindege- webszellen, ehe sie sich zur Knorpelbildung anschieken, ab, wie ich dies bei der Umwandlung des Schleimknorpels beschrieben habe und wie etwas ähnliches in den oberflächlichen Lagen des Gelenkknorpels vorkommt; dann macht sich aber auch sofort ihre assimilatorische Wirkung auf die anliegenden Bindegewebs- bündel geltend, dieselben verknorpeln und werden in die Grund- substanz, die um die Zelle in Form einer Kapsel abgeschieden worden ist, eingeschmolzen. So entstehen die Bilder geschwänzter Knorpelzellen, aber auch jene von einzelnen Knorpelzellen mit höckeriger Oberfläche, wie sie St. in Fig. 7, Taf. XXX abgebildet hat. Die elasti- schen Fasern zerfallen dabei, wie ÖOrceinpräparate erkennen lassen, zu Kittsubstanz, während die Bindegewebsfasern, ohne wesentliche mikrochemische Umformung in dieser unter dem Einflusse der Zellen (Chon- droblasten) erzeugten Kittsubstanz einfach un- sichtbar werden. Dieses Verhalten kann man an den Rändern der harten und weichen Knorpel ebenfalls deutlich erkennen; es bedingt hier die von St. beschriebene feine Zerfaserung des ganzen Knorpelrandes. Wenn man diese Vorstellung von der assimilatorischen Fähigkeit der Chondroblasten, die sie auf die Umgebung der Zellen in einer bestimmten Ausdehnung erstreckt festhält, dann 1885 Josef Schaffer: Bemerkungen über die Histologie etc. kann man die Angaben Studnicka’s, dass die Oberfläche der Kapseln der sich bildenden noch isolirt liegenden „gelben“ Zellen nicht glatt, sondern immer höckerig sind und dass in der Nähe derselben und zwischen ihnen gewöhnlich massenhaft kleine „gelbe“ Körnehen und faserige Massen liegen, so dass es scheint, als ob die „gelbe‘“‘ Knorpelsubstanz sich nicht nur an der Oberfläche der Zellen, sondern auch in einer Entfernung von ihnen sich ablagern!), befriedigend erklären ; sie ist aber auch in Einklang zu bringen mit unseren gegenwärtigen An- schauungen über den chemischen Aufbau und die fibrilläre Structur der Knorpelgrundsubstanz. Wien, 28. Februar 1897. 139 (Aus dem zoologischen Institut in München.) Karyokinese des Spermakerns. Von Franz Doflein. Hierzu Tafel XI, XII und XIII. Nachdem Richard Hertwig in seiner jüngsten ’Publi- kation (96) festgestellt hat, dass bei parthenogenetischer Ent- wiekelung des Eikernes von Seeigeln aus der achromatischen Substanz ein dem Centrosoma homologes Gebilde entsteht, war es von Wichtigkeit zu erfahren, wie sich das Centrosoma resp. die achromatische Substanz bei selbständiger Entwickelung des Spermakernes verhielte. R. Hertwig selbst hat in seiner Ab- handlung das Problem bereits formulirt, indem er annimmt, „dass das Centrosoma des Samenfadens von nucleärer Herkunft ist und die achromatische Substanz des Samenkerns repräsentirt.“ Den letzteren Theil dieser Annahme, welcher übrigens in seiner Lösung auch auf den ersten Theil Lieht zu werfen geeignet ist, habeich zum Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gemacht. Den Hinweis auf das Thema der Arbeit sowie vielerlei Angaben über die Behandlung des Materials verdanke ich meinem verehrten Lehrer Herrn Professor R. Hertwig, dem ich hierfür, sowie für seine vielseitige Unterweisung und Förderung tiefen Dank schulde. Auf eine genaue Besprechung der einschlägigen Literatur brauche ich mich nicht einzulassen, da dieselbe in den Referaten Erlanger's im zoologischen Centralblatt (96 1—5) sowie der Arbeit meines Lehrers ausführlich und kritisch gewürdigt ist; auf die seit der Redaktion der letzteren erschienenen Arbeiten aus dem Gebiete werde ich im letzten allgemeinen Abschnitt der gegenwärtigen Untersuchung eingehen. I. Beschaffung und Behandlung des Untersuchungsmaterials. Um meine Resultate direkt mit denjenigen R. Hertwig'’s vergleichen zu können, wählte ich als Untersuchungsobjekte die Geschlechtsstoffe von Seeigeln, indem ich durch Behandlung mit Narkotieis eine normale Befruchtung verhinderte. Ich verschaffte Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 15 190 Franz Doflein: mir das Material bei einem zweimaligen Aufenthalt in der zoolo- gischen Station zu Rovigno im April und September bis Oktober 1896. Ich möchte an dieser Stelle dem bayerischen Kultus- ministerium und der Direktion des Berliner Aquariums für je einmalige Anweisung eines Arbeitsplatzes in der Station meinen Dank aussprechen. Ferner habe ich Herrn Dr. Hermes, dem Direktor des Berliner Aquariums und damit der Rovigneser Sta- tion, für viele Liebenswürdigkeit, die er mir während meines Aufenthaltes erwies, herzlichsten Dank abzustatten. Die Seeigel, welchen Eier und Sperma entnommen wurden, gehörten den Arten Sphaerechinus granularis und Strongylocen- trotus lividus an, und zwar wurde bei den Befruchtungsversuchen Bastardirung vermieden. Eine Serie von Eiern wurde 1!/, Minuten nach Zusatz des Samens mit 0,5°/, Chloralhydratlösung behandelt. Durch eine solche Behandlung wird zunächst die Bewegungs- fähigkeit der Vorkerne aufgehoben, weiterhin aber ihre Vereini- gung gänzlich verhindert, so dass beide zu selbständiger Ent- wiekelung gelangen. All dies haben bereits die Brüder Hert- wig in ihrer Abhandlung „Ueber den Befruchtungs- und Thei- lungsvorgang des thierischen Eies unter dem Einfluss äusserer Agentien* (87) festgestellt. Nach einer Viertelstunde wurde die Giftlösung durch frisches Meerwasser ersetzt und das Chloralhydrat durch mehrfaches Wechseln desselben nach Möglichkeit ausgewaschen. Es wurde schon am frischen Material eine Weiterentwiekelung, Strahlung u. 8. w. festgestellt; diese Befunde wurden am Material, welches mit Pikrinessigsäure konservirt, mit Boraxkarmin gefärbt und in Nelkenöl untersucht wurde, bestätigt. Da jedoch an den ganzen Objekten feine Details nieht studirt werden konnten, so wurde das Material in Paraffın eingebettet und die weitere Unter- suchung an feinen Schnitten fortgeführt. Die letzteren wurden in der Dieke von 2, 4 und 6u angefertigt und zum Theil mit Safranin, zum Theil mit Heidenhain’s Eisenhämatoxylin ge- färbt. Letztere Färbung wurde mittelst der Eisenalaunbeize er- zielt, und da ich mit derselben gute Resultate hatte, habe ich Heidenhain’s neueste Angabe (96) nicht berücksichtigt. Ein Theil der Serien war mit Bordeauxroth vorgefärbt worden. Eine zweite Portion Eier war zum Zweck der Polyspermi- rung mit einer 0,2 °/,tigen Lösung von Stryehnin (S. nitrieum) Karyokinese des Spermakerns. 191 behandelt worden. Merkwürdigerweise erwiesen sich die Seeigel- eier als ziemlich widerstandsfähig gegen dieselbe, und ich musste, um zum gleichen Resultat zu gelangen, die Lösung länger ein- wirken lassen, als es m den Hertwig’schen Versuchen ge- schehen war. Da ich nicht mehr hinreichend Zeit hatte, vielerlei Versuche anzustellen, erhielt ich nur ziemlich stark polysperme Eier. Dieselben wurden in der gleichen Weise wie die oben besprochene Serie zur Untersuchung vorbereitet. Im Grossen und Ganzen haben sie mir nur die Resultate der ersten Serie bestätigt, doch lieferten sie auch einige wichtige Ergänzungen und neue Thatsachen. Die Beobachtungen der Gebr. Hertwig über die Wirkungsweise der beiden Gifte kann ich vollkommen bestätigen, insbesondere ist es auch mir aufgefallen, dass Chloral- hydrat die Plasmastrahlungen fast vollständig aufhebt, während sie durch Strychnin vermehrt werden. Ehe ich meine Resultate im Speciellen bespreche, möchte ich die Bemerkung vorausschicken, dass natürlich der Zusammen- hang der Stadien nur erschlossen ist; ich reihe die verschiedenen Bilder aneinander, wie ich sie eben durch Uebergänge mit einander verknüpft finde. In diesem Sinne sind Ausdrücke wie „Form a schlisst sich an Form b an“, oder „a verwandelt sich in b“ u. s. w. zu verstehen. lI. Die Umwandlungen am Samenkern im Ei bei Ver- hinderung der Kopulation. Die erste Portion von Eiern war 15 Minuten nach dem Zu- satz des Samens, somit 5 Minuten nach dem Auswaschen der Chloralhydratlösung konservirt worden. Wie dies bereits in den Untersuchungen der Brüder Hertwig hervorgehoben ist, findet man bei experimentell geschädigten Eiern unter dem gleichzeitig abgetöteten Material die verschiedenartigsten Stadien vor, woraus Jene Forscher den sicherlich einwandsfreien Schluss zogen, dass die aus dem Ovarium entleerten Eier durchaus kein gleich- artiges Material darstellen, dass die Widerstandskraft gegen schä- digende Einflüsse individuell schwankt. Somit konnte schon an dieser ersten Portion eine ganze Reihe von Veränderungen konstatirt werden. An den frühesten Stadien war Mittelstick und Spermaköpfehen deutlich zu unter- scheiden; letzteres wies die typische Form auf, wie sie Wilson, 192 Franz Doflein: Hertwig u. A. in neuerer Zeit abgebildet haben (Fig. 1). Manchmal war das Köpfehen etwas gekrümmt, so dass es auf dem Sehnitt aus 2 Theilen zu bestehen schien, indem eine mittlere Portion durch den vorhergehenden Schnitt weggenommen war (Fig. 14). Bei einigen Spermakernen war um das Mittelstück eine geringe Strahlung noch vorhanden (Fig. 12), doch auch diese verschwand in den folgenden Stadien, wohl in Folge der Nach- wirkung des Chloralhydrats, so dass eine Epoche folgt, in welcher in sämmtliehen Eiern keine Spur von Strahlung mehr nachzu- weisen ist (Fig. 1, 2). Das Mittelstück erscheint als feinkörnige Kappe dem Sperma- köpfehen aufsitzend; in den Safraninpräparaten und selbst manch mal in solehen mit Heidenhain’scher Färbung zeigt es sich scharf umrandet, dabei durchsichtig und von eigenthümlich glas- artigem Aussehen. Die Conservirung hat ferner den Spermakern in verschiedenen Stadien der Drehung überrascht, so dass das Mittelstück bald centrifugal, bald eentripetal gerichtet ist; da- neben finden sich alle Uebergänge zwischen diesen extremen Stel- lungen (Fig. 12, 14, 25). Während noch Spuren der Strahlung sichtbar sind, oder auch nach deren vollständigem Schwund beginnt der Kopf des Spermakerns seine schlanke Gestalt aufzugeben, er wird ge- drungener, schliesslich fast kugelig. Dieser Kugel sitzt an einem abgeplatteten Ende das Mittelstück in Gestalt einer kleinen Halb- kugel auf. Dieselbe breitet sich manchmal einigermaassen auf der Oberfläche des Spermakopfes aus; öfter jedoch sieht man die Substanz des letzteren, von diesem Stadium an, das Mittel- stück wulstig umfassen (Fig. 3, 4). Die hier anschliessenden Bilder lassen auf verschiedene Typen der Weiterentwickelung schliessen. Hauptsächlich kann man zwei Entwickelungsreihen annehmen; an jeden dieser Haupt- typen schliessen sich Modifikationen an, welche durch das frühere oder spätere Auftreten einer Flüssigkeitsvakuole um die Kern- masse bedingt ist. Erster Entwicklungstypus. Die ersten Stadien dieser Umbildungsreihe zeigen das Ge- meinsame, dass die achromatische Substanz bei ihnen in kom- pakten Massen auftritt. Karyokinese des Spermakerns. 193 Während die letzten betrachteten Bilder den Spermakern noch in die zwei typischen Stücke getheilt aufwiesen, in das chromatische Spermaköpfehen und das achromatische Mittelstück, sind jetzt weitere morphologische Differenzirungen zu bemerken. Die achromatische Substanz ragt an mehreren Stellen aus dem noch fest zusammengeballten Chromatinklumpen in Form von Kugelausschnitten hervor. In vielen Fällen sitzen sie wohl auch dem Chromatin nur oberflächlich auf. Betrachten wir zunächst den einfachsten Fall, wenn nur zwei solche Gebilde auftreten ! Wir haben dann das Bild emer sieh bildenden Spindel, wie es uns von Protozoen, bes. von Infusorien ja hinreichend bekannt ist: einen chromatischen Kem, an welchen an zwei opponirten Enden sogenannte Polplatten aufsitzen. Von dem eigentlichen Mittelstück ist nichts mehr zu sehen: seine Substanz ist zu den Polplatten verbraucht worden (Fig. 6, 7, 8, 11, 24). Ganz neuer- dings hat Mitrophanow sehr ähnliche Bilder auch von Col- lozoum gegeben (196). Auf welehem Wege dies geschieht, darauf weisen uns eine Reihe von Bildern hin, welche in den Fig. 4, 5, 6, 9, 10, 135, 25 dargestellt sind. Man hat direkt den Eindruck, als ob die achromatische Substanz des Mittelstückes allmählich in den Chro- matinklumpen hineinwachse oder von «diesem mit einem ring- förmigen Wulst überwachsen würde. Diesen Vorgang sehen wir eingeleitet in Fig. 4 In den Fig. 9 und 10 sahen wir die achromatische Substanz bereits in zwei kugelige Körper getheilt. Die Figuren stellen optische Schnitte durch denselben Sperma- kern bei verschiedener Einstellung dar. Bei obertlächlicher Ein- stellung sieht man aus der gefärbten Substanz nur ganz kleine achromatische Aufsätze hervorragen, bei tieferer Einstellung er- kennt man einen viel grösseren Kreis, der sich weit ins Chromatin hineinerstreckt. Die Rekonstruktion ergibt also zwei kugelige Körper, welche von entgegengesetzten Polen tief in die Masse des ursprünglichen Spermaköpfehens hineinragen und sich mit ihren centralen Enden fast berühren. In ihrem optischen Ver- halten und ihren Färbungsreaktionen stimmen diese Gebilde durchaus mit der Substanz des Mittelstückes überein, von welehem sie ohne allen Zweifel abstammen. (Ob eine Durchwachsung des Chromatins stattgefunden hat, oder ob sich das Achromatin an wa Eranz,Doflein; der Oberfläche desselben getheilt und sich nachträglich erst so angeordnet hat, ist aus meinen Präparaten nicht zu ersehen.) Mitunter zeigen sie auch jenes glasartige Aussehen, wie ich es oben für das Mittelstick erwähnt habe und wie es R. Hertwig für spätere Stadien der parthenogenetischen Ent- wickelung des Seeigeleies für die achromatische Substanz ge- schildert hat (96). Zweipolige Figuren sind nicht gerade selten; ebenso häufig findet man aber in diesem Stadium Figuren, welche 3 oder 4 Pole aufweisen. Einen Kern, welcher im Begriffe ist, sich zu einer solehen umzuwandeln, zeigt Fig. 5. Wir sehen den Chro- matinmantel an mehreren Stellen von Anhäufungen achromatischer Substanz durchbrochen. Sowohl bei den zweipoligen als auch bei den mehrpoligen Figuren tritt eine Weiterentwickelung dadurch ein, dass die achromatischen Kugeln oder Klumpen kegelförmig auswachsen. Die ersteren ergeben dann eine schöne Spindelfigur, bei welcher sich an die kegelförmigen noch gänzlich homogenen Polplatten ein äquatorialer Ring von ebenfalls homogenem Chromatin an- gliedert. Von Chromosomen ist keine Spur zu sehen, ebenso- wenig ist in den meisten Fällen eine Granulation in der Aequato- rialplatte zu erkennen; selten unterscheidet man in einer selbst mit fein vertheiltenı Chromatin durchsetzten Masse einige un- regelmässige, grössere Klumpen dieser Substanz (Fig. 11, 8, 6,29): Während des ganzen Vorganges war von einem distinkten Centrosoma nichts zu entdecken. Die Strahlung im Plasma ist auf diesem Stadium gänzlich verschwunden. Die mehrpoligen Figuren haben mittlerweile die von den Gebr. Hertwig schon früher beschriebene Form angenommen: die Umbildungsstadien des Spermakerns zur Ordenssternfigur (Fig. 15, 16). Auch hier sind die Polplatten kegelförmig aus- gewachsen; dieselben sitzen central dem Chromatin auf, oder ragen in dasselbe hinein; dieses hat entweder noch kompakte Beschaffenheit, es kann auch ringartig verschmälert sein und wie ein Wulst über die achromatisehe Substanz vorragen (Fig. 16). Nicht selten entsteht auf diese Weise eine sehr zierliche orna- mentale Figur. Dieselbe ist gegen das umgebende Plasma scharf abgesetzt, Karyokinese des Spermakerns. 195 auch in ihrem achromatischen Theil. Die Substanz des letzteren erscheint bisweilen fein granulirt, gewöhnlich ziemlich homogen. Bei den mehrpoligen Formen habe ich bisweilen auf diesem Sta- dium eine ganz geringe Streifung von der chromatischen Platte gegen die Pole hin gesehen. Doch ist dieselbe nur sehr unbe- deutend und beeinträchtigt die Wirkung der Polplatten als ein- heitlicher Körper nieht (Fig. 16). Bei den zweipoligen Gebilden ist es nun geradezu ein Aus- nahmefall, dass die beiden Pole einander diametral gegenüber stehen; statt im Winkel von 180°, divergiren sie vielmehr in einem Winkel, welcher um 120° schwankt. Dieser Befund ist sowohl für unsern speciellen Fall, als auch allgemein genommen nicht uninteressant. Ich werde darauf später zurückkommen. Während die Polkegel sich in die Länge strecken, erfahren sie eine merkwürdige Umbildung. Die Substanz, welche vorher in der oben geschilderten Weise mehr oder weniger homogen war, erhält nun ein lockeres Gefüge, sie wird deutlich faserig. Dabei geht dieser Vorgang nicht an beiden Polkegeln gleich- mässig vor sich, sondern es kann der eime von ihnen noch gänz- lieh homogen sein, während der zweite bereits eine auffallende Streifung zeigt (Fig. 18, 19). Bei den dreipoligen Spindeln kommt es vor, dass 2 Pole faserige Differenzirungen zeigen, während der dritte homogen ist, u. 8. W. Bei der geradlinigen Ausbildungsform erhalten wir so ohne Weiteres ein typisches Spindelbild ohne Centrosomen, welches an die Anfangsstadien der Mitosen bei den Nebenkernen von Infusorien erinnert; dabei ist die Aequatorialplatte nur durch einen kompakten Klumpen von Chromatin vertreten. Die ge- knickte Spindel gelangt auf gleich zu besprechenden Umwegen manchmal zu einer ähnlichen Ausbildung, während die mehr- poligen Figuren mannigfachen Umbildungen unterliegen. Die Veränderungen, welche an den zweipoligen Spindeln zunächst vor sich gehen, sind besonders deswegen interessant, weil sie uns gewisse Einblicke in die Wirkungsweise der achro- matischen Substanz erlauben. Die Fig. 22 und 27 zeigen uns verschiedene Stadien einer solchen Umbildung. Fig. 27 lässt sich direkt von der geknickten Spindel ableiten. Von den beiden Polkegeln haben sich Fasern abgespalten und zwar nach der inneren Seite des stumpfen Winkels zu, Die von den beiden 196 Franz Doflein: Polen abgespaltenen Fasern haben sich in der Aequatorebene vereinigt, und es ist damit eine ziemlich reguläre Spindel ent- standen, welche allerdings nur in ihrer emen Hälfte Chromatin enthält. Ein ähnlicher Vorgang hat bei dem Kern in Fig. 22 stattgefunden. Hier handelt es sich um eine gerade zweipolige Spindel; man kann die ursprünglichen Spindelkegel noch deutlich erkennen, wenn sie auch wohl an Volum abgenommen haben. Auch hier hat eine Abspaltung von Spindelfasern stattgefunden; man kann wohl annehmen, dass die Spindel durch die Druck- wirkung der abgespaltenen Fasern erst nachträglich gerade ge- streckt worden ist. Dafür spricht der Umstand, dass die Fasern nur nach der einen Seite hin über die Grenze des Chromatins hinausreichen. Dabei hat sich die weitere Complikation ergeben, dass die sehr zahlreich nach der Winkelseite abgespaltenen Fa- sern im distalen Theil (in Bezug auf den Chromatinklumpen ge- sprochen) begonnen haben zu einem dritten Pol zu verkleben. Ein weiteres Entwickelungsmoment betrifft das Chromatin; dieses zerfällt auf Stadien, welche mit den letztbesprochenen zu- sammenfallen, oder sich an sie anschliessen, in Chromosomen (Fig. 26). Bei besonders klaren Figuren kann man recht schön sehen, wie an jedes Chromosom ein bis mehrere Spindelfasern herantreten. Späterhin wird die Theilung besonders bei den zweipoligen Spindeln nicht selten zu Ende geführt. Ein gutes Bild der Toehterplatten erhielt ich nicht; daher bilde ich kein solches ab. So ist denn in diesen sämmtliehen Fällen eine regelrechte Karyokinese vollzogen worden, ohne dass eine Spur von einem Centrosom sichtbar geworden wäre. Es waren nicht einmal ar- choplasmaartige Anhäufungen an den Polen zu konstatiren. Die- selben stachen vielmehr als spitze Kegel scharf vom umgebenden Plasma ab. Wenn in früheren Stadien um den Kern eine Vacuole ge- bildet worden ist, so kommen zwei Möglichkeiten in Betracht. Es handelt sich hierbei zunächst nur um Kerne, welche kompakte Achromatinkegel vorgestossen haben. Beispiele von solchen bieten uns die Fig. 15 und 55. Ausserdem kann man zahlreiche solche Bilder in der schon oft erwähnten Arbeit der Gebr. Hertwig finden. In meinem Material war eine Vacuole nieht so häufig zu finden, wie es in Karyokinese des Spermakerns. 197 jenem der Fall gewesen sein muss. Immerhin waren sie häufig genug, dass ich über ihre Entwiekelung Einiges aussagen kann. Entweder gelingt es dem betreffenden Kern, nachdem er die Polkegel gebildet hat, die Wirkung der Vacuole zu überwinden — diese verschwindet dann, denn auf späteren Entwickelungs- stadien dieses Typus ist keine solche mehr aufzufinden —, oder falls es ihm nicht gelingt, unterliegt er einer Rückwärtsmetamor- phose, welche ihn zwingt, sich späterhin in der Entwiekelung dem zweiten Haupttypus anzuschliessen. Beispiele dafür will ich nach Besprechung des letzteren noch in Kürze anführen. Zweiter Haupttypus der Entwiekelung. Derselbe ist dadurch ausgezeichnet, dass die achromatische Substanz von Anfang an nieht in compakten Massen auftritt. Auch hier verschwindet das Mittelstück des Spermatozoons unter gleichzeitiger Auflockerung des chromatischen Köpf- chens in der Masse desselben. Manchmal sieht man während dieses Vorganges schon das Spermaköpfchen grob granulos er- scheinen (Fig. 23). Oefter aber verschwindet das Mittelstück, ohne dass man den Vorgang genauer verfolgen kann, und gleich- zeitig wird das Köpfchen in seiner Masse gelockert, erscheint gequollen und zeigt eine blassere Färbung, indem auf der unge- färbten Grundmasse distinkte dunkle Partikeln sichtbar werden. Man kann nach dem Versehwinden des Mittelstückes alle Ueber- gangsstufen noch auffinden vom ganz homogen, dunkelgefärbten Kern, einem etwas blasseren, fein staubartig punktirten Zustand bis zu ganz groben Granulationen. Einen Kernfaden habe ich in meinen Präparaten relativ selten aufgefunden (Fig. 46—590). Die bisher geschilderten Stadien des zweiten Typus ent- stammen einer Portion von Eiern, welche !/, Stunde nach er- folgter Besamung konservirt worden war. Die nach !/, und 1 Stunde konservirten Portionen weisen ausser Kernen auf dem gleichen Stadium und solehen, welche dem ersten Typus ange- hören, eine Reihe solcher mit sehr merkwürdigen Umbildungen auf, welehe wir wohl an die oben geschilderten Kerne mit homogenem oder granulirtem Aussehen anschliessen müssen. Aus den dunklen Klumpen, welche die Gesammtmasse der Kernsubstanzen in sich begreifen, ragen jetzt feine achromatische > Fäden hervor. Dieselben sind entweder auf 3 oder 4 Pole 198 Franz Doflein: hauptsächlich vertheilt und stellen dann etwas stärkere Fäden dar — stets aber schmächtigere Gebilde als die Polkegel des ersten Typus —, oder sie sind nach allen Seiten hin strahlen- förmig als feine Fäden ausgestreckt. Man vergleiche die Fig. 52, 53, 54, 55, 56, 57. Fig. 54 zeigt uns eine interessante Zwischenform, indem zugleich mit den feinen Strahlen ein klei- ner achromatischer Kegel, mit streifiger Differenzirung vorhan- den ist. Die weitere Entwickelung ist dadurch bezeichnet, dass ein- mal auf den achromatischen Strahlen kleine chromatische Ele- - mente centrifugal wandern. So sind denn die meisten der fei- nen Fäden stecknadelkopfartig verdickt, indem ihr peripheres Ende mit einem chromatischen Körnchen geschmückt erscheint. Man erhält so Bilder, welehe lebhaft an die von Schaudinn (94) beschriebene Theilungsform bei Foraminiferenkernen erinnert; mechanisch liegt den beiden verglichenen Vorgängen wohl auch dasselbe Moment zu Grunde: die Bewegungssubstanz, das Achro- matin oder Linin wird zur Lokomotion des an sich bewegungs- unfähigen Chromatins verwendet. Je nach der Anzahl der primären soeben besprochenen ra- dialen Lininbalken schlägt die Metamorphose des Kerns ver- schiedene Bahnen ein. Wir betrachten zunächst denjenigen Mo- dus, welcher von einer 3—4 strahligen Figur ausgeht. Die we- nigen ins Protoplasma vorragenden Lininfäden tragen auf ihrer Spitze ein deutliches Korm färbbarer Substanz. Ob das Chroma- tinkorn auf der strömenden Substanz des ausgestreckten Linin- fadens nach aussen gewandert ist oder bei der Ausstreckung desselben gleich mit nach aussen vorgedrückt wurde, kann ich nach meinen Präparaten nicht endgiltig entscheiden. Ich bin sehr geneigt, mich für die letztere Möglichkeit zu entscheiden, denn in keinem der deutlichen Präparate war das Chromatin anderswo, als am Ende des Lininfadens nachzuwei- sen. Es wäre auch schwer einzusehen, warum dann nicht auch eine Rückwanderung der Chromatinkörner zum centralen Klum- pen möglich wäre, während die Thatsachen im Gegentheil eine successive Auflösung des letzteren und eine peripherische Verla- gerung seiner Substanz beweisen. Dabei erhält jedes verlagerte Chromatinkorn seinen eigenen Lininbalken (Fig. 52, 56). Parallel mit diesen Erscheinungen gehen weitere Verände- Karyokinese des Spermakerns. 199 rungen der achromatischen Substanz, und diese sind es haupt- sächlich, welche verschiedene Entwickelungsmodi bedingen. Zwischen den einzelnen Lininstrahlen sehen wir weitere Linin- brücken sich ausspannen, welche abermals, wie im ersten Typus, die morgensternartige Figur in eine polyedrische überführen. Aber in diesem Typus sind beide Stadien durch den viel gerin- geren Reichthum an Linin ausgezeichnet. Die kräftige Figur des ersten Typus ist hier durch ein spinngewebeartiges feines Ge- rüst vertreten (Fig. 55, 56). Mit der Zeit vermehrt sich je- doch der Vorrath an Achromatin in der peripheren Region und indem dabei einzelne der Fasern untereinander zu verkleben schei- nen, entsteht ein compactes Gebilde. Abgesehen von der hier viel fortgeschritteneren Vertheilung des Chromatins gelangen wir somit zu Figuren, welche den multipolaren Spindeln des ersten Typus sehr ähnlich sind. Das Chromatin ist auf einem feinen Netzwerk aus Linin vertheilt, welches in seiner Configuration noch deutlich die Entstehungsweise der Spindel verräth (Fig.33). Der zweite hier zu schildernde Entwiekelungsmodus dieses Typus geht von der vielstacheligen, durch den Reichtum an ge- knopften Lininstrahlen einem Nadelkissen gleichenden Kernfigur aus. Diese Veränderungen zeigen sich vor allem an solehen Kernen, welehe von einer Vakuole umgeben waren. Ein typisches Beispiel bietet die Figur 51; der in einer Vakuole gelagerte, aus Chromatin und Achromatin bestehende Kernrest hat zahlreiche geknopfte Strahlen entsendet, von denen die Mehrzahl den Rand der Vakuole noch nicht erreicht haben. Die Fig. 54 zeigt uns ein weiteres Stadium. Die Bestandtheile des Linins und wohl auch des Chromatins, welches sich an der Peripherie befinden, haben offenbar hier schon begonnen eine Kernmembran zu bauen. In der Fig. 57 sehen wir dieses Werk vollendet. Aber damit ist der ganze Vorgang nicht zum Ab- schluss gebracht; der Kern rüstet sich zu neuen Theilungen. An der einen Seite der Kernmembran sehen wir bereits eine An- häufung des Archomatins im Entstehen, und Strahlungen im Plasma deuten an, dass an dieser Stelle lebhafte Prozesse sich abzuspielen beginnen. Dieses Bild erinnert sehr an die ersten Stadien der Spindelbildung, wie sie R. Hertwig bei der parthe- nogenetischen Entwickelung des Seeigel-Eikernes beschreibt. Wahr- scheinlich bilden diese Vorgänge, welche der Portion 3 Stunden 200 Franz Doflein: nach der Besamung entstammen. die Einleitung zur Bildung von Spindeln, wie sie sich vereinzelt in der 1 Stunde später konser- virten Portion vorfinden. Leider ist es mir nicht gelungen, in meinem Material Bil- der der Spaltung der Aequatorialplatte und der von da aus zu den Metaphosen führenden Stadien aufzufinden. Letztere selbst habe ieh jedoch beobachten können ; die Fig. 41—43 geben uns ein Bild von diesen Vorgängen. Die Chromosomen scheinen zu- nächst unregelmässig einer kleinen Anhäufung von Achromatin anzukleben (Fig. 41). Sie selbst sind von sehr verschiedener Grösse ; auch ist die Masse des Chromatins nicht gleichmässig auf die beiden Theilprodukte vertheilt. Die Chromosomen sind zum Theil stabförmig, zum Theil hakenförmig, einige auch kuge- lig, in der Form und Grösse ebenso variirend, wie wir es bei den Spindeln sahen. Das Achromatin bildet eine unregelmässige Masse, welche gegen das umgebende Plasma durchaus nicht im- mer scharf abgegrenzt erscheint. Im weiteren Verlauf der Kernrekonstruktion wird diese Ab- srenzung schärfer, das Achromatin bildet ein Retikulum. Dabei wird zugleich eine Kernmembran gebildet, m welche suecessive chromatische Bestandteile eingelagert werden. Das Achromatin ist oft sehon deutlich retikulirt, ehe die Membran fertig gebildet und damit eine scharfe Abgrenzung gegen das umgebende Plasma gewonnen ist (Fig. 42). Während dieser Vorgänge sind die Chromosomen in ziemlich kleine Elemente zerfallen, welche an- nähernd gleiche Grösse haben. Das Retikulum ist wohl ausge- bildet und die Kerne haben offenbar durch Aufnahme von Flüs- sigkeit aus dem umgebenden Plasma sehr an Volum zugenom- men (Fig. 43). Die Theilungen weiter zu verfolgen ist kaum möglich; ich bilde als Beispiel der verwirrenden Bilder, welche sich mitunter bieten, einen Sehnitt durch ein Ei aus der Portion, welche 4 Stunden nach der Besamung eingelegt war, in Fig. 44 ab. Das Eimaterial ist ganz unregelmässig und ohne Zusammenhang mit der Kernteilung abgefurcht. Links oben enthält das Ei drei grosse Kerne, in einem abgefurchten Stück rechts davon befindet sich eine lockere Spindel, und die grosse untere Masse des Eies ist erfüllt mit vielen kleinen Kernderivaten, welche aus Klümp- chen Achromatins mit anhängenden Chromatinkörnern bestehen; Karyokinese des Spermakerns. 301 es lässt sich gamicht sagen, was dem Eikern und was dem Spermakern entstammt. Es lässt sich nur aus der Ana- logie schliessen, dass die Körner aus dem Eikern stammen, wenn wir die Abbildung mit der Fig. 57 der Hertwig’schen Ab- handlung vergleichen. Jedoch lässt sich das nicht mit Bestimmt- heit sagen, ebensowenig, welche von den übrigen Kerngebilden etwa noch des nämlichen Ursprungs sind. Hier seien noch einige Beispiele geschildert, welche für unser Urtheil nicht unwesentlich sind, welehe sich aber in keine der besprochenen Reihen mit Sicherheit einfügen lassen. In Fig. 31 hat sich am Spermakern, nachdem die Sub- stanz des Mittelstückes und des Köpfehens verschmolzen war, eine Auflockerung des Chromatins vollzogen. Dasselbe ist in Form von Körnern von schwankender Grösse in dem homo- genen Linin vertheilt. Das Linin selbst bildet noch eine compacte Masse, welche an zwei Stellen sich zipfelförmig auszuziehen be- sinnt. Ob diese Figur von den Anfangsstadien des ersten oder zweiten der oben geschilderten Typen abzuleiten ist, das kann ich nicht entscheiden. Im Grunde genommen ist dies auch un- wichtig; die vorliegende Figur ist hauptsächlich interessant als weiteres Beispiel für die innige Durchdringung der Substanzen des Spermaköpfchens und des Mittelstücks. Es ist möglich, dass sich an solche Stadien die Spindelbil- dung der Fig. 39 anschliessen lässt. Wir sehen aa Ei und Sper- makern in eigenthümliche halbmondförmige Spindeln umgewan- delt. Dieser Halbmond erscheint als eine vakuolenartige Bil- dung, welche beim Spermakern einzelne achromatische Längsfa- sern durchziehen. Die Hauptmasse der achromatischen Substanz ist zu eigenartigen hirschgeweihförmig verästelten Bildungen verbraucht, an denen das Chromatin in Gestalt feiner Stäbchen und Körnehen aufgereiht ist. Es ist nieht unmöglich, dass auch diese aberrante Art.der Spindelbildung zur Vollendung der Thei- lung führt. Nieht minder eigenthümlieh ist die kleine Spindelfigur, welche in Fig. 32 dargestellt ist; wir sehen hier eine käfigartige Gitterspindel den kleinen kompakten Chromatinklumpen um- schliessen. Ueber den einen Pol dieser Spindel ragt eine weitere achromatische Zuthat hervor, indem zwei einfache starke Linin- stränge, wohl von den Chromatinklumpen ausgehend, sich zu 809 Franz Doflein: einem Spitzbogen zusammenneigen. Diese Bildung ist wohl ab- zuleiten von einer gestreckten bipolaren Spindel des erten Typus, bei weleher die polar zusammenlaufenden Lininfäden zu wenigen starken Strängen verklebt sind. Umwandlung des Spermakerns im polysper- mierten Ei. Die Polyspermirung der Eier war in der oben angeführten Weise vorgenommen worden, und es wurden Portionen des Mate- rials in Intervallen von je einer halben Stunde, vom Zeitpunkte des Samenzusatzes ab gerechnet, in Pikrinessigsäure konservirt. Wir betrachten zunächst nur diejenigen Fälle, in denen der Spermakern ohne mit anderen seinesgleichen oder dem Eikern in ein wechselseitiges Verhältniss zu treten, zur Entwickelung kam. Da, wie bereits oben erwähnt, mein Material einer stark poly- spermirten Serie entstammt, sind solche Präparate nur aus den frühen Stadien häufig. Jedoch lieferten auch die späteren Sta- dien hinreichend viele Bilder, so dass wir uns ein klares Bild von der Spindelbildung machen können. Bei einem Blick über die hierher gehörigen Figuren wird es auffallen, dass die Plasmastruktur ausserordentlich scharf und deutlich sichtbar ist. Dies ist wohl auf die Reizwirkung des Strychnins zurückzuführen, da ja stets im bewegten Plasma der- artige Strukturen besonders stark hervortreten. Was ferner die Art und Weise der Entwiekelung anlangt, so lassen sich im Allgemeinen sämtliche Bilder in die beiden Haupttypen der ersten Serie einreihen. Vakuolenbildung trat selten auf. Die Phasen des ersten Haupttypus waren relativ selten, waren sämtlich primär zweipolig und gestreckt; geknickte Spindeln habe ich niemals aufgefunden. Bei weitem häufiger waren Bilder, welehe Stadien des zweiten Haupttypus entsprachen, wobei vor allem die Bildung der zweipoligen Spindel an viel zahlreicheren Fällen sich ver- folgen liess, als in der ersten Serie. Die nach einer halben Stunde konservirte Portion wies noch Spermatozoen in allen möglichen Stadien der Drehung auf. Sper- maköpfehen und Mittelstück waren stets deutlich von einander getrennt und gegen die Umgebung scharf abgesetzt. Von einem besonderen Centrosoma war ebensowenig wie in der ersten Serie Karyokinese des Spermakerns. 208 etwas zu sehen. Daäs Mittelstück war gewöhnlich fein granulirt, in Fig. 58 weist es eine Art von Retikulirung auf, durch welche es in drei Abtheilungen in der Querausdehnung getheilt erscheint. Die Strahlung im Protoplasma setzt sich nicht an das Mittelstück speciell an, sondern geht scheinbar von der ganzen Oberfläche des Spermakerns gleichmässig aus. Ob letztere Beobachtung den Thatsachen entspricht, oder nur vorgetäuscht ist, indem die Strahlen über das Spermaköpfehen hinweg zum Mittelstück sich erstrecken, ist an meinen Präparaten nicht zu entscheiden. E Schon jetzt lässt sich an den Kernen eine Reihe von Um- bildungen verfolgen. Auch hier sehen wir mitunter Bilder (Fig. 48a), welche das Mittelstück ins Innere des Chromatin- klumpens eintretend zeigen. Hieran schliessen sich die Fig. 61, 62, 63, welche uns Umbildungen zu jungen Spindeln mit zwei opponirten Polplatten nach Analogie der ersten Serie zeigen. An diese wiederum schliessen sich die Fig. 70 und 71 an. Wir sehen hier wohlgebildete Spindeln vor uns; in Fig. 70 ist das Linin in zahlreiche feine Fasern vertheilt, während esin Fig. 71 zu wenigen kräftigen Strängen verklebt erscheint. Von letzteren gehen einige von Pol zu Pol durch; einer setzt sich jedoch mitten auf der Chromatinkugel an. Das Bild erinnert einigermaassen an die Fig. 32, welche ich bereits oben besprochen habe, und erleichtet deren Deutung. Die Spindeln der Fig. 70 und 71 sind beide mit wohl entwickelten polaren Strahlensystemen ausgestattet. Der centrale Theil derselben erscheint in Fig. 71 fein granulirt und bildet im Zusammenhang mit einer ebenso beschaffenen Parthie um den centralen Theil der Spindel eimen die ganze Theilungsfigur um- schliessenden Hof. Derselbe wird der Analogie nach wohl auf eine recht feine Retikulirung des Plasmas an jener Stelle zurück- zuführen sein. Die ganze Erscheinung, insbesondere die Inten- sität der Strahlungen, ist als eine Folge der Strychninwirkung aufzufassen. Ueber diesen Hof ragen nach der rechten Seite einige Lininfasern hinaus, welche anscheinend durch Verklebung die Bildung eines dritten Pols begonnen haben. Die Theilungs- vorgänge weiter zu verfolgen, lohnt nicht, da bei der starken Polyspermirung die einzelnen achromatischen Systeme sehr bald in innige Beziehungen treten, welch letztere auf die Vertheilung der beiden Kernsubstanzen die bekannten Wirkungen äussern. 904 Franz Doflein: Die dadurch entstehenden Bilder sind zu komplizirt, um bei der Lösung der bier behandelten Frage zu dienen. Auch bei den polysperm befruchteten Eiern sehen wir, wie schon oben erwähnt, eine Anzahl Kerne sich nach dem zweiten der für die erste Serie geschilderten Typen entwickeln. Die spinngewebeartige Vertheilung der achromatischen Fäden konnte ich hier nicht feststellen; es herrscht in meinem Material eine Entwicklung mit Membranbildung vor. Die Fig. 60 stellt emen in einer Vakuole eingeschlossenen Samenkern dar, bei welchem schon der Unterschied zwischen Köpfehen und Mittelstück geschwunden ist. Er erscheint als ellipsoider Körper, welcher ziemlich gleichförmig dunkel gefärbt ist, immerhin aber heller aussieht, als die intakten Spermaköpf- chen. Weitere Entwiekelungsstadien demonstriren die Fig. 64—66. Wir können eine Auflockerung der Kernmasse zu einem achro- matischen Retikulum konstatiren, welebes hauptsächlich aus radiä- ren Strahlen besteht; auf denselben erscheint das Chromatin in Form feiner Körnchen vertheilt; das letztere zeigt in Fig. 65 eine deutliche Tendenz zur Peripherie zu wandern. Dieser Entwickelungsform steht eine andere nahe, bei welcher Chromatin und Linin ein kompakteres Gefüge beibehalten, ohne jedoch nach Art des ersten Typus in die Spindelbildung ein- zutreten. Es behält vielmehr der Kern zunächst noch seine kugelige oder ellipsoide Form bei, und das Linin ragt aus dem Chromatin in den Anfangsstadien in Form von Kugelausschnitten wie im ersten Typus hervor. (Fig. 67 und 68.) Die Entwiecke- lung läuft nun in der Weise ab, dass das Achromatin offenbar in Folge von Aufnahme von Flüssigkeit aus dem Zellleibe auf- quillt. Das Chromatin, welches an dieser Volumvergrösserung nicht merklich theilnimmt, wird nun immer mehr vertheilt, wo- durch der Kern allmählich ein ungefähr vakuoläres Aussehen erhält. Die Fig. 69, 76, 72, 75, 74 illustriren diesen Vorgang. Mit- unter wird auch das Chromatin in Streifen mehr oder weniger vertheilt (Fig. 75). Während dieser Vorgänge beginnt der Kern bereits zur Spindelbildung überzugehen. Er war während der ersten Ver- änderungen kontinuirlich von einer gleichmässigen Strahlung um- geben, welche schon sehr früh auf den Mittelpunkt des Sperma- kerns eingestellt war und keine Polarität desselben erkennen Raryokinese des Spermakerns. 205 liess, wie die Fig. 58, 59, 71, 72 und 69 beweisen. In den Präparaten aus dem 1—1!/, Stunden alten Material lässt sieh aber eine bipolare Einstellung der Strahlen erkennen, indem sie sich in zwei Gruppen getheilt haben, welche auf zwei diametral einander opponirte Punkte der Kernmembran zulaufen. An diesen Punkten kann man allmählich Verdiekungen der achromatischen Substanz auftreten sehen, welche in der beginnenden Spindel- bildung offenbar die Rolle von Centrosomen übernehmen. Viel enger an die Bilder des zweiten Typus der ersten Serie schliesst sich die Spindel der Fig. 77 an. Die Kernanf- lösung ist hier offenbar auf dem Wege einer Retikulirung des Linins erfolgt, auf welch letzterem das Chromatin vertheilt er- scheint. Einzelne Theile des Chromatins erscheinen in der Form von Bläschen innerhalb der Spindelfigur. Sie erinnern sehr an die „bläschenförmigen Chromosomen“, wie sie in vielen Fällen bei Kerntheilungen schon geschildert wurden. Interessant ist an dieser Figur ferner die Retikulirung des Plasmas, welche inner- halb der Polstrahlungen bis zum Centrum sehr deutlich zu verfolgen ist und eine ungewöhnlich grobe Struktur zeigt. | Ich will an dieser Stelle noch einige weitere Präparate besprechen, welche gänzlich abweichende Bilder darstellen, wie wir aber später sehen werden, wohl geeignet sind, unsere An- schauungen über das Wesen und die Entstehung des Centrosomas zu stützen. Die Fig. 78 zeigt eine vielpolige Bildung, bei wel- cher 3 gutausgebildete Polstrahlungen mit einer vierten schwäche- ren zu einem gemeinsamen System vereinigt sind; abseits im Eiplasma liest eine fünfte Strahlung, welche wohl einem im nächsten Schnitt gelegenen System angehört. Das Präparat ent- stammt der nach 1!/, Stunden konservirten Portion. Es haben sich zu dem ganzen Gebilde, worauf ausser der Multipolarität auch die hohe Zahl der Chromosomen deutet, offenbar mehrere Spermatozoen vereinigt. Die Spindelfasern sind deutlich und kräftig. Jeder der Pole der 3 gut entwickelten Strahlungen ist mit einem Centrosom versehen, von denen das eine sogar bläs- ehenförmig ist; es besitzt im Centrum einen dunklen Punkt, von welchem ganz dünne Netzbälkchen radiär zur kreisförmigen Peripherie laufen. Von diesem Pol geht eine deutliche Halb- spindel aus, welche mit den Spindelfasern der übrigen Pole in Berührung tritt und in ihrer peripheren Region Chromosomen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 14 306 Franz Doflein: enthält. Von dem Pol rechts unten geht eine fast vollständige Spindel aus, während der dritte gut entwickelte Pol nur eine schwächliche Halbspindel entsendet; der ganz schwache vierte Pol ist mit den letzteren durch eine minimale Spindel verbunden. Ein deutliches Centrosoma zeigt ferner das Umwandlungs- produkt des Spermakerns der Fig. 79. Dasselbe ist von einer Strahlung umgeben und hat eine Halbspindel gebildet, welche aus wenigen kräftigen Strahlen besteht. Die Mehrzahl derselben tritt mit einem kompakten Klumpen von Chromatin in Verbin- dung. Der letztere ist von einem blassen Hof umgeben. I1I. Allgemeine Betrachtungen. Das Gentrosoma des Spermakerns. Indem wir uns zur Deutung der abgehandelten Thatsachen wenden, müssen wir uns zunächst über die Auffassung des Centrosomas des Sperma- kerns klar werden. Wie aus meiner Darstellung hervorgeht, habe ich ebensowenig wie Wilson, R. Hertwig u. A. jemals neben dem Mittelstück des Spermakerns ein morphologisch differenzirtes Gebilde, welches sich als Centrosoma hätte auslegen lassen können, am frisch eingedrungenen Spermatozoon wahrnehmen können. Ich fand sogar stets die Strahlung im Plasma auf das Mittelstück selbst eentrirt. Eine Ausnahme macht natürlich das oben er- wähnte stark polyspermirte Material, bei welchem die Strahlen scheinbar an der ganzen Peripherie des Spermakernes ansetzen. Es wäre weiterhin sehr verwunderlich, wenn ein innerhalb oder ausserhalb des Spermakerns gelegenes Centrosom bei den oben geschilderten Theilungsvorgängen nicht irgendwie betheiligt wäre. In solehem Falle wäre es doch geradezu wunderbar, wenn in den vielen hunderten gut konservirter und gut gefärbter Eier, welche ich untersuchte, keine Spur von einem solehen Gebilde mir zu Augen gekommen wäre. Somit gelange ich zu derselben Ansicht, welche R. Hert- wig in seiner jüngsten Publikation vertreten hat, dass nämlich beim Seeigelsperma das gesammte Mittelstück dem Centrosom entspricht. Diese Auffassung wird bedeutend gestützt durch die Umwandlung und Entwickelung, welche im normalen Verlauf der Befruchtung und der Bildung der ersten Furehungsspindel die Gesammtsubstanz des Mittelstücks eingeht. In einigen Fällen erhielt ich bei polyspermirten Eiern, Karyokinese des Spermakerns. 207 wenn der eine oder andere Spermakern in nahe Berührung mit dem Eikern gelangt war, Bilder, welche durchaus der Dar- stellung Wilsons von der normalen Befruchtung entsprechen. So stellt uns Fig. 81 einen Spermakern dar, welcher eben den Eikern erreicht hat; die Substanz seines Mittelstückes — das Archoplasma Wilson’s darstellend — hat sich an der Ober- fläche des Eies ausgebreitet und in zwei Parthien getheilt, welche sich weiterhin im normalen Verlauf zu den Centrosomen der bei- den Spindelpole ausgebildet haben würden. Wie man sieht, entspricht dies vollkommen der Abbildung und Darstellung Wil- son's. Uebrigens ist es mir wiederholt gelungen, eine schärfere Abgrenzung des Mittelstücks gegen das umgebende Plasma zu beobachten, als sie den früheren Autoren zu Gesicht kam. Ein solches Verhalten zeigt uns das Spermacentrum, wie wir das Mittelstück nach der oben gewonnenen Defimition genauer be- nennen dürfen, in den Beispielen der Fig. 12, 58 und 59. Fig. 58 ist besonders interessant, da hier das Spermacentrum, wie schon oben erwähnt, durch Netzbalken deutlich in drei Ab- theilungen getrennt erscheint. Ob dies der Ausdruck einer wabi- gen oder netzigen Struktur ist, kann man bei der Kleinheit des Objektes kaum entscheiden. In Fig. 14 finden wir einen Fall dargestellt, der vielleicht geeignet ist, zu demonstriren, wie leicht man bei der Beurthei- lung von Centrosomen und ähnlichen Gebilden Täuschungen unterliegen kann. Das Spermacentrum des dargestellten Kerns zeigte bei schwacher Vergrösserung ein scharf gesondertes Cen- tralkoın. Eine starke Vergrösserung zeigte jedoch folgendes Bild: Innerhalb des Mittelstücks oder wahrscheinlich ihm an- klebend sah man intensiv gefärbte Körner. Wäre das Präparat mit Eisenhämatoxylin gefärbt gewesen, so hätte man diese Kör- per kaum von achromatischen Bildungen unterschieden; ihre intensive Färbung mit Safranin lässt sie jedoch sofort als Chro- matinpartikeln erkennen. Es handelt sich dabei jedenfalls um pathologische Bildungen, worauf auch ein weiteres, frei im Plasma liegendes Chromatinkorn hinweist. Ableitung von Centrosoma und Spindelbil- dung. Nachdem wir nun festgestellt haben, dass Mittelstück und Centrosom des Samenkerns im Seeigelei ein und dasselbe Ge- 908 Franz Doflein: bilde sind, gelangen wir zur Aufstellung des Hauptresul- tates der vorliegenden Untersuchung. Während R. Hertwig am Eikern nachwies, dass aus der achromatischen Substanz des Kernes Spindelfasern und aus diesen wiederum ein Centrosoma gebildet wird, habe ich den umgekehr- ten Gang der Dinge geschildert. Ich glaube durch diese Unter- suchung festgestellt zu haben, dass aus dem Centrosoma sieh eine vollständige Spindel und aus dieser wiederum das achromatische Kerngerüst bilden kann. Damit ist zugleich nachgewiesen, dass alle diese Bil- dungen einmal Kernderivate, und weiterhin gleicher Substanz sind. Es hat sich damit im grossen Ganzen die Vermuthung R. Hertwig’s, welche er in seiner Abhandlung in der Fest- schrift für Gegenbauer aussprach, glänzend bewahrheitet. Für unsere Gesammtauffassung macht es ja gar keinen Unterschied, ob der Spindelkörper sich nach Art der Centralspindel direkt aus den Verbindungsfasern des sich theilenden Centrosoms auf- baut, oder ob er seinen eigenen Weg einschlägt, wie wir oben gesehen haben. Die Hauptsache bleibt jedenfalls, dass sich die Spindel thatsächlich aus dem Material des Centrosoms aufbaut. Somit sehen wir, dass der reife Spermakern alle Teile ent- hält, ebenso wie der reife Eikern, welche zu einer weiteren Ent- wicklung nothwendig sind. Infolge der speciellen Funktion des Spermatozoons sind diese Bestandtheile zur Erleichterung des Transports gleichsam sortirt und zusammengepackt. Während nun beim Eikern der Seeigel die selbständige Entwickelung durch einen Akt der Entmischung eingeleitet wird, scheint die- selbe beim Spermakern zunächst einen gewissen Grad der Ver- mischung beider Hauptsubstanzen zu fordern. Damit sind wir zugleich bei der Frage angelangt, ob das Spermacentrum oder Mittelstück zugleich die Gesammtmasse der achromatischen Substanz des Spermakerns darstellt. Die eben erwähnte Thatsache, dass der weiteren Entwiekelung eine ge- wisse Durchmengung beider Substanzen regelmässig vorausgeht, lässt es als sehr unwahrscheinlich erscheinen, dass das Sperma- köpfehen mehr als nur ganz geringe Mengen von achromatischer Substanz enthalte. Immerhin lassen jene Spermakerne, welche in unnormalem Karyokinese des Spermakerns. 209 Verlauf bereits während der Wanderung zum Eikern eine „Auf- loekerung“*, d. i. doch nichts anderes als eine Sonderung !) bei- der Substanzen, aufweisen, darauf schliessen, dass das Sperma- köpfehen gewisse Quantitäten achromatischer Substanz besitzt. Ein ähnliches Verhalten zeigen in meinen Serien einzelne Sperma- kerne besonders in Fig. 58 b, wo das Spermaköpfehen gequollen und granulirt erscheint, ohne dass das Centrosoma gegenüber anderen Spermakernen von gleichen Volumen eine Grössenabnahme erkennen liesse. j Ich glaube überhaupt, dass die bis heute bekannt gewor- denen Thatsachen das Uhromatin als eine Substanz erscheinen lassen, welche an sich sowohl der Bewegung als auch der plasti- schen Gestaltungsfähigkeit entbehrt. Selbst die Chromosomen dürften auf achromatischer Grundlage aufgebaut sein; darauf weist besonders das Vorhandensein der lame intermediaire hin. Lauterborn (97) schildert in seinem Diatomeenwerk ein Verhalten der Chromosomen, welches nach meiner Ansicht über diesen Punkt einige Aufklärung gibt. Er schildert uw. A. bei Surirella ealearata eine Form der Mitose, bei welcher sich die Chromosomen ohne Hilfe von Mantelspindelfasern zu den Polen bewegen; bei den meisten von ihm untersuchten Diatomeen ge- schieht diese Bewegung zum mindesten in Anlehnung an eine tonnenförmige Mantelspindel. Dabei ist aber ganz besonders be- merkenswerth, dass in denjenigen Fällen, wo keine Mantelspindel vorhanden ist, der ganze Knäuel der Chromosomen von einer dichten Masse einer schwach färbbaren Substanz umgeben ist. Ich vermuthe, dass es sich hier um Achromatin handelt, wel- ches die Bewegung der Chromosomen polwärts vermittelt. Auf alle Fälle beweisen diese Beobachtungen Lauterborn’'s, dass man aus dem Nichtvorhandensem von Spindelfasern, welche an den Chromosomen ansetzen, nicht ohne Weiteres auf eine selbständige Bewegungsfähigkeit des Chromatins schliessen darf. Auf Grund der oben gewonnenen Auffassung können wir an die Deutung des Vorkommens von echten Centrosomen bei multi- polaren Figuren und Spermakernhalbspindeln herantreten. Die hierher gehörigen Bilder sind in den Figg. 78 und 79 darge- stellt. Da ich die Befunde schon oben am Ende der 2. Abthei- 1) Wohl dureh Quellung von Achromatin, 210 Franz Doflein:;: lung geschildert habe, brauche ich nicht mehr im Detail darauf einzugehen. Auf Folgendes will ich nur aufmerksam machen: die Sub- stanz des hier vorhandenen Centrosomes erreicht an Menge nur einen Bruchtheil des Spermacentrums, wie der Vergleich mit Leichtigkeit ergibt. Wir kommen somit zu folgender Aus- legung: In Fig. 78 ist das ganze System, wie die Menge von Achromatin und Chromatin beweist, aus dem Zusammenwirken einer Anzahl von Spermatozoen entstanden. Indem nur ein Theil des Achromatins des Spermacentrums sich am Aufbau der Spin- delfasern betheiligte, blieb hinreichend von dieser Substanz übrig, um hier und da ein Centrosom zu bilden; deutlich als solches vorhanden ist ja eigentlich nur eines. In Fig. 79 liegt die Sache etwas anders. Da hat der Spermakern infolge irgend eines Umstandes gar keine Voll- spindel gebildet, sondern nur eine Halbspindel. Vielleicht bieten die Figg. 82 und 83 aus einer polyspermen Serie des April 1896 die Anfangsstadien zu ähnliehen Bildungen; es ist bei diesen Figuren wohl zuzugeben, dass hier die weiteren Polkegel in an- deren Schnitten liegen könnten; allerdings war gerade diese Serie ziemlich diek geschnitten. War einmal die Spindel unipolar angelegt, so ist es nicht allzu gewagt anzunehmen, dass in solehem Fall infolge des Ueber- flusses an achromatischem Material ein Centrosoma gebildet wurde. Ob aus einer solehen Figur später ein bläschenförmiger Kern rekonstruirt wird, oder was sonst mit ihr gschieht, konnte ich nicht feststellen. Jedenfalls sehen wir aber, dass alle diese Erscheinungs- formen, weit entfernt unsere Auffassung des Centrosomes zu Irri- tiren, dieselbe vielmehr ergänzen und unterstützen. Bewegung der achromatischen Substanz. Ueber die Kräfte, welehe bei der Umwandlung der klaren Kegel im ersten Typus der oben geschilderten Umwandlungs- formen in die gefaserten Halbspindeln, und beim weiteren Aus- bau der Spindelfigur thätig sind, ist es bei dem heutigen Stand unseres Wissens noch kaum möglich, sich eine exakte Vorstellung zu machen. Einige der gewonnenen Kernbilder geben uns immerhin Hinweise, auf welchem Wege man die Lö- sung suchen muss. Wir haben gesehen, dass bei der Bildung Karyokinese des Spermakerns. 218 der Kernformen, welche die Figg. 5l, 53, 54, 57 darstellen, wahrscheinlieh centrifugale Strömungen des Linins maassgebend waren. Ich denke dabei an eine Strömung ähnlich der amö- boiden Bewegung und fasse jene im gleichen Sinne, wie es mit dieser geschieht, als eine Folge der Contractilität der lebenden Substanz auf. Kennen wir doch auch amöboid bewegliche Kerne ruhender Zellen. Ich glaube, dass die Annahme dieser primitivsten Be- wegungsart der lebenden Substanz, der Strömung, für das Linin, viele Bilder der Kernmetamorphose zu beleuchten im Stande wäre. Es ist in meinen Präparaten ziemlich auffallend, dass die oben geschilderten gekniekten Spindeln nur in den Serien mit gehemmter Befruchtung vorkamen, während die polyspermirten Eier schöne gestreekte Spermaspindeln aufwiesen. Allem An- schein nach hat dies seinen Grund darin, dass die polyspermen Eier mit Stryehnin, die andern jedoch mit Choralhydrat behan- delt waren. Eine Möglichkeit der Deutung der Entstehung dieser ge- knickten Spindeln beruht nun auf folgender Erwägung: Wenn zu gleicher Zeit von den entgegengesetzten Polen des Kerns Substanzmassen vorgestossen werden, oder was im mechanischen Effekt auf dasselbe herauskommt, eine zähflüssige Masse in mor- phologisch scharf umschriebener Bahn ausströmt, so werden die Resultanten der in diesen bewegten Massen frei werdenden Ener- gieen zwei in entgegengesetzter Richtung gradlinig einander opponirte Kräfte darstellen. Finden diese nun in der umgeben- den Masse einen hinreichenden Widerstand, so werden entweder die betreffenden Gebilde sich verkürzen d. h. die bewegten Massentheilchen einen Rückstoss erfahren müssen, oder die letz- teren werden irgendwie zur Seite ausweichen, d. h. die be- treffenden Gebilde werden sich winkelig einstellen müssen. Warum soll nun aber in den mit Chloralhydrat behandel- ‚ten Eiern der Widerstand grösser sein, als in den strychninisir- ten? Es ist nach den Untersuchungen der Gebr. Hertwig bekannt, dass das Chloralhydrat auf die Kontraktilität des Plas- mas ausserordentlich lähmend einwirkt, während im Gegensatz dazu Strychnin diese Eigenschaft einigermaassen erhöht. Nun meine ich, ein gelähmtes, träges Protoplasma, das zur Eigen- bewegung nicht fähig ist, wird auch eher dem Vordringen des 212 Franz Doflein: Linins Widerstand entgegensetzen. Die Fähigkeit des Plas- mas zum Ausweichen ist vermindert worden. Das mit Strychnin gereizte Plasma, im Gegensatz hierzu, antwortet auf den neuen Reiz, den das vordringende Linm ausübt, deutlich durch strah- lige Anordnung, wie die Figg. TO und 71 beweisen. In dieser Weise suche ich mir jene eigenthümlichen Winkel- figuren als einfaches Ergebniss der vorhandenen Verhältnisse zu erklären. In einzelnen Fällen, welehe m Eiern mit gehemmter Be- fruchtung zur Beobachtung kamen, habe ich auch die von den Gebr. Hertwig geschilderten isolirten Strahlungen aufgefunden. Wie in Fig. 45 dargestellt findet man nicht selten die Substanz des Centrosomes am Spermakern- selbst verschwunden; der Kern ist etwas gequollen. In seiner Nähe erscheint, ohne Zusammen- hang durch Fasern mit ihm zu zeigen, eine intensive Plasma- strahlung, deren Mittelpunkt bei Heidenhain’scher Fär- bung eine nieht ganz deutlich abgegrenzte feingranulirte Sub- stanz bildet. Ich glaube, dass man diese Substanz mit ziem- licher Sicherheit von dem Spermacentrum, wenigstens einen Theil desselben, ableiten kann, dass sie somit auf die achro- matische Kernsubstanz zurückzuführen ist. Nun findet man diese Strahlungen nicht selten weit entfernt von jeglicher chro- matischen Substanz. Man muss wohl annehmen, dass sie durch die Wirkung des Giftes vom Spermakern getrennt werden und ein ganz selbständiges Dasein führen. Ob diese Gebilde sich zu „achromatischen Kernen“ umzuwandeln oder Theilungs- erscheinungen aufzuweisen im Stande sind, habe ich nicht nach- weisen können. Aehnliche Erscheinungen hat ja auch Boveri schon in seiner Abhandlung „Ueber partielle Befruchtung“ ge- schildert. In dieselbe Kategorie fallen wohl auch die von Morgan (96) im Seeigelei künstlich hervorgerufenen „Asteren“; deren Aufbau und eventuelle Umwandlungsformen genauer zu unter- suchen, müsste von hohem Interesse sein. Zur Ableitung von Centrosoma und Centralspindel. Ein Umstand, der aus der Abhandlung R. Hertwig’s und meiner Untersuchung hervorgeht, dürfte vor allem geeignet sein, bei künftigen Spekulationen über die morphogenetische Ableitung von Centrosoma und Centralspindel zur Vorsicht zu mahnen. Karyokinese des Spermakerns. 213 Es ist dies die so ausserordentlich plastische Beschaffenheit des Linins, welche es ermöglicht, dass diese Substanz bei dem näm- lichen Thier durch äussere Eingriffe gezwungen werden kann, fast sämmtliche postulirten Zwischenformen anzunehmen. Wir haben erfahren, dass die achromatische Substanz Spindeln ohne besondere polare Bildungen, Polplatten, Centrosomen, Central- spindeln u. s. w. formen kann. Diese Erwägung bietet uns für eine genetische Betrachtungsweise vor allen Dingen die Erkennt- niss dar, dass wir mit der Möglichkeit einer vielfachen Parallel- entwiekelung mit gleichem Resultat rechnen müssen. Wie dies aufzufassen ist, will ich im Folgenden näher erläutern. Bütschli hat auf der Zoologen-Versammlung in Bonn 1896 im Anschluss an die theoretischen Auseimandersetzungen von Schaudinn und Lauterborn bereits darauf aufmerk- sam gemacht, dass Schaudinn’s Untersuchungen an Heliozoön Brauer’s Befunde bei der Spermatogenese von Ascaris und endlich diejenigen von Bloehmann und Keuten bei Euglena eine andere Deutung der Entstehung des Centrosomas, als sie die genannten Forscher anstrebten, zulasse; er dachte dabei be- sonders an eine Entstehung des Centrosoms im Inneren des ur- sprünglichen Kerns nach Art einer endogenen Kernbildung. Schaudinn und Lauterborn gingen in ihren Speku- lationen von den Verhältnissen bei Amoeba binueleata aus; von deren gleichgearteten beiden Kernen leiteten sie durch Annahme einer Arbeitstheilung einerseits Makro- und Mikronueleus der In- fusorien, anderseits Kern und Centrosoma der Matazoen ab. Aehnliche Erwägungen hatte übrigens schon R. Hertwig m seiner bereits früher abgeschlossenen, aber später erschienenen Abhandlung (96) angestellt, wie er denn auch der erste war, welcher eine verschiedenartige Entstehungsweise der Centrosomen ins Auge fasste (Y5). Um zu einer richtigen Auffassung zu gelangen, muss man nach meiner Ansicht die Verhältnisse der Centralspindel vor allen Dingen berücksichtigen. Heidenhain sagt ganz mit Recht: „Centrosoma und Centralspindel bilden der Genese nach ein Ganzes.“ Und wir können noch einen Schritt weiter gehen, indem wir die Centralspindel für das primäre Gebilde erklären, aus dem erst in der Folge sich Centrosomen herausbildeten. Heutzutage wird es kaum mehr auf Widerspruch stossen, wenn 214 Franz Doflein: man die Amitose als die ursprünglichste Form der Kerntheilung ansieht und von ihr aus eine Ableitung der übrigen Formen versucht. Nun sehen wir aber im amitotisch sich theilenden Kern im Grunde genommen die gesammte achromatische Substanz zu einer einheitlichen homogenen Centralspindel vereinigt, in deren Substanz das Chromatin in Form feiner Körnchen vertheilt erscheint. Gehen wir von dieser Grundlage aus, so wird uns sofort klar, welche Fülle von Wegen der Entwickelung offen standen, um zu den uns bekannten Kerntheilungsformen zu gelangen; mit anderen Worten, wir sehen ein, dass alle derartigen Speku- lationen an den Thatsachen wenig Stützen finden, da wir von den Zwischenformen noch gar zu wenig wissen. Von der Amitose ausgehend bieten sich uns sofort 3 Wege dar, welche eine Weiterentwiekelung einschlagen konnte. Ein- mal konnten im Protoplasma nach einer Kerntheilung ohne fol- sende Zelltheiluug 2 Kerne verbleiben, welche sich beide immer gleichzeitig theilten und sich zu je zweien immer auf die Tochter- thiere vererbten. Ein weiterer Fortschritt mochte nun diesen Kernen eine primitive Mitose zu ertheilen, indem Polplatten ge- bildet und weiterhin das Chromatin zu einfachen Chromosomen differenzirt wurde: Die Entwiekelungshöhe der Amoeba binueleata, von weleher aus man sich den weiteren Fortschritt nach dem Lauterborn’schen Schema vorstellen kann. Ebenso leicht fällt uns aber die Vorstellung, dass von der Amitose aus eine Differenzirung innerhalb des einheitlichen Kerns auftrat, indem die Hauptmasse der achromatischen Substanz sich zu einer Centralspindel umwandelte, um welche sich nach aussen hin das Chromatin, gestützt und geleitet durch den Rest der achromatischen Substanz, anschloss. Diesen Zustand sehen wir z. B. bei Euglena erreicht. Aus einem solehen Kern kann nun die Centralspindel (= dem Nucleolo-Centrosoma Keuten’s) nach- träglich herausgerückt sein, wie es ja Schaudinn bei Oxyr- rhis marina experimentell herbeiführen konnte. Ein solches Heraustreten aus dem Kern erscheint mir wenigstens plausibler als der von Sehaudinn postulirte secundäre Eintritt des Nu- eleolo-Centrosomes in den Kern der Flagellaten. Ebensogut kann aber auch das Nucleolo-Centrosoma, ohne aus dem Kern heraus zu treten, einen Theilungsmodus mit faseriger Umbildung eines Karyokinese des Spermakerns. 215 Theiles seiner Substanz annehmen; d.h. es kann sich in. ein in- tranucleäres Centrosom umwandeln, welches bei jeder Theilung eine intranucleäre Centralspindel bildet. Hier oder im Verlauf weiterer Differenzirungen kann es dann weiterhin in die sogleich zu besprechende dritte Möglichkeitenreihe an irgend einer Stelle sich einfügen. Diese dritte Reihe geht ebenfalls von der Amitose aus; den nächsten Schritt würde die Differenzirung von Polplatten dar- stellen, ein Verhalten, wie es die Makronuelei der Spirocho- ninen darstellen. Die Ausbildung einer faserigen Spindel und höher entwickelter Chromatineinheiten würde etwa durch Aeti- nosphaerium repräsentirt. Von diesem Stadium aus können wir nun entweder zum Stadium der Amoeba binueleata gelangen und von da aus in be- kannter Weise weiter; oder es tritt eine andere Form der Weiter- entwiekelung ein, indem zunächst die Polplatten eine erhöhte Bedeutung gewinnen !), wofür wir ein schönes Beispiel in der jüngst von Mitrophanow (96) beschriebenen Kerntheilung bei Collozoum kennen. Ich mache darauf aufmerksam, wie hier in späteren Stadien, wo die Tochterplatten den Polen sehr ge- 1) Wenn wir die oben vermuthete Bewegungsweise des Linins durch Strömung annehmen, so gelangen wir auch in dieser Beziehung zu bemerkenswerthen Gesichtspunkten; ich will, was ich meine, hier nur in aller Kürze andeuten: die einfach wie eine sich theilende Amoebe auseinderströmende Centralspindel der Amitose kann wohl eine zweckentsprechende Vertheilung der diffus vertheilten Chromatin- körneher herbeiführen. Mit der allmähligen Ausbildung von hoch- differenzirten Chromosomen, müssen um eine gleichmässige Vertheilung derselben herbeizuführen besondere Lenkorgane für sie geschaffen werden; dieselben bilden sich aus einem Theil der äquatorialen Parthie der Centralspindel. Dagegen wird die Bewegung des ganzen Gebildes hauptsächlich den peripheren Theilen des Organs zugeschoben; diese Theile entwickeln sich damit zu Polplatten und weiterhiu zu Centro- somen. Letztere können nun auch aus dem Kern heraustreten und während der Kernruhe in irgend einer Form dauernd neben dem- selben liegen. Indem die Centralspindelfasern immermehr an ihrer Bedeutung als Druckfasern verlieren, könnte man sich auch Spindeln ohne solche vorstellen, welche also aus zwei Halbspindeln bestehen würden; die in diesem Falle hochentwickelten Centrosomen würden das Centrum der Bewegung bilden, solche Fälle sind ja schon wieder- holt geschildert worden; sie würden die höchste morphologische Ent- wickelung dieser Reihe darstellen, 216 Franz Doflein: nähert sind, die Centralspindel scheinbar unter dem Zug der Pol- platten, Bilder der Zerreissung bietet. Die weitere Entwickelung könnte den in der Anmerkung geschilderten Weg einschlagen, wobei auf jeder Stufe die achromatische Bildung in irgend einem Stadium den Kern vorübergehend oder dauernd verlassen kann. Jedenfalls würde auch dieser Weg zum gleichen Ziele führen. Auch sind alle angedeuteten Stadien in der Natur vorhanden, so kennen wir besonders bei pflanzlichen Zellkernen Beispiele, wo eine faserige Centralspindel mit oder ohne polare Bildungen vor Auflösung der Kernmembran innerhalb derselben gebildet wird. Ich verzichte darauf, an dieser Stelle diese Andeutungen breiter auszuführen, hoffentlich werden sie wenigstens einigen heuristischen Werth besitzen. Literatur-Verzeichniss. Die Mehrzahl der einschlägigen Schriften ist aufgeführt bei R. Hertwig (96) und Erlanger (96), daher hier nicht ausführlich zu- sammengestellt. Erlanger (96), Neuere Ansichten über die Struktur des Protoplasma, die karyokinetische Spindel und das Centrosom (im zool. Central- blatt 1896). O. u. R. Hertwig (87), Ueber den Befruchtungs- und Theilungsvor- gang des thierischen Eies unter dem Einfluss äusserer Agentien. Jena. R. Hertwig (95), Ueber Centrosoma und Centralspindel. Verh. Ges. f. Morph. u. Phys. München 1895, Heft I. E Derselbe (96), Ueber die Entwickelung des unbefruchteten Seeigel- eies. Ein Beitrag u. s. w. Festschrift für Gegenbaur. Leipzig 1896. Lauterborn, R. (96), Untersuchungen über Bau, Kerntheilung und Bewegung der Diatomeen. Leipzig. Mitrophanow (96), Note sur la division des noyaux de l’etat vege- tatif des Spherozoaires. Arch. Zool. Experim 18%, T. 3 (eitirt nach Selbstreferat im zool. Centralblatt 96, Nr. 25). Scehaudinn (94), Die Fortpflanzung der Foraminiferen und eine neue Art der Kernvermehrung. Biolog. Centr. Derselbe (96), Das Centralkorn der Heliozo@ön. Verhandl. deutscher Zool. Ges, Zimmermann (96), Die Morphologie und Physiologie des pflanz- lichen Zellkerns. Eine kritische Literaturstudie. Jena. Karyokinese des Spermakerns. 917 Erklärung der Abbildungen auf Tafel XI, XII u. XII. Das Chromatin ist überall roth, das Achromatin grau angegeben. Wo die Plasmastructur nicht deutlich war, ist sie nur durch das Ein- zeichnen der auffallendsten Mikrosomen u. s. w. angedeutet. Die Vergrösserungen sind durch die Systeme angegeben. Tubus 160 mm. !/; = Zeiss homogene Immersion !/js. Die römischen Zahlen bezeichnen Leitz’sche Okulare, die arabischen Zeiss’sche Compensatfons- oculare. Fig. 1 u. 2. Frisch eingedrungene Spermakerne. Färbung: Heiden- hains Eisenhämatoxylin. Vergr. !/ıs, Fig. 1 Oe.6, Fig.2 Oe. 12. Fig. 3. Spermakern !/, Stunde nach der Lähmung. Eisenhäma- toxylin 1/8 12. Fig. 4. Dsgl. Safranin !/ıs 6. Oo Fig. 5. Dsgl. Safranin !/ıs 8. Fig. 6. Beginn der polaren Differenzirung des Achromatins. Eisen- hämat. 1/8 6. . 1. Dsgl. Safranin 1/ıg 1. Dsgl. Eisenhämat. 1/js 1. : -. 9. Optischer Durchschnitt durch einen Spermakern dieses Stä- diums. Safranin !/ıg 6. Fig. 10. Derselbe bei hoher Einstellung. Fig. 11. Polplattenbildung. Safranin !/js 8. Fig. 12. Frisch eingedrungener, kaum noch umgebildeter Spermakern. Safranin !/is 1. Fig. 13. Dsgl. Eisenhämat. 1/ıs 6. Fig. 14. Dsgl. Strahlung im Eiplasma. Safranin 1/ıs 6. Fig. 15. Uebergang zur Ordensternfigur. Safranin !/js 1. Fig. 16. Ordenstern. Eisenhämat. !/ıs 8. Fig. 17. Stadium mit Kernfaden. Eisenhämat. Yıs 8. Fig. 18. Geknickte Spindel; ein Pol faserig differenzirt. Eisenhämat. hs, Fig. 19. Geknickte Spindel. Eisenhämat. Y/jg I. Fig. 20. Triaster. Eisenhämat. Y/ıg 1. Fig. 21. Geknickte Spindel. Bordeauxroth und Eisenhämat. Y/js 1. Fig. 22. Umgewandelte dsgl. Bordeauxroth und Eisenhämat. !/js 6. Fig. 23. Kaum umgewandelter Spermakern. Eisenhämat. Y/ıs 1. Fig. 24. Lockere bipolare Spindel. Eisenhämat. Y/ıg 1. Fig. 25. Geknickte Spindel mit kleinem dritten Pol. Eisenhäm. Y/ıg I. Fig. 26. Bipolare Spindel mit deutlichen Chromosomen. Eisenhäm. Y/ıs I. Fig. 27. Bipolare Spindel. Eisenhäm. !/js I. Fig. 28. Schnitt aus einem Ei mit Spermatriaster und Eikernspindel, Eisenhämat. 1/ıg 1. 2 09 de & - u Q EBERLE we 09 Franz Doflein: . 29. Dsgl. Spermakern mit Polplatten; Eikern in Ruhe. Safranin 'ıs 1. . 30. Umgebildeter Triaster. Eisenhämat. 1/jg 1. . 31. Zipfelstadium des Spermakerns. Eisenhämat. !/js 6. g. 32. Gitterspindel. Eisenhämat. Yıg 1. g. 33. Retikulirter Triaster. Eisenhämat. Y/ıs 8. '. 34. Ordenstern. Eisenhämat. . 35. Unregelmässige, vierpolige Figur. Eisenhämat. !/s 8. g. 36. Triaster Eisenhämat. 1/ıg 6. . 37. Ordenstern. Eisenhämat. !/ıg I. . 38. Tetraster. Eisenhämat. Yıg 1. -, 39. Unregelmässig gefurchtes Ei mit halbmondförmiger Ei- und Spermakernspindel. Eisenhämat. 1/ıg I. », 40. Schnitt durch ein Ei mit Eikernhalbspindel und Spermakern- ordenstern. Eisenhämat. 1/ig 1. . 41—43. Theilungsstadien des Spermakerns (Metaphasen). Eisen- hämat. 1/ıs I. ‚44. Sehnitt durch ein Ei mit reich vertheiltem Kernmaterial. Eisen- hämat. 1/8 1. . 45. Spermakern mit weggewandertem Spermocentrum. Eisen- hämat. 1/ıs 8. ", 46—50. Auflockerung des Spermakerns. Durchmengung der beiden Substanzen. Eisenhämat. Y/ıg (46:8, 47:6, 48—50:]). -. 51. Nadelkissenstadium des Spermakerns. Eisenhämat. 1/ıg I. -. 52. Schwache Ordensternfigur. Safranin Y/ıg 1. -, 53. Rekonstruktion der Kernmembran. Safranin !/;s I. Nach der ursprünglichen Skizze doppelt so gross gezeichnet. 54. Nadelkissenfigur. Eisenhämat. Y/is 1. 55. Spinnengewebeform des Achromatins. Eisenhämat. Y/ıg 6. 56. Dsgl. Eisenhämat. 1/js 6. 57. Nadelkissenform mit Membranbildung. Eisenhämat. 1 6 8. Bemerkung zu Fig. 53. ', 58. Frisch eingedrungener Spermakern. g.58 a u. b. Dsgl. g. 59. Dsgl. ig. 60. Dsgl. Alle, Eisenhämat. 1/,s 6. -, 61. Stadium mit 2 opponirten Polplatten. Eisenhämat. !/ıs 6. . 62—63. Dsgl. Eisenhämat. 1/ıg 8. . 64—66. Stadien der Kernretikulirung. -, 67—69. Stadien der Vermischung beider Substanzen. -, 70 u. 71. Bipolare Spindeln des Spermakerns. . 72 u. 73. Stadien der Retikulirung und Membranbildung. -, 74—76. Bildung zweipoliger Spindeln. Die Fig. 64—76:: Eisen- hämat. Us 6. 77. Retikulirte Spindel. Eisenbämat. !/ıs 8. ,. 78. Multipolare Figur. Eisenhämat. !/is 1. Karyokinese des Spermakerns. 219 Fig. 79. Spermakernhalbspindel. Eisenhämat. Y/ıs 6. Fig. 80. Schnitt durch ein Ei mit vielen Strahlungen. Eisenhämat. 1/5 I. Fig. 81. Moment der Berührung von Ei- und Spermakern. Eisen- hämat. 1/8 I. Fig. 82 u. 83. Erste Umbildungsstadien von Spermakernen. Eisen- hämat. und Bordeauxroth. !/ıg 6. Die Fig. 1—57 gehören der Serie mit gehemmter Befruchtung, die Fig. 58—83 solchen mit Polyspermie an. (Aus dem zoolog. Institut in München.) Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. Von J. Y. Graham. Hierzu Tafel XIV, XV und XVI. Wie maassgebend auch heute noch die ersten klassischen Arbeiten über die Entwickelung der Trichinen von Leuckart, Virehow und Zenker sein mögen, so bietet doch bis in die neueste Zeit die Fülle der theils zoologischen, theils pathologisch- anatomischen Fragen auf diesem Gebiete späteren Bearbeitungen reichen Stoff dar. Von den Hauptfragen sind es besonders zwei, welche in späterer Zeit in verschiedener Weise beantwortet wurden: 1. die Frage über den Weg, auf welchem die. Trichi- nen vom Darm aus sich weiter verbreiten und 2. die Frage, ob die weitere Entwiekelung in den Muskelfasern selbst oder nur im Zwischengewebe stattfindet. Zum Zwecke der Prüfung der neueren Anschauungen habe ich auf Anregung von Herrn Prof. R. Hertwig hin die vor- liegenden Untersuchungen unternommen, und ich genüge hiermit mit grossem Vergnügen der angenehmen Pflicht, ihm sowohl hierfür wie auch für die opferwillige Leitung, welche er den Untersuchungen angedeihen liess, meinen tiefgefühlten Dank aus- zusprechen. Das Ausgangsmaterial wurde mir in der freund- 390 J.Y. Graham: lichsten Weise theils von Herrn Prof. ©. Hertwig aus Berlin, der mir wiederholte Male triehinöses Schweinefleisch übersandte, theils von Herrn Bezirksthierarzt Rogner, Direktor des Schlacht- und Viehhofs, aus Nürnberg zur Verfügung gestellt. Diesen beiden Herren meinen herzlichsten Dank! Mit dem mir zugesandten gewöhnlich nicht sehr stark in- fieirten Fleisch habe ich weisse Ratten wiederholt gefüttert. Einige von diesen wurden sogleich zur Untersuchung der frühe- sten Stadien der Krankheit benützt, andere wurden geschont bis nach der Genesung und dann getötet, ein Theil ihrer Muskeln für spätere Studien aufgehoben, und der Rest diente für neue Fütterungen, wozu, da sie grösstentheils sehr stark in- fieirt waren, eine einzige Dosis genügte, ein Umstand, welcher zuweilen von Wichtigkeit ist. Im Ganzen habe ich etwa 30 Ratten verbraucht, habe aber sehr früh erfahren, dass für viele Fragen nur solches Material zulässig ist, das dem Thier unmittelbar nach dem Tod oder so- gar während der Narkose entnommen wird. In Folge dessen verwendete ich das zuerst ohne Kenntniss dieses Umstandes ge- sammelte Material, sowie die Muskeln gestorbener Thiere nicht für eingehende Untersuchungen. Das Studium wurde sowohl an Zupfpräparaten als auch an Schnitten ausgeführt. Im ersteren Falle wurde das Material nach 1—2 Tagen Maceration in 2°%/, Essigsäure in Essigsäure- Carmin gefärbt. Es ist dies ein Verfahren, welches das Auf- finden der eben in die Muskeln eingewanderten Trichinen we- sentlich erleichtert, da dieselben sich dadurch intensiv roth fär- ben. Auch für die Stadien der Kapselbildung leistete diese Färbung gute Dienste, da sie die Bindegewebszellen deutlich färbte, während sie die nekrotischen Muskelkerne ungefärbt liess, dagegen wirkt die spätere Uebertragung in Glycerin ungünstig auf die entwickelte Muskeltriehine. Für Schnitte fand ich eine Doppelfärbung in Delafield’sechem Hämatoxylin und Eosin sehr zweckmässig, sowohl beim Studium des Darms, wie für alle Sta- dien der Muskelerkrankung. Empfehlenswerth ist auch Auran- tia statt Eosin für die Nachfärbung. Beinahe ein gleiches Re- sultat wird durch das Hämatoxylin-Eosin-Gemisch nach Ehr- lich erreicht. Diese Farblösungen lassen sich gut bei in Sub- limat oder Chromessigsäure fixirtem Material anwenden ; für das Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 221 in Flemmingscher Lösung fixirte Material benützte ich Saffranin oder Heidenhain'’s Eisenalaun-Hämatoxylin mit Erfolge. Der Entwicklungsgang der Trichine sollte nach den Anga- ben Leukart's und anderer älterer Autoren bekanntlich folgen- der sein: Verzehren gewisse Säugethiere ein Muskelstück, das lebende, eingekapselte Trichinen enthält, so werden diese durch den Magensaft von ihren Kapseln befreit und entwickeln sich in dem Darm desselben innerhalb von zwei und einem halben Tage zur Geschlechtsreife, worauf die weiblichen Triehinen Ahre Brut im Darmlumen absetzen, die Embryonen die Darmwände durchdringen und sich mittels activer Wanderung in dem Binde- gsewebe verbreiten, auf welche Weise sie endlich frühestens 7 Tage nach der Infeetion in die Muskeln gelangen. Dort angekom- men, sollen sie das Sarkolemm durchbohren, in die contractile Substanz eindringen, sie zum Zerfall bringen und so in etwa 14 Tagen zu ausgebildeten Muskeltrichinen heranwachsen ; schliess- lich würden sie in einer Kapsel eingeschlossen, welche sich unter dem Sarkolemm aus der erhärteten Oberfläche der zerfallenen Muskelmasse bildet. Die wichtigere der beiden oben aufgeworfenen Fragen ist die Frage nach dem Verhältniss der Triehinenlarven zu den Muskelfasern. Denn sie steht nicht nur, wie wir später sehen werden, in innigem Zusammenhang mit der Kapselbildung, son- dern sie beeinflusst wesentlich anch unsere Anschauung bezüg- lich des Verbreitungsweges des Wurmes. Es ist daher zweck- mässig, dieselbe zuerst in Betracht zu ziehen. Schon die klassischen Bearbeiter haben ihre Aufmerksam- keit diesem Punkt zugewendet. Virchow hat schon vor der bahnbrechenden Entdeckung Zenker's, welcher zuerst die Triehine als Ursache der Triehinosis erkannte, seine Ansicht da- hin geäussert, dass die Trichmenkapsel sich aus dem Sarkolemm einer infieirten Muskelfaser bildet. Bald darauf kam er durch Fütterungsversuche mit Material, das ihm der berühmte Fall Zenker’s lieferte, in die Lage, die Richtigkeit seiner An- schauungen festzustellen. Leuekart berichtet, dass er in einer seiner frühesten Untersuchungen, irregeführt durch das ungewöhnliche Aussehen von verdiekten Sarkolemmschläuchen in einem etwa vier Wochen nach der Infeetion getödteten Schwein, sich zu der Ansicht verleiten Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 15 RO [803 DD I Y.Graham: liess, es seien dies stark veränderte Blutgefässe. Allein bald überzeugte er sich von der Unrichtigkeit dieser Deutung durch Studium früherer Stadien, in denen die Muskelnfasern fast nor- mal geblieben waren. Seine Untersuchungen in dieser Richtung sowohl wie seine Abbildungen schliessen jeden Zweifel einer Täuschung aus. Obige Angaben von Leuekart und Virehow wurden von vielen andern Forschern jener Zeit bestätigt und von allen Gelehrten anerkannt. Erst im Anfang der achtziger Jahre fan- den sie seitens des französischen Gelehrten Chatin Widerspruch, wenn auch keine Widerlegung. Chatin, der damalige Direetor des Laboratoriums in Havre, woselbst er im Auftrag der Regierung die Untersuehung von amerikanischem Schweinefleisch leitete, veröffentlichte 1881 mehrere kurze Berichte, in denen er die Thatsache hervorhob, dass er eingekapselte Triehinen im Fett sowohl, als in der Mus- kularis der Darmwand gefunden habe. Auch andere Forscher, wie Fourment, Delauvau, haben diese ungewöhnlichen Aufentshaltsorte des Wurmes bestätigt. Wenige Jahre später (1883) erschien Chatin’s Werk: „La Trichne et la Trichi- nose“, worin er die Anschauung der früheren Forscher in der nachdrücklichsten Weise bestreitet und zugleich erklärt, dass ihre Angaben jetzt nur mehr ein historisches Interesse besitzen. Von seinen irrigen Anschauungen möchte ich hier nur jene über das Verhalten des Parasiten zu den Muskelfasern in Be- tracht ziehen, da seine falsche Ansicht über diesen für die Ge- schichte der Triehine so überaus wichtigen Punkt in der Litera- tur die grösste Verwirrung verursacht hat. Er behauptet, dass ein Eindringen des Wurmes in die Muskelfaser undenkbar sei, da die Tricehine einen grösseren Durchmesser habe, als die Mus- kelfaser, dass sie vielmehr in dem Bindegewebe bleibe, wo die Kapsel als Glyeogenbildung entstehen soll; und ferner dass die Triehinenkapseln nicht nur in den Muskeln vorkommen, sondern auch in den verschiedensten Geweben, besonders in Fett und Darmwand ; bohre aber die Triehine das Sarkolemm an, so gehe sie rasch zu Grunde. Im folgenden Jahre erschien noch ein kurzer Aufsatz von Chatin über die Kapselbildung, in welchem er laut v. Lin- stow's Bericht (des Originals konnte ich nieht habhaft werden) Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 293 von Neuem behauptet, dass die Kapsel sich in normalen Fällen zwischen den Fasern entwickele, dass sie sich aber ausnahms- weise auch intra-faseieulär bilden könnte. Im Anfange desselben Jahres (1884) las in einer Sitzung der Academie de Medeeine Grancher einen Bericht über die Triehinen-Epidemie in Emmersleben vor, wobei er mittelst Prä- parate die Leuckart’schen Angaben im Wesentlichen bestä- tigte, allein diese Darstellung der Thatsachen blieb gänzlich un- beachtet, und wir müssen mit Erstaunen sehen, dass die Cha- tin’sche Anschauung von beinahe allen französischen Autoritä- ten angenommen worden ist. So erklären Blanchard, Rail- let und Moniez in ihren Lehrbüchern, Cerfontaine in, seinem Aufsatz „Contribution a l’ötude de la Trichinose“ die An- gaben Chatin’s für richtig. Der Erstgenannte gibt zudem Chatin’s irrige Abbildungen wieder. Anders steht es mit dem soeben erschienenen Lehrbuche Perriers, wo wir neben den Abbildungen von Claus die alte Leuckart’sche Darstellung wiederfinden, aber als Quelle hierfür ist merkwürdiger Weise einzig und allein die Arbeit Chatin’s eitirt. Es ist allerdings nicht zu verlangen, dass ein Lehrbuch ein ausführliches Litera- turverzeichniss liefert, aber anderseits erregt es geradezu Aerger- niss, wenn der Name desjenigen, der die Sache in Verwirrung gebracht hat, an Stelle des bahnbrechenden Forsehers steht. In Deutschland ist, soviel ich weiss, Chatin’s Anschau- ung nur von von Linstow als richtig angenommen worden, der dem Buch Chatin’s unverdientes Lob gibt, indem er dasselbe als eine vortreffliche, mit 11 schönen Tafeln versehene Monographie bezeichnet. Braun führt zwar in der letzten Aus- gabe seines Lehrbuches die Chatin’schen Anschauungen an, lässt aber die Frage nach ihrer Richtigkeit unentschieden. Johne seinerseits erklärt, dass zunächst kein Gewicht auf die Chatin- sche Behauptung zu legen sei, da bestätigende Angaben hierüber fehlen. Im Ganzen kann man sagen, dass Chatin’s Anschauung in der Zoologischen Literatur, besonders der französischen, ziem- lich breiten Boden gewonnen hat, und obgleich nicht überall an- genommen, störte sie doch das klare, von Leuekart gege- bene Bild. In der Pathologie «dagegen hat sie nur bei Wenigen 994 J. Y. Graham: Eingang gefunden, wie z.B. Herman et Malvoz. Vgl. auch Krämer, der 1872 den gleichen Irrthum beging. Ueber meine Untersuchungen hat schon Herr Prof. Hert- wig in der Gesellschaft für Morphologie und Physiologie einen Vortrag gehalten, von dem ein Referat nebst Abbildungen so- wohl in dem Sitzungsberichte dieser Gesellschaft, als auch in der Münchener med. Wochenschrift erschienen ist. Es wurde schon damals festgestellt, dass die jungen Triehinen im Gegen- satz zu der Behauptung Chatin’s nicht in dem Bindegewebe verbleiben, sondern in die Primitivbündel eindringen, deren Sarkolemmschlauch einen wesentlichen Antheil an der Kapselbil- dung hat. Davon, dass die jungen Triehinen in die Muskelfasern selbst eindringen, kann man sich mit Leichtigkeit überzeugen. Am geeignetsten hierfür sind die Muskeln eines 8—12tägigen Stadiums, da zu dieser Zeit die angegriffenen Muskelfasern ihr charakteristisches Aussehen noch besitzen. Nach Maceration kleiner Muskelstücke in 2°/, Essigsäure, Färbung in Essigsäure- carmin und Uebertragung in Glycerin kann man die Muskeln mit Vorsicht mit Nadeln zerzupfen. Gewöhnlich lässt eine 100- fache Vergrösserung die kleinen Triehinen in den auf solche Weise gewonnenen Muskelstückchen erkennen. Hierauf kann man durch leichtes Trommeln auf dem mit Wachsfüsschen ver- sehenen Deckglas die trichinenhaltigen Fasern vollständig iso- liren. Bei scharfer Einstellung solcher Fasern lässt sich die Lage der Triehinen in allerbestimmtester Weise feststellen. 1. Man kann nachweisen, dass die Querstrei- fung über und unter der TriehinedurchdieFaser hindurch sich verfolgen lässt, dass sie aber bei scharferEinstellung der Trichine unterbrochen ist. 2. Wenn-man eine derartige Faser unter dem Deckgläs- chen rollen lässt, liegt die Trichine stets innerhalb der Conturen. >. Man kann erkennen, dass die Querstreifung durch das vordrin- gende vordere Ende der Triehine vorgebuchtet wird, während am hinteren Ende die Querstreifung anfängt, undeutlich zu wer- den; in einigen Fällen lässt sich in jener Gegend auch ein Kanal wahrnehmen. Auch in Schnitten ist ein gleiches Verhalten leicht wahrzunehmen, sowohl in Längs- wie in Querschnitten. Die Triehinen haben zu dieser Zeit einen Durchmesser von 0,005 bis Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 225 0,006 mm, und die Muskelfasern der Ratte messen 0,013 mm bis 0,052 mm im Querschnitte. Ich vermag dieser schon in obenerwähntem Bericht mitge- theilten Anschauung nunmehr die Beobachtung hinzufügen, dass die Trichine, falls sie, unbeschützt vom Sarkolemmschlauch, der Wirkung des Bindegewebes ausgesetzt ist, abstirbt, nachdem sich ein dichtes Granulationsgewebe um den Wurm gebildet hat, das aber mit der regelmässigen Kapselbildung nicht vergleichbar ist. Auf diesen Punkt werde ich seinerzeit ausführlicher zurück- kommen. Y Unverständlich ist es, wie Chatin die Lagerung der Kapsel zwischen den Muskelfasern betonen konnte, eine That- sache, welche schon seit der Zeit O wen (1855) also seit man überhaupt von der Trichine wusste — bekannt war. Wenn er darin einen Beweis gegen die Lehre vom Eindringen der Triehine in den Sarkolemmschlauch fand, so ist das nur so zu erklären, dass Chatin annahm, es müsse eine vollständig entwickelte Kapsel im Innern einer im Uebrigen normalen Mus- kelfaser liegen. Noch merkwürdiger sind die von ihm angege- benen Grössen- und Lageverhältnisse zwischen Triehinenlarve und Muskelfaser, nachdem Leuekart hierüber schon die ge- nauesten Messungen. und Beobachtungen beigebracht und durch seine, in anatomische Details eingehenden Abbildungen auch so schön demonstrirt hatte. Ueberhaupt ist es erstaunlich, dass Chatin, trotzdem er alle die von ihm angeführte Literatur kannte, noch bei seiner Anschauung verharrte. Zum Beweis für das Vorkommen eingekapselter Trichinen in der Darmwand führt Chatin die Arbeit Bakodys an und identifieirt hierdurch seinen Befund mit jenen von Bakody beschriebenen Nematoden. Es genügt jedoch ein Blick auf die Zeichnungen in oben erwähnter Arbeit, um zweifellos zu erken- nen, dass der fragliche Parasit keineswegs Triehina spiralis ist, noch einer ihr nahestehenden Gattung angehört. Selbstverständ- lieh ist der Irrthum Bakody's schon längst, in der deutschen Literatur wenigstens, widerlegt worden. Chatin’s Irrthum in diesem berühmten Fall von Pseudo- Triehinen ist um so gravirender, als er mehrere Seiten seines Buches diesem Gegenstand gewidmet hat. Es ist schwer zu be- 226 J. Y.Graham: stimmen, ob der von ihm beschriebenen Nematode mit dem von Bakody wirklich identisch ist, — Zeichnung und Beschrei- bung sind zu ungenau. Wie wenig Chatin selbst wusste, wo- rauf man beim Bestimmen von Nematoden zu achten hat, geht daraus hervor, dass er die Lanzettform als maassgebend betont, welche aber für Trichina spiralis keineswegs genügend characte- ristisch ist. Ein sicherer Aufschluss ist weder aus dem Text, noch aus den jeglicher anatomischen Merkmale baaren Abbildun- gen zu gewinnen, da sie die Conturen irgend eines Nematoden vorstellen können. Ein spiralförmig zusammengerollter Wurm in eine Kapsel eingeschlossen, das ist Alles, was uns die Tafeln zeigen. Vor allem fehlt seinen sämmtlichen Zeichnungen — so- gar denen von erwachsenen Trichinen, — jegliche Andeutung des Zellenkörpers, dieses Hauptcharacteristicums aller Tricho- tracheliden. Welcher Unterschied dagegen in allen Abbildungen von Leucekart und Pagenstecher! Der Befund von Tri- chinen in Fett, auf welchen Chatin so viel Gewicht legte, be- dingt keineswegs einen Umsturz der früheren Anschauungsweise über die Bildung der Kapsel. Chatin gibt au, dass die im Fett gefundenen Triehinen entweder der Kapseln ganz entbehr- ten, oder deren nur sehr dünne besässen. Seine Zeichnungen solcher eingekapselter Trichinen zeigen alle, mit einer einzigen Ausnahme, Muskelfasern in nächster Nähe, — stellen also nichts Abnormes dar. Denn, wie schon längst bekannt, lagert sich Fettgewebe nach überstandener Triehinosis bei gut genährten In- dividuen um die Kapseln ab. Vgl. Virchow (C) 8. 17. Was die erwähnte Ausnahme betrifft, so ist sie gar nicht in Betracht zu ziehen, denn sie stellt eine vollkommen isolirte Kapsel dar, deren nicht mehr sichtbare Umgebung eben so gut das gewöhnliche Kapsellager gewesen sein kann. Die übrigen Würmer — wir wollen annehmen, dass Chatin Recht hat, wenn er dieselben als Trichinen bezeichnet — waren ohne Kap- seln, lagerten also frei im Fett. Unzweifelhaft fanden sie ihren Weg in diesen ungewöhnlichen Aufenthaltsort durch eine post mortem-Wanderung. Bekanntlich verlieren die Triehinen durch den Tod ihres Wirthes nicht die Fähigkeit, sich zu bewegen, ja sie benützen dieselbe oft sogar zu beträchtlichen Ortsverän- derungen (vergl. Fürstenberg). Ich selbst habe nicht selten in dem Muskel einer eben getödteten Ratte (14 oder 22 Tage Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 227 nach Infeetion) die Triehinen unter dem Mikroskop sich aus den befallenen Muskelfasern frei machen und in der sie umgebenden physiologischen Kochsalzlösung herum sehwimmen sehen. Sogar eingekapselte Triehinen (3 Monate Stadium) sah ich, falls ihre Kapseln durehschnitten waren, dieselben verlassen. Angesichts dieser Thatsachen dürfte das Auffinden freier Triehinen im Fett auf oben beschriebenem Wege seine Erklärung finden. Chatin’s Material — wie erwähnt, untersuchte er amerikanisches Schweinefleisch — bot wohl die günstigste Gele- genheit für solch einen Lagerwechsel post mortem. » Ich untersuchte das Fett einiger ausserordentlich stark in- fieirter Ratten, indem ich die Präparate, sofort nach Tödtung in 2— 4°, Essigsäure fixirt, mit absolutem Alkohol und dann mit Xylol behandelte, aber es gelang mir, weder eingekapselte noch freie Triehinen zu entdecken, obgleich ich viel Material in dieser Weise durcharbeitete. Aus Vorstehendem ist ersichtlich, auf welch’ schwachen Füssen die Behauptung ruht, die Trichinen fänden sich im Fett oder in der Darmwand eingekapselt. Es bleibt daher unerwiesen, dass sie sich irgendwo anders einkapseln, als in der quergestreiften Muskulatur und zwar innerhalb der Faser. Damit aber sind wir zurückverwiesen auf die Lehre, so wie sie sich im der Zeit 1860—1866 über diesen Punkt entwickelt hat. Bezüglich der Frage, auf welchem Wege sich die Triehinen vom Darm aus weiter verbreiten, standen sich von jeher zwei entgegengesetzte Theorien gegenüber. Einerseits wird behauptet, dass die Einwanderung eine active ist, dass die Embryonen die Darmwand durchbohren und mittelst activer Wanderung in dem Bindegewebe die quergestreiften Muskeln erreichen. Andererseits versucht man zu beweisen, dass die Verbreitung der jungen Brut eine passive ist, dass sie nämlich durch die Lymph- und Blutbahn den Muskeln zugeführt werden. Die Thatsache, welche der activen Wanderungstheorie als Hauptstütze diente, war, dass sich immer eine beträchtliche An- zahl von Embryonen in der Leibeshöhle und dem sie umschlies- senden Bindegewebe vorfand. Es war hieraus der Schluss ge- zogen worden, dass die junge Trichinenbrut die Darmwand durch- bohre, deren hochgradiger Entzündungszustand für eine solche 228 J.Y. Graham: Verletzung zu zeugen schien. Ein weiterer Beweis für ihre Wanderung auf diesem Wege schien darin gegeben, dass sich das Zwerchfell und die Muskeln der vorderen Körperhälfte vor- zugsweise befallen erwiesen. Es waren jedoch nur selten, wenn überhaupt, freie Embryonen im Darminhalt entdeckt worden, gewiss eine auffallende Thatsache, da nach den bescheidensten Angaben die Embryonen die Muttertrichinen um das 1000 —1500fache an Zahl übertreffen sollten — und ferner war nie- mand im Stande, an Präparaten die Durchbohrung der Darmwand zu demonstriren. Nachdem es somit für diese Verbreitungsweise durchaus an einem direkten Beweis fehlte, musste das Auffinder junger Tri- chinen im Blute durch Zenker, Fiedler, Colberg und Andere um so bedeutungsvoller erscheinen. Besonders war es Fiedler, der diese Frage viel untersuchte, und der, in Anbe- tracht des wiederholten Auffindens von einigen Trichinenlarven in der rechten Herzkammer, sowie der Schnelligkeit der Ver- breitung ete. zu dem Schlusse kam, der Blutstrom sei der haupt- sächlichste Verbreitungsweg. Eine seiner Untersuchungen wird merkwürdigerweise in den Lehrbüchern als ein sicherer Beweis für die active Wanderungstheorie dargestellt, trotzdem er selbst. ihr diese Bedeutung abgesprochen hatte. Er unterband nämlich bei einem Kaninchen fünf Tage nach der Fütterung die rechte Arteria eruralis und fand später in beiden Beinen gleiche Mengen von Muskeltrichinen. Leuckart schien dieses nicht anders erklärbar, als durch eine active Wanderung der jungen Trichinen. In diesem Sinne wurde die Beobachtung auch in den Lehr- büchern verwerthet, und Fiedler’s Deutung, dass die Triehinen auch durch den eollateralen Kreislauf in die Extremität, deren Hauptarterien unterbunden waren, gelangen könnten, wurde ausser Acht gelassen. Colberg stimmte mit Fiedler überein und brachte als weiteren Beweis den Befund von einigen Trichi- nen in Capillaren. Auch in Thudiehum fand die active Wan- derungstheorie einen entschiedenen Gegner, und zwar auf Grund seiner Beobachtungen, denen gemäss er nicht nur eine gleich- mässige Vertheilung der Triehinen in den Muskeln eines am 7. Tage nach Infeetion getödteten Schweines fand, sondern auch in dessen Brust- und Bauchhöhle, im Pericardialsack, Herz, Lungen, Thymus und Lymphdrüsen. Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 229 oO oO Gleichwohl erklärte sich Leuekart gegen die Annahme ihrer Verschleppung auf diesem Wege, da die Zahl solcher Be- funde gegen die so häufig im Bindegewebe festgestellten zu gering erschien. Auch Pagenstecher schloss sich dieser An- schauung Leucekart's an, wiewohl er zugab, dass sie nicht durchaus befriedige, vielmehr dass dies „ein recht unklarer Fleck in der Geschichte der Trichinen“ sei. So war auf das hohe Ansehen Leuckart's hin die von ihm beschriebene Ver- breitungsart bis in die neueste Zeit ohne Bedenken angenommen worden und wird auch in der allerletzten Untersuchung (Bhr- hardt's) ihre Gültigkeit aufrecht erhalten. Dureh eine Reihe von neueren Arbeiten wurde die Discus- sion der Frage in den letzten Jahren wieder eröffnet, aber ohne dass eine durchgängige Uebereinstimmung erreicht worden wäre. Zuerst erschien eine Arbeit von Cerfontaine, welche zeigen sollte, dass die weiblichen Darmtrichinen in die Schleim- haut eindrängen, die Museularis durchbohrten und auf dem Wege durch das Mesenterium die Mesenterial-Lymphdrüsen erreichten. Er glaubt auf diese Gründe hin ausser einer activen Wanderung auch eine passive Verbreitung durch Lymph- und Blutbahn an- nehmen zu dürfen. Für seine Beobachtungen hatte eine einzige Ratte gedient, die 5 Tage nach der Fütterung unter heftigen Erscheinungen von Darmkatarıh zu Grunde ging, und erst ca. 12 Stunden nach dem Tod zur Section gelangte, was bei der Be- urtheilung des Befundes in’s Auge gefasst werden muss. Geisse (1895) gelang es nicht, diese Ergebnisse Cer- fontaine’s zu bestätigen; er kam nach einer eingehenden Untersuchung mehrerer Thiere zu dem Schlusse, dass Cerfon- taine's Befund nur eine nach dem Tod des Versuchsthieres eingetretene Veränderung sei. Da er aber Triehinenembryonen weder im Darmlumen noch in der Darmwand finden konnte — bloss einen fand er anscheinend in einem Lymphgefäss des Mesenteriums —, hält er es für wahrscheinlich, dass die Ver- breitung der Trichinenembryonen hauptsächlich durch Vermitte: lung des Gefässsystems geschieht, daneben sollte in geringerem Maasse eine active Wanderung durch Darmwand, Bauchhöhle und das umliegende Bindegewebe stattfinden. Ein vorläufiger Bericht Askanazy's erschien 1894, zu welcher Zeit er noch nichts von Cerfontaine's Arbeit wusste. 230 J.N.Graham: Eine ausführlichere Behandlung dieses Gegenstandes veröffent- lichte er im folgenden Jahre in einer Arbeit, die wohl als die klarste Darstellung der uns beschäftigenden Frage angesehen werden darf. Er fand nach einer an Kaninchen vorgenommenen Untersuchung, „dass die weiblichen Darmtriehinen sich in die Darmschleimhaut einbohren und mit Vorliebe die Lymphgefässe aufsuchen, um ihre Jungen daselbst zu bergen“. Diese würden dann mittelst Chylusstroms zu den mesenterialen Lymphdrüsen geführt, und von dort aus durch den Ductus thoracieus zur Blut- bahn. Sie verlassen die Blutbahn in der Regel nur in der quer- gestreiften Muskulatur, was durch die Lehre von der Chemotaxis sich erklären soll. Askanazy begründet seine Ansicht damit, dass er erwachsene weibliche Trichinen und Embryonen in den Lymphgefässen der Darmzotten fand; ferner Embryonen in me- senterialen Lymphdrüsen, sowie in blutigen Heerden der Lungen, wohin sie ihrer Lage nach nicht durch eine Einwanderung von Aussen gekommen zu sein schienen, sondern durch das Ent- weichen der Trichinenembryonen aus den Lungencapillaren. Neben der so geschilderten Verschleppung durch den Blutstrom hielt er eine active Wanderung für möglich, misst ihr aber überaus geringe Bedeutung bei. Die Abweichung seiner Befunde von den Angaben Cerfontaine's sucht Askanazy durch die Grössendifferenz der Därme von Kaninchen und Ratten zu erklären. In der vor Kurzem erschienenen Arbeit Ehrhardt’s ist wieder das Bindegewebe als der Weg bezeichnet, auf welchem die Triehnen zu den Muskeln gelangten. Er giebt zwar zu, dass die Embryonen mittelst Lymphstroms aus dem Darm ge- schwemmt werden, macht aber gegen ihre Verbreitung durch die Blutbahn geltend, dass sie in den Capillaren der Lungen wie in einem feinen Filter zurückgehalten werden müssten. Es ist also ersichtlich, dass die ganze Frage der Trichinen- wanderung einer neuen Untersuchung bedurfte. Zunächst handelt es sich darum, festzustellen, wo die Tri- chinenbrut abgesetzt wird. Für die Ansicht der ältern Forscher, dass das Darmlumen der Geburtsort sei, habe ich in meinem Material keinerlei Beweise gefunden. Obwohl ich den Darminhalt mehrmals sorgfältigst untersuchte, sowohl an frischen Präparaten, wie auch, nachdem er sammt Darmtrichinen mit Reagentien be- Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 231 handelt worden war, habe ich kein einziges Mal darin einen Embryo gefunden. Auch bei der Untersuchung der Schnitte un- eröffneter Darmstücke kam mir niemals ein solcher frei im Darm- lumen zu Gesicht. Der einzige positive Befund, welcher den Darm als Geburts- ort zeige, wird von Askanazy berichtet. Er fand im Lauf seiner eingehenden Untersuchung von mehreren äusserst stark infieirten Fällen bloss 4 Embryonen frei im Darmlumen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich hier um Artefacte handelt. Wenn nur die Hälfte der Triehinen in dem Darmlumen zur Welt gebracht würde, könnte man mit Recht erwarten, Hundert- tausende dort frei zu finden. Da dies absolut nicht der Fall ist, so ist gewiss der Schluss berechtigt, dass das Darmlumen bei der Frage nach dem Geburtsort der Triehinen nicht in Frage kommt. Zur Controle von Cerfontaine’s Behauptung, dass die weiblichen Darmtrichinen zum Zwecke des Brutabsetzens die Muskelschichten des Darmes durchbohren, benützte ich folgende Methode, welehe es mir ermöglichte, viel Material darauf hin in kurzer Zeit zu untersuchen. Eröffuete Darmstücke werden in 20/, Kalibichromatlösung gelegt und nach 24 Stunden wurde die Schleimhaut mit einem Pinsel von den Muskelschichten losgelöst. Letztere wurden dann in 2°/, Essigsäure weiter macerirt, dann in Essigsäurecarmin gefärbt, in Glycerin gebracht und zerzupft. Ich fand aber keine Triehinen. Gleich negativ war das Ergeb- niss der Untersuchung aufgehellter Stücke des Mesenteriums. Auch unter den Schnitten, welche ich machte, um die Beziehung der Trichinen zur Darmwand näher zu verfolgen, konnte ich weder in den Muskelschichten, noch in den von Cerfontaine besonders betonten Payer'schen Plaques, noch in dem mit durehschnittenen Mesenterium erwachsene Trichinen finden. Das Gleiche muss von Schnitten der mesenterialen Lymphdrüsen ge sagt werden. Es ist überhaupt höchst zweifelhaft, ob Cerfon- taine’s Fig. 7, welehe eine Trichine in einem „ganglion me- senterique“ darstellen soll, in Wirklichkeit eine Mesenterialdrüse vorstellt. Sie sieht vielmehr wie eine Leucocytenansammlung aus. Ich meinerseits habe kein solches Gebilde an Rattendärmen entdecken können. Ich habe also gleich Geisse Cerfontaine’s Angaben 232 JAY Graham: nicht bestätigen können, und da ich Ratten als Versuchsthiere benützt habe, so zeigte es sich, dass die Verschiedenheit zwischen Askanazy’s Resultaten und denen Cerfontaine's nicht durch den Unterschied der Versuchsthiere zu erklären ist, wie ersterer annimmt. Dass lediglich Veränderungen post mortem vorlagen, wie Geisse glaubt, scheint mir ebenfalls ausgeschlossen, denn ich konnte in dem Darm einer 10 Tage nach der letzten und 21 nach der ersten Fütterung eingegangenen und erst 12 Stunden nach dem Tode secirten Ratte gleichfalls weder eine Lagerung der Darmtriehinen in der Muscularis, noch eine Andeutung einer Durcehbohrung derselben eonstatiren. Obwohl ich mich durch diese Untersuchungen schon längst überzeugt hatte, dass die von Cerfontaine beschriebenen Beziehungen der weiblichen Tri- chinen zur Darmwand durchaus nicht typisch sind und für die Frage der Wanderung also keinerlei Bedeutung besassen, so habe ich trotzdem geglaubt, seinen Befund controliren zu sollen und zwar an einer Ratte, die nach der ganz gleichen Krankheits- dauer von 3 Tagen starb und erst nach 20 Stunden zur Section kam. Veranlasst durch die Erwägung, dass, wenn eine Durch- bohrung der Darmwand stattgefunden hätte, einige Darmtrichinen sich in der Leibeshöhle finden müssten, untersuchte ich den In- halt derselben in folgender Weise. Gleich nach dem Durch- schneiden der Bauchmuskeln spülte ich die Leibeshöhle aus und war besonders bedacht, dass das Mesenterium und die serösen Oberflächen des Darms reichlich mit der physiologischen Koch- salzlösung übergossen wurden. Die Einschlüsse dieser Flüssig- keit habe ich mittelst einer Centrifuge gesammelt und mit dem Mikroskop durchsucht, habe aber keine Triehinen gefunden. Es ergab sich daher, dass die Triehinen, vorausgesetzt dass sie über- haupt die Darmwand durchbohren, nur in das Mesenterium und nicht in die Leibeshöhle gelangen können. Um diese Möglichkeit genauer zu controliren, machte ich Schnitte durch ein den Peyer- schen Haufen einschliessendes Darmstück, mit welchem auch ein Stück des Mesenteriums sammt einer mesenterialen Lymphdrüse im Zusammenhang blieb. In diesen Schnitten waren sehr starke pathologische Veränderungen deutlich zu erkennen, von denen hier nur die gänzliche Desquamation des Epithels und die starke Erweiterung der Blutgefässe erwähnt seien. Die Triehinen zeigten Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 233 sich nur in dem Darmlumen und in der Schleimhaut. Ihre Be- ziehung zur letzterer genauer zu bestimmen, war wegen des schlechten Zustandes derselben nicht gut möglich. Aber in dem Peyer’schen Haufen fehlten sie, auch war kein einziges Exem- plar weder in Museularis noch Mesenterium noch Gekröselymph- drüsen zu finden. Es scheint also, dass das Eindringen der erwachsenen Tri- chinen in die unterhalb der Submucosa liegenden Schichten des Darmes ein äusserst seltenes abnormes Vorkommniss ist; es tritt niemals in Fällen auf, wo die jungen Triehinen die Muskeln wirklich erreichen, und ist bis jetzt blos in einem sehr acuten, innerhalb 3 Tage tödtlich verlaufenden Fall — dem Cerfon- taine’schen — beobachtet worden. Und zwar ist es wahr- scheinlich, dass ein solcher Angriff auf das Gewebe des Wirths immer einen letalen Ausgang verursachen muss. Denn so klein auch die erwachsene Trichine ist, so zeigen die Cerfontaine- schen Abbildungen doch derartige Verletzungen der Darmwand, dass — wenn wir uns solche massenhaft denken müssen — sie kaum ohne tödtliche Folgen bleiben könnten. Es ist aber noth- wendig für die weitere Entwickelung der Triehinen, dass die Nachkommenschaft eingekapselt wird oder wenigstens ein ziem- lieh fortgeschrittenes Wachsthum erreichen muss, ehe der Wirth zu Grunde geht; denn eine Infeetion durch ein sehr junge Tri- chinen enthaltendes Fleisch ist unmöglich. Crepirt also der Wirth während der ersten oder zweiten Woche, so sterben mit ihm auch die Trichinen, und ist solches Fleisch selbstverständlieh nicht in- fectionsfähig. Cerfontaine's Ansicht, dass normalerweise die Darmwand von den Muttertrichinen durchbohrt wird, wird daher nicht nur durch die zahlreichen Befunde anderer Forscher wider- legt, sondern ist auch aus theoretischen Gründen unhaltbar. Wiewohl man sich ohne grosse Schwierigkeiten von der Thatsache überzeugen kann, dass sich die erwachsenen Triehinen unter normalen Umständen lediglich oberhalb der Museularis auf- halten, so ist es doch nichts weniger als leicht, die Lage der weiblichen Triehinen bei Absetzung ihrer Brut genau anzu- geben. Ich habe mieh mit dieser Aufgabe beschäftigt und war besonders bemüht, jede Möglichkeit eines nachträglichen Lage- wechsels der Parasiten auszuschliessen. Zu diesem Zwecke ent- 934 J.Y. Graham: nahm ich die Darmstücke narkotisirten lebenden Ratten. Zum Fixiren benützte ich heisse, mit einer kleinen Quantität Essig- säure versetzte Sublimatlösung, in welche die uneröffneten Darmstücke eingelegt wurden. Nach der gebräuchlichen Ein- bettung derselben in Paraffin machte ich Serien von Querschnitten und hielt mich bei Befestigung auf dem Objectträger streng an die Reihenfolge. Beim Aufkleben benützte ich die wohlbekannte Eiweisswasser-Methode, die bei sorgfältiger Ausführung stets die losen Theile in ihrer natürlichen Lage erhält. Als Färbungs- mittel gebrauchte ich Hämatoxylin und Eosin mit gutem Erfolg. Weniger kann dieses von der Flemming’schen Lösung gesagt werden, denn bei den Stücken, welche ich nebenbei in solche einlegte, wurde das Aufsuchen der Triehimen durch das Sehwärzen sehr erschwert. Ich beschränkte mich deshalb bei der Unter- suchung grösstentheils auf die mit Sublimat behandelten Stücke. Die zu diesem Zwecke benützten Ratten waren 8—12 Tage nach Infeetion getödtet worden, während welcher Zeit die Ein- wanderung erwiesenermaassen in vollem Gang ist, was ich auch für diese Fälle durch das Auffinden von jungen Triehinen im Muskel constatirte. Was das Studium dieser Sehnitte einigermaassen er- schwerte, war die zu leichte Infeetion. Es machte dieser Um- stand eine um so grössere Anzahl von Schnitten nöthig, gewährte jedoch andererseits den Vortheil, das Verhalten der Trichinen in einer weniger stark veränderten Schleimhaut zu beobachten. Ge- genüber der beträchtlichen Epithel-Abstossung in Askanazy’s Fällen beschränkten sich nämlich in den meinigen die pathologi- schen Veränderungen auf ein erheblich vermehrtes Auftreten schleimsecernirender Becherzellen und hie und da eine mässige An- sammlung von Leukoeyten. Bezüglich der letzteren war es be- merkenswerth, dass die überwiegende Mehrzahl derselben Loch- kerne trug und in ihrem Zellenleib durch Eosin intensiv gefärbte Körnchen zeigte. Es sind das, wie wir später sehen werden, serade jene Zellen, welche auch während der Einwanderung und Einkapselung des Parasiten im Muskel niemals fehlen. Ich konnte weder Epithel-Abschuppung noch sonstige pathologische Verän- derungen entdecken. In den Figg. 1—5 habe ich Abbildungen gegeben, welche die Lage der Trichinen in der Schleimhaut darstellen. Die Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 235 Figg. 4 und 5 zeigen eine männliche Trichine, wie sie in zwei Sehnitten getroffen worden ist. Das Kopfende, ein den Anfang des Zellenkörpers enthaltendes Stück und ein Theil des Hinter- leibsendes sind in Fig. 4 zu sehen. Die charakteristische Struc- tur des Hodens und des Samenganges mit den darin enthaltenen Spermatozoen sowohl wie das im nächsten Schnitt angetroffene, mit den zapfenförmigen Anhängen versehene Hinterleibsende stellen es fest, dass dies eine männliche Trichine ist. Das Bild ist zum Theil ergänzt durch Fig. 5. Hier sehen wir in einem Stück das Vorderende des Hodens, das Hinterende des Zellen- körpers und darauf in einem anderen Stück etwa den mittleren Teil des letztgenannten Organs. Durch das Studium dieser Präparate (das Exemplar lässt sich durch etwa 12 Schnitte ver- folgen und dadurch die Zusammengehörigkeit dieser zwei Abbil- dungen genau feststellen) ist das Lager der Triehine leicht an- zugeben. Sie liegt nämlich in der Lichtung und dem Epithel einer Schlauchdrüse, in welche sie bis zu ihrem Boden einge- drungen ist. In den Figg. 1—2 habe ich das Lager einer weiblichen Triehine dargestellt. Hier wiederum zeigt sich das Vorderende des Thieres bis zum Boden einer Schlauchdrüse hineingerathen, deren Epithel gleichfalls den Sitz des Parasiten bildet. Wenn wir diese Trichine noch weiter nach oben verfolgen, so finden wir, dass sie eine spirale Biegung macht und auf diese Weise in die andere Wand des Schlauches zu liegen kommt, immerhin bleibt sie aber noch in dem Epithel. Wo jedoch das Epithel des Lieberkühn’schen Schlauches in das der Zotten über- geht, leidet dasselbe mehr und mehr von der Anwesenheit der Triehine, wird völlig defeet, und ist schliesslich nieht mehr zu erkennen. So ist z. B. in Figg. 2 bei a auf der linken Seite der Triehine kein Epithel mehr zu finden, und der Körper des Wurmes liegt folglieh in direeter Berührung mit dem Stratum proprium der Zotten. Die noch weiter nach unten liegenden Theile zeigen, dass es sich hier wirklich um eine durch Ver- drängung erfolgte Durchbreehung des Epithels handelt und nicht um eine Durchbohrung desselben. Denn, wenn wir diese Tri- chine noch weiter verfolgen, finden wir sie nicht in den Zotten liegen, sondern sehen, dass sie drei Lieberkühn’sche Schläuche nahe ihren Mündungen durchquert hat, und in ihrem 236 J.Y. Graham: weiteren Verlauf wiederum in dem Epithel liegt, was deutlich bei T 6 in dem Querschnitt zu erkennen ist. In meinem Ma- terial ist dies das häufigste zu eonstatirende Verhalten der Tri- chinen zur Schleimhaut. Sie liegen also in den tiefen Furchen des Epithels, besonders in den Schlauchdrüsen eingegraben. Das Epithel wird in der Weise so sehr unterwühlt, dass es stellen- weise völlig verschwindet. Jedoch, wie Fig. 3 demonstrirt, fin- det auch zuweilen ein direetes Eindringen in das Stratum pro- prium statt, was aber in meinem Material viel seltener zu be- obaehten war. Das hier abgebildete Exemplar zeigt ferner eine merkwürdige Lagebeziehung. Während nämlich das Kopfende und die in der Nähe des Hinterleibsendes sich befindliche Samen- tasche deutlich unterhalb des Epithels liegen, ist die mittlere Gegend des Körpers, zum Theil wie bei db in dem Epithel, zum Theil wie bei e (in den anderen Schnitten noch mehr ersicht- lich) in dem Darmlumen. In diesem Fall ist es sicher, dass die Triehine obwohl zum Theil innerhalb einer Zotte, doch nicht in einem eentralen Chylusgefäss liegt. Wenn wir also in Anbetracht dieser Präparate versuchen, den Zweck zu ergründen, welchen die Triehinen durch dieses Verhalten zur Darmschleimhaut erreicheu wollen, so müssen wir zunächst die von Anderen gegebene Erklärung, dass dies lediglich zum Zwecke der Brutabsetzung sei, in Abrede stellen ; denn wie hier zum erstenmal gezeigt, dringen sowohl männliche wie weibliche Triehinen auf dieselbe Weise in die Schleimhaut ein. Es scheint mir also, dass das Eindringen der Trichinen in das Epithel nicht bloss den Zweck der Brutablage hat, son- dern viel eher sich aus ihrem Streben erklärt, sich der Wirkung der bei der Triehinose vielfach gesteigerten Peristaltik zu ent- ziehen. Da aber die Wanderung respective Verschleppung der jungen Brut in diesen Fällen — wie das Studium der Muskeln zeigte — schon angefangen hat, ja, wie später zu beriehtende Befunde beweisen werden, gerade im vollen Gange war, so sehe ich mich veranlasst, diese Lagerung der weiblichen Triehinen, welehe sich tief in das Epithel sogar in das Stratum proprium eingegraben haben, für das Absetzen der Brut als typisch zu be- trachten. Dieses Lageverhältniss der weiblichen Triehinen zu den Darmzotten ist schon von Askan.azy beobachtet worden, und hat derselbe ferner bewiesen, dass auch unter diesen Um- vr Beiträge zur Naturgesehichte der Trichina spiralis. 237 ständen die Geburt der Jungen beginnen kann. Allein er schreibt demselben neben dem Eindringen der Muttertrichinen in das cen- trale Chylusgefäss nur eine seeundäre Bedeutung zu. Nirgends habe ich aber in meinen Untersuchungen des Rattendarms einen Anhaltspunkt dafür gewinnen können, dass die Mutterthiere bis zum centralen Chylusgefäss vordrimngen. Jedoch möchte ich es nicht für ganz unmöglich erklären, dass ein tieferes Eindringen in das Gewebe der Schleimhaut auch bei Ratten in Folge einer sehr starken Infection gelegentlich zu beobachten wäre. Denn die bei starkem Darmkatarrh immer eintretende Desquamation des Epithels macht es für Darmtrichinen schwieriger, ihren Auf- enthalt in dem Darm zu behaupten, und müssten sie also tiefer in das Gewebe eindringen, aber in solchen Fällen (bei den Rat- ten wenigstens) muss man sich vor einer leicht möglichen Täu- schung hüten, da die ihres Epithels beraubten, auf dem Schnitte schräg getroffenen Lieberkühn'schen Schläuche auch grosse Aehnlichkeit mit stark erweiterten centralen Chylusgefässen an- nehmen können. Es sollte ferner betont werden, dass die Zotten des Rattendarms viel zu klein sind, um den ganzen Körper einer erwachsenen weiblichen Trichine zu beherbergen; dass das cen- trale Chylusgefäss sie aufnehmen könnte, steht daher ganz ausser Frage. Bei den Kaninchen allerdings, deren Darmzotten viel grösser als die der Ratten sind, ist ein Eindringen ins Chylus- gefäss leichter verständlich. Es wäre aber von Interesse zu wissen, ob solch ein Vorkommniss auch bei leichteren Fällen (in denen das Thier die Krankheit überstehen kann) mit ver- hältnissmässig derselben Häufigkeit zu eonstatiren wäre. Denn das, was nur für sehr starke, innerhalb 2—3 Wochen mit dem Tod ausgehende Fälle charaeteristisch ist, bleibt doch für einen günstigen Lebenseyelus der Trichinen ohne Bedeutung, obwohl vielleicht sehr wichtig für den Arzt. In den von Askanazy untersuchten sehr starken Fällen fand er einige Male Trichinen-Embryonen in den Chylus- und sonstigen Lymphgefässen des Darms und stellte so fest, dass die Lymphbahn der hauptsächlichste Transportweg für die Tri- chinenlarven durch die Darmwand ist. Ich habe zwar keine Triehinenlarven im den Gefässen oder dem Gewebe der Darm- wand gefunden, eine Thatsache aber, die viel eher für die obige Angabe spricht, als gegen dieselbe. Denn es ist daraus ersicht- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 16 238 J. Y. Graham: lich, dass die Beförderung der jungen Triehinen aus dem Darm eine schnelle ist, und also nicht mittelst ihrer eigenen trägen Bewegung vor sich geht. Dass die Blutbahn dieser schnelle Transportweg sei, ist nicht denkbar, denn sobald eine Trichinen- larve ein Blutgefäss anbohrte, würde sie durch das ausfliessende Blut von demselben hinweggeschwemnt werden, könnte also nicht in das Blutgefäss gelangen. Als schneller Transportweg bleibt folglich nur der Chylus-Strom übrig. In meinem nur schwach infieirten Material habe ich zwar Askanazy’s Beobachtung, dass die Embryonen direet in die Chylusgefässe abgesetzt wer- den, nicht constatiren können, doch ist dies wohl von unter- geordneter Bedeutung; denn es liegt auf der Hand, dass die in dem Stratum proprium abgesetzten Triehinenembryonen mit Leichtigkeit selbst ihren Weg in die Chylusgefässe finden wür- den. Entscheidend für die Betheiligung des Chylusstroms an der Beförderung der Trichinen aus dem Darm ist das Auffinden von Embryonen in den mesenterialen Lymphdrüsen. Diese Be- obachtung, zuerst von Virchow gemacht und in der jüngsten Zeit von Askanazy wiederholt, habe ich auch bestätigt. Ich benützte zu diesem Zwecke eine in Sublimat conservirte, in Pa- raffın eingebettete und in Hämatoxylin und Eosin gefärbte me- senteriale Lymphdrüse einer 8 Tage nach der Infeetion getödteten tatte. Trotz der leichten Infeetion und den Schwierigkeiten der Untersuchung, welche starke Vergrösserung erfordert, da die Tri- chinen und Lymphkörperchen beide das Hämatoxylin stark an- nehmen, fand ich eine nicht unerhebliche, die früheren Angaben zur Genüge bestätigende Anzahl derselben. Für die direete Wanderung durch die Darmwand bringt Askanazy als Beweise die Befunde: 1. der 4 schon erwähn- ten im Darmlumen gefundenen Embryonen, 2. eines Embryo in dem Gewebe der Schleimhaut und 3. eines Embryo in der Sub- mucosa vor. Bezüglich der ersteren ist, wie schon erwähnt, ein Artefaet nicht ausgeschlossen. Ausserdem bietet wohl das Epithel wegen seiner enormen Ausscheidung von Schleim ein für den Embryo unpassirbares Hinderniss.. Was die andern zwei anbelangt, so ist hierdurch ihre Fähigkeit die Ring- und Längsmuskelsehichten zu durchbohren, nicht bewiesen. Sie lassen sich viel eher als solehe erklären, welche vom Mutter- Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 239 thier in dem Stratum proprium abgesetzt und ihren Weg noch nicht in die Lymphgefässe gefunden haben. Wir dürfen es also als festgestellt betrachten, dass die weiblieben Triehinen erst dann ihre Brut absetzen, nachdem sie in das Epithel der Schleimhaut eingedrungen sind und auf solche Weise den Weg für die junge Brut in die Chylusgefässe geebnet haben, welche die einzige bisher bewiesene Strasse für die Em- bryonen aus dem Darm darstellen. Es bleibt aber noch übrig zu entscheiden, ob die Triehinen von den mesenterialen Lymphdrüsen aus durch active Wamde- rung die Muskeln erreichen, oder durch den Duetus thoracicus in die Blutbahn gelangen und in dieser Weise den Muskeln pas- siv zugeführt werden, da Ehrhardt gerade das einzige po- sitive Anzeichen, welches Askanazy hierfür brachte, nämlich das Vorkommen von jungen Trichinen in hämorrhagischen Heer- den in den Lungen, eher als eine Schwierigkeit für die Verbrei- tung auf diesem Weg betrachtet. Nun bin ich aber durch eine Anzahl meiner Präparate in der Lage, gerade die Betheiligung des Blutstroms bei Verbrei- tung der Trichinen auf’s Klarste zu beweisen. In erster Linie ist es mir gelungen, gleich Zenker, Fied- ler und Anderen Trichinenembryonen !) in ausgeflossenem Blute zu finden. Aber ich möchte dies nicht als besonders beweiskräftig be- trachten, da ich nicht ausschliessen kann, dass nicht vielleicht die nach alter Anschauung im Bindegewebe vorhandenen Embryonen mit dem beim Präpariren ausfliessendem Blute zufällig heraus- geschwemmt worden waren. Unanfechtbare Befunde lieferten mir die Muskeln einer 8 Tage nach der Infection narcotisirten Ratte, deren ausgeschnittene Muskelstücke ich sofort theils in Flemmingscher Lösung, theils in Sublimat und Essigsäure legte. Nur mittelst solch rascher Behand- lungsweise und Anwendung jäher Fixirungsflüssigkeiten ist die Möglichkeit gegeben, ein sicheres Bild von der Lage des Para- siten in den Geweben des lebendigen Wirts zu erhalten. In ei- 1) Mit dem Wort „Trichinenembryo* bez. Tr. larve möchte ich in folgendem nur solche Trichinen bezeichnen, welche dieselbe Grösse haben als die völlig entwickelten Embryonen in dem Mutterthier, also eine Länge von 0,09—0,1l mm und eine Breite von 0,005 mm, 340 J. Y. Graham: nem Schnitt, welchen ich von diesem Material herstellte, stiess ich auf den in Fig. 6 abgebildeten Befund. Hier sehen wir in einer kleinen Arterie eine Triehinenlarve in Gestalt und Grösse dem Entwickelungsstadium entsprechend, welches die dem DUte- rus des Mutterthieres entnommenen Larven zeigen. Das Bild ist in allen seinen Einzelheiten vollständig klar. Die Arterie ist in der Längsriehtung durehschnitten und enthält dieser eine Schnitt glücklicherweise den ganzen Körper der Larve. Beim Einstellen desselben auf den höchsten Punkt zeigen sich einige Endothel- kerne im Flächensehnitt und einige Kerne der Ringfaserschnitt schräg getroffen. Stellt man tiefer ein, so erscheint letztere im Querschnitt, das Endothel nach innen und zwischen beiden Wänden die Triehine in leichter Schlangenbiegung nebst einigen ihr anhaftenden Blutkörperchen. Bei noch tieferer Einstellung verschwindet die Triehine aus dem Gesichtsfeld und man sieht wiederum das Endothel und die Ringfaserschicht querlaufend in Flächenansicht. Die Structur der Triehine sowohl, als der Arterie ist ganz typisch und schliesst jeden Irrthum aus. Es ist dies aller- dings der einzige Fall, in welchem es mir gelungen ist, eine Tri- chine innerhalb einer Arterie zu entdecken. Aber damit ist auch der Beweis gegeben, dass die Trichinen nicht alle wie in einem feinen Filter in den Lungenkapillaren zurückgehalten worden sind, wie es nach Ehrhardt’s Meinung der Fall sein müsste. Uebrigens wird es kaum Jemand einfallen, diesen Be- fund als ein zufälliges Vorkommniss zu bezeichnen, vor allem in Anbetracht der bereits festgestellten Beziehung der jungen Tri- chinen zu dem Lymphsystem. Ich brauche jedoch für den Nach- weis ihrer Verbreitung durch die Blutbahn nicht allein alles $ewicht hierauf zu legen, um so mehr, als ich in Folgendem weitere sichere Beweise hierfür herbeibringen werde. Immerhin Jedoch gewinnt dieser Befund wesentlich an Bedeutung, wenn man sich vergegenwärtigt, wie ausserordenlich gering die Wahr- scheinlichkeit eines solehen ist. Nach einer weiter unten folgen- den Berechnung ergiebt sich nämlich, dass diese Erscheinung unter den günstigsten Umständen in ungefähr von nahezu einer Million Gesichtsfeldern nur ein einziges Mal erwartet werden darf. Es bleibt daher eine solehe Entdeckung für den Einzelnen, selbst bei langem Suchen, eine grosse Merkwürdigkeit, und die wei 7 ET WR Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 241 Würdigung ihrer Seltenheit dürfte ihr allen schon einen ent- scheidenden Werth in dieser Frage verleihen. Nehmen wir einmal zur Grundlage für eine Wahrschein- lichkeitsbereehnung eine Schätzung Leuckart's, so ergibt sich nach einer Zählung der Trichinenkapseln in einem ab- gewogenen Stück Muskel für das Individuum mit 20 kg Mus- kelgewicht die Anzahl von 30 Millionen. Nun ist nach der über- einstimmenden Beobachtung aller Forscher bis zum 24. Tage nach der Infection die Einwanderung ziemlich im vollen Gange, nimmt von da an jedoch bedeutend ab; sie ist am stärksten in der Zeit vom 8. bis 13. Tage. Wenn wir also annehmen, dass innerhalb der ersten 3 Tage des Höhenstadiums der Einwanderung die Hälfte der Embryonen die Muskeln er- reichen, so ist diese Schätzung entschieden eher zu hoch. Er- folgt die Geburt der Embryonen in regelmässiger Folge, so wür- den nach einer einfachen Berechnung ca. 58 in der Sekunde geboren werden. Es würden daher 58 per Secunde durch den Ductus thoracieus dem Blutstrom zugeführt, und im Blute wür- den sie mit der Geschwindigkeit der Blutkörperchen transpor- tirt werden. Die Zeitdauer ihres Aufenthalts daselbst hängt von unbestimmbaren Faectoren ab. Die Enge der Muskelkapillaren, deren Durchmesser den der Larve nur wenig übertrifft, wird eine Anzahl derselben sogleich zurückhalten, während andere Capillargebiete, z. B. das doppelt so weite der Leber, ihnen un- gehinderten Durchgang und damit die Möglichkeit einer wieder- holten Wanderung durch den ganzen Kreislauf gewähren. Wir werden also der Wahrheit ziemlich nahe kommen, wenn wir — die von den Muskelkapillaren zurückgehaltenen ausser Rechnung lassend — annehmen, dass durchschnittlich jede Triehine einen zweimaligen Kreislauf durch die Blutbahn vollendet, was mit Zugrundelegsung der Zeit von 22,1 Sekunden für die Kreislaufs- dauer nach Vierordt 22, 1X2x58=2564 ergibt. Wir wollen ferner den allergünstigsten, kaum jemals zutreffenden Umstand gelten lassen, dass alle 2564 sich zur Zeit des Todes in den Muskelarterien befänden und keine einzige während der Be- handlung verloren gegangen sei. In Wirklichkeit könnte man mit Recht annehmen, dass vielleicht nur etwa !/,, der zur Zeit des Todes in der Blutbahn befindlichen Triehinen noch nach der Behandlung in den Muskelarterien bleiben; aber da- 242 J. Y. Graham: gegen haben wir vielleicht mit der Annahme, dass durchsehnitt- lich jede Trichine den Kreislauf zweimal durchmacht, eine zu niedrige Zahl genannt. Ist das der Fall, so ist diese Voraus- setzung sicherlich mehr wie ausgeglichen durch die äusserst un- wahrscheinliche Annahme, dass alle 2564 in den Muskelarterien bleiben. Bei dem speeifischen Gewicht des Muskels zu 1,0414 er- gibt sich für 20kg ein Volumen von 19204,92 ecem, woraus sich 19204920 Sehnitte von 0,01 mm Dicke und ein qem Fläche anfertigen liessen. Da sich auf diese die 2564 Larven vertheil- ten, so würde auf 7490 Schnitte ein Embryo treffen. Um nun dieses eine Exemplar zu finden, würde es nothwendig sein, die Schnitte mit einer wenigstens 125fachen Vergrösserung zu stu- diren, wie sie bei einem Sehfeld von 1 mm Durchmesser der Zeiss’sche Appochromat von 8 mm Brennweite mit Compen- sationsoeular 4 Tubuslänge 160 gibt. In 7490 Schnitten von 1 gem Fläche sind ca. 953652 Gesichtsfelder enthalten, also nur eine einzige Chance auf diese enorme Zahl. Wir sehen daher, dass es nicht stichhaltig sein kann, die Entscheidung dieser Frage davon abhängig zu machen, ob die Trichinenlarven häufiger im Blute oder im Bindegewebe ge- funden werden — wie Leuckart esthut (a, S. 49) — viel- mehr dass dies geradezu zu falschen Schlüssen verleitet. Doch ist dies durchaus nicht das einzige beweiskräftige An- zeichen der Beförderung durch die Blutbahn. Das Präparat, welches Fig. 7 (Taf. XV) zur Anschauung bringt, zeigt deutlich zwei Tri- chinen in einer Muskelkapillare und ferner zeigt es, dass deren Anwesenheit daselbst eine Blutstockung verursachte. An beiden Enden der einen Larve sieht man kleine cylindrische Massen, welche zum Theil aus einzelnen Blutkörperchen, zum Theil aus zusammengeklebten Blutkörperchen bestehen, die bei Saffranin- behandlung eine tiefrothe Farbe annehmen. Besonders deutlich sichtbar treten die Wände der Kapillare hervor da, wo die Tri- chine stark gekrümmt ist, und auch da finden wir kleine Blut- massen fest zwischen Wand und Trichine gepresst. Die andere Triehine ist scheinbar der Kapillare theilweise entschlüpft, während das hintere Ende, wie die Abbildung zeigt, noch darin steekt. Es haben sich um die Trichinen und die von Stase ergriffene Ka- pillare Mengen von Leucoeyten gesammelt. Offenbar übte dieser Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 243 Vorgang einen entzündlichen Reiz auf die Umgebung aus; be- merkenswerth ist, dass weitaus die meisten dieser Leucocyten lochkernig sind und in ihrem Protoplasma starke Granula_ her- vortreten, welche andere entsprechend gefärbte Präparate als eosinophil erwiesen. Es kam mir nicht selten vor, dass ich Tri- ehinen fand, wie sie grade aus der Kapillare herausschlüpften; gewöhnlich zeigen letztere eine Blutstase, wie in Fig. 9 darge- stellt ist, jedoch in anderen Fällen wieder schien ein ziemlich bemerkenswerther Blutausfluss stattgefunden zu haben (Fig. 8). Augenscheinlich ist daher die Dauer der Aufenthaltszeir der Triehinen in den Kapillaren sehr verschieden, aber in einigen Fällen lang genug, um eine ausgesprochene Stase in den von Trichinen besetzten Kapillaren hervorzurufen, während an- dere daraus entkommen, ehe ein solcher Vorgang stattgefun- den hat. Kleine Massen von extravasirtem Blut, sowie Bilder ver- stopfter Capillaren, also ganz ähnlich den oben beschriebenen, nur ohne den Parasiten, habe ich in grosser Anzahl getroffen, und wir werden kaum fehlgehen, wenn wir dieselben der Wirkung der Triehinen auf die Capillare zuschreiben. Noch weitere sichere Anzeichen für die Theorie der Ver- breitung mittelst der Blutbahn bekam ich durch eine Unter- suchung des Herzens. Noch niemals sind eingekapselte Trichinen im Herzmuskel beobachtet worden. Diese Erfahrung steht so ausnahmslos da, dass man von der Immunität des Herzens zu sprechen pflegt. Leuekart sucht bekanntlich dieselbe dadureh zu erklären, dass das Herz nur sehr wenig Bindegewebe enthält, welches er für die Wanderung der Triehinen als nothwendig betrachtet. Für die Theorie der passiven Verbreitung durch den Blutstrom da- gegen ist gerade diese Immunität des Herzens ein Hinderniss ge- wesen, da das Herz der Sammelpunkt für das Gesammtblut ist und doch zugleich auch aus quergestreifter Muskulatur besteht. Allein dieser Einwand schliesst eine falsche Auffassung von der Beschaffenheit des Herzmuskels in sich. Denn derselbe gehört trotz der Querstreifung bekamntlich nicht in die gleiche Kategorie mit der Skeletmuskulatur. Fiedler fand zwar ein- mal eine junge Triehine, Länge O,lmm, im Herzfleisch. Auch Leuekart berichtet flüchtig über solch einen Befund, Ausser 244 3. Gar aha: diesem und dem schon erwähnten von Thudichum weiss ich von nur einen in „Virchow's und Hirsch’s Jahresbericht referirten Fall, wovon ich aber das Original nicht bekommen konnte (siehe Virchow und Hirsch Jahresbericht 1870, I S. 494). Es ist in dem Bericht auch nicht angegeben, ob die im Herzen gefundenen Trichinen eingekapselt waren oder frei. Ueberhaupt gehört dieser Fall einer Zeit an, da die „Pseudo- trichinen“ eine wichtige Rolle in der Litteratur spielten. In Anbetracht nun der überaus geringen Erfolge früherer Forscher lag eine erneute Untersuchung dieses Organs nicht im Plane dieser Arbeit. Ein Zusammenfassen der Faktoren jedoch, welche beim Entweichen der Trichine aus dem Blutstrom in Be- tracht kommen, veranlasste mich doch noch nachträglich, eine Untersuchung des Herzens vorzunehmen. Ich untersuchte zuerst das schon zur Verfügung stehende Material, das Herz einer 8 Tage nach der Fütterung getödteten Ratte, was aber wegen der sehr schwachen Infeetion kein günstiges Beob- achtungsobjekt abgab. Um so bemerkenswerther ist, dass ich unter etwa 30 Schnitten desselben sogleich 3 Trichinenembryonen fand. Hiervon lag einer zwischen Endocard und Muskel, ein zweiter unmittelbar unter dem Epicard und der dritte zwischen den Fasern des Muskels. Keiner also war in die Muskelfasern selbst eingedrungen. An der Oberfläche des Muskels unter dem Epicard fanden sich zuweilen Blutergüsse, die nicht mit den dort zahlreich vorhandenen durchschnittenen Gefässen zu verwech- seln sind. Auch innerhalb des Muskels fanden sich nicht selten Blutergüsse. Ich nahm also sofort eine neue etwas stärkere Fütterung von Ratten mit trichinosem Fleisch vor und tödtete am 9. Tage eines der Versuchsthiere.. Sogleich, nachdem die Pleurahöhle aufgeschnitten war, entnahm ich das Herz und fixirte dasselbe in Sublimat-Essigsäure und machte nach der gebräuchlichen Be- handlung davon Schnittpräparate. Das Studium dieser Schnitte ergab solche Resultate, wie ich sie in Folge der stärkeren In- fection erwartete. Ich konnte auf jedem Schnitt wenigstens eine Triehine finden, zuweilen sogar 3—4, ungeachtet der Schwierig- keit ihres Auffindens in Folge ihrer Kleinheit. Dieselben waren nicht grösser als die völlig entwickelten Embryonen im Mutter- leib und lagen zum grössten Theil zwischen den Muskelfasern Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 245 In einigen Fällen aber haben sie die Muskelfasern angebohrt, wie Figg. 12 und 13 zeigen, und sehr oft habe ich beschädigte Fa- sern in der Nähe der Triehinen gefunden. Aber das Streben der Trichinen, innerhalb der Herzmuskelfasern einen festen Halt zu gewinnen, hat keinen Erfolg, denn in Folge des Fehlens von Sarkolemm wird die eontractile Substanz der angebohrten Mus- keln von dem Saftstrom hinweggeschwemmt werden, und die Trichine bleibt wie zuvor ausserhalb der Fasern. Es ist jedoch ein anderer Umstand, welcher diesen Schnitten ein auffallendes Aussehen verleiht. Es giebt nämlich viele kleine Entzündungs- heerde, welche durch die Trichineninvasion verursacht worden sind. In der Mitte mehrerer solcher Heerde, welche die stärkste Bindegewebe-Wucherung aufwiesen, habe ich Trichinenembryonen gefunden. Ein solcher ist in Fig. 14 abgebildet. Hier sehen wir nur das Kopfende der sehr eng von Bindegewebszellen um- grenzten Trichine, dasselbe ist gut gefärbt. Wir dürfen daher annehmen, dass das Thier zur Zeit der Fixirung des Materials lebendig war. Solche Fälle habe ich verhältnissmässig häufig im Itägigen Stadium gesehen. Aehnliche Heerde finden sich auch in dem 14 tägigen Stadium. Sie unterscheiden sich jedoch von denen des 9. Tages dadurch, dass die eosinophilen Leucocyten , welche in dem 9tägigen Stadium beinahe gänzlich fehlten, in dem l14tägigen in grosser Anzahl hervortreten. Diese Leucocyten sind zum Theil polynucleär, zum Theil lochkernig, welche letztere wohl als eine Modification der polynucleären zu betrachten sind. Es ist aber viel schwieriger, die Trichinen in solchen Heerden in diesem Stadium nachzuweisen, als in dem des 9. Tages. Ein Exemplar konnte ich mit Sicherheit constatiren. Dasselbe hatte die Färbung des Hämatoxylin kaum angenommen und zeigte hierin ein Verhalten, welches nur solche Trichinen ergeben, die vor der Conservirung schon abgestorben sind. In anderen Fällen allerdings konnte ich kleine ungefärbte Massen bemerken, welche zweifelsohne als Reste abgestorbener Triehinen anzusehen sind. Ob die Trichinen direkt durch die Wirkung der Bindegewebs- zellen oder Leucocyten getödtet worden waren, oder ob sie we- gen des Mangels an Nahrung abgestorben sind, lässt sich nach diesen Befunden nicht allein entscheiden. Sicher ist jedoch, dass sie in dem Herzen die Bedingungen für ihre weitere Entwicke- lung nicht finden, dass sie entweder zu Grunde gehen oder aus 246 IV. Gar arhlanın: dem Herzen hinaus wandern und in den Pericardialsack gelangen, wofür auch das häufig constatirte Auffinden daselbst spricht. Andere Bindegewebs-Wucherungen, die sich weniger intensiv er- weisen, aber eine grössere Ausdehnung besitzen, sind offenbar nur secundär durch die Trichinen wie z. B. durch die Capillar- blutung oder durch die Verletzung der Muskelfasern hervorgerufen. Die Muskelfasern in der Nähe der Entzündungsheerde sind nicht selten verschmälert mit langgestreckten Kernen, zuweilen auch mit Kernen in mitotischer Theilung. Da ich aber schon festgestellt habe, dass die Trichinen ihre Entwickelung in dem Herzen nicht vollziehen können, ja sogar sich nur kurze Zeit daselbst zu behaupten im Stande sind, so ist es gewiss unnöthig, die frühere Beobachtung, dass keine eingekapselten Triehinen im Herzen vorkommen, zu wiederholen. Es sei aber der Vollständigkeit halber erwähnt, dass die Ratte, welche mir für das Studium des 9tägigen Stadiums diente, bereits schon etwa 6 Monate vorher infieirt worden war, und dass ihre Muskeln folglich viele eingekapselte Triehinen enthielten; im Herzen aber fand sich keine einzige Kapsel. Die hier zum ersten Mal beobachtete Myocarditis!) bei Triehinosis regt eine Reihe von Fragen an, welche sowohl für den Kliniker als den Pathologen Interesse haben, jedoch ausserhalb der Grenzen dieser Arbeit stehen. An dieser Stelle handelt es sich nur darum, die Anwesen- heit der Triehinen im Herzen in ihrer Bedeutung für die Frage der Wanderung zu erklären. Da die Bedingungen für die weitere Entwiekelung der Triehinen im Herzen fehlen, ist es undenkbar, dass sie dorthin durch active Wanderung eingedrungen sind, welches überhaupt schwierig anzunehmen wäre, wenn wir die beständige Bewegung und isolirte Lage dieses Organs in’s Auge fassen. Wir sind also gezwungen in der Blutbahn den. Trans- portweg zu suchen. Dass aber die Trichinen von den Kammern oder Vorkammern aus durch das Endocard hindurch in den 1) Eine parenchymatöse Entartung des Herzens bei Trichinosis wurde allerdings sowohl in früheren Zeiten von Cohnheim als auch neuerdings von Zörkendörfer berichtet. Dass dieselbe aber direkt von einer lokalen Einwirkung der Trichinen berührt, ist hier zum ersten Mal festgestellt. Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 247 Muskel hineindringen könnten, ist wohl wegen der Gewalt des durehströmenden Blutes von vornherein ausgeschlossen. Ander- seits scheint es sicher, dass die Trichinen dem Herzmuskel durch die Coronararterie und ihre Zweige zugeführt werden, wovon be- sonders die kleinen Blutungsheerde deutliche Anzeichen geben. Nachdem diese Untersuchung abgeschlossen worden war, entstand eine Trichinen-Epidemie unter meinen noch übrig gebliebenen Ratten, durch welche die ganze Schaar (5 Stück) innerhalb 14 Tagen zu Grunde ging. Die gefrässigen Thiere brachten selber ihr Verderben über sich dadurch, dass sie einen ihrer Ge- nossen getödtet und gefressen hatten. Diese Ratte hatte ich aber vor etwa 6 Monaten mit Trichinen infieirt. Natürlich unter- liess ich es nicht, jedes der crepirten Thiere zu seeiren. In allen Ratten, die erst nach der Zeit der Einwanderung starben, konnte ich eine tiefrothe Farbe des Herzens constatiren, dessen Blutgefässe auch stark injieirt waren, Zustände, welche sicher- lich auf die Anwesenheit von Trichinen im Herzmuskel zurück- zuführen sind. Die Milz hatte eine rostbraune Farbe, und deren Schnitte zeigten vieles bräunliches Pigment. In den Nieren aber konnte ich nichts Abnormes wahrnehmen, weder makroskopisch noch mikroskopisch. Die Lungen habe ich weniger eingehend untersucht, konnte jedoch nicht selten Anzeichen ziemlich weitgehender patholo- gischer Zustände in denselben wahrnehmen. Unter anderem un- tersuchte ich die Lungen eines 1l4tägigen Stadiums von dem- selben Individuum, dessen Herz zahlreiche Vernarbungen zeigte, fand aber nur einen ganz kleinen hämorrhagischen Heerd, welcher übrigens schon beinahe ausgeheilt war. Hieraus schliesse ich, dass die Anzahl der in den Lungen zurückgehaltenen Trichinen eine verhältnissmässig geringere sein muss, wie die, welche im Herzmuskel abgesetzt wird, daher die Erkrankung der Lungen weniger intensiv ist. Noch ein für den Transport per Blutbahn beweisführender Umstand ist die Schnelligkeit der Verbreitung über den Körper woraus Fiedler und auch in der letzten Zeit Heitzmann so viel Gewicht legen. Die Embryonen erreichen die von der Leibeshöhle fern liegenden Muskeln ebenso früh als sie in dem Zwerchfell ankommen — eine Thatsache, welche die active Wan- derungstheorie schwerlich erklären kann. 248 J. Y.Graham: Fassen wir die Befunde zusammen, welche für die Verbrei- tung dureh die Blutbahn sprechen, so sind es folgende: 1. Befund von Trichinenembryonen in ausgeflossenem Blute; 2. eines Triehinenembryo in einer Arterie des Zwerch- fells ; 3. von Triehinenembryonen in den Muskelcapillaren; 4. der Nachweis häufiger Stasen und Blutungen der Muskel- capillaren, welche auf die Wirkung der Trichine zurück- zuführen sind; 5. Befund von Triehinenembryonen neben Blutergüssen im Herzmuskel; 6. von Triehinenembryonen in hämorrhagischen Heerden in den Lungen (Askanazy); 7. Die Schnelligkeit der Verbreitung. Wenn wir nunmehr die Beobachtungen, auf welche die Theorie einer activen Wanderung gegründet ist, auf ihre Beweis- kraft prüfen, so haben wir in Betracht zu ziehen 1. das Auf- finden von jungen Triehinen in der Leibeshöhle, 2. das Auf- finden derselben frei im Bindegewebe und 3. die ungleichmässige Vertheilung in den verschiedenen Muskelgruppen, welche als nur dureh die active Wanderungstheorie erklärlich angesehen wird. Dass junge Triehinen frei in der Leibeshöhle vorkommen, wie so viele der älteren Forscher beschrieben haben, lässt sich mit Leichtigkeit eonstatiren. Es lag aber der Gedanke nahe, dass hier eine post mortem Auswanderung aus den Muskeln stattgefunden haben möge. Daher schnitt ich die Bauchwand einer 14 Tage nach der Fütterung getödteten Ratte auf, und zwar in der Linia alba, um möglichst wenig Muskelfasern zu durehschneiden. Die durchschnittenen Flächen wurden dann mit Fliesspapier abgestreift, um etwaige auswandernde Trichinen zu entfernen. Die Leibeshöhle habe ich dann mit physiologischer Kochsalzlösung gefüllt, welche ich sogleich wieder mit einer Pipette aussaugte und für spätere Behandlung aufhob. Dieser Prozess wurde dann’mehrmals wiederholt, und schliesslich wurden die auf einen Triehter gebrachten Gedärme abermals mit Koch- salzlösung abgespült. (Zu diesem Zwecke muss natürlich das Thier von einer zweiten Person in die Höhe gehalten oder an seinen vordern Pfoten aufgehängt werden.) Das ganze Verfahren Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 249 wurde möglichst rasch ausgeführt. Mittelst einer Centrifuge sammelte ich dann die Einschlüsse dieser Flüssigkeit und un- tersuchte dieselben mit dem Mikroskop, worauf ich eine ziemlich grosse Anzahl Trichinen fand. Es ergibt sich also in der That, dass während der Lebzeit des Wirthes junge Triehinen im der Leibeshöhle vorkommen. In ähnlicher Weise untersuchte ich den Inhalt des Pericardialsackes und fand da verhältnissmässig noch mehr junge Trichinen als in der Leibeshöhle. Untersuchungen des Inhaltes der Leibeshöhle späterer Sta- dien (22—32 Tage) zeigten noch immer Triehinen in zunehmen- der Grösse. Dies war besonders merkwürdig in den 32—37tä- gigen Stadien, wo die Einwanderung, wie eine Untersuchung der Muskeln ergab, schon längst vorüber und die Kapselbildung im Gange war. Ein eingehendes Studium all dieser späteren Stadien lehrte, dass die zu dieser Zeit in der Leibeshöhle befind- lichen Triehinen, obwohl sie grösser wie die Embryonen waren, zu degeneriren angefangen hatten. Nach Fixirung in Sublimat- Essigsäure-Gemisch und Färbung in Hämatoxylin waren die An- zeichen des Zerfalles besonders deutlich erkennbar. Dass dies die Schuld der Conservirungs- oder Färbungsmethode sein könnte, ist wohl dadurch ausgeschlossen, dass die von den Muskeln ge- wonnenen und mit den gleichen Fixirungs- und Färbungsmitteln behandelten Triehinen ganz ausgezeichnete Präparate lieferten !). Es ist daher ersichtlich, dass die Triehinen in der Leibes- höhle keine Bedeutung für die Frage der Einwanderung besitzen, und dass sie im Gegentheil als verirrte Wanderer zu bezeichnen sind, die weit von dem rechten Wege entfernt, dem Untergang anheimfallen, wie schon Thudiehum vor etwa 30 Jahren behauptete. | Wie die Trichinen den Pericardialsack erreichen, ist schon 1) Um junge Muskeltrichinen zu gewinnen, benutzte ich eben diese Neigung derselben nach dem Tod des Wirtes aus der ausge- schnittenen Muskelfaser auszukriechen. Ich legte kleine Muskelstücke (am besten von 14 bis 30tägigen Stadien) in Kochsalz und nach 10—15 Minuten sammelte ich die nunmehr frei in der Flüssigkeit vor- handenen Würmer. In gleicher Weise, nachdem alle Trichinen aus der Leibeshöhle ausgespült worden sind, sammeln sich noch andere daselbst, vorausgesetzt, dass die benachbarten Muskeln angesehnitten waren. 950 J. Y. Graham: bei dem Studium des Herzens angedeutet worden. Sie erreichen wohl die Leibeshöhle auf ähnlichem Wege, d. h. wenn Trichinen- larven die Blutbahn in den oberflächlichen Schiehten der in der Leibeshöhle befindlichen Organe verlassen, so kriechen sie aus denselben hinaus, da sie auch dort keinen geeigneten Boden für ihre weitere Entwickelung finden. Doch ist es wahrscheinlich, dass die Mehrzahl dieser Trichinen - dadurch in die Leibeshöhle geräth, dass sie die Hülle der Lymphdrüsen durchbohren, was der Befund einer Triehine zwischen dem Lymphoidengewebe und der Drüsenhülle anzudeuten scheint. Wenn die Ansicht, dass das Bindegewebe den Weg abgebe, welcher die wandernden Embryonen in ihre spätere Wohnstätte bringe, richtig wäre, dann sollte sich eine reichlichere Anzahl derselben in dem Perimysium externum und internum vorfinden. Ehrhardt glaubt einen Beweis hierfür herbeigebracht zu haben dadurch, dass er sieben Larven im Perimysium int. und eine in dem Per. ext. fand, um welche keine Anzeichen von Entzündung zu sehen waren. Ich habe nun seit Ehrhardt’s jüngster Arbeit meine Schritte sorgfältigst nochmals nach Anzeichen einer Wanderung durch das Bindegewebe untersucht, jedoch mit dem gleich nega- tiven Resultat wie vorher. Und zwar stammen meine Schnitte srösstentheils aus dem Zwerchfell, wo nach der activen Wande- rungstheorie eine grosse Anzahl der Triehinen, welche gegen die vordere Körperhälfte wandern, anzutreffen sein sollte. Die grosse Mehrzahl der in den Muskeln des Stägigen Stadiums enthaltenen Embryonen befindet sich zu dieser Zeit schon innerhalb der Mus- kelfasern selbst. Die Trichinen, welehe in keinem beweisbaren Zusammenhang mit den Blutgefässen stehen, sind entweder von einer Ansammlung von Leukoeyten umgeben, oder sie bilden das Centrum entzündlicher Bindegewebsknötchen. Ersteren Zustand illustrirt Fig. 3 mit dem die Larve umgebenden lochkernigen eosinophilen Leukoeyten, in denen wir wohl starke Hindernisse für das Fortbewegen der Larve erblicken dürfen. Dass die in Fig. 4 abgebildete Larve schon ihre Bewegungsfähigkeit verloren hatte, unterliegt keinem Zweifel, da die feste bindegewebige Hülle Jedes Entkommen verhindern müsste, so dass die Trichine ihrer natürlichen Nahrungsquelle — der zerfallenen Muskelsubstanz — beraubt, sterben und schliesslich resorbirt werden müsste. Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 351 So scheint eine genaue Betrachtung aller Thatsachen eine Wanderung durch das Bindegewebe wegen der darin her- vorgerufenen Reaction als unmöglich zu erweisen. Die Trichinen dringen in der Regel gleich nach dem Verlassen des Blutstroms in die Muskelfaser ein, andernfalls fallen sie im Perimysium int. der phogocytären Thätigkeit der Leukocyten zum Raube. Die von Ehrhardt berichteten sieben Trichinen im Binde- gewebe, welche er als wandernde Larven betrachtet, sind von verschiedenen Grössen und sollen verschiedene Stadien darstellen. Das ist an und für sich schon ein bedenklicher Umstand, denn nach allen Beobachtungen nehmen die Trichinenlarven erst an Grösse zu, nachdem sie schon länger in der Muskel- faser sind, abgesehen natürlich von denen, welche in der Leibes- höhle ein kümmerliches Wachsthum erreichen. In Folge des- sen findet man bei einem Studium der Muskeln, dass die Tri- chinen in den wenig veränderten Fasern sich immer als ganz klein erweisen, während die Triehinen in Fasern, welche schon eine weit fortgeschrittene Entartung zeigen, merklich über das embryonale Wachsthum hinaus entwickelt sind. Es kommt natürlich zuweilen vor, dass eine soeben in die Muskula- tur hineingeschwemmte Triehine in eine Muskelfaser eindringt, welche schon von einer anderen besetzt und deshalb bereits zer- fallen ist. Da es also nach meiner Untersuchung an jedem An- haltspunkte fehlt, dass die Trichinen auf dem Weg vom Darm zur Muskulatur an Grösse zunehmen, und da ich ferner demon- strirt habe, dass die Trichinen, welche gezwungen sind nur einen kurzen Aufenthalt im Bindegewebe zu machen, dort zu Grunde gehen, so bin ieh geneigt, obigen Befund Ehrhard's unter die Rubrik der postmortalen Veränderungen zu setzen. Er behauptet, dass mit dem Eindringen der Triehinen in die Muskeln alle ihre Bewegungen aufhören, was aber nach meinen Be- obachtungen an lebendem Material unbegründet ist. Freilich wenn Ehrhard Material benützte, das ohne Anwendung jener Vorsichtsmaassregeln eonservirt war, die allein ein Forscher an- wendet, welcher auf postmortale Veränderungen Rücksicht nimmt, so kann man kaum erwarten, naturgetreue Bilder, wenigstens in Bezug auf Wanderung, zu bekommen. Aber selbst, wenn dieser Einwand nicht stichhaltig wäre, würde die kleine Ziffer 8 viel eher einen Beweis bilden, dass 252 J.Y. Graham: das Bindegewebe nicht die Strasse ist, auf welcher die Wan- derung stattfindet; denn es ist keineswegs verständlich, dass ein so kleiner Wurm, dessen Organisation zudem keinerlei Aus- rüstung für rasche Fortbewegung aufweist, eine Entfernung von mehreren tausend seiner eigenen Längen in solch kurzer Zeit zurücklegen sollte, dass nur 8 aus Hunderttausenden auf ihrer Wanderung begriffen angetroffen wurden. Die Voraussetzungen für eine active Wanderung sind genau die entgegengesetzten wie jene für eine passive Verbreitung mittelst des Blutstroms. In ersterem Fall müsste die von dem Parasiten benöthigte Zeit selbst- verständlich eine lange, und die Chance, denselben unterwegs anzutreffen entsprechend gross sein; dagegen ist, wie schon ge- zeigt, im anderen Falle die Zeit der Wanderung sehr kurz und damit die Chance verschwindend klein. Bevor die Frage der ungleichmässigen Vertheilung in den verschiedenen Muskelgruppen in Betracht kommt, ist es von In- teresse zu wissen, ob eme Erklärung für die Thatsache möglich ist, dass die Triehinen in der Regel nur in den quergestreiften Muskeln die Blutbahn verlassen. Nach Askanazy soll dies der Chemotaxis zuzuschreiben sein. Es ist vielleicht wahr, dass die Muskeln eine gewisse chemische Beschaffenheit besitzen, welche für die Triehinen anlockend wirkt, aber dass sie eine entscheidende Rolle spielt, ist sicherlich noch nicht bewiesen. Dagegen giebt es andere leichter verständliche mechanische Fak- toren, welche das Absetzen der Würmer in den Muskeln gewisser- maassen erklären. In erster Linie ist das Kaliber der Capillaren in den ver- schiedenen Organen in Erwägung zu ziehen. Die kleinsten Ca- pillaren im Körper sind jene der Muskeln und der Retina, sie messen nämlich 0,005—0,006 mm. Nun misst aber der Quer- durchschnitt einer eben geborenen Trichine fast genau 0,005 mm. Durch die anderen Organe können die Triehinen daher unbean- standet geschwemmt werden, unter günstigen Umständen wohl sogar auch durch obengenannte. Vergegenwärtigen wir uns zudem die bei der Muskeleon- traetion herrschenden Umstände, so werden wir darin vielleicht die Ursache sehen, warum gerade diese Körpertheile so aus- schliesslich befallen sind. Bekanntlich verkürzt die Contraetion den Muskel, und obgleich derselbe beträchtlich an Dicke zu- Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 253 nimmt, verliert er im Ganzen etwas an Volumen. Lässt sich nun nicht annehmen, dass dieser Verlust und die damit verbun- dene starke Compression aller Theile eine gleichzeitige Veren- gung der Capillaren verursacht ? Ist dies der Fall, so ist leicht verständlich, dass jene Trichinen, welche gerade in solehem Augen- blick durch eine Capillare passiren, zum Stillstand gebracht würden; und ist einmal das in den Arterien erreichte Bewegungs- moment verloren, würde es für den schwächeren Blutstrom in den Capillaren gewiss unmöglich sein, dieselben wieder flott zu machen. 1’ Nur bei den Muskeln kommen diese Umstände vereinigt vor; folglich verlassen die Trichinen die Blutbahn zum grössten Theile nur in diesem Gewebe. Dass sie diese aber auch in an- deren Organen (Lungen) gelegentlich verlassen können, ist von As- kanazy bewiesen. Die Lehre des ausschliesslichen Befallenseins der Muskeln ist hauptsächlich auf die Beobachtung von geheilten (Einkapselung) Fällen begründet. Aber die Kapselbildung ist nur innerhalb eines Sarkolemmschlauches möglich. Fehlt er, so gehen die Trichinen zu Grunde; sie werden resorbirt und so der Beobachtung entzogen. Die ungleichmässige Vertheilung der Triehinen in verschie- denen Muskelgruppen wurde bekanntlich als ein weiterer Beweis für die active Wanderungstheorie aufgeführt. Hiernach sollten sich die Trichinen am häufigsten in dem Zwerchfell vorfinden und ihre Anzahl in den übrigen Theilen im geraden Verhältnisse zur Entfernung von diesem Hauptherde allmählich abnehmen. Die Beobachtung jedoch hat keine solche regelmässige centrifu- gale Vertheilung feststellen können, wie sie zur Stütze dieser Theorie wünschenswerth wäre. Besonders war es wieder Fied- ler, der betonte, dass die Hals- und Kaumuskeln sich nicht sel- ten noch dichter besetzt erwiesen, als das Zwerchfell. Das gleiche zeigt auch eine Zählung von Johne, wonach bei einem Schwein in je 4 gr der Kehlkopfmuskeln 2123, der Zunge 2043, des Zwerchfells 1663 Trichinenkapseln enthalten waren. Auch die von dem Berliner Schlachthaus-Direetor Hertwig vorgenommenen Zählungen zeigen, dass die Triehinen nur in den Zwerchfellpfeilern in grösserer Anzahl vorhanden sind, als in der Zunge, worauf dann erst die Häufigkeitsziffer für das übrige Zwerchfell folgt, während die Bauch- und Zwischenrippenmuskeln Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 50 17 954 J. Y. Graham: ganz bedeutend weniger enthielten. Die Augenmuskeln, welche nach Zwerchfell und Zunge beinahe am stärksten besetzt sind, bleiben bei der Fleischbeschau nur wegen ihrer Unzugänglich- keit unberücksichtigt. F Solche Ergebnisse bieten für die active Wanderungstheorie keine glänzenden Stützen. Dagegen lässt sich gerade aus dieser ungleichmässigen Vertheilung eine Bestätigung für die Verbrei- tung der Triehinen durch die Blutbahn ableiten. Denn die im Schwein am intensivesten befallenen Muskeln sind gerade die beim Athmen und Fressen m Thätigkeit gesetzten, daher am meisten benützten, für welche deshalb auch die oben genannten günstigen Bedingungen für Trichineninvasion — nämlich stärkere Blutfüllung und häufige Compression der Capillaren — vorzugs- weise zutreffen. Es scheint mir also, dass die ungleichmässige Verteilung der Trichinen eben so gut, wenn nicht besser, durch die passive als durch die active Wanderungstheorie erklärt wer- den kann. Der Weg also, auf welchem sich die Triehinen vom Darm aus weiter verbreiten, lässt sich folgendermaassen kurz ange- ben: Nachdem die Trichinen von dem Mutterthiere unterhalb des Epithels der Darmschleimkaut abgesetzt wurden, finden sie selbst ihren Weg in den Chylusstrom, mit dem sie aus dem Darm bis zu den Gekröse-Lymphdrüsen geschleppt werden. Von hier aus werden sie noch weiter durch den Lymphstrom, durch den Duetus thoracieus in den Blutstrom gebracht, welcher sie dann über den Körper verbreitet. Wegen der Enge der Muskelcapil- laren und der Compression derselben zur Zeit der Contraction der Muskeln werden die Trichinen veranlasst, hauptsächlich nur in der Muskulatur aus der Blutbahn zu entweichen, worauf sie sogleich in die Muskelfasern eindringen. Die weitere Verfolgung der Geschichte der Trichinen in den Muskeln führt unvermeidlich in das Gebiet der Pathologie; glücklicherweise aber haben die Pathologen sich gerade mit die- sem Gegenstand auch in den letzten Jahren wiederum beschäf- tigt und in mehreren Arbeiten die durch diesen Parasiten her- vorgerufenen Muskelveränderungen auseinandergesetzt. In den älteren Werken ist diese Frage nicht in gleichem Maasse berücksichtigt wie die übrigen Seiten dieses damals ganz neuen Arbeitsgebiets; auch die Publicationen von Fiedler, Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 255 Colberg, Cohnheim und Wagner geben nur eine kurze Uebersicht der Entartungsvorgänge. In späteren Zeiten finden wir ausser dem schon erwähnten sehr kurzen Berichte von Gran- cher .(84), die Arbeiten von Nonne und Höpfner (89), Lewin (9), Soudakwitsch (9), Volkmann (9) und Ehrhardt (96), wovon aber nur die zwei letzten eine grosse Anzahl von Fällen in Betracht ziehen und dadurch eine umfassen- dere Darstellung erzielt haben. Zu bedauern ist jedoch, dass Beide unterlassen haben, Abbildungen zu geben, welche zur Aus- schliessung von Zweifeln doch häufig unentbehrlich sind. * Da eine weitere Verbreitung über pathologische Fragen meiner Arbeit ferne liegt, so werde ich in Folgendem nur die- Jenigen pathologischen Vorgänge sehr kurz in Betracht ziehen, welche sich in den mit Trichinen besetzten Fasern abspielen und daher für die Lehre von der Einkapselung von Bedeutung sind. Zunächst möchte ich auf die in Fig. 16 abgebildete patho- logische Veränderung aufmerksam machen, welche, wie mir scheint, im Zusammenhang mit dem Transport der Trichinen in die Muskeln steht. Das von den Muskeln eines Stägigen Sta- diums gewonnene Präparat stellt eine Muskelfaser dar, die, in ihrem Inneren eingeschoben, zwischen den Fibrillen kleine Körperchen zeigte. Ihrer Form und Färbung nach sind dieselben als Blut- körperchen zu bezeichnen. Die Muskelfaser hat ihre unter nor- malen Umständen bekanntlich sehr starke Anziehungskraft für Eosin zum Theil verloren und in Folge dessen einen in Vergleich mit den benachbarten normalen Fasern sehr blassen Ton ange- nommen. Die Fibrillen sind im Verwirrung gerathen, die Quer- streifung ist verloren gegangen. Ein Kern scheint von dem mechanischen Angriff gelitten zu haben, die andern sind etwas grösser als normal und haben ein oder zwei, deutlich mit Eosin gefärbte Kernkörperchen. Solche Gebilde sind gar nicht selten in Material des Stägigen Stadiums zu treffen, obwohl auch nicht gerade häufig. Wenn wir eine Erklärung für diese Veränderung suchen, so können wir die Annahme nicht von der Hand weisen, dass es sich um die Wirkung eines zerplatzten Blutgefässes han- delt. Solch geringe Blutergüsse aber können nur von einem Capillargefäss herrühren, welches dem in dieser Arbeit dargeleg- ten Verbreitungsmodus zufolge wahrscheinlich durch eine aus der Blutbahn entweichende Trichine zerrissen worden ist. Es 956 J. Y. Graham: klingt allerdings etwas befremdend zu behaupten, dass das Blut mit einer Gewalt aus einem Capillare ausströmen könnte, die ge- nügend wäre, um eine benachbarte Muskelfaser in dieser Weise zu beschädigen. Aber eine vorurtheilsfreie Betrachtung der Prä- parate lässt einem Beobachter, der die Beziehung der Trichi- nen zur Blutbahn schon kennt, kaum Raum für eine andere Ansicht. Offenbar hat Ehrhardt ähnliche Bilder gesehen, aber da er die active Wanderungstheorie als geltend betrachtete, so gab er denselben eine andere Deutung. Er spricht von Mus- keleapillaren, die so stark mit Blut erfüllt sind, dass sie den nachgiebigen Inhalt des Sarkolemmschlauches eindrücken und so in einer Rinne des Sarkolemms zwischen den Fibrillen scheinbar in die Faser zu liegen kommen. In meinem Präparate aber, wie die Zeiehnungen darstellen, handelt es sich nicht um Capillaren, sondern thatsächlich um freie Blutkörperchen in der Faser selber, deren Fibrillen durch ihre unregelmässige Anordnung einen deut- lichen Beweis sowohl für diese Lagerung der Blutkörperchen, wie für das gewaltsame Eindringen derselben geben. Es bietet auch kaum grössere Schwierigkeiten sich vorzustellen, dass eine Mus- kelfaser durch eine dünnwandige Capillare stark eingedrückt sein könnte, als dass das Sarkolemm durch das hervorquellende Blut unterwühlt würde. Uebrigens ist es auch wahrscheinlich, dass die betreffenden Muskelfasern schon etwas weniger resistent ge- wesen sind als unter normalen Umständen — sei es durch eine von einer Triehine verursachten Verletzung, sei es in Folge irgend einer anderen Wirkung der Krankheit. Sehr bald nachdem die Triehme den Blutstrom verlassen hat, dringt sie m die Muskelfaser ein, und zwar ohne eine be- trächliche Wanderung in dem Perimysium internum zu machen. Um das Sarkolemm zu durchbohren und ihren Weg weiter ins Innere der Faser zu machen, dient wohl die chitinöse Verdiekung des Vorderleibsendes, mit welcher die Embryonen schon im Mutterleibe versehen sind. („Das kolossale Unterbrechen* des Sarkolemms, welches in Fig. 1 unserer vorläufigen Mittheilung gezeichnet ist, und worauf Ehrhardt aufmerksam macht, ist — wie schon die daneben stehende Figurenerklärung angiebt — nicht allein durch das Eindringen der Trichine, sondern auch zum Theil aurch die Präparation verursacht.) Jst die Triehine einmal innerhalb der Muskelfaser, so hört 4 Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 257 ihre Bewegung keineswegs auf — wie von vielen Seiten be- hauptet wird —, vielmehr durehwandert sie dieselbe noch eine nicht unbeträchtliche Streeke. Dafür spricht in erster Linie die Bewegung, welche ich in frischem Material beobachtet habe. Auch sind die hinter dem Embryo sich erstreckenden Kanäle, die ieh in Längsschnitten der Muskeln im Stägigen Stadium (ehe die eontraetile Substanz in den körmigen Zerfall überge- gangen ist) mehrmals gesehen habe, sicherlich als Fährten sol- cher Bewegungen zu betrachten. Es sind zwar solehe Kanäle nicht in jedem Fall zu finden, da sie offenbar in Folge der Elasfieität der Fasern sich öfters hinter der Triehine schliessen; jedoch habe ich deren eine ziemliche Anzahl gefunden, die unmöglich als Artefacte erklärt werden können. Ein Exemplar ist von besonderem Interesse, da es zu gleicher Zeit eine andere Erklä- rung bietet für eine wichtige Stütze der activen Wanderungs- theorie: die Thatsache nämlich, dass sich die Kapseln in den Sehnenenden anhäufen. In einem Längsschnitt dureh die Ueber- gangsstelle eines Muskels in eine Aponeurosis liegt an dem Ende einer der Fasern eine Triehine, die offenbar innerhalb der Faser gewandert ist, bis sie die Aponeurose erreichte. Deren feste Struetur schien der Wanderung ein Ziel gesetzt zu haben, und die Triehine suchte infolge dessen, sich umwendend, einen an- deren Ausweg zu finden. In dieser Weise hat sie die contrac- tile Substanz mit ihrem Kopf zurückgedrängt, wodurch das eigen- thümliehe Bild entstand, welches Fig. 17 wiedergiebt. Solch ein Raum, wie man ihn hier in der Nähe des Kopfes sieht, lässt sich unmöglich als eine durch die Behandlung hervorgerufene Schrumpfung erklären. Also, nicht wie früher angenommen wurde: Die Triehinen wandern in dem Perimysium in- ternum, bis sie in den Sehnen grösseren Hindernissen begeg- nen, die sie zum Eindringen in die Fasern nöthigen, sondern: die Wanderung der Trichnen innerhalb der Fasern bringt sie zuweilen zu den Sehnen, die dann ihre weitere Wan- derung verhindern. (Vgl. Virchow (©) S. 25.) Solche Kanäle und Räume sind jedoch natürlich nicht als von den Trichimen ausgefressen zu betrachten, sondern sie sind vielmehr, wie schon oben angedeutet, durch die Verdrängung der Fasern entstanden. Denn obwohl das junge Thier zu dieser Zeit bereits Mund und kurzen Darm besitzt, so enthält doch der letz- 258 Je Na alhsarınss tere niemals feste Theile. Es scheint also, dass die Triehine sowohl in ihrem Larvenzustand als auch später nur von flüssiger Nahrung lebt. Sowie die soeben besprochenen sind auch die folgenden Ver- änderungen im Stägigen Stadium bei dem Eindringen der Tri- chinen in die Muskelfaser von den Forschern bisher nicht be- schrieben worden, worüber ausser der schon erwähnten Abbil- dung Fig. 17 die Figg. 18, 19 und 20 einen Ueberblick geben. Die Triehinen zeigen sicb in allen diesen Fällen in einem Wachs- thumsstadium, welches nur wenig oder garnicht die embryonale (Grösse übertrifft, sie haben eine Länge von 0,11—0,09 und eine Breite von 0,005—0,006 mm. Hinter der in Fig. 18 abgebilde- ten Trichine erstreekt sich ein etwa 0,5 mm langer Kanal, wel- cher durch die Bewegung des Wurmes entstanden ist. In dem abgebildeten Theil ist die Querstreifung noch gut erhalten, allein unterhalb desselben schon verschwunden. Das Merkwürdigste jedoch ist die Art des Zerfalls wie derselbe an der, mit @ be- zeichneten Stelle zum Vorschein kommt. Hier scheint es, als ob die eontractile Substanz in ihre Sarcous Elements aufgelöst wor- den und so in den körnigen Zerfall übergegangen wäre. Die Kerne, in deren Umgebung nur äusserst spärliches oder gar Kein Sarkoplasma zu erblicken ist, sind noch nicht erheblich verän- dert, liegen aber zuweilen, wie bei X, in einem mit Flüssigkeit erfüllten Raum, was wohl als Anfang einer ödematösen Entar- tung zu betrachten ist. An der in Fig. 19 abgebildeten Muskelfaser ist die Quer- streifung schon verloren, die Fibrillen sind in Verwirrung gerathen und zwischen ihnen treten knopflochartige, mit Flüssigkeit er- füllte Räume auf; solche Bilder sind in dem Stägigen Stadium am häufigsten zu finden. Fig. 20 stellt eine etwas weiter fort- geschrittene Entartung dar, welche dadurch verursacht worden ist, dass die Faser von zwei Trichinen angegriffen wurde. Die contractile Substanz in der Nähe der Kerne ist in diesem Fall in den körnigen Zerfall übergegangen. Die Kerne haben auch ihre längliche Form verloren, sind blasenförmig geworden und durch ein grosses, durch Eosin röthlich gefärbtes Kernkörper- chen ausgezeichnet. Die die Kerne umgebenden körnigen Massen haben keine Aehnliehkeit mit dem Sarkoplasma, wie es sich besonders um die in Theilung begriffenen Kerne herum sehr Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 259 deutlich vorfindet. Erstere bestehen aus ziemlich groben mit Eosin gefärbten Körperehen, die den „Sarcous Elements“ ver- gleichbar sind, während das Sarkoplasma sehr fein granulirt ist und sieh weniger stark mit Eosin färbt. In späteren Stadien ist der körnige Zerfall der Muskel- faser noch viel stärker ausgesprochen, und während er am 10.—11. Tage nur auf die Umgebung der Parasiten beschränkt ist, dehnt er sich im weiteren Verlauf der Krankheit durch eine lange Strecke aus. Die körnige Masse verliert zugleich ihre Färbbar- keit mit Eosin und nimmt eine bläuliche Färbung von denr Hä- matoxylin an. Das Stadium des kömigen Zerfalls ist ausführ- licher von Ehrhardt behandelt. Während dieser Zeit haben gewisse Vorgänge an den Muskelkernen stattgefunden. Sofort auffallend bei einer Be- trachtung der Muskeln des Stägigen Stadiums ist die ziemlich beträchtliche Vermehrung derselben. Eine Zählung, welche ich an zerzupftem Material der 7, 8, 10, 11, 12, 14, 22—32 tägigen Stadien vornahm, zeigte, dass etwa eine Verachtfachung der Kerne im Vergleich mit normalen Muskeln innerhalb der ersten fünf Tage stattfindet. Eine allzugrosse Bedeutung aber möchte ich diesem Ergebnisse nicht beilegen, da so viele Faktoren, z. D. ungleicher Grad der Intensität der Infeetion in den verschiedenen Fällen, einen direeten Vergleich nicht statthaft machen. In Sehnitten aus dem Stägigen Stadium habe ich ziem- lich häufig Muskelkerne in Karyokinese gesehen, für eine directe Theilung dagegen keine Anzeichen gefunden. Indi- rekte Kerntheilungsfiguren kommen etwas häufiger in den tri- chinenfreien Fasern vor: sie sind aber auch zu beobachten in Fasern, in welche die Triehinen — wie die gute Erhaltung der eontractilen Substanz schliessen lässt — erst vor kurzer Zeit einge- drungen waren. Bald hören alle Theilungsvorgänge an den Ker- nen solcher Fasern auf; sie zeigen sich bläschenförmig gequollen und verharren mit vergrösserten mit Eosin sich färbenden Kern- körperchen in dem Ruhestadium. Auch verlassen sie ihre nor- male Lage unmittelbar unterhalb des Sarkolemms und sinken in das Innere der Faser. Die Kerne liegen nackt in der Zerfalls- masse und sind nicht mit einem Protoplasmahof umgeben. Hand in Hand mit diesen Veränderungen in den Muskel- fasern findet eine rege Theilung der Zellen des Perimysiums statt, 260 J.Y.Graham!: die in den späteren Stadien immer bedeutender wird, bis sie in den 30—40tägigen Stadien, zur Zeit der Kapselbildung, ihren Höhepunkt erreicht. Eine Anzahl Leukocyten und Bindegewebs- wanderzellen dringen in die körnig zerfallenen Fasern em und treten in Beziehung zur Kapselbildung, was ich später darlegen werde. In Fig. 20 ist eine solche körmig zerfallene Faser mit bläschenförmigen Kernen aus dem Muskel einer am 22. Tage getödteten Ratte abgebildet. Ehrhardt, welcher keine Beschreibung der durch das Ein- dringen des Parasiten hervorgerufenen Veränderungen giebt, hält die Bewegung der Trichinen in den Muskelfasern für unbedeutend und misst daher auch dem dadurch entstandenen Reiz keinen Werth bei. Dagegen nimmt er S. 4 an: „dass die Trichinen bei ihrer Wanderung durch den Muskel ihre Stoffwechselprodukte in den Saftstrom entleeren und dass diese giftigen Substanzen, die man auch zur Erklärung der häufig vorhandenen Nephritis herangezogen hat, selbst auf entferntere Fasern als starker schäd- licher Reiz wirken, und so eine völlig diffuse Muskelerkrankung zu erregen im Stande sind.“ Ferner, wie auf Seite 35 zu lesen ist, will er auch den Zerfall der von Trichinen besetzten Fasern auf dieselbe Weise erklären. Allein er scheint sich mir damit auf zu unsicheren Boden zu begeben. Erstens wissen wir, dass die Wanderung der Triehinen im Perimysium internum eine viel unbedeutendere ist, als die Hypothese voraussetzt, und die Gele- genheit für eine Entleerung von Stoffwechselprodukten in dem Saftstrom in Folge dessen eine viel beschränktere wäre. Zweitens wissen wir über diese Produkte gar nichts, ja es ist nicht ein- mal erwiesen, dass die Trichinen überhaupt in diesem Stadium irgend einen Stoff entleeren, geschweige denn, dass ein solcher schädlich auf den Wirth wirkt. Natürlich will ich nicht be- haupten, dass die Degeneration der Muskeln bloss auf mechani- schen Reiz zurückzuführen ist, sondern ich möchte nur betonen, dass mechanische Vorgänge, wie die oben dargestellten, eine ganz «bedentende Rolle dabei spielen, die Ehrhardt unbeachtet liess. Die Stase in den Capillaren, die Blutungen aus denselben und das Unterwühlen der Muskelfasern sind sicherlich grobe me- chanische Einwirkungen, welche auch zweifelsohne viele chemische Veränderungen in benachbarten und entfernter liegenden Geweben hervorrufen müssen. Diese Vorgänge wären aber so vielseitig Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 261 wirkend, dass es wohl unnöthig erscheinen dürfte in hypothe- tischen, von Triehinen entleerten Stoffwechselprodueten weitere Reizmomente zu suchen. Ueber die Art der Kernvermehrung hat Ehrhardt Er- gebnisse erreicht, welche mit den meinigen nicht übereinstimmen. Er fand, „dass in der ersten Zeit die directe Kerntheilung aus- schliesslich das Feld beherrscht, und erst, wenn die Infeetion eine gewisse Stärke erreicht hat oder die Muskelveränderungen beträchtlich geworden sind, die Mitose auftritt.“ Er basirt diese Behauptung auf den Befund, dass die Kerne reihenförmig hinter- einander liegen und gradlinig gegenüber stehende Enden haben, also eine Reihe von Quadraten oder Rechteeken bilden. Es ist aber etwas störend, ca. 4 Seiten weiter zu lesen, dass, einer dort berichteten Beobachtung zufolge, die Kernzellen auch aus indirekter Kerntheilung hätten hervorgehen können. Ich finde also keine genügenden Gründe, um es als bewiesen zu betrachten, dass die direkte Theilung eine bedeutende Rolle spielt. Ueber- haupt ist Ehrhardt's Anschauungsweise bezüglich der Ent- scheidung der Frage über direkte oder indirekte Kerntheilung eine etwas einseitige, wie folgender Auszug ersichtlich macht (S. 36). „Auf welche Weise dies (das Wachsthum der Triehine) geschieht, habe ich nicht weiter beobachtet; vielleicht darf aber erwähnt werden, dass in den Trichinen selbst niemals Mitosen aufzufinden waren, und dass man daher ausser einem mit Sicher- heit festzustellenden, erheblichen Grössenwachsthum der einzelnen Zellen des Embryos nur eine direkte Theilung annehmen darf. Direkte Beobachtung amitotischer Theilung besitze ich freilich nicht.“ Wie gewagt klingt diese Behauptung Angesichts der Thatsache, dass gerade die Nematoden das Material für einige klassische Untersuchungen über Karyokinese geliefert haben, während allerdings die winzig kleinen Triehinen-Zellen das denk- bar ungünstigste Beobachtungsobjekt bilden! Das Einsinken der Muskelkerne in das Innere der zerfallenen Muskelfaser, behauptet Ehrhardt, sei durch eine Wanderung der Kerne entstanden, und er glaubt in dem Vorkommen von Kernen mit eigenthümlich lappigem Bau solche wandernde Kerne zu erblicken. Derartige Annahmen aber scheinen mir unnöthig, da die Wanderung der Triehine in der Muskelfaser und die Be- 962 J. Y. Graham: wegung, welche auf diese Weise auf die zerfallene Muskelsubstanz übertragen wird, vielleicht auch die Bewegung des ganzen Mus- kels wohl genügende Faktoren sein dürften, nicht nur die cen- trale Lage der Kerne zu erklären, sondern auch das Entstehen jener „brombeerartigen Kernhaufen* verständlich zu machen, welche Ehrhardt als Resultat einer Combination von direkten Quer- und Längs-Theilungen, oder einer pluripolaren, indirekten Theilung betrachtet wissen will. Dass die Kernkörperchen der enorm geschwollenen Muskel- kerne besonders deutlich hervortreten und sich bei Eosinbehand- lung roth färben, habe ich schon mehrmals erwähnt. In diesem Vorgang, den er als einen nicht normalen auffasst, erblickte Lewin (132) eine Degeneration des Kerns, welche er als „ery- thromatöse Entartung“ bezeichnet. Allerdings gehen diese Muskel- kerne zu Grunde, aber die Reaction gegen Eosin ist keineswegs an und für sich etwas Pathologisches. In meinen mit demselben Gemisch gefärbten Präparaten ist dieses Verhalten der Kern- körperchen immer deutlich zu erkennen, jedoch sind ebenso auch die Kernkörperchen der Eier in dem Ovarium der Triehinen ge- färbt, worin aber gewiss keine Degeneration zu erblicken ist. Es lässt sich nur im Allgemeinen sagen: Ueberall, wo das Kern- körperchen besonders stark ausgeprägt ist, nimmt es bei Doppel- färbung mit einem chromatinfärbenden und einem zellprotoplas- mafärbenden Farbstoff den letzteren an. Seine Beobachtung, dass einige Kerne in den angegriffenen Fasern vollständig nor- mal. bleiben, sowie seinen angeblichen Befund frei gewordener Muskelzellen muss ich in Uebereinstimmung mit Ehrhardt auf eine Verwechselung mit Leukocyten beziehen. Lewin be- hauptet auch im Widerspruch mit anderen Beobachtern, dass das Bindegewebe, abgesehen von einer leichten Ansammlung von Leukocyten fast unbetheiligt bleibe, was ich nach meinen Beob- achtungen ebenfalls nicht zugeben kann. Soudakewitsch sieht in den Muskelveränderungen bei Trichinosis eine Phagocytose Seitens der Muskelkörperchen. Das Material, von welchem seine Untersuchung ausging, bestand — ausser Muskelstücken von dem von Lewin untersuchten Falle aus zwei Ratten, von denen die eine 26, die andere 8 Tage nach der Fütterung mit trichinösem Fleisch getödtet worden war. In der letzteren fand er zwar ausgewachsene Darmtrichinen in Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 263 grosser Menge, jedoch keine Larven in den Muskeln, ein Um- stand, der, Angesichts der Erfahrungen aller anderen Forscher sich kaum anders erklären lässt, als durch mangelhafte Beob- achtung. Auf Grund seiner Untersuchungen des 26 tägigen Sta- diums und des von Professor Liehtheim erhaltenen Materials stellte er die Phagoeytose folgendermaassen dar: „Bientöt apres l’introduetion du parasite, la substance con- tractile subit des modifications de degenerescence; la partie sarco- plastique du faisceau augmente de volume, ses noyaux se multi- plient, et les masses cellulaires ainsi formes et semblables & “des plasmodes entourent les regions degenerees. Une autre partie du sarcoplasme ä noyaux multiples s’amasse autour de la trichine en formant une espece de grande cellule geante. Nous avons done devant nous une activite des phagocytes, qui se sont deve- loppes & linterieur et direetement aux depens du faisceau mus- eulaire. Cette aetivite energique des phagocytes museulaires n’est pourtant pas de longue duree. La trichine detruit bientöt par des mouvements toutes cellules vivantes.“ Nach meiner Untersuchung lässt es sich nicht bestätigen: dass das Sarkoplasma wächst, nachdem die Triehinen in die En eingedrungen sind. Die Kerne theilen sich hauptsächlich dem Eindringen der Triehinen, bald nach demselben aber ht ihre Theilungsfähigkeit auf, und sie treten in ein Stadium der ödematösen Schwellung, was ihren sicheren Zerfall verkün- digst. In dem 26tägigen, dem jüngsten vonSoudakewitsch darauf hin untersuchten Stadium konnte er nur solche Kerne ge- sehen haben, welehe die Theilungsfähigkeit schon längst einge- büsst hatten. Diese Kerne liegen nackt in der körnig zerfallenen contractilen Substanz. Man kann freilich Unterschiede in der Färbung verschiedener Theile der feinkömigen Massen erkennen, aber sie stimmen gar nicht mit der Färbung normalen Sarko- plasmas überein, und entsprechen nicht immer dem Lager der Muskelkerne. Diese verschiedene Färbung in der zerfallenen Masse tritt erst in den späteren Stadien auf und ist wohl durch die resorbirende Wirkung der eingedrungenen Leukocyten zu erklären. Die „Riesenzellen“, d. h. die zerfallene contraetile Substanz und die darin enthaltenen entarteten Muskelkerne, sollten, wenn die phagocytose Theorie zutreffend wäre, die innerhalb befind- 264 J.Y AG. rarhlaım® lichen Triehinen fressen. Aber dies ist, wie Soudakewitsch selber durch seine Untersuchung der späteren Stadien findet, nicht der Fall. Wenn aber bei der Triehinosis überbaupt die Rede von Phagocyten sein kann, so wäre dies höchstens in jenen Fällen denkbar, wo ein wirkliches Ertödten der Triehine zu Stande kommt, wie z. B. im Herzen und in dem Perimysium inter- num, sowohl bei der Einwanderung, wie bei der misslungenen Kapselbildung. Ob die Trichinenkapsel aus dem Bindegewebe gebildet wird oder aus dem Sarkolemm oder aus der zerfallenen Muskel- substanz oder durch eine Wucherung der Muskelkörperchen oder gar aus einer chitinösen Ausscheidung des Wurmes selbst, ist eine bis heute noch umstrittene Frage. Der letzte Forscher über diesen Streitpunkt, Ehrhardt, schliesst sich im Wesentlichen an die Ansehauungen Virchow’s an und stellt die Kapselbildung folgendermaassen dar: Das Sar- kolemm verdickt sich und wird durch Auflagerung einer gleich- brechenden Substanz aus den körnig zerfallenen Massen verstärkt. Das so entstandene diekwandige Rohr wird dann in Folge der Wucherung des umgebenden Bindegewebes an beiden Enden der die Triehine enthaltenden spindelförmigen Erweiterung zusammen- gepresst und durch Confluenz seiner Wandungen obliterirt. Die in dieser Weise gebildeten soliden homogenen Zapfen werden später durch denselben Prozess durchschnitten, und damit ist die Kapselbildung vollendet. Hiernach sollte der bleibende Theil der Kapsel aus dem Sarkolemm und der darunter liegenden erstarrten, zerfallenen Muskelsubstanz bestehen. Das Bindegewebe bewerkstellige nur durch Umschnürung eine Vereinigung der Sarkolemmwände und Durchschneidung des so gebildeten Zapfens, später würde das- selbe in Fettgewebe umgewandelt werden. Ehrhardt berichtet weiter: „In den oberhalb der Kapsel gelegenen Theil des Sar- kolemms dringen, soweit er verdickt ist, zahllose Massen von Wanderzellen ein, die ihn gleich seinem körnig zerfallenen Inhalt bald zu völligem Schwunde bringen.“ Aber warum beschränkt sich die resorbirende Thätigkeit der Wanderzellen hierauf? warum wird nicht auch die Kapsel selber resorbirt, da sie Ehr- hardt's Anschauung nach von ganz derselben Zusammensetzung sein sollte? Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 265 Eine Darstellung der Kapselbildung ist in dem schon er- schienenen Bericht über die vorliegenden Untersuchungen gegeben, welche den Standpunkt vertritt, dass die permanente Kapsel eine Bildung des Bindegewebes ist, für welche das verdiekte Sarko- lemm gewissermaassen als ein Gerüste dient '). Wenn die Triehine sich spiralig zusammenrollt, wird die Muskelfaser im Bereich. derselben spindelförmig ausgedehnt, und das Sarkolemm verdickt sich. Innerhalb des Sarkolemms an beiden Polen der Spindel finden sich eine Anzahl Bindegewebs- wanderzellen zusammen. Sie sind in die zerfallene Muskelfäser wahrscheinlich hauptsächlich während der Degeneration derselben eingewandert, ehe das Sarkolemm sich verdiekt hat; aber es dringen wohl auch einzelne durch das verdiekte Sarkolemm hin- durch. Solch ein Stadium zeigt Fig. 22. Diese Abbildung stellt die Uebergangsstelle von dem engen Rohr in die spindel- förmige Erweiterung dar. Die eingewanderten Bindegewebszellen, die sich mit denen ausserhalb der Muskelfaser durch ihre Form und Färbung leicht identifieiren lassen, sind bestimmt, den Pol der Kapsel zu bilden. Ehrhardt macht den Einwand, dass diese Zellen viel zu spärlich sind, um zu einer Organisation der Triehinenkapsel zu genügen, doch darin hat er sich nochmals widersprochen, denn auf Seite 22 seiner Arbeit kann man lesen: „Es scheint aber, als ob selbst eine einzige in der Kapsel ge- legene Bindegewebswanderzelle durch ihr lebhaftes Proliferations- vermögen zur Ausbildung vom Bindegewebe in der Kapsel ge- nügt.“ Diese Wanderzellen sind von einem hellen Raum umgeben und lassen sich auch durch ihre Grösse und Färbung von den necrotischen Muskelkernen unterscheiden. Bemerkenswerth ist, dass lochkernige Leukocyten niemals innerhalb der degenerirenden Fasern aufzufinden sind. 1) Dem Bericht war eine Abbildung beigegeben, welche von Ehrhard merkwürdigerweise missverstanden worden ist. Da es sich um ein Macerationspräparat handelte, war die Cutieula der Trichine abgehoben. Ehrhardt deutet dieselbe als erste Anlage einer Kapsel, eine Deutung, welche sowohl mit unserer Darstellung als auch mit der beigefügten Figurenerklärung nicht vereinbar ist, da die betreffende Contur innerhalb des Muskeldetritus verläuft, die Kapsel aber be- kanntlich ausserhalb desselben entsteht. Damit werden alle durch dieses Missverständniss hervorgerufenen kritischen Bemerkungen Ehr- hardt's hinfällig. 266 J. Y. Graham: Zu dieser Zeit senden die ausserhalb des Sarkolemms be- findlichen Bindegewebszellen Fibrillen aus, welche die Seiten der permanenten Kapsel auf dem Sarkolemm und wohl auch auf Kosten desselben zu bilden anfangen. Fig. 23 stellt ein späteres Stadium der Polbildung dar. Jetzt sind die Kapselpole durch eine helle bindegewebige Masse abgeschlossen, in welcher eine feine netzförmige Zeichnung zu erkennen ist. An sie schliesst sich zu beiden Seiten das ver- diekte Sarkolemm an. Einige Kerne zeigen abgeflachte und un- regelmässig ausgezogene Form, Veränderungen also, wie sie bei solehen bindegewebigen Bildungen immer zu beobachten sind. Das Bindegewebe ausserhalb der Kapsel ist in diesem Stadium fibrillenreicher. Fig. 24 bringt ein noch späteres Stadium zur Anschauung. Dieses Präparat stammt von einer stark infieirten Ratte, die 6 Monate nach der Fütterung getödtet worden war. In diesem Fall war die Kapselbildung zwar fertig, aber die Sarkolemmgerüste waren noch nicht gänzlich entfernt. Der Pol zeigte eine concen- trisch geschichtete Structur, deren Herkunft noch einzelue zwischen den schalenförmigen Lagen gestreute Bildungszellen verriethen. Von dieser Structur der Kapsel heben sich die beiden zapfen- förmigen Reste des Sarkolemms nicht nur durch ihre homogene Beschaffenheit, sondern auch durch die Verschiedenheit der Fär- bung ab. Es nehmen nämlich die Sarkolemmreste das Häma- toxylin nur schwach an und erlangen so eine helle wasserblaue Färbung, während die Kapsel sich durch Eosin färbt. Fig. 25 zeigt eine andere Kapsel von demselben Stadium, nur sind die Ueberreste des Sarkolemms etwas anders geformt. Hier erscheint dasselbe von Aussen etwas zusammengepresst, trotzdem aber hat dieser Vorgang doch nieht den Abschluss bewerkstelligt, wie ihn Ehrhardt behaupte. Die zwei Wände confluiren nicht, im Gegentheil bleibt zwischen ihnen noch etwas zerfallene Muskel- substanz, und der Abschluss besteht aus einem Gebilde des Binde- gewebes wie in jedem anderen Fall. Diese Verhältnisse sind in jedem Schnitt sowie in jedem Zupfpräparat dieses Stadiums zu sehen und demonstriren aufs Klarste die in dieser Arbeit ver- tretene Ansicht von der Betheiligung des Bindegewebes und Sar- kolemms bei der Kapselbildung. Wenn man diese Darstellung der Kapselbildung mit der Beiträge zur Naturgeschichte der 'Trichina spiralis. 267 von Leuekart und Fiedler vergleicht, so ist es interessant zu bemerken, dass die Kapsel nach der Beobachtung beider auch innerhalb des Sarkolemms entsteht — nach Leu- ekart durch eine Erhärtung der Oberfläche der zerfallenen Mus- kelmasse, nach Fiedler durch eine Wucherung der Muskel- körperchen. Die Angabe Virchow’s, dass die Kapsel eine veränderte Muskelfaser, ein entartetes Primitivbündel sei, war schon zu einer Zeit ausgesprochen worden, wo es noch nicht festgestellt war, ob die Triehinen überhaupt in die Muskelfasern eindringen, sie sollte diese Beziehung der Kapsel zu den Mus- kelfasern vornehmlich betonen. Aber nicht alle Triehinen werden in dieser Weise abge- kapselt. Es finden sich nämlich in den 4—5 Wochen-Stadien nicht selten Würmer, die das Centrum von einem aus Bindegewebe und Leukoeyten bestehenden Knötchen bilden. Einige hiervon sind in ihrer unmittelbaren Nähe von einer Anzahl polynucleärer- eosinophiler Leukoeyten umgeben, worunter auch zuweilen Rie- senzellen zu beobachten sind. Trichine, Leukoeyten und Riesen- zellen sind abermals von einer sehr grossen Anzahl Bindegewebs- zellen umgeben, die ein dickes faseriges Netzwerk bilden. In den Maschen dieses Netzwerkes befinden sich auch sehr viele Leukoeyten, welche gewöhnlich der so oft in dieser Arbeit er- wähnten lochkernigen eosinophilen Sorte angehören. Unter dieser bindegewebigen Wucherung kann man zuweilen zu beiden Seiten des Wurmes eine ganz zarte Linie verfolgen, welche, da sie die in gewöhnlichen Fällen von dem Sarkolemm eingenommene Lage hat, wohl als der Rest dieser Structur zu bezeichnen ist. Zu- weilen auch finden wir statt einer zarten Linie einen etwas ver- diekten Strang; aber solche Fälle sind seltener, und wenn sie auch vorkommen, ist das Gebilde nur eine kurze Strecke zu ver- folgen. Eine Ausnahme ist in Fig. 26 abgebildet, wo das Sar- kolemm eine ganz lange Strecke sich verfolgen lässt. In der Um- sebung der Trichine selbst kann man eine körnige, mit durch Hä- matoxylin gefärbten Klümpehen vermischte Masse sehen, welche von desorganisirter contractiler Substanz und Muskelkernen her- rühren. Die Trichine wird in solchen Fällen eine Färbung an- nehmen, welche nur wenig, wenn überhaupt, von der normalen verschieden ist. 968 J. Y. Graham: Andere Fälle zeigen im Allgemeinen dieselben Verhältnisse, nur fällt sofort auf, dass es abgestorbene Triehinen sein mussten, wie ihre Färbung beweist. Ausserdem haben die Leukocyten in nächster Nähe der Trichine an Zahl abgenommen, das Binde- gewebe dagegen hat sich stärker ausgebildet und schliesst den Parasit enger ein (Fig. 27). Als noch weiter fortgeschritten in dieser Richtung ist ein Exemplar zu betrachten, das, schon längst todt, mit einem dieken bindegewebigen Netzwerk eng umschnürt ist und keinerlei Muskel- reste enthält. Es scheint mir also bewiesen, dass die Trichinen in Folge der Wirkung der Leukocyten oder des Bindegewebes zu Grunde sehen und nicht, wie Ehrhardt angiebt, dass ihr Absterben die Ursache des bindegewebigen Wachsthums ist. Die Ursache dieser ungewöhnlichen Erscheinung liegt wohl viel eher in der Art der Muskeldegeneration, denn, wie Ehrhardt berichtet, und dasselbe ist auch in meinem Material nicht selten zu finden, bleibt die Degeneration der trichinisirten Fasern nicht immer bei dem körnigen Zerfall stehen, sondern die körnige Masse wird zu- weilen von dem Saftstrom weggeschwemmt oder vielleicht ver- flüssigt (Fig. 28). Dieser Vorgang, der gewöhnlich nur in den dden Triehinen fernliegenden Theilen der Fasern vorkommt, ist auch zuweilen in der von den Parasiten bewohnten Strecke zu sehen. Es ist wahrscheinlich, dass das Sarkolemm soleher Fasern auch verflüssigt wird oder, dass es, weil es von der zerfallenen Muskel- masse nicht unterstützt ist, dem Eindringen der Wanderzellen keinen genügenden Widerstand leistet. Die letzteren dringen also ungehindert vor, resorbiren das wenige, was von körniger Substanz noch übrig bleibt, umgeben die Triehinen, verursachen mit der Zeit ihren Tod und beseitigen schliesslich ihre Leiche. Nachher wird das Bindegewebsknötchen zurückgebildet und das umgebende Gewebe wieder in seinen normalen Zustand versetzt. Ich habe solche Gebilde nur in etwa 4—5-Wochenstadien gefunden; in den 3-, 4- und 6-Monatsstadien fehlen sie. Es ist das also als ein Zwischenfall bei der Kapselbildung zu betrachten, und nicht, wie Ehrhardt glaubt, in eine Reihe mit der später eintretenden Verkalkung von normal eingekapselten Triebinen zu bringen. ve Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 269 Es geht hieraus hervor, dass nicht nur das Sarkolemm, sondern auch die zerfallene eontractile Substanz eine äusserst wichtige Rolle bei der Einkapselung spielt, obwohl keines von beiden die permanente Kapsel zu bilden berufen ist. Ferner scheint hiermit angedeutet, dass die Bindegewebszellen oder Leu- koeyten wirklich einen tödtliehen Einfluss auf die Triehinen aus- zuüben vermögen, denn da die erwachsenen Muskeltrichinen normalerweise in ihren Kapseln jahrelang ohne jegliche oder mit nur sehr weniger Nahrungsaufnahme verharren können, ist es kaum anzunehmen, dass das Absterben der Triehinen durch Nah- rungsmangel in so kurzer Zeit bedingt werde. Ueber die Anatomie der Trichme habe ich kaum etwas bemerkt, was in der gründlichen Abhandlung Leuckart's nieht schon beschrieben worden wäre. Im Allgemeinen ist jedoch in den Lehrbüchern das Verhalten der Zellenkörper zum Darm falsch beschrieben, trotzdem Leuekart dasselbe klar dargestellt hat. Zwar haben die grossen Zellen des Zellkörpers einen sehr engen Zusammenhang mit dem Darm, sind aber nicht von letzterem durehbohrt, wie gewöhnlich angegeben wird. An Querschnitten durch den hinteren Theil des Zellenkörpers kann man constatiren, dass der dünnwandige Darm neben dem Zellenkörper in der Nähe einer der Seitenlinien verläuft. Weiter nach vorn kommt er mit gleichzeitigem Verlust an Durchmesser in eine tiefe Rinne des Zellenkörpers zu liegen, behält jedoch immer seine eigene Wandung, in weleher man sehr kleine Kerne erkennen kann. Der Zellenkörper der entwickelten Muskeltrichine besteht, wie längst bekannt, aus einer Reihe grosser Zellen mit deutlichen Kernen. Diese Zellen erreichen volle Entwickelung in der Mus- keltrichine und sie behalten in der Darmtrichine ihr normales Aussehen bis nach Ablage der jungen Brut (10-12 Tage). Dann kann man deutliche Anzeichen einer senilen Rückbildung wahrnehmen. Die grossen Zellen verlieren nämlich ihre bis da- hin deutlich ausgeprägte Form vollständig und nehmen zugleich an Grösse ab. Ihre vordere und hintere Fläche, welche gewöhn- lieh senkrecht zur Längsachse des Trichinenkörpers stehen, wer- den nach vorn oder auch nach rückwärts gebogen oder werden zuweilen auch gänzlich verwischt. Auch ihre sonst so deutlich erkennbaren Kerne werden undeutlich, zum Theil verschwinden sie ganz. Die männlichen sowohl wie die weiblichen Trichinen Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 18 270 J. Y.Graham: unterliegen dieser Veränderung. Es scheint hiermit die Möglich- keit .angedeutet, dass der Zellenkörper gewissermaassen als ein Reservestoffbehälter funktionirt, dass derselbe während der in der Muskelfaser zugebrachten Lebensperiode, von dem Ueberschuss des Nährmaterials umgeben, wächst, indem die Nahrung enthal- tende Flüssigkeit wahrscheinlich durch die Körperwand durch- dringt. Später, nachdem der Wurm sich zu einer Darmtrichine entwickelt hat, kann die Nahrungszufuhr in dieser Weise nicht mehr mit dem durch die Entwicklung der jungen Brut gesteigerten Verbrauch an Nahrungsstoff Schritt halten, und infolge dessen wird der Zellenkörper verbraucht. Auffallend ist das Verhalten des Zellenkörpers zu den meisten Farbstoffen. Nur selten wer- den benachbarte Zellen in gleicher Intensität einen Farbstoff annehmen, und es haben daher die Zellen alternirend einen helleren und dunkleren Ton. Hierfür konnte ich keine Erklä- rung finden. Am Ende des Zellenkörpers befinden sich bekanntlich zwei zapfenförmige Zellen, welche Luscehka als Coeca betrachtet, Leuekart aber als dem Zellenkörper zugehörig erklärte; jedoch sollen sie nach ihm nicht regelmässig vorkommen. Mittelst eines neuen Verfahrens mit Farbstoffen an lebenden Thieren nach einer von Herrn Prezesmycki in diesem Institut entwickelten Methode ist es uns gelungen, diesen Zellen eine deutlich von der des Zellenkörpers zu unterscheidende Färbung zu geben. Hierdureh wurde der Nachweis der Anwesenheit dieser Gebilde bei jeder Triehine möglich, was sonst bei den trächtigen Weib- chen wegen der Menge der alles andere bedeckenden Embryonen schwierig gewesen ist. Noch weitere Beweise für die Nichtzu- gehörigkeit dieser Zellen zu dem Zellenkörper gewann ich durch Zerzupfen. Hierfür muss man lebende Trichinen benützen, muss einen Riss in den Hauptmuskelschlauch mit Nadeln machen und mittelst leichten Druckes auf dem auf Wachsfüsschen ge- stützten Deeckglas den betreffenden Körpertheil in die ge- wünschte Lage bringen. An solchen Präparaten konnte ich sehen, dass die zapfenförmigen Zellen nicht mit dem Zellkörper, sondern mit dem vorderen Theil des Chylusmagens zusammen- hängen. Es ist dies zu erkennen: 1. bei Bewegung der Deck- gläschen wackeln die erwähnten Zellen für sich hin und her, während die Zellen des Zellenkörpers sich alle nur im Zusammen- Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 271 hang bewegen. 2. Mit stärkerer Vergrösserung sieht man, dass sie nur an einer Stelle festgewachsen sind und zwar am vorderen Ende des Chylusmagens. Siehe Fig. 29. Ihre Mündungen, ebenso wie die Zellkörper, stehen einander gegenüber. Nach Kennt- niss dieser T’hatsachen ist es leicht, die Lagerung der Zellen in einem unverletzten Thiere zu verstehen und festzustellen, dass die beiden Zellen links und rechts vom Darm liegen und einan- der gegenüber, die eine ventral, die andere dorsal münden. Das ist das Verhalten, wie ich es sowohl bei männlichen wie Jungen weiblichen Darmtrichinen gesehen habe. Bei trächtigen weib- lichen Thieren findet sich all dies stark modifieirt. Die inten- sive Färbung, welche diese Zellen intra vitam annehmen, scheinen auf Anhäufung von Secret zu deuten. Es ist wohl somit anzu- nehmen, dass sie einzellige Drüsen darstellen. Auch in den Männchen, die lebend mit diesem Farbstoff behandelt wurden, kamen eigenthümliche, den oben beschriebenen einzelligen Drüsen ähnliche Stellen in den Hoden vor, die vielleicht von Schleimzellen herrühren; sicher ist es wenigstens, dass die in dem Samengange befindlichen Spermatozoen intra vitam keine solche Färbung aufweisen. John Y. Graham. 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I. c) 1871, Deutsches Archiv f. klin. Med. VI. Zörkendörfer, C., 1894, Ueber die Aetiologie einer Massenerkränkung in Teplitz-Schönau nach dem Genusse von Fleisch und Wurst- waaren. (Trichinose und Milzbrand.) Zeitschrift für Heilkunde. Bd... XV: Erklärung der Abbildungen auf Tafel XIV, XV u. XV. Fig. 1—11 stellen Präparate eines Stägigen Stadiums dar. Fig. 1. Vorderes Ende einer bis zum Boden eines Lieberkühn’schen Schlauches eingedrungenen weiblichen Trichine. 7!= Kopf- ende; 7T?=ein Theil des Zellenkörpers; EZ= Schleimhaut- epithel; tip = Tunica propria; sch = Schleimtropfen; mm — muscularis mucosae; s = submucosa; km= ein Theil der Ringmuskelschicht. Vergr. ca. 125. Fig. 2. Drei Stücke derselben Trichine aus einem anderen Schnitt. T3, 4 6= Triehine; E= Epithel der Zotten bei E1 schräg ge- troffen. Vergr. circa 125. Fig. 3. Eine theilweise in eine Darmzotte eingedrungene weibliche Trichine. Vergr. ca. 200. Fig. 4. Theile einer männlichen Trichine im Epithel einer Schlauch- drüse. Z!=Kopfende; 7?= Anfang des Zellenkörpers; H= Hoden; Sg = Samengang; D=Darm. Vergr. 125. Fig. 5. Andere Theile derselben Trichine 7, Zellenkörper; bei 7? der hintere Theil desselben, es sind die Zellengrenzen schon ver- wischt. M = Chylusmagen ; 7 = Hoden; ip = Tunica propria; mm — muscularis mucosa; S= Submucosa; Am = Ringmuskel- schicht. Vergr. ca. 125. Fig. 6. Trichinenlarve in einer Muskelarterie; 7 = Kopfende der Larve; E = Endothelkerne; m = Muskelkerne der Tunica media; a= Tunica adventitia. Vergr. 500. Fig. 7. Trichinenlarven in einem Capillargefässe; T!, m» & = Kopfende Fig. Fig. 10: 15. 6: 7: 18. a: JS Y..Graham: der Larve; X = Endothelkerne; ?= Leucocyten; b = Blut- massen. Vergr. 500. Eine Trichinenlarve einem zerplatzten Capillargefäss ent- kommend; 7T= Trichinenkopfende; f= eine in einem tieferen Niveau liegende Muskelfaser; f= eine durch das ausquellende Blut beschädigte Faser; b = extravasirtes Blut. Vergr. 500. Eine Trichine; 7’=ein mit geronnenem Blut erfülltes Ca- pillargefäss (c,) verlassend. Das vordere Ende der Trichine ist von dem Mikrotommesser zerrissen. Vergr. 500. Eine Trichinenlarve im Perimysium internum des Zwerchfelles von lochkernigen Leucocyten umgeben. Nur etwa 1/, der Leueoceyten-Menge sind angegeben. Vergr. 500. . Eine absterbende Trichine 7’ in einer bindegewebigen Wuche- rung. 7’! die Trichine quer durchschnitten. Vergr. 500. 13, 14 stellen Präparate einer 9 Tage nach der ersten Fütte- rung getödteten Ratte dar. Eine Trichinenlarve 7’ in eine Herzmuskelfaser eindringend; c — zerfallene contractile Substanz. Vergr. 500. Wie obiges. Vergr. ca. 500. Kopfende einer Trichinenlarve 7, im Herzen von bindege- webiger Wucherung umgeben; f=verschmälerte Muskelfaser; K= stabförmiger Muskelkern. Vergr. 500. Kleiner Theil einer Herzschwiele einer 14 Tage nach der Fütte- rung getödteten Ratte. 7, 7! = abgestorbene Trichine bezw. Tri- ehinen. (Es lässt sich nicht feststellen, ob hier zwei Stücke desselben Thieres oder zweier Thiere vorliegen.) = ringkernige, eosino- phile Leucocyten; A=ein solcher scheinbar in den Körper der Trichine eingedrungen. Vergr. 500. . 16-20. Präparate von Muskeln einer 5 Tage nach der Fütterung fo) fo) getödteten Ratte. Eine durch Bluterguss beschädigte Muskelfaser; b = Blut- körperchen; k — Muskelkerne; kl=ein solcher in Zerfall. Vergr. 750. Eine junge Trichine in einer Muskelfaser vorgedrungen bis zur Uebergangsstelle der Faser in eine Aponeurose. 7’=Kopt- ende der Trichine, k—=Muskelkerne, bD= Aponeurose. Vergr.500. Zeigt den Zerfall der eontractilen Substanz in sarcous Elements beia, c=ein von der Trichine 7’ gearbeiteter Kanal. Vergr. 500. Triehine in einer Muskelfaser, deren Querstreifung grössten- tbeils verloren ging, und Anzeichen einer ödematösen Ent- artung erkennen lässt. Vergr. 500. . Körniger Zerfall, auftretend in der Umgebung der Kerne. Vergr. 500. . Körnig zerfallene Muskelfaser einer 22 Tage ‘nach der Fütte- rung getödteten Ratte. Vergr. ca. 150. . Präparat eines 32tägigen Stadiums. Anfangsstadium der Kapsel- bildung. Nach oben der erweiterte, die Trichine enthaltende ai Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. . 24. 29. Beiträge zur Naturgeschichte der Trichina spiralis. 275 Theil; S—= das verdickte Sarkolemm; b= eingewanderte Binde- gewebszellen, welche den Kapselpol bilden; %k = entartete Muskelkerne; G = Granulationsgewebe. Vergr. ca. 500. . Ein etwas späteres Stadium S, k, db, G, wie in Fig. 23; Mf= benachbarte Muskelfasern. Vergr. 500. Längsschnitt durch Trichinenkapseln. 6 Monat-Stadium. S= Le) Reste des verdickten Sarkolemms; P= concentrisch geschich- ’ > 7 . - . . teter Kapselpol, darin zwei Bildungszellen (d)); G@ = Bindege- webszellen; s! = Seitenlinie; D= Darm; Ü'= Zelienkörper der quer durchsehnittenen Trichine; ÄX= Muskelkerne mit zer- fallener contractiler Substanz. Vergr. ca. 300. .6 Monat-Stadium. S,P,b,k und M wie in Fig. 24,-MI= Muskelreste, S!= Seitenlinie; D=Darm; H=Hoden; sg = Samengang der Trichine. Vergr. ca. 300. . Misslungene Kapselbildung eines 32tägigen Stadiums. TT!= Trichine; e= Leucoceyten; R = Riesenzelle; b = Bindegewebs- zellen; S= Sarcolemm, rechts oben defect geworden; X = Wand einer normalen benachbarten Kapsel. Vergr. 150. . Misslungene Rapselbildung eines 32tägigen Stadiums. Abgestor- bene Trichine 7, umgeben von bindegewebiger Wucherung; S = Sarkolemm. Vergr. 150. . Eine Muskelfaser, deren Inhalt verflüssigt worden ist von einem l14tägigen Stadium; K= entartete Muskelkerne; K!= einsolcher zerfallen, «a=mitFlüssigkeit erfüllte Räume. Vergr. 500- Zellenkörper und Chylusmagen einer erwachsenen Trichine. Z = Zellenkörper, auf welchem der Oesophagus (0) liegt. Letzterer mündet nach rückwärts in den Chylusmagen ein. Am Anfang des Chylusmagens die Drüsenzellen Dr Drl, erstere liegt unterhalb, letztere oberhalb des Magens. Nach einem mit heissem Sublimat-Essigsäure conservirten, mit Häma- toxylin gefärbten und in Canada -Balsam eingeschlossenen Präparat. Vergr. 300. 276 (Aus dem anatomischen Institut der Universität Erlangen.) Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. Von Dr. F. Hermann. Hierzu Tafel XVII. a. Die Ausreifung der Selachierspermatosomen. Mit der Wahl dieses speciellen Titels erfährt die vorliegende Untersuchung eine gewisse, sehr bedeutende Beschränkung; der Process der Spermatogenese in allen seinen Phasen soll hier nicht erörtert, die Zahl und Beschaffenheit der während dieses Pro- cesses auftretenden Zellgenerationen nicht festgestellt werden und auch die gegenwärtig moderne Frage nach der während der Bildung der Samenelemente stattfindenden Reduction des Chroma- tins möge vollständig übergangen sein. Theils haben diese Dinge schon früher mehr oder minder glückliche Bearbeiter gefunden, theils bietet gerade für eine befriedigende und einigermaassen ge- naue Lösung des sog. Reductionsproblems das Zellmaterial des Selachierhodens vermöge seiner Kleinheit zu ungünstige Verhält- nisse dar. So kann ich denn gleich aus den Erscheinungen der Selachier- spermatogenese gewissermaassen unvermittelt ein Bild herausgreifen, das zum Ausgangspunkt unserer Untersuchungen dienen soll: das Ende der letzten Spermatoeytentheilung, die zur Bildung der Samenzellen, der Spermatiden führt. Es finden sich diese Thei- lungen recht zahlreich in einzelnen Ampullen, und kommen neben metakinetischen Figuren namentlich die Diasterstadien oft im grosser Anzahl zur Beobachtung. Was den chromatischen Antheil derselben betrifft, so dürfte derselbe sich aus sehr gedrungen ge- bauten, kurzen Schleifen zusammensetzen, die in relativ beträcht- licher Menge eng aneinander geschmiegt sind; dieser Umstand sowie die Kleinheit des ganzen Zellmateriales bringen es mit sich, dass die chromatischen Figuren nur mit Mühe zu entwirren, die einzelnen Schleifen nur in Ausnahmefällen vollkommen deut- Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. 277 lich zu beobachten sind. Dazu mögen ausserdem die angewandten Präparationsmethoden noch das ihrige beitragen; die Osmiumge- mische führen, wie dies ja bekannt sein dürfte, recht häufig zu einer Verquellung der Chromosomen karyokinetischer Figuren und auch die sehr dunkle, massige Tinktion, die ich aus gewissen Gründen bei meinen Präparaten anwenden musste, mag die Schuld an der mangelhaften Analyse der chromatischen Figuren tragen. Bei dem Ziele jedoch, dem meine Untersuchungen dienen sollen, machte sich dieser Mangel nur in recht geringem Werthe, ja überhaupt kaum geltend, ist es doch vor allen der achromatische Apparat, dessen Verhalten unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. In späteren Phasen des Dyasterstadiums lässt sich näm- lich unschwer beobachten, dass der ganze achromatische Spindel- apparat sich durch das Centrum des chromatischen Sternes hin- durchgezogen hat, das Polkörperchen hat seine Lage an der ent- gegengesetzten Seite der Chromatinfigur, es ist von deren Polseite zur Gegenpolseite gewandert. Dies macht sich natürlich zunächst geltend für die Richtung der Spindelmantelfasern, der „Zugfasern“ Drüner’s (1), sie sind vollständig umgeklappt und haben da- mit, um einen etwas drastischen aber wesentlich richtigen Ver- gleich zu machen, die Bewegung eines Regenschirmes, der vom Sturmwind umgedreht wurde, gemacht. Damit aber sind die Zugfasern von der Centralspindel abgezogen worden und erstreckt sich diese nun rein und deutlich durch den Zellleib hindurch, ihre fibrilläre Struktur klar erkennen lassend. Mittlerweile ist auch am Zellleibe die Theilung eingetreten, eine tiefe Furche greift durch und reicht bis an den Aequator der Centralspindel, so dass diese nunmehr die einzige Brücke zwischen den jungen Tochter- zellen darstellt (Fig. 1, 2, 5). Als feine, anfangs nur schwach färbbare Körnehen erscheinen an diesem Aequator die Central- spindelkörperchen Kostanecki’s (2); ob dieselben im Be- reich der Spindelfäden selbst gelegen sind, oder ob sie denselben nur äusserlich anliegen, ist bei der Kleinheit der ganzen Verhält- nisse nicht zu eruiren, jedenfalls aber lässt sich mit aller Sicher- heit behaupten, dass sich diese feinen Körnchen lediglich als Ring in der Circumferenz der Centralspindel angeordnet finden, und dass das Innere der letzteren der Körperchen vollständig entbehrt. Kostanecki lässt dieselben an seinem Untersuchungs- material (embryonale Säugethierzellen), worüber mir eigene Er- 278 F. Hermann: fahrungen nieht zu Gebote stehen, als eine äquatoriale Körnchen- platte im ganzen Bereich der Centralspindel sich gleichmässig vertheilen, ich möchte jedoch ‚betonen, dass sich in letzterer Zeit die Angaben über die ringförmige Anordnung der Centralspindel- körperchen in der Litteratur bedeutend vermehren; so haben Benda (3), Metzner (4) undHeidenhain (5) auf die Ring- natur des Zwischenkörperchens hingewiesen. Letzterer Autor spricht direkt von emem Schnürring, welcher den Centralspindel- rest umfasst und glaubt, dass diese Zusammenraffung durch eireulär an der Oberfläche der Centralspindel verlaufende Mitomfäden bewirkt wird. Ich konnte für diesen Gedanken Heidenhain’s wenigstens an dem mir vorliegenden Objekt keine Stütze finden, bin vielmehr der Ansicht, dass der Ring aus entweder der Oberfläche der Central- spindelfäden ansitzenden, oder in den Verlauf derselben selbst eingeschalteten, feinsten Körnchen (Centralspindelkörperchen im Sinne v. Kostanecki’s) zusammengesetzt sein dürfte. Be- trachtet man nun eine grössere Anzahl solcher telokinetischer Figuren, so wird man bald bemerken, dass die kreisförmig ge- stellten Körnehen immer enger aneinander rücken, dass die Zu- sammenraffung der Centralspindel immer stärker wird, und end- lich sieht man letztere von einer soliden, sich ziemlich stark tingirenden Ringbildung umfasst. Nun hat aber die Centralspindel nicht nur in ihrem Aequator an Ausdehnung eingebüsst, auch in ihrer Längsrichtung hat sie sich bedeutend verkleinert, so dass sie nur mehr die Hälfte ihrer ursprünglichen Ausdehnung zeigt. Der Modus dieser Verkleinerung ist mir aus der Betrachtung meiner Präparate nicht recht deutlich geworden; man könnte ja daran denken, dass die Centralspindel in ihrer Substanz geschmolzen, sich bis zu einem gewissen Grade aufgelöst habe, andererseits aber könnte man die Verkleinerung auch als ein Contraktions- phänomen der Spindel auffassen. Ohne diese letztere Vermuthung damit zu einer Behauptung erweitern zu wollen, möchte ich doch dar- auf hinweisen, dass die ursprüngliche Fasernatur der Central- spindel fast vollkommen geschwunden ist, so dass dieselbe nun- mehr einen glashellen, scharf eontourirten, aberim übrigen nahe- zu homogenen Körper darstellt. Mit dieser Verkürzung haben sich natürlich auch die Be- ziehungen zu den Chromosomen verändert, die Zugfasern, die ursprünglich noch als ein kegelförmiges Bündel sich zu dem Pol- Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. 279 körperchen erstreckten, sind verschwunden und dürften sich wohl nach der ehromatischen Figur zurückgezogen haben; damit aber haben die Chromosomen alle Verbindung mit der Centralspindel gelöst und finden sich weit vom Pole derselben entfernt. Ueber die chromatische Figur selbst habe ich lediglich die Bemerkung hier einzuflechten, dass die sie zusammensetzenden gedrungenen Schleifen sich auf noch engerem Raum zusammengedrängt haben und dass die Chromosomen selbst sich zu unregelmässig runden Chromatinbrocken eontrahirt zu haben scheinen. Ungemein deut- lich ist nun an diesem Chromatinhaufen die telokinetische Bewe- sung im Sinne Heidenhain’s zu erkennen; die Drehung be- trägt, wie ein Blick auf Fig.3 lehrt, fast 90% Damit sind nun die Vorbereitungen für die definitive Trennung der Tochterzellen getroffen, nur die Centralspindel mit ihren ringförmigen Zwischen- körperchen scheint noch ein kleines Hinderniss abzugeben, wenigstens begegnet man nicht selten Figuren, in welchen diese, in ihrem äquatorialen Abschnitt völlig freiliegend, sich als Brücke zwischen den schon auseinander weichenden Tochterzellen ausspannt. Bei den soeben mitgetheilten Ergebnissen der Untersuchungen des Selachierhodens handelt es sich nun nieht um vollständig neue Thatsachen, ich muss vielmehr hier gleich auf ähnliche Beobachtungen Benda’s (3) an Salamandra maculosa hinweisen, die derselbe in einer kurzen Notiz auf dem Anatomencongress in Göttingen bekannt gemacht hat. Und während ich mit meinen Untersuchungen beschäftigt war, erschien eine Mittheilung von Moore (6), die sich sogar auf das gleiche Arbeitsobjekt (Seyllium catulus.) bezieht. Ich hätte mir deshalb wohl die ganze Beschreibung meiner Befunde sparen können, wenn nicht die Ansichten Moore’s über die Deutung der ganzen Verhältnisse mit den meinigen so sehr diffe- riren würden. Folgen wir den Beobachtungen Moore ’s, so beginnen dieselben bei der „vorletzten Theilung der Spermato- eyten“; am Schlusse derselben wird die ganze Centralspindel ausgestossen, als „spindelförmiger Körper, welcher 3—6 chromatische Partikel enthält, die zu einem äquatorialen Band angeordnet sind“. Diesen Ausstossungsprocess setzt nun Moore in Homologie mit den eigenthümlichen und interessanten Vor- gängen, die sich nach Boveri (7) bei der Differenzirung des 280 F. Hermann: Keimmateriales von Ascaris meg. in somatische und generative Zellen abspielen. Was soll nun die Berechtigung zu dieser kühnen Homologisirung bieten? Doch weiter nichts, als eine mangelhafte, oder vielmehr falsche Anwendung des Begriffes „chromatisch“ ? Da sich dieser willkürliche und vage Gebrauch dieses Begriffes in der modernen histologischen Literatur so sehr häuft, so kann ich es mir nieht versagen, auf die Gefahr hinzuweisen, die mir darin zu liegen scheint. Irre ich nicht, so wurde der Begriff „Chromatin* zuerst von Flemming (8) in die Wissenschaft eingeführt; dieser Autor verstand darunter aber etwas ganz bestimmtes, eben jene auf gewisse Farbstoffe so deutlich reagirende, in einem achromatischen Liningerüste eingebettete Substanz, die wir im Zellkern, und zwar nur in diesem, als Nuclein und Nucleolus antreffen. Wenn wir auch über den Chemismus dieser Kernbestandtheile kaum über einige Kenntnisse verfügen, so haben wir uns trotzdem daran gewöhnt, dieselben vermöge ihrer eigen- thümliehen Reactionsfähigkeit gegen gewisse Farbstoffe anderen Zellstoffen gegenüber gewissermaassen chemisch zu individualisiren, nie aber dürfen wir so weit gehen, in unseren Farbstoffen chemische Reagentien zu erblicken, nie dürfen wir aus dem Um- stande, dass zwei verschiedene Dinge in der Zelle sich gleicher- weise tingiren, den Schluss ziehen, dass dieselben nach ihrer chemischen Qualität gleich oder auch nur miteinander verwandt sind. Dies gilt um so mehr bei den momentan so viel ange- wandten „regressiven Tinetionsmethoden“, bei denen während des „Processes der Differenzirung“ so viel in die Geschicklichkeit und Willkür der einzelnen Untersucher gelegt ist. So dürfte es sich denn wohl empfehlen, den Begriff chromatisch eben lediglich auf das Chromatin des Zellkernes zu beziehen und im Uebrigen sich des Ausdruckes „färbbar“ zu bedienen. Man könnte mir einwenden, dass dies ein blosser Streit um ‚Worte sei, allein als Entgegnung dürfte schon der Hinweis auf den oben referirten Homologisirungsversuch Moore’s genügen. Wie weit wir durch die missbräuchliche Anwendung des Wortes chromatisch gekommen sind, das zeigt sich z.B. deutlich in einer kürzlich erschienenen Arbeit von Vas (9) über den Bau des Chromatins in der sym- pathischen Ganglienzelle. Der unbefangene Leser des Titels wird erwarten, etwas über die Beschaffenheit der Kerne der Nerven- zellen zu erfahren, und wird erstaunt darüber sein, dass die ganze Beiträse zur Kenntniss der Spermatorenese. 981 o- [o} Arbeit ausschliesslich über färbbare Granula im Protoplasma der Ganglienzellen handelt. Dies zeigt sich auch in der durch einen sehr geschickt gewählten Titel sich auszeichnenden Arbeit Auer- bach’s (10) über einen sexuellen Gegensatz in der Chromato- philie der Keimsubstanzen, auf deren, wie ich glaube, verfehlte Speeulationen ich schon an anderer Stelle hingewiesen habe. Nach dieser Abschweifung richten wir nun unsere Aufmerk- samkeit auf das Zellmaterial, welches den oben geschilderten Zelltheilungsfiguren seine Entstehung verdankt, die Spermatiden (Fig. 4). Aus den kurzen, unregelmässig gestalteten Chromosomen der telokinetischen Figuren hat sich wieder ein bläschenförmiger Kern gebildet, dessen derbes Chromatingerüst noch unverkennbar die Spuren einer polaren Anordnung aufweist. In der Nachbar- schaft des excentrisch gelegenen Kernes, an der Stelle der gröss- ten Protoplasmaanhäufung stossen wir auf ein ungemein zierliches spindelförmiges Gebilde; dieses Spindelehen erscheint vollkommen homogen, glashell und scharf eontourirt und ist an seinen Polen mit zwei sich namentlich bei Anwendung von Hämatoxylin-Metall- lackfärbungen (Eisen, Kupfer, Vanadium) dunkel tingirenden Kügelehen versehen, deren Grössendifferenz deutlich constatirbar ist. Wenn mir nun auch die direkte Beobachtung des Ueberganges der telokinetischen Figuren in das Bild dieser Jungen Spermatiden trotz wiederholten und eifrigen Suchens leider nicht gelungen ist, so dürfte doch, wie ich hoffe, der Sprung von Fig. 3 zu Fig. 4 nicht so gross sein, um nicht den Schluss zu rechtfertigen, dass das kleine Spindelehen der Spermatiden durch äquatoriale Abschnürung aus der Centralspindel der Spermato- eytentheilung entstanden sei. Ist dieser Schluss erlaubt, dann haben wir auch ein Verständniss für die ungleiche Grösse der beiden Spindelpole in den Spermatiden gewonnen, der eine stellt das Centrosom dar, während der grössere sich als die zu einem Kügelchen zusammengesinterte Hälfte des ringförmigen Zwischenkörperchens erweist. Wir haben also in den Spermatiden eine Centrodesmose (M. Heidenhain) vor uns, deren Centren jedoch von ungleicher Dignität sind, und sind damit im Selachierhoden auf wesentlich gleiche Verhältnisse gestossen, wie sie für Salamandra maculosa durch die kurze Mittheilung von Benda bekannt geworden sind. Was nun zunächst die weitere Ausbildung der Spermatiden- 989 F. Hermann: kerne betrifft, so vermögen die folgenden Fig. 5 und 6 zu demon- striren, dass der Kern etwas an Grösse zunimmt und dass er von einem feinen chromatischen Gerüstwerk durchsetzt wird, in dessen Maschen sich bald auch mehrere Nucleolen (2—3) von ungleicher Grösse bemerklich machen. Zellen, deren eine in Fig. 5 zur Darstellung gekommen ist, machen uns weiterhin mit einer neuen Erscheinung im Zellleibe bekannt; an der Stelle der grössten Proto- plasmaanhäufung findet sich, anfangs dem Kerne als eine flache Scheibe innig angeschmiegt, eine stärker granulirte, sich dunkel tingirende Protoplasmamasse, die wohl den Rest der Spindelmantel- fasern (vielleicht auch der Polstrahlung?), die sich ja, wie wir sahen, bei der Spermatocytentheilung von den Centrosomen los- reissen, darstellt und wegen dieser Beziehungen wohl dem Archo- plasma zuzurechnen sein dürfte. Technisch ist die Archoplasma- anhäufung gerade in den Selachierspermatiden sehr leicht nachzu- weisen, vor allem an Material, welches mit Ben da scher Lösung (Salpetersäure — Kali bichromieum) fixirt und hierauf einer Doppelfärbung mit Hämatoxylin (nach Pal) und Saffranin unter- worfen wurde; schon bei Anwendung ganz schwacher Systeme (Leitz Obj. 3) wird man das schwarzgefärbte Archoplasma neben dem rothen Kerne mit aller Deutlichkeit wahrnehmen. Kehren wir nunmehr wieder zu der in Fig. 6 abgebildeten Spermatide zurück: an einer ganz eireumseripten Stelle hat sich an dem Kerneontour eine Verdiekung von ungefähr linsenförmiger Gestalt ausgebildet. Hat man sich einer Doppeltinetion (Saffranin- Gentiana oder Hämatoxylin (Pal)-Saffranin) bedient, so wird man an allen Spermatiden dieses Stadiums nachweisen können, dass diese Verdiehtung der Kerneontour dieselbe Farbe (roth, resp. schwarz) angenommen hat, wie die echten Nucleolen; seit ich jedoch weiss, dass jedes verdiehtete Chromatin in gleicher Weise auf die betreffenden Farbstoffe reagirt, möchte ich nicht so ohne weiteres dafür plaidiren, dass die besprochene Verdichtung an der Kernperipherie etwa einem plattgedrückten Nucleolus ent- sprechen dürfe. Verführerischer gestaltet sich schon die Sach- lage, wenn wir Kerne betrachten, wie ich sie in Fig. 6a flüchtig skizzirt habe; da bekommt es wirklich den Anschein, als ob ein Kernkörperehen im Begriffe wäre, sich an der Kernmembran ab- zuplatten. Allein auch diese Bilder scheinen mir nicht ganz über- zeugend zu sein und so lasse ich die Frage offen, ob es sich hier Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. 288 um einen wandständig gewordenen Nucleolus oder aber um eine Stelle verdichteten Chromatins handeln wird, um so mehr als ich dieser Alternative nur eine relativ geringfügige Bedeutung zu- messen möchte. Von um so grösserem Interesse scheint es mir jedoch zu sein, dass wir durch diese eircumseripte Verdiekung der Kerncontour für den kugeligen Kern eine polare Differen- zirung erhalten haben, denn es wird die weitere Beobachtung zu zeigen vermögen, dass sich eben diese Stelle zum Spiesse des fertigen Spermatozoons umformt. Die erste Erscheinung, welche diese Umformung einleiten soll, besteht nun darin (Fig. 7), dass sich vom Kern aus eine kleine Vacuole in den Kern vor- wölbt. Es handelt sich dabei offenbar um einen Austritt flüssiger Substanz aus dem Kerninnern, der dureh eine Verdich- tung der ganzen Kernsubstanzen hervorgerufen wird; das sehen wir ja deutlich genug an sonstigen Vorgängen, die sich während dieser neuen Erscheinung am Kern abspielen. Derselbe wird kleiner, das feine Chromatinnetz hat sich zu gröberen, mehr der Kernperipherie anliegenden derben Brocken gesammelt und ausserdem hat sich die sich verdiehtende Kern- substanz von der achromatischen Kernmembram retrahirt, so dass sich zwischen dieser und dem eigentlichen Kern ein spaltförmiger, lichter Zwischenraum deutlich abhebt; nur an einer Stelle bleibt der Contact zwischen Kern und achromatischer Kernmembran, nicht nur in dieser Phase, sondern für die ganze übrige Ent- wicklung gewahrt, eben dort, wo der Austritt der kleinen Vacuole erfolgte. Man sieht hier deutlich, wie sich die Begrenzungslinie des eigentlichen Kernes unter Bildung einer scharf ceontourirten und dunkel (Fig. 8) tingirten hackenförmigen oder besser ge- sagt kragenförmigen Umschlagsfalte in die abgehobene Kern- membran fortsetzt. Dass diese Abhebung übrigens nicht auf einem durch Schrumpfung bedingten Artefacte beruht, erhellt daraus, dass ich den erwähnten hellen Zwischenraum auch nach verschiedener Fixirung an allen meinen Präparaten während des Austrittes der Vacuole auftreten sehe und dass derselbe in sämmt- lichen Phasen der Weiterentwieklung eine bestimmte eharakte- ristische Gestalt und Ausdehnung zeigt. Scheinbar ist die be- schriebene kleine Vaecuole schon von anderen Autoren, die sich mit dem Studium der Spermatogenese der Selachier befassten, bemerkt worden. So sprechen Swaen und Masquelin (11) 984 F. Hermann: von einem nodule e£phalique. Die Fig. 20, die dasselbe illustriren soll, stellt jedoch ein viel späteres Entwicklungsstadium des Spermatosoms dar, und auch „das Tröpfehen emer vollständig blassen Substanz“, welches Jensen (12) beschreibt, dürfte nicht unserer Vacuole homolog zu setzen sein. Dieselbe ist nämlich ein ganz ephemeres Gebilde, das sehr rasch, sich wohl im Zell- leib auflösend, wieder zu Grunde geht, so dass es schon auf dem nächsten Entwicklungsstadium (Fig. 8) vollständig unsichtbar ge- worden ist. Es hat sich hier an seiner Stelle eine leichte Delle am Kerne gebildet, deren seitliche Begrenzung von der beschrie- benen kragenförmigen Verdiekung der Kernmembran gebildet wird; es bekommt dadurch der ganze Kern ein eigenthümliches Aussehen, das einigermaassen an die gewöhnlichen Aquariengläser erinnert. Diese Delle und ihre Begrenzung ist es, welche von Jensen richtig beobachtet wurde. Während dieser ganzen am Kerne zu beobachtenden Er- scheinungen ist das Spindelehen und der dunkle Archoplasma- haufen vollständig unthätig im Zellleib liegen geblieben, erst jetzt beginnt die Spindel wieder aetiv einzugreifen. Sie stellt sich an der dem Spitzenpol entgegengesetzten Seite des Kerns radiär zu demselben ein und zwar so (Fig. 8), dass das grössere der Polkörperchen, das halbirte Zwischenkör- perehen mit der Zellmembran, verschmilzt, wäh- rend das Centrosom sieh gegen den Kern wendet, ohne aber denselben vorderhand zu erreichen. Noch einen Schritt weiter (Fig. 9) und wir sehen das Centro- som die Kernmembran erreichen und sich bald darauf mit dem’eigentlichen Kern: in. Werbin- dung setzen, das Zwischenkörperchen weitet sich wieder zu seiner ursprünglichen Gestalt, einem ungemein zierlicehen Ring aus und zwischen beiden spannt sieh, entstanden aus der Spindel, die Anlage des Axenfadens des Spermatosoms aus, die ihre Entstehung noch darin dokumentirt, dass sie aus einer Anzahl parallel laufender Fibrillen zu bestehen scheint. Dieser Axenfaden ist übrigens schon durch die Ringbildung hin- durch in die Länge gewachsen, ein Schwanzfaden hängt wie ein einzelnes langes Wimperhaar (Fig. 9, 10) der Aussenseite der ausreifenden Spermatide an. Ich möchte darin das wichtigste jeiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. 285 Resultat meiner Beobachtungen erblicken, es lehrt, dass der Schwanzfaden, das econtractileElement des Sper- matosoms, aus der Centralspindel der letzten Spermatocytentheilung entsteht und dass das Endknöpfchen als das Centrosom des Spermato- z0ons zu betrachten sein dürfte. Dass nun wirklich das einstige Zwischenkörperehen der Zelltheilung wieder Ringform angenommen hat, das lehren mit unzweideutiger Sicherheit die nicht selten anzutreffenden Schräg- ansichten von Spermatiden in dem geschilderten Entwicklungs- stadium. Man beobachtet hier mit aller Deutlichkeit den Ring von der Fläche aus und sieht (Fig. 10a), wie der Schwanzfaden das Centrum desselben durchsetzt; wir haben damit aber dasselbe Bild vor uns, wie ich es seinerzeit in den Spermatiden des Sala- manders beschrieben habe und können nun den sich rasch ver- längernden Schwanzfaden sicher in zwei Abschnitte zerlegen: ein kürzeres Stück liegt innerhalb der Zelle und verbindet den Ring mit dem Endknöpfchen, dies ist de Anlage desMittel- stückes, und ein weit längerer Abschnitt, der ausserhalb der Zelle seine Lage hat, stellt den Haupttheil des Schwanzfadens dar. Das Mittelstück besteht demnach in dieser Phase seiner Entwicklung ausschliesslich aus den nackten Fibrillenzügen des Axenfadens und es bringt so das Studium der Reifungserschei- nungen der Spermatosomen einen vollständigen Beweis für die Be- obaehtungen von Jensen und von Ballowitz (13), denen zu Folge an den reifen Samenreifen von Raja der Axenfaden das ceylin- drische Mittelstück in seiner ganzen Länge durchsetzt. , Nun aber müssen wir uns den Veränderungen zuwenden, welche der Kern der Spermatiden erleidet. Es wurde schon oben darauf hingewiesen, dass das feine Chromatinnetz, das den Kern der Spermatide durchsetzt, sich zu groben Brocken ver- dichtet; mit dem Moment, in dem das Centrosom den Kern er- reicht hat, wird dieser Verdichtungsprozess noch lebhafter, die Chromatinbrocken ziehen nun auch die sie noch verbindenden zarteren Brücken ein, der Kern wird sichtlich kleiner. Daneben dürfte aber auch, worauf zuerst Pietet (14) hingewiesen hat, ein Prozess der Lösung des Chromatins in den achromatischen Substanzen stattfinden, denn neben der Färbung der Chromatin- brocken : tritt nun eine rasch an Intensität zunehmende diffuse Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 19 986 F. Hermänn: Tinetion des ganzen Kernes ein (Fig. 9), die bald dazu führt, dass der ganze Kern einen vollständig homogenen, sich stark färbenden Körper darstellt (Fig. 10, 11). Nebenbei möchte ich bemerken, dass damit bei einer Doppeltinetion mit Gentiana- Saffranin dieselbe Aenderung in der Reaktion gegen die ange- wandten Farbstoffe eintritt, wie ich sie früher für die Sperma- tosomen von Salamandra nachgewiesen habe. Am energischsten scheint diese Condensirung des Kernes in dem auf Fig. 10 abge- bildeten Stadium zu verlaufen, dies spricht sich deutlich genug darin aus, dass nunmehr der lichte, wohl mit Flüssigkeit erfüllte Raum, der sich zwischen dem eigentlichen chromatischen Kern und der achromatischen Kernmembran gebildet, seine grösste Aus- dehnung erreicht. Allseitig hat sich übrigens der Kern von seiner Membran nieht abgehoben ; dort, wo früher die Vacuole erschien und wo späterhin eine leichte Delle auftrat, bleibt die Continuität zwischen Kernmembran und Kern dauernd erhalten, so dass dieser wie an einem Stiel (Fig. 11) in dem erwähnten lichten Raum suspendirt erscheint. Was aus demselben entsteht, ist leicht ein- zusehen, nämlich das achromatische „Spitzenstück“ Ballo witz’, welches durch die oben erwähnte kragenartige verdiekte Rand- parthie der Kernmembran eine schützende Hülle als Kopfkappe erhält. So hat denn die schon an anderer Stelle geäusserte Ver- muthung, dass der Spiess des Spermatozoons aus der Kernmembran entstehe, durch die Untersuchung der Selachierspermatogenese in zufriedenstellender Weise ihre Be- stätigung gefunden (Fig. 12, 14, 15). Selbstverständlich be- schränkt sich aber die achromatische Kernmembran nicht auf das Spitzenstück, sondern umgiebt den ganzen Kopf als feine Hülle. Ueber die zunächst sich einstellenden Veränderungen an den jungen Spermatosomen kann ich raschen Schrittes hinweg- sehen, da es sich dabei um Vorgänge handelt, die schon von früheren Untersuchern (Balbiani (15), Swaen und Mas- quelin (11), Jensen (12), Sanfelice (16) richtig erkannt und beschrieben worden sind. Ich hätte hier zunächst hinzu- weisen auf die rapide Verlängerung, die der Kern, oder wie wir auch sagen können, der Kopf des Spermatosoms erfährt, so dass wir denselben schon in Fig. 15 als langausgezogenes, pfriemen- förmiges Gebilde vor uns haben. Ferner bohrt sich der Kopf mit seinem Spiess durch das Protoplasma der Spermatide hin- Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. 237 durch (Fig. 12), so dass der Spiess nackt zu Tage liegt, und ausserdem hat die Spermatide selbst sich stark verlängert, Vor- gänge, welche beide auf das starke Wachsthum des Mittelstückes zurückführbar sind, welches in Fig. 15 schon seime definitive Länge erreicht hat. Dabei möchte ich betonen, dass nunmehr ein Endknöpfehen des Mittelstückes technisch nicht mehr nach- weisbar ist. Es soll damit natürlich nicht gesagt sein, dass das- selbe verschwindet, wir müssen uns vielmehr denken, dass das- selbe von der chromatischen Substanz des Kopfes vollständig verdeckt und so unsichtbar geworden ist. Dadurch erklärt es sich, dass Ballowitz an den ausgereiften Spermatozoen von Raja das Vorhandensein eines solchen Endknöpfehens am Mittel- stücke vollständig leugnet. Hinzufügen will ich noch, dass in diesen Entwicklungsstadien der Spermatozoenkopf ausser der Hülle, die die Kernmembran um ihn bildet, noch eine zweite zarte Scheide durch das Proto- plasma der Spermatiden erhält, ein Umstand, der ebenfalls schon von Swaen und Masquelin (11), sowie von Jensen (12) Berücksichtigung gefunden hat. Nun aber stossen wir auf eine ganz neue, zunächst das Mittelstück betreffende Erscheinung. Während dasselbe bis jetzt einen vollständig geradelinigen Verlauf zeigte, deutet nun (Fig. 15) eine nicht zu verkennende, von der Stelle des Endknöpf- chens ausbeginnendeSchlängelung daraufhin, dass sieh an dem Mittelstücke zuerst die Er- scheinungen einer aktiven Bewegung des Sper- matosoms einzustellen pflegen. Wenn es sich auch dabei, so viel ich sehe, nieht um eine direete spiralige Aufdreh- ung handelt, so lässt sich doch nachweisen, dass die Rich. tung dieser beginnenden Bewegung des Mittel- stückes eine vomKopfausnachlinksabsteigende ist. An einer leichten Schlängelung des Kopfes lässt sich in diesem Stadium schon nachweisen, dass sich die Bewegung auch diesem Theile mitzutheilen beginnt, dieselbe wird aber schon sehr bald (Fig. 16) mit aller Deutlichkeit manifest: der Kern zeigt eine ungemein zierliche, von der Stelle des Endknöpf- chens nach links aufsteigende spiralige Auf- drehung, deren einzelne Touren am hinteren Ende des Kopfes am engsten gestellt sind, während sie gegen den Spiess sich 588 F. Hermaän: allmählich abflachen, sodass der letztere nur in leichtem Grade geschlängelt erscheint. Dabei muss ich eines eigenthümlichen Umstandes gedenken: die achromatische Hülle des Kopfes ist nämlich bei der spiraligen Aufdrehung nicht betheiligt. Bei den engen Beziehungen, in welchen diese Hülle zu dem Kopfe steht, war mir dieses auffallende Verhalten lange unerklärlich, bis ich zufällig an einem Präparate, das nach Tinction mit Hä- matoxylin und Kupfersulfat mit Saffranin nachgefärbt worden war, auf eine Erscheinung stiess, die vielleicht das Räthsel zu lösen im Stande sein dürfte. Ich habe in Fig. 13 ein Spermato- som aus diesem Präparate abgebildet und sieht man hier, dass das Saffranin lediglich an zwei Stellen festgehalten wurde, ein- mal an der Spitze, und zweitens in Form eines schmalen Quer- bandes an jener Stelle, wo das Endknöpfchen, die achromatische Kernmembran durchsetzend, sich mit dem Kern in Verbindung gesetzt hat, während zwischen diesen Stellen der Farbstoff bei der Differenzirung wieder abgegeben wurde. Ich glaube, wir dürfen aus dieser Erscheinung schliessen, dass an dem Spiess eine besonders innige Verbindung zwischen Kern und Kernmem- bran, am entgegengesetzten Ende ausser zwischen diesen noch mit dem Endknöpfehen stattgefunden hat, wodurch es erklärlich wird, dass die spiralige Aufdrehung sich nur auf die zwischen bei- den Enden befindliche chromatische Substanz des Kopfes äussern kann. Denn dass der todte Punkt dieser spiraligen Bewegung wirklich an der Stelle des Endknöpfehens sich befindet, spricht sich deutlich darin aus, dass die Schlängelung an dem Kopfe eine linksansteigende, an dem Mittelstücke eine links- absteigende Richtung besitzt. Wie bereits oben bemerkt, hat die Mittelstückanlage auf dem in Fig. 15 abgebildeten Stadium wohl schon ihre definitive Länge erreicht, allein sie besteht vorderhand lediglich aus den Fibrillenzügen des Axenfadens, während das Mittelstück des reifen Spermatosoms ein eylindrisches Gebilde yon ziemlicher jreite darstellt. Es muss also im weiteren Verlaufe der Aus- reifung erst eine corticale Mantelsubstanz um den central ver- laufenden Axenfaden gebildet werden und zwar läuft dieser Pro- cess in der Art ab, dass sich, wohl von den Resten des ur- sprünglichen Protoplasmas der Spermatide abstammend, im Ver- laufe des Axenfadens krümelige, färbbare Substanzbrocken auf I Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. 289 demselben niederschlagen (Fig. 17), die, zahlreicher werdend, untereinander durch eine schwächer tingible Zwischensubstanz verbunden werden und so das homogene, tingible Mittelstück des reifen Samenfadens bilden. Ob dabei diese Substanztheil- chen auch in gleicher Weise wie der Axenfaden eine Art von spiraliger Anordnung aufweisen, vermochte ich sicher nicht fest- zustellen, es scheint mir diese Frage übrigens auch mehr un- wesentlich zu sein, jedenfalls haben die Untersuchungen des rei- fenden Spermatosoms zu denselben Resultaten geführt, wie sie dureh die Macerationsversuche von Ballowitz (13) für die reifen Spermatozoen der Selachier festgestellt wurden. Ballo- witz sah nämlich nach Maceration der Samenfäden in CINa- Lösung an dem Mittelstück eine etwas schräg verlaufende Querzeichnung auftreten. „Diese Querstreifen färbten sich mit Gentianaviolett intensiv, während die hellen, schmalen Zwischen- räume nur blassbläulich tingirt waren.“ „Schreitet die Macera- tion noch weiter vor, so fallen zuerst Stücke der Zwischensub- stanz ab, so dass die Spiralbildung deutlicher hervortritt und die Contouren des schmaler werdenden Mittelstückes sehr un- regelmässig werden“ (loc. eit. pag. 232). Mit dem Auftreten der Mantelsubstanz des Mittelstückes ist übrigens ein Gebilde unsichtbar geworden, das auf allen Sta- dien von Fig. 9—16 so deutlich in die Erscheinung getreten war, nämlich der zierliche Ring an der hinteren Grenze des Mittelstückes. Ob dieses Verschwinden desselben lediglich dar- auf zurückzuführen ist, dass der Ring durch die färbbaren Seg- mente der Mantelsubstanz verdeckt und dadurch unsichtbar wird, oder ob er sich, vielleicht in ähnlicher Weise, wie dies später für die Amphibienspermatozoen nachgewiesen werden soll, bei der weiteren Ausbildung des Schwanzfadens betheiligt, wage ich nicht zu entscheiden, ich möchte nur darauf hinweisen, dass mit dem Verschwinden des Ringes eine neue Erscheinung an dem Spermatozoenschwanze zeitlich zusammenfällt.: Während näm- lich der letztere bis jetzt nur aus einem einfachen, jedenfalls fibrillär sich zusammensetzenden Axenfaden bestand, ändert sich mit dem Momente der Mantelbildung an dem Mittelstücke sein Aussehen insoferne, als der Schwanzfaden nunmehr auf eine kürzere oder längere Distanz das Bild eines blassen, von zwei dunklen randständigen Fäden eingefassten Bandes aufweist, das 290 F. Hermann: zwar vorderhand eine spiralige Aufwicklung noch vollständig vermissen lässt, jedoch schon als die erste Andeutung jener von Jensen (12), vor allem von Ballowitz (15) näher studir- ten Structurverhältnisse des reifen Selachierspermatozoenschwan- zes aufzufassen ist. Damit sind nun alle integrirenden Theile des Spermatosoms ausgebildet; durch die Reste des Spermatidenprotoplasmas unter- einander verklebt, stecken die Samenfäden als stattliche Büschel (60—70 Individuen) in dem Protoplasma der Stützzellen, das sie wie ein schützender Köcher im sich birgt. Nun gilt es noch die Samenfäden aus ihrem gegenseitigen Verband sowohl als auch aus ihrer Verbindung mit dem Stützzellenprotoplasma zu lockern, und auch dieser Process wird wieder von dem Mittelstück auseingeleitet. Sämmtliche Mittelstücke eines Spermato- zoenbüschels machen zu gleicher Zeit wellenförmige oder bogen- förmige Bewegungen, das ganze Mittelstückbündel bläht sich ge- wissermaassen kugelig auf und verhält sich wie ein Bündel bieg- samer Weidenruthen, die von ihren beiden Enden aus einem parallel ihrer Längsaxe einwirkenden Drucke ausgesetzt werden. Ich habe es in Fig. 18 versucht, dieses eigenthümliche Bild darzustellen, ohne freilich das Charakteristische desselben ganz getroffen zu haben; ich möchte zur Erläuterung deshalb bemerken, dass die einzelnen Mittelstücke an den durch helleren Farbenton deutlich gemachten Abschnitten gegen den Beschauer zu bogenförmig vorspringend zu denken sind. Die Dauer dieses Bewegungsphänomens dürfte übrigens eine kurze sein, denn gar oft gelingt es schon in benachbarten Spermatozoenbündeln die sämmt- lichen Mittelstücke wieder in strenger Parallelstellung nebenein- ander liegen zu sehen; leicht gelingt es aber an solchen Büscheln (Fig. 19) den Effeet nachzuweisen, der durch die vorhergehende Bewegung der Mittelstücke erzielt wurde. Die Protoplasma- massen, welche auf früheren Stadien die Mittelstücke und auch die Köpfe miteinander verbanden, sind vollständig verschwunden, und nur an zwei Abschnitten sind die Spermatozoen noch unter- einander verklebt: zunächst in geringer Ausdehnung an den Endspiessen, vor allem aber sind es die Schwänze, die noch in ganzer Ausdehnung eine solide Masse darstellen. Namentlich an der Grenze von Mittelstück und Schwanzfaden scheint diese Ver- klebung eine besonders innige zu sein, wenigstens dürfte der Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. 291 Befund von Ballowitz (13), dass sich gerade an dieser Stelle bei den reifen Spermatozoen aus dem Vas deferens noch ein kurzer Protoplasmacylinder nachweisen lasse, in diesem Sinne zu deuten sein. Mit dem Wiedererlangen der Parallelstellung der Mittel- stücke haben wir nun das Endglied der Reifungserscheinungen, die sich innerhalb des Hodens vollziehen, erreicht; gleichwohl wird eine Vergleichung eines solchen „ausgereiften“ Spermatosoms mit dem wirklich „reifen“ Samenfaden aus dem Vas deferens noch manche Differenzen nachweisen lassen. Zunächst haben die Spermatozoen des Vas deferens ihren Verband zu Büscheln voll- ständig aufgegeben, und damit haben sich auch in der Structur der Samenfäden selbst einige Veränderungen eingestellt. Be- trachten wir in dieser Hinsicht zunächst den Kopf, so zeigt der- selbe im Hoden eine Aufdrehung in zahlreiche (30—40) sehr enggestellte Spiraltouren, im Vas deferens jedoch sind nur 7—8 leichte Sehlängelungen (ef. Ballowitz Fig. 1) zu sehen. Es hat sich also der enggestellte Spiralfaden gelockert, gedehnt, und sehe ich die Ursache dieses Vorganges darin, dass die ursprüng- liche Kernmembran, die als Kopfkappe die Spermatozoenköpfe innerhalb des Hodens überzog, aufgelöst und verschwunden ist; ich stimme also hierin mit Ballowitz vollkommen überein, der an den reifen Samenfädenköpfen die Existenz einer feinen Hüllmembran leugnet. Eine zweite Differenz betrifft den Schwanz des Samen- fadens. Betrachten wir die Fig. 19, so zeigt sich die eigen- thümliche spiralige Aufdrehung der Randfäden des Schwanzes nur in einer relativ noch kleinen Ausdehnung entwickelt, der Hauptsache nach aber besteht der Schwanz noch aus einem ein- fachen Endfaden ; bei den völlig reifen Spermatozoen jedoch er- streckt sich die Spiralbildung auf die ganze Länge desselben, ein Endstück kommt überhaupt nicht mehr in Frage. Fragen wir nun endlich nach dem Ort, an welchem sich diese letzten Reifungserscheinungen abspielen, so lautet die Ant- wort dahin: im Hodengewebe selbst sicher nicht; denn hier habe ich die Samenfäden stets nur im Bilde der Fig. 19 ent- weder noch in den Protoplasmamassen der Stützzellen oder schon im freien Ampullenlumen nachzuweisen vermocht. Es bleibt also nur das Vas deferens übrig, und wirklich beobachtet man hier 293 F. Hermann; Kanälchen, in denen die Spermatozoenköpfe noch die enge, spi- ralige Aufdrehung, allerdings auch schon in etwas gelockerter Anordnung, zeigen, während in anderen Kanälchen nur mehr die den vollständigen Reifezustand charakterisirende geringgradige Schlängelung der Samenfadenköpfe constatirt werden kann. Noch habe ich zum Schlusse eines Präparates (Fig. 20) zu gedenken, dessen Entstehen zwar direct auf die Einwirkung des Fixationsmittels zurückgeführt werden kann, das aber, trotz- dem es als sog. „Kunstprodukt“ zu betrachten ist, in mehr wie einer Richtung belehrend ist. Es entstammt dieses Präparat einem Hoden, der mn Benda’scher Lösung (Acid. nitrie. Kali bichro- mic.) conservirt worden war ; so empfehlenswerth diese Fixirungs- methode auch im Allgemeinen erscheinen mag und so trefflich sie auch in unserem Falle das Zellmaterial des Hodens zu er- halten im Stande war, so zeigt sie trotzdem die Eigenschaft, die Köpfe der Selachierspermatozoen, und zwar merkwürdiger Weise ausschliesslich im Stadium der Fig. 19, auf ganz eigen- thümliche Art zu verändern. Die langen, spiraligen Köpfe der Samenfäden haben sich zu eigenthümlich keulenförmigen Gebilden von glasiger Beschaffen- heit umgewandelt, die jedoch, wenn auch in geringerem Grade, noch ihre Tinetionsfähigkeit bewahrt haben. Diese Erscheinung lehrt uns, wie intensiv eimerseits durch die spiralige Aufdrehung die Spermatozoenköpfe gespannt worden waren, andererseits welch hoher Grad von Elastieität denselben innewohnt, eine Thatsache, auf die für Salamandra maculosa Flemming (17) schon vor längerer Zeit aufmerksam gemacht hat. Weit wichti- ger aber als dies muss uns die Erscheinung sein, dass durch das Zurückschnurren der chromatischen Köpfe die dieselben bergende Kopfkappe, sowie die Spiesse (Spitzenstück) frei und isolirt sichtbar geworden sind ; ich denke, es dürfte dadurch auf das Eleganteste der definitive Beweis dafür erbracht sein, dass der Spiess und die Kopfkappe ‘der Spermatozoen der persistiren- den Kernmembran der Spermatide ihre Entstehung verdankt. Ein ähnliches Bild wie unsere Fig. 20 findet sich übrigens schon in der Arbeit von Swaen und Masquelin und lehrt die Tafelerklärung zu Fig. 33, dass es sich auch in diesem Faile um eine Fixirung des Materiales mit Salpetersäure handelt. Die isolirten Spiesse aber sind den genannten Autoren entgangen, Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. 295 auch geben sie merkwürdiger Weise zu ihrer Figur keine weitere erklärende Darstellung. Auf unserer Figur 20 habe ich endlich der Vollständigkeit halber auch neben dem Spermatozoenbüschel den „corps problematique* als einen grossen ovalen, stark braun- gefärbten Körper abgebildet; er ist mir aber in Betreff seiner Herkunft und seiner Bedeutung ebenso räthselhaft geblieben, wie den belgischen Autoren. Ich habe absichtlich, um die Beschreibung meiner Befunde nicht zu unterbreehen, bis jetzt keime Rücksicht genommen auf zwei Arbeiten, die in neuerer Zeit über die Spermatogenese der Selachier von Sabatier und von Moore erschienen sind. Mit beiden Arbeiten stimmen meine eigenen Angaben, soweit dieselben die Umformung des Spermatidenkerns in den Kopf des Sperma- tosoms betreffen, im Wesentlichen überein, und möchte ich des- halb auch auf die kleinen Differenzpunkte als ziemlich unwesent- lich nicht des Näheren mich einlassen. Dagegen zeigen sich in der Auffassung der Entwicklungsvorgänge von Mittelstück und Schwanz recht weitgehende Differenzen, die deshalb auch hier eine nähere Berücksichtigung finden sollen. Mittelstück und Schwanzfaden leitet Sabatier direet aus dem Protoplasma der Spermatide ab; die Netzfäden desselben bekommen eine deutliche parallele Anordnung und convergiren die einzelnen Protoplasma- fäden gegen das Caudalende der Samenzelle, um sich dort zu einem Faden zusammenzulegen, der als Schwanzfaden das Zell- ende verlässt. Das Mittelstück ist lediglich als das intracellulär gelegene Wurzelgebilde des Schwanzfadens aufzufassen; wie dieser entsteht es ebenfalls aus einer Verfilzung der parallel an- geordneten Protoplasmafäden und bekommt nur durch reihenweise Auflagerung feinster Bläschen (?) eine gewisse Abgrenzung. Mit diesen Angaben Sabatier’s dürfte wohl gar nichts anzufangen sein, sie entsprechen den wirklichen Verhältnissen durchaus nicht und bedeuten gegenüber den alten Untersuchungen von Swaen und Masquelin und Jensen auch nicht den geringsten Fortschritt. Anders liegen die Verhältnisse bei der Arbeit von Moore; hier wird den modernen Anschauungen über die Beziehungen von Centrosom und Sphärentheilen an der Bildung des Samen- fadens in vollem Maasse Rechnung getragen, wenn auch freilich meine Untersuchungen der Frage mir die Dinge in mancher Riehtung in anderem Lichte zeigen, als es den Angaben Moore’s 294 F. Hermann: entspricht. Auf einen Differenzpunkt, der sich auf das Verhalten der Centralspindel bei der Entstehung der Spermatide bezieht, habe ich ja oben schon hingewiesen; dieser Punkt wird natürlich auch für die Auffassung der Entstehung von Mittelstück und Schwanzfaden von Bedeutung sein, indem er auch hierin Diffe- renzen zwischen den Ansichten Moore’s und meinen eigenen entstehen lassen muss. Doch sind wir wenigstens in einem der Hauptpunkte einig, dass nämlich das Centrosom zum Aufbau des Mittelstücks Verwendung findet. Das Centrosom rückt mit dem Archoplasma, nach den Angaben Moore’s um den Kern herum bis zum ursprünglichen Theilungsäquator der Spermatide und lässt hier einen feinen protoplasmatischen Strang, den Schwanz- faden, entstehen; das Archoplasma ist es, welches den intracel- Iulären Abschnitt dieses Schwanzfadens mit dem Kern in Ver- bindung bringt. Moore zeichnet die Centrosomen von Anfang an doppelt und lässt die beiden in der Art auseinanderweichen, dass das eine proximale sich mit dem Kern in Verbindung setzt, während das andere, distale, dort an der Zellperipherie liegen bleibt, wo der erste celluläre Abtheil des Schwanzfadens sich anheftet; die Centrosomen werden also zu Gebilden ungleicher physiologischer Dignität, und ich werde an anderer Stelle auf das Bedenkliche einer solehen Deutung hinweisen; ausserdem scheint Moore, obwohl die Zeiehnungen dies deutlich genug erkennen lassen, die Ring gestalt seines sog. distalen Centrosoms nieht erkannt zu haben. Auch dem „runden kleinen Bläschen“ an dem Spitzenpol des Spermatidenkopfes giebt Moore eine etwas andere Entstehung; er nennt es „archoplasmie vesiele“ und lässt es aus dem Archoplasma entstehen und erst späterhin sieh mit der eigenthümlich kragenartig umgekrempelten Stelle des Kerneontours in Verbindung setzen. Ich muss diese Ansicht Moore's als eine sicher falsche erklären, das Bläschen ist sicher eine Vacuole, welche, Kernsaft enthaltend, aus dem Inneren des Kernes bei dessen Verdichtungsprocesse ausgetrieben wird. b) Nachträgliche Bemerkungen zur Spermatogenese von Salamandra maculosa. In einer früher erschienenen Arbeit habe ich (20) nach- zuweisen vermocht, dass das Mittelstück der Salamandersperma- tozoen seine Entstehung einem ursprünglich extranucleär im Zell- Er. Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese, 295 leibe der Spermatide liegenden Gebilde von relativ ziemlich com- plieirtem Bau verdankt. Ich beschrieb diese Mittelstückanlage damals folgendermaassen: „Wir müssen an dieser zuerst einen farblosen Bestandtheil unterscheiden, der sich in Form eines durch Osmiumsäure leicht gelbbraun gefärbten, ovalen Gebildes darstellt. An der Peripherie desselben erblickt man nun ein chromatisches Element doppelter Natur: dasselbe besteht nämlich erstens aus einem runden, durch Saffranin leuchtend roth ge- färbten Körperchen und zweitens aus einem dunkelviolett tingirten Ringe. Dieser Ring, von dem rothen Körperchen stets dureh einen schmalen Zwischenraum geschieden, ist leicht der Fläche nach gebogen, gewissermaassen schüsselförmig gestaltet und re- präsentirt sich beim ersten Anblick mehr als bisquitförmiges Ge- bilde; durch Anwendung der Mierometerschraube lässt sich aber seine Ringgestalt sicher constatiren und feststellen, dass die bei- den lateralen Verdiekungen nur als der optische Ausdruck des Querschnittes der Ringspange aufzufassen sind und endlich wird jeder Zweifel an der ringförmigen Gestalt des violetten Gebildes dann beseitigt, wenn, wie dies häufig der Fall ist, das Gebilde mit seiner Fläche zur Beobachtung gelangt.‘ Auf zwei Fragen jedoch vermochten meine damaligen Un- tersuchungen keine genügende Antwort zu geben. Es gelang mir nicht, für die Provenienz der Mittelstückanlage zafriedenstellende Beobachtungen zu machen, ebenso wenig, wie ich im Stande war, definitiv zu entscheiden, ob der Axenfaden des Spermato- soms aus dem Kern oder dem Zellleibe seine Entstehung nimmt. Erstere Frage hat nun in der Zwischenzeit durch eine Mit- theilung Benda’s ihre Lösung gefunden. Benda beschreibt die bei den Schlussphasen der letzten Spermatocytentheilungen auftretenden Bilder folgendermaassen: „Das Zwischenkörperchen erscheint mir bei den Spermatocyten als Ring, der sich um den Spindelrest legt und diesen zusammenschnürt, so dass er sich als Doppelspindel darstellt, allerdings ohne dass gerade ein völliger Zerfall in zwei Spindeln erkennbar war. Ferner beobachtete ich eine Quertheilung des Zwischenkörperchens, durch die bei der Zelltheilung auf jede Tochterzelle eine Hälfte des Zwischen- körperchens kommt. Beim Uebergange des Diasters in das Di- spirem erfolgt ein Durchschlüpfen des Spindelpols durch die Chromatinmasse, so dass sich der Pol zwischen Chromatin und 296 F. Hermann: Zwischenkörperchen lagert. Während der Auflösung des Dispi- rems macht die Chromatinmasse eine Wanderung um 90° und liegt nun quer neben dem Spindelrest.“ Widerwärtige äussere Umstände vereitelten mir leider zu wiederholten Malen die Be- schaffung des nöthigen Untersuchungsmaterials, das mir vergönnt hätte, an einer genügenden Anzahl von Präparaten mich von der Richtigkeit des von Benda Beschriebenen aus eigener An- schauung zu überzeugen, allein vereinzelte Bilder von Telophasen der Spermatoeytentheilung haben mir wenigstens der Hauptsache nach gezeigt, dass die Benda’schen Angaben vollkommen zu Rechte bestehen. Zudem finden dieselben ja in den oben be- schriebenen Vorgängen an dem Zellmaterial des Selachierhodens ihre vollkommene Bestätigung. In relativ grosser Anzahl lagen mir jedoch Bilder von Jungen, eben entstandenen Spermatiden vor, und auf diese möge hier zu- nächst unter Zugrundelegung von Fig. 21 etwas näher einge- gangen werden. Zunächst fällt in dem Zellleibe dieser Sperma- tiden eine neben dem relativ grossen Kern gelegene Anhäufung stärker granulirten, sich intensiv tingirenden Protoplasmas auf, an dem zwar eine eigentliche Strahlung nicht zu unterscheiden ist, das aber doch gewissermaassen mit radiär ausgreifenden Armen sich in den Zellleib der Spermatide erstreckt. Eingebettet in diese Ansammlung von dunklerem, gekörntem Protoplasma lässt sich, umgeben von einem lichten Hofe, ein Gebilde nach- weisen, welches zunächst einmal aus einem zarten Spindelehen besteht, dessen beide Spitzen von in ihrer Grösse deutlich dif- ferenten, nach Hämatoxylinmetalllackfärbungen dunkel tingirten Körperchen besetzt sind. Neben dieser Spindel findet sich dann ein in seiner intimeren Structur nicht zu definirender, dunkel gefärbter Körper von rundlicher oder ovalärer Gestalt. Was nun die Deutung des ganzen dem Spermatidenkerne anliegenden Complexes betreffen dürfte, so werde ich wohl nicht irre gehen, wenn ich in dem kleinen Spindelehen jenes Gebilde sehe, dessen Entstehung bei der Spermatocytentheilung uns die oben referirten Untersuchungen Benda’s zu zeigen vermocht haben. Ich zögere selbstverständlich auch nicht, dieses Spindelehen in den Sala- manderspermatiden in vollkommene Homologie zu setzen zu den Verhältnissen, wie sie oben aus dem Hoden der Selachier de- tailirte Betrachtung fanden. Es dürfte sich dann wohl der Satz —ı Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. 29 aufstellen lassen, dass die Spermatide bei ihrer Entstehung eine Art von Centralspindel, von Centrodosmose erhält, freilich auch hier wieder mit ungleichartigen Spindelpolen; ist ja doch das eine kleinere als echtes Centrosom, das grössere als ein Halb- theil eines Zwischenkörperchens aufzufassen. Ich möchte dabei aber nicht unerwähnt sein lassen, dass ich damit durchaus nicht der Ansicht Benda’s bin (l. e. pag. 165), dass nämlich auch das Zwischenkörperchen als ein wahres Üentrosom aufzu- fassen sei. Schwieriger nun liegen jedenfalls die Verhältnisse bezüglich einer Deutung des ovalären dunkel gefärbten Körpers sowie des denselben bergenden Haufens granulirten dunkleren Protoplasmas. Darf ich es versuchen, letzteres in seiner Bedeutung zu definiren, so möchte ich hier auf Beobachtungen an den Spermatocyten von Salamandra, Proteus und Helix pomatia hinweisen, die ich in meiner Arbeit über die Entstehung der karyokinetischen Spin- del niedergelegt habe; ich habe dort letztere zum grösseren Theile entstehen lassen auf Kosten einer Ansammlung dunkler ge- körnten Protoplasmas und habe dieses als Archoplasma bezeichet. Ich möchte also nun auch für die Spermatiden die beschriebene ge- körnte Protoplasmaanhäufung als Archoplasma gedeutet wissen. Nun habe ich (21) früher (Fig. 14) wenigstens für Helix und Proteus in dem Archoplasma der Spermatocyten eigenthümliche, eventuell tingirbare stäbehenförmige Elemente als Archoplasma- schleifen nachzuweisen vermocht und seither versucht, mich etwas näher über diese eigenthümlichen, technisch sehr schwer dar- stellbaren Gebilde zu informiren. Am leichtesten ist dies bei Helix pomatia möglich und hat sich hier gezeigt, dass eine stets bestimmte Anzahl soleher Archoplasmaschleifen durch eine schlie- rige, homogene Zwischensubstanz zu einem Ganzen vereinigt wird. Ferner ist, wie das schon Platner (22) gezeigt hat, leicht nachzuweisen, dass bei der Spermatoeytentheilung auch eine di- eentrische Anordnung dieser Archoplasmaschleifen gegen die sich bildenden Spindelpole zu stattfindet und hat sich endlich ergeben, dass während der Umbildung der Spermatiden in die Spermato- somen, wie oben schon erwähnt, die Archoplasmaschleifengruppen eine vollständig passive Rolle spielen. Für Proteus war es mir nun trotz mehrfacher Bemühungen nicht möglich, mir geeignetes Un- tersuchungsmaterial zu verschaffen, dagegen war ich so glücklich, 398 F. Hermann! auch bei Salamandra in den Spermatocyten die Archoplasma- schleifen nachzuweisen. Freilich gelingt dieser Nachweis hier technisch nur sehr schwierig und habe ich bis jetzt hierfür noch keine sichere Fixirungsmethode ausfindig machen können. In der letzten Zeit hat nun auch Meves (23) diese Archoplasma- schleifen bei Salamandra ‚in einigen Fällen“ beobachtet, und glaubt aus der Inconstanz ihres Vorkommens schliessen zu dürfen, dass es sieh dabei vielleicht um mehr zufällig vorkommende, rudimen- täre Bildungen handeln möge, indem er sich auf Ansichten von R. Hertwig (24) und M. Heidenhain (5) über die Deutung der Archoplasmaschleifen beruft. ‘Ganz abgesehen, dass ich mich vergeblich um Beweise umsehe für die Richtigkeit dieser An- siehten, möchte ich Meves gegenüber betonen, dass ich, eine richtige Fixirung vorausgesetzt, die Archoplasmaschleifen sowohl bei Proteus als auch bei Salamandra in jeder Spermatocyte beob- achten konnte, wobei ich freilich Meves in dem Punkte Recht gebe, dass die Schleifen bei Salamandra entschieden unregel- mässiger angeordnet sind als wie bei Proteus. Ueber die Deu- tung derselben habe ich mir eine klare Anschauung allerdings auch nicht verschaffen können und kann nur aussagen, dass sie zur Karyo- kinese in einer nicht näher zu präcisirenden Beziehung stehen dürfen. Jedenfalls zeigt unsere Fig. 22, welehe die Prophase einer Sper- matocytentheilung von Salamandra darstellt, dass auch hier die Protoplasmaschleifen eine dieentrische Anordnung bei der Spindel- bildung erleiden, und wir werden so vermuthen und verlangen dürfen, dass auch jede Spermatide des Salamanders eine Gruppe von Archoplasmaschleifen birgt. Nach Prüfung dieser Sachlage dürfte es dann wohl nieht allzu kühn erscheinen, wenn ich in dem besehriebenen ovalären Körper der Spermatide eben jene Gruppe von Archoplasmaschleifen erblicke und werde ich in dieser Hypothese noch durch den Umstand unterstützt, dass dieser ovaläre Körper bei der Umwandlung der Spermatide in das Sper- matosom (ef. 1. e. Fig. 6) in gleicher Weise unthätig ist, wie sich dies für die Archoplasmaschleifen bei Helix sieher hat nach- weisen lassen. Kehren wir nun wieder zu dem Spindelchen unserer Fig. 21 zurück, so kann wohl darüber kein weiterer Zweifel mehr be- stehen, dass wir dasselbe als die unmittelbare Vorstufe der von mir beschriebenen Mittelstückanlage zu betrachten haben, indem Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. 299 das Centrosom den „ehromatoiden Körper“, das Zwischenkörper- chen den Ring der Mittelstückanlage bilden dürfte, eine Annahme, die ich auch im den Mittheilungen Benda’s vertreten finde. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass ich den „chromatoiden Körper“ der Mittelstückanlage oder die späteren Stadien des Mittelstücks selbst nicht etwa als ein „durch kolossales Wachs- thum“ vergrössertes Centrosom ansehe, sondern vielmehr der An- sicht bin, dass sich hier schon sehr bald um das Centrosom selbst eine Mantelhülle bildet, so dass es sich der weiteren Beobachtung völlig entzieht. Für das Auftreten einer solehen umhüllenden Mantelsubstanz spricht ja schon der Umstand, dass das sich bil- dende Mittelstück sehr bald eine energische Affinität zu Saffra- nin- bez. Gentianaviolett bekommt, worüber ich auf meine frühe- ren Mittheilungen verweisen kann. Ausserdem haben aber die Untersuchungen von Ballowitz an ausgereiften Spermatozoen zu zeigen vermocht, dass es durch länger dauernde Maceration direkt möglich ist, von dem Axentheil des Mittelstücks eine Mantelsubstanz abbröckeln zu lassen. Endlich lassen ja auch die oben bei Selachiern geschilderten Verhältnisse darauf schliessen, dass auch bei Salamandra das Mittelstück des Samenfadens aus dem Centrosom und einer dasselbe umhüllenden, gewisse Farb- stoffe aufnehmenden Mantelschichte bestehen dürfte. Ich habe oben bemerkt, dass mir meine früheren Unter- suchungen auf die Frage nach der Genese des Axenfadens des Spermatozoons keine bestimmte Antwort gegeben haben; ich hatte zwar die Vermuthung geäussert (pag. 85), dass „der Axen- faden aus dem färbbaren, in den’ Kern eindringenden Bestand- theil des Nebenkernes der Spermatiden auswächst“, ohne aber für diese Ansicht einen stringenten Beweis anführen zu können. Wie unsere Fig. 23 zeigt, haben mir auch in dieser. Beziehung meine neuen Untersuchungen einen klareren Einblick gewährt und für meine früher über die Genese des Schwanzfadens aufgestellte Vermuthung den erwünschten Beweis erbracht. Es bedarf die Fig. 23 eigentlich kaum näherer Beschreibung, zeigt sie doch klar und deutlich, dass der Axenfaden wirklich aus dem chro- matoiden Körper der Mittelstückanlage auswächst, zu einer Zeit, wo dieselbe zu dem Kerne noch gar nieht in Beziehungen ge- treten ist. Ich möchte diesem Befund einige Wichtigkeit um deswillen beilegen, als er in, wie ich denke, unzweideutiger 300 F. Hermann: Weise zu demonstriren vermag, dass d er Kern (v. Kölliker, Fürst ete) mit der Bildung des Axenfadens jedenfalls absolut nichts zu thun hat, sondern dass sich letzterer von vorneherein als extra- nucleäre Bildung im Protoplasma der Sperma- tideanlegt. Ueber den Modus nun, wie sich diese ursprünglich im Proto- plasma liegende Mittelstückanlage in Verbindung setzt mit dem sich allmählich zum Kopfe umbildenden Spermatidenkerne, haben mir meine jetzigen Untersuchungen nichts Neues ergeben und darf ich deswegen einfach auf die Fig. 3, 4, 5, 6 meiner früheren Arbeit verweisen. Dagegen möchte ich nicht versäumen, auf einen Irrthum hinzuweisen, in dem ich bei meinen früheren Untersuchungen befallen war. Ich habe dort die Ringbildung in Beziehung gebracht mit der Entstehung des Flossensaumes; eine solehe direete Beziehung existirt nicht, ich hatte mich in diesem Punkte getäuscht und hat Meves ganz Recht, wenn er (pag. 71) auf das Unrichtige meiner damaligen Angabe hinweist. Auch meine fortgesetzten Untersuchungen haben mir über die Entstehungsweise des Flossensaumes vollständig befriedigende Resultate nieht zu geben vermocht, trotzdem aber über die Ge- nese des Schwanzfadens und seiner Umhüllungen manches Neue gezeigt. Ich hatte, seinerzeit (l. ce. Fig. 10) gezeigt, dass zu einer gewissen Epoche der Ausreifung des Spermatosoms_ sich die Ringbildung sehräg zur Richtung des Samenfadenschwanzes einstellt und sich zugleich, sich krümmend, in die Länge zieht. Diese Beobachtung besteht vollkommen zu Recht und haben meine jetzigen Erfahrungen darzuthun vermocht, dass dieser in die Länge gezogene Ring allmählich, wenn ich diesen Vergleich ziehen darf, die Form eines stark gekrümmten Pessars annimmt, durch das der Axenfaden hindurchläuft. Die seitlichen Backen dieses pessarähnlichen Ringkörpers nähern sich nun einander bis zur Berührung, an dieser Berührungsstelle reisst im Weiteren die Verbindung und endlich ist die ursprünglich einfache Ringbil- dung in 2 Halbringe zerfallen. So möchte ich wenigstens die Bilder deuten, wie ich sie in unserer Fig. 29a bei schwächerer, in Fig. 24b bet starker Vergrösserung darzustellen versucht habe. Jedenfalls — darüber kann kein Zweifel bestehen — haben wir von einer gewissen Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. - 301 Epoche an zwei getrennte, den Axenfaden umzirkende, hinter- einander stehende Ringe vor uns. Die Lagebeziehungen dieser beiden Ringe sind dabei solche, dass der proximale seine gewohnte Lage an der hinteren Peri- pherie des mächtig herangewachsenen Mittelstückes innehält, während der distale (Fig. 25, 26) sich caudalwärts gegen die Zellgrenze des Spermatidenleibes zu vorschiebt und dort einstellt. Zugleich lässt sich wahrnehmen, wie sich zwischen den beiden von einander weichenden Ringen eine zarte Substanzmenge, aus- gesponnen hat und als zarte Scheide den Anfangstheil des Schwanzfadens umgibt. Dadurch, dass die beiden Ringe sich immer mehr von einander entfernen, wird natürlich diese Scheide stets grössere Strecken des Schwanzfadens umgeben müssen, zu- gleich aber wird auch der Protoplasmaleib der Spermatide bei den engen Beziehungen, in die die distale Ringbildung zu der Zell- grenze derselben getreten ist, immer mehr und mehrüber denSchwanz- faden hinübergeschoben. Es bekommt also dadurch der Schwanzfa- den noch eine weitere, rein protoplasmatische Scheide ;nur auf kurze Zeit Jedoch steckt er axial in derselben, schon bald nimmt er in der- selben, namentlich in seinen distalen Abschnitten eine rein rand- ständige Stellung ein, sodass die Protoplasmascheide lediglich als fester Saum sich in die Concavität des gebogen verlaufenden Schwanz fadens einlagert. Doch hat dieser Protoplasmasaum nicht etwa etwas mit dem bekannten Flossensaume des Salamanderspermato- soms zu thun, der letztere ist, wie Fig. 27 zeigt, in den distalen Abschnitten des Spermatosoms überhaupt noch gar nicht zur Ausbildung gelangt, dagegen lässt sich in dem proximalen Ab- schnitte schon der Randfaden des Flossensaumes auf eine ge- wisse Distanz nachweisen. Leider ist es mir auch bei wieder- holten Untersuchungen nicht geglückt, mir darüber Klarheit zu verschaffen, woher der Flossensaum mit seinem färbbaren Rand- faden entsteht; ich kann nur auf zwei Dinge aufmerksam machen, einmal darauf, dass sich dieser Flossensaum in seiner weiteren Ausbildung mehr dem convexen Rande des gebogen verlaufenden Samenfadens zu attachiren scheint, und zweitens darauf, dass bei der Entstehung des Randfadens der Flossenmembran sich der Schwanzfaden auffallend aus dem Centrum der proximal am Mittelstück gelegenen Ringbildung herausgedrängt hat. Dieser Umstand könnte vielleicht zu der Vermuthung führen, dass der Archiv f, mikrosk. Anat. Bd. 50 20 309 F. Hermanii: Flossensaum mit seinem Randfaden dadureh entsteht, dass die oben erwähnte, sieh zwischen den beiden auseinander weichenden Ringbildungen ausspannende Scheidenbildung excentrisch um den Axenfaden des Spermatosoms anordnet. Doch habe ich mir, wie gesagt, eine befriedigende Ansicht über die Art der Genese des Flossensaumes nicht zu bilden vermocht und möchte ich hier nur über den Axenfaden selbst noch einige kurze Bemerkungen anfügen. Fig. 24a zeigt, dass der Axenfaden des Schwanzes, noch bevor derselbe irgend welche Scheide bekommen hat, schon ein beträchtliches Längenwachsthum erreicht und dabei deutlich aus zwei durch ihre verschiedene Dicke von einander unterscheid- baren Abtheilungen besteht. Während nämlich der Axenfaden zum weitaus grössten Theil seiner Ausdehnung einen äusserst feinen Faden darstellt, ist derselbe in einer kurzen, dem Mittel- stücke benachbarten Partie auf das deutlichste- verdickt. Ich glaube nicht, dass diese Verdickung auf eine Mantelbildung zurückzuführen sei, sondern bin vielmehr der Meinung, dass es sich dabei um ein direetes Dickenwachsthum des ursprünglich feinen Axenfadens handeln möchte, das sich rasch auf immer weitere Partien des Axenfadens erstreckt, so dass bald nur mehr ein ganz kleiner Theil desselben in seiner ursprünglichen Fein- heit als Endstück erhalten bleibt (Fig. 25). Diese Bemerkungen waren schon niedergeschrieben, als ich durch Meves (25) eine vorläufige Mittheilung über: Structur und Histogenese der Samenfäden von Salamandra maculosa, er- hielt, aus der ich zu meiner Freude ersehe, dass seine und meine Beobachtungen wenigstens in manchen Punkten zu gemeinsamen Resultaten geführt haben, während freilich in anderen theils in den Beobachtungen selbst, theils in der Deutung derselben es an Meinungsverschiedenheiten nicht mangelt. Wohl in dem wichtig- sten Punkte sind wir einig, dass das Mittelstück des Salamander- spermatosoms als Abkömmling eines Centrosoms zu betrachten ist, doch möchte ich dabei Meves darauf hinweisen, dass ich sehon im Jahre 1892 in meinem Referate für Merkel-Bonnet’s Jahresberichte (pag. 227) diese Ansicht vertreten habe, die dann später in das von Meves eitirte Lehrbuch der Histologie des Menschen von Böhm und Davidoff hinübergenommen wurde. Ueber den Modus nun, nach dem das Mittelstück seine Entstehung Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. 303 aus dem Centrosom der Spermatide nimmt, stellen sieh so- gleich Differenzen zwischen den Angaben von Meves und den von mir vertretenen heraus. Meves lässt das eigentliche Mittel- stück und den Ring aus einem Centrosomen paar einer Teloki- nese der Spermatidentheilung entstammen, jedes der beiden Cen- trosomen nimmt also einen ganz grundverschiedenen Entwicke- lungsgang, indem das eine sich zum eigentlichen Mittelstück umformt, jenem Abschnitte des Samenfadens, der bei der Be- fruehtung nach den gleichlautenden Angaben der verschiedensten Autoren zum Centrum einer Protoplasmastrahlung im Inneren des Eies wird, während das andere eine mehr untergeordnete physio- logische Rolle für die Scheidenbildung um den wachsenden Axenfaden des Spermatosoms übernimmt. Ganz abgesehen davon, dass mir diese Divergenz im Ent- wieklungsgange ursprünglich doch vollständig gleichwerthiger Ge- bilde nicht wahrscheinlich erscheinen will, möchte ich auf meine Beobachtungen bei Sceyllium hinweisen, wo die einschlägigen Verhältnisse entschieden klarer zu Tage liegen wie bei Sala- mandra und die doch darauf schliessen lassen, dass wohl das Mittelstück, oder besser gesagt, das Endknöpfehen desselben dem Centrosom, die Ringbildung jedoch den Zwischenkörperchen der sich theilenden Spermatide entsprechen dürfte. Auffallend ist mir auch die Angabe von Meves, dass der zum Mittelstück prädestinirte Centralkörper sich „zu einem kurzen, dicken, leicht gekrümmten Stäbchen umgestaltet“, das sich später an die Kern- membran, sich abplattend, anlagert und in das Innere des Ker- nes einen Zapfen treibt, der rasch anschwillt. Ich kann wohl sagen, dass ich im Laufe der Jahre mehrere Tausend Mittel- stückanlagen unter den Augen gehabt habe, immer habe ich das eigentliche Mittelstück, mag dasselbe noch frei im Protoplasma, oder schon gerade eingedrungen im Kern der Spermatide gelegen haben, als Kügelehen von allerdings wechselnder Grösse, nie aber als ein gekrümmtes Stäbehen wahrnehmen können. Viel- leicht dürfte diese Differenz unserer Angaben auf die von Me- ves angewandte Heiden hain’sche Eisenhämatoxylinmethode zurückzuführen sein; so sehr ich selbst diese Methode für feinere cellularhistologische Studien stets höher schätzen lerne, so scheint mir doch gerade für die Zwecke spermatogenetischer Beobach- tungen ihre Benutzung nicht recht empfehlenswerth, da man, 304 F. Hermann: wenigstens nach meinen Eıfahrungen, bei der Extraetion des Farbstoffes vor täuschenden Bildern nicht sicher ist. Auch von der eigenthümlichen, bei der Wanderung der Centralkörper gegen das Zelleentrum auftretenden Einstülpung der Zellober- fläche, „die scheidenartig den Anfangstheil des ganzen Axen- fadens umhüllt“, erinnere ich mich nie etwas gesehen zu haben, denn die Fig. 4 meiner früheren Arbeit sowie die im Texte sich findende Erwähnung eines „Bündels econvergirender feinster Fäser- chen, das von dem violetten Ring zu dem rothen Körperchen ausgespannt ist“, darf nicht etwa in Rücksicht auf einen Einst], pungsprocess de Zelloberfläche gedeutet werden. In Bezug auf die Theilungserscheinungen, die sich an der Ringbildung abspielen, sowie über die Beziehungen dieser Theil- hälften zur Bildung einer protoplasmatischen Mantelschicht um den Axenfaden stimmen meine oben beschriebenen Beobachtungen mit Ausnahme mehr oder minder untergeordneter Dinge mit denen Meves’ überein. Fassen wir nun die Resultate der an den Spermatosomen von Seyllium und Salamandra gemachten Beobachtungen unter gemeinsamem Gesichtspunkte zusammen, so mag zunächst darauf hingewiesen werden, dass dieselben wohl einen definitiven Beweis dafür erbracht haben dürfen, dass das Mittelstück des Sperma- tozoons dem Centrosom der Spermatide seine Entstehung ver- dankt. Dabei ist es zunächst wohl gleichgültig, ob das Mittel- stück lediglich als ein enorm herangewachsenes Centrosom selbst zu betrachten sei, oder ob es eingebettet in eine bestimmte Mantelschicht das Centrosom in seiner ursprünglichen Grösse als Endknöpfehen in sich birgt, die Hauptsache ist jedenfalls doch die, dass das Centrosom des fertigen Samenfadens in dem Mittelstücke zu suchen sei. Genauer be- trachtet weisen uns freilich die Beobachtungen an dem Mittelstück von Seyllium darauf hin, dass das Centrosom in seiner ursprüng- lichen Form und Grösse als Endknöpfehen erhalten bleibt, und später erst in eine Mantelsubstanz eingebettet wird, die dann den unter dem Namen Mittelstück bezeichneten Abschnitt des Samen- fadens in seiner Gestalt feststellt. Die Ansicht nun, dass wirklich das Mittelstück das Centrosom des Samenfadens in sieh birgt, ist immer noch eine umstrittene, Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. 305 und gerade auch in neuester Zeit haben sich wieder gegnerische Ansichten geltend zu machen gesucht. Ich hoffe jedoch, dass diese bald durch vollgültige Beweise widerlegt werden dürften, Beweise, die nach zwei Richtungen hin zu suchen sind. Einmal wird die Beobachtung der spermatogenetischen Processe das Cen- trosom von der letzten Spermatocytentheilung zu verfolgen haben bis zu seiner eventuellen Umbildung in das Centrosom des Samen- fadens. In dieser Hinsicht habe ich mich in den obigen Mit- theilungen bemüht, aufs Neue einen Beweis für die Centrosom- natur des Mittelstückes zu erbringen und man möge mir nicht entgegenhalten, dass meine Beobachtungen eben nun für die beiden untersuchten Thierformen Geltung besitzen dürften, dass recht wohl bei anderen Species das Centrosom des Samenfadens sich an anderer Stelle befinden könne. Da handelt es sich um ganz prineipielle Dinge, die mit Ausnahme einiger weniger Thier- formen, z. B. Ascaris, für Vertebraten und Evertebraten in gleicher Weise gelten und habe ich schon früher den Versuch gemacht, unter Zugrundelegung der spermatogenetischen Forschungen die Constitution des reifen Samenfadens vom allgemeinen Standpunkte aus zu definiren. Dabei muss freilich zugegeben werden, dass die Vorgänge der Spermatogenese Processe von so complieirter und delieater Natur darstellen, dass z. B. schon Verschiedenheiten in der angewandten Technik genügen, das Gesehene einer ver- schiedenen Deutung zugänglich zu machen. Vollkommen ein- wandsfrei ist aber der zweite Beweis, die Verfolgung der Vor- gänge, die sich an dem bei der Befruchtung ins Ei eingedrungenen Spermatozoon abspielen; dasselbe führt ja in das Ei ein neues, sich um ein Centrosom schaarendes Strahlensystem ein und muss uns die Orientirung des Strahlungscentrums zum Kopf des Samen- fadens sofort zeigen, wo das Centrosom des Spermatozoons, ob vor oder hinter dem Kopfe, ob im Spitzenknopfe oder im Mittel- stücke, zu suchen ist. Im Lichte dieser Beweise fanden die Angaben von Field (26) über die Spermatogenese von Echinodermen rasch eine wohl definitive Widerlegung; während Field das Centrosom des Samen- fadens in dessen Spitzenknopf verlegt, vermochte eine Reihe anderer Autoren (27), welche sich in sehr genauen Untersuchungen mit den Befruchtungserscheinungen an Echinodermeneiern be- schäftigten, nachzuweisen, dass das Centrum der nach dem Ein- 306 Baerkemmramane dringen des Spermatozoons sich einstellenden Strahlenfigur im Mittelstück gelegen ist, dass also dieses das Centrosom in sich beherbergt. In gleichem Sinne entscheiden die Angaben einer Reihe von Autoren über.ihre Befunde an anderen Evertebraten- formen, so von Vejdowsky (28) bei Rynchelmis, Hen- king (29) bei Pterotrachea, Kostanecki (30) und Wierzejski bei Physa fontinalis ete., und auch für die Vertebraten verhält sich die Sache, soweit die Verhältnisse zur Zeit übersehbar sind, nicht anders. Direkt beweisen dies die schönen Untersuchungen von Fick (31) für den Axolotl, und auch die Befunde von van der Stricht (82) an Amphi- oxus und Sobotta (33) an der Maus dürfen in unserem Sinne verwerthet werden, wenn auch der direkte Beweis hier noch aussteht. Damit aber komme ich auf die Mittheilung von Niessing, der in einer Untersuchung über die Spermatogenese bei dem Meerschweinchen und der Maus wiederum in den Spitzen- knopf das Centrosom verlegt. Ich bin genöthigt, bei dieser Arbeit etwas länger zu verweilen, da ihr Autor sich in derselben direkt gegen Angaben ausspricht, die ich seinerzeit theilweise an dem- selben Material gemacht hatte. Zunächst muss ich für mehr wie bedenklich die Angaben halten, die Niessing (34) über die sich an der Spermatiden- sphäre abspielenden Veränderungen macht. Die färbbaren (Eisen- hämatoxylin)Mierosomen derselben verschmelzen miteinander und vereinigen sich so zu wenigen, grösseren Kügelchen; an diesem Process betheiligen sich auch die Centralkörperchen und so ent- steht allmählich ein grosses färbbares Korn (Mitosom), das, in einen glashellen Körper eingeschlossen, sich dem unverändert ge- bliebenen interfilaren Substanzrest der Sphäre anschmiegt. Diese Gebilde nun legen sich an den vorderen Kernpol an und gehen dort auf hier nicht näher zu bezeichnende Weise in Kopfkappe und Spitzenknopf über. Der glashelle Körper und das Mitosom Niessing’s sind mir nicht unbekannte Gebilde, ich habe sie oft genug bei der Maus beobachten können, allein ich möchte den glashellen Körper lediglich als eine Vacuole aufgefasst wissen, in der gleichen Weise, wie bei Seyllium als Ausdruck dessen, dass bei der Einleitung der Chromatinverdichtung im Sperma- tidenkerne Kernsaft in den umgebenden Zellleib ausgepresst wird. In dem „Mitosom“ (Niessing), dem Spitzenknopf der Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. 307 Autoren, sehe ich lediglich eine an der Austrittsstelle der Vacuole gelegene, eireumscripte Verdichtung der Kernmembran, welch’ letztere die allmähliche Kopfkappe des Spermatozoons aus sich hervorgehen lässt. Wenn sich Niessing zur Stütze seiner Beobachtungen auf Benda beruft, so kann man auch dies nicht gelten lassen, da in einer späteren Mittheilung Benda- selbst wieder abkommt von der früher geäusserten Ansicht, dass der Spitzenknopf einem Centrosom entspricht. So kann ich denn die „unzweideutige Beweisführung“ für diese letztere, An- sicht, von der Niessing spricht, durchaus nicht als solche anerkennen; Niessing kann auch nicht verlangen, den artificiell verzerrten Kernbildern, die er uns in seinen Fig. 14, 24, 25, 26 giebt, eine Beweiskraft zuzutrauen, und so können wir, dächte ich, nach wie vor an der Ansicht festhalten, dass das Centro- som in dem Mittelstück, nicht in dem Spitzen- knopfe der Spermatozoen zu suchen ist. Was nun die ‘Genese des Schwanzfadens betrifft, so glaube ich durch meine Untersuchungen nachgewiesen zu haben, dass dieselbe auf dem Boden der Mittelstückanlage sich abspielt und demgemäss als eine rein extranucleäre aufzufassen ist. Dieses Mittelstück aber konnte ohne weiteres von dem achromatischen Spindelapparat der letzten Spermatoeytentheilung abgeleitet werden; nach meinen Untersuchungen an Seyllium, so- wie nach den Erfahrungen von Benda und mir an Salamandra ist es die durch Quertheilung entstandene Hälfte der Central- spindel, die sich direkt zur Mittelstückanlage umwandelt. In gewissem Gegensatze hierzu befindet sich die Angabe von Meves, nach der das Mittelstück bei Salamandra aus den beiden Centrosomen und der dieselben verbindenden Centro- dermosenbrücke entsteht. Es ist vorderhand noch nicht abzu- sehen, welche dieser beiden Auffassung den thatsächlichen Ver- hältnissen entspricht, dies scheint mir aber nur eine Frage von secundärer Bedeutung zu sein. In der Hauptsache, nämlich in der Frage nach der Entstehungsweise des beweglichen Schwanz- fadens, dürften unsere Untersuchungen zu dem gemeinsamen Resultate geführt haben, dass es Centrosom und Central- spindeltheile sind, welche den Schwanzfaden aus sich hervorsprossen lassen. Und dieses Resultat scheint mir desshalb nicht ohne allgemeines Interesse zu sein, 308 F. Hermann: als es vielleicht für die Erkenntniss der in den Zellen sich ab- spielenden Bewegungserscheinungen verwerthet werden kann. Mag man sich nämlich im Einzelnen zu der Lehre von der Ent- stehung der karyokinetischen Spindel stellen, wie man will, so viel dürfte doch allgemein feststehen, dass erstens zwischen den auseinanderweichenden Centrosomen sich eine Substanzmenge aus- spannt, die sich in Fibrillenzüge differeneirend, eben dann die rasch an Grösse zunehmende Centralspindel darstellt und dass zweitens das Auseinanderweichen der Centrosomen es ist, was den ganzen cellulären Bewegungsvorgang, den wir eben unter dem Worte Karyokinese zusammenfassen, einzuleiten im Stande ist. Auf der anderen Seite wissen wir durch die schönen Untersuchungen von Ballowitz (35), dass die Bewegungen des Spermatozoen- schwanzes strenge gebunden sind an das Vorhandensein feinster Fibrillenzüge, die entweder den Ax&nfaden selbst, oder mehr oder weniger parallel zu demselben ziehende Nebenfäden zusammen- setzen. Unsere Untersuchungen haben nun nachzuweisen versucht, dass diese Fibrillen des Spermatozoenschwanzes auf demselben Boden ihre Entwicklung nehmen wie der Fibrillenapparat der achromatischen Spindel und zwar konnte bei Seyllium sicher, bei Salamandra mit Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass die Fibrillenzüge der Centralspindel nicht etwa direkt zu den Fibrillen des Schwanzfadens auswachsen, sondern dass die Central- spindel erst wieder unter bedeutender Volumverringerung auf ihr ursprüngliches Stadium homogener Beschaffenheit zurückgeführt wird und dass erst aus dieser homogenen Substanzmenge die Fibrillenzüge des Schwanzfadens wieder aufs Neue geprägt werden. Wenn nun diese, wenn ich so sagen darf, verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Fibrillenapparat der karyokinetischen Spindel und dem der Spermatozoengeissel zu Rechte bestehen, so können wir uns doch auch fragen, ob nicht die Stelle des Impulses für die in diesen beiden Fibrillenapparaten sich ab- spielenden Bewegungserscheinungen in dem homologen Gebilde zu suchen sein dürfte. Soweit ich nun durch eigene Unter- suchungen mir em Bild über das Wesen des karyokinetischen Processes zu verschaffen im Stande war, bin ich der Ansicht, dass es das Centrosom der Zelle ist, welches diesen cellulären Bewegungsvorgang einleitet und regelt. Für die Bewegungen des Samenfadens nun vermögen uns spätere Stadien der Selachier- Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. 309 spermatogenese in, wie ich denke, recht klarer Weise zu demon- striren, dass auch hierfür der Impuls von dem Centrosom des Spermatozoons, dem sogenannten Endknöpfchen aus erfolgt. Ich habe oben beschrieben, wie zu einer gewissen Epoche das Mittel- stück des Spermatozoons eine von dem Endknöpfchen nach links absteigende Schlängelung aufweist und wie sich dieser Bewegung sehr bald eine ebenfalls von der Stelle des Endknöpf- chens in umgekehrter Richtung nach links aufsteigende spiralige Drehung des chromatischen Theiles des Spermatozoen- kopfes anschliesst. Als der „todte Punkt“ dieser Drehbewegung, welche das reifende Spermatozoon ausführt, erweist sich deutlich genug das Centrosom, das Endknöpfehen, und wir können daraus doch wohl schliessen, dass eben von ihm aus der Impuls für diese Bewegungserscheinung des Samenfadens gegeben wird. Wenn es später ganz am Ende der Ausreifungsperiode gilt, die einzelnen Individuen eines Spermatozoenbüschels aus ihrer gegenseitigen Verklebung zu trennen, so ist es auch hier wieder das Mittel- stück beziehungsweise das in demselben befindliche Endknöpf- chen, von dem aus dieser Process erfolgt. So führen mich denn meine spermatogenetischen Untersuchungen immer mehr und mehr zu der schon früher an anderem Orte geäusserten Ansicht, in dem Centrosom ein gewisses „kinetisches Centrum“ zu sehen, immer mehr zu dem, was Heidenhain mit dem Namen einer „Theorie der materiellen Herrschaft der Centrosomen“ belegt hat. Heidenhain wehrt sich freilich sehr energisch gegen die Existenz einer solehen materiellen Herrschaft, allein ich glaube, wir können uns nach der ganzen Sachlage von einer solchen nicht freimachen, wenn wir auch über die Qualität der Kräfte, die dabei ihr Spiel treiben, noch völlig im Unklaren sind. Ohne mich damit in die manchmal nicht gerade erquickliche Polemik, die Heidenhain mit den Gegnern seiner Theorien führt, hineinmengen zu wollen, kann ich doch nicht verbergen, dass ich Heidenhain’s Theorie der cellulären Insertionspunkte folgend, mir die Zweitheilung des Centrosoms und das Aus- einanderrücken der Theilhälften nicht zu erklären vermag. Denn von Zellfäden (organischen Radien), deren Anspannung eine solche Dislocation der Centrosomenhälften begünstigen könnte, ist, wie dies mit Recht Boveri betont, schlechterdings nirgends etwas zu sehen. Da müssten wir eben doch die Centrosomen- 310 F. Hermann: theilung als einen von dem Centrosom aus erfolgenden Vorgang auffassen. Dasselbe gilt nun auch für unseren Fall, die Bewegung des ausreifenden Selachierspermatozoons. Die Contractilität der aus der Centralspindelfaserung ableitbaren Fibrillenzüge allein vermöchte das, was wir wahrnehmen konnten, nicht zu erklären, nie könnte, wenn das Endknöpfchen nur als Insertionspunkt für die Fibrillen fungirte, die Contraction der letzteren eine Drehbe- wegung des Kopfabschnittes in nach links aufsteigenden, des Mittelstückes in nach links absteigenden Spiraltouren veranlassen. Es muss also auch hier von dem Endknöpfehen aus eine ge- wisse Wirkung erfolgen, auch das Centrosom des Samenfadens muss eine gewisse „Herrschaft“ ausüben auf die Bewegungen des Spermatozoons. Ueber die Qualität der sich dabei auslösen- den Kraft sind wir freilich ganz im Unklaren; wenn wir eine solche aber trotzdem anzunehmen zu müssen glauben, so specu- liren wir damit, um einen Heidenhain’sehen Ausdruck zu ei- tiren, „keineswegs auf etwas, was sich nicht beweisen lässt“; das Wesen des Einflusses von Nerv auf Muskel ist uns ebenfalls un- bekannt, trotzdem wird es niemand einfallen, den Einfluss selbst bestreiten zu wollen. Auch in Bezug auf die Genese des Schwanzfadens habe ich auf die oben erwähnte Arbeit Niessing’s einzugehen, da dieser Autor meine früher an der Maus gemachten Angaben über die Beziehungen der Mittelstückanlage zum Schwanzfaden direkt als irrthümliche bezeichnet. Mit welchem Rechte vermag ich freilich nicht einzusehen, denn Niessing zeichnet doch selbst den ‚ehromatoiden Körper“ nach seiner Verbindung mit dem Kern als Endknöpfehen des Schwanzfadens mit aller nur wün- schenswerthen Deutlichkeit und erwähnt im Texte „an der Ur- sprungsstelle des Achsenfadens eine dunkel gefärbte Verdiekung“. Freilich fügt er bei, dass dieselbe „nicht abgrenzbar“ sei. Doch stimmt hier entschieden Text und Zeichnung nicht zu einander, indem das Endknöpfehen auf allen Figuren deutlich abgegrenzt wiedergegeben ist; selbst die von Niessing als besonders be- weisend eitirte Fig. 15 lässt wenigstens bei Lupenbetrachtung unter der Schattirung das Endknöpfchen von scharfen Contour- linien begrenzt erscheinen. Sind demnach die Niessing’schen Figuren als einigermaassen getreue Abbilder seiner Präparate zu betrachten, so würden diese gerade für meine Ansichten als be- Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. sl weisend angenommen werden können und würden entschieden gegen die Ansicht Niessing's, dass bei den Säugethieren der Achsenfaden aus dem Kern hervorgeht, sprechen. Noch habe ich zum Schluss einen Punkt ausführlicher zu behandeln. Während der Ausreifungsvorgänge konnten wir sowohl bei Scyllium, als bei Salamandra in dem Leibe der sieh umwandelnden Spermatide und zwar in der Umgebung der Mit- telstickanlage einen ziemlich scharf abgegrenzten Haufen eines gröber granulirten, tingiblen Protoplasmas wahrnehmen, der bei der Bildung des Spermatozoons nur ganz geringe oder vielleicht gar keine weitere Verwendung findet und dann allmählich totaler Auflösung anheimfällt. Bei Seyllium handelt es sich um eine einfache Protoplasmaanhäufung, die bis zu einem gewissen Sta- dium neben dem sich bildenden oder schon gebildeten Schwanz- faden wahrgenommen werden kann, ohne an dem Aufbaue des letzteren sich irgendwie zu betheiligen, sie wird allmählich voll- kommen unsichtbar, und es wäre dabei höchstens an die Mög- lichkeit zu denken, dass sich die Reste dieser Substanz vielleicht zu jenem „corps problematique‘“, der Autoren sammeln möchten, der sich neben jedem tiefen Spermatozoenbüschel vorfindet (Fig. 20). Doch stehen mir hierüber positive Erfahrungen nicht zu Gebote. Etwas complieirter dürften die Verhältnisse bei Salamandra liegen, insofern als hier die Protoplasmamasse in zwei deut- lich von einander unterscheidbare Areale zerfällt; ein ovalärer Körper von dichterer Consistenz findet sich, von einem hellen Hof umgeben, eingeschlossen in einer Anhäufung granulirter Zell- substanz. Diese letztere scheint nun, wenn sich von der Mittel- stückanlage aus der Schwanzfaden bildet, eine Verminderung zu erfahren, so dass man vielleicht an gewisse Beziehungen dieser Protoplasmamasse zu der Bildung der Mantelschichte des jungen Spermatozoenschwanzes denken könnte, der ovaläre Körper je- doch bleibt auf eine gewisse Zeit, wie ich dies schon früher an- gegeben habe, völlig intact in dem Spermatidenprotoplasma_lie- gen, um sich späterhin jeder weiteren Beobachtung zu entziehen. Es erinnert dies, wie oben schon erwähnt, an gewisse Verhält- nissse während der Spermatozoenreife von Helix und Arion; auch hier scheinen körnige Protoplasmamassen, sich dem Schwanz- faden anlegend, an dessen Bildung theilzunehmen, während ein eigenthümliches, dem achromatischen Fadenapparat der letzten 312 | F. Hermann: Spermatoeytentheilung angehöriges Gebilde völlig unthätig neben dem Schwanzfaden liegen bleibt und erst ganz spät, wenn das Spermatozoon seine definitive Reife erreicht hat, abgestossen wird. Ich habe oben bemerkt, dass dieses Gebilde aus einer bestimmten Anzahl der sog. Archoplasmaschleifen besteht und habe dasselbe unmittelbar mit dem ovalären Körper bei Sala- mandra in Parallele gestellt. Dieser Vergleich kann uns nun zeigen, unter welchem gemeinsamen Gesichtspunkt wir die ge- sammte Anhäufung eines granulirten, meist tingiblen Protoplasma im Leibe der Spermatiden und reifenden Spermatozoen aufzu- fassen haben: es sind Reste des achromatischen Spindelapparates der letzten Spermatoeytentheilung, Dinge, die für den Aufbau des Spermatosoms keine, oder mindestens nur seeundäre Bedeu- tung mehr besitzen. Wichtig war für diesen Aufbau die Fase- rung der Centralspindel, da ja aus ihr der Fibrillenapparat des Schwanzfadens geprägt werden musste; die Polstrahlung und die Mantelfaserung der karyokinetischen Spindel sind für die Thä- tigkeit des Spermatozoons bei dem Acte der Befruchtung werthlos geworden, sie sammeln sich deshalb, bereit zum Untergang, zu granulirten Massen im Leibe der Spermatide an. Wegen ihrer Beziehung zu der achromatischen Spindel habe ich sie oben mit dem Namen Archoplasma belegt; vielleicht dürfte es aber passen- der sein, auf sie den von verschiedenen Autoren schon gebrauchten Namen Mitosom anzuwenden, indem wir in diesem Begriff alle die Restbestandtheile der karyomitotischen Spindel zusammenfassen, welche, für den Aufbau des Spermatozoons überhaupt nicht oder höchstens in secundärer Weise Verwendung findend, sich neben der Mittelstückanlage im Leibe der Spermatide als körnige oder fädige Bildungen ansammeln. Erlangen, 7. März 1897. Literatur-Verzeichniss. 1. 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Zur Färbung wurden verschiedene Hämatoxylinmetalllacke mit oder ohne nachherige Kernfärbung mit Saffranin, oder aber eine Doppeltinction Saffranin-Gentiana verwendet. Sämmtliche Figuren sind mit der Camera lucida entworfen bei Benutzung von Seibert homog. Apochromat 2,0 1,5 oder Zeiss homog. Apochromat 2,0. Fig. 1—20. Seyllium eatulus. Vergr. 1360. Fig. 1—3. Telophasen der letzten Spermatocytentheilung. ıs Fig. 4—7. Spermatiden in verschiedener Ausbildung. ig. 8—17. Ausreifungserscheinungen der Spermatiden. in Spermato- somen. Fig. 18. Auflockerung der Mittelstücke eines Samenfadenbüschels. Fig. 19. Reifes Samenfadenbüschel aus dem Hoden. . 20. (Härtung in Benda’scher Lösung; Salpetersäure-Chromkali.) Samenfadenbüschel mit durch das Härtungsmittel veränderten Kopfspiessen. Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese. 315 Fig. 21—27. Salamandra maculosa. Fig. 21. Spermatide. Vergr. 1360. Fig. 22. Prophase einer Spermatocytentheilung mit dicentrisch sich ordnenden Archoplasmaschleifengruppen. Vergr. 1360. Fig. 23. Spermatide mit jungem Axenfaden. Vergr. 1360. Fig. 24a. Mittelstück und Schwanzfaden, beginnende Theilung des Ringes. Zeiss homog. Apochr. 1,3 2,0 Oc. 4. Vergr. 500. Fig. 24 b. Dasselbe bei stärkerer Vergrösserung. Zeiss homog. Apochr. Oe. 12. Vergr. 1500. Fig. 25 u. 26. Auseinanderrücken der beiden Ringe, Scheidenbildung um den Axenfaden. Vergr. 1360. Fig. 27. Bildung einer protoplasmatischen Mantelschichte, Randfaden des Flossensaumes. Vergr. 1360. Die periostale Ossifikation. Von Dr. @eorg Kapsammer, Assistent an der Lehrkanzel für allgemeine und experimentelle Patho- logie in Wien. Hierzu Tafel XVII. Der noch immer nicht vollkommen entschiedene Streit über „Metaplasie“ oder „Neoplasie“ bei der endochondralen Ossifika- tion hat die Aufmerksamkeit so sehr gefesselt, dass darüber die periostale Ossifikation schr stiefmütterlich behandelt wurde. Deshalb erachte ich es nicht für überflüssig, eine zusammen- hängende Darstellung über die periostale Ossifikation mit Erör- terung der, in Betracht kommenden Streitfragen zu geben, zumal ich glaube, auf einige neue Momente aufmerksam machen zu können. Die Fragen, welche im Folgenden behandelt werden sollen, sind: I. Das zeitliche Verhalten zwischen dem Auftreten der pe- riostalen und endochondralen Ossifikation. 316 Georg Kapsammer: II. Die Art und Weise der periostalen Ossifikation. III. Die Bedeutung der periostalen Ossifikation für das Wachsthum und die Zusammensetzung des ganzen Skelettes. I. Ich habe die Metacarpalknochen, ferner die zwei ersten Phalangen der fünf Finger eines 8 em langen menschlichen Embryo in Serienschnitten untersucht. Alle diese Röhrenknochen zeigen bereits periostale Ossifikation, noch keine endochondrale Össifikation, noch keine Markraumbildung. Mit Ausnahme des Endgliedes des Daumens sind ihre mittleren Theile etwas einge- schnürt. Diese eingeschnürten Stellen sind von periostal gebil- deten knöchernen Hohleylindern umgeben. Die Knorpelzellen sind in diesem mittleren Theile vergrössert, die Grundsubstanz stark redueirt. Wir sehen hier dieselben Merkmale, welche der Knor- pel später an der Grenze der Markraumbildung zeigt. Anders verhält sich das Endglied des Daumens. Die oben beschriebenen Verändernngen des Knorpels, sowie die junge periostale Knochenbildung betrifft hier das distale Ende des Knochens. Der Humerus wie die Ulna dieses Embryo hingegen zeigen bereits einen Markraum, der die zwei mittleren Viertel des Knochens einnimmt, ferner auch schon endochondrale Ossifikation. Diese Ossifikation beginnt aber nicht in den Kuppen der Ausschmelzungs- räume, sondern erst tiefer unten. Die periostale Ossifikation reicht aber auch bier weit über den Markraum nach oben und unten hinaus, bis zu dem Gebiete, wo die Knorpelzellen noch gar keine die Markraumbildung vorbereitende Veränderungen zeigen. Der periostal gebildete Knochen bildet auf dem Längsschnitte zwei Dreiecke, deren Basen dem Perioste und deren stumpfe Spitzen dem Markraume zugekehrt sind. Die Wirbel dieses Foetus würden ebenfalls untersucht, und zwar zeigten die seitlichen Theile der Bogen bereits schmale periostale Knochenstreifen, noch keine endochondrale Ossifikation, wohl aber den Beginn einer Markraumbildung. Ferner habe ich auch den kleinen Finger eines 14,5 cm langen menschlichen Embryo in einer Reihe von Schnitten unter- sucht. Die erste Phalange zeigte schon periostale Ossifikation, Markraumbildung und endochondrale Ossifikation. u Die periostale Össifikation. 317 An der zweiten Phalange dieses Fingers war nur auf einer Seite eine periostale Leiste zu sehen — der periostale Knochen- eylinder war also noch nicht geschlossen. Markraumbildung war noch keine vorhanden. In asymmetrischer Weise waren aber die dieser periostalen Leiste anliegenden Knorpelzellen bedeutend mehr vergrössert als alle übrigen in diesem Theile der Diaphyse liegenden Zellen. Auch bei Hundeembryonen habe ich ein Stadium der Ent- wiekelung gefunden, in dem die Femora, Tibiae und Fibulae sehon relativ mächtige periostale Knochenbildungen zeigten, wäh- rend nur in den beiden erstgenannten Knochen von der einen Seite der Beginn einer Markraumbildung, in den Wadenbeinen hingegen noch keine Spur davon zu sehen war. Die nächst grossen Röhrenknochen der unteren Extremität, die Metatarsi, zeigten auch noch keine periostale Ossifikation. Nirgends ist etwas von einer endochondralen Ossifikation zu sehen. Aehnliche Verhältnisse fand ich auch bei Kaninchenembryo- nen und neugeborenen Kaninchen. Sehr interessant gestalten sich die Verhältnisse bei der Knochenentwickelung der Vögel?). Die periostale Ossifikation beginnt beim Hühnchen an den grösseren Knochen am 7. bis 8. Tage, zu einer Zeit, wo der Schaft des späteren Knochens noch durchaus aus hyalinem Knorpel besteht. Am 12. Tage der Bebrütung fand ich periostale Ossifikation sehon in allen langen Röhrenknochen, auch in den Metatarsal- und Meta- phalangealknochen, aber noch keine Spur einer Markraumbildung. Am 14. Tag der Bebrütung fand ich nur im mittleren Drittel der 1) Nebenbei will ich hier erwähnen, dass sich für die Behandlung der embryonalen Hühnchenknochen, wie überhaupt aller embryonaler Knochen, welche noch wenig Kalksalze enthalten, das Flemming’sche Gemisch sehr empfiehlt. Es wird nämlich dadurch Fixation, Härtung und Entkalkung gleichzeitig bewirkt, ohne dass ein Vorgang durch den anderen leiden würde. Eine Vereinfachung des Verfahrens liegt auch darin, dass man in diesem Falle die Präparate nur einmal aus- zuwaschen und wieder nachzuhärten braucht, was bei anderer Fixation und Entkalkung meist: zweimal geschehen muss. Der einzige Nach- theil dabei ist der, dass nach etwas längerem Verweilen der Präparate in Flemming’schem Gemisch die Hämatoxylin-Eosinfärbung nicht mehr in so schönen Farben gelingt, wie beispielsweise nach Fixation in Alkohol allein oder in Sublimat-Pikrinsäure. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 21 318 Georg Kapsämmert: Femora den Beginn einer Markraumbildung. Am 15. Tage war schon in allen Röhrenknochen mit Ausnahme der Phalangen Markraum- bildung vorhanden. Die periostale Ossifikation hatte unterdessen bedeutend an Ausdehnung gewonnen. Aber auch am 18. Tage war noch keine Spur von endochondraler Knochenbildung zu- sehen. Bei einem von der Henne ausgebrüteten Hühnchen, also am 21. Tage fand ich in dem diesbezüglich untersuchten Femur wie in den Metatarsen und Phalangen der unteren Extremität auch noch keine endochondrale Ossifikation. Bei einem gleich ausgebrüteten viertägigen Hühnchen war endochondrale Össifikation erst in den längeren Röhrenknochen zu sehen, während bei einem 8—10 Tage alten Hühnchen die endochondrale Ossifikation auch in den kurzen Röhrenknochen, in den Phalangen schon ziemlich mächtig war. Während also beim Hühnchen die periostale Ossifikation am 7. Tag der Bebrütung beginnt, erscheint die Markraumbildung am 14. Tage und die endochondrale Ossifikation erst zwischen dem 2. und 4. Tage des extraovalen Lebens. Nebenbei will ich hier auch noch erwähnen, dass die endo- chondrale Ossifikation in den Hühnchenknochen nicht etwa an der Grenze des schwindenden Knorpels und der Markhöhle be- ginnt. Es treten vielmehr weit davon entfernt, mehr gegen die Gelenksenden hin, mitten im Knorpel kleine Markräume auf, an deren Peripherie die endochondrale Ossifikation einsetzt. In allen diesen Fällen besteht ein zeitliches Zusammentreffen zwischen dem Auftreten der periostalen Ossifikation und den Ver- änderungen des sich zur Markraumbildung und endochondralen Össifikation vorbereitenden Diaphysenknorpels. Die Knorpelzellen haben das Maximum ihrer Grösse erreicht, die Grundsubstanz ist auf geringe Spuren reducirt. Kassowitz (1) behauptet, dass überall da, wo die Knorpel- verkalkung die Oberfläche erreicht hat, die periostale Ossifikation beginnt, und zwar zu dem Zwecke, dass die typische Knochen- form erhalten bleibe. Der verkalkte Knorpel sei an seinem wei- teren expansiven Wachsthume gehindert, und so trete an die Stelle der endochondralen Expansion die periostale Apposition. Es ist übrigens nicht erwiesen, dass der jugendliche Dia- physenknorpel wirklich schon zu dieser Zeit verkalkt ist, ferner auch nicht erwiesen, dass die beginnende Kalkablagerung den Die periostale Össifikation. 319 Knorpel an seinem weiteren expansiven Wachsthume unbedingt hindert. Ich konstatire daher nur die Erscheinungen, ohne dafür eine Erklärung zu geben. Der Theorie von Kassowitz widersprechen auch die Angaben von Brachet (2), H. Müller Ö), Reichert und Katschenko (4), welche dahin lauten, dass bei Batrachiern, Vögein, Säugethieren und Menschen eine Knorpelverkalkung der periostalen Knochenbildung nicht vorangehe. Bezüglich des Men- schen sind übrigens H. Müller und Reichert entgegen- gesetzter Meinung. Was nun die Priorität der periostalen Ossifikation betrifft, so erklärt Strelzoff (5), dass bei 2—4 Tage alten Tauben die in der Entwicklung am weitesten vorgeschrittenen Röhren- knochen nur eine periostale Rinde haben, der Verknöcherungs- punkt aber noch gänzlich fehle. Ferner beschreibt Strelzoff (6) einen 6 mm langen Femur eines Schafembryo, bei dem wohl Markraumbildung, aber noch keine endochondrale Ossifikation besteht. Bei dem 12mm langen Femur eines Schafembryo nimmt aber die endochondrale Ossifikation schon ein grosses Terri- torium ein. Nach John Howship und Stieda (7) wird die erste Knochenmasse in den langen Knochen zwischen dem Knorpel und dem Perichondrium respektive dem Perioste als hohler Cy- linder gebildet. Dieser hohle Knocheneylinder entsteht nach John Howship durch eine absondernde Kraft der Arterien, nach Stieda aus einer neu entstandenen Schichte osteogenen Gewebes. Dass vor dem Beginne der endochondralen Ossifikation eine periostale Röhre besteht, beobachteten ferner Rathke (8) an Amphibien, H. Müller am Hühnchen und Polypterus, Duges, Brueh und Katschenko (4) an Fröschen, A. Müller an Knorpelfischen, und auch Loven (9) entscheidet sich für die Priorität des periostalen Knochens. Dieses Verhalten gilt jedoch nicht bloss für die Röhren- knochen. Ich habe an den Bogen der Wirbel eines menschlichen Foetus, wie auch an den Beekenknochen die periostale Ossifi- kation zu einer Zeit gefunden, wo noch keine endochondrale Ossi- fikation bestand. 320 Georg Kapsammer: Nach Strelzoff (6) wird der periostale Knochen der Sca- pula früher gebildet als der endochondrale. Aus den Mitthei- lungen von Katschenko (4) geht kervor, dass bei den Wirbel- körpern der Batrachier die periostale Ossifikation auch vor der endochondralen auftritt, zu einer Zeit, wo noch keine Markraum- bildung, ja überhaupt noch keine Gliederung der Wirbelsäule stattgefunden hat. Nach Toldt (10) beginnt die Ossifikation der Keilbeinmuscheln mit dem Auftreten einer periostal gebildeten Lamelle, der erst die endochondrale Ossifikation folgt. Aus diesen Beobachtungen geht hervor, dass die periostale Ossifikation nicht nur in den Röhrenknochen, sondern auch in den flachen Knochen vor der endochondralen auftritt. Ja sie er- scheint vielmehr zu einer Zeit, wo noch gar keine Markraum- bildung besteht. Eine Ausnahme bilden die Epiphysen und die Wirbelkörper, vielleicht nur der Säugethiere. In den Wirbelkörpern gewinnt jedoch bald die periostale Ossifikation die Oberhand, so dass die des Erwachsenen auch zum weitaus grössten Theile auf periosta- lem Wege gebildet sind. Anders verhält es sich mit den Epi- physen. Die Epiphysen des Erwachsenen bestehen zum weitaus grössten Theile aus endochondral gebildeten Knochen. Es be- ginnt aber die endochondrale Ossifikation in den Epiphysen erst sehr spät und auch in den Wirbelkörpern erst zu einer Zeit, wo andere Knochen schon eine periostale Knochenröhre besitzen. Wir können also im Allgemeinen und mit der genannten Aus- nahme auch im Speciellen sagen: Die periostale Ossifikation beginnt zu einer Zeit, zu der noch keine endochondrale Ossifikation, ja überhaupt noch keine Mark- raumbildung vorhanden ist. Die Zeit, welche das Auftreten beider Ossifikationen von einander trennt, ist eine verschieden grosse. Beim Hühnchen dauert es relativ lange, ungefähr 16 Tage, bei Säugethieren ist die Zeit eine kürzere. Obwohl nun diese Thatsache, zum mindesten bezüglich der Röhrenknochen grösstentheils anerkannt wird, obwohl sie auch in Lehrbüchern verzeichnet erscheint, hat man es doch bisher unterlassen, die letzten Consequenzen daraus zu ziehen. Man spricht nämlich noch immer auch da, wo es sich nicht um Die periostale Ossifikation. 321 Epiphysen und Wirbelkörper handelt, von dem Auftreten von Knochenkernen, was sich nur auf die endochondrale Ossifikation beziehen kann. Den thatsächlichen Verhältnissen entsprechend kann aber, wenn man den Zeitpunkt des ersten Erscheinens von Knochensubstanz in dem Skeletsysteme bezeichnen will, nur von dem Auftreten einer periostalen Lamelle oder eines periostalen Knocheneylinders die Rede sein. II. Ich gehe nun zur Besprechung des zweiten Punktes “über, nämlich der Art und Weise der periostalen Ossifikation. Die Hauptfragen, welche ich hier besprechen will, sind: A. Weleher Natur ist das Periostgewebe? B. Wie geht die periostale Ossifikation vor sich? C. Besteht der Ossifikationsprocess, der das Diekenwachsthum vermittelt, nur in einer Ossifikation des Periostgewebes? A. Das Periost des jungen Foetus repräsentirt sich zu der Zeit, wo die periostale Ossifikation beginnt, als ein zellenreiches Gewebe, dessen Grundsubstanz bald mehr fibrillär, bald mehr ho- mogen erscheint. Die Zellen sind spindelförmig oder oval. Das Periost des wachsenden Thieres zeigt eine äussere Schicht, welehe reich an faseriger Grundsubstanz ist, und eine innere an Zellen reiche. Die Zellen haben oft runde oder cu- bische Gestalt. Die Grundsubstanz der inneren Schichte ist sehr stark redueirt. Wenn man auch in der Beschreibung diese beiden Schichten sondert, so scheint es mir doch nicht statthaft, diese Trennung auf die Funktion auszudehnen, denn beim Foetus gehen beide Schiehten allmählich ineinander über; andererseits zeigt es sich, dass beim Erwachsenen nach entsprechenden Reizen in dem Perioste wieder eine Zellenvermehrung stattfindet, und so aus der einen Schichte wieder die beiden des jungen Periostes hervorgehen. Ueber die Gewebsart des Periostes bestehen seit langer Zeit zwei einander widersprechende Ansichten. Die eine geht dahin, dass es Knorpelgewebe, die andere dahin, dass es Binde- gewebe sei. Die Autoren, die das Periost als Knorpelgewebe betrachten, 322 Georg Kapsammer: oder doch annehmen, dass die periostale Ossifikation durch einen intereurrirenden Knorpel vor sich gehe, stützen sich einerseits auf die vorgefasste Meinung, dass jede Knochenzelle aus einer Knorpelzelle hervorgegangen sei, andererseits aber darauf, dass zwischen der pathologischen periostalen Verknöcherung (der Kallusbildung) und der physiologischen kein Unterschied be- stünde. So behauptete Miescher (1836), der Knochen sei nichts weiter als die letzte Entwicklungsstufe des Knorpels. Er ist wie Henle (1841) und Sehwann der Ansicht, dass die Knochen- körper aus den Knorpelkörperchen hervorgehen. Aehnlich spra- chen sich Bidder (11), Bruns (1841), Flourens (12), H. Meyer (13) und Lieberkühn (14) aus. Nach Billroth (15) geht die wuchernde Schichte des Periostes bei Kaninchen stets vor der Verknöcherung in Knorpel über. Robin erkennt das Periost als von echtem Knorpel ver- schieden und bezeichnet es als ‚„trame cartilagineuse“, knorpeliges Gewebe. Reichert (16) und Gerlach betrachten das verknöchernde Periost als ein Gewebe mit dem Charakter eines Faserknorpels. Was nun die periostale Ossifikation in pathologischen Fällen betrifft, so hat du Hamel (17) als der erste beobachtet, dass sich nach Frakturen der Kallus aus Knorpelgewebe ent- wickle. Im auffallender Uebereinstimmung damit beschreibt J. Hofmokl (1874) (18) den Kallus als einen knorpeligen, und. generalisirt ebenso wie du Hamel, dass die periostale Ossifi- kation auf dem Wege einer vorläufigen Knorpelbildung vor sich sehe. Auch H. Maas (19) bezeichnet den Kallus als einen Knorpelkallus. R. Volkmann (20) und Kölliker (21) geben an, dass nach Frakturen die Umbildung des Periostes in hyalinen gross- zelligen Knorpel beim Menschen selten (ausser vielleicht bei kleinen Kindern), constant hingegen bei Thieren vorkomme. Nach H. Meyer (22) geht bei der Racchitis die periostale Ossifikation auf dem Wege einer Knorpelbildung vor sich, wäh- rend nach Virchow (23) die periostalen Auflagerungsschichten bei Raechitis nur stellenweise wirklich knorpelig sind. Nach den Angaben von du Hamel (24) und — beinahe 140 Jahre später — von Kassowitz (1) entwickelt sich überall Die periostale Ossifikation. 323 dort, wo ein Druck auf einen Knochen wirkt, unter dem Perioste Knorpel. R. Buchholtz (25) beobachtete bei seinen Transplanta- tionsversuchen, dass die periostale Knochenbildung in der Regel vermittelst einer intereurrenten Knorpelbildung vor sich gehe. Nach Experimenten von H. Koller (26) bildet auch das Periost bindegewebig vorgebildeter Knochen bei Heilung von Frakturen Knorpel. Diesen Ansichten gegenüber wird von anderer Seite das Periost sowohl bei seiner physiologischen als auch bei seiner pathologischen Knoehenproduktion mehr oder weniger als Bindegewebe aufgefasst. Aus den Ausführungen Watson’s (27) geht hervor, dass das Vorhandensein eines eigentlichen Knorpels als Vorbedingung jeder Verknöcherung nicht nothwendig sei. ©. Gegenbaur (28) hält es für unstatthaft, eine Knorpelschichte in dem Perioste an- zunehmen, glaubt aber, dass es sich auch nicht um ein einfach verknöcherndes Bindegewebe handle, sondern vielmehr um eine ad hoc entstandene Bildung. Er kommt also sehr nahe der An- sieht Ollier’s (29), die auch H. Maas (19) vertritt, das Periost sei ein Gewebe sui generis, dessen innere von Ollier „eouche osteogene“, von Billroth (15) „eambium‘“ benannte Schieht das Knoehengewebe bilde. Sharpey und Kölliker sind der Ansicht, dass bei dem Diekenwachsthume der Schädel- und Röh- renknochen kein präformirter Knorpel vorhanden sei. Nach Strelzoff (30) ist die Periost- und Perichondriumverknöcherung eine „neoplastische, bindegewebige‘“ via der Markzellen als Ma- trix. Virchow (31) erklärt, dass die Heilung von Frakturen in der Regel in der Ossifikation des gewucherten periostalen Bindegewebes bestehe. Nach Busch (32) finden sich Knorpel- inseln bei kallöser Entzündung an erwachsenen Thieren und Menschen nur selten. Zum Schlusse muss ich noch den vermittelnden Ausspruch Virchow’s (23) anführen, der sagt: „Wenn der eine hier wirklichen Knorpel, der andere ein dem Knorpel analoges Gebilde (trame cartilagineuse), der dritte Bindegewebe, der vierte ein eigenthümliches Blastem sah, so ist der Unterschied nicht so gross, als er schien.“ Alle sahen ein Gewebe, das bald mehr dem Knorpel, bald mehr dem Bindege- webe glich. 324 Georg Kapsammer: Meine Ansicht geht nun dahin: Im Allgmeinen ist dasin Verknöcherung be- sriffene Periostgewebe nicht als Knorpelgewebe sondern vieleher alsein zellenreiches Bindege- webe anzusprechen. Was die Kallusbildungen betrifft, so waren die wenigen, die ich bisher bei Thieren gesehen habe, theils bindegewebig, theils knorpelig angelegt. Vielleicht zeigen junge Thiere unter gün- stigen Ernährungsbedingungen knorpelige, alte Thiere bindege- webige Kallusanlagen. Für diese Ansicht sprechen auch die Beobachtungen K us- min’s (33), dass nach Ischiadieusdurchschneidung die Zellen des Kallusgewebes viel grösser seien und dass das Gewebe zu einer Zeit schon den Charakter des Knorpels habe, wo die Kallus- bildung der nicht neurotomischen Seite noch einen bindegewebigen Character besitzt. B. Ich wende mich nunmehr zu der Frage, wie die Verknöche- rung des Periostgewebes vor sich geht. ‚Die erste periostale Leiste entsteht in ihrer Längenausdeh- nung scheinbar unabhängig von dem Einflusse der Gefässe. Sie tritt, wie schon erwähnt, als erste Knochenbildung an der Grenze des Knorpels und Perichondriums auf oder bildet vielmehr erst diese Grenze. An nicht entkalkten Schnitten erscheint die Grund- substanz weiss, an entkalkten, mit Hämatoxylin-Eosin behandel- ten erscheint die Intercellularsubstanz roth gefärbt. In Prä- paraten, welche länger in Formalin fixirt wurden und dann eventuell noch nach der Hämatoxylinfärbung mit Salzsäurealko- hol und Lithionearbonieum differenzirt werden, ist die Grundsub- stanz des noch nicht ossifieirten Periostgewebes ungefärbt. Stellen- weise, wo ein Uebergangstadium dieses Periosts in Knochen zu sehen ist, klingt die Eosinfärbung oder auch die intensivere Am- moniakearminfärbung des ossifieirten Gewebes allmählich in die Umgebung ab (Fig. 1 ce). Betrachten wir einmal eine Stelle, wo der Knochen eben im Werden begriffen ist, also z. B. den letzten Ausläufer einer periostalen Knochenleiste. Wir finden häufig das Ende der mit Eosin gefärbten Leiste durch Linien in Felder getheilt. Die ein- zelnen Felder haben die Grösse und Form von Zellen. Man sieht . Die periostale Ossifikation. 325 Felder (Zellen) mit ganz deutlichen, blaugefärbten Kernen, doch auch andere, deren Contouren und deren wenig oder gar nicht blaugefärbte Kerne etwas verschwommen sind. Man gewinnt hier den Eindruck, dass die Knochensubstanz durch Metaplasie dieses Gewebes entstehe. Kaum hat diese erste periostale Leiste etwas an Ausdehnung gewonnen, so erscheinen im Zusammenhang mit ihr in dem zellen- reichen Perioste schon die ersten bogenförmigen Ansätze als An- lagen zu den Haversi’schen Kanälen. Sowohl bei diesen embryonalen Bildungen, als auch bei halbgewachsenen Knochen finde ich trotz Serienschnitten relativ nur selten im Centrum eines in Bildung begriffenen Haversi’schen Kanales ein Gefässchen. Aber auch die Osteoblastenauskleidung finde ich nieht in der Hälfte der Fälle, obwohl ich eine grosse Anzahl von Knochen untersucht habe und obwohl es auch zwei- fellos war, dass an den beobachteten Stellen wirklich noch Knochenbildung stattfand. Wir sehen die Eosinfärbung von diesen Balkenansätzen all- mählich in der Fortsetzung des Balkens in das periostale Binde- gewebe abklingen. Wir schen in der gleichen Ebene mit dem jungen Spongiosabalken in diesen ein zellenreiches Gewebe mit fibrillärer oder mehr homogener Grundsubstanz einstrahlen. Das Gewebe zwischen den jungen Balken (Fig. 1d) hat theilweise seinen Charakter noch nieht geändert. Es findet also in dem zellenreichen periostalen Gewebe eine Differenzirung statt. Ein Theil desselben bildet sich in Knochen- substanz um, ein anderer, der zwischen dem von dem ersteren ge- bildeten Balkenwerke liegen bleibt, bildet sich etwas später in Markgewebe um: Also Metaplasie eines zellenreichen Bindegwebesin Knochengewebe und Markgewebe. Ich bespreche nun noch einige Details bei der periostalen Ossifikation. Billroth (15), H. Maas (19) und Kassowitz (l) geben an, die Knochenbildung sei abhängig von einer vorher- gehenden Gefässbildung, welche für die Anordnung der sich bil- denden Knochenbälkehen das Bestimmende sei. Virchow (23) und Schöney (34) erwähnen dagegen, dass es auch Markräume gebe, die keine Blutgefässe enthalten. Wie schon oben mitge- theilt, kann auch ich den Ausführungen von Billroth, Maas 326 Georg Kapsammer: und vor allen denen von Kassowitz nicht vollkommen bei- pflichten. Kassowitz (1) beschreibt nämlich, dass der Haversi’sche Kanal stets so angelegt werde, dass zwischen zwei Gefässen, gleichweit der Saftströmung beider entrückt, ein Faserbündel ent- stehe, das eben den Grundstock des jungen Bälkchens bilde. Früher hat schon Landois (35) behauptet, dass die Shar- pey schen Fasern im Perioste die Areolen präformiren; ferner hat Gegenbaur (28) mitgetheilt, man sähe bei der periostalen Verknöcherung von der jungen Knochensubstanz in das Binde- gewebe ausstrahlende blasse oder etwas glänzende Faserzüge, die durehbohrenden Fasern Sharpey’s. Während v. Ebner (36) die Sharpey’schen Fasern als einen untergeordneten und in- eonstanten Bestandtheil des Knochens auffasst, bilden sie nach Köllieker (21, 57) einen integrirenden Bestandtheil des perio- stal gebildeten Knochens. A. Tafani (38) glaubt auf Grund von Untersuchungen an menschlichen Röhrenknochen, dass die perforirenden Fasern das Periost an Stellen, wo sich Muskeln an dasselbe anheften, verstärken. Nach meinen Beobachtungen dürfen die Sharpey’schen Fasern hauptsächlich da zu finden sein, wo Sehnen oder Liga- mente in den Knochen einstrahlen oder eingestrahlt haben. Was nun die Knochenbildung durch die sogenannten Osteo- blasten betrifft, so hat Gegenbaur (28) bekanntlich angenom- men, dass diese Zellen die Knochengrundsubstanz secerniren. Der gleichen Ansicht ist Landois (39). Waldeyer (40) be- hauptet, dass die Osteoblastenzelle als Ganzes zu Knochengrund- substanz werde. Nach Strelzoff (30) sklerosiren die Osteoblasten theils in toto, theils nur in der Peripherie. Stieda (7) ist der Ansicht, dass die Peripherie jeder einzelnen Osteoblastenzelle sklerosirt, während der Kern mit dem unveränderten Reste des Protoplas- mas weich bleibt. Nach dieser Theorie wäre wohl schwer die Thatsache zu erklären, dass die Knochenzellen im erwachsenen Knochen eine Entfernung haben, die dem Durchmesser von 3—d Knochenzellen gleichkommt, ausser man nimmt seine Zu- flucht zum expansiven Knochenwachsthume J. Wolff’s und Strelzoff'’s. F. Busch (41) behauptet, dass die Osteoblasten, die sich Die periostale Ossifikation. 327 in den Knochen des Greises finden, in unmittelbarer Reihenfolge von dem im Embryo sich differenzirenden Osteoblasten abstammen und glaubt, dass auch für die pathologische Knochenbildung wie für die normale die Osteoblastentheorie die allein richtige sei. Nach Katschenko (4) besteht bei den Batrachiern die periostale Össifikation Anfangs in einer Metaplasie des Gewebes, später ist sie eine neoplastische durch Osteoblasten vermittelte. Ich wiederhole hier, dass ich bei meinen ziemlich ausge- dehnten Untersuchungen sehr häufig an Stellen, wo zweifellos eine Knochenanbildung stattfand, keine Spur von Zellen gesehen habe, die irgendwie als Osteoblasten im Sinne Gegenbaur'’s und Waldeyer’s zu deuten gewesen wären. Die bei der periostalen Ossifikation vorkommende Meta- plasie von Bindegewebe in Knochen wird übrigens auch von H. Müller, Gegenbaur und Waldeyer zugestanden, geradeso wie auch H. Müller eine direkte Metaplasie von Knorpel in Knochen zugiebt. Gegenbaur (28) hebt am Schlusse seiner Arbeit noch- mals hervor, dass er in keiner Weise die unmittelbare Verknöche- rung von Knorpel oder von Bindegewebe bezweifeln möchte. Im Uebrigen ist aber Gegenbaur wie nach ihm Stieda (7) und Busch (42) der Ansicht, dass die periostale Ossifikation auch durch Osteoblasten vor sich gehe, welche in ununterbrochener Reihe die ganze Oberfläche des Knochens bis in die kleinsten Haversi’schen Kanäle hinein bekleiden. Wohl sah Gegen- baur auch an verschiedenen Stellen, so z. B.e am mensch- lichen Femur das Bindegewebe unmittelbar an Knochenbälkchen heranziehen. Beide Gewebsarten seien jedoch durch eine Reihe von spindelförmigen Zellen von einander getrennt. Hier wären die letzten Osteoblasten in Bindegewebszellen übergegangen und hätten so ihre knochenbildende Eigenschaft verloren. An diesen Stellen finde keine Anbildung von Knochengewebe mehr statt. Dagegen habe ich zu bemerken, dass ich auch häufig das periostale Bindegewebe unmittelbar bis an das Knochenbälkchen heranziehen sah. Oft zog das Bindegewebe in das eben ent- stehende Knochenbälkchen hinein. Wo die beiden Gewebsarten aneinander grenzten, waren sie an den einen Stellen scharf von einander geschieden, an anderen ging aber die stärkere Eosinfär- bung oder die Carminfärbung allmählich in das Nachbargewebe 328 Georg Kapsammer: über (Fig. 1). Es kann also, glaube ich, kein Zweifel darüber bestehen, dass es sich hier um eine diffuse Verknöcherung des periostalen Bindegewebes handelt. Man kann wohl die Zellen, welche, sei es durch Abscheidung, sei es durch Sklerosirung in toto Knochensubstanz bilden, Osteoblasten benennen, ohne jedoch dem Vorurtheile Vorschub zu leisten, dass diese Zellen besonders zu diesen Funktionen prädestinirt seien ohne desshalb eine Klasse von Zellen als Knochenbildner aufzustellen, ohne zu be- haupten, dass nur diese Zellen den „echten exquisiten“ Knochen bilden können, wie dies Busch (42) thut. Busch geht darin soweit, dass er den stellenweise vorkommenden periostalen Knorpel, dessen Metaplasie in Knochen nicht zu leugnen ist, als von den Osteoblasten produeirte Zwischenstufe auffasst. Waldeyer (40) hält die zuerst vonJohannesMüller 1838 bei Chimaera und von Sharpey an den Schädelknochen beschriebene direkte Verknöcherung des Bindegewebes ohne Da- zwischenkunft einer Neubildung von Zellen für alle nicht knorpelig präformirten Knochen aufrecht. H.Müller endlich giebt auch zu, dass aus dem periostalen Bindegewebe eine direkte Bildung von echten Knochen durch Ossifieirung der Zwischensubstanz stattfinden könne. Wir sind nun zu dem Resultate gelangt, dass die'periostale: Ossifikation in ‚einer. Ditferen, zirung eines zellenreichen, Binde- Gewebesuın Knochen- und Markgewebe besteht und dassin den meisten Fällen eine Abhängigkeit dieser Metaplasie von der Verzweigung ‘der Gefässe oder von einemNetzeirgendwelcher Fasern oder von Osteoblasten dureh die anatomische Unter- suchungnichterwiesen werden kann. c. Weiter tritt die Frage an uns heran, ob der periostal ge- bildete Knochen ausschliesslich aus diesem Gewebe her- vorgeht, oder ob nicht auch andere Gewebsarten das Material für den von aussen durch Apposition gebildeten Knochen liefern. Da müssen wir zunächst an die diversen knorpeligen Pro- tuberanzen und Sehneninsertionen denken. Was die knorpeligen Protuberanzen betrifft, so hat Kasso- Die periostale Össifikation. 329 wıtz (1) die Verknöcherung und Verschiebung der 'Tuberositas radii genau beschrieben. Ich habe auch solche verknöchernde Vorsprünge gelegentlich untersucht. Hier wie auch an einem knorpeligen Kallus fand ich eine Verknöcherung, die von dem endochondralen Typus bedeutend abweicht. Ich sah bei Häma- toxylin-Eosinfärbung in dem Knorpel ein rothes Balkenwerk, das theils noch den Charakter des Knorpelgewebes, theils aber auch schon den des Knochengewebes trug. Das Gewebe in den Maschenräumen dieses Balkenwerkes trug theils noch die Merkmale des Knorpels, theils war es ein faseriges Gewebe mit Spindelzellen und hatte schon mehr den Charakter des Mark- gewebes. Es dürfte sich hier um einen ähnlichen Process handeln, wie ihın Buchholtz (25) bei seinen Transplantationsversuchen und Lieberkühn (435) bei der Verknöcherung der Stirnhöcker von Rehkälbern und Geweihen beobachtet haben. Weiter müssen wir hier auch die Sehnenverknöcherung be- sprechen. Während Lessing (44) von einer blossen Verkalkung, als von einem chemischen Vorgange in einem morphologisch ganz unveränderten Gewebe spricht, handelt es sich nach Lieber- kühn (45, 46) um wirkliche Knochenbildung. Nach Lieber- kühn (45) entstehen dabei die Knochenkörperchen nicht aus den sternförmigen Bindegewebskörperchen, sondern vielmehr aus den Zellen eines neu auftretenden knorpeligen Gewebes. Nach Landois (39, 47) findet im Anfange der Sehnenverknöcherung ein Uebergang der Bindegewebskörperehen in Knochenkörperchen statt. Der grösste Theil des Sehnengewebes werde bei der Ver- knöcherung durch ein neues Gewebe ersetzt. H. Müller deutete die Bilder bei der Sehnenverknöcherung in seiner Weise. Es finde die Bildung von gefässhaltigen Räumen statt, welche mit einer weichen Substanz gefüllt sind, von deren Rand die Bildung von echtem lamellösen Knochengewebe ausgehe, während die ver- kalkte Sehnensubstanz zerstört werde, ebenso wie die verkalkte Knorpelsubstanz bei der endochondralen Ossifikation. Die gleiche Anschauung vertreten Renaut und Ranvier. A. Baur (48) und Henle (49) fassen das verknöcherte Bindegewebe und die echte Knochensubstanz als ganz verschie- dene Dinge auf. v. Ebner (36) betrachtet die verknöcherte Sehne als einen 330 Georg Kapsammei: Typus eigener Art, bestehend theils aus dem bei Vögeln ge- wöhnlichen parallelfaserigen Knochengewebe, theils aus einem eigenthümlichen „sehnenartigen Knochengewebe“. „Beide Ge- websformen gehen continuirlich in einander über, stehen aber ebensowenig mit einander in genetischer Beziehung, als verschie- dene Typen des Knochengewebes an anderen Orten“. Strelzoff (30) beobachtete an Vogelsehnen eine metaplastische Ossifikation von Bindegewebe. Ich habe vielfach Gelegenheit gehabt, die Sehnenver- knöcherung an der Protuberantia tibiae des Kaninchens zu ver- folgen. Es strahlt an dieser Stelle Sehnengewebe direkt in die Protuberantia tibiae ein. In dem der Diaphyse unmittelbar an- liegenden Theile wird dieses Sehnengewebe nun in den Bereich der Ossifikation gezogen. Die Zellreihen sind scheinbar vermehrt, die Grundsubstanz des Sehnengewebes scheint vermindert. Es treten den Ausschmelzungsräumen der endochondralen Ossifikation analoge Gebilde auf. In diesen Räumen hat die Grundsubstanz ihren Charakter geändert; sie nimmt die Eosinfärbung nur mehr schwach oder gar nicht an, sie hat ihre parallele Anordnung theilweise schon eingebüsst, die Zellen bekommen mehr spinde- lige und ovale Formen. Das Sehnengewebe hat sich dem Cha- rakter des embryonalen Markgewebes genähert. Die Septen da- zwischen zeigen alle Uebergänge von dem Sehnengewebe zu dem Knochengewebe. Diese Umwandlung findet jedoch nicht in allen Theilen der einstrahlenden Sehne gleichmässig statt. Es bleiben vielmehr in dem metaplastisch gebildetem Knochengewebe ver- einzelt kleine Inseln unveränderten Sehnengewebes bestehen. Diese Gebilde werden dann wohl auch als Sharpey’sche Fasern angesprochen. Es findet also eine Metaplasie des Sehnengewebes in Knochengewebe statt. Ich vertrete diese Behauptung allerdings im Gegensatze zu v. Ebner (36) und Pommer (50), welche annehmen, es handle sich dabei nur um eine örtliche nicht um eine genetische Auf- einanderfolge. Was haben nun diese knorpeligen Vorsprünge und sehnigen Einstrahlungen mit der periostalen Knochenrinde zu thun? Infolge des Diekenwachsthumes durch Apposition würden dieselben vollkommen in das Territorium des periostal gebildeten Die periostale Össifikation. 331 Knochens aufgenommen werden. Da aber gleichzeitig ein Längen- wachsthum an den Knochenenden stattfindet und trotz desselben diese Protuberancen und sehnigen Einstrahlungen ihre relative Lage zu den Knochenenden stets beibehalten, das heisst, die typische Knochenform stets erhalten bleibt, so findet an denselben gleichzeitig mit einer Anbildung an der einen Seite eine Ein- schmelzung auf der anderen Seite statt. Diese Vorgänge lassen sich thatsächlich durch die Beobachtung constatiren. Die Tube- rositas radii beispielsweise und die Tuberositas tibiae vollführen solche Wanderungen, die darin bestehen, dass unten Resorption des gebildeten Knochens stattfindet, während oben das Knorpel- oder Sehnengewebe an Ausdehnung zunimmt. Nur insofern als gleichzeitig auch eine Zunahme der Dieke durch Apposition stattfindet, gehen also ganz geringe Theile des aus dem Knorpel oder aus der Sehne durch Metaplasie gebildeten Knochengewebes in die periostale Knochenrinde über; und zwar solange die Mark- höhle sich noch durch Resorption erweitert, nur temporär, dauernd erst mit dem Abschlusse des Wachsthumes. Wir sehen also, dass die periostale Rinde Knochensubstanz enthält, die auf verschiedener Basis entstanden ist. Und wenn Nessbitt (1736) behauptet, man könne vernünftiger Weise nicht annehmen, dass die Natur in einem und demselben Körper und zu ebenderselben Zeit gleichartige Substanzen von verschiedenen Ursprüngen und auf verschiedene Arten hervorbringe, so lehrt uns die mikroskopische Untersuchung das Gegentheil. Der weitaus grösste Theil der periostalen Rinde wird von dem zellenreichen bindegewebigen Berzostevrgebürdetr Ein: zweiterientsteht auf der Basis desSehnengewebes, ein dritter auf der Basis des Knorpels. II. Nun wende ich mich zu der dritten, eingangs aufgeworfenen Frage: Welche Rolle spielt die periostale Ossifikation bei dem Aufbaue des ganzen Skelettes? Bevor ich mich der Beantwortung dieser Frage zuwende, muss ich die elementaren Vorgänge des Knochenwachsthumes ganz kurz besprechen, und zwar A) Apposition und Resorption oder Expansion, ferner B) die Frage der Lamellenbildung. 332 Georg Kapsammer: A) Du Hamel (51, 52) hat, wie Clopton Havers angenommen, dass der Knochen theils durch Apposition, theils durch Expansion wachse. Du Hamel vergleicht das Wachs- thum der Knochen mit dem der Bäume. Die junge, noch nicht erhärtete Spitze wächst durch interstitielles Wachsthum in die Länge. Da, wo einmal eine Erhärtung stattgefunden hat, giebt es nur noch ein Dieckenwachsthum durch Apposition. Gerade so wie von der Rinde der Bäume wird von dem Perioste eine erhär- tende Schichte um die andere herumgelegt. Hunter lehrte, das Längen- und Diekenwachsthum finde durch eine überall gleich- mässige Apposition statt. Die Erhaltung der typischen Knochen- form eıfordere daher neben einer inneren auch eine äussere mo- dellirende Resorption. Diese äussere modellirende Resorption wurde (1845) auch von Brull& und Hugueny entdeckt, weiter auch von Uffelmann und Kölliker (53) anerkannt. Loven hatte schon 8 Jahre vor Kölliker die Resorptionstheorie von denHowship’schen Lakunen und den vielkernigen Zellen aufgestellt. Strelzoff (30, 54, 55) hingegen leugnet die modellirende Resorption vollständig. Es gebe nur aplastische Stellen. Im Uebrigen wachse der Knochen durch Apposition, interstitielles Wachsthum mit fortwährender Umwälzung der inneren Architek- tur. Der gleichen Ansicht ist Katschenko (4), ein Schüler Strelzoff’s. J. Wolff (56, 57, 58) behauptet auf Grund der Arbeit H. Meyer’s (59) und auf Grund seiner eigenen Untersuchungen, dass alles Längen- und alles Diekenwachsthum der Knochen nur durch Intussusception vor sich gehe, dass dabei jedes Partikel- chen in genau proportionaler Weise an der Vergrösserung des Ganzen Antheil nehme, dass also keine inneren Architekturum- wälzungen existiren. J. Wolff (54) erklärt, dass die mikroskopische Forschung berufen sei, die Vorgänge des interstitiellen Wachsthums zu klären, und schliesst: „Aber man darf nicht vergessen, dass das End- ergebniss, dass nämlich alles Knochenwachsthum interstitiell geschehe, der mikroskopischen Untersuchung vorgeschrieben ist, dass dem Mikroskopiker nicht mehr die Frage nach dem Ja und Nein, sondern nur die nach dem Wie des interstitiellen Wachsthumes vorliegt und das jedes etwaige Ergebniss der mi- Die periostale Ossifikation. 333 kroskopischen Forschung für die Apposition gegen mathematische Wahrheiten verstossen würde.“ Vor J. Wolff und Strelzoff wurde die Ansicht von dem expansiven Knochenwachsthume schon von Todd und Bow- mann (1845) vertreten. Auch R. Volkmann (60) kam auf Grund von Untersuchungen pathologischer wie auch normaler Knochen zu dem Schlusse, dass ein nieht unwesentliches, internes, expansives Knochenwachsthum existire. C. Hüter (61) be- hauptete, dass das horizontale Wachsthum des Kieferbogens dur ch expansives Knochenwachsthum geschehe. Ruge (62) giebt auf Grund mikroskopischer Messungen an, dass das Knochenwachsthum durch eine Zunahme der Intercellu- larsubstanz bedingt sei. Ebenso erfolge die Altersatrophie der Knochen durch eine intercellulare Resorption. Die Knochenkör- perchen bleiben im Allgemeinen im extrauterinen Leben ohne mess- bare Veränderungen. Kölliker (53) ist der Meinung, dass ein geringes interstitielles Wachsthum bei der jugendlichen, noch nicht . erhärteten Knochensubstanz stattfnde. Auch Virchow (63) glaubt, dass bei der Entwickelung des Unterkiefers ein geringes Maass von interstitiellem Wachstlume vorkomme. Die Unmhaltbarkeit der Lehre vom interstitiellen Knochen- wachsthume im Sinne von J. Wolff und Strelzoff wurde von Stieda (7), Wegner (65, 66), Steudener (64), Schulin und Schwalbe in überzeugender Weise nachgewiesen. Auch Busch (67) fand gegenüber von v. Gudden, Egger (68) und J. Wolff (69) kein Auseinanderrücken der Marken, also kein interstitielles Wachsthum. Im Allgemeinen kann nach meiner Meinung wohl kein Zweifel mehr darüber bestehen, dass der Knochen als solcher durch Apposition wächst und dass mit Hülfe der Resorption die Erhaltung der typischen Knochenform bedingt ist. Dafür wurde eine Reihe unanfechtbarer Beweise erbracht. Eine andere Frage ist die, wann das interstitielle Wachsthum des sich zu Knochen umbildenden Gewebes aufhört, ob bei dem Beginne der Verkalkung das interstitielle Wachsthum schon gehemmt ist, oder ob dies erst bei dem vollkommen ausgebildeten Knochengewebe der Fall ist. Diesbezüglich ist es schwer, eine bestimmte Grenze zu ziehen. Nach meinen Beobachtungen scheint mir im Anfange der Umbildung eines Gewebes in Knochen, ob- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 22 334 Georg Kapsammer: wohl schon eine Kalkablagerung existirt, noch ein interstitielles Wachsthum stattzufinden. Dies kann man daraus schliessen, dass z. B. bei der periostalen Ossifikation dort, wo dieselbe die ersten Anfänge bereits überschritten hat, die Grundsubstanz zwischen den Zellen vermehrt erscheint, ohne dass man irgendwelchen An- haltspunkt dafür hat, dass schon Zellen als Ganzes in Grundsub- stanz übergegangen wären. Was nun die Knochenresorption betrifft, so herr- schen diesbezüglich auch wieder ganz verschiedene Ansichten. Von der einen Seite wird behauptet, dass sich der Knochen bei der Resorption vollkommen passiv verhalte, dass die Osteo- klasten denselben auflösen. Die kräftigste Stütze boten dieser Ansicht die Versuche mit Elfenbeinstiften und todten Knochen- stücken, welche von Flourens (12) und später von Billroth (70) ausgeführt wurden. Sie zeigten, dass diese Knochenstücke von der Resorption angegriffen werden und die typischen Lakunen tragen. Daran reihte sich die Theorie der aktiven Thätigkeit der Osteoklasten, welche von Loven und Kölliker (53) be- gründet, von Wegner (65), Busch (Tl), Billroth und Pommer (50, 72) bestätigt und weiter ausgeführt wurde. Was nun die Form der Resorptionsflächen betrifft, so unterscheidet Busch (32) zwei Arten: 1. eine lakunäre Re- sorption nach Kölliker und Volkmann, 2. eine glatte Re- sorption, bestehend in einer entzündlichen Erweiterung der Ha- versi’schen Kanäle. Das Vorhandensein dieser glatten Resorp- tion Busch’s wird übrigens vonMatschinsky (75) bestritten. E. Ziegler (74) beobachtete Lakunen mit Osteoklasten, Lakunen ohne Osteoklasten und eine lakunäre Resorption, die sich bloss auf die Kalksalze beschränkt. Pommer (50) unterscheidet ausser den glatten Resorptionsflächen noch drei Arten, deren Ränder aufgefasert, mit Wimpern besäet oder doppeleontourirt sind. Eine Streitfrage geht auch dahin, ob bei der Resorption die Kalksalze gleichzeitig mit dem Knochengewebe schwinden, oder ob dem Schwunde desselben eine Lösung der Kalksalze vorangeht. Letzteres wurde vonRokitansky (75), Heitz- mann(76), Ribbert (77) und, wie schon erwähnt, auch von Ziegler (74) behauptet. Kassowitz (78) und Pommer (50) bestreiten die Existenz dieses Vorganges sowohl bei der physio- logischen, als auch bei der pathologischen Knochenresorption, Die periostale Ossifikation. 335 Den Behauptungen, dass bei der Knochenresorption die Osteoklasten als Zellen sui generis das Knochengewebe auf- lösen, dass dieses sich also dabei passiv verhalte, stehen andere entgegen, welche dafür sprechen, dass das Knochengewebe, vor allem die Knochenzellen bei der Resorption eine aktive Rolle spielen. Vor allem hat Virchow (79, 31) die Ansicht ausge- sprochen, dass sich die Knochenzellen bei der lacunären Resorp- tion aktiv betheiligen, als ob die Lakunen den sogenannten Zell- territorien entsprechen würden. Ohne einen Zusammenhang mit der Lakunenbildung zu behaupten, haben die Schüler Stricker’s, Cececherelli (80), Rustizky (81), Lang (82), Heitz- mann undHofmokl (18) bei Auflösung von Knochensubstanz in pathologischen Fällen Veränderungen der Zellen beschrieben, die sich in einer Grössenzunahme documentiren. Wie Stricker (83) ist auch Viseonti (84) der Ansicht, dass sich bei Auf- lösung der Knochen auch Zellen aus Knochengrundsubstanz bilden können. Wenn ich nun über meine Beobachtungen auf diesem Ge- biete berichten soll, muss ich hervorheben, dass ich da, wo es sich zweifellos um Knochenresorption handelte, keineswegs immer gleiche oder auch nur ähnliche Bilder gefunden habe. In sehr vielen Fällen fand ich jene oft beschriebenen, bogigen, ganz scharf, wie mit einem Meissel ausgehauenen Re- sorptionslinien, mit oder häufig auch ohne die sogenannten Osteo- klasten in den Lakunen. Die Präparate waren sehr sorgfältig fixirt und es ist die: Erklärung ausgeschlossen, dass die Osteo- klasten irgendwie herausgefallen wären. Die Knochengrundsub- stanz, wie die Knochenzellen zeigen in der nächsten Nähe keine Spuren von irgendwelcher Veränderung. Oft sah ich auch Knochenzellen, respektive Knochenzellhöhlen durch den scharfen Rand einer Lakune mitten entzwei geschnitten, das heisst den einen Theil in der Knochengrundsubstanz liegend, vollkommen unverändert erhalten, den anderen Theil, der in den Markraum zu liegen käme, fehlend. Es sind dies Bilder, die schon von Volkmann (85), v. Ebner (36), Kassowitz (1) und Pommer (50) gesehen wurden. An diesen Stellen ist wohl kein Anhaltspunkt für eine aktive Be- theiligung der Knochenzellen bei dem Resorptionsvorgange zu finden. 336 Georg Kapsammer: Ich habe aber auch Bilder gesehen, in denen es sich zweifel- los um Resorption handelte und welche an die in pathologischen Fällen beschriebenen erinnern. Ich betone, dass es sich bei den von mir gesehenen Bildern um normale Knochen, also um eine physiologische Knochenauflösung oder — dem Vorgange ent- sprechender gesagt — Umbildung von Knochengewebe handelt. In Figur II ist eine periostale Knochenparthie aus der Tibia einer sieben Tage alten Katze abgebildet. Wir sehen hier in den Knochenbalken beia im Vergleiche mit denen bei bdieKnochenzellen vermehrt und vergrössert, die Grundsubstanz vermindert. Der Bogen, welcher denHaversi schen Kanal bei c abschliesst, zeigt ebenso wie die benachbarten Bogenstümpfe (d) eine von dem übrigen Knochen- gewebe verschiedene Struktur. Er ist erstens unvollkommen, zweitens lichter gefärbt und drittens zeigt bei stärkerer Ver- grösserung die Grundsubstanz nicht mehr jenen homogenen Auf- bau wie das übrige junge Knochengewebe, sondern stellenweise bereits ein faseriges Gefüge. Nirgends in den Haversi’schen Kanälen sind Zellen zu sehen, die irgendwie als Osteoklasten zu deuten wären. Allerdings muss ich zugeben, dass es ähnliche Bilder giebt, von denen man nicht mit voller Sicherheit sagen kann, ob das betreffende Gewebe schon Knochen war oder erst Knochen wird, ob es sich um Knochenauflösung oder Knochenbildung handelt. In dem vorliegenden Falle spricht aber die Vermehrung und Vergrösserung der Zellen für Knochenschwund. B) Noch will ich kurz die Frage der Lamellirung be- rühren, weil sie ja auch bei dem Aufbau des ganzen Skelettes durch Apposition und Resorption von Interesse ist. Bruns, Sharpey;, -Tomes,‘Bruch, .H. Müller 8) Gegez- baur (28), Waldeyer (40) und andere betrachten die lamel- löse Struktur als den Ausdruck eines schiehtweisen Wachsthumes, indem entweder die sogenannten Osteoblasten rhythmisch die Knochengrundsubstanz secerniren oder reihenweise in dieselbe übergehen sollen. Interessant ist, dass die Abbildungen 1 und 2, Tafel IX in H. Müller’s Arbeit selbst gegen diese Behauptung sprechen. Es handelt sich nämlich dabei, dem Autor gemäss, schon um ziemlich bedeutende Ablagerungen von Knochensubstanz in die Die periostale Ossifikation. 337 Knorpelhöhlen, ohne dass man darinnen eine Andeutung von Lamellirung sehen könnte. Bidder (11) ist der Ansicht, dass die Lamellirung nicht als ein Produkt eines schichtweisen Ansatzes aufzufassen sei. Aeby, Brandt, Lieberkühn (14) undKassowitz(]) halten die Lamellen für eine spätere Bildung. Lieberkühn erwähnt diesbezüglich, dass, wenn man nicht zugeben will, dass bei der periostalen Ossifikation und bei der Bildung der Schädel- knochen die Lamellen in dem bereits vorhandenen verirdeten Gewebe zum Vorscheine kommen, man überhaupt die Möglichkeit in Abrede stellen müsse, dass das periostale Gewebe und der Faserknorpel der Schädeldecken zu wahren Knochen werden könne. Ueberdies stellt es Lieberkühn als möglich hin, dass das verknöchernde Gewebe schichtenweise wüchse, ohne dass daraus ein lamellöser Bau resultire. Dass nun der lamellöse Aufbau der Knochen einer späteren Differenzirung entspricht, glaube ich, geht aus folgenden Grün- den hervor: 1. Finden wir bei in Entwicklung begriffenen Knochen nie- mals zwei junge Lamellen nebeneinander. Bei der endochon- dralen Ossifikation beispielsweise finden wir stets nur eine La- melle in Gestalt des bekannten Halbmondes, niemals sehen wir zwei derartige Gebilde hintereinander. 2. Ist der Knochen des Embryos wie des jungen Thieres überhaupt ohne jede Lamellirung. 3. Zeigen auch die neuen Knochenbildungen bei dem Er- wachsenen oder nahezu Erwachsenen keine Lamellenbildung. Aehnliche Argumente haben vielleicht auch schon Kölliker zu folgender Erklärung veranlasst. Kölliker (21) sagt näm- lich, dass beim Embryo vom Perioste aus nur grobfaseriger (nicht lamellöser) Knochen gebildet werde. Um die Zeit der Geburt beginne durch Vermittlung einer epithelähnlichen Osteoblasten- lage die Bildung von lamellösen Faserknochen, während der andere allmählich von der Markhöhle aus resorbirt wird. Schwalbe glaubt, dass dieser lamellöse Knochen erst vom sechsten Monate an von dem Markraume und vondenHaversi- schen Kanälen aus, ohne besondere Betheiligung des Periostes gebildet werde. Ich fand dagegen bei fast ausgewachsenen Säugethieren die 338 Georg Kapsammer: jungen periostalen Auflagerungen ohne jede Lamellirung. Nach den Angaben Kölliker’s war zu erwarten, dass man bei jungen Menschen oder Säugethieren an der Peripherie, wo die Osteoblastenthätigkeit bereits begonnen hat, lamellirte Knochen finde, während die inneren Schichten, die der Resorption ent- gegengehen und einer früheren Zeit ihre Entstehung verdanken, keine Lamellenbildung zeigen. Ich sah jedoch in mehreren Fällen das Gegentheil. Ich fand z. B. unter anderem bei nahezu aus- gewachsenen Kaninchen die inneren Schichten der Substantia compaeta eines langen Röhrenknochens schon lamellirt. Das Diekenwachsthum war aber offenbar noch nicht abgeschlossen. Es war noch periostale Knochenbildung vorhanden. Diese jungen Auflagerungen zeigen jedoch keine Spur von Lamellirung. Da- bei handelt es sich um jenen Typus der Verknöcherung, welchen ich bereits als Metaplasie eines zellenreichen Bindegewebes be- schrieben habe. Also keine Sharpey ’schen Fasern, keine elastischen Fasern, kein grobfaseriges oder geflechtartiges Junges Knochengewebe, von dem jemand behaupten könnte, dass es über- haupt ganz und gar von dem „echten“ oder „exquisiten“ lamel- lösen Knochengewebe zu unterscheiden sei. Matschinsky (73) beschreibt, dass an den periostalen Auflagerungen eines Neu- geborenen und eines viermonatlichen Kindes die Grundsubstanz der Haversi’schen Systeme keinen ausgesprochenen lamellösen Bau zeigt, sondern hauptsächlich aus einem Geflechte Sharpey- scher Fasern besteht. Die Untersuchung sämmtlicher Röhren- knochen eines achtzehnjährigen Mannes, sowie die Untersuchung des Humerus und des zweiten Metakarpalknochens eines sieben- jährigen Kindes zeigten ihm, dass die periostalen Auflagerungen hier ganz denselben Charakter tragen, wie in den Knochen eines Neugeborenen. "Auf Grund dieser Beobachtungen und Auseinandersetzungen muss ich sagen: Die Lamellirung des Knochenge- webes beruht aufeinerDifferenzirung, die nicht gleichzeitig mit derBildung desselben, sondern erst später vor sich geht. Nun komme ich zu der Hauptsache der sub III erwähnten Frage, nämlich der Bedeutung des periostal gebildeten Knochens für den Aufbau des ganzen Skelettes. Wie besprochen, tritt die periostale Ossifikation vor der en- Die periostale Ossifikation, 339 dochondralen auf. Bald bildet der periostal gebildete Knochen auf dem Längsschnitte zwei stumpfwinkelige Dreiecke, deren Grundlinie (m dem Schema Fig. 3 Aa, Bb) die frühere Grenze zwischen Knorpel und Perichondrium bildet, deren Spitzen (C) dem Markraume zugekehrt sind. Diesen zwei Dreiecken ent- sprechen zwei andere spitzwinkelige, deren Grundlinien (AB, ab) die Gelenklinien bilden. Die Spitzen der periostalen Dreiecke (ACa, BCb) sind meist etwas abgestutzt, die der endochon- dralen (ACB, aCb) gehen meist ineinander über, so dass also auf den Raum bezogen aus der Verbindung der beiden mit ‚ihren Spitzen einander zugekehrten Kegel eine Sanduhrform entsteht. Es sind dies Verhältnisse, wie sie schon H. Meyer (13), Kölliker (53), Strelzoff (30), H. Maas (19), Kassowitz (1), Katschenko (4) beschrie- ben haben. Die endochondralen Kegel haben keines- wegs immer gleiche Höhe. Erstens beginnt die endochondrale Ossifikation respektive die Mark- raumbildung nicht immer genau in der Mitte des knorpelig vorgebildeten Knochens. Zweitens hat schon Kassowitz (1) darauf aufmerksam gemacht, dass die verschiedene Höhe dieser endochon- dralen Kegel abhängig ist von der verschiedenen Wachsthumsmtensität der beiden Enden des Kno- chens. In diesem Punkte der Wachsthumsfrage der Knochen scheinen mir die Angaben von Kassowitz sehr zutreffend zu sein. Kas- sowitz weist nach, dass, sobald die periostale Verknöcherung begonnen hat, der ganze Verknöcherungs- respektive Wachs- thumsprocess nach einem gewissen Systeme vor sich geht, welches von einem gemeinsamen Mittelpunkte, dem sogenannten Wachs- thumscentrum beherrscht wird. Je nach der verschiedenen Wachs- thumsintensität, je nach der verschiedenen Höhe der endochon- dralen Kegel liegt dieses Wachsthumscentrum auch näher dem einen oder dem anderen Knochenende, selbstverständlich immer näher dem Ende, dessen Wachsthumsintensität die geringere ist. Also beim Menschen in der ersten und zweiten Phalange näher dem distalen Ende, in den Metakarpal- und Metatarsalknochen näher dem proximalen Ende, in dem Humerus näher dem unte- ren Ende, in dem Radius und der Ulna näher dem oberen, auch 340 Georg Kapsammer: im Femur näher dem oberen, in der Tibia und Fibula wieder näher dem unteren Ende. Kassowitz bespricht diesen Wachsthumsvorgang auf Grund seiner Untersuchungen an Röhrenknochen, Rippen, Wirbeln und Schädelknochen. Ich habe ausserdem noch die Scapula und die Beekenknochen untersucht und hier im Prineipe den gleichen Wachsthumsvorgang gefunden. Wie geht nun der weitere Wachsthumsprozess vor sich? Von der Markhöhle aus beginnt die Resorption und lässt zuerst die Spitzen der periostalen und endochondralen Kegel ver- schwinden. Da die endochondralen Kegel bedeutend höher sind und das Längenwachsthum viel rascher erfolgt als das Dicken- wachsthum, erscheinen die endochondralen Kegel bald sehr be- deutend abgestumpft. Die Resorption erfolgt keineswegs an allen Punkten der Peripherie des Markraumes gleichmässig, ebensowenig wie die periostale Apposition an allen Punkten der Peripherie gleichmässig vor sich geht. In der Knochenwachsthumsfrage geben uns die Knorpelreste einen willkommenen Anhaltspunkt, indem sie den endochondral- gebildeten Knochen charakterisiren. Es handelt sich nur darum, wie lange diese verkalkten Knorpelreste als solche persistiren. Nach allen meinen Beobachtungen bleiben dieselben gewöhn- lich solange, als der Knochen, der sie trägt, besteht. Ich sage gewöhnlich und will eben nicht leugnen, dass dieselben in den Epiphysen endlich doch in Knochengrundsubstanz übergehen. In den Diaphysen und in den platten Knochen verschwinden sie erst mit dem endochondral gebildeten Knochen. Dafür, dass die verkalkten Knorpelreste lange persistiren, spricht die Mittheilung Kölliker’s (21), dass er an den Dia- physen von Röhrenknochen eines sechzehnjährigen Menschen in ziemlicher Entfernung von dem knorpeligen Ende noch Reste von verkalkter Knorpelgrundsubstanz gefunden habe. Tomes und de Morgan berichten (1853), dass nur hie und da kleine Spuren verkalkter Knorpelgrundsubstanz in dem Knochensysteme der Erwachsenen vorkommen, dass aber diese Reste den endo- chondral gebildeten Knochen im Allgemeinen charakterisiren. Strelzoff (30, 6) und Hofmokl (18) geben an, dass das periostale und endochondrale Ossifikationsgebiet Anfangs ganz Die periostale Ossifikation. 341 scharf von einander getrennt sind, dass aber später diese Grenze dureh innige Verschmelzung beider verschwinde. Nach den An- gaben Katschenko’s existirt die von ihm so benannte peri- chondrale Grenzlinie in allen späteren Entwicklungsstadien fort. Ich beobachtete constant beihalbgewachsenen Kaninchen in der gegen die Mittellinie des Thieres gekehrten Seite der Tibia Reste von verkalkter Knorpelgrundsubstanz, also Reste von endochon- dral gebildetem Knochen. Dies ist dadurch bedingt, dass von Unregelmässigkeiten, die bier gewiss auch vorkommen, abgesehen, die Resorption wie die Apposition nicht gleichmässig, an der ganzen Peripherie con- centrisch, sondern manchesmal excentrisch vor sich gehen. Ein schönes Beispiel dafür geben die Figuren 4 und 5. Auf allen drei Querschnitten ist der endochondral gebildete Kno- chen von dem periostal gebildeten ganz scharf getrennt. Figur 4 stellt einen Querschnitt durch das mittlere Drittel des Femur einer siebentägigen Katze dar. Aus den wenigen Resten des eudochondral gebildeten Knochens (a, b, c, d, e, f) kann man sich noch ganz gut den Kreisumfang des jüngeren Diaphysenrohres construiren. Der von diesem unvollkommenen Ringe (a,b, c,d,e,f) endochondraler Knochenreste begrenzte, ältere, wie der über diesen Ring hinausgreifende Jüngere Markraum haben ungefähr die gleiche Achse. Die Resorption ist also ziemlich concentrisch vor sich gegangen. Die an verschiedenen Stellen des Querschnittes ver- schiedene Dieke des Diaphysenrohres lässt erkennen, dass die periostale Apposition in ungleichmässiger Weise stattfand. Anders verhält es sich bei den in Figur 5 abgebildeten Untersehenkelknochen derselben Katze. In beiden Fällen kann man sich aus den vorhandenen Resten des endochondral gebildeten Knochens (d, e, f einerseits, a, b, e andererseits) die früher voll- ständige Begrenzung noch ganz gut reconstruiren. Hier ist aber die nachträgliche Erweiterung des Markraumes nicht concentrisch mit dem ehemaligen Kreise endochondral gebildeten Knochens vor sich gegangen. In der Tibia ist die Achse der jüngeren Diaphyse gegenüber der Achse der älteren Diaphyse sehr stark nach vorne, bei der Fibula stark nach innen verschoben. Hier liegen die endochondral gebildeten Knochenreste gegen die Mark- höhle hin frei, nach aussen von periostal gebildetem Knochen überkleidet. 342 Georg Kapsammer: Es kommt aber auch vor, dass der endochondral gebildete Knochen mitten in der Compaecta der Diaphysenröhre eingeschlos- sen ist. Dies war regelmässig bei den früher erwähnten Kanin- chentibien der Fall. Der endochondral gebildete Knochen erscheint aussen und innen von einem Knochen umschlossen, der, abgesehen davon, dass er keine verkalkten Knorpelreste enthält, durch seinen ganzen Aufbau schon documentirt, dass er anderen Ur- sprunges ist. Der äussere ist periostal gebildeter, der innere zweifellos vom Markgewebe aus gebildeter Knochen. Eine Ossifikation des Markes wird allerdings von Ollier (29), Flourens (86) wenigstens in physiologischer Breite geleugnet, während das hier geschilderte Verhältniss uns das Vorhandensein einer solchen beweist. Strelzoff (6) bringt eine ähnliche Abbildung, behauptet aber, dass der „endochondrale Halbmond“ (in der Mitte der Dia- physen von den Metacarpalknochen eines Schafembryos) dem Umstande seine Entstehung verdanke, dass bei dem ersten Auf- treten des endochondralen Knochengewebes die Knochenbildung nicht genau an allen Punkten der betreffenden Querebene statt- finde. Je älter der Knochen sei, desto dieker sei der ‚„endochon- drale Halbmond.“ Dieser Annahme Strelzoff’s widerspricht meine Beobach- tung. Ich habe nämlich eine grössere Serie dieser Diaphysen- querschnitte untersucht und soweit diese der Länge der früheren embryonalen Anlage entspricht, an der ganzen Serie das gleiche in Figur 4 und 5 dargestellte Verhältniss gefunden. Es müsste also in dem embryonalen Knochen in der ganzen Ausdehnung die endochondrale Ossifikation nur einseitig vor sich gegangen sein, was aber den thatsächlichen Verhältnissen ganz und gar nicht entspricht. Wenn es also noch dessen bedurft hätte, so würden diese Bilder einen schönen Beweis dafür geben, dass 1. eine Re- sorption von der Markhöhle aus stattfindet, 2. dass dieselbe eine ungleichmässige ist und 3. dass dieser ungleichmässigen Resorp- tion eine ebensolche Apposition entspricht. Bei zwei bis drei Monate alten Kätzchen sind trotz der nicht concentrisch vor sich gegangenen Resorption im mittleren Drittel dieser Skeletttheile keine Spuren von endochondral gebildeten Knochen mehr vorhanden, und bei der ausgewachsenen Katze Die periostale Ossifikation. 343 lässt sich dies von den ganzen Röhrenknochen sagen. Nur die Epiphysen bilden diesbezüglich eine Ausnahme. Die Epiphysen des Erwachsenen sind zum weitaus grössten Theile auf endochon- dralem Wege gebildet. In allen Röhrenknochen werden sich in der Regel nur in unmittelbarer Nähe der Epiphysen Spuren von endo- chondral gebildetem Knochen finden. Aber auch von den Ge- sichtsknochen und von den platten Knochen gilt dasselbe. Der ganze Schädel des Embryos hat in der Highmor’s Höhle des Erwachsenen Platz. Achnliches gilt von den Beckenknochen und von der Scapula. Das ganze Wachsthum beruht auf periostaler Apposition an den Flächen und in den Fugen. Wo essich um Längenwachsthum handelt, findet man endo- chondrale Ossifikation. Man darf aber nicht glauben, dass die endochondrale Ossifikation etwa die Ursache des Längenwachs- thumes sei oder dieses allein ermögliche. Das Längenwachsthum wird hauptsächlich bedingt durch das interstitielle Wachsthum des Knorpels an den Enden der Diaphyse, solange noch keine Epiphyse existirt, und wenn diese existirt, durch das interstitielle Wachsthum der Knorpelfuge. Es ist denkbar, dass die endochon- drale Ossifikation nur der Widerstandsfähigkeit Vorschub leistet und zwar eben an den Knochenenden, wo die periostal gebildeten Leisten noch sehr schwach sind. Diese Knochenenden würden sich sonst bei der Belastung gegen den kräftigen Mitteltheil ab- biegen. Es dürfte sich also lediglich um ein Provisorium handeln. Untersuchungen, welche Kölliker (3) an Rindsembryonen, Kälbern und Rindern anstellte, ergaben, dass bei einem Humerus von 4,3 em nichts mehr von der periostalen Knochensubstanz des Humerus von 0,9em Länge da ist, und beim Humerus des Rindes nichts mehr von dem periostalen Knochen des Kalbes. Nichts mehr von dem periostal gebildeten Knochen, also, wie ich hinzu- fügen muss, um so weniger etwas von dem endochondral gebil- deten. Auch erwähnt Kölliker, dass in dem Femur eines dreijährigen Kindes fast nichts mehr von dem des Neugeborenen enthalten sei. Aus diesen Beobachtungen geht also hervor, dass das Skelett- system des Erwachsenen beinahe ausschliesslich auf periostaler, dasist bindegewebiger Basis aufgebaut ist. Wenn ich sage beinahe, so handelt es sich dabei um den Ausschluss der Epiphysen. Ausserdem dürften nur noch ganz 344 Georg Kapsammer: geringe Spuren von endochondral gebildetem Knochen in der Nähe der oberen und unteren Begrenzungsflächen der Wirbel und Dia- physen vorkommen, Spuren, welche aber nicht constant sind und eine ebenso geringe Rolle spielen wie die Bestandtheile der peri- ostalen Rinde, die durch Metaplasie von Sehneninsertionen oder knorpeligen Protuberanzen entstanden sind. Wenn ich sage, dass das Skelettsystem des Erwachsenen grösstentheils auf bindegewebiger Basis aufgebaut ist, so komme ich dem Wortlaute nach zu demselben Schlusse wie H. Müller (5), wohl auf ganz anderem Wege. Während nämlich H. Müller auf Grund seiner Deutung der endochondralen Ossifikation allein zu diesem Schlusse kommt, gelange ich zu eben demselben, ganz abgesehen von der Art der endochondralen Knochenbildung im Hinblicke auf die Bedeutung der periostalen Ossifikation bei dem Knochenwachsthum. Indem ich nun nochmals die Ausnahmen bei den Epiphysen und theilweise bei den Wirbelkörpern hervorhebe, fasse ich das Ergebniss in folgenden Sätzen zusammen: 1. Die periostale Ossifikation tritt vor der endochondralen auf. 2. Die periostale Ossifikation besteht.in der Metaplasie eines zellenreichen Bindegewebes. 3. Das Skelettsystem des Erwachsenen ist grösstentheils auf periostalem Wege gebildet. 4. Die endochondrale Ossifikation,hat zu- meist einen provisorischen Charakter. Literatur- Verzeichniss. 1. Kassowitz, Die normale Ossifikation. Medieinische Jahrb. 1879. Brachet, Etudes sur la resorption du cartilage et de developpe- ment des os longs chez les oiseaux. Internationale Monatsschrift für Anatomie und Physiologie. Bd. X. Referat: Jahresberichte von Virchow XXVII. 3. H. Müller, Ueber die Entwicklung der Knochensubstanz, nebst Bemerkungen über den Bau raecchitischer Knochen. Zeitschrift f, wissenschaftliche Zoologie. Bd. IX. 1858. ID 16. Die periostale Ossifikation. 345 N. 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Periostale Knochenparthie aus dem Becken (Ös ilei) eines 13 cm langen menschlichen Embryos. In Müller’scher Flüssigkeit gehärtet, mit Hämatoxylin und Eosin gefärbt. a) periostales Bindegewebe, dessen Grundsubstanz nur ganz schwach mit Eosin gefärbt ist. b) junger periostal gebildeter Knochen. ec) Uebergangsstelle des sich bildenden Knochens in das Periostgewebe. d) in Bildung begriffener Haversi’scher Kanal. e) Grenze der endochondralen Ausschmelzungsräume. Periostale Knochenparthie aus der Tibia der sieben Tage alten Katze. In 5°/, Formalin gehärtet, mit 4%/, HNO, entkalkt, mit Häma- toxylin und Eosin gefärbt. Unter dem Perioste findet Knochen- resorption statt. a) Die Anzahl der Zellen in diesen Knochenbalken ist ver- mehrt, die Zellen vergrössert im Vergleiche zu den Knochen- balken bei b. d) Die Bogen der Haversi’schen Kanäle sind in einer Um- wandlung begriffen. Nirgends sind Osteoklasten zu sehen. Querschnitt durch den mittleren Theil des Femurs einer sieben Tage alten Katze. Aus den Bogentheilen a, Db, c, d, e, f lässt sich noch der Umfang der älteren Femurdiaphyse rekonstruiren. g) ein im Markraume restirender endochondraler Knochen- balken. Der endochondrale Knochen ist etwas dunkler gezeichnet und ist charakterisirt durch die schwarz angedeuteten (in dem Präparate blau gefärbten) Knorpelreste. Eine ganz scharfe Grenze trennt den endochondral gebil- deten von dem periostal gebildeten Knochen. Die Achse des Markraumes des älteren (kleineren) Diaphy- senrohres und die Achse des Markraumes des jüngeren (grös- seren) Diaphysenrohres kommen beinahe in einander zu liegen. Die Resorption ist also ziemlich gleichmässig, die periostale Apposition jedoch ungleichmässig vor sich gegangen. Querschnitt durch den mittleren Theil des Unterschenkels der- selben Katze. Der endechondral gebildete Knochen ist wieder etwas dunk- ler gezeichnet. Er ist charakterisirt durch die schwarz ange- deuteten Knorpelreste. Eine ganz scharfe Linie trennt den endochondral gebildeten von dem periostal gebildeten Knochen. In der Fibula repräsentirt die Sichel « b ce den endochon- Archiv f, mikrosk. Anat. Bd. 50 23 350 Georg Kapsammer: Die periostale Össifikation. dral gebildeten Knochen. Dieselbe ist aussen von einer dünnen Lage periostaler Knochen überlagert. Aus dieser Sichel lässt sich der Umfang der früheren (kleineren) Diaphysenröhre reconstruiren. Resorption und periostale Apposition ist also nicht eoncen- trisch vor sich gegangen. Die Achse des jüngeren (grösseren) Diaphysenrohres ist gegen die Achse des älteren (kleineren) Diaphysenrohres nach innen verschoben. In der Tibia lässt sich der Umfang des älteren Diaphysen- rohres aus den Bogenstücken d, e, f reconstruiren. Die Achse des jüngeren Diaphysenrohres ist gegen die des älteren nach vorne verschoben. Studien über die Abstammung und die Bildung des Hautpigments. Von B. Rosenstadt in Wien. In der Pigmentfrage stehen sich bekanntlich zwei Lehren gegenüber. Während die Anhänger der einen für den hämato- genen Ursprung des melanotischen Piginents mit voller Ent- schiedenheit eintreten zu können glauben, leugnen wiederum die Anhänger der anderen, dass hierbei irgend welche Derivate des 3lutfarbstoffs in Betracht kommen und die Pigmentbildung der sog. metabolisehen Thätigkeit der Zellen zuschreiben. Obwohl die Pigmentfrage besonders im letzten Decennium Gegenstand vielfacher Untersuchungen war, so gelang es doch bis jetzt nicht, eine Uebereinstimmung unter den Autoren zu erzielen. Wenn man objeetiv beide Lehren prüft, so muss man sich sagen, dass weder die eine noch die andere über genügend be- weisende Argumente verfügt, um sich Geltung verschaffen zu können. Die erstere stützt sich, wie wir weiter unten sehen werden, auf so schwache Argumente, dass sie kaum durchzu- dringen im Stande ist. Die zweite hat wenigstens das für sich, dass wir einer Zelle, welehe unter manchen Umständen Studien über die Abstammung und die Bildung des Häutpigments. 851 Keratohyalin, Eleidin ete. zu erzeugen vermag, die Fähigkeit, Pigment zu bilden, von vornherein nicht absprechen können. Zu diesen Schwierigkeiten gesellen sich noch andere, viel wichtigere, die darin bestehen, dass wir eigentlich gar nicht wis- sen, was als melanotisches Pigment in Ansprache zu nehmen sei, dass uns jedwede charakteristische Reaction für dasselbe abgeht und dass schliesslich, wie ich weiter unten noch zeigen werde, nicht alle Pigmente, die man wohl nur dem Aussehen nach als melanotische bezeichnet, mit einander identisch sind. Vor einigen Jahren habe ich !) in einer kleineren Abhandlung, in der gegen die Altmann’sche Protoplasmalehre manehe Be- denken erhoben wurden, auch das Pigment in den Bereich meiner Untersuchungen gezogen und wurde damals durch die gefundenen Verhältnisse zu der Annahme gedrängt, dass das Pigment in den Epidermiszellen selbst gebildet werden kann. Ich stellte ferner den Satz auf, dass wir zwei Arten der Pigmentirung unterschei- den können, die als Pigmentdegeneration und Pig- mentinfiltration zu bezeichnen sind. Unter Pigment- degeneration verstand ich die selbständige Bildung von Pigment, sei es in den Epidermiszellen, sei es in den Ab- kömmlingen des Mesenchyms, in den sog. Chromatophoren und unter Pigmentinfiltration die Infiltrirung der Epidermis- zellen durch die letzteren. Angeregt durch eine vor einigen Monaten erschienene grös- sere Publikation von S. Ehrmann?) über das melanotische Pig- ment habe ich mich wieder der Pigmentfrage zugewendet. I. Ueber die Abstammung des Hautpigments. Bevor ich zu meinen Unteruchungen übergehe, will ieh die Frage nach dem hämatogenen Ursprung des Pigments in Erwägung ziehen und sehen, in wieweit die für diese Lehre vorgebrachten Argumente stichhaltig sind. Ich lasse zunächst 1) B. Rosenstadt, Zellgranula, Keratohyalingranula und Pig- mentgranula. Internationale Monatsschrift für Anatomie und Physio- logie Bd. X. 189. 2)S. Ehrmann, Das melanotische Pigment und die pigment- bildenden Zellen des Menschen und der Wirbelthiere in ihrer Ent- wicklung nebst Bemerkungen über Blutbildung und Haarwechsel, Bibliotheca medica. Abtheilung DII Heft VI. 1896, 359 B. Rosenstadt: zu diesem Zwecke die diesbzüglichen Literaturangaben folgen, die keineswegs auf Vollständigkeit Anspruch erheben. Nach Gussenbauer!) (1875) kommt es nach Blutan- schoppung, Eetasirung und Stase in den Gefässen zu einer Ah- gabe des Blutfarbstoffs an das Blutplasma. In dem letzteren gelöst, verlässt das Hämatin durch Transfusion die Gefässe, ge- langt in die Parenchymgewebe und wird in denselben vorzugs- weise von Zellen und zwar noch immer im gelösten Zustande aufgenommen. Erst später bildet sich aus demselben das körnige Pigment. Demieville?) (1880) findet zwar keine Anhaltspunkte dafür, dass zuerst der Blutfarbstoff aus den rothen Blutkörperchen diffundirt, um sich dann zum körnigen umzuwandeln, das Vor- kommen des Pigments in der nächsten Nähe der Blutgefässe spricht jedoch mit voller Entschiedenheit für die Abhängigkeit desselben vom Inhalt der Gefässe. Auch bei Morbus Addisoni ist er zu derselben Ansicht gelangt. Nach Ehrmann?) (1885) wird das amorphe Pigment nur in Zellen gebildet, welche das dazu nöthige Material aus dem sie umströmenden Blut erhalten. Man findet auch demgemäss das Pigment der Froschhaut in Zellen, die am dichtesten um Gefässe gelagert sind. Nach Quincke*) geht die Pigmentbildung so vor sich, dass die Blutkörperchen von Bindegewebszellen aufgenommen und in Pigment umgewandelt werden, oder die Pigmentbildung geht ohne Vermittlung von Bindegewebszellen vor sich: die Blutkörper- chen verblassen, der Farbstoff löst sich im Serum, es entsteht eine concentrirte Hämoglobinlösung, aus der das Hämoglobin in das umgebende Gewebe diffundirt und zu Hämatin und Pigment umgewandelt wird und zwar unter dem Einflusse des Gewebes. 1) Gussenbauer, Ueber die Pigmentbildung in melanotischen Sarkomen und einfachen Melanomen der Haut. Virchow’s Archiv Bd. 69. 2) P. Demieville, Ueber Pigmentflecke der Haut. Virchow’s Archiv Bd. 81. Derselbe, Revue med. de la Suisse 1884, 3) Ehrmann, Untersuchungen über die Physiologie und Patho- logie des Hautpigments. Vierteljahrsschrift für Dermatologie und Sy- philis. XII. Jahrgang 1885. 4) Quincke, Beiträge zur Lehre vom Icterus. Virchow ’s Archiv Bd. 95. 1885, Studien über die Abstammung und die Bildung des Hautpigments. 353 Nothnagel!) (1885) nimmt an, dass die Retezellen selbst das Pigment nicht erzeugen, sondern dasselbe von der Cutis her dorthin eingeschleppt wird. Die Cutiszellen sollen das Pigment von Blutfarbstoff erhalten. Dafür spricht der gelbe Ton der Pig- mentzellen und der Umstand, dass sie den Gefässen aufsitzen. Dafür aber, wie das Blut hinausgelangt, konnte Nothnagel keine thatsächlichen Anhaltspunkte finden. Dieselben glaubt aber Riehl?) (1886) gefunden zu haben. Er beobachtete bei Morbus Addison in der Adventitia der Gefässe eine zellige Infiltration und zwischen den Elementen der- selben eine geringere oder grössere Menge von Blutkörperchen. Um die Gefässe herum sah er manchmal hämorrhagische Herde. Dagegen sah er niemals neben den Hämorrhagien schollige Massen, jedoch nur braun tingirte Cutiszellen. Rothe Blutkör- perchen oder Theile derselben waren in den letzteren nicht nach- weisbar. „Nach dem Auftreten von freiem Blut im Gewebe und von pigmenthaltigen beweglichen Cutiszellen in unmittelbarer Nähe der Hämorrhagien, kann es nunmehr keinem Zweifel unter- liegen, dass die Cutiszellen ihren Farbstoff den freigewordenen Blutkörperchen entnehmen und dass somit der Nachweis der Ab- stammung des Pigments in der Epidermis vom Blutfarbstoff er- bracht ist (!). Es verliert gleichzeitig die Anschauung, der Blut- farbstoff gelange in gelöster Form durch die Gefässwand nach aussen, jede Berechtigung, da wir sehen die geformten Elemente als solche unverletzt in die Cutis gelangen.“ Nach Oppenheimer?°) (1886) lässt sich in einer Reihe der von ihm untersuchten Fälle leicht erkennen, dass die Pigment- bildung in den Sarkomen von örtlichen beschränkten Bedingungen abhängt, und zwar von Bedingungen, welche auf die Blutgefässe, zum Theil auf die rothen Blutkörperchen hinweisen. Nach List*) (1891) müsste die Thatsache, dass die Pig- 1) Nothnagel, Zur Pathologie des Morbus Addison. Zeitschrift für klinische Medicin 1885. 2) G. Riehl, Zur Pathologie des Morbus Addisoni. Zeitschrift für klinische Mediein. Bd. X. 3) Oppenheimer, Beiträge zur Lehre der Pigmentbildung in melanotischen Geschwülsten. Virchow’s Archiw Bd. 106. 4) List, Ueber die Herkunft des Pigments in der Oberhaut. Biologisches Centralblatt Bd. X. 354 B. Rosenstadt: mentzellen den Blutgefässen folgen, naturgemäss auf eine Be- ziehung des Pigments zum Inhalt der Blutgefässe führen. Nach Duirek!) (1892) kommt die Bildung des körnigen Pigments ausschliesslich durch Vermittlung von contractilen Zellen zu Stande. Der Modus seiner Entstehung ist ein doppelter: ein- mal gehen aus den eingeschlossenen rothen Blutkörperchen direct unter Einwirkung der contractilen Zellen Pigmentgranula hervor, welche zu einer gewissen Zeit die Eisenreaction zeigen, anderer- seits findet in denselben eine Ansammlung des durch Exosmose aus den freibleibenden Blutkörperchen ausgetretenen und diffusen Farbstoffs und hierauf in ihnen eine Consolidirung zu Klumpen und Körnern statt. In der jüngsten, bereits erwähnten Arbeit versucht Ehr- mann die Lehre vom hämatogenen Ursprung des Pigments durch einige neue Argumente zu stützen, auf die ich weiter unten zurückkommen werde. Das am häufigsten vorgebrachte Argument zur Stütze der Lehre vom hämatogenen Ursprung des Pigments ist, wie aus den angeführten Literaturangaben ersichtlich, dasjenige, dass sowohl unter normalen, wie pathologischen Verhältnissen die Pigmentzellen neben den Blutgefässen verlaufen. Wenn wir die Verhältnisse in der Froschhaut, auf die sich Ehrmann schon in seiner ersten Arbeit gestützt hat, näher ins Auge fassen, so ist es allerdings ganz richtig, dass die Pig- mentzellen hier oft entlang der Blutgefässe angeordnet sind. Aber Jarisch?) hat bereits darauf hingewiesen, dass auch die übri- gen Pigmentzellen der Froschhaut (Guanin, Lipochrome) ebenfalls in der nächsten Nähe der Blutgefässe anzutreffen sind. Beim Hühnchen, Säugethieren und Menschen finde ich dagegen, dass die Pigmentzellen keineswegs ausschliesslich in der Nähe der Blutgefässe angeordnet sind, dass sie vielmehr meistentheils ganz regellos in der Cutis verstreut sind. Und wenn man sie 1) Duirck, Beitrag zur Lehre von den Veränderungen und der Altersbestimmung von Blutungen im Centralnervensystem. Virchow’s Archiv Bd. 130. 2) Jarisch, Ueber die Anatomie und Entwicklung des Ober- hautpigments beim Frosche. Archiv für Dermatologie und Syphilis. 23. Jahrg. 1891. Studien über die Abstammung und die Bildung des Hautpigments. 355 auch in der Nähe der Blutgefässe findet, so wäre es viel plausibler, das so zu erklären, dass Pigmentzellen als Wanderzellen die Nei- gung haben, dort sich anzuordnen, wo für sie, wie es in der Nähe der Blutgefässe thatsächlich der Fall sein muss, die Ernährungs- verhältnisse am günstigsten sich gestalten. In ähnlichem Sinne erklärt auch N. Sieber!) diese Erscheinung, indem er annimmt, „dass bei der Entstehung des Hautpigments eine lebhaftere Oxydation vor sich geht, wobei der Sauerstoff des Hämoglobins mit betheiligt ist, und deshalb findet die Pigmentbildung in der nächsten Umgebung der “Blut- gefässe statt“. Aber wenn die erwähnte Lagerung der Pigmentzellen überall und unter allen Umständen zutreffen würde, so sehe ich darin noch immer kein Argument, welches für den hämatogenen Ur- sprung des Pigments spricht, zumal es bis jetzt nieht gelungen ist, einen unzweideutigen Beweis dafür zu erbringen, dass die fixen Bindegewebszellen, die sich zu melanotischen Pigment- zellen umwandeln sollen, Derivate des Blutfarbstoffs in irgend einer Form aufgenommen hätten. Ich habe wenigstens niemals solche Erscheinungen beobachtet. Auch Halpern?) berichtet, dass, ob- wohl die Pigmentzellen im Scerotum des Negers zuweilen längs und um die Blutgefässe angeordnet waren (er fand sie auch an anderen Stellen), so konnte man doch nirgends in der Cutis Thromben oder Blutaustritte, die irgendwie eine Andeutung der Entwicklung des in Zellen befindlichen Pigments aus aufgenommenen Blut- körperchen geben würden, beobachten. Mit diesem Argumente sind die Autoren, glaube ich, Täu- schungen unterlegen, die einerseits durch die Aehnlichkeit der Farbe zwischen dem melanotischen Pigment und derjenigen der Derivate des Blutfarbstoffs und andererseits dadurch hervorgerufen wurden, dass Färbungen der Gewebe und ihrer Elemente durch ausgetretenen Blutfarbstoff unter manchen pathologischen Umständen vorkommen können, wie das z. B. bei der Sarcomatosis eutis, von der ich eine 1) N. Sieber, Ueber die Pigmente der Chorioidea und Haare. Archiv für experimentelle Pathologie Bd. 20, 1886, p. 366. 2) J. Halpern, Ueber das Verhalten des Pigments in der Ober- haut des Menschen. Archiv für Dermatologie und Syphilis. 23. Jahrg. 1891, p. 898. 390 B. Rosenstadt: grössere Anzahl von Präparaten von Docenten Dr. Eduard Spiegler erhalten habe, thatsächlich der Fall ist. Es handelt sich hier aber keineswegs um melanotisches Pigment. Wäre schon die nahe Nachbarschaft der Pigmentzellen zu den Blutgefässen allein genügend, um aus dem Blutfarbstoff Pig- ment zu bilden, in welch’ noch höherem Maasse müsste das in den Blutgefässen selbst der Fall sein. In den letzteren findet ja bekanntlich beständig ein Zerfall und eine Regeneration der Ery- throeyten statt. Es ist also den Leukocyten in ausgiebiger Weise die Möglichkeit geboten, die zerfallenen Blutkörperehen oder den ausgetretenen Blutfarbstoff aufzunehmen und aus denselben Pig- ment zu bilden: wird ja doch angegeben, dass bei Extravasaten die Leukocyten die Blutkörperchen aufnehmen und aus ihnen. Pigment bilden. Auch unter normalen Verhältnissen nehmen ja manche Autoren an, dass das Pigment von Leukoeyten. durch Auf- nahme von Blutkörperehen oder Theilen derselben gebildet wird. Ich meinerseits habe noch niemals sowohl im lebenden Thiere als im nativen und fixirten Blutpräparate eine Pigmenti- rung der Leukocyten beobachtet. Es liegt zwar eine Angabe von Meyerson!) vor, der zufolge er im Froschblut stets pig- mentirte Zellen gefunden hat, von welchen er sich überzeugen konnte, dass es sich um farblose Blutkörperchen handelte. Aber wenn diese Angabe auch richtig wäre, und wenn die Pigmentirung der Leukoeyten eine häufige Erscheinung wäre, so wäre das noch immer kein Beweis, dass das Pigment aus den Blutkörperchen resp. aus dem Blutfarbstoff stammt. Denn es kann sich ja in solchen Fällen einfach um Pigmentzellen han- deln, die, wie Saviotti?) gezeigt hat, durch die Gefässwand in die Gefässe einzuwandern vermögen. List?) berichtet ebenfalls, dass er in den Blutgefässen der Crista des Schwanzes vom männlichen Triton eristatus Pig- mentkörnehen beobachten konnte und an den Blutkörperehen 1) Meyerson, Zur Pigmentfrage. Virchow’s Archiv Bd. 118, P.. 205. 2) Saviotti, Ueber die Einwanderung der Pigmentzellen in die Blutgefässe an der Schwimmhaut des Frosches. Centralblatt für medic. Wissenschaften 1870. 3) List, Die Herkunft des Pigments in der Oberhaut. Anatom. Anzeiger Bd. IV. 1889, Studien über die Abstammung und die Bildung des Hautpigments. 357 selbst Degenerationserscheinungen, und zwar soll zunächst das Protoplasma und dann auch der Kern der Pigmentdegeneration unterliegen. Die Pigmentkörnehen sollen sich dann zu Klümp- chen ansammeln und die Gefässe verlassen. Es handelt sich hierbei höchstwahrscheinlich um Hämatin- schollen, die ich auch beobachtet habe und die mir immer die Eisenreaction gaben. Aber mit der Bildung des melanotischen Pigments haben sie nichts zu thun. Zugegeben, dass rothe Blut- körperchen, sei es von Leukocyten, sei es von Bindegewebszellen, aufgenommen werden und das Material zur Bildung des melano- tischen Pigments liefern, so ist ja noch in Betracht zu ziehen, dass die rothen Blutkörperchen nicht nur aus Hämoglobin bestehen, sondern dass sie auch Protoplasma enthalten, aus dem das mela- notische Pigment möglicherweise gebildet werden kann. Ehr- mann hat sich auch selbst diese Frage vorgelegt, und die Ant- wort, die er darauf giebt, muss ich entschieden als unzutreffend bezeichnen. „Wenn man bedenkt,“ sagt er, ‚dass die Derivate des Blutfarbstoffs immer gefärbt sind, so wird man viel eher ge- neigt sein, den Blutfarbstoff und nicht das farblose Gerüst der rothen Blutkörperchen als die Muttersubstanz des Pigments an- zusehen.“ Also die Aehnlichkeit der Farbe des melanotischen Pigments mit derjenigen des Blutfarbstoffs ist es, welche Ehrmann zu dieser Annahme führt. Und doch warnt er ja selbst, dass man “ bloss auf die Aehnlichkeit sich nicht verlassen darf und weist dabei auf eine Aeusserung Schwalbe’s hin, in der es heisst: „Ueberhaupt ist davor zu warnen, die verschiedenen bräunlichen oder schwärzlichen körnigen Pigmente, die man mit dem gemein- schaftlichen Namen der Melanine bezeichnet, nur ihres optischen Verhaltens wegen als identisch zu erklären. Optisch gleiche Pigmente können chemisch ganz verschieden sein !).“* Ausser dem bis jetzt erörterten Argumente versuchte man auf experimentellem Wege die Lehre vom hämatogenen Ursprung des Pigments zu stützen. Wenn ich nicht irre, so war einer der ersten, der diesen Weg betrat, Langhans?) (1870). Er brachte Thieren Blut- 1) Ehrmann l.c. p. 44. 2) Langhans, Beobachtungen über Resorption der Extravasate und Pigmentbildung in denselben. Virchow’s Archiv Bd. 49. 358 B. Rosenstadt: gerinnsel unter die Haut und beobachtete die Veränderungen, die dieselben erleiden. In der Umgebung des Gerinnsels entsteht eine Anhäufung von contractilen Zellen, welche die mit ihnen in Berührung kommenden rothen Blutkörperchen in sich aufnehmen. Die letzteren erleiden nun folgende Veränderungen : Die Farbe wird etwas dunkler als die scheibenförmigen Blutkörperchen; sie erhalten einen etwas brännlichen Schimmer. Derselbe ist aber nur vorübergehend, sehr rasch nehmen sie eine gelbliche bis gelblich- rothe Farbe an und geben jetzt die Perls’sche Reaktion. Später verändert sich die Farbe nur noch wenig, sie wird roth- gelb, roth, braunroth, zugleich tritt ein sehr starker Glanz auf und mit ihm dunklere Contouren. Es kommt nachher zu einem Zerfall der Blutkörperchen: es treten zuerst unregelmässig be- srenzte eckige Körperchen auf und ferner sehr feine eckige Körn- chen, die sehr intensiv gefärbt sind und durch den starken Glanz und dunklere Contouren an Fetttröpfehen erinnern. Bei den weiteren Veränderungen schwindet und löst sich das Pigment ganz auf: die Körnchen werden so fein, dass sie nicht mehr nachweisbar sind und gewähren den Anblick einer diffusen Pig- mentinfiltration. Das Pigment kann so vollständig resorbirt werden, dass man nach 3—4 Wochen vergebens nach einem Rest sucht. Ich habe absichtlich die Beobachtungen Langhans aus- führlicher wiedergegeben, denn aus denselben allein, glaube ich, erhellt schon zur Genüge, dass es sich hierbei nicht um mela- notisches Pigment, sondern um Derivate des Blutfarbstofis handelt. Die optischen Verhältnisse, die die zerfallenen Blut- körperchen darbieten, ihre weiteren Veränderungen, das Auftreten von „eckigen“ Körnchen, das man in der Epidermis niemals beobachtet, das Kleinerwerden derselben, stimmen mit dem mela- notischen Pigmente in keiner Weise überein. Das, was Lang- hans als Pigmentbildung beschreibt, dürfte höehstwahrscheinlich nichts anderes als Vorgänge der Resorption der Blutgerinnsel darstellen, keineswegs aber kann es sich hierbei um Bildung von melanotischem Pigment handeln. Ich habe um Extravasate herum ähnliche Bilder, wie sie Langhans beschreibt, beobachtet und mich aber niemals davon überzeugt, dass es sich hier um melano- tisches Pigment handelt. Uebrigens hebt ja Langhans selbst hervor, dass es eine Reihe von pathologischen Pigmentirungen giebt, Studien über die Abstammung und die Bildung des Hautpigments. 359 in denen kein grösseres Extravasat als Vorstadium der Pigment- bildung nachgewiesen werden konste, und dass die Lehre von der Transsudation des blutstoffhaltigen Plasmas in die später pigmentirten Theile, zu der man Zuflucht nalım, auf zu schwachen Füssen steht und dass hierbei die metabolische Thä- tiekeit der Zelle selbst sieh durchaus nicht leug: nen lässt, wie das auch Virehow in seinen „Gesehwülsten‘“ (Bd. II p. 275) zugesteht. Das, was ich in Bezug auf die Resultate der Langhans- schen Versuche gesagt habe, kann ich auch auf diejenigen von anderen Autoren ausdehnen. Quincke injieirte Hunden Blut in das Unterhautzell- gewebe, worauf eine Gelbfärbung auftrat; er fand nachher gelb- braune Körnehen, die grösstentheils in Bindegewebzellen oder Wanderzellen gelegen waren. Auch nach Quetschungen, die Blutunterlaufungen zur Folge hatten, beobachtete Ehrmann ähnliche Erscheinungen. Ich kann aber diese Versuche keineswegs als Beweis für den hämatogenen Ursprung des Pigments gelten lassen: denn es ist jajedem, der künstliche Extravasate oder nach Quetschungen ent- standene Blutunterlaufungen zu beobachten Gelegenheit hatte, ge- läufig, dass es sich hier nur um vorübergehende Pigmentirungen han- delt, die nur so lange andauern, bis das Extravasat verschwunden ist. Die Pigmentkörner, die man hier findet, haben mit den mela- notischen Pigmentkörnern nichts Gemeinsames, sondern stellen Derivate des Blutfarbstoffs dar, ähnlich denjenigen, die man bei Sarcomatosis eutis extracellulär findet. Die Versuche von M. B. Schmidt!) (1889) scheinen mir ebenso wenig beweisend zu sein für den hämatogenen Ur- sprung des Pigments, wie die bis jetzt erörterten. Er tränkte Hollundermarkplättehen mit Blut und brachte sie unter die Frosch- und Kaninchenhaut. Die Einleitung der Pigmentbildung bildet der Austritt des Hämoglobins. Für dasselbe scheint die Pigment- metamorphose das unvermeidliche Schicksal zu sein. Wenigstens fand er es mit zunehmendem Alter in den Plättehen sich ver- 1) M.B. Schmidt, Ueber die Verwandtschaft der hämatogenen und autochtonen Pigmente und deren Stellung zum Hämosiderin, Virchow’s Archiv Bd. 115. 360 B. Rosenstadt: ringern, während das Pigment gleichzeitig wuchs. Nach dem Austritt: aus dem Stroma wird ein Theil der Hämoglobintropfen von Leukoeyten umschlossen, um in ihnen die Umwandlung zu vollenden. Nach seiner morphologischen Vollendung liegt das Pigment in Form kleiner Körner von goldgelber Farbe und starkem Glanz an Zellen gebunden oder frei im den Maschen der Plättchen. Auch hier scheint es sich um nichts anderes als thatsäch- lich nur um ein hämatogenes Pigment zu handeln; der goldgelbe Glanz der Pigmentkörner erinnert wiederum an die un- regelmässigen Körner nach Extravasaten und diejenigen bei Sarco- matosis eutis. Nach den bisherigen Ausführungen wenden wir uns nun zur Prüfung der Argumente, die Ehrmann in seiner grösseren, ausserordentlich fleissigen Publikation, in der die entwickelungs- geschichtlichen Verhältnisse des Pigments bei origimär pigmen- tirten und originär pigmentlosen Thieren dargestellt sind, zur Stütze der Lehre vom hämatogenen Ursprung des Pigments vorbringt. „Wenn die Entstehung des Pigments,* sagt Ehrmann!), „aus Zerfall des Kernes oder sonstiger geformter Bestandtheile als unbewiesen und unwahrscheinlich zurückgewiesen ist, so bleibt nichts anderes übrig, als dass man annimmt, dass das Blut resp. das alle Gewebe durchfeuchtende BJutplasma das Material ab- giebt, aus welchem das Pigment gebildet wird.“ Ich kann diese Schlussfolgerung keineswegs anerkennen und man wird mir wohl zugeben, dass mit einem derartigen Argumente die Lehre vom hämatogenen Ursprung des Pigments nicht sonderlich ge- stützt wird. Zu den positiven Thatsachen übergehend, die für die Bil- dung des melanotischen Pigments aus dem Hämoglobin sprechen, hebt Ehrmann zunächst als ein geradezu elassisches Argument das Pigment des Plasmodium malariae hervor. Dasselbe wächst bekanntlich in den rothen Blutkörperchen unter Zerstörung derselben heran, wobei gleichzeitig melanotische Pigmentgranula auftauchen. Ich glaube aber, dass dieses Argu- ment ebenso wenig beweisend ist für die hämatogene Abstammung des Pigments, wie das zuerst erörterte. Ich glaube vielmehr, ]) Ehrmann |. c. p. 42. u Studien über die Abstammung und die Bildung des Hautpigments. 361 dass wir es hier mit einer besonderen Eigenschaft dieser Proto- zoen zu thun haben, melanotisches Pigment selbst- ständig zu erzeugen. Bestärkt werde ich in dieser An- sicht dadurch, dass das Pigment des Plasmodiums sich chemischen Reagentien gegenüber genau so verhält, wie das schwarze Pig- ment bei anderen wirbellosen Thieren, bei denen wir das Vor- handensein von Hämoglobin vollständig ausschliessen Können. Ausserdem will ich noch darauf hinweisen, dass Marchiafava und Celli eine quotidiane Form des Malariaparasiten gefunden haben, in welcher, trotzdem sie in den rothen Blutkörperchen haust und dieselben zerstört, kein Pigment gebildet wird, dass ferner bei niederen Wirbelthieren sowohl endo- als ektoglobulär einzellige Parasiten im Blute vorkommen, ohne dass es zu einer Pigmentbil- dung in ihnen komnıit. Allerdings beschreibt Danilewsky!) bei manchen Vögeln einen dem menschlichen Malariaplasmodium ähnlichen Parasiten, welcher in rothen Blutkörperchen und ausser- dem in Gebilden vorkommt, welche er als degenerirte Leukocyten ansieht. In den ersteren kommt es zur Pigmentbildung, in den letzteren nicht. Wenn man bedenkt, dass dieser in den vermeintlichen Leukoeyten vorkommende Parasit, in welchen er also unter ab- weichenden Lebensverhältnissen sich befindet, 1!/, mal so gross ist als derjenige in den rothen Blutkörperchen, so könnte wohl angenommen werden, dass wir es hier mit einer anderen Form zu thun haben, die eben kein Pigment bildet. Ich habe des Weiteren an den Pigmentkörnchen der Plas- modien die Perls’sche Reaktion versucht. Wenn es auch richtig sein mag, wie das Elırmann betont, dass der negative Ausfall der Reaktion noch immer nicht gegen den hämatogenen Ursprung des Pigments spricht, so haben doch andererseits die Unter- suchungen vonSchmidt?) dargethan, dass man doch wenigstens in den Anfangsstadien der Bildung des Pigments die Eisenreaktion bekommen kann, wenn dasselbe von Derivaten des Blutfarbstoffs abstammt. 1) Danilewsky, Developpment des parasites malariques dans les Leukocytes des oisseaux. Annales de l'institute Pasteur T. IV. 1890. Derselbe, Polymitus malariae. Centralblatt für Bakteriologie und Parasitenkunde 1891. 1 2) Schmidt I. c, 362 B. Rosenstadt: Die mir von Herrn Dr. L. Schreiber gütigst zur Ver- fügung gestellten plasmodienhaltigen Blutpräparate, in denen man sämmtliche Stadien der Pigmentbildung beobachten konnte, kamen behufs Fixirung in Alkohol-Aether, hierauf in Ferroeyan- kali und nach Abspülen in Wasser in Salzsäure. Das Resultat war, dass nicht ein einziges Pigmentkörnchen eine Blaufärbung aufwies, das dagegen das ganze Plasmodium, sämmtlich Stadien der Entwicklung derselben, sehr schön blau gefärbt waren, so dass man diese Reaktion geradezu als Behelf anwenden kann, in ungefärbten Präparaten die Plas- modien leicht zur Darstellung zu bringen. Die Plasmodien sind somit von Hämoglobin oder von dessen Derivaten geradezu imbibirt, und doch zeigt sich an den Pigment- körnchen keine Spur davon. Ein weiteres Argument für den hämatogenen Ursprung des Pigments bieten Ehrmann die syphilitischen Efflorescenzen, die mit einer Pigmentirung der betreffenden Hautpartie heilen. Die Efflorescenzen, die mit Hämorrhagien einhergehen, sollen eine stärkere Pigmentirung zurücklassen, als solche, die ohne dieselben aufreten. „Es muss also, sagt Ehrmann, ausser den gemein- samen Ursachen der Pigmentirung beider Arten von Efflores- eenzen, bei den hämorrhagischen noch ein Umstand vorhanden sein, welcher ein Plus an Pigmentirung verursacht. Nichts liegt näher als die Hämorrhagie selbst für diese Ursache zu halten.“ Dieses Argument scheint mir ebenfalls unzutreffend zu sein. Zugegeben, dass das Plus an Pigmentirung, welches nach lueti- schen mit Hämorrhagien einhergehenden Eiffloreseenzen auftritt, durch die Hämorrhagien verursacht wird, so hat a Ehrmann unterlassen aufzuklären, wie denn das Plus an Pigmentirung — ich meine das Plus an Pigmentirung im Vergleiche zu der übrigen nicht affieirten Haut — bei den Efiloreseenzen, die ohne Hämor- rhagien auftreten, entstanden ist? Die vermeintliche Quelle der Pigmentbildung fehlt ja in diesem Fall gänzlich, und doch ist die betreffende Hautpartie stärker pigmentirt. Aber auch das Plus an Pigmentirung, welches nach mit Hämorrhagien verlaufenden Eflloreseenzen auftritt, Kann meiner Ansicht nach durchaus nicht durch die Hämorrhagie erklärt wer- den, und zwar aus folgenden Gründen: Die hämatischen Schollen, die aus den hämorrhagischen Studien über die Abstammung und die Bildung des Hautpigments. 363 Herden entstehen, verschwinden nach der Angabe von Ehr- mann im Verlauf von vier Wochen. Die Quelle des Plus an Pigmentirung verschwindet also, während die letztere in derselben Intensität noch Jahre lang bestehen bleiben kann. Wie ist denn das zu erklären? Es kann doch nicht angenommen werden, dass die Retezellen, die zur Zeit des Vorhandenseins der Hämorrhagien resp. der aus ihnen entstandenen hämatischen Schollen, bestanden haben, nach mehreren Jahren dieselben geblieben sind. Es bilden sich ja beständig durch Theilung neue Retezellen, und zwar in dem Maasse, in welchem die Abschuppung des Epidermis und der Neubildung von Hornzellen vor sich geht. Die sich neu- bildenden Retezellen enthalten aber trotzdem Jahre lang mehr Pigment als diejenigen der normalen Haut. Es müssen also da- bei ganz andere Ursachen im Spiel sein, die allerdings erst auf- gedeckt werden müssen. Durch die Güte des Docenten Spiegler hatte ich Ge- legenheit, solehe pigmentirte Hautstücke zu untersuchen. Ich fand die basalen Retezellen stärker pigmentirt als an den nor- malen Hautpartien desselben Individuums. Chemisch verhielt sich dieses Pigment genau so wie dasjenige der gesunden Haut. Jetzt wollen wir noch eines Arguments Ehrmann’s ge- denken, welches lediglich auf die Aehnlichkeit der Farbe der Pigmentkörner und der rothen Blutkörperchen in den Anfangs- stadien ihrer Entwicklung beruht. Die grünlichgraue Farbe der „Melanoblasten“ erscheint nach Ehrmann nie früher, bis nicht deutlich grünlich gefärbte Blutkörperchen in den Gefässen nach- weisbar sind. Es besteht allerdings ein Unterschied zwischen der Färbung der Blutkörperchen und derjenigen der Melanoblasten: in den ersteren erscheinen die Dotterplättehen grünlich gefärbt, dagegen in den letzteren nur das Protoplasmagerüst. Die Aehnlichkeit der Verfärbung der letzteren mit derjenigen der Blutkörperchen erklärtt Ehrmann in folgender Weise: „Die treue Gefolgschaft, welche die Melanoblasten den Blutgefässendo- thelien leisten, zusammengenommen mit dem Umstand, dass die rothen Blutkörperchen früher da sind, ehe die grüne Färbung der Melanoblasten auftritt, berechtigt auch zu der Annahme, dass das Hämoglobin frühzeitig auch in die Gewebsflüssigkeit diffun- dirt, von den Melanoblasten aufgenommen wird und durch eine speeifische Thätigkeit derselben in sog. melanotisches Pigment 364 B. Rosenstadt: umgewandelt wird.“ In welcher Weise geschieht nun die Diffun- dirung in die Gewebsflüssigkeit? Beim erwachsenen Thiere gehen ja beständig Blutkörperchen zu Grunde, zweifelsohne, meint Ehr- mann, geschieht das schon bei Amphibien kurz nach der Bil- dung der ersten rothen Blutkörperchen. Aber für die Annahme, dass die grüne Farbe der Melano- blasten von dem aus den Gefässen ausgetretenen Blutfarbstoff herrührt, vermag Ehrmann gar keine beweisende Argumente anzuführen. In den Anfangsstadien der Blutbildung, wo die Elemente noch nicht zahlreich und noch nicht vollständig ge- färbt sind, müsste es doch sehr leicht sein, solehe zu Grunde sehenden Blutkörperchen zu beobachten. Auch wenn Ehr- mann auf chemischem Wege nachgewiesen hätte, dass die grüne Farbe in beiden Elementen sogar identisch ist, so wäre es in den Anfangsstadien der Entwicklung dieser Elemente noch immer gewagt, zu behaupten, dass die grüne Farbe der Melano- blasten von derjenigen der in Bildung begriffenen Blutkörper- chen stammt. Wenn man sich sogar in Bezug auf die Ab- stammung des Pigments aus dem Blut auf den Standpunkt Ehr- mann'’s stellen wollte, so wäre ja eher daran zu denken, ob nicht die jungen zu Melanoblasten sich umbildenden Mesenchym- zellen auch selbst die grüne Farbe erzeugt haben? Handelt es sich doch in beiden Fällen um Abkömmlinge eines und desselben Mesenchyms. Um zu zeigen, wie es misslich ist, in solchen Fragen von der Aehnlichkeit sich leiten zu lassen, will ich noch folgendes anführen: Das Plasmodium malariae, welches, wie ich gezeigt habe, von Derivaten des Blutfarbstoffs imbibiert ist, zeigt keine Spur irgend einer Färbung. Da sollte man doch am ehesten erwarten, dass dasselbe eine Grün- oder Gelbfärbung zeigen wird. Auch dem Standpunkt, den Schwalbe!) in seiner ausser- ordentlich interessanten Arbeit einnimmt, kann ich keineswegs zustimmen. Er äussert sich hierüber folgendermaassen : „Einen hämatogenen Ursprung des Pigments stelle ich durchaus nicht 1) G. Schwalbe, Ueber den Farbenwechsel winterweisser Thiere. Ein Beitrag zur Lehre vom Haarwechsel und zur Frage der Herkunft des Haarpigmentes. Morphologische Arbeiten herausgegeben von G, Schwalbe. II. Bd. Jena 1893. it Studien über die Abstammung und die Bildung des Hautpigments. 365 in Abrede, und möchte ich hervorheben, dass es nicht nöthig ist, dass gerade der Blutfarbstoff, das Hämoglobin es sein müsse, aus welchem das körnige Pigment des Epithels hervorgehe. Die Möglichkeit einer Entstehung aus dem Blutplasma ist nicht aus- geschlossen.“ „Die Muttersubstanz des körnigen Pigments ist in der Blutflüssigkeit zu suchen, welche als Ernährungsstrom Binde- gewebe und Epithel durchtränkt.“ Schwalbe hat aber für diese Annahme gar keine Be- weise erbracht. Aber abgesehen davon, wird ja durch die- selbe garnichts erklärt, denn in letzter Instanz betheiligt sich ja die Ernährungsflüssigkeit an allen Vorgängen des Organis- mus: alle seine Organe und Gewebe müssen von der Ernährungs- flüssigkeit durchtränkt werden. Meinen bis jetzt vorgebrachten Einwänden gegen die Lehre vom hämatogenen Ursprung des Pigments will ich noch einige derjenigen Bedenken anschliessen, die Kaposi!) in einem sehr geistreichen Vortrage vom klinischen Standpunkt aus gegen diese Lehre erhob, der leider von den Anhängern derselben nicht genug gewürdigt, ja sogar mit Stillschweigen übergangen wird. Zunächst weist Kaposi darauf hin, dass nach manchen Toxieis, die Hyperämien hervorrufen, dauernde Pigmentirungen der Haut zurückbleiben ; bei anderen wiederum kommt es sogar zu einer Entfärbung der Haut. Diese Thatsachen, meint Ka- posi, können doch gewiss den hämatogenen Ursprung des Pigments nicht stützen. „Schwer würde es fallen“, sagt Kaposi, „bei Pigment- sarkom und Careinom die enorme Entwicklung vom schwarzen Pigment auf ausgetretene Blutkörperchen zurückzuführen. Wenn man solche Krankheitsbilder vor den Augen hat, wo nach Ex- stirpation eines seit Jahren isolirt an der Peripherie des Kör- pers, z. B. der grossen Zehe, bestandenen Knotens binnen wenigen Monaten in centripetaler Richtung Tausende und Tausende von Knoten an allen Körperstellen sich entwickeln, durchwegs blau- schwarz durch Pigmentablagerung in die grossen Geschwulst- zellen, dann kann man den Gedanken nicht zurückweisen, dass bei diesen Formen das Protoplasma der Zelle selbst den Farb- 1) M. Kaposi, Ueber Pathogenese der Pigmentirungen und Ent- färbungen der Haut. Archiv für Dermatologie und Syphilis. 23. Jahr- gang, 1891, p. 203. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 24 366 B. Rosenstadt: stoff liefere und dass das Pigment hier in den Zellen autochton vorhanden und nicht von aussen eingewandert, d. h. auch nicht hämatogenen Ursprungs sei.“ Und weiter: „Ja selbst das Verständniss der Beständig- keit der normalen Hautpigmentirung bleibt mit alleiniger Zuhilfe- nahme der hämatogenen Natur des Epidermispigments noch immer ziemlich lückenhaft.“ „Vollends rathlos stehen wir mit der Theorie von der hä- matogenen Natur des Hautpigments gegenüber den Erscheinungen von Vitiligo, Alterergrauen der Haare.‘ In Bezug auf Vitiligo meint Kaposi: „Es liegt doch kein Grund anzunehmen, dass aus (len normalen Gefässen nieht wie im normalen Zustand Hämoglobin an das Derma abgegeben wird. Weshalb nehmen die normalen Retezellen das Hämatin nicht wieder auf?“ Applieirt man Vesicantia, so kommt es zu keiner Pig- mentirung. In den Retezellen lassen sich keine, nutritiven Ver- änderungen annehmen. Da, wo solehe anzunehmen sind, wie bei der senilen Atrophie der Haut, da haben die Retezellen viel mehr Pigment. Beim Albinismus sind die übrigen Verhält- nisse ganz normal und doch bleibt Rete und Chorioidea pig- mentlos.“ Die Pigmentgranula haben sowohl beim Menschen und an- deren Säugethieren, als bei den niederen Wirbelthieren eine mehr oder weniger kugelige bis stäbehenförmige Gestalt und eine wechselnde Grösse. Die Pigmentgranula bestehen nicht, wie das übrigens schon von Reinke!) gezeigt wurde, durchwegs aus dem schwarzen Farbstoff, sondern derselbe scheint an eine wahrscheinlich eiweiss- haltige Substanz gebunden zu sein, welehe eine wechselnde Farbe aufweist. Dieselbe ist entweder leuchtend grau, licht- bis dunkelgelb. Nur in den Pigmentstäbehen der Haare ist oft der melanotische Farbstoff diffus vertheilt, so dass man sowohl beim Heben als Senken des Tubus denselben optischen Effeet erhält. Die gelbe Farbe der Pigmentgranula, welche derjenigen der Derivate des 1) Reinke, Zellstudien. ©. Ueber Pigment, seine Entstehung und Bedeutung. Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd. 43. 1894. Studien über die Abstammung und die Bildung des Hautpigments. 367 Blutfarbstoffs thatsächlieh sehr ähnlich ist, mag höchstwahrschein- lich viel dazu beigetragen haben, auf eine Verwandtschaft des Pigments mit den letzteren zu schliessen. Es handelt sich aber hier lediglich um eine Aehnlichkeit. Die wechselnde Farbe der Pigmentgranula sowie die Frage, ob denn nicht auch bei manchen wirbellosen Thieren, bei denen das Blut eines specifischen Farbstoffs entbehrt, ein ähnliches melanotisches Pigment sich finden wird, veranlasste mich, mit dem Pigment eine Reihe von mikrochemischen Versuchen vor- zunehmen, deren Resultate ziemlich interessant sich gestalten. Das Pigment in der Epidermis und in den Haaren von Säugethieren und von Menschen, vom Frosch, ferner von Naevus, Melanosarkom verhält sich gegen eoncentrirte Salz- säure vollkommen indifferent; selbst beim Kochen tritt weder eine Auflösung noch irgend eine Veränderung ein. Bei Einwirkung von Salpetersäure verschwindet das Pigment, es bleibt dagegen unverändert mSchwefelsäure, Kalilauge undSchwefelammonium, selbst dann, wenn man diese Reagentien stark erhitzt. In Wasser, Alkohol, Chloro- forn, Aether, Xylol ete. tritt weder eine Auflösung noch irgend welehe Veränderung im Pigment ein. Es war nun naheliegend noch ein Pigment zu untersuchen, von welchem man mit Bestimmtheit sagen konnte, dass es vom Blut stammt, resp. ein Derivat des Blutfarbstoffs darstellt, um zu sehen, wie sich dasselbe den erwähnten Reagentien gegen- über verhält. Als solches erweist sich z. B. das Pigment, wel- ches man bei der Sarcomatosis eutis im Form von grösseren Körnern und Schollen in der Cutis verstreut findet und die nie- mals, wie Ed. Spiegler!) richtig angegeben hat, in Zellen vorkommen. Die Körner geben immer in unzweideutigster Weise die Eisenreaction. Dieses Pigment verhält sich von den Reagentien gegen- über vollkommen verschieden von dem bis jetzt untersuchten Pig- ment, indem es sich in concentrirter Salzsäure und Schwefel- säure löst, während es in Kalilauge und Schwefelammonium ohne Veränderung bleibt. 1) E. Spiegler, Sareomatosis eutis. Arch. f. Dermatologie und Syphilis. 1894. 368 B. Rosenstadt: Wir sehen somit, dass Pigmente, welche aus demBlutfarbstoffstammen, resp. Derivate des- sietrben; darstellen, won den melanotisich enhzer menten verschieden sind!) Ich erwarte wohl den Einwand, dass die Pigmentkörner bei der Sarcomatosis eutis deshalb sich chemisch vom melanoti- schen Pigment unterscheiden, weil sie nicht in Zellen eingeschlossen sind; wären sie der Thätigkeit der letzteren ausgesetzt, so wäre so aus ihnen ein melanotisches Pigment entstanden. Aber dieser Ein- wand, abgesehen davon, dass die Anhänger der Lehre vom hä- matogenen Ursprung des Pigments eine derartige chemische Um- wandlung nicht nachgewiesen haben, ist keineswegs stichhaltig. Das Pigment des Plasmodium malariae, welches, wie ich gezeigt habe, vom Blutfarbstoff oder dessen Derivaten vollständig imbi- birt ist, vunterscheidet: siehvahbrer "von, dem7 B23 jetzt untersuchten melanotisehen Pigment der Wirbelthiere. Das Verhältniss zu Salzsäure, Schwefelsäure und Salpetersäure ist hier wie dort dasselbe, d.h. bei den ersteren zwei tritt keine Veränderung ein und bei der Einwirkung der letzteren verschwindet das Pigment. Der Kalilauge und Schwefel- ammonium gegenüber verhält sich das Plasmodiumpigment ganz abweichend, indem es zu einer vollständigen Auflösung desselben kommt. Auch hier ist ein Einwand zu gewärtigen, dass die Resul- tate dieser Versuche nur beweisen, dass es möglicherweise ver- schiedene melanotische Pigmente giebt und weder für noch gegen den hämatogenen Ursprung des Pigments sprechen. Es haben auch thatsächlich Nencki und Sieber?) gezeigt, dass das Pigment der Chorioidea, der Haare beim Menschen und der Pferdeschweifhaare untereinander nieht identisch ist. 1) An dieser Stelle möchte ich noch auf eine Arbeit von John Abel und W. Davis, On the Pigment of the Negros skin and Hair in Journal of experimental Med. I. Bd. I. Heft 1896 hinweisen, welche mir leider nicht zugänglich war, und über welche sich ein kurzes Referat im letzten Heft (40. Bd. 1. Heft) des Archivs für Dermat. u, Syphilis befindet. 2) N. Sieber, Ueber das Pigment der Chorioidea und der Haare. Archiv für experim. Pathologie Bd. 20. 1886. Nencki und Sieber, Weitere Beiträge zur Kenntniss der thierischen Melanine. Ebendaselbst Bd. 24. 1888. Studien über die Abstammung und die Bildung des Hautpigments. 369 Aber auch dieser Einwand kann die Lehre vom hämato- genen Ursprung des Pigments nicht retten, da es mir gelungen ist, bei manchen wirbellosen Thieren, deren Blut eines specifi- schen Farbstoffs entbehrt, ein Pigment nachzuweisen, welches dem melanotischen Pigment des Plasmodiums, das als ein elassi- sches Beispiel eines hämatogenen Pigments hingestellt wird, sehr ähnlich ist. Von den wirbellosen Thieren habe ich hauptsächlich höhere Crustaceen in den Bereich meiner Untersuchungen BeZDESB: und zwar manche Dekapoden und Isopoden. Diese Thiere besitzen unter anderem ebenfalls ein schwarzes Pigment, welches in dasjenige bei den Wirbelthieren an eine leuchtend-graue Substanz gebunden ist und welches dieselben optischen Effeete aufweist. Der Salzsäure, Salpetersäure und schwacher Schwefelsäure gegenüber verhält sich das Pigment ähnlich wie dasjenige der Wirbelthiere, dagegen bewirken Kalilauge und Schwefelammonium in Uebereinstimmung mit dem Pigment des Malariaparasiten und im Gegensatz zu demjenigen der Wirbelthiere eine Auflösung des Pigments. Wir sehen also, dass das schwarze Pigment der er- wähnten Wirbellosen auch chemisch sich ähn- lich verhält, wie das Pigment des Plasmodiums und dass somit eines der wichtigsten Argumente der Anhänger der Lehre vom hämatogenen Ur- sprung des Pigments auch chemisch sich als unhalt- bar erweist. II. Die Bildung des Pigments. Nach den bisherigen Ausführungen wende ich mich an die weiteren Untersuchungen. Ich habe durch verschiedene Hautstücke von Säugethieren (Hund, Katze, Maus, Mensch) eine grössere Anzahl von lücken- losen Serienschnitten angefertigt und fand wiederholt pigmentirte Epidermiszellen, ohne dass Pigmentzellen auf wei- tere Strecken zu finden waren, so dass an eine selb- ständige Bildung von Pigment in den Epidermiszellen gedacht werden musste, da absolut keine Anhaltspunkte dafür vorhanden waren, dass das Pigment etwa aus der Cutis in die Epidermis 370 B. Rosenstadt: eingewandert wäre. Solche Befunde stehen durchaus nicht ver- einzelt da. So fand Jarisch!) bei zahlreichen Objekten eben- falls nur die Epidermiszellen pigmentirt, während in der Cutis kein Pigment oder nur vereinzelte Körnchen anzutreffen waren. Auch Philippson?), der eine ganz eigenartige kaum haltbare Lehre von der Pigmentbildung aufgestellt hat, hebt ebenfalls hervor, dass man oft bei Säugethieren die Epidermiszellen stark pigmentirt findet, und gleichzeitig in der Cutis Pigmentzellen vermisst. Aber die unzweideutigsten und für die Lehre von der autogenen Bildung des Pigments in den Epidermiszellen wohl am meisten beweisende Befunde hat Schwalbe?) beim Herme- lin gemacht. Er fand nämlich, dass in der Rückenhaut zu keiner Zeit des Jahres die Cutis oder das Unterhautbindegewebe ebenso wenig wie die Haarpapille und der bindegewebige Haarbalg Pigment enthalten, während in den Rückenhaaren beim Frühlings- wechsel Pigment auftritt, welches also nicht durch Pigmentzellen aus dem unterliegenden Bindegewebe eingeschleppt werden konnte, sondern welches lediglich epithelialer Abstammung sein muss. Auch in dauernd pigmentirten Hautstücken finden sich weder beim Winter- noch beim Sommerthier Pigmentzellen im Binde- gewebe. | Auch Post*) fand Verhältnisse, die für die autogene Bil- dung des Pigments in den Epidermiszellen sprechen, doch schei- nen mir nicht alle seine Angaben einwandsfrei zu sein. Ich glaube, dass meine Befunde und alle erwähnten An- gaben vollkommen hinreichen, um den Satz begründen zu können, dass die Epidermiszellen ebenso wie die Binde- sewebszellen Pigment selbständig zu bilden ver- mögen. Ich war aber nieht in der Lage, an dem mir zu Gebot stehenden Material Schritt für Schritt die Bildung des Pigments zu verfolgen ; ich habe deshalb noch andere Objecte in den Bereich meiner Untersuchungen gezogen, die, wie mir scheint, geeignet I) Jarisch, 1. e. 2) Philippson, Ueber Hautpigment. Fortschritte der Mediein. VIII. Jahrgang. 1890, p. 216. 3) Schwalbe, 1. c. p. 559, 563. 4) H. Post, Ueber normale und pathologische Pigmentirung der Oberhautgebilde. Virchow’s Archiv Bd. 135. 1894. Studien über die Abstammung und die Bildung des Hautpigments. 371 sind zur Genüge darzuthun, dass sowohl in den Abkömmlingen des Ektoderms als in solchen des Mesoderms Pigment selbständig gebildet werden kann. Mir standen zu diesem Zwecke sämmtliche Stadien der Entwicklung des Hühnchens zur Verfügung, und zwar Serien- schnitte vom Schnabel, von Nägeln, Läufen, Zehen. Etwa zwischen dem 13. und 14. Tage der Entwicklung trifft man in der Cutis Pigment an. In diesem Stadium der Entwieklung sowie in den folgenden lässt sich sehr schön die successive Bildung des Pigments resp. der Pigmentzellen ver- folgen. Die Cutisanlage besteht zu der erwähnten Zeit aus spin- delförmigen Bindegewebszellen. Man sieht nun im Protoplasma derselben, welches vollkommen farblos ist, um den Kern herum, sehr winzige Pigmentkörnchen auftreten, die immer grösser und zahlreicher werden, bis sie schliesslich die ganze Zelle ausfüllen, und die dann nach verschiedenen Richtungen Ausläufer auszu- senden beginnen. Wenn Fischel!) das Pigment in der Weise entstehen lässt, dass sich in den späteren Pigmentzellen immer reichlieher Körnehen entwickeln, die Anfangs lichter sind und später die dunkle Farbe annehmen, so muss ich dem gegenüber behaupten, dass ich schon von Anfang an in den kleinsten Pigmentkörnchen die eharakteristischen optischen Eigenschaften des melanotischen Pigments constatiren konnte. Was das erste Auftreten der Pig- mentzellen anbetrifft, so finde ich, dass es in der Anlage der Cutis keine bestimmte Zellform giebt, welche sich zu Pigmentzellen umwandeln würde, sondern jede Bindegewebs- zellleiz useiner»Pigmentz elle: suech-umbildem kann: Ich muss das Ehrmann gegenüber betonen, der angiebt, dass die Pigmentzellen oder die Melanoblasten, wie er sie passend bezeichnet, von Anfang an, noch bevor in ihnen die Pigment- granula zur Ablagerung kamen, von den übrigen Bindegewebs- zellen sich unterscheiden lassen. Bei Salamandra- und Triton- embryonen treten nach seiner Angabe die Pigmentzellen als spin- delförmige, wetzsteinförmige oder ovale Gebilde auf, welche An- 1) Fischel, Ueber Beeinflussung u. Entwickelung des Pigments. Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. 47. 1896, pag. 732. 312 B. Rosenstadt: fangs noch keine Fortsätze besitzen und nicht pigmentirt sind. Erst später treten sie durch Ausläufer untereinander und mit den Zellen des übrigen Bindegewebs in Beziehung. Beim Hühnchen habe ich derartige Beobachtungen selbst in den frühesten Stadien der Entwieklung nieht gemacht. Ich finde hier gar keine Zellen, welche man, bevor in ihnen das Pigment zur Bildung kam, als Melanoblasten ansprechen könnte. Die ganze Cutisanlage be- steht hier, wie ich erwähnt babe, aus spindelförmigen Zellen, die einander vollkommen gleich sind. Irgend welche Verfärbung der zu Melanoblasten sich umbildenden Bindegewebszellen, wie sie Ehrmann beschreibt, habe ich beim Hühnchen ebenfalls nicht constatiren können. In derselben Zeit, als in der Cutis Pigment sich zu bilden beginnt und zum Theil schon früher bemerkt man auch in den Zellen des Epitrichiums vereinzelte Pigmentgranula. Das Epitrichium, dem, wie ich !) gezeigt habe, nur eine phylogenetische Bedeutung zukommt, wird unter keratohyaliner Degeneration seiner Zellen abgestossen. Diesem Umstand dürfte es auch zuzuschreiben sein, dass die Pigmentirung hier eine nur ganz spärliche wurde und nicht alle Zellen betrifft. Unter dem Epitriehium befindet sich am Schnabel des Hühnchens die Anlage des sog. Eizahnes, dessen Zellen be- sonders an der Stelle, wo der Kern sich befindet, melanotische Pigmentgranula enthalten. Nichts einfacher war, als anzunebmen, dass in diesen Fällen die Pigmentgranula in die Zellen durch die Ausläufer der Pigmentzellen hineingetragen worden. Ich war nun bemüht, dies durch den Zusammenhang einer derartigen Zelle mit dem Ausläufer einer Pigmentzelle nachzuweisen. Das gelang mir aber durchaus nicht. Ich fand dabei, dass die Aus- läufer der Pigmentzellen niemals die Zellen des Epitrichiums und der Anlage des Eizahnes erreichen, sondern ausschliesslich auf die unteren Reihen der embryonalen Epidermis beschränkt bleiben. In dieser Beziehung befinde ich mich in voller Ueber- einstimmung mit ©. Kerbert 2), der ebenfalls niemals sah, dass 1) B. Rosenstadt, Ueber das Epitrichium des Hühnchens. Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. 49. 1897. 2) Kerbert, Ueber die Haut der Reptilien und anderer Wirbel- thiere. Archiv für mikroskopische Anatomie Bd. 13. 1876. Studien über die Abstammung und die Bildung des Hautpigments. 373 die Ausläufer der Pigmentzellen, die er zuerst beschrieben hat, die „Körnerschicht‘“ (Epitrichium) erreichen. Ich war also wie- derum gezwungen anzunehmen, dass wir es hier mit einer sog. metabolischen Thätigkeit der Zellen zu thun haben, dass sich also die Pigmentgranula an Ort und Stelle gebildet haben. Ich habe zwar nicht beabsichtigt pathologische Objecte, als mir ferner liegend, zu untersuchen, ich habe es dennoch nicht unterlassen, ausgezeichnete Schnitte von Naevus pigmentosus, die mir von Eduard Spiegler zur Verfügung gestellt wurden, in den Bereich meiner Untersuchungen zu ziehen und das>unm so weniger, als sich hier genau dieselben Verhältnisse, nur noch in reichlicherem Maasse entwickelt vorfanden, die ich in der Cutis des Hühnchens beschrieben habe. In der Cutis der besagten Hautschnitte finden wir wiederum eine grössere Anzahl von fixen Bindegewebszellen, in welchen sich die stufenweise Ablagerung von Pigmentkörnchen verfolgen lässt. Während in einen im Protoplasma, um den Kern herum, nur vereinzelte melanotische Pigmentkörnchen zu finden sind, sieht man in anderen eine grössere Anzahl derselben auftreten. Von der Beschreibung der weitern Stadien der Pigmentbildung absehend, finden wir endlich mit vielen Ausläufern versehene Zellen, die mit Pigmentkörnchen voll gepfropft sind. In den fertigen Pigmentzellen scheinen die Granula weiter zu wachsen, wobei es sogar zur Verschmelzung mehrerer zu Riesenkörnern kommen kann. Hervorheben will ich noch, dass man in der Cutis weder Hämorrhagien noch Hämatinschollen findet und dass die Pigmentzellen durchaus nicht in der Nähe von Blutgefässen angeordnet sind. Es war nun ferner von Interesse festzustellen, wie sich die Bildung des Pigments bei den wirbellosen Thieren verhält, um zu sehen, ob sich hier nicht Verhältnisse ergeben, die denjenigen bei den Wirbelthieren ähnlich sind. Ich habe zu diesem Zweck mehrere Dekapoden untersucht, zunächst Lucifer reynaudii M. Ed., über dessen Organi- sation und postembryonale Entwicklung ich kürzlich berichtet habe. Dieser primitive Dekapod bleibt zeitlebens unpigmentirt. Die Elemente der Retina jedoch besitzen ein schwarzes Pigment. Obwohl mir zur entwickelungsgeschichtlichen Untersuchung, wie 374 B. Rosenstadt: ich in meiner Arbeit erwähnt habe !), nur Stadien vom Acan- thosoma aufwärts zur Verfügung standen, also Stadien, in denen das Auge bis auf den Augenstiel schon entwickelt ist, so habe ich unter meinem reichhaltigen Material auch solche ge- funden, die jünger waren und bei denen das Pigment in den Elementen des Auges noch nicht vollständig entwickelt war. Man findet manchmal auch erwachsene Thiere, deren Pigment- zellen noch nicht vollständig pigmentirt sind. Das mag dem Umstand zuzuschreiben sein, dass das Pigment hier, wie ich anderswo auseinandergesetzt habe, keine physiologische Rolle zu spielen scheint. Ausserdem habe ich die Augen von sehr jungen Stadien von Dromia vulgaris untersucht, die noch nicht vollständig entwickelt waren, indem der Kıystallkegel seine volle Ausbildung noch nicht erlangt hatte und die Pigmen- tirung noch nicht überall eine vollständige war. In solehen Präparaten lässt sich nun die stufenweise Verfolgung der Pigmentbildung sehr schön verfolgen. Während manche Re- tinulazellen nur vereinzelte Pigmentkörnehen in ihrem oberen Ende enthalten, kann man in anderen wiederum eine grössere Anzahl derselben finden, in manchen ist schon eine weitere Strecke der Retinulazellen pigmentirt, und endlich finden sich Retinulazellen, in denen die von oben nach unten fortschrei- tende Pigmentirung schon perfeet war. Bei Lueifer reynaudii, welcher, wie gesagt, zeitlebens unpigmentirt bleibt, kann ich also sicher behaupten, dass das Pig- ment in die Retinulazellen nieht von aussen, etwa dureh be- sondere Chromatophoren hineingebracht wurde, sondern an Ort und Stelle entstanden sein musste. Ebenso wies Dromia vul- garis noch keine Spur von Pigment auf, so dass auch hier derselbe Schluss gerechtfertigt erscheint. In den Augen von erwachsenen Dekapoden, die ich früher untersucht habe, gestalten sich die Verhältnitse schon compli- eirter, indem hier ausser dem Pigment in den Retinulazellen speeielle pigmentführende Zellen noch vorhanden sind, welche für uns ein gewisses Interesse haben. 1) B. Rosenstadt, Untersuchungen über die Organisation und postembryonale Entwicklung von Lueifer reynaudi. Zoolog. Jahrb. Morphol. Abth. Bd. IX. 1896. Studien über die Abstammung und die Bildung des Hautpıgments. 375 Wie ich in den diesbezüglichen Untersuchungen gezeigt habe !), besitzt jedes Einzelauge um den Krystallkegel, resp. un seine Matrix herum vier Pigmentzellen, welche zweifellos Ekto- dermzellen sind. Dieselben sind mit zwei, einem nach vorm und einem nach hinten gerichteten Ausläufern ausgestattet. Je nachdem die Augen der betreffenden Thiere in Dunkel- oder Liehtstellung sich befinden, sind die Pigmentzellen mit Pigment beladen, oder nicht. Im letztern Falle bewegt sich das Pigment an den Fortsätzen, wahrschemlich durch Contraetionen des Protoplasmas dazu veranlasst, und infiltrirt die auch” sonst selbständig pigmentirten Retinulazellen. Aehnlich verhält es sich mit den von mir zuerst nachgewiesenen Pigmentzellen, die ich als Retinapigmentzellen bezeichnet habe. Wir haben also hier eine Pigmentinfiltration von Ektoderm- zellen durch Zellen, welehe ebenfalls aus dem Ektoderm stammen. Kölliker 2) der die Ansicht vertritt, dass das Pigment aus dem Blut stammt, giebt ebenfalls zu, dass bei den Wirbelthieren das Retinapigment selb- ständig gebildet wird. Auch bezüglich der Oberhäute hebt Kölliker?) hervor, dass es in vielen Fällen nicht mög- lich ist, ein Einwandern gefärbter Bindegewebszellen nachzu- weisen; nicht einmal in der Nähe des pigmentirten Epithels sind solche Zellen zu finden. Auch Cornil und Ranvier*) nehmen an, dass das Pigment der Iris und Chorioidea ein vom Blutfarb- stoff unabhängiges Produet der Zellen darstellt. Gelegentlich einer Zusammenkunft mit Ehrmann habe ich demselben von den soeben geschilderten Verhältnissen Mit- theilung gemacht. Er erwiderte mir darauf, dass es sich hier ja.um Ektodermzellen handle, welche unter ganz andern Be- dingungen leben, als die Epidermiszellen. Das ist allerdings richtig. Hier gilt es aber die prineipielle Frage zu entscheiden, 1) B. Rosenstadt, Beiträge zur Kenntniss des Baues der zu- sammengesetzten Augen bei den Dekapoden. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 47. 1896. 2) Kölliker, Ueber die Entstehung des Pigments in den Ober- hautgebilden. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie Bd. 45. 1887, p. 717. 3) Kölliker, Gewebelehre. II. Auflage, p. 202. 4) Cornil et Ranvier, Manuel d’Histologie path. T. I p. 52, 170. 376 B. Rosenstadt: ob überhaupt Ektodermzellenim Stande sind selbständig Pigment zuerzeugen? Haben wir ein- mal diese Frage im positiven Sinne entschieden, so können wir keine prineipiellen Bedenken mehr haben, dass auch andere Ab- kömmlinge des Ektoderms Pigment selbständig bilden können. Ich habe des weitern die Pigmentirungsverhältnisse des Integuments bei manchen Isopoden, wie Cymothoe, Ido- thea und anderen untersucht. Das Integument ist hier sehr einfach gebaut: auf eine mehr oder minder dieke Cutieula folgt die aus einer Schicht von Cylinderzellen zusammengesetzte Hypo- dermis, der sich die blasigen Bindegewebszellen anschliessen. Die Pigmentirung erfolgt hier durch Pigmentzellen, welche man in der Regel dicht unter den Hypodermiszellen findet, niemals aber lässt sich eine Infiltrirung der letzteren mit Pigment beob- achten. Wenn man ganz junge noch nicht vollständig pigmentirte Thiere zur Untersuchung heranzieht, so lässt sich die Bildung der Pigmentzellen leicht verfolgen: man überzeugt sich auch hier, dass jede Bindegewebszelle durch Ablagerung von Pigment zu einer Pigmentzelle sich umzubilden im Stande ist. Die Lehre vom hämatogenen Ursprung des Pigments konnte also als unzutreffend zurückgewiesen werden. Zugleich versuchte ich den Nachweis zu führen, dass die Zellen selbst, und zwar solche des Ektoderms als des Mesoderms Pigment selbständig zu bilden vermögen. Es fragt sich nur, welcher Theil der Zelle hierbei in Betracht kommt? Ueber diese Frage liegen bereits einige Angaben vor, und zwar von Mertsching'!), Kodis?) und Jarisch?), die dahin gehen, dass das Pigment aus dem Kern stammt. Diese Ansicht kann von vornherein nicht ausge- 1) Mertsching, Histologische Studien über Keratohyalin und Pigment. Virchow’s Archiv Bd. 116. 1889. 2) Kodis, Epithel und Wanderzelle im Epithel des Froschlarven- schwanzes. Archiv für Anat. und Physiologie. Physiolog. Abth. Sup- plementb. 1889, 3) Jarisch, |. c. Studien über die Abstammung und die Bildung des Hautpigments. 377 schlossen werden. Ist ja schon bekannt, dass der Kern an der kera- tohyalinen, fettigen, colloiden und schleimigen Degeneration sich betheiligt. Warum sollte es dann nicht möglich sein, dass sich der Kern auch an der Pigmentdegeneration betheiligt? Es wäre nur ganz verfehlt, wollte man, wie das von mancher Seite ge- schah, das Pigment von der ehromatischen Substanz des Kernes ableiten. Das Chromatin und das Pigment haben mit einander nichts Gemeinsames. Die Angabe Ehrmann’s, dass das Pigment niemals in den Kernen beobachtet wurde, ist nicht richtig. Steinhaus!) beschrieb es bereits in den Kernen bei Melanosarkom und ich beobachtete es jetzt in der Niekhaut des Frosches und in der Anlage des sog. Eizahnes beim Hühnchen. Das berechtigt aller- dings noch zu keinen Schlüssen, denn es kann ja noch leicht möglich sein, dass das Pigment aus dem Protoplasma in den Kern eingewandert ist. Denn soweit meine Erfahrungen reichen, sind aber bis jetzt keine Anzeichen dafür gefunden worden, dass das Pigment aus dem Kern stammt. Die diesbezüglichen Specu- lationen Jarischs’, der „die Pigmentfrage, soweit sie das Ober- hautpigment betrifft, der Hauptsache nach für gelöst erachtet“, kann ich keineswegs gelten lassen. Jarisch fand nämlich in den Epidermiszellen von Tritonlarven neben dem Kern eigenthümliche Körper, die angeblich aus dem Kern ausgetreten sind und die mit den tingiblen Körpern von Flemming und den pyrenogenen Körpern Löwit’s identisch sein sollen. Diese Körper sah Jarisch in Pigment sich umwandeln. Ich habe über diese Körper keine Erfahrungen. Sowohl beim Hühnchen als bei Säugethieren habe ich in der Epidermis solche Körper nicht gesehen. Solange keine positiven Beweise dafür vorliegen, dass das Pigment aus dem Kern stammt, wird es wohl ungezwungener sein, wenn man dasselbe als ein Ausscheidungsproduct des Proto- plasmas hinstellen würde. Selbst wenn solche Beweise gelingen sollten, würde es schwer fallen, den Kern allein für die massen- hafte Production des Pigments verantwortlich zu machen, und wir müssten auch dann hierbei das Protoplasma in Betracht ziehen. 1) Steinhaus, Ueber abnormale Einschlüsse in den Zellkernen menschlicher Gewebe. Centralblatt für all. Path. und path. Anatomie Bd. II. 1891. 378 B. Rosenstadt: III. Die Pigmentirung der Haut. Jetzt fragt es sich, in welcher Weise erfolgt die Pigmenti- rung des Integuments? Auf diese Frage finden wir in der Literatur die mannigfach- sten, einander diametral sich widersprechenden Antworten, von denen ich hier in aller Kürze einige folgen lassen will. Ehrmann!) (1885) war der erste, der zu beweisen suchte, dass beim Frosch das Pigment, welches in der Cutis gebildet wird, in die Epidermiszellen ausschliesslich durch die Pigment- zellen, die unter der Epidermis, um die Gefässe herum, Netze bilden, hineingelangt. Er giebt drei Hauptetappen an, auf denen das Pigment in die Epidermis hinaufsteigt. Auch beim Menschen und anderen Säugethieren ziehen Fäden vom subepithelialen Pig- mentnetz in die Epidermis, welche den Weg darstellen, auf wel- chen das Pigment in die letztere gelangt. Nach Elsässer?) (1886) ist das autochtone Pigment (er unterscheidet auch ein hämatogenes) ist an zweierlei Zellen gebunden, an, die Epithelien des Rete und an die bindegewebigen Zellen der Cutis, welche in die Epidermis aufsteigen können. Beim Affen beschreibt Krause?) (1588) den Uebertritt von Pigmentkörnchen aus verästelten Zellen der Cutis in die Epidermiszellen. Nach den Untersuchungen von Kargt) (1888) giebt es nur einen Modus der Entstehung des Pigments: aus der Leder- haut dringen pigmentirte Zellen in die Epidermis, verästeln sich hier und geben ihr Pigment an die Epithelzellen ab. „Ein pri- märes Entstehen von Pigment in den Zellen der Epidermis, sagt Karg, etwa ein Ausfällen von Pigmentkörnchen aus dem Zell- protoplasma infolge irgend welchen chemischen Vorganges, konnte ich mit Entschiedenheit von der Hand weisen; überall dort, wo 1) Ehrmann, |. ce. Vierteljahrschrift f. Dermat. u. Syphilis. XI. Jahrg. 1885. 2) Elsässer, Studien über Pigmentflecke der Haut. Dissert. Berlin 1886. 3) Krause, Dissertation. Berlin 1888. 4) Karg, Studien über transplantirte Haut. I. Entwicklung und Bedeutung des Hautpigments. Arch. für Anatomie und Physiologie. Anat. Abtheilung. Jahrgang 1888. Studien über die Abstammung und die Bildung des Hautpigments. 379 sich Pigment in der transplantirten weissen Haut fand, war es übergewandert aus den aus der Cutis stammenden und. in das Epithel eingedrungenen sternförmigen Pigmentzellen.“ Die Auf- nahme von Pigmentkörnchen durch die Epithelzellen ist eine Art Phagocytose. Das zusammenhängende Netzwerk von Pigment- zellen, das Ehrmann beschreibt, fehlt inKarg’s Präparaten vollständig. ‚Man würde, sagt er, nicht verstehen, wie das Pig- ment gegen die Epidermis gelangen sollte, wenn den Pigment- zellen die Fähigkeit der Ortsbewegung nicht zukommen sollte.“ Die Pigmentzellen sind nach ihm den fixen Bindegewebszellen analog, die dann mobil werden. Nach List!) (1839) wandert das Pigment an Bindesub- stanzzapfen des Coriums in das Epithel ein. In der gesunden menschlichen Haut fand Caspary?) (1891) ebenso wie im Schweinsrüssel keine strahligen Pigmentzellen. Das Pigment war hier nur an die Cylinderzellen gebunden; im Corium jedoch waren spindelförmige Zellen mit dem gleichen Pigment vorhanden. In der Serotalhaut eines an Morbus Addison. Leidenden fand Caspary strahlenförmige Pigmentzellen in der Epidermis und auch solehe im Corium und konnte das Eindringen derselben beobachten.“ Esliegt nahe, sagt Caspary, zu folgern, dass für das Pigment der Oberhaut zweierlel von einander un-: abhängige Quellen bestehen, die übrigens’keineswegs immer gleich- zeitig zu fliessen brauchen. Darnach hätten die basalen Epithel- zellen auch die Fähigkeit, selbständig zu erzeugen, wie Retina- pigmentzellen. Unter Hinweis darauf, dass die topographischen Beziehungen der Pigmentzellen zu den Blutgefässen nicht als beweisend an- gesehen werden können für die Abstammung des Pigments aus dem Blut, will Jarisch) nicht anerkennen, dass die Ehrmann- schen drei Stufen der Pigmentinfiltation als drei Stadien der Pig- menteinwanderung gedeutet werden und gelangt auf Grund seiner Untersuchungen an Froschlarven zu der Annahme, dass das Pig- 1) List, Zur Herkunft des Pigments in der Öberhaut. Anat. Anzeiger Bd. IV. 1889, 2) J. Caspary, Ueber den Ort und die Bildung des Haut- pigments. Archiv für Dermatologie und Syphilis. 1891. Jahrg. Sy darisch, Lie. 380 B. Rosenstadt: ment nur im Ektoderm gebildet wird. Wenn man aber bedenkt, dass Jarisch seine Untersuchungen an originär pigmentirten Thieren, das heisst an solchen, deren Eier von Haus aus Pigment enthalten, angestellt hat, so bleibt seine Annahme ganz ohne Stütze. Die verzweigten Pigmentzellen, die Jarisch in der Epi- dermis fand, hält er für modifieirte Ektodermzellen, in denen sich Pigment gebildet hat. In den Larvenzähnen, die Jarisch auch untersucht hat, soll ‚auch das Pigment an Ort und Stelle entstehen. Das körnige Pigment der Oberhaut soll sich aus den Dotterplättehen bilden. Schwalbe!) hat nachgewiesen, 1. dass eine Pigmentirung der Cutis vorkommen kann bei vollständiger Farblosigkeit der Epidermis und der Haare und 2. dass eine rein epitheliale Pig- mentirung vorkommt ohne Spur von Pigment im unterliegenden Bindegewebe. Eeine Einschleppung des Pigments’ aus der Cutis in die Epidermis leugnet Schwalbe. Nach den Untersuchungen von Post?) bildet sich das Pigment sowohl im Corium als in der Epidermis. Das Ver- hältniss der beiden Pigmente zu einander gestaltet sich fol- gendermaassen : „An einem Ort, wo die Oberhaut eine energische Pigmentbildung entfaltet, wird daselbst alle pigmentbildende Sub- stanz verbraucht werden und das Bindegewebe daher pigmentisch bleiben. Das ist der Fall bei der Entwicklung dunkler Federn und Haare. In der pigmentirten Haut ist die Pigmentbildung der Epidermiszellen nicht so beträchtlich. Es wird nicht alle pigmentbildende Substanz im Epithel verbraucht, und es treten nun die Pigmentzellen des Bindegewebes als zweckmässige Re- gulatoren des Stoffwechsels auf, indem sie die für den Organis- mus wohl nicht indifferente Substanz zu Pigment umwandeln und dieses in unschädliche Stoffe überführen.“ Dass sich pigmentirte oder unpigmentirte Bindegewebszellen mit einem Theil ihres Leibes im Bindegewebe, mit dem anderen zwischen den basalen Zellen befanden, konnte Post?) nirgends constatiren. 1) Schwalbe, Il. c. p. 576. 2)’P.o'st, 1. ep. 4%. 8) Post, 1.'c. p--482, Studien über die Abstammung und die Bildung des Hautpigments. 381 Hans Rabl!) hat Chromatophoren in der Cutis gefunden, während im Epithel noch kein Körnehen zu sehen war. Es hat sich ihm ferner herausgestellt, dass das Pigment im Epithel voll- kommen unabhängig von dem des Bindegewebs auftritt. Die subepithelialen Pigmentzellen sollen niemals Fortsätze ins Epithel entsenden, sondern immer glatt unterhalb desselben ausgebreitet sein. Aus den angeführten Literaturangaben ist es allerdings schwer, eine bestimmte Vorstellung darüber zu gewinnen, wie denn eigentlich im Thierreiche die Pigmentirung der Haut erfolgt. Der Grund hierfür mag darin zu suchen sein, dass man bei der Aufstellung der Pigmentirungsgesetze zu rasch zu Werke ging, dass vereinzelte Befunde generalisirt wurden, ohne darauf Rück- sicht zu nehmen, dass die Pigmentirung des Integuments, welche Bedeutung man derselben auch immer beilegen wollte, eine nu- tritive oder eine schützende, mit den äusseren Bedingungen innig verknüpft ist, deren Manmnigfaltigkeit allein schon bei der Beur- theilung einzelner Befunde zu einer gewissen Vorsicht mahnen sollte. Nach meinen Erfahrungen erfolgt die Pigmentirung der Haut bei verschiedenen Thieren, sogar manchmal bei einem und demselben Thiere durchaus nicht in einer einheitlichen Weise, sondern es kommen dabei einige Modifikationen vor. Der einfachste Modus der Pigmentirung des Integuments findet sich bei den Wirbellosen. Hier sahen wir wenigstens bei den von mir untersuchten Objeeten, dass die Hypodermiszellen keine Spur von Pigment aufweisen und dass die Pigmentirung lediglich durch verzweigte unter den letzteren gelegene Pigment- zellen bewerkstellist wird, wobei die letzteren näher oder ent- fernter von den ersteren sich befinden. Complieirter gestalten sich die Verhältnisse bei den Wir- belthieren. Bei den niederen Wirbelthieren wird die Haut pigmentirt durch Melanoblasten, die sich im der Cutis aus fixen Bindege- webszellen bilden und die ihr Pigment theilweise an die Epider- miszellen abgeben. Ich halte es für eine ausgemachte Thatsache, dass das bei niederen Wirbelthieren der einzige Modus der Pig- 1) H. Rabl, Ueber die Herkunft des Pigments in der Haut der Larven der urodelen Amphibien (Salamandra maculosa). Anat. Anz. Bd. X. 1895, p. I; 16. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 D4* 382 B. Rosenstadt: mentirung der Epidermis darstellt. Es liegen bis jetzt keine positiven Beweise dafür vor, dass das Pigment in der Epidermis selbständig gebildet wird. Bei den Vögeln (Hühnchen) finden sich auch dieselben Ver- hältnisse; die Pigmentirung erfolgt hier durch die Melanoblasten der Cutis, die das Pigment an die Epidermiszellen abgeben. Im embryonalen Zustande jedoch vermögen manche nur auf das Em- bryonalleben beschränkte Gebilde Pigment selbständig zu erzeugen, es sind das die Zellen des Epitrichiums und des Eizahnes. Am complieirtesten erfolgt die Pigmentirung bei den Säuge- thieren. Ausser den Bindegewebszellen haben hier auch die Epidermiszellen die Fähigkeit gewonnen, Pigment selbständig zu bilden und dadurch ergeben sich nach meinen Untersuchungen folgende Pigmentirungsverhältnisse: 1. Die Epidermiszellen enthalten selbständig gebildetes Pigment und gleichzeitig vermisst man in der Cutis vollständig die Melanoblasten. 2. Die Epidermiszellen enthalten Pigment und gleichzeitig findet man in der Cutis Pigmentzellen; es lässt sich aber zwischen den beiden Arten von Pigmentzellen kein Zusammenhang nach- weisen. 3. Die Epidermiszellen sind pigmentirt, und die Pigment- zellen der Cutis senden ihre pigmentirten Fortsätze in die Epi- dermis ein. Einen Grund für die Mannigfaltigkeit in der Pigmentirung der Haut vermag ich nicht anzugeben. Jedenfalls dürften dabei äussere Umstände im Spiel sein, und es bleibt der weiteren For- schung vorbehalten, die Rolle derselben bei der Pigmentirung näher zu ermitteln, und dadurch wird auch die Frage nach der Bedeutung des Pigments überhaupt einer Lösung zugeführt wer- den können. Man hat in der Pigmentirung der Epidermis einen nutritiven Vorgang erblicken wollen. Aeby!), der die Ansicht aussprach, dass das Pigment nur in der Cutis sich bildet und von hier durch Pigmentzellen der Epidermis zugeführt wird, erklärte diese Erscheinung dahin, dass es sich hier um eine Zufuhr von Nährstoffen für die Epidermis 1) Aeby, Centralbl. f. d. med. Wiss. 1885. Jahrg. Studien über die Abstammung und die Bildung des Hautpigments. 383 handelt. Aeby hat leider keine ausführlichere Arbeit über seine Untersuchungen hinterlassen, so dass die Gründe für seine Annahme gar nicht bekannt sind. Mir scheint aber, dass sich für diese Ansieht auch kein triftiger Grund finden lassen würde. Auch Karg!) schliesst sich der Aeby’schen Ansicht an und meint: „der Altmann’schen Hypothese folgend würden wir in der Zufuhr der Pigmentkörnehen (die den Altmann ’schen Bioblasten entsprechen) eine Zufuhr von Bioblasten haben.“ Ich will nur auf einige pathologische Erscheinung hinweisen, die uns zur Genüge darthun werden, dass es sich bei der Pigmen- tirung keineswegs um eine Nahrungszufuhr handeln kann. Bei Vitiligo, bei der die Retezellen jedes Pigments entbeh- ren, zeigt die Epidermis vollkommen normale Verhältnisse. Würde es sich bei der Pigmentirung um einen nutritiven Vorgang han- deln, so müsste man hier erwarten, dass solehe Hautpartien, als ungenügend genährt, der Degeneration oder anderweitigen rück- gängigen Veränderungen anheimfallen würde, was aber, wie mir Ed.Spiegler versichert, niemals eintrifft: die Epidermis bleibt an solehen entfärbten Stellen nach wie vor intact. Umgekehrt bei der senilen Atrophie der Haut haben die Retezellen viel mehr Pigment. Der Albinismus spricht ja auch zur Genüge gegen die nutritive Bedeutung des Pigments. Aehnlich dürfte es sich auch bei den wirbellosen Thieren, wenigstens bei den von mir bis jetzt untersuchten Formen ver- halten, bei denen die Hypodermiszellen ganz pigmentfrei sind. Wenn man die niederen Thiere in Betracht zieht, die mit Hilfe der Pigmentzellen ihr Integument den äusseren Medien an- passen, um auf diese Weise drohenden Gefahren zu entgehen, wenn man ferner die intensive Pigmentirung der gefärbten mensch- lichen Rassen, die lichte Färbung der nördlichen und die dunk- lere der südlichen Einwohner berücksichtigt, so scheint in allen diesen Fällen die Pigmentirung nichts anderes als eine Schutz- vorriehtung des Organismus darzustellen. Eine präeise Antwort auf die aufgeworfenen Fragen kann allerdings nur das Experiment liefern. IE Karsi-Lie 384 B. Rosenstadt: Studien über die Abstammung etc. Zum Schlusse möchte ich noch allen Herren, die mich bei dieser Arbeit unterstützt haben, meinen besten Dank abstatten. Zum besonderen Dank aber bin ich meinem hochverehrten Freunde, Herrn Phil. et Med. Dr. Eduard Spiegler, Docenten der Dermatologie und Assistenten an der hiesigen dermatologischen Klinik verpflichtet, der mir besonders in dermatologischen Fragen in liebenswürdigster Weise rathend zur Seite stand. 385 Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Reptilien. Von F. Leydig. Hierzu Tafel XIX, XX u. XXL Zirbel. Die morphologische Bedeutung der lange Zeit hindurch so überaus räthselhaft gebliebenen Zirbel des Gehirns haben zuerst, unabhängig von einander, Rabl-Rückhard und Ahlborn durch ihre Untersuchungen insoweit aufzuklären gewusst, dass man jetzt in dem Organ eine nicht zu weiterer Ausbildung ge- langende Augenanlage erblicken darf. Was ich selber nach dieser Richtung hin zu verfolgen in der Lage war, liess sich mit gedachter Auffassung nicht bloss vereinigen, sondern konnte auch zu derer Bekräftigung dienen. Seitdem habe ich die betreffenden Studien an einigen Reptilien weiter fortgeführt und wünsche, dass die im Nachfolgenden ge- gebenen Mittheilungen, indem sie manche Lücken ausfüllen, zur Förderung unserer Kenntniss des Organs beitragen mögen. Saurier. Aus der Abtheilung der Geckonen hatte ich seiner Zeit!) ein Exemplar von Platydactylus mauri- tanieus und Hemidacetylus verruceulatus nur mit Messer und Scheere vorgenommen und es war in Uebereinstim- mung mit einem andern Autor (Spencer) zu melden, dass ein „Scheitelauge‘“ hier fehle und zweitens, dass der braunpig- mentirte Zirbelknopf sich jederseits in mehrere Spitzen ausziehe. Als ich später ?) mit einem Nebenschlauch des Zirbelbläschens 1) Leydig, Parietalorgane der Amphibien u. Reptilien. Senckenb. naturf. Ges. 1890, p. 514. 2) Derselbe, Zur Kenntniss d. Zirbel u. Parietalorgane. Senckenb. naturf. Ges. 1896, p. 250. Archiv f, mikrosk. Anat. Bd. 50 nO or 386 F. Leydig: bei Petromyzon bekannt geworden war und micb umsah, ob nicht auch anderwärts etwas Aehnliches anzutreffen sein möge, wies ich vermuthungsweise auf die gedachten zipfelartigen Aus- sackungen am Endknopf der Zirbel von Platydaetylus hin. Zum Zweck der gegenwärtigen Mittheilungen wurde der Kopf eines schon lange in Weingeist gelegenen Exemplars von Platydaetylus muralis in senkrechte Längsschnitte zer- legt ?). Das Scheitelbein besitzt weite Markräume von verschiedener Grösse, abwärts heben sich zahlreiche Blutkanäle ab, welche nach oben gekehrte Bogen und Schlingen bilden, und nach der inneren Fläche des Knochens mit Längsgefässen sich vereinigen. Ein Scheitelloch ist bekanntlich nicht zugegen. Was sich sonst be- züglich der Epidermis, des Coriums, des Pigments sehen lässt, scheint, ohne dass ich auf die feineren Verhältnisse besonders geachtet hätte, an das bei andern Sauriern Wahrgenommene an- zuschliessen (vergl. Fig. 8). Auch der Bau des Gehirns, insoweit ein flüchtiger Blick zu einem Urtheil bereehtigen kann, stimmt im Wesentlichen mit jenem der Lacertiden überein. So ist z. B. die Substanz des Mittelhirns in ähnlicher Weise geschichtet, wobei die innersten, concentrisch verlaufenden Schichten ganz besonders scharf sich abheben, während nach aussen zu sie sich mehr verwischen. Innerhalb der Wandung des Vorderhirns (,Pallium“) tritt eine Ganglienzellenschicht wegen der dichtstehenden Kerne lebhaft hervor. Im Seitenventrikel liegt ein Gefässplexus. Selbstverständlich wurde das eigentliche Augenmerk auf das unter dem Schädeldach befindliche Körperchen, welches für das freie Auge wie ein ganz einheitliches Gebilde sich ausnimmt, gerichtet. Bei näherer Untersuchung wurde bald vollkommen klar, dass dieser Körper aus zwei verschiedenen Organen besteht, welche aber durch eine gemeinsame Umhüllung gleichsam zu einem Ganzen verbunden sind. Es setzt sich nämlich das Scheitelorgan zusammen einmal aus der eigentlichen oder hinteren Zirbel und zweitens 1) Dr. Kathariner, nunmehr Professor in Freiburg (Schweiz), sowie Dr. Spemann, Assistent am hiesigen zoologischen Institut, hatten die Freundlichkeit, mir die Schnitte, auch jene bezüglich deı Nattern, anzufertigen. a ei Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Reptilien. 387 aus der vorderen oder Nebenzirbel. Die erstere oder Epiphysis posterior hat die Form eines gestielten Säckchens, dessen Lichtung von hohen, etwas gekörnelten Zellen umgeben wird (Fig. Se.). Der Stiel, welcher nach unten eine Krümmung vollführt, ist in den Präparaten leider an der Wurzel abgerissen ; da er aber gegen eine gangliöse Partie des Gehirns, welche man unzweifelhaft für das Ganglion habenulae ansprechen darf, urd eine darüber sich hinziehende Quercommissur, sich wendet, so geht man wohl unter Berücksichtigung dessen, was bei an- dern Sauriern sich zeigt, mit der Annahme nicht fehl, dass der Zirbelstiel an dieser Commissura posterior den Ausgangspunkt hat. Und da man fermer im. Innern des untern Theiles des Stieles ausser rundlichen Kernen noch feinstreifige (in der Ab- bildung auf Fig. 8 nicht ausgedrückten) Züge zu erkennen im Stande ist, so wird so gut wie gewiss, dzss das nervösstreifige We- sen von der bezeichneten Commissur kommt und sich eine Strecke weit in das Innere des Zirbelstieles c:hebt. Das Ganglion habe- nulae erscheint histologisch ausgezeichnet durch die grosse Menge der Kerne, die in Gruppen zusammengedrängt, sich theilweise wie durcheinander schlingen !). Die Epiphysis anterior (Paraphysis) weicht in mehr als einer Hinsicht stark von der Epiphysis posterior ab. Zunächst übertrifft sie an Umfang die eigentliche Zirbel; ferner hängt ihre Wurzelstelle deutlich mit der Höhlung des dritten Ventri- kels zusammen, derart, dass ihre Lichtung in jene des Ventri- kels sich fortsetzt, also nicht mit einer Gewebsmasse ausge- füllt ist. Man könnte sagen, das epitheliale Dach des dritten Ventrikels habe sich einfach zu einem Sack erhoben, der manich- fach gebuchtet ist, was auch den Grund abgibt, warum das Durchschnittsbild so wechselnd sich ausnehmen kann. Hierbei zeichnet sich gern ein grösserer, weiter Raum ab, mit Gerinnungs- flocken der ihn ausfüllenden Flüssigkeit. Daneben sieht man Durehschnitte von Schläuchen, bald rein quer, dann wieder nach der Längsrichtung getroffen ; es legen sich auch nach oben und 1) Der Gehirntheil, welchen ich früher in der Uebersichts-Figur, die Verhältnisse bei Lacerta darstellend, zwischen der Wurzel der Epiphysis anterior und Epiphysis posterior, zeichnete, ist wohl eben- falls auf das Ganglion habenulae zu beziehen. 388 F. Leydie: rückwärts dergleichen Schläuche über die hintere Zirbel hin (vergl. Fig. 8). Das Epithel der Nebenzirbel besteht, abermals im Gegen- satz zu dem der eigentlichen Zirbel, durchweg aus cubischen, verhältnismässig niedrigen Zellen und von annähernd heller Be- schaffenheit. Die gemeinsame bindegewebige Hülle für Epiphy- sis anterior und Epiphysis posterior hängt mit der harten Hirn- haut zusammen und nimmt von letzterer etwas Pigment mit, dessen Zellen zum Theil die Strahlenform behalten haben, zum Theil zu Ballen geworden sind. Weiterhin reiht sich auch an die Verhältnisse, welche ich von andern Sauriern beschrieb, der Gefässreichthum an, auffällig in der Hülle und im der ganzen Umgebung des Organs. Der Erwähnung werth ist auch noch, dass vom Rande der Hülle bänderartige Züge weggehen, mit Blutgefässen im Innern; die Bänder verlaufen eine Strecke weit zuerst frei und setzen dann in die harte Hirnhaut ein. Solche Blutgefässe tragenden Bindegewebszüge sind es wohl gewesen, welche ich seiner Zeit als hervorstehende Spitzen des Zirbelknopfes der Geckonen be- zeichnet und später dem „Nebenschlauch des Zirbelbläschens“ von Petromyzon verglichen habe. Nach der jetzt gewonnenen Kenntniss möchte aber eine derartige Zusammenstellung nicht mehr angängig sein, da es sich bei dem Gecko um bänderartige Ausstrahlungen der bindegewebigen Umhüllung handelt, bei Petromyzon aber um epitheliale Schlauchbildungen. Ophidier. Als ich mit der Untersuchung der Scheitel- gebilde einer Anzahl von Sauriern beschäftigt war, besah ich mir auch den Embryo emer Coronella austriaca, um zu erfahren, wie sich wohl die Schlangen hinsichtlich dieser Organi- sation verhalten möchten!). Der Embryo war schon seit Jahren in Weingeist aufbewahrt gewesen und gehörte einem bereits sehr vorgerückten Stadium an. Das Ergebniss der Untersuchung war, dass man zwar auch hier ein Scheitelorgan finde, dasselbe aber dem „Zirbelknopf“‘ entspreche, ein „Parietalauge“ hingegen nicht zugegen sei. 1) a. a. ©. p. 514 (Senckenb. nat. Ges. 1890). Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Reptilien. 389 Jahre nachher bot sich die Gelegenheit, einige senkrechte Längsschnitte durch den Kopf der erwachsenen Coronella zu durchgehen, welche Präparate zwar nicht sehr günstig “aus- gefallen waren, mich aber doch darin bestärkten, dass das Zirbel- ende einzig und allein die Scheitelgebilde vertrete). All dem stand nun freilich eine Behauptung schroff gegen- über, welehe Hanitsch in bestimmter Weise ausgesprochen bat, auf Grund der Untersuchung des Embryo von Vipera berus. Nach Genanntem findet sich hier ein „pineal Eye“ mit „Linse“, in welche Pigmentmassen abgelagert seien. Die Untersuchungen, welche ich jetzt vorzulegen habe, zwingen mich zur Ansicht, dass der englische Autor sich geirrt hat. Von einem Embryo der Ringelnatter aus sehr früher Zeit hat Hoffmann?) den Längsdurchschnitt des Kopfes veran- schaulicht, allwo ‚noch der vordere Neuroporus zu erkennen ist.“ Ausserdem bemerkt man ‚eine kleine Verdiekung der Gehirn- wand an der Stelle, wo das Vorderhirn in das Zwischenhirn übergeht.“ Wofür die „kleine Verdiekung“ zu nehmen sei, wird zwar eigentlich nicht gesagt, aber aus der Bemerkung, dass es die „Epiphysenanlage‘ nicht sein könne, da diese sonst da ge- troffen werde, wo das Zwischenhirn in das Mittelhirn sich fort- . setzt, geht hervor, zugleich im Anschlusse an die Verhältnisse, wie sie sich bei einem älteren Embryo der Eidechse darbieten, dass dem Autor die erwähnte Verdickung am Hirndach des frühen Embryo von Tropidonotus gleich ist der „vorderen Aus- stülpung“ bei Lacerta. Sie sei demnach die Anlage des „Ependyma und des Plexus ehoroideus des dritten Ventrikels“. Nach dem, was mich spätere Stadien lehren, möchte dies dahin einzuschränken sein, dass es sich bei der gedachten Bildung nur um die vordere Zirbel, nicht aber zugleich um den allerdings nahe daran entstehenden Gefässplexus des dritten Ventrikels handeln könne. Beachtenswerth wäre übrigens — die Richtig- keit der Angabe vorausgesetzt — die Erscheinung, dass die eigentliche oder hintere Zirbel später sich aus dem Zwischenhirn hervorbildet, als es mit der vorderen oder Nebenzirbel geschieht. 1) a. a. O. p. 256 (Senckenb. nat. Ges. 1896). 2) C.K. Hoffmann, Weitere Untersuchungen zur Entwicklungs- geschichte der Reptilien. Morphol. Jahrb. Bd. XI, Taf. XI, Fig. 1. 390 BR Leydag: Zu den eigenen Beobachtungen übergehend, so stand das jüngste Stadium, welches ich vor mir hatte, auf der Stufe des Embryo, welehen Rathke in seiner Entwicklungsgeschichte der Natter als einen solchen bezeichnet, welcher der „letzten Zeit der zweiten Periode‘ angehört. Es kann nach den damaligen Hülfsmitteln der Untersuchung nicht Wunder nehmen, dass der seiner Zeit so überaus sorgfältig arbeitende Morphologe beim Embryo aus dieser Periode von einer „Glandula pinealis‘“ nichts bemerken konnte, während wir jetzt an einem senkrechten Längs- schnitt des Kopfes aus einem in gebräuchlicher Weise behandelten Embryo den genannten Gehirntheil schon in diesem Stadium gar wohl zu sehen vermögen. Fassen wir nämlich das gewölbte Dach des Zwischenhirns ins Auge, so lässt sich sowohl eine Epiphysis posterior oder eigentliche Zirbel als auch eine Epiphysis anterior oder Nebenzirbel mit Sicherheit erkennen. Beide stehen weit aus- einander. Die Nebenzirbel erhebt sich als Aussackung des Hirn- daches an der vorderen Grenze des Zwischenhirns, hart an dessen Uebergang zum Vorderhim und stülpt sich in mehrere Seiten- sprossen aus (Fig. 1, 5). Die eigentliche Zirbel (Fig. 1, c) be- findet sich in Form eines gestielten Säckchens in der hinteren Gegend des Zwischenhirns und weicht schon jetzt bezüglich des Baues von der vorderen Aussackung dadurch ab, dass nur noch der Stiel hohl ist und mit der Lichtung in den Raum des dritten Ventrikels übertritt, während das Säckchen selber bereits eine solidzellige Beschaffenheit angenommen hat. Die Wurzel des Stieles durehdringt die Substanz der hinteren Commissur, so dass letztere in dieser Ansicht in ein vorderes kleineres und hinteres grösseres Stück zerlegt erscheint. Zu erwähnen ist ferner, dass vom gewölbten Dach des Zwischenhirns, welches als solches den Hohlraum des dritten Ventrikels überspannt, eine ganze Anzahl nach einwärts gewen- deter Sprossen abgeht, von denen die vorderste, zunächst der Wurzel der Nebenzirbel befindliche, die stärkste Entwicklung zeigt und zu dem später dort vorhandenen Gefässplexus sich gestaltet. Die epitheliale Auskleidung des Zwischenhirns zeigt nach den Gegenden sich verschieden in ihrem Dickendurchmesser. Unterhalb der Quercommissur ist die Zellenlage sehr niedrig, sie Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Reptilien. 391 wird dann jenseits der Commissur höher, endlich, worauf beson- ders hinzuweisen wäre, in der die Nebenzirbel vorstellenden Aus- sackung erscheint dies Epithel doppelt so hoch, als es kurz vor- her war, dort wo es die Anlage des Gefässplexus und die übrigen nach einwärts vorspringenden Knospen überzieht. Ausser den Blutgefässen, welche sich in die Knospen und den Plexus hineinziehen, sind noch zahlreiche andere die Neben- zirbel umspinnende Gefässe zugegen. Bringen wir nun im Anschluss hieran den Kopf eines mehr vorgeschrittenen Embryo, in gleicher längs-senkrechter Richtung zerlegt, uns zur Ansicht, so sind die bis dahın eingetretenen Ver- änderungen unschwer zu verfolgen. Die eigentliche oder hintere Zirbel, jetzt grösser ge- worden, ist in ihrem Körpertheil nicht von rein kugliger Form, sondern erscheint, wenn auch ganz unbedeutend, etwas nach vorne vorgewölbt. Der Stiel ist länger und noch gerade gestreckt. Bezüglich der Struktur hat man zuerst den Eindruck, als ob das Innere des Zirbelkörpers gleichmässig von Kernen und dem dazu gehörigen Plasma erfüllt sei. Anhaltenderes Betrachten macht klar, dass die Kerne jedoch eine gewisse Gruppirung einhalten, derart, als ob sie gekrümmt cylindrische, ineinander geschobene Massen, vergleichbar einem Drüsenknäuel wären. Zugleich wird man inne, dass ausser den rundlichen Kernen und ihrem Plasma noch eine andere Art von Kernen zugegen ist, welche, länglich von Form mit den Kernen der bindegewebigen Umhüllung des Zirbelkörpers übereinstimmen. Man gewinnt auch bald die Ueber- zeugung, dass diese Kerne den von der Umhüllung her ein- springenden und die Wülste begleitenden bindegewebigen Zügen angehören. In ihnen machen sich noch da und dort Durehschnitte und Längsstücke von Blutgefässen bemerklich; auch braunes Pigment ist zugegen und gern zu grösseren Flecken angehäuft. Wie bei Sauriern durchziehen die Umgebung unsres Organs zahlreiche, zum Theil stattliche Blutgefässe; namentlich fällt auch hier ein grosser venöser Längsblutraum oberhalb des Zirbel- körpers auf, der zur harten Hirnhaut in Beziehung steht und einem Sinus longitudinalis entspricht. Endlich hebt sich noch deutlich ein heller, vom Gewebe der harten Hirnhaut begrenzter Raum ab, der den Zirbelkörper umfasst und nichts anderes als eine Lymphhöhlung sein kann. 392 F. Leydig: Ueber den Stiel der Zirbel wäre noch Zu melden, dass er jetzt nicht mehr mit der Lichtung des dritten Ventrikels in offener Verbindung steht, sondern sich ausgefüllt zeigt mit streifig spon- giöser Substanz, welche von der Commissura posterior kommt. Man wolle bezüglich der verschiedenen erwähnten Punkte Fig. 7 vergleichen. Die vordere Ausstülpung des Zwischenhirns oder die Nebenzirbel betreffend, so stossen wir insofern auf etwas Neues, als man von einer Zurückbildung des Organs bei einem solchen vorgeschrittenen Embryo sprechen möchte. Der besagte Theil ragt jetzt nämlich keineswegs mehr, wie es früher der Fall war, über die Linie des Zwischenhirns hervor, sondern er- scheint in der Form einer schlauchartigen Höhlung, die sich zwischen dem jetzt stark entwickelten Gefässplexus und dem hinteren Rande des Vorderhirns befindet. Dass dieser Raum wirklich der ehemaligen vordern Ausstülpung des Zwischenhirns entspricht, wird, abgesehen von der vergleichenden Betrachtung der ganzen Umgebung, auch dadurch bestätigt, dass das den schlauchartigen Raum auskleidende Epithel höher ist, als jenes, welches die Oberfläche des Gefässplexus überzieht. Ausser den im bisherigen beschriebenen zwei Embryonal- stadien habe ich den verticalen Längsschnitt einer ganz jungen 17 em langen Ringelnatter vor mir, dessen ich noch in Anbe- betracht mehrerer Punkte gedenken möchte. Würde man mit der Untersuchung eines fertigen Thieres beginnen, oder wäre man auf ein solches allein beschränkt, so könnte sich der Beobachter bezüglich der Nebenzirbel zu einer irrthümlichen Annahme verleiten lassen. Beim ersten Blick näm- lich will es scheinen, als ob die betreffende Ausstülpung des Zwischenhirns hier völlig fehle und indem man in der Gegend, wo sie zu suchen ist, den Gefässplexus vom Dach des Zwischen- hirns in der dritten Ventrikel herabhängen sieht, so möchte sich die Meinung bilden, dass eine Nebenzirbel hier bei der Ophidiern überhaupt nicht zugegen sei, sondern dass vielmehr der besagte Gefässplexus deren Stelle vertrete. Die Kenntniss jedoch der vorhergehenden Stadien muss vor diesem Irrthum bewahren. Denn wir sehen dort, dass nicht bloss in ganz früher Zeit eine Epiphysis anterior (Paraphysis) in Form einer wirklichen Aussackung an der Grenze zwischen Bi : Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Reptilien. 393 Vorder- und Zwischenhirn sich erhebt, sondern dass auch später, wenn der Theil nicht mehr vorspringt, doch in der vordersten Gegend des dritten Ventrikels die Bucht vor dem Gefässplexus, ausgezeichnet durch das dieke Epithel, die Nebenzirbel vorstellt. Und so verhält es sich eben auch mit der Paraphyse der fertigen Ringelnatter, ja in einem der Schnitte biegt sogar noch etwas blindsackartig der Raum nach oben aus, unmittelbar vor dem Gefässplexus. Letzterer aber ist, wie gezeigt wurde, eine Wuche- rung jener Sprossen, welche von der Wölbung des Zwischen- hirns nach einwärts gehen. Noch sei zur Structur der eigentlichen Zirbel des a Thieres angeführt, dass überall die Wurzel des jetzt verlängerten und gebogenen Stieles von einer streifigen Substanz eingenommen wird, die von der Commissura posterior stammend, sich schon halbwegs im Stiel verliert, während weiter nach oben die Spur einer Lichtung vorhanden bleibt. Und auch im Körper der Zirbel deuten verschiedene helle Lücken auf Reste von Hohl- gängen hin; doch erhält sich im Ganzen der Eindruck, dass die Zirbel hier mehr einen solidzelligen Charakter angenommen hat (vergl. Fig. 5). Unter der hinteren Commissur macht sich ein Hirntheil auch hier bemerklich, mit dem wir ohne Zweifel ein Ganglion habenulae vor uns haben und auch jetzt noch wie beim Embryo durch die Menge der Kerne, die in Gruppen gehäuft stehen, ins Auge fällt. In manchen Schnitten sieht man klar, dass vorgedachtes Ganglion eine dem Sehganglion aufsitzende Partie ist. Die Gattung Vipera scheint hinsichtlich der hier erör- terten Bildungen von Tropidonotus im Wesentlichen nicht abzuweichen, wie ich wenigstens nach Besichtigung einiger Prä- parate von Vipera Ursinii urtheilen möchte. Die in schwachem Alkohol aufbewahrten, ganz gut aus- sehenden Embryonen, waren zwar, wie die Untersuchung lehrte etwas weich geworden, trotzdem aber liess sich Einiges daran fast noch besser erkennen, als an den Embryonen der Ringel- natter, vielleicht auch weil bei Vipera die zelligen Elemente etwas grösser sind, als bei Tropidonotus. So z. B. im Stiel der Zirbel erkannte man recht deutlich die nervös-streifigen Züge und wie sie aus der Commissura posterior den Ursprung nehmen; nieht minder wie sich die Umbildung der rundlichen Kerne inner- 394 Pr. Levidre: halb der Substanz der letzeren in die länglich gestreckte Kern- form vollzieht, welche dem Gerüstwesen der Nervensubstanz des Zirbelstieles eigen ist. Auch die Nebenzirbel und ihr diekeres Epithel, das Ganze als eine vom Gefässplexus verschiedene Bildung, kommt gut zur Ansicht und abermals kann deren blindes Ende etwas sackartig vorspringen, wie es in Figur 6, b angedeutet wird. Allgemeineres. Am Ende einer Untersuchung ange- langt, fühlt man das Bedürfniss sich Rechenschaft darüber zu geben, wie die Befunde zu dem bisher Bekannten sich verhalten. In dieser Beziehung bestätigt zunächst das am Platy- dactylus Gesehene die Aufstellungen, welche ich über vordere und hintere Zirbel anderer Saurier gemacht habe. Auch beim Gecko fällt der grosse Unterschied, welcher zwischen beiden Organen herrscht, sehr ins Auge. Die vordere oder Neben- zirbel ist ein vielfach gebuchteter Schlauch, der mit hohler Wurzel in den Raum des dritten Ventrikels führt; die hintere oder eigentliche Zirbel hingegen stellt ein Säckchen dar, dessen Stiel nicht hohl ist, sondern sich mit nervöser Substanz, von unten herauf eine Strecke weit, erfüllt zeigt. Auch die zellige Aus- kleidung ist im beiden Organen verschieden. Fürs freie Auge freilich gewähren vordere und hintere Zirbel, indem sie, dicht zusammengeschoben, von gemeinsamer Hülle umfasst werden, den Anblick eines einheitlichen Organs. Wer einiges Interesse empfindet, über Entwicklung, Lage und Bau der beiderlei Bildungen bei andern Sauriern Kenntniss zu nehmen, wird vielleicht die näheren Angaben in meinen mehr- mals angezogenen Arbeiten einer Durchsicht würdigen. Bei den einheimischen Ophidiern, insoweit es sich aus dem Vorliegenden beurtheilen lässt, hat sich bezüglich der Neben- zirbel eine rückschreitende Umbildung vollzogen, wodurch am fertigen Thier der Eindruck entsteht, als ob ein solches Organ überhaupt hier nieht“vorhanden sei. In Wirklichkeit fehlt die Nebenzirbel doch nicht; sie bleibt aber in ihrer Ausbildung zurück, und da sie kaum über das Dach des Zwischenhirns sich erhebt, kann auch kein Anschluss an die hintere oder eigentliche Zirbel stattfinden. Auf diesem Rückgang mag es beruhen, dass in dem Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Reptilien. 395 so genauen Werke Rathke’s nicht das Mindeste, was auf die Paraphyse bezogen werden könnte, geäussert wird. Die hintere oder eigentliche Zirbel besitzt im Stiel einen aus der hinteren Commissur stammenden Nerven. Der Zirbelkörper verliert die ursprüngliche Lichtung bis auf Reste und wandelt sich in ein mehr solides Gebilde um, ähnlich der Zirbel der höheren Wirbelthiere. Und was ich schon anderwärts berührte, es fällt nicht schwer sich vorzustellen, wie aus einer Zirbel mit Liehtung eine solehe ohne Höhlung und mit „follikel- artigen Bildungen“, z. B. bei Säugethieren, entstehen “könne. Die einspringenden Wülste, indem sie sich vermehren und in- einander schieben, engen die ursprüngliche Höhlung bis zum Verschwinden ein. In den bindegewebigen Einfaltungen verlaufen Blutgefässe und ihre Zahl muss mit der Zunahme der Wülste ebenfalls sich steigern und so die Zirbel zu einem blutreichen Organ machen. Die Gestalt des Zirbelkörpers bei den einheimischen Schlan- gen im fertigen Zustande ist rundlich, wie dies sowohl an den älteren Darstellungen des Gehirns der Ringelnatter von G. Carus, Kuhl und Rathke siehtbar ist, als auch an der mit der Lupe entworfenen Abbildung, welche ich vom Gehirn der Ringelnatter, begleitet von einigen anatomischen Bemerkungen gegeben habe '). Beim Embryo aber zieht sich, wenn auch nur spurweise, nach vorn zu das Zirbelbläschen etwas aus und dadurch kann man sich an das erinnert fühlen, was sich bei manchen Sauriern in hohem Grade entwickelt zeigt. Auf diese leise Veränderung der Form möchte deshalb zurückzuweisen sein, weil bei exotischen Sehlangen die Zirbel sich bereits mehr nach dieser Richtung hin zu gestalten scheint. Zu solcher Vermuthung kann man durch die Zeichnung kommen, welche die Schrift von Rabl-Rück- hard über das Gehirn des Python molurus enthält). Dort macht sich ein zipfelförmiges nach vorn gewendetes Anhängsel bemerklich, so dass sich denken liesse, es wolle bei der Riesen- sehlange bereits die Zirbel sich in einen Fortsatz verlängern, der 1) Leydig, Ueber einheimische Schlangen. Zoologische und ana- tomische Bemerkungen. Abh. Senckenb. naturf. Ges. 1884, p. 36, Taf. 1 Fie. 16. 2) Rabl-Rückhard, Einiges über das Gehirn der Riesen- schlange. Ztschft. f. wiss. Zool. 1894. 396 F. Leydig: etwa dem fadigen Ende der Zirbel bei Anguis fragilis ent- spricht. Leider geht der Autor im Text wenig auf die Zirbel ein, indem er nur anführt, dass das Organ ein „Gebilde von an- scheinend drüsigem Bau“ sei. In der Erklärung der Figur 6 der eitirten Abhandlung, allwo die ‚„Glandula pinealis‘“ im senkrechten Schnitt gesehen und als ‚deren Stiel“ bezeichnet wird, kann übrigens diese Deutung nach dem, was unsere Nattern lehren, kaum ganz richtig sein, da der Zirbelstiel bei Vipera und Tropidonotus ein fadig dünner Theil ist, während er bei Python ein massig dicker Körper wäre. Nach meinem Dafür- halten erscheint sonach in der angezogenen Abbildung nicht der Stiel, sondern der Zirbelknopf veranschaulicht. Bezüglich der Struetur darf aus den Angaben, dass man Gefässe im Quer- und Längsschnitt erblicke, sowie Faltenbildungen der bindegewebigen Wandung und kleinzelligen Inhalt, schliessen, es sei auch bei der Riesenschlange der Zirbelkörper ohne Liehtung. Die dunkeln Flecken lassen sich wohl auf Bezirke grösserer Pigmentablage- rungen beziehen. Aus der Abbildung geht endlich auch hervor, dass stärkere Blutgefässe neben und über der Zirbel verlaufen. Noch mögen einige Punkte erörtert werden, besonders mit Rücksicht auf Angaben von Rathke, die allzeit Beachtung verdienen, sei es, dass man sie zu bestätigen oder zu wider- legen hat. Der Genannte sah die eigentliche oder hintere Zirbel erst an Embryonen, welche in der Mitte der von ihm angenom- menen „dritten Periode“ standen und in welcher die Entwick lung soweit vorgerückt war, dass die „Schlundöffnungen“ ver- schwanden und die Haut anfing sich zu färben. Um diese Zeit sei „eine kleine Glandula pinealis‘“ vorhanden; sie hänge mittelst zweier Schenkel mit der weichen Hirmhaut zusammen und sei „ein Erzeugniss von dieser selbst“. Dass letztere Auffassung entschieden irrig ist, liegt auf der Hand, denn auch bei der Natter stellt sich die Zirbel in unbezweifelbarer Weise als eine Hervorstülpung des zelligen Daches des Zwischenhirns dar. Auch bezüglich der „zwei Schenkel möchte ich die Frage aufwerfen, ob nicht vielleicht Rathke das starke venöse Blutgefäss, wel- ches zur Seite des Zirbelstieles heraufgeht, für den einen der „Schenkel‘‘ genommen hat? Hingegen stimmt gut mit dem von mir Gemeldeten überein, was unser Autor ferner über die Zirbel Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Reptilien. 397 aus der „vierten Periode, von der Färbung der Hautbedeckung bis zur Abstreifung der Eihülle‘“ aussagt. Die Glandula pinealis habe um diese Zeit nur wenig an Umfang zugenommen; die Wan- dung des Bläschens, ‚eine Drüse‘‘ darstellend, gewinne nicht un- erheblich an Dicke, ohne dass jedoch die Höhle desselben ganz verloren gehe. Endlich wird es wohl seine völlige Richtigkeit mit der Angabe haben, dass bei der erwachsenen Natter keine Höhle in der Zirbel mehr aufzufinden sei; vielmehr sei das Or- gan „ganz dicht“. Meine Befunde am sehr jungen Due weisen, wie mitzutheilen war, schon auf das Gleiche hin. Es wurde von mir seiner Zeit im Nähern bereits a gethan, dass Nebenzirbel und Gefässplexus zwei ver- schiedene Dinge seien und hier am Gehirn der Nattern kann man sich abermals überzeugen, dass die bezeichneten Partien nicht ein und dasselbe sind, obschon an der Bildung beider der zellige Abschluss des dritten uud vierten Ventrikels nach oben betheiligt erscheint. Es bleibt zu wiederholen, dass die vordere oder Nebenzirbel sich als ein nach oben gekehrter, vom zelligen Hirndach gebildeter Hohlkörper darstellt, dessen bindegewebige Aussenschicht Blutgefässe trägt, während die „Plexus“ aus Ge- fässe führenden Einstülpungen der Pia bestehen, welche von dem miteingestülpten Hirndach des Zwischenhirns den zelligen Beleg erhalten. Diese Entstehungsweise ist deutlich zu verfolgen nicht bloss an dem Plexus des dritten Ventrikels, sondern auch an dem der Rautengrube; an letzterer besonders gut in der frühen Zeit, allwo das Kleinhirn noch die Form eines abwärts geschlagenen Blattes hat. Es senken sich dann von oben herab zur Rauten- grube frei und schlingenförmig endende Gefässe, die von einem Epithel überzogen werden, welches das ursprüngliche zellige Dach des vierten Ventrikels bildet und in dessen Ependyma übergeht. Es ist sonach das Epithel der Gefässfranzen der Rest des zelligen Daches der Rautengrube. Rathke hat am Embryo der Ringelnatter dem Gefässplexus des dritten Ventrikels grosse Aufmerksamkeit gewidmet. Es ent- stehe im Verlaufe der zweiten Periode an der weichen Hirnhaut über „einer Oeffnung in der oberen Wand der mittleren Hirn- masse eine Wucherung, die durch jene Oeffnung in die Höhle des Gehirns eindringt“. Was die „Oeffnung‘“ betrifft, so konnte 398 F. Leydig: ich schon längst !) am frischen Embryo von Lacerta bestimmt erkennen, dass der Spalt von länglich eirunder Form, welcher an- scheinend das Dach des Zwischenhirns durehdringt, eine Täuschung ist, hervorgerufen durch Dimne und Durchsichtigkeit der dachigen Zellenlage. Die epitheliale Hirnwand ist Keineswegs durchbrochen, sie begleitet aber die sich einstülpenden Gefässquasten und bildet damit einen Theil des Plexus. Richtig sind aber wieder die Figuren bei Rathke, welche ausdrücken, dass durch die Ein- faltungen das Bild des Plexus an Hirnwindungen erinnern könne. An den Längsschnitten des Gehirns, welche meinen Studien zu Grunde liegen, springt sogleich in die Augen, dass nach Bau und Entwicklung der Plexus im dritten Ventrikel mit dem des vier- ten völlig übereinstimmt, währendRathke, wie ich zu entnehmen glaube, die beiden Partien noch nicht für ganz gleichwerthig ge- nommen hat; immerhin möchte seine Bemerkung hervorzuheben sein, dass die „recht grosse Platte“ an der unteren Seite mit Nervensubstanz belegt sei, wodurch doch nur die epitheliale Zellenlage gemeint sein kann. Die Behauptung, dass bei der Viper ein Scheitelauge zugegen sei, ist durchaus hinfällig: von einer Aussackung des Zwischenhirns, neben jenen, welche zur Bildung der Zirbel und Nebenzirbel führen, ist auch nicht die Spur nachweisbar. Es mag noch angeführt werden, dass die Schädelknochen einer er- wachsenen Coronella austriaca, welche sorgfältig gereinigt wurden, an ihrer Innenseite nicht das Geringste von einer Grube oder Mulde, zur etwaigen Aufnahme eines solchen Organs er- blicken lassen. Es gehört eben zu den Merkmalen unserer Rep- tilienordnung, dass ein Scheitelauge fehlt. Ein Ergebniss früherer Studien war für mich, dass Zirbel und Scheitelaugen der Wirbelthiere als eine einheitliche Gruppe von Organen zu betrachten seien, dabei in mannigfacher Vor- und Rückbildung begriffen. ‘Das Ganze sei den Punktaugen der Arthropoden zu vergleichen, allwo ebenfalls gar manche Ver- schiedenheiten in Zahl und Struktur, ähnlich wie an den Scheitel- gebilden der Wirbelthiere, entgegen treten. Es wäre sehr er- 1) Leydig, Parietalorgan der Amphibien u. Reptilien. 1890, p. 455. Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Reptilien. 399 wünscht und könnte unsere Vorstellungen über den Zusammen- hang gewisser Thiergruppen befestigen, wenn man die Stirnaugen der Arthropoden einer durchgreifenden vergleichenden Unter- suchung unterwerfen würde. Wir haben beispielsweise bisher nur unzureichende Kennt- niss über das Vorkommen der Punktaugen bei Coleopteren. Meist können nur wenige Arten angeführt werden, welche als Imagines genannte Organe besitzen: kleine Staphylinen, z. B. Omalium und Aleochara, dann unsre Speckkäfer, z. B. Dermestes und Anthrenus. Es geben sich hier die Nebenaugen in ge- wöhnlicher Weise als glänzende punktförmige Erhebungen über die Haut zu erkennen. Bei manchen Arten von Käfern finden sich am Kopf abge srenzte Stirnfleeken, bezüglich welcher mir schon öfters die Ver- muthung gekommen ist, dass sie auf ein darunter liegendes Neben- auge hindeuten möchten. Als ich vor einiger Zeit wieder Gelegen- heit hatte, die Lytta vesicatoria lebend mit der Lupe zu betrachten, habe ich in bestimmterer Weise den Eindruck erhalten, dass der bräunliche, etwas glänzende Stirnfleck mit einem Neben- auge zu thun haben möge, weshalb ich Dr. Escherich, der gerade mit einer Arbeit über die Gattung Lytta beschäftigt war, auf- merksam machte und er wird uns wohl durch nähere Unter- suchung mittheilen können, ob man von einem Punktauge reden kann. Dass indessen wirklich Nebenaugen bei Käfern vorkommen, welche nach aussen nicht sichtbar sind, sondern erst durch die Untersuchung des Kopfinnern erkannt werden, lässt sich aus mehreren meiner Abbildungen in den „Tafeln zur vergleichenden Anatomie“ entnehmen. BeiTimarcha tenebricosa, Taf.VI, Fig. 5, bemerkt man eine Bildung, die ich schon seiner Zeit für ein „rudimentäres Nebenauge“ ansprach. Noch deutlicher sind die Verhältnisse bei Dytiseus marginalis (Figur 2 auf Tafel VII giebt den Durchschnitt des facettirten Auges und ausserdem mehrere Nebenaugen bei e). Bei Wiederaufnahme der Sache dürften noch die am Hauptauge der Waldameise (For- mica rufa) gezeichneten unpigmentirten, gestielten Gebilde (Taf. VIII, Fig. 4) ebenfalls der Nachprüfung empfohlen werden. Ausser dem Vorkommen wäre bei erneuter Untersuchung die Aufmerksamkeit ganz besonders dahin zu lenken, ob nicht 400 F. Leydig: der Bau da und dort so stark von der sonstigen Struktur der Stirn- augen abweicht, dass der Gedanke an Verwandtschaft mit anderen Sinnesorganen sich regen darf. Bereits vor Längerem hatte ich zu berichten, dass bei Orthopteren an den Nebenaugen Eigen- thümlichkeiten vorkommen, wodurch sie sich von den Oecellen anderer Insekten entfernen!). Dann erfuhr man durch Carriere?), dass bei gewissen Orthopteren anstatt wirklicher Ocellen an ent- sprechendem Orte Organe sich finden, die in ihrer ganzen Be- schaffenheit mit den Knospenorganen der Wirbelthiere verglichen werden können. Schon früher einmal haben solche Beobachtungen mir Anlass gegeben, auf ein gewisses Uebergehen der Nebenaugen in andere Sinnesorgane hinzuweisen?). Und als ich zuletzt das Stirnauge eines Krustenthieres genauer auf den Bau besehen hatte, konnte ich abermals die Bemerkung nicht unterlassen, dass an diesem Stirnauge fast ebenso viel Verwandtschaftliches zu einer Gruppe von pigmentirten „Becherorganen‘ wie zu einem „Auge“ vorläge®). Nach Aussage der Entomologen?) sind unter den Hemip- toren die Capsiden ohne Punktaugen, was im Allgemeinen richtig sein wird. DBetrachte ich aber in Panzer’s Fauna der Insekten Deutschlands die Abbildung von „Coreus eapitatus Fahr.“ — das Thier mit dem „Suchglas“ vergrössert — so fällt sehr auf, dass nach hinten und einwärts vom Seitenauge noch drei verhältnissmässig ansehnliche rundliche Gebilde zugegen sich zeigen, welche Nebenaugen vertreten mögen. Wer Gelegenheit hat, das Insekt vorzunehmen, wird sagen können, ob der Bau der Körper mit wirklichen Ocellen übereinstimmt. Aus gleichem Grunde gedenke ich auch, obschon der Gegen- stand etwas weiter abliegt, einiger Abbildungen der grossen, schön gefärbten Cieadine Fulgora laternaria, surina- mischer Laternträger, der in seiner Kopfbildung an sich sehr 1) Leydig, Auge der Gliederthiere, 1864. 2) Carriere, Fortgesetzte Untersuchungen über die Sehorgane. Zool. Anz. 1886. 3) Leydig, Das Parietalorgan der Wirbelthiere. Zool. Anz. 1887. 4) Leydig, Ueber Argulus foliaceus. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 33. 5) Vergl. z. B. die gründliche Arbeit: Kirschbaum, Die Rhyn- choten der Gegend von Wiesbaden. Jahrb. Ver. f. Naturkunde i. Her- zogth. Nassau, Heft X, 1855. 2. Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Reptilien. 401 merkwürdig, gerade auch durch das, was sich in der Augen- gegend darbietet, das Interesse schon der älteren Naturforscher in Anspruch genommen hat. Nach Frau Merian, welche be- kanntlich die erste Zeichnung über das Thier ans Licht stellte, aber die zu besprechenden Theile unberücksichtigt liess, macht der Engländer Grew — wohl derselbe Autor, welcher mit seinem Landsmann Raj und dem Tübinger Professor Rudolph Cammerer durch Begründung der Sexualtheorie der Pflanzen sich Ruhm erwarb — in einer mir nicht zugängigen Abhandlung (Museum regalis Societatis, London 1686) aufmerksam, dass hier neben dem Auge noch ein Körper vorkommt, den man für die „Ohren“ des Insektes halten könnte, „wenn man sie nicht für die Wurzel eines Horns halten dürfe“. Der nächste Untersucher Reaumur!) ist auch zweifel- haft, was er aus den Körpern machen soll. ,Ces derniers demi- globes seroient-ils encore des yeux? En ce cas c’en seroient d’une strueture differente de celle des yeux & rezeau“. Schaut man auf die der Zeit nach anschliessenden Abbil- dungen in dem Rösel’schen Werk ?), und ohne von Form und Gliederung der Fühlhörner bei den einheimischen kleinen Cicaden etwas zu wissen, so könnte man leicht zu der Ansicht Kommen, dass unterhalb des Auges ein besonderes Sinnesorgan liege in Form einer stattlicehen Halbkugel, nach Rösel ohne Glanz mit einer Art Hals ‚gleichsam eine Bleykugel, von welcher der soge- nannte Einguss noch nicht weggenommen worden“. Das Hörn- chen oder die Borste fehlte an dem Rösel’schen Exem- plar, wie auch wahrscheinlich an jenem, welches Reaumur benutzte. Der darauf folgende Beobachter, Degeer, hatte vollstän- digere Exemplare in Händen, war auch vertraut mit der Gestalt der Fühlhörner bei anderen Cieaden und vermochte so zu zeigen, dass der räthselhafte sphärische Theil, welcher ein drittes Auge vorzustellen scheint, nichts anderes ist, als das Fühlhorn des Insektes. Es sei ein rundes einem Hemdeknopf oder einem 1) Reaumur, Mem. pour servir Aa l’hist. des Insectes. T. V, M&m. 4, p. 192, Pl. 20, Fig. 6, 8. 2) Rösel, Inseetenbelustigungen. Heft 2, Taf. 29, Fig. 4. (Die Augengegend vergrössert!) Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 96 409 F. Leydig: Sehwamm ähnliches Köpfehen, das auf einem dem Kopf des Insektes eingegliederten Stengel ruht; aus dem Mittelpunkt des Knöpfehens erhebt sich die dünne haarförmige Borste. Zwischen dem netzförmigen Auge und dem Fühlhorn sitzt noch ein Wärz- chen (‚petit mammelon presque eylindrique“ bei Reaumur) und dieses habe eine grosse Aehnlichkeit mit den glatten Ocellen der Fliegen und vielen andern Insekten). Es möchte sich verlohnen, nicht bloss das Haupt- und Neben- auge der Fulgora laternaria histologisch zu untersuchen, sondern auch das Innere des merkwürdig dieken, zweiten Basal- gliedes der Antennen. An letzterem Orte wird aller Wahrschein- lichkeit nach jene Organisation in besonderer Ausbildung zum Vorschein kommen, welche vor einigen Jahren Child als „Johnston’sches Organ“ aus mehreren Insektenordnungen in einer interessanten Arbeit beschrieben hat?). Die physiologische Bedeutung des Organs findet der Autor darin, dass es als Tast- werkzeug und als Gehörorgan dient, ursprünglich die Empfindung von Tastreizen aufnimmt, später die Schallreize. | Noch darf erwähnt werden, dass das besagte Organ aus der Antenne eines Weichkäfers (Telephorus fuseus) zweifellos vor mehr als drei Decennien von mir in der Fig. 5 Taf. X meiner „Tafeln zur vergleichenden Anatomie, 1864“, dargestellt erscheint, mit der Texterklärung: ‚„Gangliöse Entfaltungen der Nerven, welche Gehörstifte enthalten.“ In keinem der von Child be- schriebenen Fälle finden sich die „Gehörstifte‘ angezeigt. Sollten sie wirklich durchaus gefehlt haben und nicht etwa, wenigstens theilweise, durch die angewendete Präparationsmethode unkennt- lich geworden sein? Jacobson’sche Organe. Wie immer, wenn wir die Untersuchung von Sinnesapparaten vornehmen, richtet sich das Hauptaugenmerk auf die Nerven, 1) Degeer, Abhandlungen zur Geschichte der Inseceten, über- setzt von Götze. Bd. 3., Nürnberg 1780. 2) Child, Ein bisher wenig beachtetes Sinnesorgan der Insecten, mit besonderer Berücksichtigung der Culiciden und Chironomiden. Zeitschr. f. wiss. Zool. 1894. r Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Reptilien. 403 weshalb ich mich auch in der vor mehr als zwei Jahrzehnten über die Jacobson’schen Organe ausgegebenen Arbeit gerade über diese Theile des näheren verbreitet habe!). Im Allgemeinen sind seitdem meine Angaben bestätigt worden, nur einen Punkt will man für irrig erklären, weshalb ich mich bestimmt fühlte, jetzt eine Nachprüfung anzustellen. Hierzu benützte ich das gleiche Material, welches zur vorangegangenen Untersuchung über die Zirbel gedient hatte. Ehe ich die Ergebnisse des erneuten Studiums darlege, möge den sachliehen Erörterungen ein kurzer historischer Rückblick vorausgehen. Es war Stannius?), welcher die Theile des Kopfskeletes grösserer Schlangen (Python, Trigonocephalus) genauer als die Vorgänger durchgehend, zuerst auf die bedeutsame That- sache stiess, dass am Boden der Nasenhöhle noch eine Höhle sich vorfinde, begrenzt vom Vomer und der Concha und sich nach unten öffne. Anbelangend die morphologische Bedeutung der Höhle äussert er: „Diese Organe erinnern nach ihrer Lage unter der Nase an die Jacobson’schen Organe der Säugethiere“. Dem fügt er noch die Bemerkung bei, dass das Ganze zuerst von ihm erwähnt werde. Letzteres ist in gewissem Sinne nicht zu bestreiten, aber es lag ausserhalb des Kreises seiner Erfahrung zu erkennen, dass schon anderthalb Jahrzehnte vorher ein Organ aus der Ringelnatter angezeigt worden war, welches dem Jacob- son’schen Organ der Säuger entspricht. Rathke?°) nämlich beschrieb vom Embryo des bezeich- neten Reptils ein birmförmiges, diekwandiges Bläschen, das in früher Zeit sich von der Riechhaut abschnürt, umgeben sei von zwei Knochenschalen, welche für dasselbe eine Kapsel ausmachen. Die Mündung des Bläschens befinde sich am Gaumen, dieht neben dem inneren Nasenloch. Dass nun aber das Bläschen dem Jacobson’schen Organ an die Seite zu stellen sei, davon hatte Rathke keine Ahnung, meint vielmehr, das von ihm ent- 1) Leydig, Zur Kenntniss der Sinnesorgane der Schlangen. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 8 (1872). 2) Stannius, Handbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere, 1854. 3) Rathke, Entwicklungsgeschichte der Natter. 1839. g 404 F.:Leydig: decekte „Bläschen“ sei eine „den Schlangen eigenthümliche Nasen- drüse“. Dagegen war ich 33 Jahre nachher in der Lage, dar- thun zu können, dass die von Rathke beschriebene Bildung nichts anderes sei, als ein Homologon des Jacobson schen Organs der Säugethiere. Denn ich hatte dazumal die einheimischen Eidechsen zum Gegenstand eingehenderen Studiums gemacht!) und entdeckte hierbei die betreffenden Organe an Lacerta und Anguis, ohne etwas von den durch Stannius gemachten Angaben über exotische Schlangen zu wissen, was in jener Zeit überhaupt nirgends Beachtung oder auch nur Erwähnung gefunden hatte. Erst der Rückblick in die ältere Literatur brachte mir den Fund des genannten Autors zur Kenntniss. Es wurde von meiner Seite der interessanten Bildung eine genauere Untersuchung des gröberen und feineren Baues gewidmet und durch eine Anzahl von Ab- bildungen erläutert?), von denen einige seitdem, ohne Nennung der Quelle, in die Schriften Anderer übergegangen sind. Am Ende meiner Arbeit über die einheimischen Eidechsen führte ich in einem „Nachtrag“ auch an, dass ich an Tropidonotus natrix und Coronella laevis mich ebenfalls von der Anwesenheit der Jacobson schen Organe überzeugt habe und versprach weitere Aufklärungen. Dies geschah noch in gleichem Jahre durch den bereits Eingangs eitirten Aufsatz: „Zur Kenntniss der Sinnesorgane der Schlangen“. Hier wurden die Bestandtheile der Knorpel- und Knochenkapsel, die Weichtheile, die Mündungsstelle ausführlicher beschrieben, ferner das Verwandtschaftliche mit dem Jacobson- schen Organ der Säugethiere aufgezeigt, und nicht minder die physiologische Bedeutung berührt. In letzterer Hinsicht fand ich Grund, das Ganze für ein „zweites Geruchsorgan“ oder „Neben- geruchsorgan“ anzusprechen. Meine Mittheilungen gaben Anlass, dass auch Andere sich mit dem Jacobson’schen Organ sowohl der Säuger als auch der Reptilien beschäftigten, während man bis dahin dem Gebilde kaum ein besonderes Interesse zugewendet hatte; auch die Frage lag jetzt nahe, in wie weit niedere Wirbelthiere überhaupt mit 1) Leydig, Die in Deutschland lebenden Arten der Saurier, 1872. 2) a. a. ©. auf Taf. VII und Taf. XI. Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Reptilien. 405 einem solehen Organ ausgestattet seien. Hervorzuheben ist die sorgfältige Arbeit von Born: „Die Nasenhöhle und der Thränen- nasengang der amnioten Wirbelthiere‘“‘, welche zwar die Richtig- keit eines wesentlichen Theiles meiner Darlegungen bestätigt, aber in einem Punkte mit Sicherheit ‚eine irrthümliche Deutung“ mir nachweisen zu können glaubt!). Es wird sich zeigen, dass das Urtheil des Verfassers keineswegs ganz zutreffend ist. Traetus und Lobus olfaecetorius. Das Vorderhirn verjüngt sich wie bei anderen Reptilien in den Tractus olfactorius, der mit keulenförmigem Ende, als „Riechkolben“ abschliesst. Diesen letzteren Theil habe ich früher?) bloss von aussen und unten veranschaulicht, mit Rücksicht auf die aus ihm hervor- gehenden Nerven. An den mir jetzt vorliegenden senkrechten Längsschnitten erscheint Tracetus und Lobus deutlich durchzogen von einer Höhlung, welche Fortsetzung des Seitenventrikels im Vorderhirn ist. Was aber bisher vielleicht noch nicht bemerkt wurde, ist die Erscheinung, dass die Höhlung nicht ein gleich- mässiges Caliber hat, sondern dass dem Raum durch einen starken von oben nach unten vorspringenden Wulst ein buchtiger Umriss erwächst, womit zusammenhängen mag, dass aussen am Riech- kolben, wenn auch nur ganz schwach, eine Art Abgrenzung in eine vordere kleinere und hintere grössere Partie angezeigt wird (Barren): Die den Seitenventrikel auskleidende Zellenschicht, Epen- dyma, hat einen ausgesprochen epithelialen Charakter, doch inso- fern wechselnd nach den verschiedenen Gegenden, dass die zu- sammensetzenden Zellen bald von niedriger, dann wieder von höherer Gestalt sind. In der Höhlung des Traetus und Lobus olfaetorius ist die epitheliale Beschaffenheit des Ependyma weniger ausgeprägt: Die entsprechende Schicht besitzt bei geringer Ver- grösserung ein eher körniges Aussehen, bedingt durch dicht ge- lagerte Kerne. Verdiekt erscheint letztgenannte Schieht in dem in die Höhlung vorspringenden Wulst. Jene Ballen, welche ich aus dem Riechkolben der Selachier zuerst bekannt machte und unterdessen meist unter dem von 1) Morphol. Jahrb. Bd. VIM. 2) a. a. ©. Fig. 6. 406 F. Leydig: Anderen gewählten Namen „Glomeruli olfactorii* gehen, wollen hier bei Schlangen, wenigstens in meinen Präparaten, nicht in Sicht kommen. Noch soll im Hinblick auf das Vorderhirn erwähnt sein, dass sich wie bei den Sauriern in der Dieke der dorsalen Wand des Ventrikels eine Zone von nahe beisammenstehenden Kernen sehr kenntlich macht. Abgehende Nerven. Schon bei meinen früheren Untersuchungen hatte sich herausgestellt, dass vom vorderen Ende des Lobus olfaetorius zunächst der Riechnerv kommt und zweitens, davon gesondert, der Nerv zum Jacobson’schen Organ „als ein für sich bestehendes Bündel“. Der letztere Nerv entspringt von der unteren Fläche des Riechkolbens und, wie die von mir gegebene Abbildung zeigt, etwas weiter nach hinten als die Nervi olfaetorii!). Bezüglich der Zahl der Wurzeln des Riech- nerven scheint individuelle Verschiedenheit vorzukommen: wie früher sehe ich zwar an den Längsschnitten gewöhnlich vier Wurzeln, aber doch auch eine fünfte kann sich zeigen. Der Nerv des Jacobson ’schen Organs scheint selbst noch ein oder die andere Wurzel mehr zu besitzen, ja an manchen Schnitten hat es das Aussehen, als ob das letztere Organ überhaupt nerven- reicher wäre, als die Geruchshöhle. Es sei hierzu auch angeführt, dass der für den gedachten Theil bestimmte, weit hinterwärts abgehende Nerv doch auch einen starken Ast zum Nasenraum abgiebt, allwo er namentlich auf deren Scheidewand ein Bild strahliger Entfaltung darbietet, wie es vom Septum narium der Säugethiere bekannt ist. Struktur der Nerven. Ueber das histologische Ver- halten konnte ich bereits in der ersten Mittheilung darauf hin- weisen, dass nicht der mindeste Unterschied bestehe zwischen dem Bau der Geruchsnerven und jenen des Jacobson’schen Organs. Meine später gewonnene Einsicht in die eigentliche Struktur des Nervus olfactorius, nach Studien an Amphibien und Säugethieren, weicht zwar sehr ab von der Auffassung, welche bis dahin Geltung hatte, aber von mehreren Seiten sind meine Befunde bestätigt worden). ))) ‚Viergl. 8: aNO SFT. IE 2) Leydig, Zelle und Gewebe, 1885, p. 191 ff. Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Reptilien, 407 Von der Richtigkeit meiner Angaben konnte ieh mich auch hier am Nerven des Geruchsorgans und jenem des Jacobson- schen Organs überzeugen. Das einzelne Nervenstämmehen erscheint nämlich durchzogen von einem feinfaserigen Wesen, welches in der Hauptrichtung nach der Länge dahinzieht; ausser- dem ist aber zweitens ein spongiöses Fäserchenwerk zugegen, welches die Längsfasern verbindet. Dieser faserigen Substanz gehören längliche Kerne an und ich erkläre dieselbe auch hier für en Gerüstwerk, welches der Bindesubstanz zuzurechnen ist. Die eigentliche Nervensubstanz hingegen wird von der homogen erscheinenden Materie vorgestellt, welche die Räume des Maschen- werkes ausfüllt (Fig. 13, 14). Endausbreitung der Nerven. Schon in der vor 25 Jahren veröffentlichten Arbeit liess sich an Schnitten aus freier Hand und bei geringerer Vergrösserung ermitteln, dass die Nerven, nachdem sie die Knochen- und Knorpelkapsel hinter sieh haben, ein strahlig verlaufendes, durch Seitenbalken verbundenes Endgeflecht bilden, welches als Ganzes sammt den nachher zu besprechenden zelligen Elementen, im herausgeschälten Zustande, die Form einer weissgrauen Endglocke!) darbietet. Ferner wurde schon damals hervorgehoben, dass bei genauerem Zusehen in den Streifen des Fasersystems zweierlei Elemente enthalten seien, einmal Fäserchen, welche man als „Fibrillen des Nerven“ an- sprechen dürfe, und zweitens solche, welche eher zum Bindege- webe gehörten. An den gegenwärtigen mit dem Mikrotom gefertigten Schnitten kommen in dem lichten Streifensystem ausser den nervösen und bindegewebigen Zügen auch Bluteapillaren zur An- sicht, quer- und längsgetroffen. Sie verlaufen im Allgemeinen strahlig mit und neben den Nerven, verbinden sich durch Seiten- äste, bilden so eine Art Maschennetz und hören oben, um das Ende der Zellenstränge, unter dem Epithel, schlingenförmig auf, wodurch sie an dieser Stelle auch den Eindruck eines Kranzge- fässes hervorrufen Können. Drüsenartige Zellstränge. Das soeben besagte fächerartige Streifensystem nimmt zwischen sich Zellenmassen auf, welehe durch den Verlauf des ersteren in kegelförmige Ab- 1) Vergl. a. a. O. Fig. 6d. 408 F. Leydig: schnitte zerlegt, dabei dicht gedrängt, im Ganzen in sehr zier- licher Anordnung erscheinen. Es ist die Bildung, welche ich seiner Zeit als „zwischen dem Fasersystem liegende kleinzellige Masse“ bezeichnete, in der ‚zweierlei Zellenarten‘“ von mir unter- schieden wurden, solche, ‚welche als Bindegewebszellen anzusehen wären und andere, denen eine nervöse Natur zukommt, somit kleine Ganglienkugeln vorstellen könnten.“ Wenn ich jetzt mit stärkerer Vergrösserung die Zellstränge ins Auge fasse, so rufen sie an den gefärbten Schnitten zunächst den Eindruck hervor, als ob sie nur aus äusserst zahlreichen Kernen, umgeben von Plasma, bestünden, welche in ihrer Lage- rung eine mehr oder weniger ausgesprochene Längsrichtung ein- halten. Genauer durchgangen lässt sich indessen doch da und dort eine gewisse Individualisirung der auch hier spongiösen Zellsubstanz erkennen und auch jene Eigenschaft, durch welche die Zellsubstanz nach aussen sich netzig auflöst, um so die Zellen unter sich zusammenhängen zu lassen. Bestimmter noch tritt in die Erscheinung, dass um den Nucleus der einzelnen Zelle jedesmal eine Höhlung sich abgrenzt. Ich liess mir angelegen sein, klarere Bilder zu erhalten über das vermuthete Verhältniss der Zellen zu den Nerven. Als Ausgangspunkt können die Stellen dienen, wo die stärkeren Nerven in die aufstrebenden radiären Züge umbiegen; man sieht dort mit Bestimmtheit, dass das Spongioplasma und die läng- lichen Kerne in die feineren Nerven sich fortsetzen. Dann aber beginnt die Schwierigkeit und, insoweit ich den Dingen nach- zugehen vermochte, wurde die Annahme zulässig, dass die Nerven während des Aufsteigens im bindegewebigen Fachwerk mit den Elementen der Zellstränge sich verbinden. Nach Allem, was meine Präparate erkennen lassen, gehen die Fäserchen als Spongio- plasma der Nerven über in die Netzbälkchen, in welche sich die Peripherie der Zellen auffranzt. An Stellen, wo die Zellstränge nach oben hin halsartig sich verschmälern und die Gefässmaschen enger geworden sind, meine ich den gedachten Zusammenhang zwischen Nerven und Zellen am ehesten zu sehen. Zum besseren Verständniss des Vorgebrachten gestatte ich mir auf die Figuren hinzuweisen, welehe ich in der Schrift: ‚Zelle und Gewebe‘ auf Tafel III über Ende des Riechnerven und Nasenepithel des Sa- lamanders und der Katze gegeben habe: auch dort zeigt sich die Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Reptilien. 409 Auflösung des Gerüstwerkes der Nerven in ein feines Netzwesen, welches in Spongioplasma der Riechzellen übergeht. Das hier am Jacobson’schen Organ Ermittelte würde damit im Ein- klang stehen. Bevor ich daran gehe, die Deutung der Zellstränge zu ver- suchen, mögen noch einige Bemerkungen über das Epithel und die übrigen Theile der in Rede stehenden Bildungen vorgebracht werden. Epithel. Am Embryo, welcher dem von Rathke als „zweite Periode‘ bezeichneten Stadium entspricht, fällt an dem bereits gut entwickelten Organ auf, dass das Epithel des Theiles, gegen den die Nerven sich wenden, ausnehmend dick ist. Die zusammensetzenden Zellen scheinen um diese Zeit von einerlei Art zu sein, doch ist bemerkenswerth, dass bei geringer Ver- grösserung die Masse des Epithels doch durch helleres und dunkleres Wesen in mehrere Zonen sich scheidet, welch letztere auch verschiedenen Dickendurchmesser haben. | Es müssen nun gewisse Umbildungen statt haben, die ich aus Mangel an Material nicht verfolgen konnte. Am fertigen ganz jungen Thiere zeigt sich an der freien Fläche eine zarte Cutieularlinie und über ihr eine Lage grümlicher Substanz, die vielleicht durch die eingeschmolzenen Flimmerhärchen entstanden ist. (Vergl. Fig. 10, Fig. 11.) Unterhalb der Cutieula folgen hohe Pallisadenzellen, deren langer Kopfabschnitt eigentlich spongiöser Natur ist, aber für die geringere Vergrösserung sich als körnige Schieht darstellt. Im untern Abschnitt des Zell- körpers liegt der Kern, von charakteristisch länglicher Gestalt. Dann schliessen wieder Zellballen mit rundlichem Kern an, die durch Lücken der Grenzschicht des Fächersystems mit den obigen Zellsträngen zusammentreffen. Jenes Epithel, welches den in die Höhlung des Jacob- son’schen Organs von unten her muschelartig vorspringenden, warzen- oder pilzförmigen Theil überzieht, weicht von dem der dorsalen Wölbung stark ab: es ist eine einfache, niedrige, zwei- schichtige Zellenlage (Fig. 15). Verschieden von den eigentlichen Epithelzellen, aber zwischen ihnen gelagert, sind Elemente, welche unter der Bezeichnung „Wanderzellen“ gehen. Sie sind im Epithel, welches die Höhlung oben begrenzt, sehr zahlreich in jüngeren Stadien, und scheinen 410 F. Leydig: später sich zu vermindern. Sie fallen an gefärbten Embryonen sofort durch stärkere Tingirung auf, haben ein gewisses glänzen- des Aussehen, sind von Gestalt zackig, ziehen sich auch fadig aus, stehen selbst unter einander dureh ihre Fortsätze in netz- förmiger Verbindung. Zwischen den Pallisadenzellen des Epithels, nach der freien Fläche zu, steigen sie langfadig dergestalt in die Höhe, dass man sie für intercellulare Nervenenden halten möchte (Fig. 16). Sie entsprechen den „Riechzellen“ der Antoren. Hierzu mag bemerkt werden, dass ich den netzförmigen Zusam- menhang der „Wanderzellen“ auch bestimmt gesehen habe’in der Epidermis und den Sinneshügeln des Aales!). Im hohen Nasen- epithel des jungen Embryo von Salmo machen sich mir eben- falls die als Fäden bis zur Grenze des Epithels aufsteigenden Fortsätze gedachter Elemente sehr bemerklich. Subepitheliales Gewebe. Der bindegewebige Theil der Schleimhaut ist dort, wo die Nervenentfaltung sich vollzieht, aufgelöst in das Fächerwerk, welches die Nerven und Blutgefässe trägt und die mit dem Epithel zusammenhängenden Zellstränge umschliesst. Am hinteren Winkel des Organs aber, allwo die Zellstränge kürzer geworden sind und der Uebergang in die Gegend des muschelartigen Wulstes stattfindet, hat sich die bindegewebige Partie der Schleimhaut zu einer Zone ver- dichtet, in weleher nicht bloss Blutgefässe zu unterscheiden sind, sondern auch sehr deutlich ein unverkennbares Lymphgefäss, dünnwandig und mit grümlicher Gerinnungsmasse im Innern; es liegt einwärts vom Knochen, mit ihm von gleicher Krümmung (Fig. 15). Kapsel. Die Knochen der Umhüllung des Jacobson- schen Organs wurden seiner Zeit nach Untersuchung des ferti- gen Thieres von mir näher beschrieben ?). Jetzt am Embryo, besonders klar bei Vipera Ursinii, werden die jungen Knochen von kubischen Zellen, fast epithelartig, umschlossen, welche offenbar die Matrix für die Knochensubstanz bilden, übri- gens mit den umgebenden Zellen der Bindesubstanz zusammen- hängen. Es sind die gleichen Verhältnisse, auf welche ich hin- 1) Vergl. Integument und Hautsinnesorgane der Knochenfische, p. 58, p. 62, Fig. 36, Fig. 40. 2) a. a. O0. Tar!RV,!Fig.3, 4. Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Reptilien. 411 sichtlich der Art und Weise der Knochenbildung am Embryo von Salmo vor Kurzem hinzuweisen Veranlassung nahm }). Der in der Höhlung des Jaeobson’schen Organs ein- springende, im senkrechten Schnitt pilzförmige Theil besitzt in seinem Innern echten Hyalinknorpel und geht weiter einwärts in eine polsterartige, über den Knorpel wie eine Kappe sich herüberlegende Partie aus, die von ziemlicher Dicke ist. Im histologischen Bau nähert sie sich dem Faser- oder Netzknorpel, indem rundliche Zellkörper von einem Maschenwerk von Fäser- chen umzogen werden. Wie sich das abschliessende Epithel ver- hält, wurde schon gesagt. Erwähnt mag sein, dass jenseits der Knochenkapsel, also ausserhalb des Organs, unbezweifelbare Lymphgefässe sich zu- gegen zeigen. Letztere sind überhaupt im ganzen Bereich des gedachten Sinnesapparates nicht selten. Deutung der drüsenartigen Zellstränge. Zur Frage mich zurückwendend, wohin man die auffälligen Zell- stränge stellen soll, darf daran erinnert werden, dass ich seiner Zeit an der in das Fachwerk gebetteten „kleinzelligen Masse zweierlei Zellenarten‘“ unterschied, wovon die einen nur als „Bin- degewebszellen“ zu gelten hatten, die andern „kleine Ganglien- kugeln“ vorzustellen schienen. Zieht man nun in Betracht, was die letzten Beobachtungen, wenn sie auch nur bruchstückartig waren, lehrten, so bestünde in der That ein Zusammenhang des Spongioplasma der Nerven mit den Netzbälkchen der Zellsub- stanz und es liesse sich so die frühere Bezeichnung der Zellen in einem gewissen Sinne nicht für völlig unstatthaft erklären. Gegen eine solche Auffassung erhebt sich Born in ent- schiedener Weise. Nach Genanntem soll die zwischen den radiären Fasern befindliche zellige Ausfüllungsmasse aus „einfachen Drüsen von birnförmiger Configuration“ bestehen; und er will, wenn auch nur an wenigen Stellen, „im Innern des polygonalen Querschnittes ein deutliches Lumen“ entdeckt haben. Auch geschehe beim Embryo die Anlage der Jacobson’schen Organe ganz nach dem Typus der Drüsenbildung. So einfach liegt indessen die Sache doch kaum. Beistimmen 1) Leydig, Integument u. Hautsinnesorgane der Knochenfische. Zool. Jahrb. VIII. Abth. f. Morph. p. 49, Taf. 5, Fig. 29, 50. 412 F. Leydig: könnte ich nur insoweit, dass das Gesammtbild der kegelförmi- gen, strahlig gestellten Zellenmassen entfernt den Anblick von Drüsen hervorruft, aber es mangeln, was ich sicher behaupten zu können glaube, die Merkmale wirklicher Drüsen. An keinem dieser Gebilde ist eine Lichtung angedeutet und ebensowenig die Spur einer Oeffnung am oberen Ende. Die Stränge sind solide Zellenmassen und durch die Weise wie ihre Kerne sich folgen, wird ausgedrückt, dass die Zellen in Längsreihen aneinander- schliessen. Bei der offenkundigen Verwandtschaft zwischen dem Ge- ruchsapparat und dem Jacobson ’schen Organ lag die Vermuthung nahe, ob nicht vielleicht die Schleimhaut der Nasenhöhle Bil- dungen enthalten möge, welche den kegelförmigen Zellenmassen des Nebengeruchsorgans vergleichbar wären. Und indem ich von diesem Gesichtspunkt aus die Beschaffenheit genannter Mem- bran durchging, stiess ich in der That auf Structurverhältnisse, welche mit meiner Vermuthung zusammenzutreffen scheinen. An der Schleimhaut des Geruchswerkzeuges sehen wir leicht innerhalb der bindegewebigen, von Gefässen und Nerven durch- zogenen Schicht echte Schlauchdrüsen. Sie sind zahlreich, haben die Form einfacher Säckehen mit nach oben gerichtetem Aus- führungsgang, längs- und querdurchschnitten zeigen sie immer eine deutliche, von Secretzellen umschlossene Lichtung. Derartige Drüsensäckchen mangeln völlig im Jacobson schen Organ. Blicken wir sodann genau auf die Zusammensetzung der oberen Sehicht oder des Epithels und zwar dort, wo es die Riech- gegend überkleidet, so können wir eine gewisse Sonderung ihrer Elemente kaum übersehen, darin bestehend, dass in der ansehn- lich dieken Lage von Kernen, hinter den hohen Cylinderzellen sich ein Theil der Kerne sammt Zellsubstanz derart gruppirt, dass lineare Reihen sich zu Einheiten, oder nach oben zu sich verjüngenden Strängen verbinden, welche durch grössere Inter- cellular-Lücken von der übrigen Kernmasse fortwährend sich absetzen. Durchmustert man eine grössere Zahl von Schnitten, so kommt auch zu Tage, dass diese Gruppirung der Zellen keines- wegs überall gleich scharf ausgeprägt ist, ja sogar da und dort in der allgemeinen Anordnung der Epithelzellen wieder unter- geht; gegen den Nasenrachengang zu, wo das Epithel recht niedrig wird, ist überhaupt nichts mehr von gedachter Bildung Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Reptilien. 413 vorhanden. Neben individueller Abänderung will es mir auch scheinen, dass bei Vipera Ursinii die besagten Zellgruppen klarer hervortreten, als bei Tropidonotus natrix (vergl. Fig-17, 18.) An diesen Befund mögen nun zunächst noch einige andere Beobachtungen gereiht werden, bevor wir der obigen Frage näher zu kommen suchen. Von mir wurde seiner Zeit!) berichtet, dass bei der Larve des Landsalamanders die Sinnesknospen im Epithel der Nasen- schleimhaut stellenweise zusammenfliessen zu grösseren Platten, um so beim fertigen Thier ein gleichmässig beschaffenes Riech- epithel entstehen zu lassen. Entsprechendes war ferner in der Nasenhöhle neugeborener Katzen zu erkennen: auch hier an der oberen Muschel trafen sich Gegenden, wo anstatt „zusammen- fliessenden Riechepithels die Zellen so in Haufen geordnet waren, dass das Bild auf diehtstehende Becherorgane hätte gedeutet werden können.“ S. Mayer?) hat im Epithel des Nebenhodens, ferner der Bindehaut des Auges und des dritten Lides Zelleneinlagerungen gefunden, die er „epitheliale Drüsen“ nennt. Er weist dabei auf die von F. E. Schulze?) aus dem Epithel der hinteren Region der Rachenhöhle einer Batrachierlarve angezeigten „epithelialen Drüsen“ hin. Hierzu darf ich in Erinnerung bringen, dass ich die epithelialen Drüsen F. E. Schulze’s gleichzeitig mit S. Mayer der Besprechung unterzogen habe?) und dabei zu der Ueberzeugung kam, dass diese „Drüsen“ mit den Becherorganen zusammengestellt werden dürfen. Weiterhin kann es unserm Bemühen die Bedeutung der Zellenstränge im Jaecobson’schen Organ richtig zu erfassen dienlich sein, wenn wir noch auf andere Sonderungen im Epithel der Knochenfische und der Reptilien achten. Ich gedenke jener epithelialen Bildungen, welche ich in der Epidermis von Salmo 1) Leydig, Zelle und Gewebe, 1885, p. 9. 2) Sigmund Mayer, Adenologische Mittheilungen. Anat. Anz. Bd. X. Nr. 6. 3) Franz Eilhard Schulze, Ueber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. Abh. preuss. Akad. d. Wiss. Berlin 1888. 4) Leydig, Integument und Hautsinnesorgane der Knochen- fische. Zool. Jahrb. VIII., p. 98. 414 F. Leydig: fontinalis, Leucaspius delineatus und Anguilla vulgaris!) kennen gelernt und als „Partien abgeänderten Epithels“ beschrieben habe und von denen ich vermuthete, dass sie den Becherorganen einigermaassen zugesellt werden könnten. Und so lange es überhaupt nicht gelingt, in der vorliegenden Sache klarer zu sehen, könnten auch die von Oppenheimer aus der Haut einiger Reptilien als „eigenthümliche Organe“ be- schriebenen Bildungen hier angezogen werden ?). Endlich liessen sich auch noch an dieser Stelle die Perl- bildungen in der Epidermis der Knochenfische und selbstverständ- lich die Becherorgane oder epithelialen Sinnesknospen anführen, Ja sogar die Haaranlagen der Säugethiere, da sie nach Maurer) als wohlabgesetzte Zellgruppen innerhalb der Epidermis auftreten, nicht minder zuletzt die Anlagen der Hautdrüsen der Batrachier. Ueberblickt man die aufgezählten Bildungen, so ist allen gemeinsam, dass sie Zellenkomplexe der Epidermis sind, aber im Einzelnen stark auseinander gehen, sei es in Form und Umbil- dung der Zellen oder auch in der Lagerung zu den Haut- schichten. Der nächste Anschluss der Zellstränge im Nebengeruchs- Organ wird wohl an die zelligen Abgrenzungen im Epithel der Nasenhöhle am ehesten geschehen können. Ziehen wir in Betracht, dass dort bei Batrachiern und Säugethieren aus solchen Zellgruppen epitheliale Sinnesknospen oder Becherorgane sich hervorbilden, so würde man einen Schein von Verwandtschaft zu letzteren gelten lassen dürfen, obschon die weitere histologische Differenzirung ausbleibt. Den grossen Unterschied in Dieke und Länge der beiderlei Bildungen in der Nasenhöhle und dem Neben- geruchsorgan müsste man freilich unberücksichtigt lassen. (ewichtiger ist das abweichende Verhalten zu den zwei Schichten der Schleimhaut. Die Zellstränge der Riechhöhle liegen im Epithel, jene des Jacobson’schen Organs sind in den bindegewebigen Theil der Mucosa aufgenommen. Denn als mesodermale Lage darf man doch das Fächerwerk ansehen, in 1) a.a.0.p. 40 (Salmo); p.28 (Leucaspius); p.63 (Anguilla). 2) Oppenheimer in: Morph. Arb. Schwalbe, 5. Bd. 18%. 3) Maurer, Hautsinnesorgane, Feder- und Haaranlagen. Morph. Jahrb. 1892. Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Reptilien. 415 dessen Räume die Zellstränge einwachsen. Ich habe zwar keine so frühen Embryonalstadien untersuchen können, um die erste Anlage der Zellstränge zu verfolgen, doch schliesst man kaum zu viel aus den späteren Stadien, wenn man annimmt, dass die Zellstränge Wucherungen des Epithels nach unten in den binde- gewebigen Theil der Schleimhaut sind. Indessen auch über diese Schwierigkeit liesse sich vielleicht hinwegsehen, indem man auf gewisse Formen der Perlbildung blickt, deren Zellenmasse eben- falls und zum Theil recht tief von der Epidermis abwärts in die Lederhaut eindringen. Ein wesentlicher Charakter der Zellstränge im Jacobson- schen Organ besteht in dem grossen Reichthum an Nerven. In diesem Punkte entfernen sich die Zellstränge durchaus von den Organen der Perlbildung, bei denen ich eine unmittelbare Be- ziehung zu Nerven nicht aufzudecken vermochte; die Zellstränge nähern sich aber hierin den Sinnesknospen, insofern diese mit Nerven versorgt sein können. Auf die eigenthümlichen Zellen- Gruppirungen, welche in der Epidermis von Leucaspius mir aufstiessen und eine „Modification der Becherorgane* zu sein schienen, zeigten ebenfalls einen in die Ansammlung der Kerne sich verlierenden Nerven. Das Unzulängliche und vielfach sich Widersprechende in derartigen Zusammenstellungen tritt allerdings überall störend entgegen; es soll damit auch nur versucht werden, nach dem gegenwärtigen Stand unsrer Kenntnisse einen gewissen Einblick in den Zusammenhang der Organisationen zu erlangen, etwa in der Weise, wie die systematische Zoologie Klassen, Ordnungen, Familien bildet, nur als Mittel, um der Einzelheiten vorläufig Herr zu werden. Das fortschreitende Studium löst und trennt wieder, was man früher glaubte zusammen reihen zu können. Fragen wir zum Schluss noch einmal, ob die Zellstränge des Jacobson’schen Organs die Natur wahrer Drüsen haben, so lässt sich nach Obigem dies verneinen; weder eine Lichtung, noch eine Ausgangsöffnung ist zugegen. Neigt man aber der Ansicht zu, dass sie den Sinnesknospen oder Becherorganen, wenn auch entfernt, verwandt sein möchten, so gelangen wir damit auf einen Standpunkt, zu dem meine Untersuchungen schon mehr- mal hingeführt haben. Mir schien es eben, dass den „Sinnes- zellen“ und den „Drüsenzellen“ ein verwandtschaftlicher Zug 416 F. Leydig: inne wohne und es könne zweifelhaft werden, ob man ein Ge- bilde für ein Sinnesorgan oder für eine epitheliale Drüse an- sprechen soll. Ein letzter Autor in der beregten Frage, der sorgfältige und nach allen Seiten überlegende Sigmund Mayer bekennt sich denn auch zu ‚der Ansicht, dass „die Geschmacks- knospen nichts anderes, als intraepitheliale Drüsen“ seien. Wie- derholt habe ich auf Grund meiner Erfahrungen zur Sprache ge- bracht, dass in den Becherorganen ‚neben der empfindenden Thätigkeit auch eine secretorische stattfinden möge“ und ausser den verschiedenen Borsten und Stiftehen, wie sie aus dem Innern hervortreten, wies ich auf ein sehr sprechendes Beispiel, auf die Geschmacksplatten der Batrachier nämlich hin !), allwo aus der Mündung der das Organ zusammensetzenden Zellen im frischen Zustande eine gallertige Substanz hervorquillt und in Form rund- licher Massen über dem Einzelorgan lagert. Und so meine ich, dass das über gedachte Organe bis jetzt ermittelte Thatsächliche denn doch schon so weit reiche, um noch anderen Fachgenossen meine Anschauung annehmbar erscheinen zu lassen. Sluiter?) hat nachgewiesen, dass bei Croceodilen ein Ja- cobson’sches Organ vorkommt, während man bis dahin allgemein angenommen hatte, dass dort nicht die Spur davon zu finden sei. In emer gewissen Zeit des Embryonallebens ist das Organ bei Crocodilus porosus nach den Zeichnungen, so z.B. auf dem „Querschnitt Fig. 3“, dem der anderen Saurier und Schlangen sehr ähnlich. Was weiter unser Interesse in Anspruch nimmt, ist das „Epithel“, welches in der dorsalen Wand des Organs sehr diek ist, woraus man vermuthen darf, dass die „drüsen- ähnlichen“ Zellstränge ebenfalls zugegen sein werden. Leider ist der Autor auf das Histologische nicht eimgegangen; da er jedoch ausführliehere Mittheilungen in Aussicht gestellt hat, so 1) Leydig, Zelle und Gewebe, p. 94. — Besteht eine Beziehung zwischen Hautsinnesorganen und Haaren? Biol. Centralbl. 1893, p. 369, Anmerkung 5. — Integument und Hautsinnesorgane der Knochenfische. Zool. Jahrb. VIII, p. 101. 2) Ph. Sluiter, Das Jacobson’sche Organ von Crocodilus porosus. Anat. Anz. 189. Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Reptilien. 417 wird man wohl auch nach dieser Seite hin Ergänzendes erwarten dürfen, was dann möglicherweise zur Klärung obiger Fragen beitragen könnte. Vielleicht ist dies auch in der jüngst erschienenen Schrift: „Seydel, Ueber die Nasenhöhle und das Jacobson’sche Organ der Land- und Sumpfschildkröten“ geschehen, die mir bisher noch nicht zu Gesicht gekommen ist. Erklärung der Abbildungen. Tafel XIX. Fig. 1. Senkrechter Längsschnitt durch das Zwischenhirn eines jün- geren Embryo von Tropidonotus natrix. Geringe Ver- grösserung. a. Dritter Ventrikel; b. vordere oder Nebenzirbel; ec. hintere oder eigentliche Zirbel; d. nintere Commissur. Fig. 2. Gleicher Schnitt aus einem älteren Embryo von Tropido- notus natrix. Geringe Vergrösserung. a. Dritter Ventrikel; b. vordere oder Nebenzirbel; ec. hintere oder eigentliche Zir- bel; d. hintere Commissur ; e. Gefässplexus des dritten Ventrikels. Fig. 3. Hintere oder eigentliche Zirbel des jüngeren Embryo von Tropidonotus natrix, bei etwas stärkerer Vergrösserung. a. Mesoderm; b. Commissura posterior; ec. Ependyma des drit- ten Ventrikels. Fig. 4. Vordere oder Nebenzirbel von eben demselben Embryo und gleichfalls etwas stärker vergrössert. a. Mesoderm; b. Stück des zelligen Daches vom Zwischenhirn, aus dem sich die Nebenzirbel hervorstülpt. Fig. 5. Senkrechter Längsschnitt durch das Zwischenhirn einer jungen Ringelnatter. Mässig vergrössert. a. Dritter Ventrikel; b. vordere oder Nebenzirbel; ce. hintere oder eigentliche Zir- bel; d. hintere Commissur; e. Gefässplexus des dritten Ven- trikels; f. Ganglion habenulae. Fig 6. Aehnlicher Schnitt von einem dem Geborenwerden nahen Em- bryo von Vipera Ursinii. Mässig vergrössert. a. Dritter Ventrikel; b. vordere oder Nebenzirbel; ce. hintere oder eigent- liche Zirbel; d. hintere Commissur; aus ihr gehen deutlich faserige Züge in den Stiel der Zirbel; e. Gefässplexus des dritten Ventrikels. Tafel XX. Fig. 7. Zirbel eines älteren Embryo von Tropidonotus natrix. Mässig starke Vergrösserung. a. Lymphraum’um den Zirbel- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 97 418 F. Fig. de) Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 14. Fig. 17. 0 Fig. 18. Leydig: Zirbel und Jacobson’sche Organe einiger Reptilien. körper; b. Theil der hinteren Commissur, aus welcher Faser- züge in den Stiel der Zirbel aufsteigen; e. Gefässhaltige Sprosse des epithelialen Daches des Zwischenhirns in den dritten Ven- trikel hinein; d. Blutgefässe der Umgebung. Platydactylus muralis. Längsdurchschnitt durch einen Theil der Scheitelgegend. Mässige Vergrösserung. a. Epi- dermis; b. Lederhaut; ce. Scheitelbein; d. vordere oder Neben- zirbel; e. hintere oder eigentliche Zirbel; f. Ganglion habenulae. Vom jüngeren Embryo der Ringelnatter (Tropidonotus natrix), geringe Vergrösserung. a. Lobus olfactorius; b. Nerv zum Jacobson’schen Organ; ce. Nerv zur Nasenhöhle. Stück von der dorsalen Wand des Jacobson’schen Organs, mässige Vergrösserung (Tropidonotus natrix). a. Epithel; b. Grenzschicht des Fachwerkes; ce. „drüsenähnliche“ Zellen- massen in den Räumen des Fachwerkes; d. Nerv mit Blut- gefäss. Oberer Theil der vorigen Partie (Fig. 10) bei stärkerer Ver- grösserung. a. Epithel mit den länglichen Kernen; b. Grenz- schicht des Fachwerkes; ce. „drüsenähnliche“ Zellmasse. Stück der unteren Partie von Fig. 10 bei stärkerer Vergrös- serung. a. Zellmasse; b. Fachwerk mit Gefäss und Nerv. Tafel XXI. Zur Structur des Nerven bei noch stärkerer Vergrösserung. Das maschige Gerüstwerk (Spongeioplasma) mit seinen Kernen o {>} sichtbar. Anscheinende Verbindung des Spongioplasma des Nerven mit oO oO den Elementen der „drüsenähnlichen“ Zellmasse. . Vorderer Winkel des Jacobson’schen Organes im senkrechten Längsschnitt von Tropidonotus natrix bei mässiger Ver- grösserung. a. Stück der Kapsel; b. bindegewebiger Theil der Schleimhaut, in ihr Blutgefässe und ein Lymphgefäss; ce. „drü- senähnliche“ Zellmasse; d. Epithel. . Stück aus dem Jacobson’schen Organ von einem jüngeren Embryo der Ringelnatter, mässig vergrössert. a. Das dicke Epithel, in ihm „Wanderzellen“; b. Grenzzone des Fach- werkes; c. Zellmassen, in den Räumen der letzteren ebenfalls „Wanderzellen“. Schleimhaut aus der Nasenhöhle des Embryo von Vipera Ursinii, mässig vergrössert. a. Zellstränge, zu welchem sich die Elemente der unteren Lagen gruppirt haben; b. Drüsen im bindegewebigen Theil der Schleimhaut. Ein gleiches Stück aus der Nasenschleimhaut des Emhryo von Tropidonotus natrix. Bezeichnung wie in Figur 17. 419 (Aus dem anatomischen Institut in Zürich.) Zur Histologie der menschlichen Lippendrüsen. Von J. Nadler. Hierzu Tafel XXII. Ueber den feineren Bau der menschlichen Lippendrüsen war bis jetzt nur Weniges bekannt. Wenn wir die Reihe der Lehrbücher der Anatomie und Histologie durchsehen, so finden wir noch bei Henle 1841 die Lippendrüsen gemeinsam mit den Drüsen der Wange, des Gaumens, des Oesophagus u. s. w. und sogar gemeinsam mit den Drüsen des Dünndarmes und der Milchdrüse beschrieben. Als Details werden nur die. Zusammensetzung aus mehreren primären Läpp- chen und die doldenförmige Verästelung des Ausführungsganges beschrieben (s. pag. 920). | Dagegen gibt schon Kölliker im Jahre 1854 genaue mikroskopische Beobachtungen. Nach ihm bestehen die Läpp- chen aus einer Anzahl gewundener und vielfach mit einfachen oder zusammengesetzten blasigen Ausbuchtungen besetzter Ka- näle. Was man Drüsenbläschen genannt hat, sind die Ausbuch- tungen oder Enden dieser Kanäle. Die Formen derselben sind sehr wechselnde. Alle feinsten Drüsengänge und Bläschen beste- hen aus einer besonderen gleichartigen Hülle, der Membrana propria, die Zellen sind 5 bis 6eckig, oft etwas in die Länge gezogen. Der Inhalt ist flüssiger Schleimstoff. Die Ausführungsgänge haben eine einfache Lage ceylindrischer Zellen. Schleimkörper- chen hat Kölliker nie gesehen; derselbe ist der Ansicht, dass die Schleimabsonderung regelmässig ohne Zellenbildung vor sich gehe (2, pag. 37). In den Lehrbüchern von Luschka (3) und Strieker (4) finden wir keine neuen Beobachtungen, auch nicht in Henle’s Handbuch von 1873 (5). Frey 1876 (6, pag. 495, Anm.) stellt als erster die Frage, 420 J. Nadler: ob in den Lippendrüsen sogenannte Gianuzzi’sche Halbmonde vorkommen, was er nach seiner Erfahrung entschieden verneint. Dagegen macht Heidenhain im Hermann’schen Hand- buch der Physiologie (7, pag. 20), in welchem er seine epoche- machenden Beobachtungen über die Schleimspeicheldrüsen nieder- gelegt hat, die kurze Bemerkung, dass er, wie Bermann an den Schleimdrüsen der Zunge des Menschen, auch in den Lippen- drüsen Gebilde angetroffen habe, welche den Halbmonden in der Glandula sublingualis und submaxillaris analog seien. Die Lehrbücher von Orth (8), Krause (9), Schenk (10), Toldt (11) und Ranvier (12) enthalten wieder nichts Neues, wogesen Klein (135, pag. 225) eine genauere Beschrei- bung der Ausführungsgänge gibt. Letztere sind beim Menschen sämmtlich mit einer einfachen Schicht von eylindrischen Epithel- zellen ausgekleidet, welche in den grösseren Gängen höher als in den kleineren sind. An der Uebergangsstelle der kleinsten Gänge in die Alveolen findet sich gelegentlich eine leichte Er- weiterung, das Infundibulum; hier ändern sich die granulirten epithelialen Zellen des Ganges in die eylindrischen durchsich- tigen Mucinzellen der Alveolen um. Remy (14, pag. 228) vergleicht als Einziger die Lippen- drüsen mit der Glandula submaxillaris, von welcher sie sich durch die „diminution du nombre des acini et des cellules de Gianuzzi“ unterscheiden sollen. Eine spezielle Beschreibung der Drüschen wird nicht gegeben. Nur kurze Beschreibungen ohne neue Thatsachen bringen die Lehrbücher von Pansch (15), Schiefferdeceker und Kossel (16), Rauber (17), Gegenbaur (18), Cleve- land und Mackay (19), Huber (20), Tillaux (21), Poi- rier (22) und Ramon y Cajal (23). Die Heidenhain’sche Beobachtung der Halbmonde wird von keinem der genannten Autoren weder erwähnt, noch bestätigt. Im Stöhr’schen Lehrbuch (24, pag. 177 und 189) finden wir die Abbildung eines Schnittes durch Lippe und Lippen- drüse bei schwacher Vergrösserung. Nach Stöhr ist der Hauptausführungsgang der Lippendrüsen, welch’ letztere den verästelten tubulösen Drüsen zuzugesellen sind, an seinem unteren Ende etwas erweitert und im grössten Theile seiner Länge mit geschichtetem Pflasterepithel ausgekleidet; die aus ihm hervor- Zur Histologie der menschlichen Lippendrüsen. 421 gehenden Aeste und Zweige tragen geschichtetes (die grösseren) oder einfaches (die kleinen Aeste) Cylinderepithel. Die Schleim- drüsen der Lippen werden gemeinsam mit denen der Zunge be- schrieben. Die Wandung der Tubuli besteht aus emer struktur- losen Membrana propria und eylindrischen, mit einer derben Zellmembran ausgestatteten Drüsenzellen, deren Aussehen nach ihrem jeweiligen Funetionszustand verschieden ist. Im secret- leeren Zustande ist die Zelle schmäler, der an der Basis befind- liehe Kern queroval; im seeretgefüllten Zustande ist die Zelle breiter, der Kern platt an die Wand gedrückt. Meist soll ein und dieselbe Schleimdrüse, ja oft ein und derselbe 'Tubulus Drüsenzellen in verschiedenen Secretionsphasen zeigen; aber trotzdem soll es hier nicht zur Bildung von „Halbmonden*“ kommen, weil die starre Membran der Drüsenzellen ein Abdrängen vom Lumen nicht gestatte. Es muss bemerkt werden, dass diese Beobachtungen an den Drüsen des Zungengrundes gemacht und dann auf die Lippen- drüsen übertragen worden sind, deren Halbmonde eben übersehen worden waren, wie auch Solger (25, pag. 235) die Glandulae labiales und linguales als gleichartig betrachtet und dieselben für die reinsten Formen der Schleimspeicheldrüsen hält. Dass man die gute, alte Heidenhain’sche Beobachtung nicht als vollwerthig taxirt hatte, mag dem Umstande zuzu- schreiben sein, dass sie sich nicht ausführlich dargestellt findet, und dass sie aus einer Zeit stammt, in weleher die sogenannten Halbmonde, welehe dureh drei verschiedenartige Gebilde hervor- gebracht sein können (26, pag. 441), noch nicht streng von einander unterschieden wurden. Ein Halbmond im ursprünglichen Sinne, wie ihn Gianuzzi entdeckt hat, wird nämlich gebildet durch eine oder einen Complex dunkler, körniger, kleiner, vom Lumen mehr oder weniger abgedrängter Zellen, welche durch diese ihre Eigenschaften sich von den hellen Schleimzellen leb- haft unterscheiden und eben oft die Form eines Halbmondes be- sitzen. Ein ähnliches Bild wird aber auch vorgetäuscht durch die sogenannten Membrana propria-Halbmonde, welche nur Durch- schnitte verdickter Stellen der Membrana propria sind, ferner durch die sogenannten Pflüger’schen Halbmonde, welche da- durch zu Stande kommen, dass innerhalb einer und derselben Schleimzelle sich der centrale schleimgefüllte Zelltheil durch 22 J. Nadler: eine bogenförmige Linie von dem halbmondförmigen peripheren protoplasmatischen Theile der Zelle abgrenzt. Fehlt daher die genaue Beschreibung, so kann bei der mehrfachen Bedeutung des Begriffes Halbmond nicht entschieden werden, was ein Autor unter diesem Namen bezeichnet. Es ist übrigens mit Sicherheit anzunehmen, dass Heidenhain in den Lippendrüsen richtige, aus kandzellen bestehende Halbmonde konstatirt hat. Zum Schlusse unserer Litteraturübersicht sei erwähnt, dass in sämmtlichen Jahresberichten über die Fortschritte der Ana- tomie und Physiologie (27), ferner in den Jahrgängen 1892 bis 1896 des anatomischen Anzeigers (28) keine Arbeiten über die Histologie der Lippendrüsen angeführt sind. Wir gehen über zu unseren eigenen Beobachtungen. Das Material gaben Leichen des pathologischen Institutes; dasselbe konnte immer erst einige Zeit nach dem Tode entnommen werden. Hauptsächlich kamen zur Untersuchung Schnitte aus der Lippe eines 62jährigen Mannes!), welche 4 Stunden post exitum entnommen, in Zenker’scher Flüssigkeit fixirt und mit Häma- toxylin (Hansen) Eosin und Pikrinsäure gefärbt worden waren. Die Lippendrüsen dieses Individuums sind hirsekorn- bis erbsen- gross, auf dem Durchschnitt rund oder ellipsoid und sind um- geben von einer ganz dünnen, aus fibrillärem Bindegewebe be- stehenden Kapsel, welche in das Innere der Drüse hie und da septumartige Fortsätze entsendet, überhaupt mit dem das Innere des Drüsenläppchens durchziehenden Bindegewebsstroma vielfach zusammenhängt. Im Innern der Läppchen ist das fibrilläre Binde- gewebe in stärkerem Masse um die Ausführungsgänge, besonders um die grösseren derselben herum, entwickelt, neben denen ge- wöhnlich auch kleine Gefässe verlaufen. In den Schnitten von diesem Individuum ist der Hauptausführungsgang nicht getroffen. Figur 1 giebt ein Uebersichtsbild. Wir finden nur kleinere Ausführungsgänge, welche sämmtlich gebildet werden durch eine sehr dünne, aus Bindegewebsfasern und einigen Bindege- webszellen bestehende Hülle und ein einschichtiges Cylinder- 1) Ueber die Leiche meldet das Sektionsprotokoll (Prof. Ribbert) Careinoma ventriculi, hydrothorax, bronchitis et tracheitis, dilatatio et hypertrophia cordis. Zur Histologie der menschlichen Lippendrüsen. 423 epithel, welche sich, wie wir sehen werden, als Secret- resp. Schleimröhren eharakterisiren. Wie Klein angegeben hat, be- steht das Epithel in den grösseren Schleimröhren aus hohen und schmalen, in den kleinen aus niedrigeren Cylinderzellen. Die Kerne der Zellen sind rundlich oder oval und liegen in der Mitte des schmalen Zellleibes. Diese Zellen der Schleimröhren zeigen fast überall sehr deutlich eine feine radiäre Streifung ihrer peripheren Hälfte. Da wo das Epithel sich von dem das- selbe umspinnenden Bindegewebe losgelöst hat, endet der Zellen- leib in einem seiner Breite entsprechenden feinen, parallelstrei- figen Faserpinsel. Es besteht keine basale Zellmembran. Diese Strichelung, welche bisher noch nirgends erwähnt wurde, ist den Lippendrüsen mit der Glandula submaxillaris gemeinsam, währenddem dieselbe in der Sublingualis selten ist (24, pag. 207). Ganz analog dem Bilde der Submaxillaris-Schleimspeichelröhren (24, Fig. 163) finden sich auch in denjenigen der Lippendrüsen Kerne durehwandernder Leueoeyten (vgl. Fig. 2). Die weitere Verzweigung der Schleimröhren weist Unter- schiede auf. Es kommt vor, dass direkt aus grösseren Schleim- röhren seitlich Endstücke abgehen, welche aus grossen, hellen Sehleimzellen zusammengesetzt sind. Im diesem Falle werden die Epithelzellen der Schleimröhre neben der Einmündungs- stelle niedrig eylindrisch, während die entfernteren Zellen der- selben typisch hocheylindrisch und parallel gestrichelt sind. In diesem Falle fehlt ein eigentliches Schaltstück. Oder aber die Schleimröhren verzweigen sich immer mehr, werden enger und bekommen schliesslich ein niedrig eylindrisches, fast ku- bisches Epithel, welches ein dunkles und körmiges Aussehen hat, keine Strichelung mehr aufweist, ein ziemlich enges Lumen um- grenzt uud ohne deutliche Unterschiede terminal in die unten zu beschreibende zweite, durch dunkles granulirtes Aussehen charakterisirte Art der Endstücke übergeht. Man könnte diese nicht gestrichelten Partieen der Schleimspeichelröhrenverzwei- gungen vielleicht als Schaltstücke auffassen; indessen sind sie nicht so schmal und haben nicht so platte Zellen, wie das im Stöhr’schen Lehrbuch (24, Fig. 162) abgebildete Sehaltstück aus einer menschlichen Parotis. Die Endstücke sind umgeben von einem feinen Netze fibril- lären Bindegewebes, haben eine doppelt contourirte schmale 424 J. Nadler:; Membrana propria von homogenem, glänzendem Aussehen, welche meistens in sich einige schmale, längliche Kerne birgt. Die End- stücke sind mehrfach verzweigte lange Tubuli, deren Epithel- zellen mannigfaltige Unterschiede darbieten: Erstens finden wir Tubuli mit meistens eylindrischen, oft ziemlich breiten oder leicht polygonalen, oft auch rundlichen Zellen, welche durchwegs ein helles Aussehen besitzen, mit Hämatoxylin leicht blau gefärbt sind. Der Kern dieser Zellen sitzt immer an der Basis, ist meistens mehr oder weniger abgeplattet, sehr oft als kleines Dreieck auf dem Durchschnitt in ein Eck an der Zellenbasis ge- drängt. Bei starker Vergrösserung sieht man diese hellen Zellen durchzogen von einem feinen Netzwerk mit polygonalen Maschen; es ist dieses die sog. „retieuläre Substanz“ von Schiefferdecker (26, pag. 437). Das Lumen dieser hellen Drüsentubuli ist auf Längsschnitten ein mehr oder weniger breites Band, in welches die anstossenden Zellen oft leicht kuppenförmig vorragen; auf Querschnitten ist das Lumen bald rund bis oval, bald ein Quer- spalt, immer ziemlich gross und klaffend. Dieses histologische Bild entspricht vollkommen dem von Heidenhain (7, pag. 19) aufgestellten Typus der sog. „Schleimdrüsen“, welche nach diesem Autor aus an der Membrana propria anliegenden grossen, hellen, nur sehr spärlich von matten körnigen Bildungen durchsetzten /ellen mit basalem abgeplattetem Kerne bestehen und als charak- teristischen Bestandtheil Muein enthalten. Die hellblaue Färbung dureh Hämatoxylin ist für Mucin charakteristisch; die oben er- wähnte retieuläre Substanz ist das durch die Mueinmassen ausein- andergedrängte Zellprotoplasma. Eine zweite Art der Endstücke wird dargestellt durch Tubuli, welche sich von den Schleimzellentubulis sofort durch ihre dunkle, bald durch Eosin rothe, bald durch Pikrinsäure selbgrüne Farbe unterscheiden. Diese Tubili zeigen eine fein- körnige Structur und erscheinen als compacte Cylinder, oft ge- krümmt und gewunden. Das Lumen ist sehr klein und schmal, wird daher auf Längsschnitten selten in längerer Ausdehnung getroffen. Auf dem Querschnitt ist das Lumen ein sehr enges, bald rundes, bald eekiges, oft nur bei einer gewissen Einstellung siehtbares Loch. Die Form der Zellen ist oft kaum zu erkennen, da die starke Körnelung die Grenzen maskirt; sie ist mannig- faltiger als diejenige der oben beschriebenen hellen Schleimzellen, Zur Histologie der menschlichen Lippendrüsen. 425 im Allgemeinen eylindrisch bis spitz kegelförmig, oft eubisch, oft rundlich. Der Kern ist meist rund und sitzt oft in der Mitte, oder etwas peripher in der Zelle. Bald erscheinen diese Tubuli als ganz gleichmässig diffus gekörmt, bald zeigen sie kleine, stärker lichtbrechende Zonen, welche oft den Kern umgeben. Diese Tubuli sind durchwegs in ihrem Querdurchmesser schmäler als die hellen Schleimzellentubuli und entsprechen in ihren morphologischen Eigenschaften ganz und gar dem ebenfalls von Heidenhain aufgestellten Typus der „serösen* oder „Ei- weissdrüsen“, welche in frischem Zustande durch ihre von Körn- chen und bläschenartigen Bildungen herrührende dunkle Farbe und ihre unsichtbaren Zellgrenzen charakterisirt sind, während- dem nach Alkoholhärtung die Grenzen zwischen den Zellen, die rundliche oder polygonale Form der letzteren, die mässige Menge dunkler Körnchen und ein rundlich eckiger Kern zu constatiren sind (7, pag. 18). Die serösen oder Eiweiss-Drüsen, deren Typus die Parotis ist (man vergleiche die Abbildung eines Parotistubu- lus (24, Fig. 162) mit unsern soeben beschriebenen Tubulis der Lippendrüsen), produeiren nach Heidenhain ein dünnflüssiges Secret, welches nur Albuminate, Salze und in gewissen Fällen diastatisches Ferment enthält. Drittens finden wir eine Reihe von Uebergängen von dem Tubulus der einen zu demjenigen der anderen Art, und zwar sowohl die verschiedenartigsten Arten der Vergesellschaftung der beiden Zellenarten an demselben Tubulus, als auch den Ueber- gang von der einen Zellenart zu der anderen. Die Figur 3b zeigt einen Tubulus, welcher dem in Figur 3a abgebildeten, nur aus dunklen und körnigen Zellen gebildeten serösen gewiss ganz und gar gleicht, nur dass eine helle, gefüllte Schleimzelle in den Ring eingeschaltet ist. Aechnlich ist Figur 3e; hier sind die Zellen theilweise noch niedriger, haben cubische Form, das Lumen ist grösser und breiter, ähnlicher demjenigen eines typi- schen hellen Schleimdrüsentubulus. Die Kerne der dunklen kör- nigen Zellen liegen in beiden Figuren in der Mitte der Zellen. In der Reihe weiter schreitend, finden wir den in der Längs- richtung halbirten Tubulus der Figur 3d in seiner unteren Hälfte aus hellen Schleimzellen, in seiner oberen Hälfte aus dunklen körmigen Zellen bestehend; letztere haben theilweise den Kern ganz in der Mitte der Zellen, theilweise mehr peripher gelegen, 426 J. Nadler: Der gekörnte dunkle Zellenkomplex wechselt in seiner Höhe; das Lumen verengert sich im der Mitte des Tubulus und wird in der oberen Hälfte wieder weiter. Ebenfalls längsgetroffen ist der Tubulus in Figur 3e, in welchem wir zum ersten Mal als besondere Form der Vergesellschaftung der hellen Schleimzellen mit den dunklen körnigen Zellen einen aus letzteren gebildeten Gianuzzi’schen Halbmond vor uns haben. In Figur 3 f stehen sich kreuzweise je 2 grosse helle Schleimzellen und 2 aus mehre- ren dunklen und körnigen Zellen gebildete Halbmonde gegen- über. In Figur 3g überwiegt die Ausdehnung der Schleimzellen bedeutend diejenige des Halbmondes. Diese Figur und Figur 3e stellen also den Uebergang zu den allein aus grossen hellen typischen Schleimzellen bestehenden Tubulis dar. So verschieden die Zellen eines reinen Schleimdrüsentubulus von einem rein dunklen und körmigen (serösen) Tubulus sind (neben den schon beschriebenen Unterschieden beachte man auch die gewaltigen Grössendifferenzen ‚der Zellen des dunkelkörnigen Tubulus der Figur 4a und der Zellen des bei gleicher Ver- grösserung gezeichneten gemischten Tubulus der Figur 4b) und so verschieden auch (z. B. in denselben Figuren) die Zellen eines rein dunkelkörnigen Tubulus von denen eines Halbmondes sein können, so finden wir doch in der geschilderten Reihe, oft auch in einem und demselben Tubulus (z. B. Figur 3d) die Ueber- sänge von den kleinen polygonalen dunkelkörnigen Zellen mit in der Mitte gelegenen Kernen zu den höheren schmalen dunklen Zellen, in welehen die Kerne wie in den Halbmonden bald ganz peripher liegen, bald nur durch eine schmale Protoplasmaschicht von der Zellbasis getrennt sind. Zwischen den hellen gefüllten Schleimzellen und den dunkel- körnigen Tubulus- und Halbmondzellen nimmt morphologisch der Tubulus der Figur 5 eine Mittelstellung ein. Dieser Tubulus ist gewiss ein Endstück, denn von einem Ausführungsgang unter- scheidet er sich durch die periphere Lage seiner Kerne, durch seine Körnelung, die Anwesenheit einer Membrana propria und die Abwesenheit der parallelfaserigen Strichelung. Von den typischen Schleimzellentubulis unterscheidet er sich durch die schmale Form seiner Zellen, durch seine dunkle Farbe und seine Körnelung, ferner dureh die runde, nicht abgeplattete Form seiner Kerne. Währenddem die Farbe, die Körnelung und die Zur Histologie der menschlichen Lippendrüsen. 427 Form der Kerne dieselben sind wie in dem daneben gezeichneten dunkelkörnigen (serösen) Tubulus, unterscheidet sich der erstere Tubulus von dem letzteren doch wieder durch die periphere Lage seiner Kerne und die Höhe seiner eylindrischen Zellen, welche beiden Eigenschaften ihm und den reinen Schleimzellentubulis gemeinsam sind. Deutlich unterschieden von den beiden End- typen unsrer Reihe gleichen diese Zellen am ehesten den Zellen eines Halbmondes z. B. in den Figuren 3e und 3/. Inmitten der körnigen und dunklen Zellen findet sich an dem unteren Umfang eine helle, mit blaugefärbtem Schleim gefüllte -Zelle, welche sich durch eine grössere Breite auszeichnet; links und rechts von ihr befindet sich je eine exquisit schmale dunkel- körnige Zelle. Das Bild lässt sich nur als das sog. „protoplas- matische Stadium“ eines Schleimzellentubulus deuten, wie das- selbe von Stöhr (26, pag. 434) an den Schleimdrüsen der Zunge der Katze constatirt wurde, währenddem es in denjenigen der menschlichen Zunge fehlt (26, pag. 439). Der Tubulus be- weist, dass eine ungleichzeitige Seeretbildung oder Seceretabgabe benachbarter Drüsenzellen eines Schleimzellentubulus vorkommt. Wahrscheinlich ist auch, dass die beiden neben der Schleim ent- haltenden Zelle befindlichen dunklen schmalen Zellen ihre Form einer Compression durch die letztere verdanken. Neben den eben beschriebenen Endstücken, welche alle ein- schichtig sind, finden wir auch solche, in welchen stellenweise helle und dunkle Zellen nach Art eines zweischichtigen Epithels kombinirt zu sein scheinen, wie sie Solger in seiner Arbeit über die menschliche Submaxillaris abgebildet hat (25, Fig. 3). In diesen Fällen haben wir das Bild von aus Randzellen d. h. nicht an das Lumen hinreichenden Zellen gebildeten Halbmonden, während sonst die letzteren, selbst wenn sie nur aus einer ein- zigen Zelle gebildet sind, meistens bis an das Lumen hingehen. Oft ist an solchen zweischichtigen Stellen das Lumen gar nicht getroffen; ferner fehlen an ihnen bald die Kerne der einen, bald diejenigen der anderen Zelle; wir fassen dieselben, um so mehr, da Stellen wie in Solger’s Figur 3 V d, in welchen das Epithel rings um ein Lumen herum zweischichtig erscheint, äusserst selten sind, als Schrägschnitte auf (26, pag. 431). Eine vierte Art von Endstücken fanden wir bei unserer zweiten Leiche, einem 63jährigen Mann, welchem die Präparate 428 J. Nadler: leider auch erst mehrere Stunden nach dem Tod entnommen werden konnten !). Die Lippenstücke wurden nach Galeotti (29. pag. 466) in einer Mischung von 15 em? einer 1°/, Palla- diumehloridlösung, 4 em? 2°%/, Osmiumsäure und 1 em? Essigsäure fixirt und die Schnitte mit Säurefuchsin, Pikrinsäure und Methyl- grün gefärbt. In diesen Schnitten fanden sich Lobuli, welche innerhalb reichlicher entwickelten Bindegewebes, abgesehen von einigen vereinzelten Schleimdrüsentubulis, von einer grossen An- zahl Tubuli mit grossem Lumen und einem niedrigen einschich- tigen Epithel auf einer homogenen Membrana propria zusammen- gesetzt sind. Diese Tubuli enthalten hie und da in ihrem Lumen grün gefärbten Schleim, welcher offenbar aus den wenigen ein- gestreuten Schleimzellentubulis stammt; im Uebrigen enden sie blind; ihre blinden Enden werden in den Schnitten dureh runde Zellkomplexe (Figur 6a A) dargestellt. Figur 65 stellt einen solehen Lobulus bei schwacher Vergrösserung dar: die denselben einschliessende Bindegewebskapsel enthält von der Osmiumsäure sehwarz gefärbte Fettkugeln; dieht unter der Kapsel am linken Umfang sind einige runde Flecken, welche die Zellkomplexe der blinden Endigungen der erweiterten Tubuli sind; die linke Hälfte des Lobulus enthält nur Tubuli der beschriebenen Art, in der rechten Hälfte sind Schleimzellentubuli innerhalb vielen Binde- sewebes enthalten. Da solche Endstücke, deren Uebergang in die Ausführgänge sich an Schnittserien gut verfolgen lässt, nur bei diesem Individuum zu constatiren waren, fassen wir sie als eine pathologische Erscheinung auf, wie Ziegler (30. pag. 496) angibt, dass bei Verengerung der Gänge der Speicheldrüsen oder Verlegung des Lumens hinter der verengten Stelle durch Se- kretansammlung Erweiterungen der Drüsengänge eintreten, welche bald gleiehmässig eylindrisch, bald mehr spindelig oder ampullen- förmig gestaltet sind. Im Uebrigen weisen die Schnitte dieses Individuums die- selben Verhältnisse auf wie diejenigen des ersten. Dagegen ent- halten sie auch grössere Ausführungsgänge, in welchen sich ge- schiehtetes Cylinderepithel als Auskleidung befindet. Die klei- 1) Das Sekretionsprotokoll enthält folgende anatom. Diagnose; Myocarditis hypertrophica et dilatatio cordis, Hydrothorax, Emphysema pulmonum incipiens, Bronchitis diffusa. ee u LT nn a A UN un nnd Bu Zur Histologie der menschlichen Lippendrüsen. 429 neren Ausführgänge zeigen nirgends die oben constatirte parallele Strichelung ihrer Epithelzellen, was wir einer postmortalen Ver- änderung oder einer schlechteren Fixation durch die Galeotti- sche Palladiumehloridlösung zuschreiben, da dieselbe sonst bei allen Individuen zu constatiren war. In den Endstücken gab uns die Galeotti sche Methode eine sehr schöne Doppelfärbung. Die schmalen granulirten Tubuli, ferner die Halbmonde, welche sich wie der ersten Leiche in den verschiedensten Grössen, aus einer bis aus mehreren Zellen bestehend, vielfach vorfinden, sind rothbraun gefärbt; die Schleimzellen zeigen eine grüne Färbung des Schleimes, während der Kern und der protoplasmatische Theil an der Zellenbasis ebenfalls rothbraun sind. In dünnen Schnitten (dünner als 7,5 u) sind die schönsten Pflüger’schen Halbmonde in grosser Anzahl zu finden. Ein für uns wichtiges Bild stellt die Figur 7 dar, welche aus einem sehr dünnen (unter 7,5 u) Schnitte dieses Individuums stammt. Bei schwacher Vergrösserung erscheint dieser Tubulus- querschnitt als aus 4 grossen hellgrüngefärbten Schleinizellen, deren Kerne nicht getroffen sind, und aus 2 Halbmonden gebil- det. Der Halbmond am rechten Umfang besteht aus einer Zelle mit einem grossen, ovalen, quer gelegenen Kerne an der Basis, derjenige am linken Umfang enthält 3 rundliche Kerne. Beide Halbmonde sind rothbraun gefärbt mit Ausnahme des central gelegenen flaschenhalsähnlichen Theiles des einzelligen Halb- mondes rechts, welcher ebenfalls hellgrün ist wie die anliegenden gefüllten Schleimzellen. Bei starker Vergrösserung nun wie in unserer Abbildung (homog. Immers. und Okular 18. Vergr. 2280) sieht man den centralen Theil des einzelligen Halbmondes rechts, ferner denjenigen der unteren Hälfte des linksseitigen dunkeln Zelleneomplexes von einer hellen Masse eingenommen, welche ganz deutlich die polygonalen Maschen eines Netzwerkes mit kleinen an den Theilungsstellen des letzten gelegenen Körnchen erkennen lässt, ganz entsprechend dem Netzwerk der grossen, schleimgefüllten Nachbarinnen. Beide Halbmonde enthalten also in ihrem eentralen Theil etwas Schleim; das Bild entspricht ganz der schematischen Figur 20 III im Stöhr’schen Lehrbuch. Wir haben die Thatsache vor uns, dass ein Gianuzzi’scher Halb- mond durch eine nurwenig Schleim enthaltende Schleimzelle gebildet sein kann. 430 J. Nadler: Noch muss nachgeholt werden, dass sich bei diesem 63- jährigen Individuum dieht neben einem grösseren Ausführungs- gang eine Ansammlung von Leucoceyten nach Art eines Follikels vorfindet. In den Schnitten unseres dritten Individuums, eines an den Folgen einer Mitralisinsuffiicienz gestorbenen 52 jährigen Mannes, ist der Hauptausführungsgang einer Lippendrüse getroffen, welcher abnorm stark erweitert ist. Derselbe besitzt in seinem Anfangs- theile geschichtetes Pflasterepithel, welches in das geschichtete Cylinderepithel der grossen Ausführungsgänge übergeht. Es be- stehen aber auch grosse Ausführungsgänge, welche nur zwei- schichtiges und stellenweise nur einschichtiges Epithel besitzen. Die feineren Ausführgänge mit einfachem Cylinderepithel zeigen sämmtlich die Strichelung der Schleimröhren. Die Endstücke weisen dieselben Unterschiede auf wie beim ersten Individuum. Die Anzahl der Gianuzzi’schen Halbmonde ist eine sehr grosse. Ein Theil dieser Schnitte, welche sämmtlich in Zenker’scher Flüssigkeit fixirt worden waren, wurden mit der Heidenhain- schen Eisenlackmethode gefärbt. In diesen Schnitten zeigen Ausführgänge an der Oberfläche ihrer Cylinderzellen sehr schöne Netze von Schlussleisten. Weder nach dieser Methode noch nach derjenigen von Galeotti wurden verwendbare Bilder der Drüsengranula erzielt, sodass wir auf die Untersuchung der letz- teren verzichten mussten. Zur Untersuchung dieser feinen cellu- laren Eigenschaften unsrer Drüsen waren unsre Präparate eben nicht frisch genug entnommen worden. Auch Basalfilamente waren nirgends in unsern Schnitten zu sehen. Dagegen finden sich in den mit Heidenhain’schem Eisenlack gefärbten Schnitten des 52jährigen Mannes Schnitte von Tubulis, in welchen Secretcapillaren zu constatiren sind. Figur 8 bildet bei 1100facher Vergrösserung einen serösen Tubulus ab, in welchem vom Lumen feine leere Gänge, welehe sich verästeln, intercellular nach der Peripherie hin verlaufen; dieselben endigen in einiger Entfernung von der Membrana pro- pria. Auch an den Schleimzellentubulis zeigt das Lumen hie und da feine Ausbuchtungen zwischen den Schleimzellen; doch lassen sich hier nicht sicher Seeretcapillaren nachweisen, indem die Untersuchung wesentlich durch die unklaren Contouren der hellen Schleimsubstanz erschwert ist. Es sei gleich hier bemerkt, Zur Histologie der menschlichen Lippendrüsen. 451 dass Versuche, die Seeretcapillaren nach Golgi sichtbar zu machen, bei Schnitten von 4 Individuen, auch von einem, wel- chem dieselben 1 Stunde post mortem entnommen wurden, sämmt- lich misslungen sind. Lippensehnitte einer 35jährigen Frau und eines 9!/, jährigen Knaben, ebenfalls in Zenker’scher Flüssigkeit fixirt, bestätigten die schon gemachten Beobachtungen in vollem Umfang; auch hier finden sich helle und dunkelkörnige Endstücke, dazwischen die verschiedenen Combinationen und die Halbmonde. Bei dem Knaben sind grössere Ausführungsgänge mit geschichtetem und zweischichtigem Cylinderepithel getroffen; und es finden sich die Schleimspeichelröhren mit den gestreiften Epithelzellen wie bei der Frau, bei welcher Schleimröhren mit sehr hohen und äusserst schmalen Cylinderzellen zu eonstatiren sind. Das sechste Individuum, von dem wir Lippenschnitte haben, war ein Fötus im sechsten Schwangerschaftsmonat, der durch eine Frühgeburt zur Welt gekommen war. Die Schnitte wurden nach Galeotti fixirt und gefärbt und besitzen schon schleim- gefüllte Zellen neben dunklen körmnigen Zellen und Tubulis. Es sind bereits durch Zellen gebildete und auch Pflüger’sche Halbmonde nachzuweisen. Wir haben nun die Frage zu prüfen, unter welche der be- stehenden Kategorien der Schleimspeicheldrüsen die Lippendrüsen einzureihen sind. Der Eintheilungsmodus der Schleimspeichel- drüsen ist nun bei den verschiedenen Autoren ein wechselnder, und zwar unterscheidet sich derselbe je nach der Ansicht, welehe die letzteren über die Bedeutung der Gianuzzi’schen Halb- monde haben. Nach der jetzt allgemein verlassenen Heidenhain’schen sog. Ersatztheorie (7. pag. 65 u. 66) sollten die Halbmonde oder Randzellenkomplexe junge Zellen sein, welche den für die bei der Thätigkeit zu Grunde gehenden Schleimzellen nothwendig werdenden Ersatz lieferten. Die Theorie wurde endgültig wider- legt durch die Untersuchungen von Bizzozero und Vassale (31), welehe in den Randzellenkomplexen keine oder nur spär- liche Kerntheilungsfiguren fanden. Die erste jetzt noch vertretene Theorie ist die sogenannte Phasentheorie von Hebold wnd Stöhr. Darnach sind die Halbmondzellen secretleere Schleimzellen. Die Zellen eines Tu- 439 J. Nadler: bulus befinden sich in verschiedenen Secretionsphasen. Die ihres Schleimes entleerten, sich verkleinernden Zellen werden von den mit Schleim sich füllenden, sich blähenden Zellen an die Wand sedrängt und stellen so die Randzellen dar. Bedingungen des Zustandekommens sind zartwandige Elemente und ungleichzeitige Seceretbildung benachbarter Drüsenzellen (26. pag. 425). Darnach unterscheidet Stöhr (24. pag. 206 und 26. pag. 441) analog Heidenhain folgende Typen der Schleimspeichel- drüsen : I. Schleimdrüsen a) ohne Halbmonde. Glandulae linguales des Menschen und Kaninchens!). Fälschlich auch die menschlichen Lippendrüsen; b) mit Halbmonden. Glandula sublingualis bei Mensch, Kaninchen, Hund und Katze. Glandulae linguales der Katze. Glandulae submaxillaris bei Hund und Katze. II. Seröse Drüsen. Parotis bei Mensch u. s. w. Pankreas. Ill. Gemischte Drüsen. Gland. submaxillaris bei Mensch, Affe, Meerschweinchen ?) und Maus. Etwas anders gestaltet sich die Eintheilung der Schleim- speicheldrüsen, wenn man die zweite, von v. Ebner (22), Langley (35) und Ranvier, neuerdings durch die grosse Solger- sche Arbeit (25) gestützte Theorie der Halbmonde zu Grunde legt. Währenddem v. Ebner in den Halbmond-Drüsen zweierlei dauernde Seeretionszellen annahm, welche man an der gereizten Drüse wegen äusserer Uebereinstimmung nicht mehr von einander unterscheiden könne, geht Lan-gley so weit, die Halbmondzellen 1) Nach neuen Präparaten finden sich auch in den Schleimdrüsen der Tonsille und des Zungengrundes des Kaninchens echte aus Zellen gebildete Gianuzzi’sche Halbmonde. 2) An der Glandula submaxillaris des Meerschweinchens hat v. Ebner (32. S. 509) helle und dunkle Zellen konstatirt, welche er als Schleim- und seröse Zellen deutete. Nun ergeben aber neue Präparte, dass in den hellen Zellen absolut kein Schleim vorhanden ist. Weder mit Hämatoxylin-Delafield noch nach der Galeottischen Methode lässt sich eine Schleimfärbung erzielen, während dem doch Becherzellen von Ausführungsgängen in denselben Schniten die ty- pische Schleimfärbung zeigen. Die Submaxillaris des Meerschweinchens enthält also keine Schleimzellen und darf nicht mehr zu den „ge- mischten Drüsen“ gerechnet werden. Zur Histologie der menschlichen Lippendrüsen. 433 vollkommen mit den Zellen der serösen Drüsen zu identifieiren. Er schreibt: If we compare different salivary glands, we find, that we can form a series with a mucous gland at the one end and a serous gland at the other and betwen these all stages of glands of intermediate structure (eitirt nach 25 pag. 234). Diese Langley’sche Theorie, wonach sich ein Halbmondtubulus aus Schleimzellen und aus serösen Zellen zusammensetzt, stützt Solger durch folgende Beobachtungen: a) Es bestehen Unterschiede zwischen den Secretkörnchen der serösen Tubuli und der Halb- monde einerseits und denjenigen der Schleimdrüsenzellen andrer- seits; an frischen ungefärbten Präparaten der Glandula submaxil- laris des Menschen haben die ersteren helles, transparentes Aus- sehen, ferner sind sie in 10°, Formalinlösung und in Sublimat fixirbar und nach verschiedenen Methoden färbbar, währenddem die Seceretionskörnchen der Schleimzellen am frischen Präparat ein mattes Aussehen besitzen und sich in der Formalinlösung auflösen (25. pag. 26 u. f.). Die Secretionskörnehen der Halb- monde verhalten sich also wie diejenigen der serösen Tubuli und anders als diejenigen der Schleimzellen. b) In den serösen Tubulis und in den Halbmonden finden sich die sog. „Basal- filamente* (25. pag. 220 u. £.), welche Complexe derber, faden- oder stäbchenartiger Gebilde sind, welche sich in Hämatoxylin analog den Granulis tiefblau färben und besonders prägnanten Abschnitten der Flemming’schen Filarmasse entsprechen sollen. e) Eine Serie von Schnitten ergiebt, dass derselbe Tubulus, weleher in einer Höhe einen Halbmond neben Schleimzellen zeigt, in einem andern Niveau nur aus dunklen, körnigen, „serösen“ Zellen besteht, woraus Solger schliesst, dass „in der menschlichen Submaxillaris Zellen von dem Cha- rakter der serösen Drüsen genau den Habitus von. wirklichen Halbmonden annehmen können.“ Nach dieser zweiten Theorie, welehe man die Zweisecret- theorie des Halbmondtubulus nennen könnte, wären die Schleim- speicheldrüsen so einzutheilen: I. Sehleimdrüsen (bestehen nur aus Schleimzellen, keine Halbmonde) Gld. linguales des Menschen und Kaninchens. II. Seröse Drüsen. Parotis u. s. w. Ill. Gemischte Drüsen. Gland. sublingualis, submaxillaris u. s. w. (sämmtliche Drüsen mit Halbmonden). : Archiv f, mikrosk. Anat. Bd. 50 28 434 J. Nadler: Da wir in unseren Lippendrüsen abgesehen von den Halb- monden ganze Tubuli von dunkelkörnigem Aussehen und sogar ganze kleine Lobuli aus solchen Tubulis zusammengesetzt fanden, welche wohl serösen. Tubulis entsprechen, da überhaupt das Bild der Lippendrüsen vollkommen demjenigen der menschlichen Glandula submaxillaris entspricht, gehören dieselben sowohl nach Hebold-Stöhr, als nach Langley-Solger unter die Kategorie der gemischten, aus Schleim- und serösen Zellen zu- sammengesetzten Drüsen. Es wäre aber noch ein Drittes möglich. Es besteht eine ganze Reihe von Uebergängen vom Bild des serösen Tubulus und seiner Zelle bis zum Bilde des aus Zellen gebildeten Halb- mondes, woraus, da zwischen der Halbmondzelle und der typi- schen hellen Schleimzelle eine Kluft bestand, Langley und Solger geschlossen haben, die Halbmondzellen seien seröse Zellen. Nun ist aber durch die Stöhr 'schen Beobachtungen an der Katzenzunge und durch unsere constatirte Thatsache, dass ein einzelliger Halbmond Schleim enthält, jene Kluft über- brückt. Wenn Solger sagt, „dass in der menschlichen Sub- maxillaris Zellen von dem Charakter der serösen Drüsen genau den Habitus von wirklichen Halbmonden annehmen können“, so haben wir dagegen die Thatsache, dass in der menschlichen Lippendrüse Halbmonde durch dem secretleeren Zustande nahe Schleimzellen gebildet sein können. Aus der ganzen Reihe der Uebergänge, besonders auch aus der Solge r'schen Sehnittserie könnte man schliessen, auch die nur aus dunklen, körnigen Zellen bestehenden, „serösen* Tubuli seien nur seeretleere Schleimzellen- tubuli, deren Zellen gleichzeitig ihr Secret abgegeben haben. Nach dieser erweiterten Phasentheorie wären die Lippendrüsen und wohl auch die Submaxillaris reine Schleimdrüsen. Endlich ist denkbar, dass ein Halbmond einmal durch seröse, ein anderesmal dureh Sehleimzellen im seeretleeren Zustand gebildet sei. Die beiden wären, wie v. Ebner angegeben hat, morphologisch nicht von einander zu unterscheiden, wie ja im gereizten Zustande die Schleimzellen durch die lange dauernde Funktion thatsächlich den serösen Zellen ähnlich werden sollen. Eine Duplicität der Form irgendwo in der Reihe zwischen dem serösen Tubulus und dem Halbmond muss wohl angenommen werden. Ay Zur Histologie der menschlichen Lippendrüsen. 435 Dass die Frage nach der Bedeutung der Halbmonde nur dureh weitere Beobachtungen entschieden werden kann, ist an- gesichts der bestehenden Widersprüche selbverständlich. Zum Schlusse spreche ich Herrn Professor Stöhr für seinen Rath und Beistand bei dieser Arbeit meinen besten Dank aus. 13. 16. I. Litteratur-Uebersiecht. Henle, Allgem. Anatomie, Lehre von den Mischungen und Form- bestandtheilen des menschl. Körpers. Leipzig 1841, bei Leop. Voss. Kölliker, Mikroskop. Anatomie. 1]. Band. Leipzig 1854, bei En- gelmann. Luschka, Die Anatomie des menschl. Kopfes. Tübingen 1867, bei H. Laupp. Stricker, Handbuch der Lehre von den Geweben. Leipzig 1871, bei Engelmann. Henle, Handbuch der Eingeweidelehre des Menschen. Braun- schweig 1873, bei Vieweg. Frey, Handbuch der Histologie und Histochemie. Leipzig 1876, bei Engelmann. . Hermann, Handb. d. Physiologie. V. Bd. I. Theil. Leipzig 1880, bei Vogel. Orth, Cursus der normalen Histologie. 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Uebergangsreihe vom serösen zum Schleimzellentubulus. Vergr. 600fach. Text Seite 425 u. 426. | Fig. 4a u. 4b. Bilder aus derselben Schnittserie. Seröser und Halb- mondtubulus. Vergr. 1100fach. Text Seite 426. Fig. 5. Bild aus derselben Schnittserie. Protoplasmatisches Stadium eines Schleimzellentubulus. Vergr. 600fach. Text Seite 426. Fig. 6a u. 6b. Schnitt durch eine Unterlippendrüse eines 63jährigen Mannes, fixirt und gefärbt nach Galeotti. Pathologisch er- weiterte Endstücke. 6a Vergr. 325fach. 65 Vergr. 100fach. Text Seite 428, Fig. 7. Bild aus der Schnittserie wie 6. Halbmond bei 2280facher Vergr. Text Seite 429. Fig. 8. Schnitt durch eine Unterlippendrüse eines 52jährigen Mannes, fixirt nach Zenker, gefärbt nach der Heidenhain’schen Eisenlackmethode, seröser Tubus mit Sekretkapillaren. Vergr. 1100fach. Text Seite 430. Ueber ein neues Verfahren, auf optischem Wege Farben-Oontraste zwischen einem Ob- jekt und dessen Untergrund oder zwischen bestimmten Theilen des Objekts selbst her- vorzurufen. Von J. Rheinberg in London. (Mitgetheilt durch E. M. Nelson F.R. M. S. in der Sitzung der Royal Microscopical Society 20. Mai 1896.) Uebersetzt und abgedruckt mit Erlaubniss der Royal Microscopical Society. Hierzu Tafel XXIII u. XXIV. Ich möchte mir heute erlauben, Ihnen über die Resultate einer Reihe meines Wissens neuer Experimente zu berichten, die ich während der letzten Jahre anstellte zum Zweck, gewisse Farben-Effekte mit Hülfe des Mikroskops hervorzubringen. 458 Rheinberg: Das unmittelbar dabei gesteekte Ziel war, ein Objekt, unter Benutzung eines Objektives beliebiger Stärke, im irgend einer gewünschten Farbe auf einem Untergrunde irgend einer anderen Farbe erscheinen zu lassen, und, durch den grösseren Contrast, der hierbei der gewöhnlichen Methode gegenüber gewonnen wird, schärfere und vollkommenere Definition zu erzielen. Dass bei einer Erhöhung des Contrasts, wofern dadurch ändere Bedingungen nicht wesentlich beeinträchtigt werden, die Wahrnehmung eines Gegenstandes schärfer wird, versteht sich wohl von selbst, da es eine anerkannte Thatsache, fast ein Axiom ist, dass das Sehen überhaupt auf Wahrnehmung von Contrast beruht. Ich hoffe im Stande zu sein, Ihnen nachzuweisen, dass ich das gewünschte Resultat mit zahlreichen Arten von Objekten erzielt, und dass vermittelst derselben Methoden, durch welche Farben-Contraste zwischen dem Untergrunde und dem Objekte erzielt werden, es unter gewissen Umständen auch möglich ist, Farben-Contraste zwischen bestimmten Theilen der Objekte selbst hervorzubringen. Zur Erzielung dieser Resultate lassen sich durchsichtige Scheiben (Tafel XXIII, Fig. 1) benützen, deren centraler und peripherer Theil verschiedenartig gefärbt sind, oder, die in ge- wissen Theilen gefärbt sind. Diese Scheiben werden an gewissen Stellen innerhalb des Weges der von der Lichtquelle ausgehenden Strahlen angebracht. Ich werde die Scheiben von hier an Farben-Blendungen nennen. Diese Blendungen mögen aus verschiedenen Glasstücken » zusammengesetzt, oder auch aus einem einzelnen Glasstück ge- bildet werden, welches mit einer mit der erforderlichen Farbe gefärbten Collodion- oder Gelatineschicht überzogen ist. Im All- gemeinen sind solche Blendungen am geeignetsten, deren cen- traler Theil eine bestimmte, z. B. rothe Farbe, deren Umkreis hingegen eine guteontrastirende Farbe, z. B. grün oder blau besitzt (Tafel XXI, Fig. 1e), oder auch Blendungen, in denen nur der centrale, oder nur der periphere Theil gefärbt ist (Tafel XXUIL, Fig. 1a,b). Esist zweckmässig, den centralen Theil etwa !/,—!/, des Durchmessers der Blende gross zu nehmen. Je nach den Umständen, die der betreffende Fall bietet, sollten die Blendungen in geeigneter Grösse zwischen Hinterlinse Ueber ein neues Verfahren etc. 439 und Brennebene des Objektivs oder in dem Diaphragmenträger des Condensors angebracht werden, oder zwischen Lichtquelle und Spiegel. Zuweilen empfiehlt es sich sogar, sie zwischen die Linsen des Objektivs zu bringen. Aus dem Gesagten geht bereits hervor, dass diese Farben- Blenden-Methode nur optische Effekte betrifft, sodass es rathsam erscheint, bevor wir in grössere Einzelheiten eingehen, in Kürze ihre Beziehungen zu verschiedenen anderen optischen Methoden festzustellen, die in allgemeiner Anwendung sind, um die Farbe des Objektes oder des Untergrundes zu ändern. Zunächst erwähne ich monochromatische Beleuchtung, welche durch speetroseopische Zersetzung des weissen Lichtes oder durch Einschalten eines Absorptions-Filter in den Beleuchtungs- Kegel hervorgebracht werden kann. Der Vortheil für die Be- obachtung liegt hier hauptsächlich in der Aufhebung oder Ver- minderung der chromatischen Aberration, sowie in der schärferen Zeichnung des Bildes feinerer Strukturen, indem Licht von an- nähernd gleicher Wellenlänge an die Stelle des aus verschiedenen Wellenlängen zusammengesetzten Lichts tritt. Letzteres hat den Uebelstand, da feine Strukturen mit ausgedehnten Beugungs- fächern verknüpft sind, dass die schliesslich entstehenden Bilder sich nieht genau decken, indem sie ihrer Natur und Lage nach varliren. Der grösseren Definition, die hier gewonnen wurde, tritt jedoch unglücklicher Weise in gewisser Hinsicht eine Verminde- rung des Contrasts gegenüber, da das Objekt mehr oder weniger zur selben Farbe wie der Untergrund neigt. Obiges bezieht sich ebenfalls auf Mierophotographie. Es wird ein Theil meiner Aufgabe sein, in weiterem Ver- lauf zu zeigen, dass vermittelst der Farben-Blenden-Methode die Vortheile monochromatischer Beleuchtung zum grossen Theil er- halten bleiben, während die Nachtheile grossentheils vermindert werden. Zweitens erwähne ich die Anwendung des Polariscops in Verbindung wit Glimmerplättchen u. s. w., welche, soweit sie ihrem eigentlichen Zweck entsprechend zur Untersuchung erystal- linischer Bildungen der Objekte dient, in keiner Weise in Ver- bindung steht mit der hier in Betracht kommenden Methode. Aber, während in ihrer wissenschaftlichen Anwendung beide Methoden 440 >o.Rheinberg:: ihre getrennten Zwecke und Ziele haben, rivalisiren sie un- zweifelhaft als Mittel zur Hervorbringung überraschender Farben- Effekte, und für diesen ziemlich untergeordneten Zweck hat die Farben-Blendung-Methode den Vorzug grösserer Einfachheit. Schliesslich 'erwähne ich die Dunkelfeld-Beleuchtung als ein Mittel, die Farbe des Untergrundes zu verändern, aber hier will ich sogleich zur Farben-Blendungs-Methode übergehen, da ein Theil derselben im strengen Sinne des Wortes als eine Er- weiterung des Prineips der gewöhnlichen Dunkelfeld-Beleuchtung zu betrachten ist. Ich sage ein Theil derselben, denn es ist nöthig, die Methode in zwei besondere Theile zu trennen, von denen der eine haupt- sächlich für stärkere, der andere für schwächere Systeme passt. Dem ersten Eindruck nach möchte es fast scheinen, als ob beide Methoden im Gegensatz zu einander ständen, aber bei näherer Prüfung wird es einleuchten, dass beiden ein gemeinsames Prinzip zu Grunde liegt. Im ersten Falle kommt ein Objektiv weiter Apertur bei verhältnissmässig engem Beleuchtungs- Kegel zur Anwendung. Diese Methode gilt hauptsächlich für stärkere Systeme. Im zweiten Falle kommt ein Objektiv enger Apertur bei weitem Beleuchtungs-Kegel zur Anwendung, gerade wie bei Dunkelfeld-Beleuchtung. Diese Methode gilt für schwächere Systeme. Das gemeinsame Prinzip für beide ist, dass verglichen mit der gewöhnlichen Beleuchtungsmethode wir einen viel kleineren Bruchtheil direkten Lichts in das Objektiv eintreten lassen (d.h. Licht, dessen Richtung allein dureh die Wirkung ‚des optischen Systems bestimmt wird), im Verhältniss zur Menge des indirekten Lichts (worunter ich solches Licht verstehe, welches in das Ob- jektiv eintritt, nachdem es Brechung und Beugung durch das Objekt erlitten.) Wir müssen diese Thatsache und was sie zu Wege bringt, etwas genauer betrachten. Die Abbe’sche Theorie der mikroskopischen Wahrnehmung hat uns gelehrt, in welcher Beziehung der Beleuchtungs-Kegel und der Objektiv-Kegel (resp. Oeffnungs-Winkel) zu einander stehen. Dieselbe hat die Thatsache dargelegt, dass selbst mit einem engen Licht-Büschel (peneil of light) vom Condensor wir Ueber ein neues Verfahren ete. 441 unter Umständen die volle Apertur des Objektivs ausnützen. Denn ein einzelner Lichtstrahl, der durch das Objekt geht, tritt nicht etwa als einzelner Strahl wieder hinaus, sondern wird in ver- schiedene zerlegt, die zusammen den sogenannten Beugungs- Fächer bilden, welcher um so grössere Ausdehnung nimmt, je feiner die Struktur des Objekts ist. Ueberdies wissen wir, dass jedes der zahllosen engen Licht-Büschel (peneil of light) ver- schiedener Neigung, welche als Ganzes genommen den Beleuch- tungs-Kegel bilden, seine eigenen dioptrischen und Beugungs- Büschel verursacht, und so jeder elementare Strahl, der auf irgend einen Theil der feineren Struktur fällt, verschiedene Zonen des Objektivs zu gleicher Zeit in Wirksamkeit setzt "). Ausser und in Zusammenhang mit dieser polyzonalen Aen- derung der Richtung der auf das Objekt einfallenden Strahlen wird die Richtung eines jeden dieser Strahlen mehr oder weniger durch Brecehungs- und Reflexionswirkungen des Objekts ver- ändert. Behalten wir dieses im Sinn, so tritt ein fundamentaler Unterschied zwischen dem Vorgang bei der Abbildung des Ob- jekts und des Untergrundes hervor. Das Objekt wird sichtbar vermöge seiner Wirkung auf das Licht, die aus vier Arten, näm- lich Absorption, Brechung, Reflexion und Diffraction (Beugung) besteht ?). Es leuchtet demnach ein, dass die Riehtung der auf ein Objekt einfallenden Licht-Strahlen durch das Objekt selbst zum grossen Theil verändert wird. Aber der Untergrund des Objekts wird nur wahrgenommen durch diejenigen Strahlen, welche durch die Linsen getreten sind, ohne in ihrer Richtung eine Aenderung durch ein dazwischen liegendes Hinderniss (mit anderen Worten durch das Objekt) erlitten zu haben. Aus dieser Thatsache werden wir in der hier zu erörternden 1) Es ist selbstredend unmöglich, die Wirkung eines einzelnen Strahls abgesondert vom Büschel oder Bündel zu betrachten, von dem derselbe ein Element bildet; ich habe von dieser Abstraction nur der grösseren Deutlichkeit wegen Gebrauch gemacht. 2) Je nach der Natur des Objektes herrscht die eine oder andere der vier Wirkungs-Arten vor. Bei sehr kleinen Strukturen ist es un- möglich in strengem Sinne dieselben zu trennen, und in diesem Falle sind dieselben zuweilen sämmtlich unter Beugung klassifizirt worden. 442 J. Rheinberg: Methode Nutzen ziehen. Wir trennen so weit als möglich und stellen die direkten Lichtstrahlen, durch welehe wir den Unter- srund sehen, zu denen, deren ursprüngliche Richtungen geändert worden sind, und vermittelst derer wir das Objekt sehen, in Gegensatz. Gewöhnliche Dunkelfeld - Beleuchtung giebt uns ein be- kanntes Beispiel zur Erläuterung der obigen allgemeinen Grund- sätze. Wenn wir das Ocular aus dem Mikroskop entfernen und durch den Tubus hinabsehen, empfängt das Auge kein Licht;- der Hintergrund erscheint deshalb schwarz (siehe Tafel XXI, Fig. 3 und erklärende Anmerkung). Sobald jedoch ein licht- brechendes Objekt eingestellt wird, füllt sich das Feld mit Licht. Dieses Licht zeichnet das Bild des Objektes, wenn das Ocular wieder eingesetzt wird (siehe Tafel XXIII, Fig. 4 und erklärende Anmerkung). Nun können wir auch Dunkelfeld-Beleuchtung auf anderem Wege hervorbringen, die besonders für stärkere Systeme geeignet ist. Wenn wir den Beleuchtungskegel einengen, bis derselbe nur etwa ein Viertel des effektiven Durchmessers des Objektivs mit Licht ausfüllt, d. h. nur etwa !/,, der ganzen Fläche, und wenn wir dann eine schwarze eentrale Blendung hinter das Objektiv bringen, um diesen direkt beleuchteten Theil abzu- deeken (siehe Tafel XXIII, Figur 5 und erklärende Anmerkung), so erzielen wir eine ähnliche Wirkung wie vermittelst gewöhn- licher Dunkelfeld- Beleuchtung. Wenn das Objektiv eingestellt wird, so erscheinen die übrigen '?/,, der Fläche mehr oder weniger beleuchtet, wie man beobachten wird, wenn man das Oeular entfernt und in den Tubus hinabsieht (Tafel XXIII, Figur 6 und erklärende Anmerkung). Betrachten wir das Objekt bei aufgesetztem Oeular, so er- scheint dasselbe auf dunklem Grunde. Das Bild würde jedoch, selbst für den Fall, dass wir ein Objektiv gebrauchten, bei welchem die chromatische und sphärische Aberration vollständig aufgehoben wäre, noch an zwei Mängeln leiden, von denen der eine von grösserer, der andere nur von geringerer Bedeutung ist. Um dies zu verstehen, müssen wir nochmals auf die Diffraetions- Theorie zurückgreifen. Nehmen wir den Fall eines normalen Objekts, nämlich eines solehen, in welchen Strukturen ver- schiedener Grade von Feinheit sichtbar gemacht werden sollen, Ueber ein neues Verfahren etc. 443 und welches auch das Lieht in verschiedenem Maasse in seinen verschiedenen. Theilen brieht. Der Einfachheit wegen wollen wir noch annehmen, das Objekt erzeuge Beugungs-Fächer mit einer Anzahl regelmässiger maxima und minima von Lieht }). Wir wollen nun das auf das Objekt einfallende Licht in zwei Abtheilungen sondern, je nach dem Grade, in welchem es Breehung erleidet (Tafel XXIII, Figur 2). Im Abtheilung I wollen wir diejenigen Lieht-Büschel stellen, welehe nur wenig durch das Objekt gebrochen werden und deren dioptrische Büschel demnach in die centrale Zone des Objektivs fallen, welehe durch unsere schwarze Blendung abgedeckt ist. In Abtheilung II wollen wir diejenigen Licht-Büschel stellen, welehe durch das Objekt stärker gebrochen werden, deren aus- tretende dioptrische Büschel ausserhalb der centralen Zone liegen. (Da ein Zweifel über die Bedeutung des Wortes di- optrisch möglich wäre, so will ich hier bemerken, dass ich den Ausdruck ausschliesslich auf den eentralen oder axialen Strahl irgend eines vollständigen Beugungs-Fächers anwende, nämlich denjenigen Strahl, für welchen die gewöhnlichen Gesetze geome- trischer Optik anwendbar sind). Nachdem wir nun die Licht- Büschel je nach dem Grade ihrer Berechnung eingetheilt haben, müssen wir unsere beiden Abtheilungen in je drei Unter-Abthei- lungen (Klassen) zerlegen, je nach dem Maasse, in welchem das Licht gebeugt wird, entsprechend der Feinheit der Struktur. In die erste Klasse A wollen wir die Licht-Büschel stellen, welche die grobe Struktur durchsetzen, deren vollständige Beugungs- Fächer insgesammt vom Objektiv aufgenommen werden, indem sie keine. bemerkenswerthe Winkel-Ausdehnung besitzen. In die zweite Klasse B kommen feinere Strukturen, die daher einen ausgedehnteren Beugungs-Fächer erzeugen, jedoch solche, deren Beugungs-Spektra erster und zweiter Ordnung vom Objektiv aufgenommen werden. In die dritte Klasse © kommen noch feinere Strukturen, von welchen nur Beugungs-Spektra erster Ordnung zum Eintritt in das Objektiv gelangen. Jetzt sind wir in der Lage, die Wirkung unserer schwarzen centralen Blendung oberhalb des Objektivs zu betrachten. 1} Dieselben allgemeinen Prinzipien lassen sich leicht auf andere Fälle anwenden. 444 J. Rheinberg: Erstens, was Abtheilung I betrifft, welche die Strahlen- Büschel der Klasse A umfasst, die geringe Richtungsänderung erleiden, so werden diese Strahlen, deren vollständiger Beugungs- Fächer in das Objektiv eintritt, durch die Blendung vernichtet, mit anderen Worten, alle gröbere Struktur, welche nicht zu- fällig das Licht stark von seiner ursprünglichen Richtung ablenkt, ist ausgelöscht. Die dioptrischen Strahlen-Bündel der Klassen B und C der I. Abtheilung werden ebenfalls durch die Blendung abgeschnitten; im ersten Falle (Klasse B), da das Objektiv wenigstens zwei, aber im Allgemeinen mehrere auf einander folgende Beugungs- Spektra von demselben einfallenden Lieht- Büschel aufnimmt, leidet die Abbildung nicht merklich; aber im zweiten Falle (Klasse C), wo nur Beugungs-Spektra erster Ordnung vom Ob- jektiv aufgenommen werden, verursacht die Vernichtung des dioptrischen Licht-Bündels eine scheinbare Verdoppelung der Struktur, wie in dem wohlbekannten von Professor Abbe her- rührenden Experimente mit der Diffractions-Platte. Was Abtheilung II betrifft, so wird die Struktur entsprechend unseren Klassen A, B, C in jeder Hinsicht getreu abgebildet, wie aus dem Diagramm leicht ersichtlich, denn in diesem Falle wird das dioptrische Büschel zugleich mit wenigstens einem, meistens aber mehreren, aufeinanderfolgenden Beugungs-Spektren vom Objektiv aufgenommen. Das Gesammtresultat der Einführung unserer schwarzen centralen Blendung ist demnach die Abbildung des Objekts auf schwarzem Hintergrund, wobei die gröbere Struktur grossen- theils ausgelöscht ist und ein gewisser Theil der sehr feinen Struktur ein wenig falsch abgebildet ist‘), Nun ist es aber selbstverständlich, dass bei Behandlung der grossen Mehrheit der Objekte es von geringem Werth ist, die feinere Struktur deut- lich zu erkennen, ohne zugleich ihr Verhältniss zu den gröberen Theilen zu unterscheiden. Nach meiner Ansicht ist es gerade diese Unmöglichkeit, welche den grossen Mangel der Dunkelfeld- Beleuchtung bei der in Rede stehenden Methode bildet. Was 1) Gewisse Unterschiede können in der Abbildung sich heraus- stellen, je nachdem das Licht, welches durch die Struktur geht, in Abtheilung I oder II fällt; es ist unnöthig, dieses weiter im Einzelnen auszuführen. Ueber ein neues Verfahren etc. 445 die Verdopplung von Strukturen betrifft, welehe im Verhältniss zur Objektivöffnung so fein sind, dass nur Beugungs-Spektra erster Ordnung vom Objektiv aufgenommen werden, sind wir durch die Erkenntniss, dass dieses vorkommt, in Stand gesetzt, bei Wahrnehmung der Struktur darauf Rücksicht zu nehmen. Ueberdies ist die Trennung der Linien so gering, dass sie nur noch kaum bemerkbar ist, und das Bild häufig nur ein etwas verschwommenes Aussehen bietet. Diesem Mangel braucht man, wie ich glaube, weniger Bedeutung beizulegen, wenigstens bei Behandlung der grossen Mehrheit der Objekte. Die Natur der Abbildung bei Dunkelfeld-Beleuchtung, wie sie hier erklärt wurde, hilft uns die Abbildung verstehen, welche bei Anwendung von Farbenblendung unter ähnlichen Bedingungen auftritt. Wir wollen nun zur Betrachtung derselben übergehen. Zunächst jedoch müssen wir von einem Factor Kenntniss nehmen, welcher von besonderer Wichtigkeit in Bezug auf Farben- Blendungen oberhalb des Objektivs ist. Dieser Factor besteht darin, dass in einem Beugungsfächer, der durch Licht verschie- dener Wellenlänge hervorgerufen ist, wie etwa bei weissem Licht (wo der Beugungsfächer aus einem dioptrischen Strahlenbündel und einer Anzahl von Beugungs-Spektren besteht), nur die Strahlen gleicher Wellenlänge zusammenwirken können — mit anderen Worten das Licht irgend einer besonderen Farbe verhält sich ganz unabhängig vom Licht anderer Farben. Diese Thatsache ist meines Wissens bisher noch nicht durch Experimente nachgewiesen worden, ich machte daher eine Reihe von Versuchen mit Blendungen in verschiedenen Farben, wobei ich ein Zeiss-Objektiv aa und die Abbe’sche Diffractions- platte als Objekt benutzte, ebenso ein !/,-zölliges Objektiv und Diatomeen als Objekt. Diese Versuche stellen unzweifelhaft die obige Thatsache fest, soweit es die visuelle Wahrnehmung betrifft!). Es empfiehlt sich, die Wirkung dreier Arten von Farben- Blendungen gesondert zu beobachten, nämlich solche, in welchen nur die centrale Zone (etwa !/, des ganzen Durchmessers) ge- färbt ist; dann solche, in welchen nur der periphere Theil gefärbt ist; schliesslich solehe mit gefärbtem Centrum und Peripherie. 1) Seitdem diese Blätter geschrieben sind, erfuhr ich von Herrn Dr. Czapski, dass einige andere Experimente zu demselben Zweck vor einigen Jahren von Prof. Abbe gemacht wurden, . 446 J. Rheinberg: In allen drei Fällen erhalten wir selbstredend als Hinter- grund die Farbe der centralen Zone der Blendung, weil das direkte Licht ausschliesslich nur durch die centrale Zone geht, und nicht durch andere Theile (Tafel XXI, Fig. 5). Wenn wir daher eine Blendung benutzen, an der nur der centrale Theil gefärbt ist, z. B. roth, so ist die Abbildung des Untergrundes roth und das Objekt erscheint fast weiss, wie es bei der Dunkelfeld-Beleuchtung war, aber, während in diesem Falle die Abbildung des Objekts nur durch das Licht bestimmt wurde, welches ausserhalb der centralen Zone der Blendung eintrat, treten in diesem Falle noch andere Faktoren hinzu. Denn jetzt kann ein Theil des weissen Lichts, nämlich das rothe, durch die eentrale sowohl wie die periphere Zone eintreten, während Licht von anderer Farbe nur durch die periphere Zone eintritt. Das Resultat ist daher, soweit es das rothe Licht betrifft, dass wir eine vollkommen getreue Abbildung des Objekts empfangen, gerade, als ob wir ein monochromatisches Licht-Filter anwendeten. Es fällt also jetzt genau an dieselbe Stelle das Bild des Objekts, welches dureh die anderen Componenten des weissen Lichts ge- bildet wird, welches in dem gleichen Maasse ungetreu ist, in welehem die Abbildung bei der Dunkelfeld-Beleuchtung unge- treu war. Aber die getreue rothe Abbildung ist so wesentlich lichtstärker, als die andere, weil keine der den Beugungs- fächer zusammensetzenden Strahlen ausgeschlossen wurde, dass es ganz unmöglich ist, eine Verdoppelung der Struktur wahrzu- nehmen. Die Abbildung durch den nicht rothen Theil des Lichts aber, da dieser sozusagen über dem rothen aufgetragen ist, verursacht ein Gesammtresultat, als ob die Abbildung von einem weissen Licht herrühre. Obiges bezieht sich auf Alles, ausgenommen Abtheilung I Klasse A (Tafel XXIU, Fig. 2). Mit der Dunkelfeld-Blendung ging die Abbildung eines Theils der gröberen Struktur, die unter diese Kategorie fällt, gänzlich verloren. Mit der rothen Blendung Jedoch nicht; sie erscheint einfach in Roth. Wir haben also die beiden Mängel der Dunkelfeld-Beleuch- tung bei starken Systemen überwunden, während wir den Vor- theil des Contrastes, den dieselbe bot, beibehielten. Allerdings haben wir jetzt die Abbildung eines Theils der groben Struktur in einer Farbe verschieden von derjenigen der feineren Struktur, ai Ueber ein ncues Verfahren ete. 447 aber beide verschmelzen mit einander, und das Gesammtergebniss ist, dass die feinere Struktur deutlicher erscheint, als bei ge- wöhnlicher Beleuchtung, während wir die Abbildung der gröberen Struktur gerade so deutlich behalten, wie bei der gewöhnlichen Methode. Wenn wir eine Blendung benützen, von der nur der periphere Theil gefärbt ist, z. B. roth, so erhalten wir etwas weniger Contrast, aber die Abbildung ist beinahe monochromatisch. Das rührt daher, dass die Abbildung des ganzen Objekts, aus- genommen einen Theil der gröberen Struktur (Abtheilung I Klasse A), durch die rothen Strahlen bewirkt ist, während wir mehr Licht bei der Bildung des Hintergrundes empfangen, als im letzten Falle; dadurch entsteht eine Verminderung des Con- trasts. Aus diesem Grunde ist es zuweilen möglich, bessere Resultate mit rother, wie mit blauer Blendung zu erzielen, weil erstere Farbe heller ist. Wenn wir eine Blendung benützen mit eentralem Theil und jeweils verschieden gefärbtem peripherischem Theil (Taf. XXII, Fig. 6), so können wir sehr gute Contraste erzielen, aber wir führen damit einen der Fehler ein, der dem Gebrauch der Dunkelfeld-Blendung anhaftet, nämlich die Verdoppelung der Struktur, von welcher nur Diffractions-Speetra erster Ordnung vom Objektiv zugelassen werden, wenn ihre dioptrischen Strahlen- Büschel in die centrale Zone fallen t). Auch in diesem Falle sollten wir die relative Intensität der verschiedenen Farben des angewandten Lichts in Rücksicht ziehen und sie je nach der gewünschten Wirkung modifiziren, die gewöhnlich den Zweck hat, die feinere Struktur mehr hervortreten zu lassen. Im All- gemeinen sollte daher das centrale Feld tiefer gefärbt sein als das periphere Feld der Blendung. Man wird jetzt sehen, dass in den beiden letzten Fällen eine Art Beleuchtung zur Anwendung kommt, die fast alle Vor- theile gewöhnlicher monochromatischer Beleuchtung mit dem weiteren Vortheil grossen Contrasts des Untergrunds verbindet. 1) Theoretisch lassen, da die zwei Farben der Blendung nie- mals wirklich monochromatisch sind, beide eine gewisse Reihe von Wellenlängen durch, und dies dient dazu, den Irrthum zu verringern. Wegen ihrer verhältnissmässig schwachen Helligkeit jedoch, wenn wir eine Blendung mit stark kontrastirenden Farben benutzen, ist die Wirkung mit dem Auge nicht wahrnehmbar, mit Hülfe der Photo- graphie ist sie zu entdecken. 448 J. Rheinberg: Man mag einwenden, dass die Wirkung der ehromatischen Aberration des Objektivs nicht aufgehoben sei. Doch in Wirk- lichkeit ist sie wesentlich aufgehoben, denn wenn wir in Rück- sicht ziehen, wie die verschieden gefärbten Theile des Objektivs unabhängig von einander wirken, so wird man begreifen, dass wir praktisch mit zwei Objektiven zu gleicher Zeit arbeiten, von denen das eine eine viel kleinere numerische Apertur besitzt als das andere. Aber, da das Tiefenvermögen in umgekehrtem Ver- hältniss zur numerischen Apertur steht, so folgt daraus, dass das centrale Feld, wenn es unabhängig von dem übrigen ge- braucht wird, weit grösseres Tiefenvermögen zeigt, als das ganze Objektiv — oder das ganze Objektiv weniger den cen- tralen Theil. Dieser Umstand ermöglicht, dass die Abbildung durch das centrale Feld sich derjenigen des übrigen Theils des Objektivs anpasst und gleichzeitig eingestellt erscheint, auch die chromatische Aberration im Wesentlichen eorrigirt ist. Eine sehr interessante Erscheinung bei der Farben-Blen- dungs-Methode, wie aus Vorhergehendem einleuchten muss, ist der additionelle Beleg, den dieselbe für die Abbe’sche Diffractions- Theorie bietet. Bei dieser Gelegenheit möchte ich den wissen- schaftliehen Mitarbeitern der Firma Carl Zeiss in Jena für den werthvollen Beistand und Rath bei der Weiterentwieklung dieser Beleuechtungsmethode, welchen mir dieselben mit grosser Zuvorkommenheit zu Theil werden liessen, meine dankbare An- erkennung aussprechen. Ich verdanke denselben gewisse Modi- fikationen der Methode für schwächere. Systeme und besonders den folgenden sinnreichen, augenscheinlichen Beweis für die mit der Abbe’schen Theorie in Verbindung stehenden Prinzipien. Dieselben stellten einige Farben-Blendungen her, die aus grünem Glas mit einem darin eingesetzten centralen Stück aus rothem Glas von 2 bis 3mm Durchmesser bestanden; der eine Theil der Blendung aber war statt mit planparallelen Flächen etwas prismatisch geschliffen (Tafel XXIII, Fig. 1A). Dies be- wirkt nun eine Verschiebung des einen Bildes gegen das andere. Wenn man eine solehe Blendung in die hintere Brennebene des Objektivs einschiebt, so erhält man zwei Bilder des Objekts nebeneinander, das eine durch das rothe Centrum entworfen, das andere durch den grünen Rand. Die Natur dieser beiden Bilder habe ich bereits erklärt, und man wird daher leicht be- Ueber ein neues Verfahren ete. 449 greifen, dass wir bei der vorliegenden Anordnung durch das Mikroskop eine passende Diatomee zugleich in zwei Bildern nebeneinander sehen, ein rothes Bild auf rothem Hintergrund mit grober Struktur, aber wenig oder gar keiner feinen Struktur, daneben ein grünes Bild mit feiner Struktur, aber etwas un- deutlich in Bezug auf die gröbere Struktur. Dies giebt einen besonders auffallenden augenschemlichen Beweis für die zuerst von Prof. Abbe hervorgehobene Thatsache, dass, wenn nur ein einzelnes dioptrisches oder Diffraktions-Büschel in das Auge ge- langt, keine Strukturen erkennbar werden. Gelangen aber we- nigstens zwei der vom Objekt ausgehenden Büschel in das Auge, so wird die Struktur sichtbar. Die eben beschriebenen Farben-Blendungen, welche ich Doppelbild-Blendungen nennen will, sind auch insofern von grossem Interesse, als sie von einem andern Gesichtspunkt aus den verschiedenen Antheil zeigen, welchen die verschiedenen Zonen des Objektivs an der Entstehung des Bildes haben, näm- lich in Bezug auf die Intensität des Lichts, das das Auge von den verschiedenen Zonen unter verschiedenen Umständen empfängt. Ich zeige Ihnen hierbei vier Mikrophotographieen, die alle mit einem 25 mm Objektiv unter gleichen Verhältnissen aufgenommen sind, nur dass die Oeffnung des Iris-Diaphragmas gewechselt wurde. Bei Aufnahme der ersten (Tafel XXIV, Fig. 1) war die Iris bis auf 2!/; mm Durchmesser zugezogen und konnte in diesem Fall nur der rothe centrale Theil der Blendung direktes Licht empfangen. Der Untergrund war deshalb roth und er- scheint darum dunkelfarbig auf der Photographie. In scharfem Contrast gegen den Hintergrund sehen wir die weissen Bilder A, welche durch den grünen peripheren Theil der Blendung hervorgerufen sind und viel feine Einzelheiten zeigen, doch fehlt es diesen Bildern im Allgemeinen an Deutlichkeit der Contouren. Wir sehen ferner die dunkeln Bilder B, welche dagegen scharfe Contouren, aber nur die gröbste Struktur zeigen. Zunächst folgt die Aufnahme (Tafel XXIV, Fig. 2) mit 6 mm Iris-Oeffnung, wobei also nicht nur der rothe centrale Theil, sondern auch ein schmaler Ring des grünen peripheren Theils direktes Lieht empfing. Die Farbe des Hintergrundes hat nun statt des reinen Roth ein zusätzliches Element von Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 99 450 J. Rheinberg! Grün, und die grünen Bilder A eontrastiren nicht mehr so voll- kommen. Die dunklen Bilder B zeigen eine deutliche Verringe- rung des Contrasts, denn da diese fast ausschliesslich auf di- optrischem Wege abgebildet sind, so ist das additionelle Licht, welches durch Erweiterung der Iris hinzutrat, für die Bilder- zeugung kaum von Bedeutung gewesen. In der folgenden Photographie (Tafel XXIV, Fig. 3), die mit 71/, mm Iris-Oeffnung aufgenommen ist, erscheint der Hinter- grund noch grünlicher, sodass die grünen Bilder A nun an- fangen, nicht mehr hell auf dunklem Grunde, sondern dunkel auf hellem Grunde zu erscheinen. Die Bilder B treten noch schwächer hervor als zuvor. Endlich in der letzten Photographie (Tafel XXIV, Fig. 4), mit 12mm Iris-Oeffnung aufgenommen, gleich der vollen Aper- tur des Objektivs, empfängt die ganze Farben-Blendung direktes Lieht. Der Untergrund erscheint vollkommen grün und ist in der Photographie deshalb hellfarbig, und jetzt erscheinen die Bilder A ganz dunkel in scharfem Contrast zum Untergrund. Die Bilder B sind thatsächlich verschwunden. Das Uebermaass von Licht, das durch den grünen Theil der Blendung tritt, hat sie überfluthet, und die Photographie ist im Wesentlichen dieselbe, als wäre sie ohne die rothe centrale Blendung aufgenommen. Ich will noch hinzufügen, dass für diese Photographien sehr farbenempfindliche Platten benützt wurden (Cadett’s Spectrum Plates). Wären weniger empfindliche Platten genommen worden, so würde der Uebergang des Untergrunds von Dunkel zu Hell deutlicher erschienen sein auf Kosten der Bilder B, die nicht so gut hervorgetreten wären. Die photographischen Aufnahmen geben nur einen unvoll- kommenen Eindruck und sind im Druck nicht so vollkommen wiedergegeben, als ich wünschen möchte, Sehr eigenthümlich bei der visuellen Wahrnehmung mit dem Mikroskop ist der Umstand, dass bei allmählich erweiterter Oeffnung der Iris die Bilder A, welehe durch den grünen Rand entstehen, von Grün in Roth überzu- gehen scheinen, während die Bilder B, die rothes Centrum liefert, grünlich werden. Dies ist ausschliesslich eine Wirkung subjek- tiver Färbung. Es scheint mir, dass aus diesen Photographien mit Doppel- bildern die wichtige Thatsache hervorgeht, dass wir bei An- Ueber ein neues Verfahren ete. 451 wendung allmählich grösserer Beleuchtungs-Kegel mehr und mehr mit den peripheren Zonen des Objektivs arbeiten, während in gleichem Verhältniss die eentrale Zone unwirksam wird. Die Ursache ist offenbar. Denken wir uns ein Objektiv, dessen Hinterlinse einen Durchmesser von Smm habe, beispielsweise in vier Zonen getheilt durch Kreise von je 1, 2, 3, mm Radius, so entsprechen diesen Lichtstärken Zonen, die sich verhalten wie 22, 42—22, 6°?—42, 82 —6?, oder 1, 2 5, TEN seit! Nun ist es leicht verständlich, dass wir bei der Einstel- lung das Objektiv unwillkürlich für diejenige Zone reguliren, der die grösste Lichtstärke entspricht, d. h. diejenige, durch welehe die grösste Zahl der Licht-Strahlen in das Auge gelangt. Ver- wenden wir einen Beleuchtungs-Kegel von gleicher Apertur, wie die Apertur des Objektivs, so ist anzunehmen, dass jeder Theil der ganzen Hinterfläche des Objektivs eine annährend gleiche Menge direkten, wie eine gleiche Menge gebeugten und gebro- chenen Lichtes empfängt, folglich, da durch die Randzone des Objektivs das meiste Licht geht, so wird das Licht der anderen Zonen in mehr oder weniger bedeutendem Grade überflutet. Auf der photographischen Platte tritt natürlich dieselbe Wirkung hervor. Das praktische Resultat scheint zu sein, dass wir das Objektiv auf diejenige äusserste Zone einstellen, welche direktes Licht vom Condensor empfängt, und dies erklärt wohl theilweise, warum nur wenige Objektive stärkerer Systeme die Anwendung voller Licht-Kegel erlauben. Wir sind hier etwas vom Haupt-Gegenstand abgewichen. Betrachten wir nun die Methode optischer Färbung, die bei schwächern Systemen anwendbar ist. Diese ist, wie schon er- wähnt, eine Erweiterung gewöhnlicher Dunkelfeld-Beleuchtung. Wir legen die Farben-Blendungen in den Diaphragmen- Träger des Condensors. Die Farben-Blendungen sind denen ähnlich, die oberhalb des Objektivs verwendet wurden, nur grösser, und in diesem Falle muss der centrale Theil der Blen- dung, den wir etwa blau wählen wollen, genügend gross sein, dass der durchgelassene Licht-Kegel vollständig die Apertur des Objektivs anfüllt (Tafel XXII, Fig. 5). Der rothe Umkreis sollte die volle Apertur des Condensors decken. Verwenden wir nun einen Licht-Kegel so gross, als der Condensor erlaubt, 452 J. Rheinberg: so erscheint das Objekt roth auf blauem Hintergrund. In der früheren Methode benützten wir die centralen Licht-Büschel, welche von unten auf das Objekt in einem zur Normalen ver- hältnissmässig kleinen Winkel auffallend nach den äusseren Zonen des Objektivs abgebeugt wurden; in dieser Methode ge- brauchen wir hauptsächlich die vom Condensor schräg auf das Objekt fallenden Licht-Büschel, welehe vom letzteren nach innen gebeugt werden, sodass sie vom Objektiv aufgenommen werden können (Tafel XXIII, Fig. 4). | Soweit ist die Wirkung der zwei Methoden gewissermaassen analog, aber die Bedingungen, welche das Resultat bestimmen, sind in der gegenwärtigen Methode viel weniger verwickelt, als in der früheren, denn sie lösen sich auf in eine einfache Frage: in welchem Verhältniss die Menge des Lichts der ver- schiedenen Farben zu einander steht, welche auf das Objekt fällt. Wenn der Durchmesser der centralen blauen Zone ein Drittel des Durchmessers der ganzen Blendung ist, so ist der Unterschied in der Fläche zwischen der blauen und der rothen Zone so gross, dass der verhältnissmässig kleine Procentsatz der ersten kaum die allgemeine Färbung des Objekts sichtlich beein- trächtigt. Wir können auch manche andere Resultate erzielen, indem wir Blendungen mit verschiedener Farbeneinrichtung verwenden. Angenommen, wir verwendeten eine Blendung mit centralem Roth und die Peripherie in vier Quadrante getheilt, je zwei sich gegenüberliegend blau, die andern gelb (Fig. 1 g), und wir be- trachteten hiermit ein Objekt, welches Erhöhungen, oder Strei- fungen zeigt, die in rechtem Winkel zu einander stehen, so würden wir, wenn die Blendung in die richtige Lage gebracht wird, finden, dass diese Erhöhungen oder Streifen der einen Richtung blau, diejenigen der andern Richtung gelb erscheinen, das Ganze auf rothem Hintergrund. Oder, nehmen wir eine Blendung mit rothem Centrum und den peripheren Theil in zwei Hälften getheilt, die eine blau, die andere gelb, (Tafel XXIH, Fig. 1 E) und betrachten damit ein gezacktes oder fibröses Objekt, z.B. ein Bündel Mus- kelfasern, so erscheint die eine Seite der getrennten Fasern blau, die andere gelb. Die allgemeine Form und Struktur des Ob- Jekts kommt auf diese Weise scharf zum Vorschein. Ueber ein neues Verfahren etc. 453 Dieselben Effekte, welche mit schwächeren Systemen bei Anwendung von Farben-Blendungen erzielt werden, indem die- selben in den Diaphragmen-Träger des Condensors gestellt werden, können auch, obschon im Allgemeinen nicht so bequem, dadurch erzielt werden, dass Schirme in ähnlicher Weise wie Blendungen gefärbt zwischen Lichtquelle und Spiegel gestellt werden. Bei starken Systemen können wir die gleichen Effekte, wie zuvor eschrieben, erzielen, indem die Blendungen in geeigneter Form über dem Objektiv angebracht werden, und zwar zwischen Ob- jekt und Objektiv, oder zwischen den Linsen des Objektivs. In der That, ich habe meine besten Resultate mit der letztgenannten Methode erhalten, obschon für allgemeine Anwendung diese Methode begreiflicher Weise Nachtheile hat. Es erwächst eben daraus eine Schwierigkeit, dass die zwischen Objekt und Objektiv zu verwendenden Blendungen sehr klein, die gefärbten Theile sehr genau abgepasst sein müssen, und ist auch die Correktion der Linse mehr gestört, als wenn die Blendung über dem Ob- jektiv eingebracht wird, sodass die letztere Methode für gewöhn- liche Zwecke am geeignetsten erscheint. Es ist auch möglich, die beiden Methoden zu eombiniren, indem z. B. ein Objektiv -6 N.A. verwendet wurde, doch war ich damit nicht im Stande, sehr befriedigende Resultate noch zu erzielen. In diesem Falle liesse sich etwa eine Blendung im Condensorträger anwenden mit blauem Rand, der gerade denjenigen Theil des Beleuehtungskegels durchlässt, der von grösserer numerischer Apertur als -6NA ist, während der übrige Theil der Blendung geschwärzt sein sollte, jedoch ein kleiner eentraler Theil einen Kegel von -1 bis -2 N.A. durchlässt, der ungefähr bleiben sollte (Tafel XXI, Fig. 1k). In Verbindung hiermit sollten wir eine der gewöhnlichen Blendungen (Tafel XXIII, Fig. 1e oder 1b) über dem Objektiv gebrauchen, wie es zuvor beschrieben ist, und würden die zwei Blendungen sich dann ergänzen, soweit es den Effekt betrifft. Ich gehe nun auf die Anwendungen ein, für welche, wie ich glaube, diese Methoden zur Beobachtung von Objekten ge- eignet sind. Erstens können wir manche ungefärbte botanische und physiologische Präparate mit grösserem Vortheil beobachten. Die Wirkung der Farben-Blendung auf diese besteht in vielen Fällen 454 J. Rheinberg: nicht nur darin, dass die Struktur deutlicher erscheint, sondern sie bewirkt auch grössere Tiefenwahrnehmung und lässt das Objekt in beinahe stereoskopischem Relief erscheinen. Dies scheint theilweise daher zu kommen, dass die Farbe des Hinter- grunds sich mit der des Objekts in mehr oder weniger bedeu- tendem Verhältniss mischt, je nach seiner Form, Dicke u. s. w., und dies bewirkt einen allmählichen Uebergang zwischen zwei eontrastirenden Farben, welche, ähnlich wie bei Schatten-Effekten, das Auge leicht und unbewusst als Relief auffasst. Wir haben thatsächlich eine verstärkte Form der wohlbekannten stereo- scopischen Wirkung, wenn wir auf complementär sich gegenüber stehende Farben blicken. Aber abgesehen hiervon erhalten wir wirklich aus Gründen, die ich nicht vollständig anzugeben weiss, eine grössere Tiefen- wahrnehmung besonders bei der Methode für schwächere Systeme, so dass Präparate, die zu diek geschnitten sind, um auf gewöhn- liehem Wege betrachtet zu werden, bei dieser Methode ganz deutlich erscheinen; halb undurehsichtige Präparate, wie Knochen, bei denen es oft schwierig ist, sehr dünne Schnitte zu bekommen, erscheinen besonders deutlich. Ich erwarte deshalb, dass die Methode „den praktischen Aerzten und Studenten im Allgemeinen da zu Gute kommen wird, wo eine schnelle Prüfung der Schnitte oder Gegenstände wünsehenswerth sein mag und sorgfältiges Schneiden und Fär- ben unmöglich oder zu zeitraubend ist. Selbstredend, soweit es Färbung betrifft, macht die Methode nur Anspruch auf den all- gemeinen Contrast mit dem Hintergrund und nicht auf eleetive Färbung (seleetive Staining). Sogar gefärbte Präparate treten auf andersfarbigem Hintergrund mit Vortheil hervor, besonders wiederum solche, die zu diek sind, um sie in gewöhnlicher Art zu betrachten. Zweitens ist die Methode werthvoll in jener bedeutenden Klasse von Untersuchungen — der Beobachtung lebender Orga- nismen. Gegenwärtig haben wir wenige Mittel, um die Struktur lebender Organismen deutlich zu differenziren, ausgenommen durch ein oder zwei Färbemittel, wie etwa Bismarekbraun, oder durch Dunkelfeld-Beleuchtung. Die Farben-Blendungs-Methode scheint besonders geeignet, die inneren Organe deutlich hervortreten zu lassen. Mit solehen lebenden Organismen, die in verschiedenen nn Ueber ein neues Verfahren ete. 455 Theilen natürliche Farben zeigen, erhält man die besten Resul- tate durch Blendungen, deren centraler Theil allein gefärbt ist, weil ein farbiger Rand die natürliche Verschiedenheit der Far- bentöne zum grossen Theil beeinträchtigen würde. Für Krystalle und andere mineralogische Präparate ist die Methode sehr geeignet, da die Formen besser hervortreten. Für die Prüfung commercieller Fasern, wie Seide, Wolle, Baumwolle, auch um leichte Gewebe zu betrachten, ist die Methode praktisch, weil sie die Zählung der Fasern oder Fäden erleichtert — abgesehen von der grösseren Deutliehkeit der Struktur. Ich er- wähne hier, dass mit einer der vorerwähnten Farben-Blendungen, womit rothes und blaues Licht auf das Objekt geworfen wurde, in rechtem Winkel gegen einander ich im Stande war, die Ein- schlagfäden eines Gewebes vollständig roth und die Kettenfäden blau erscheinen zu lassen. Die nächste Klasse derjenigen Objekte, für welche ich die Methode für werthvoll halte, ist diejenige, bei der wir mit Auflösung von Streifen und Punkten zu thun haben, z. B. bei Diatomeen und allen Gegenständen, die das Licht in regelmässiger Weise stark brechen oder beugen. Da das ganze System der Farben-Blendungs-Beleuchtung auf Refraetion und Diffraetion ge- gründet ist, so sind diese Objekte naturgemäss geeignet, um da- mit Versuche anzustellen, die im Allgemeinen zu mannigfachen Resultaten führen, abgesehen von denen, die erhältlich sind bei Anwendung gewöhnlicher concentrisch eingerichteter Farben- Blendungen. Wo die Streifen durch Erhebungen gebildet sind, können wir mit der Methode für schwächere Systeme die ent- gegengesetzten Seiten in verschiedenfarbigem Licht erscheinen lassen. Wo verschiedene Reihen von Streifen nach verschie- denen Richtungen liegen, können wir dieselben ebenfalls in Farben differenziren. Vermittelst der modifieirten Farben-Blen- dungen, worüber ich bereits gesprochen, können wir die grobe Struktur von der feinen augenscheinlich trennen und jede für sich beobachten. Es ist von Mikroskopikern oft betont worden, dass wir bei Diatomeen und manchen andern Objekten häufig nicht allein das, was wir sehen, in Rechnung ziehen sollten, sondern viel- mehr, dass wir unsere Folgerungen mit hinzuzuziehen haben — ich erwähne beispielsweise die bekannten Versuche mit Luft- 456 J. Rheinberg: oder Oelbläschen im Wasser —, und in allen solehen Fällen, wo wir mehr oder weniger auf Sehlussfolgerungen auszugehen haben, glaube ich, dass die Farben-Blendungs-Methode gute Dienste leisten wird; sie spielt so zu sagen die Rolle einer speciellen optischen Analyse. Dies führt mich zu einer andern wichtigen Angelegenheit, wobei ich gewiss bin, dass die Anwendung der Methode gute Resultate erzielen wird, nämlich bei theoretischen Untersuchun- gen hinsichtlich der optischen Wirkungsweise des Mikroskops und bei gewissen Fragen der Optik im Allgemeinen. Es scheint mir, dass solche Fragen, wie das gegenseitige Zusammenwirken von Licht verschiedener Wellenlängen, unter verschiedenen Um- ständen, die genaue Theilung der Rollen, welche die verschie- denen Zonen des Objektivs bei der Erregung des Bildes unter verschiedenen Verhältnissen spielen; die relative Eigenschaft und Natur der dioptrischen und der Diffractions-Strahlen und andere Probleme bezüglich der Interferenz von Lichtwellen im Zusammen- hang mit der Erzeugung des mikroskopischen Bildes mit Hülfe dieser Methode weiter aufgeklärt werden können. Ich habe in beschränktem Maasse selbst in dieser Richtung experimentirt, aber erschöpfendere Ermittlungen, als ich im Stande bin auszuführen, selbst wenn ich die Zeit dazu hätte, sind sicherlich sehr wünschenswerth. Ich möchte an dieser Stelle noch bemerken, dass diese Sehrift nieht den Anspruch macht, mehr als ein Bericht über meine Experimente und eine Darstellung meiner persönlichen An- sichten zu sein, welche, soweit sie sich auf die Gebrauchs- Methode beziehen, noch durch Resultate unabhängiger Arbeiter in den verschiedenen Zweigen praktischer Mikroskopie bestätigt werden müssen. Was die Nützlichkeit der Methode für die Förderung der Mikroskop-Optik betrifft, freue ich mich sagen zu können, dass als Bestätigung meiner Ansicht diese von so hoch stehenden Autoritäten, wie Prof. Abbe und Dr. Czapski in Jena, anerkannt wurde, die mir vor etwa einem Jahre ihre Meinung aussprachen, dass die Methode in sich selbst von hohem theoretischen Interesse ist und wahrscheinlich sich als werthvoll erweisen würde für theoretische Forschungen. Auf eine Abtheilung der Mikroskopie, wobei Farben-Blen- dungen vielleicht mit Vortheil anzuwenden sind, bin ieh noch Dit Ueber ein neues Verfahren ete. 457 nicht eingegangen, nämlich Mikro-Photographie. Dieser Gegen- stand ist zu ausgedehnt, um ihn im Raum der gegenwärtigen Schrift zu behandeln — überdies, meine Experimente in dieser Richtung sind zu wenige, um mich zu befähigen, über seine praktische Nutz- barkeit mir eine Meinung zu bilden. Es ist jedoch möglich, dass die Methode Mittel an die Hand gibt, um beispielsweise grösseren Contrast bei Photographien mit stärkeren Systemen zu gewinnen, da wir im Stande sind, die relative aktinische Kraft des Lichts zu modifiziren, welches den Hintergrund oder das Objekt zeichnet, oder selbst eine gewisse Struktur des Objektivs. In jedem Falle dürfen interessante Resultate im Bereiche der Mikro-Photographie von einem theoretischen Gesichtspunkt aus erwartet werden; ich bin überzeugt, dass eine ausgedehnte Reihe von Experimenten in dieser Richtung die darauf verwendete Zeit lohnen wird. Es mag vielleicht noch wünschenswerth sein, hier kurz zu erwähnen, wie die Farben-Blendungen hergestellt werden können. Für Condensor-Farben-Blendungen oder aufstellbare Schirme kann mit farbiger Gelatine überzogenes Glas verwendet werden. Wenn es wünschenswerth ist, kann eine zweite dünne Glasscheibe vermittelst Canada-Balsam über die Gelatineschieht gekittet wer- den, um dieselbe gegen Beschädigung zu schützen. Für Blen- dungen jedoch, die mit dem Objektiv benützt werden sollten, sind Gelatine-Häutehen unpraktisch, weil sie nieht genügend homogen sind. Für diese ist es geeigneter, dem Glas einen Ueberzug mit gefärbtem Collodium zu geben. Dieses kann be- wirkt werden, indem ein kleiner Theil der färbenden Substanz, wie Fuchsin, Methylenblau oder Malachitgrün, in Alkohol auf- gelöst wird, zu dem nach Filtrirung ein klemes Quantum Aether zugesetzt wird. Hierzu wird reines Collodium gefügt im genü- sender Menge, um ein dünnes Häutchen auf dem Glase zu bilden (gewöhnlich gleiche Mengen Farbflüssigkeit und Collodium). Wenn das Collodium sich vom Glas abschält, sollte mehr Alkohol zu- gesetzt werden; brieht das Häutchen beim Trocknen, so muss mehr Aether zugesetzt werden (Celloidin der Firma Schering in Berlin, aufgelöst in gleichen Mengen Alkohol und Aether, ergab die besten Resultate). Mikroskopische Deckgläser der erforder- lichen Grösse sollten dann mit der Farbmischung überzogen werden, und. angenommen z. B., wir wünschten eine Blendung herzustellen mit 2 mm grossem blauen Centrum und rother Peri- 458 J. Rheinberg: pherie, so würden wir ein roth überzogenes Glas nehmen und von der centralen Zone vermittelst einer Nadelspitze den kreis- förmigen Theil von 2 mm Durchmesser abkratzen — wir würden dann von einem blau überzogenen Glase ebenso die Farbe ent- fernen, ausgenommen den centralen Theil von 2mm Durchmesser. Dann kitten wir beide Gläser vermittelst Canada-Balsam zusam- men, indem sich die Häutchen berühren. Für Experimente, bei denen grosse Haltbarkeit nicht nöthig ist, können wir ein einzelnes Glasscheibehen auf einer Seite mit einer Farbe, auf der anderen Seite mit einer anderen Farbe überziehen, und dann die Farbe an den entsprechenden Stellen fortnehmen. Wenn absolute Homogenität des Häutchens er- forderlich ist, überzieht man grosse Scheiben dünnen Glases mit dem Collodium und schneidet aus diesen die runden Scheibehen aus. Eine andere Herstellungsweise der Blendungen besteht darin, dass ein rundes Stück Glas einer Farbe in die vorgebohrte Oeff- nung eines anders farbigen Glases eingesetzt wird und beide zu- gleich abgeschliffen werden, um plan-parallele Aussenflächen zu sichern — andernfalls erhalten wir eine seitliche Verschiebung der Bilder der beiden Theile wie bei den Doppelbild-Blendungen. Eine bessere Methode als beide und unstreitig die beste würde sein, Glas direkt in verschiedene Farben zu färben — wenn dies möglich wäre. Ausser Gleichmässigkeit der Blendungen wird, um die besten Erfolge bei höheren Systemen zu erzielen, ein zweites Erforderniss sich herausstellen, nämlich irgend eine Vorkehrung zur Abänderung der Correktion der Linsen bei den oberhalb oder zwischen die Linsen des Objektivs zu stellenden Blendungen. Wäre es nicht zu kostspielig und erforderte es nicht die An- wendung einer besonderen Linse für jeden Farben-Effekt, so würde es sich empfehlen, dass eine der Objektiv-Linsen selbst entsprechend gefärbt wäre, doch selbst dieses hätte den Nach- theil, dass die Grösse des Fleckes fixirt wäre, während die Praxis zeigt, dass für einige Objekte grössere Flecken wünschens- werth sind, wie für andere. Ohne Zweifel jedoch werden Optiker irgend eine einfache und passende Einrichtung finden, um die Blendungen in bester Harmonie mit dem übrigen Theil des Mikroskops anwenden zu können. Meine Schrift hat bereits grössere Ausdehnung erhalten, Ueber ein neues Verfahren ete. 459 als ich beabsichtigt hatte, aber vor Schluss derselben möchte ich noch einige Worte gegen eine Einrede aussprechen, die mög- lichen Falls gegen die Anwendung der Methode für stärkere Systeme erhoben werden wird. In einer Zeit, wie die gegen- wärtige, wo sich zwei Schulen von Mikroskopikern gebildet haben, die eine für Anwendung weiter, die andere für Anwen- dung enger Beleuchtungskegel, bin ich mir vollkommen bewusst, dass irgend eine Methode zu Gunsten der letzteren von Vielen ungünstig aufgenommen wird. Persönlich kann ich mieh nicht zu Gunsten der einen oder der andern Partei aussprechen; der Gegenstand ist zu verwickelt, es gibt zu viele Gründe für und gegen auf beiden Seiten, und wenn wir die Meinungs-Verschie- denheit verschiedener Autoritäten in unseren Zeitschriften walhır- nehmen, so möchte ich wohl annehmen, dass die Frage der Auf- klärung durch weitere Untersuchungen bedürfe, bevor wir die- selbe als erledigt betrachten, und dass es in diesem Augenblicke zum grossen Theil noch Erfahrungssache ist, ein wie grosser Liehtkegel anzuwenden sei. Vielleicht trägt die Farben-Blen- dungs-Methode dazu bei, dieses sehr wichtige Problem zu lösen. Ich gebe am Schiusse noch der Hoffnung Ausdruck, dass die Beobachtungs-Methoden, die ich hier besprochen, von Optikern und praktischen Mikroskopikern aufgenommen und weiter ent- wickelt werden möchten und dass sie in Bälde definitiv als Hülfsmittel für mikroskopische Forschungen anerkannt werden. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXIII u. XXIV. Tafel XXIII. NB. Fig. 3, 4, 5, 6 stellen Dunkelfeld-Beleuchtung dar, wobei angenommen ist, dass die Farben-Blendung, Fig. 2a durch die schwarze Dunkelfeld-Blendung Fig. 2b ersetzt ist. Die blauen Theile der Fi- guren sollten dann schwarz gedacht werden, d. h. ohne Licht, und die rothen Theile stellen den Durchgang des weissen Lichtes dar. Fig. 1. Verschiedene Farben-Blendungen. Fig. 2. Illustrirt die Wirkung, welche eine Farben-Blendung a, oder eine Dunkelfeld-Blendung b, hinter ein Objektiv gestellt, aus- übt auf das Bild der Strukturen von verschiedenem Grade der Feinheit. F= vollständiger Beugungs-Fächen; D= di- 460 J. Rheinberg: Ueber ein neues Verfahren etc. optrischer Licht-Büschel; 1, 2, 3 = Beugungs-Büschel erster, zweiter und dritter Ordnung. .9, 4. Farbenblendung. Beleuchtung bei schwachen Systemen. Fig. 5, 6. Farbenblendung. Beleuchtung bei starken Systemen. D= Farben-Blendung; (= Condensor; 8 = Objekt; O0 = Objektiv; G = Diaphragmen ; B = dunkler Raum. Die punktirten Linien in Fig. 3, 4, 5 zeigen den Strahlen- gang, doch ist zu bemerken, dass in Fig. 4 und 6 Brechung und Beugung durch das Objekt S eine ungleiche Ver- theilung des Lichts über demselben verursachen, welche in der Zeichnung nicht klar wieder zu geben ist. Tafel XXIV. Vier Mikrophotographieen von Diatomeen (von Patuxent Huss, U. S. A.); aufgenommen unter Anwendung einer Doppelbild-Farben- blendung, unter genau denselben Bedingungen, jedoch mit allmählich vergrösserter Apertur des vom Condensor gelieferten Beleuchtungs- Kegels, mit Hülfe eines 1zölligen (25 mm) Objektivs von -21 N.A. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Strassburg.) Das Nervensystem von Carcinus Maenas. Ein anatomisch-physiologischer Versuch. I. Theil. — I. Mittheilung. Von Albrecht Bethe. Hierzu Tafel XXV—XXX. Inhaltsübersicht. Seite Vorwont 2.3 Huhl ae au are. Del NE I. Anatomischer Theil‘. : . kt relH. Ener a A. Die nervösen Elemente des Bauchmarks . . . . 2" 2... 464 Motorische Blemienteis tl I. Ent: SID IET Ku Commissur-Blementen. lie nd. NT Eee Ge Receptorische (sensible) Elemente...» 3. m. 2.1. 1 20ur 227469 u Das Nervensystem von Careintıs Maenas. B. Das Gehirn . } BL i Die einzelnen nervösen nlemichte er GehtENs ? DiegElemente des Opteusr ar 221.3 2, Ser, Ailnahlägrs Die Elemente des Oculomotorius Die Elemente des Tegumentarius. . . . Die Elemente des Antennarius I Die Elemente des Antennarius II Die Commissurelemente ETC NEL ARE Ha Ve I. Verbindungen des Gehirns mit dem Bauchmark . II. Verbindungen der Theile des Gehirns untereinander IN Euvsiglogischer Theil "..: u an na ee, Litteratur über Careinus Maenas . . . . Zur Einleitende Betrachtungen und Nomenclatur . . . Physiologische Versuche an Carcinus Maenas Des normale hier’. ne 1. Kopfreflexe ; - meer ungen der Act en f Bewegungen der Augen bei passiver Rotation. um ae Ver. elaxehinn41?: En RITTER Bewegungen der Rn bein) Lane ARE 3. Ruhelage. (Negativer Phototropismus und Kamreus) ie Gang. (4 Gangarten, Reactionen auf der Drehscheibe.) DEN U AUMTEHEREN. AT. ee er bostarrkrampizetlex-.. AT SSR N ER 7. Eierschutzreflex. . . . VERBIETEN ED: 8. Vertheidigungsreflex und Kutatoraian BI RE) REIHE IRRE I limenehnetlexer search TORSChWADeTEB N ee a EN N ee al TEN re De RE RER les 12. Nahrungsaufnahme . . ... I eoalon Tr 27 an ae Das Verhalten der Thierenach Schwärzung derCornea Das Verhalten der Thiere nach dem Abschneiden beider erster Antennen mit Ausnahme des Basal- Slliedesn.,. us Ba; . ala Die Fortnahme Beer loloty eh (Forttall dei Eins sationsbewegungen. Störung in der Correlation des Ganges.) Him Mereleichsversuchranm’Palaemon: Han DE. NIE In lc N eias ist die Wirkung der Statoeyste zu er- klären? rd. Zen De Par A Bar ie ER Tai Exstirpation einer ers e (Herabsetzung des Muskel- tonus und Schwächung der Muskulatur auf der operirten DELL ER EAN IERTIRNRRER : 2 j i Su; Die Methode zur Ärenkeuhe de Gehitdk eh kr Cahinhrren, Wundverschluss, Wundheilung und Instrumente . . 461 Seite 469 474 474 arT 478 478 479 480 480 482 486 486 486 495 495 493 497 499 499 500 500 508 510 S11l 511 513 514 514 515. 519 520 531 594 463 Albrecht Bethe: Seite Die Qualitäten der peripheren Nerven. (Der Tegumen- tarius der einzige ungemischte Nerv; auch der Optieus führt motorische Hasern;)i:. len ed IE ED Litteräturvrerzeichniest, 2%... N ARTNET er Tafelerkl Arie) HAT ERTL A GERNE Pe Vorwort. Als ich vor zwei Jahren einige histologische Beobachtungen am Oentralnervensystem von Careinus Maenas (1) mittheilte, kün- digte ich an, dass ich diese Untersuchungen nach der anato- mischen Seite, vor allem aber auch in physiologischer Richtung weiterführen wollte. Was ich dabei herausgebracht habe, über- gebe ich jetzt der Oeffentlichkeit. Es war von Anfang an mein Plan, das Nervensystem eines Thieres, das in anatomischer und physiologischer Beziehung ge- nügende Differenzirung zeigt, ohne allzu complieirt zu sein, so- weit es irgend anging, anatomisch und physiologisch zu bear- beiten, in der Hoffnung, wenigstens einen Theil der physiolo- gischen Vorgänge auf Grund der gewonnenen anatomischen Basis erklären zu können. Dies ist bis zu einem gewissen Grade erreicht; in mancher Beziehung sind allerdings meine Resultate hinter dem Erwarteten zurückgeblieben; denn jemehr ich in den Bau und die Funetion des Centralorgans eindrang, umsomehr zeigte es sich, wie hochgradig verwickelt die Verhältnisse auch schon bei dem gewählten Object liegen. In diesem Theil sind die Resultate der anatomischen Unter- suchung (mit Ausnahme des Verhaltens der Primitivfibrillen) und der physiologischen Experimente niedergelegt. Im zweiten Theil werden die Beschreibung der Primitivfibrillen und die Schluss- folgerungen mitgetheilt werden. Begonnen wurde die Arbeit in der biologischen Anstalt auf Helgoland, wo mir der Direetor Herr Professor Heinke einen Arbeitsplatz gewährte. Von dort wurde ich auch im Laufe der letzten beiden Jahre reichlich mit Material zur histologischen Untersuchung versorgt. — Der grössere Theil der physiologischen Versuche an Careinus wurde auf der zoologischen Station zu Plymouth, ausgeführt, wo ich auf die freundliche Einladung des Direktors der Anstalt Herrn Ed. J. Allen den Sommar 1895 verbrachte. Das Nervensystem von Careinus Maenas. 465 Ich sage ihm für alle seine mir erwiesenen Freundlichkeiten nochmals meinen besten Dank. Ein andrer Theil der Versuche an Careinus wurde auf der zoologischen Station zu Neapel in der physiologischen Abthei- lung des Herrn Professor Sehönlein gemacht. Ihm und allen anderen Herrn der Station sage ich für die vielfache Unter- stützung meinen Dank. Der Aufenthalt in Neapel wurde mir durch eine Reiseunterstützung der kgl. preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin ermöglicht. I. Anatomischer Theil. Die Anatomie des CGentralnervensystems von Careinus Maenas. Das Centralnervensystem ist in zwei Abschnitte gesondert: das vor dem Oesophagus (also dorsal) hinter dem Ansatz der Augen und Antennen liegende Gehirn (Oberschlundganglion) und das hinter dem Oesophagus an der ventralen Seite zwischen den Ansatzpunkten der Gangbeine gelegene Bauchmark (Tafel XXV, Fig. 1). Beide sind miteinander durch zwei Längs- commissuren, die Schlundeommissuren, die ich schlechtweg als Commissuren bezeichnen werde, verbunden. Sie laufen rechts und links um den Oeophagus herum und zeigen an den Seiten des Oesophagus je eine kleine Anschwellung das Oesophagal- oder Schlundganglion (Fig. 1). Von diesem aus gehen Nervenstämmchen an den Oesophagus und zu dem sogenannten sympathischen Nervenplexus, der hauptsächlich auf der Oberfläche des Magens angebracht ist, uns hier aber nicht weiter beschäftigen soll. Beide Schlundganglien sind durch eine quere Commissur mit einander verbunden (Fig. 1), welche ein Stück weit mit den Schlundeommissuren nach hinten läuft. (Diese Einrichtung ist offenbar deshalb getroffen, weil bei dem Durchtritt von grossen Nahrungsstücken durch den Oesophagus die quere Commissur zerreissen würde, wenn sie direkt hinter dem Oesophagus verliefe.) Das Bauchmark ist eine ovale Platte, welche in der Mitte von einem Loch durchbohrt wird, durch welches das grosse ventrale Blutgefäss von dem über dem Bauchmark liegenden Herzen kommend tritt. Die Bauchmarksplatte ist deutlich in eine Anzahl von Ganglien getheilt. Gut von einander abge- 464 Albrecht Bethe: grenzt sind die Ganglien des Scheerenbeinpaares (Scheerengang lion) und die der vier Schreitbeinpaare (Beinganglien) (Taf. XXV, Fig. 2). Eine ‚mehr einheitliehe und »nur unter dem Mikros- kop als in Ganglien differenzirt erscheinende Masse bilden die Ganglien der Mundwerkzeuge (1 Paar Mandibeln, 2 Paar Maxillen, 3 Paar Maxillarfüsse) und die Ganglien der 7 Abdominalsegmente, diese wieder beim Weibchen deutlicher von einander abgesetzt als beim Männchen (Fig. 2). Von jedem Bauchmarksganglion sehen nach beiden Seiten Nervenstämme ab (bei den Beingang- lien in der Regel fünf), die von dem Scheeren- und den Beingang- lien leicht in die betreffenden Extremitäten der entsprechenden Seite verfolgt werden können. Die Nerven der Mundganglien sind etwas schwerer zu den einzelnen Mundextremitäten und ihren Muskeln, soweit sie in der Körperhöhle liegen, zu verfolgen. Die Nerven der Ahdomi- nalganglien sammeln sich zu einem Strang, der zum Abdomen nach hinten läuft und sich dann theilt. Die Ganglienhälften sind dureh quere Commissuren verbunden. Die quere Commissur des 2ten Beinganglions läuft auf der Vorderseite des Mittellochs, die des Sten und 4ten auf der Hinterseite. Längscommissuren durch- ziehen das ganze Bauchmark. Die Ganglienzellen liegen vor- wiegend seitlich in den Zwischenräumen der Ganglien, eine geringere Anzahl nahe der Mittellinie. Das Neuropil (die Auf- splitterung der Nervenfasern) ist an vielen Stellen deutlich in einen lateralen und medialen Ballen getheilt, das seitliche und mittlere Neuropil (1). A. Die nervösen Elemente des Bauchmarks. Zum Studium der einzelnen nervösen Elemente wurde wie bei der früheren Gelegenheit die Ehrlich’sche Methylenblau- methode angewandt. Ich öffne zu diesem Zweck den Carapax am hinteren Rande auf der rechten Seite mit einer Scheere, so dass das reehte hintere Viertel des Herzens sichtbar wird und gebe zuerst 1—3 Tropfen, nach je 2—3 Minuten wieder dieselbe Portion einer 1°/, Methylenblaulösung (in 0,3 %/, Koch- salzlösung) in die Wunde. Die Farblösung wird schnell vom Herzen durch die venösen Oeffnungen aufgenommen und dureh den Körper geführt. Nur sehr selten passirt es, dass der Farb- stoff sieh nicht verbreitet. Nach etwa 15 Minuten zeigen die, Das Nervensystem von Careinus Maenas. 465 Thiere nur noch wenig Reactionen. Es wird dann die ganze Oberseite des Carapax mit der Scheere geöffnet, die Leisten, welche den hinteren Theil des Körpers durchziehen und auf einer Seite die Kiemen, auf der anderen die innere Beinmusku- latur tragen, abgeschnitten und von vorne anfangend mit einer Pincette die Eingeweide herausgezogen; das Gehirn und das Bauchmark müssen gut frei liegen. Mit einer feineren Pincette wird dann noch Gehirn und Bauchmark vom Bindegewebe be- freit und für 1—2 Stunden der Luft ausgesetzt. Darauf wird Gehirn und Bauchmark, herausgenommen unter dem Mikroskop nachgesehen, ob eine brauchbare Färbung eingetreten ist und entweder gleich frisch gezeichnet oder nach einer der beiden von mir beschriebenen Methoden (1 u. 2) fixirt. Präparate, die frisch gezeichnet sind, müssen immer noch nach dem Fixiren eontrolirt werden; bei der Hast, die das Zeichnen des frischen Objeets erfordert, kommen zu leicht Fehler vor. — Mit Vortheil wandte ich auch bisweilen eine Methode an, zu der ich die An- regung Herrn Direktor Allen von der zoologischen Station zu Plymouth verdanke. Die Thiere werden nach der Injection in einen Wärmekasten, der auf 30—40° erhitzt ist, gesetzt. Sie serathen hier bald in tetanische Zuekungen und verenden nach etwa 15 Minuten. Die Färbung tritt dabei schneller und oft vollständiger ein als sonst. Einen Antheil mag dabei die be- schleunigte und verstärkte Herzthätigkeit haben, die sich leicht constatiren lässt. Alle hier beigegebenen Zeichnungen von Methylenblau- präparaten halten sich möglichst streng an das mikroskopische Bild. Die Diekenverhältnisse der Fasern sind nur an einigen Stellen zum Ausdruck gebracht. Um Figuren zu sparen sind die Abbildungen aus zahlreichen Präparaten combinirt und der Uebersichtlichkeit halber Strichelung und Punktirung angewandt. Der Hauptwerth ist auf die Verzweigungen der Neurone gelegt und diese sind immer naturgetreu gehalten. Alle mit einem * versehenen Elemente sind schon in meiner ersten Arbeit be- schrieben worden. Motorische Elemente (roth). Als motorische Elemente beschreibe ich nach dem Vorgang anderer Forscher Neurone, deren Ganglienzellen im Ganglion Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 50 30 466 Albrecht Bethe: liegen und welche einen Fortsatz durch eimen peripheren Nerv zur Peripherie senden. (Für einige derartige Neurone konnte Allen (3) direct den Zusammenhang mit Muskeln constatiren. Immerhin ist es aber nieht unmöglich, dass auch nicht motorische Elemente dieselben Charaetere aufweisen.) *Pypus 1 (Tafel XXV, Fig. 3 rothes Neuron m, im 2. Beinganglion). Die Ganglienzelle liegt in der seitlichen Zellmasse. Der Axenfortsatz giebt Verzweigungen in das seitliche und mittlere Neuropil beider Hälften des zugehörigen Ganglions und Verzwei- gungen in das seitliche und mittlere Neuropil des vorhergehenden und des nächstfolgenden Ganglions, aber nur ungekreuzt ah. Diese Art motorischer Elemente ist die häufigste, in den Abdo- minalganglien die einzig vorkommende. Typus 2 (Tafel 'XXV, Fig. 3 rothes Neuron m, im Scheerenganglion). Die Ganglienzelle liegt in der mittleren Zell- masse; die Verzweigung des Axenfortsatzes ist wie beim vorigen Typus, nur dass ein Ast zur vorhergehenden Ganglienhälfte nieht beobachtet werden konnte. "Typus 3 (Tafel XXV, Fig. 3 m, im 1. Beinganglion links). Die Ganglienzelle liegt in der seitlichen Zellmasse, die Verzweigungen des Axenfortsatzes beschränken sich auf das seitliche und mittlere Neuropil der zugehörigen Ganglienhälfte. Typus 4 (Tafel XXV, Fig. 2 rothes Element m, im Scheerenganglion links). Ob dieses Element wirklich mit einer Zelle verbunden ist, die in der seitlichen Zellmasse des Scheeren- ganglions liegt, wage ich nicht mit voller Sicherheit zu behaupten. Ich habe das Element selbst zwar öfter gesehen, die Verbindung mit der Zelle aber nur einmal und diesesmal nicht mit absoluter Deutlichkeit. Von der Zelle geht der Axenfortsatz nach hinten und sendet durch die peripheren Nerven von 4 Ganglien je einen Fortsatz. Durch die quere Commissur des ersten Bein- ganglions geht ein Ast auf die gekreuzte Seite und verzweigt sich hier im mittleren Neuropil. Dieses wunderbare Neuron, das mehrere periphere Fortsätze entsendet, steht nicht vereinzelt bei Crustaceen da. Allen (4) hat am embryonalen Hummer Elemente mit eentraler Ganglienzelle gesehen, welche zwei und drei periphere Fortsätze entsenden. Das Nervensystem von Careinus Maenas. 467 Commissurelemente. (Schwarz.) Ich setzte das Wort Commissurelemente an die Stelle von dem früher von mir nach dem Vorgang andrer gebrauchten Wort Assoeiationselemente für solche Neurone, deren Ausbreitungs- gebiet sich auf die Centralsubstanz beschränkt. Typus | (Tafel NXV, Fig. 3 a, im 4. Beinganglion links). Das Verzweigungsgebiet ist auf das seitliche Neuropil eines Ganglions beschränkt. Vorkommen: in den Beinganglien. Typus la (Tafel XXV, Fig. 2 a,. im 6. Mundganglion rechts). Verzweigungen im seitlichen und mittleren Neuropil einer Ganglienhälfte. Vorkommen: 5. u. 6. Mundganglion. *Typus I (Tafel XXV, Fig. 2 a, punktirt im Scheeren- ganglion rechts). Verzweigungen im seitlichen Neuropil zweier benachbarter Ganglienhälften. Vorkommen: Scheerenganglion. “Typus 3 (Tafel XXV, Fig. 2 a, im 2. Mundganglion rechts). Verzweigungen im seitlichen Neuropil des 3. und 4. Mundganglions und im mittleren Neuropil des 4. und 5. *Typus 4 (TafelXXV, Fig. 2a,—-—---im 4. Mundgang- lion links). Verzweigung im seitlichen und mittleren Neuropil der zugehörigen Ganglienhälfte und im mittleren der beiden vorhergehenden Ganglien. Vorkommen: 3. Mundganglion bis 4. Beinganglion. "Typus 5 (Tafel XXV, Fig. 2 a, punktirt, 3. Münd- sanglion rechts). Der Axenfortsatz der in der seitlichen Zell- masse liegenden Zelle geht, ohne Seitenzweige abzugeben, auf die gekreuzte Seite und läuft hier nach hinten anscheinend bis in die Abdominalganglien, allenthalben Verzweigungen in das mittlere und seitliche Neuropil aller Ganglienhälften dieser Seite abgebend. "Typus 6 (Tafel XXV, Fig. 3a, punktirt, 7. Mundgang- lion). Die Zelle liegt in der Mittelmasse. Der Axenfortsatz wendet sich auf eine Seite und läuft, sich T-förmig theilend, nach vorne und nach hinten, in die seitlichen Neuropile aller Gang- lien Verzweigungen abgehend. Vorkommen: in den Mund- ganglien. *Typus7” (TafelXXV, Fig. 3 a, gestrichelt im Scheeren- ganglion). Die Zelle liegt in der mittleren Zellmasse. Der Axenfortsatz theilt sich in einen rechts und einen links der Länge nach durch’s ganze Bauchmark verlaufenden Ast, von dem aus 468 Albrecht Bethe: in die mittleren Neuropile aller Ganglien Verzweigungen ab- sehen. Vorkommen: in allen Thorakalganglien. "Typus 8 (Tafel XXV, Fig. 2 a, gestrichelt.. Die Faser tritt durch die Schlundeommissur ein, verläuft durch das ganze Bauchmark an der Grenze zwischen seitlichem und mitt- lerem Neuropil, kleine Zwischenäste in jedem Ganglion abgebend. *Typus 9 (Tafel XXV, Fig. 2 a, gewellt), Die durch die Schlundeommissur eintretende starke Faser giebt ausgedehnte Verzweigungen in die seitlichen Neuropile aller Ganglien auf einer Seite ab. *Typus 10 (Tafel XXV, Fig. 3 a,, gestrichelt, 5. Mund- ganglion). Die Zelle liegt in der seitlichen Masse des 5. Mund- ganglions. Der anfangs dünne Axenfortsatz schwillt bei der Theilung mächtig an und verzweigt sich dann auf beiden Seiten im mittleren Neuropil beider Seiten des 3.—5. Mundganglions. Typus 10a (Tafel XXV, Fig. 3 aıoa 6. Mundganglion). Auch hier ist der Axenfortsatz anfangs dünn und verdiekt sich sehr stark bei der ersten Theilung. Auf jeder Seite zieht ein Ast nach vorne und verzweigt sich sehr stark im mittleren Neuropil des 4. bis 6. Mundganglions. Auf der gekreuzten Seite zweigt sich ausserdem ein Ast ab, der in der Tiefe nach hinten zieht und bis an den hinteren Rand des Scheerengang- lions mit Sicherheit verfolgt werden kann. Er scheint hier und in den Beinganglien sich zu verzweigen. Typus 11. (Tafel»XRV,-Fig.08,@,,)... Die "Easer ist durch die Schlundeommissur ein, läuft ohne Seitenzweige bis zum 6. Mundganglion und findet hier im mittleren Neuropil ihre Endverzweigung. Typus 12 (Tafel XXV, Fig. 2 a, 6. Beinganglion). Die Lage der Zelle konnte mit voller Sicherheit nicht fest- gestellt werden. Wie es scheint, liegt sie in der hinteren seit- lichen Zellmasse des Scheerenganglions. Das Element besteht aus zwei sehr starken Längsfasern, welche durch eine quere Faser, die durch die quere Commissur des 1. Beinganglions geht, verbunden sind. Die beiden Längsfasern geben in die seitlichen Neuropile des Scheeren- und der Beinganglien starke Verzwei- gungen. Auf einer Seite erstreckt sich die Längsfaser dann noch in die Mundganglien hinein, in das mittlere Neuropil des 4. Mundganglions auf beiden Seiten Verzweigungen abgebend, Das Nervensystem von Carcinus Maenas. 469 und Kann bis zum 1. Mundganglion verfolgt werden. Vielleicht geht sie durch die Commissur bis zum Gehirn. Typus 12a (Tafel XXV, Fig. 2 aısa). Dieses Element unterscheidet sich vom vorigen nur dadurch, dass die quere Commissur im Bereich des 2. Beinganglions liegt. Typws113 3(Tafel!RXV, Big 2%Va4,).17 Die -Easeri tritt durch die Schlundeommissur ein, läuft ohne Verzweigungen ab- zugeben bis zum Scheerenganglion, tritt bier auf die gekreuzte Seite und verzweigt sich im mittleren Neuropil. Receptorische (sensible) Elemente (blau). Aus später auseinanderzusetzenden Gründen gebe ich das Wort sensibler Nerv und sensibles Element auf und setze an seine Stelle das Wort receptorisches Element. Die Zellen dieser Elemente liegen, wie aus den Arbeiten von Claus (5), Rath (6), Allen (3), mir (D), Retzius (8) und anderen hervor- geht, an der Peripherie unter dem Epithel. Die Fasern treten also in das Bauchmark ein, ohne hier mit Zellen in direkt sichtbare Verbindung zu treten. Die Hauptmasse derselben tritt auf der Unterseite der Ganglien ein, verzweigt sich hier T-förmig und zieht nach hinten und nach vorne wahrschemlich bis in’s Gehirn, in den mittleren Neuropilen kleine Seitenzweige abgebend (1) (Taf. XXV, Fig.3s,.) Andere (Tafel XXV, Fig. 2 s,) verzweigen sich nur auf der Unterseite eines Ganglions. B. Das Gehirn. Das Gehirn ist eine etwa rechteckige Masse, von der aus 6 Paar Nerven zu verfolgen sind. Am vorderen Rand nahe der Mittellinie treten zwei kleine Faserbündel aus, welche nach den Autoren zum sympathischen Plexus ziehen (Tafel XXVD. An der Vorderecke tritt auf jeder Seite ein starker Nervenstamm aus, der in den Augenstiel und hier zum peripheren Augen- sanglion zu verfolgen ist (Tafel XXV,: Fig. 1). Dies ist der Optieus. Dicht dahinter tritt ein parallel verlaufender Nerv, den ich auf Grund einer irrthümlichen Präparation an zu kleinen Carcinusexemplaren in meiner vorigen Mittheilung mit dem von den Autoren beschriebenen Nerf tegumentaire (Tegumentarius) identifieirt hatte, aus dem Gehirn aus und zieht gleichfalls in A470 Albrecht Bethe: den Augenstiel. Es ist dies der Oeulomotorius (Taf. XXV, Fig. 1). Von der Unterseite des Gehirns geht ein Nerv ab, der aus zwei ;ündeln besteht. Er zieht nach vorne und tritt dureh eine Spalte im Chitin in die erste Antenne ein. Hier kann man das eine Bündel sich im Basalglied an der Otocyste verzweigen sehen, während man das andere Bündel zu den Muskeln und in die mit vielen Endor- ganen versehenen Endglieder verfolgen kann. Diesen Nerv der ersten Antenne nenne ich Antennarius I. Von der hinteren Eeke des Gehirns lösen sich zwei Nervenbündel ab, die ich früher beide als zur 2. Antenne gehörig beschrieben habe. Wie ich aber jetzt sehe, hatte bereits Milne Edwards (9) ihre wahre Bedeutung richtig erkannt. Nur der untere tritt durch ein kleines Loch (Tafel XXV, Fig. 1) zur zweiten Antenne (Anten- narius Il), Der obere stärkere Nerv vertheilt sich an der Haut des Koptes (Fig. 1) und ist der Nerf tegumentaire der Autoren, wie ich ihn nennen werde der Tegumentarius. Ich bin in meiner vorigen Mittheilung der Eintheilung der einzelnen Neuropile und Ganglienzelllager, welche Krieger (10) für Astacus aufgestellt hat, gefolgt. Da nun diese Eintheilung für Careinus nicht ganz zutreffend ist, ausserdem die Bezeich- nung einzelner Theile dureh Zahlen für den Leser sehr störend ist, gebe ich hier eine neue Eintheilung, bei der die einzelnen Theile mit Namen belegt sind, welche von den eintretenden Nerven und der Lage der betreffenden Theile genommen sind. Zum Studium des Faserverlaufs und der Lagebeziehungen der einzelnen Neuropilmassen und Ganglienzelllager wurden Weigertpräparate und andere Serien verwandt, die nach einer neuen Methode, welehe ich in einiger Zeit in einer anderen Zeitschrift publieiren werde, gefärbt sind. Die beigegebenen Zeichnungen stammen von Präparaten nach dieser Methode. Die Faserzüge treten auf denselben mit Deutlichkeit hervor; die Neuropile erscheinen bei schwacher Vergrösserung als mehr oder weniger dunkle Ballen; bei starker Vergrösserung lösen sie sich in ein Gewirr feiner und feinster Fasern auf, welches je nach seiner Diehtigkeit dem Neuropil bei schwacher Vergrösserung die differente Sehattirung giebt. Auf beiden Seiten des Gehirns legt eine kugelförmige Masse, vorne umschlossen vom Optieus, von hinten vom Tegumen- tarius und dem Antennarius II. Auf der Oberseite läuft der Das Nervensystem von Carcinus Maenas. a7l Oculomotorius darüber hin auf der Unterseite des Antennarius I (Tafel XXIX, Fig. 11).. Diesem Organ hat Diet] bei den Insekten den Namen „pilzhutförmiger Körper“ gegeben und er ist auch für Crustaceen aufgenommen worden. Ich glaube, dass ein lateinischer Name für den Gebrauch angenehmer ist, und nenne es daher Globulus. Der Globulus besteht aus einer kleineren vorderen und einer grösseren hinteren Halbkugel, welche bei anderen Deea- poden (Astacus) deutlich von einander abgesetzt sind (das Neu- ropil I u. II Krieger’s), dem Hemiglobulus anterior und posterior (Tafel XXIX, Fig. 3-6 und 9—11, Tafel XXVI und XXVIIN). Zwischen den Optieci ist schon mit schwacher Lupe auf der Oberseite eine vierlappige Figur zu erkennen (Tafel XXVI), welche ein in der Mitte befindliches Loch ein- schliesst, durch welche Blutgefässe in's Gehirn treten. Auf der Unterseite zeigt sich eine ähnliche Figur, welehe aber nicht das Mittelloch erreicht (Tafel XXVIII. Auf Schnitten zeigt sich, dass dieses Gebiet aus vier grossen Neuropilballen, welche wieder aus einzelnen dunkleren Kernen bestehen, zusammengesetzt ist, einem vorderen oberen, einem hinteren oberen, einem mittleren und einem unteren. Da der Optieus in diesem ganzen Gebiet ausstrahlt, bezeichne ich die Theile nach ihm: Das Neuropilum optiei anterius superius ist der vordere Ballen der Oberseite (Tafel XXVL, Tafel XXIX, Fig... 2 u. 3). Nach hinten daran liegt das Neuropilum optieci poste- rius (Tafel XXIX, Fig. 4 u. 5). Der Ballen der Unterseite erstreckt sich vom vorderen Rande bis gegen das Mittelloch (Tafel XXVIII); ich nenne ihn Neuropolum optiei inferius. Zwischen den beiden oberen und dem unteren Opticusneuropil liegt das Neuropilum optieci mediale (Tafel XXIX, Fig. 2—6, Tafel XXVI, Fig. 2), welches vorne das Neuropilum op- tiei inferius überragt (Tafel XXVIU). Zwischen das Neuropilum optiei inferius und mediale schiebt sich an einer Stelle eine langgestreckte, sehr diehte Neuropilmasse ein, welche ich als „Balken“ bezeichne (Tafel XXIX, Fig. 3, Tafel XXVIL, Fig. 2). Auf beiden Seiten des Neuropilum optiei posterius liegen zwei dunkle Neuropilmassen, die laterale durch eine breite Neuro- pilbrücke mit ihm verbunden, die mediale im oberen Theil von ihm überdeckt. In diese Ballen. hinein ist der Oculomotorius 472 Albrecht Bethe: zu verfolgen (Tafel XXIX, Fig. 5 u. 6) ich nenne sie daher Neuropilum oeulomotorii laterale und mediale. Auf der Unterseite des Gehirns liegen etwa an den ent- sprechenden Stellen zwei andere Neuropilpaare. In das laterale kann leicht der eine Theil des Bündels des Antennarius I verfolgt werden, welches von der Otocyste kommt, in das mediale das andre Bündel. Ich nenne sie Neuropilum Antennarii primi (I) laterale und mediale (Tafel XXIX, Fig. 5 u. 6). Sie sind bei Betrachtung des Gehirns von der Unterseite leicht zu erkennen (Tafel XXVII). Nach hinten zu liegt nur noch eine grosse Neuropilmasse, welche von der Oberseite etwa die Form von Africa zeigt und in die Schlundeommissur hineinragt. Diese Masse besteht aus fünf ein- zelnen Neuropilen. Den hintersten Zipfel nimmt em ziemlich loser Kern ein, in den ein kleiner Theil der Fasern des Anten- narius II verfolgt werden kann, Neuropilum Antennarii seeundi posterius. Darüber liegen dicht beieinander die vier übrigen Kerne, 2 vordere und 2 hintere, von denen der laterale vordere und der mediale hintere übereinander liegen. In diese beiden sind Fasern des Tegumentarius zu verfolgen, Neuro- pilum Tegumentarii superius und inferius (Tafel XXIX, Fig. Tu. 8). In den beiden anderen Neuropilen tauchen Fasern des Antennarius II unter, Neuropilum Antennarii secundi laterale und mediale. Von Ganglienzellen findet sich zunächst ein mächtiges Lager an dem vorderen oberen Rande des Gehirns, Cellulae superiores mediales (TafelXXVI, TafelXXVII, Tafel XXIX, Fig. 1). Ein zweites Polster zieht sich auf beiden Seiten zwischen dem Globulus einerseits und dem Neuropilum optiei anterius su- perius und dem Neuropilum optiei posterius andrerseits hin, Cellulae superiores laterales (Tafel XXVI und XXIX, Fig. 4—6). Dem Globulus liegen zwei Zellpolster an, die aus zahlreichen und sehr kleinen Zellen bestehen und ihre Aus- läufer in den Globulus hineinsenden. Das eine liegt vorne und unten, Cellulae Globuli anteriores, das andere hinten und oben, Cellulae Globuli posteriores (Tafel XXIX, Fig. 2, 3, 6, 7, 9, 10 und 11). Auf der Unterseite des Gehirns liegen noch zwei Zellpolster, eines lateral, Cellulae inferiores late- rales, und eines medial, Cellulae inferiores mediales, (Tafel XXIX, Fig. 3, 4, 6 u. 7). Schliesslich liegt noch ein Das Nervensystem von Careinus Maenas. 473 kleines Polster im Winkel zwischen dem Antennarius II und der Schlundemomissur (Tafel XXVIL, Fig. 1 und Tafel XXVII), Cellulae angulares. Im Optieus lässt sich ein diekes, feinfaseriges Bündel er- kennen, welches von beiden Seiten der Mittellinie zuläuft und dabei zwischen dem Neuropilum optiei mediale und inferius nach hinten zieht, sich in der Mitte kreuzt und dann in die Globuli eintritt (Tafel XXIX, Fig. 2—5). Die Kreuzungsstelle bezeichne ich als Decussatio. Dieses Bündel wurde zuerst von Berger (11), danach von Krieger (10) beschrieben. Berger sah, dass die Fasern nicht alle gekreuzt, sondern theilweise unge- kreuzt seien, dass also nur eine Semideeussatio stattfände. Krieger bestreitet dies. Auf Horizontalschnitten kann man wohl öfter ungekreuzte Fasern erkennen; sicherer wird es aber, dass auch ungekreuzte Fasern vorhanden sind, durch die Dege- nerationsmethode. Bei Careini, denen ich das Gehirn der Länge nach in der Mitte gespalten hatte, fand sich das Bündel nach 12 Tagen etwa auf die Hälfte zusammengeschrumpft; ein an- sehnlicher Theil war aber erhalten und dieser konnte continuir- lich vom Optieus jeder Seite bis in den Globulus verfolgt werden. Ich nenne dieses Bündel Tractus optieco-globularis. Ein anderes Bündel von Opticeusfasern kann auch schon auf Schnitten bis zu den Schlundeommissuren auf der Unterseite des Gehirns verfolgt werden, Tractus optieco-commissuralis (Tafel XXIX, Fig. 4). Ein drittes Bündel zieht zum Neuropilum oculomotorii mediale auf der Oberseite hin. Ausser dem Bündel des Oculomotorius, welches in das Neuropilum oeulomotorii laterale und mediale eintritt, steigt noch eins tiefer herab, konnte aber nicht mit Sicherheit verfolgt werden. Ein beträchtlicher Theil der Fasern des Antennarius I, welche von der Otocyste kommen, tritt in den Globulus (Tafel RRKIRTie. 17). Längsfaserbündel durchziehen das Gehirn an vielen Stellen, besonders auf der Oberseite und Unterseite. Von der Gegend des Neuropilum tegumentarii superius zieht ein starker Faserzug nach unten zum Neuropilum Antennarii I laterale, Tractus ad Neuropilum Antennarii I laterale (Tafel XXIX, Fig. 6). Quere Commissuren giebt es zwischen allen Neuropilen. 474 Albrecht Bethe: Sehr stark ist von diesen eine Commissur zwischen den beiden Neuropila opt. ant. sup. die Commissura magna. Besonders zu erwähnen ist die starke quere Commissur, welche dieht vor dem Mittelloch auf der Oberseite die Neuropila optiei posteriora und medialia verbindet, da durch dieselbe Fasern laufen, welehe theilweise vom Globulus direkt kommen, theilweise dureh einen kleinen Kern, Neuropilum parvum, gehen (Tafel XXIX, Fig. 5), weleher auch mit dem lateralen Neuropil der ersten Antenne in Verbindung steht, Commissura ante foramen. Ausserdem scheinen noch Fasern von Globulus zu Globulus durch eine kleine, ebenfalls dieht vor dem Mittelloch gelegene Commissur “Fig. 4, Tafel XXIX) zu gehen. Auf Horizontalschnitten kann man ein feinfaseriges und ein grobfaseriges Bündel vom Globulus aus zur ungekreuzten Sehlundeommissur verfolgen, Traetus globulo-commis- suralis. Die einzelnen nervösen Elemente des Gehirns. Die,Elemente des Opticns. a) Solehe die mit Zellen im Gehirn zusammenhängen. "Typus I (Tafel XXVI, Fig. 1 o, blau). Von der Zelle geht ein Fortsatz ‘durch den einen Optieus, ein andrer durch den anderen Optiecus aus dem Gehirn heraus. Dicht an der Zelle giebt ein kleiner Seitenzweig eine Verästelung in einen dichten Neuropilkern, den Nucleus commissurae optiei (Tafel XXIX, Fig. 2), welcher nur mit dem Neuropilum opt. ant. sup. zu- sammenhängt. Diese Fasern bilden ein starkes Bündel, die „obere quere Optieuseommissur“. *Typus 2 (Tafel XXIX, Fig. 1 o, blau).' Die Zelle’ge- hört zu den Cellulae superiores mediales. Der Axenfortsatz geht dureh den Optieus hinaus, nachdem er Zweige in den vorderen Theil des Neuropilum opt. ant. sap. beider Seiten abgegeben hat. "Typus 3 (Tafel XXVII, Fig. 1 o, roth)... Die Zelle liegt im Vorderpolster, der dünne Axenfortsatz schwillt bei der ersten Theilung stark an. Ein Zweig geht als periphere Faser durch den Optieus. Sehr zahlreiche Verzweigungen finden statt im Neuropilum optiei anterius beider Seiten, dem Neuropilum Antennarii II mediale, laterale und posterius und dem Neuro- Das Nervensystem von Carcinus Maenas. 475 pilum tegumentarii superius der Seite, auf der die Zelle liegt. Ausserdem zweigt ein Ast ab und senkt sieh lateral vom Neuro- pilum tegumentarii superius in die Tiefe (dies wird durch einen Punkt am Ende der Faser in der Figur angedeutet). Auf Sehnitten kann dieser Ast bis in das Neuropilum Antennarii I laterale verfolgt werden, wo er seine Endverzweigung findet (Tafel XXIX, Fig. 6 roth). b) Elemente, deren Zelle nieht im Gehirn liegt oder wenigstens hier nieht nachgewiesen werden kann. (Vermuthlich liegt hier die Zelle im’peripheren Optieusganglion.) (Alle diese sind blau gezeichnet.) *Typus 1 (Tafel XXVIII o, vorne). Die Fasern treten auf der Unterseite in’s Gehirn ein und laufen hart am vorderen Rande zum anderen Optieus, wo sie es wieder verlassen, ohne Verzweigungen in’s Gehirn zu geben. *Typus 2 (Tafel XXVIH o,). Die Faser giebt einen kleinen Seitenzweig in das Neuropilum optiei inferius (seitlieh und vorne), läuft zur Mitte und verlässt das Gehirn dureh die un- sekreuzte Commissur. *Typus 3 (Tafel XXVIIH o,). Die Faser kreuzt vor dem Mittelloch auf der Unterseite des Gehirns und verlässt es ohne seitliche Zweige abzugeben durch die gekreuzte Commissur. Typus 4 (Tafel XXVIU o,). Verzweigung im seitlichen Theil des Neuropilum optiei inferius in einem eiveumscripten Kern. Typus 5 (Tafel XXVI o, gestrichelt). Verzweigt sich im seitlichen Theil des Neuropilum optiei anterius superius im einen eireumscripten Kern. Typus 6 (Tafel XXVII o,). Verzweigungen am Vorder- rande des Neuropilum optiei mediale lateral und medial. Typus 7 (Tafel XXVII, Fig. 10,0). Verzweigung im vorderen Winkel des Neuropilum optiei anterius superius und im Neuropilum optiei posterius. Typus 8 (Tafel XXVII, -Fig. 1 o,,). Verzweigt sich im Neuropilum optiei posterius der Seite, auf welcher die Nerven- faser in das Gehirn tritt und im gekreuzten medialen Theil des Neuropilum optici mediale (siehe Tafel XXIX, Fig. 4 0,,). Typus 9 XTafel XXVl o0,). Geht auf die gekreuzte Seite und verzweigt sich im vorderen Winkel des Neuropilum optiei anterius superius. 476 - Albrecht Bethe: "Typus 10 (Tafel XXVI o,, punktirt). Zunächst beim Eintritt eine Verzweigung im selben Kern wie Typus 5 (o,), dann tritt ein Ast in das Neuropil der zweiten Antenne und ein andrer in das gekreuzte Neuropilum optiei posterius. “Typus 11 (Tafel XXIX, Fig. 1 o,,). Verzweigungen im Neuropilum optiei anterius superius und posterius derselben Seite und dem Neuropilum optiei anterius superius und An- tennarii seeundi (?) der gekreuzten Seite. Typus 12 (Tafel XXVIIU o,, gestrichelt). Verzweigungen am Vorderrande des Neuropilum optiei inferius beider Seiten (Tafel XXIX,'#ip.72°0,,): Typus 13 (Tafel XXVIII, o,, punktirt). Verzweigungen im selben Kern wie Typus 4 (o,) aber auf beiden Seiten. Typus 14 (Tafel XXVIIH o,... Ein Ast geht in die Tiefe und verzweigt sich anscheinend im Neuropilum optiei mediale, ein Ast geht zum Neuropilum Antennarii I laterale und zum Neuropilum Antennarii II laterale. Der Hauptstamm läuft der Commissur zu, konnte aber in den beiden Fällen, in denen ich dies Element gefärbt fand, nieht weiter verfolgt werden. Typus 15 (Tafel XXVII, Fig. 1 o,, gestrichelt). Kleine Verzweigungen im Neuropilum optiei anterius und grössere im Vorderzipfel des Neuropilum oeulomotorii mediale. Die bisher betrachteten Elemente verzweigen sich wenigstens zum Theil in den Optieusneuropilen, die folgenden thun dies nicht. Typus 16 (Tafel XXVI o,,). Verzweigung im Neuropilum oculomotorii mediale. Typus 17 (Tafel XXVII, Fig: 2 vo,,). (Ein® Eherlader (ehirnfasern lässt sich nieht dadurch darstellen, dass man das Gehirn von oben oder unten der Luft aussetzt. Man muss die obere‘ Schicht mit einem scharfen Messerchen nach dem Injieiren abtragen, sodass das Neuropilum optiei superius anterius und posterius, und die obere Schicht des Globulus und des Neuropilum tegumentarii superius und Antennarii II mediale fortgenommen werden.) Die Faser läuft im Traetus optico-globularis bis zum Globulus. "Typus 18 (Tafel XXVII, Fig. 1 o,,). Verzweigungen im Neuropilum oculomotorii mediale beider Seiten. Typus 19 (Tafel XXVIL, Fig. 2 o0,, gestrichelt und Tafel XXVI o,,). Ob diese beiden Elementen ganz identisch Das Nervensystem von Careinus Maenas. 477 sind kann ieh nieht genau sagen. Sie verzweigen sich im Neu- ropilum tegumentarii superius; das auf Tafel XXVI abgebildete strahlt aber auch gegen das Neuropilum Antennarii II laterale aus. Typus 20 (Tafel XXVII, Fig. 1 rechts, ohne Bezeiehnung). Verzweigung im Neuropilum Antennarii II mediale. Der Optieus führt also nachweislich 23 verschiedene in typischer Weise sich verhaltender Elemente. Es ist nicht un- möglieh, vielmehr wahrscheinlich, dass er noch mehr verschiedener Elemente enthält. Elemente des Oculomotorius. *Typus 1 (Tafel XXVI und Tafel XXVII, Fig. 2 ocm, roth). Diese Elemente hängen mit Ganglienzellen zusammen, die den Cellulae superiores laterales angehören. Der dünne Axenfortsatz giebt Seitenzweige in das Neuropilum oculi motorii laterale (Tafel XXIX, Fig. 5), eventuel auch in das Neuropilum optiei mediale und geht dann in den dieckeren Hauptstamm über, welcher lateralwärts als periphere Faser durch den Oenlomotorius austritt und nach der Mitte zu sich gabelt. Der eine dieser Aeste zieht nach vome zu dem Kem des Neuropilum optiei anterius superius, in welchem die Optieuselemente o, vom Typus 5 ihr Ende finden, von hier begiebt er sich auf die gekreuzte Seite, um dort wahrscheinlich im selben Kern sein Ende zu finden. Ein oder mehrere Seitenzweige dieses Astes senken sich seitlich in die Tiefe und begeben sich auf die Unterseite des Gehirns. Der andere Hauptast zieht nach hinten und verzweigt sich im Neuropilum tegumentarii superius und im Neuropilum Antennarii II laterale, mediale und posterius. An Präparaten, bei denen die oberen Schichten des Gehirns abgetragen sind, zeigt sich, dass hiermit das Ausbreitungsgebiet dieser Elemente nieht erschöpft ist. Es tritt von jedem der beiden Hauptäste ein Zweig in die Tiefe (Tafel XXVII, Fig. 2 ocm, a und 5), von denen der erstere sich in das Neuropilum optiei mediale begiebt, der andere nach hinten verläuft und im Neuropilum Antennarii I mediale und laterale sein Ende findet. Typus.2, (Varel RXVI und; Tafel, XXVIL, Big. 1,u..2 ocm, roth gestrichelt). Auch diese Elemente scheinen mit Gang- lienzellen zusammenzuhängen, welche aber zu den Cellulae in- feriores mediales gehören, doch konnte der Zusammenhang nicht 478 Albrecht Bethe: direet nachgewiesen werden. Der auf Tafel XXVI mit ocms, bezeichnete Fortsatz senkt sich nämlich in die Tiefe und ist bis in die Nähe des Zelllagers zu verfolgen. Verfolgt man die Faser von Oculomotorius her, so tritt sie zunächst in die Tiefe, biegt dann nach oben um (Tafel XXIX, Fig. 6) und tritt in (das untere Horn des Neuropilum oculo motorii mediale, verzweigt sich hier auf beiden Seiten und sendet einen Zweig in das Neu- ropilum optiei mediale (Tafel XXVII, Fig 2). Vorher giebt sie aber nach zwei Seiten Zweige ab, von denen der eine dem Neuropilum tegumentarii superius, der andere dem Neuropilum Antennarii II laterale und posterius zustrahlt (Tafel XXVII, Figur 2): Elemente des Tegumentarius. "TE pins- 1 (Patel, RXVE SORRY Piel 2 bla Sie verzweigen sich im Neuropilum tegumentarii superius (Tafel RIIXI Fig. 7): Typus 2 (Tafel XXVII, Fig. 2 t, blau punktirt). Ver: zweigungen im Neuropilum tegumentarii inferius und auch superius mit rückläufigem Ast (Tafel XXIX, Fig. 8). Typus3 (Tafel XXVIL, Fig. 2 t, blau —-----). Verzwei- gung im Neuropilum oculomotorii mediale (Tafel XXIX, Fig. 6,). Elemente des Antennariusl. Typus 1 (TafelXXVIllan, blau punktirt). Feine Fasern mit Verzweigung im Hemiglobulus anterior auf Ober- und Unterseite. Typus 2 (Tafel XXVIII an, blau gestrichelt). Feine Fasern mit ausgedehnter Verzweigung im Hemiglobulus posterior. Typus 3 (Tafel XXVII an, blau). Feime Fasern mit Verzweigung im Neuropilum Antennarii I laterale (Tafel XXIX, Figur 6). Typus 4 (Tafel XXVII an, blau). Dickere Fasern mit Verzweigung im Neuropilum Antennarii I mediale. Typus>5 (Tafel XXVII an,). Dicke Fasern mit cen- traler Zelle, die den Cellulae inferiores mediales angehört. Ver- zweigungen im Neuropilum Antennarii I mediale, tegumentarii inferius und Antennarii II laterale. Ausser diesen giebt es wahrscheinlich noch andere mit centralen Zellen verbundene Das Nervensystem von Careinus Maenas. 479 Elemente, deren Zellen aber Cellulae inferiores laterales sind und deren Hauptverzweigungen im hinteren, oberen Theil des Neuropilum Antennarii I laterale stattfindet, ein Neuropilballen der ziemlich deutlich abgesetzt ist. Mit Methylenblau habe ich sie nicht darstellen können, doch scheint mir ihre Existenz aus anderen Präparaten mit Sicherheit hervorzugehen. Elemente des Antennarius Il. "Typus 1 (Tafel XXVI antı blau). Verzweigung im Neuropilum Antennarii II posterius. *Typus 2 (Tafel XXVI, Fig. 1 und Tafel XXVIII antı roth). Diese Elemente haben Ganglienzellen, die zu den Cellulae angulares gehören. Der Axenfortsatz entsendet lateral die peri- phere Faser und ausserdem zwei Hauptstämme, von denen der eine auf der Oberseite verläuft und sich im Neuropilum Anten- narii II laterale, mediale und posterius und im Neuropilum tegu- mentarii superius verzweigt, der andre in mehrfacher Theilung auf der Unterseite hinstreicht und Seitenäste in das Neuro- pilum Antennarii laterale, tegumentarii inferius und auch in das Neuropilum Antennarii mediale abgiebt (siehe Tafel XXIX, Figur 7). "Typus 3 (Tafel XXVI und XXVI, Fig. 1 antır roth). Diese Elemente scheinen ebenfalls mit Ganglienzellen zusammen- zuhängen (Tafel XXIX, Fig. 7). Die Fasern laufen vom Anten- narius II ausgehend auf der Oberseite des Gehirns hin (Tafel XXIX, Fig. 8), geben Seitenzweige in das Neuropilum Antennarii II laterale (Tafel XXVII, Fig. 1) und finden ihre Hauptaufsplit- terung im Neuropilum Antennarii II mediale. Von dort ist ein starker Faserzug zu den Cellulae inferiores mediales und zum Neuropilum Antennarii II laterale und tegumentarii inferius zu bemerken (Tafel XXIX, Fig. 7). Die Elemente der Mediannerven. Typus 1 (Tafel XXVI m roth punktirt). Diese Elemente sind sehr leicht darzustellen. Ich habe sie schon früher aus- führlich beschrieben. Die Zelle liegt unter den Cellulae su- periores laterales in einer besonderen Gruppe. Verzweigungen finden einseitig in allen Neuropilen der Oberseite statt mit Aus- nahme des Neuropilum oculomotorii mediale. 480 Albrecht Bethe: Commissurelemente (schwarz). I. Verbindungen des Gehirns mit dem Bauchmark. a) ‚Mit. Zellen, im Gehirn. "Typusl (Taf. XXIX, Fig. 1 links cz,). Die Zelle gehört zu den Cellulae superiores laterales; der Axenfortsatz geht durch die Commissar nach Abgabe eines Seitenzweiges ins Neuropilum Antennarii II laterale. "Typus 2, (Taf... XXIX, : Fig,‘1e2,); Die . Axenfortsätze von 10—20 Cellulae superiores mediales gehen ohne Seitenzweige bis zum Neuropilum Antennarii Il laterale in beträchtlicher Tiefe, geben dort nur einen Seitenzweig ab und verlassen das Gehirn durch die Commissur. "Typus 3 (Tafel XXIX, Fig. 1 cz, schwarz gewellt). Cellula superior medialis. Verzweigung im Neuropilum optici anterius superius. Typus 4 (Taf. XXIX, Fig. 1 cz,). Der Zusammenhang mit einer Zelle der Cellulae anteriores mediales konnte nieht mit voller Sicherheit eonstatirt werden. Das Element ist ausser- ordentlich diek. Verzweigungen auf der Seite, wo die Zelle ver- muthlich liegt, im Neuropilum optiei superius anterius und poste- rus und tegumentarii superius, auf der gekreuzten Seite, wo der Fortsatz das Gehirn durch die Schlundeommissur verlässt, im Neuropilum optiei anterius superius und tegumentarii superius. Typus 5 (Taf. XXVI, Fig. 1c2,--------—). Cellula superior medialis. Der Axenfortsatz verlässt das Gehirn durch die Schlund- commissur derselben Seite nach Abgabe von Seitenzweigen in die Neuropila optiei superiora anteriora und posteriora beider Seiten. Typus 6 (Tafel XXVIcz, punktirt). Von der Cellula su- perior medialis geht der Axenfortsatz in der Tiefe nach hinten, giebt Verzweigungen in den medialen und lateralen Theil des Neuropilum optiei mediale und verlässt das Gehirn durch die sekreuzte Commissur. Typus (Tafel XXVH, Fig. 2cz,). Die Zellen gehören zu den Cellulae globuli anteriores; der Axenfortsatz verzweigt sich im Hemiglobulis anterior und verlässt durch den Traetus slobulo-eommissuralis das Gehirn (?). Typus 8 (Tafel XXVII cz, —----—- links). Cellula inferior medialis. Verzweigung im Neuropilum Antennarii 1 laterale. Das Nervensystem von Careinus Maenas. 481 b) Mit Zellen im Bauchmark oder Zellen: im Gehirn, wo aber die Verbindung mit der Zelle nieht nachweisbar war. =Typus1 (Tafel XXVIcd, rechts). Verzweigung im Neuro- . pilum Antennarii II mediale. Typus2 (Tafel XXVIcb, gestrichelt rechts). Verzweigung im selben Neuropil, aber von da ein Fortsatz gegen das Neuro- pilum oeulimotorii mediale zu verfolgen. Typus 3 (Tafel XXVI eb, links). Verzweigung im Neuro- pilum Antennarii II laterale. Typus 4 (Tafel XXVI cd, links punktirt). Verzweigungen im Neuropilum Antennarii mediale und laterale. Typus 5 (TafelXXVII, Fig. 1cb, links). Verzweigungen im Neuropilum tegumentarii superius und Antennarii IL (2). Typus 6 (Tafel XXVII, Fig.1 eb, -—-—). Ist von der Commissur bis zum Neuropilum oculimotorii mediale zu verfolgen. "Typus 7 (Tafel XXVII, Fig. 1cb, gewellt, links). Läuft von der Commissur nach vorne, geht durch dieselbe quere Com- missur wie Optionselement o,, (in derselben Figur) (vergl. auf Tafel XXIX Fig. 4cb,) auf die gekreuzte Seite und gibt hier Zweige ins Neuropilum optiei mediale und Antennarii II (?). Typus 8 (Tafel XXVI cd, rechts). Die Faser zieht zum Globulus und theilt sich hier in zwei Aeste, von denen der eine (cbz.) auf der Aussenfläche des Globulus sich verzweigt, wäh- rend der andere (chg,) mit dem Traetus globulo-commissuralis in den Globulus eintritt und sich am lateralen Ende auf der Innen- seite verzweigt. *Typus 9 (Tafel XXIX, Fig. 1 cd, rechts, punktirt). Ver- zweigungen im Neuropilum optiei superius anterius und posterius beider Seiten und im Neuropilum Antennarii II der Seite, wo die Faser eintritt. Typus 10 (Tafel XXVIII cd,, gestrichelt). Die Faser tritt auf der Unterseite in das Gehirn, läuft nahe der Mittellinie bis gegen den vorderen Rand des Neuropilum optiei inferius, geht hier auf die gekreuzte Seite und läuft durch die Commissur dieser Seite wieder aus dem Gehirn heraus. Auf diesem Wege gibt sie in ausserordentlich symmetrischer Weise je einen kleinen Ast in das Neuropilum Antennarü II und I mediale und sehr Archiv f. mikrosk, Anat. Bd, 50 il 489 Albrecht Bethe: reichliche Verzweigungen in den mittleren, vorderen und hinteren Theil des Neuropilum optiei inferius. IH. Verbindungen der Theile des Gehirns untereinander. *Typus:l (Tafel XXVIL, Fig. 1c,). Cellula superior me- dialis. Verzweigungen in beiden Neuropila optiei anteriora su- . periora. Die quer verlaufende Faser geht durch die Commissura magna. "Typus 2 (Tafel XXVII, Fig. 1c, gewellt). Verzweigun- gen: im selben Gebiet, die quere Faser läuft aber durch die Commissur des Neuropilum optiei posterius (Tafel XXIX, Fig. 4). ‘"Typus3 (TafelXXIX, Fig. 1c, rechts). Cellula superior medialis. Verzweigungen im Neuropilum optiei superius anterius und 'posterius beider Seiten. . Die quere Faser läuft in der Com- missura magna. "Typus 4 (Tafel XXIX, Fig. 1c,).: Quere Verbindung zwischen beiden Neuropila optiei posteriora. "Typus 5 (Tafel XXIX, Fig: 1c,). Quere Verbindung zwischen beiden Neuropila Antennarii II). Typus 6. (Tafel XXVII, Fig. 2 c,). Quere Verbindung, welche durch die Commissura ante foramen geht, zwischen den Neuropila optiei posteriora und medialia, vielleicht auch den Globuli (siehe Tafel XXIX, Fig. 5). Typus7 (Tafel XXVIL, Fig. 1c,). Dieses Element und das folgende werden nie vollständig gefärbt angetroffen, trotzdem sie sich leicht darstellen lassen. Es zieht unter dem Neuropilum oeulimoterii mediale, in dieses auf beiden Seiten kleine Aeste hinaufschiekend, quer durch’s Gehirn und ist bis im die Nähe der Globuli zu verfolgen. Typus 8 (Tafel XXVII, Fig. 1 c,). Das Element verbindet, wie es scheint, die Neuropila optiei superiora und Antennarüi II medialia und lateralia beider Seiten mit einander; die quere Faser liegt in der Tiefe dieht hinter dem Mittelloch. Typus 9 (TafelXXVI, Fig.2c, punktirt). Verzweigt sich in ganzen Balken und: im Neuropilum optiei mediale einer Seite. Typus 10 (Tafel XXVle,, gewellt). Dies Element scheint mit Zellen der Cellulae superiores mediales mittelst des Astes Cıoa zusammenzuhängen. Es verzweigt sich auf dieser Seite im Neuro- pilum optieci posterins und Antennarii II. Ein Ast geht neben Das Nervensystem von Careinus Maenas. 483 dem Neuropilum Antennarii II mediale in die Tiefe, zwei andere neben dem Neuropilum optiei posterius und verzweigen. sich hier im Neuropilum oculimotorii laterale und optiei mediale, vielleicht auch noch im seitlichen Theil des Neuropilum optiei inferius. Auf der andern Seite verzweigt es sich im Neuropilum optiei superius anterius und posterius, tegumentarii superius und: Anten- narii laterale und posterius. Typus 11 (Tafel XXVII, Fig. l.e,,). Die Lage der Zelle konnte auch hier nieht sicher gestellt werden; sie scheint zu den Cellulae inferiores mediales zu gehören, und der Ast cı. dort hinab zu steigen. Das Element verzweigt sich in beiden Neuropila oculomo- torii medialia und sehr lebhaft im Neuropilum tegumentarii superius und Antennarii II mediale und laterale. Ausserdem tauchen an vier Stellen starke Aeste in die Tiefe, deren Endpunkt nicht festgestellt werden konnte. Typus 12 (Tafel XXVI e,, gestrichelt).: Verzweigung in beiden Neuropila oculimotorii medialia. ‘Von hier - laufen zwei Aeste (cısa) über die Neuropile der zweiten Antenne fort und gehen mit dem Traetus ad Neuropilum Antennarii I laterale zu diesem Neuropil (Tafel XXIX, Fig. 6). Typus 13 (Tafel XXVII c,,). Es verzweigt sich diese Faser sehr lebhaft im mittleren, hinteren und seitlichen. Theil des Neuropilum optiei inferius beider Seiten und im Neuropilum Antennarii I laterale einer Seite. Hier steigt ein Ast (cıs») mit dem Traetus ad Neuropilum Antennarii I auf die Oberseite, kann hier aber nicht weiter verfolgt werden. Zwei andere Aeste (Cı3a) steigen zum Neuropilum optiei mediale hinauf. Typus 14 (Tafel XXVI e,;—-—- ). Die Zelle gehört zu den Cellulae inferiores mediales. Ein Ast verzweigt sich im Neuropilum Antennarii I mediale, einer steigt in die Tiefe und zieht lateralwärts vielleicht zum Globulus. Der dritte und stärkste geht auf die gekreuzte Seite, läuft nach vorne und sinkt vor dem Neuropilum optiei inferius in die Tiefe, um auf die Ober- seite zu gehen. Typus 15 (Tafel XXVIIle,, rechts). Die Zellen gehören zu den Gellulae globuli anteriores und senden ihre Fortsätze im die Mitte des Globulus, wo sie sich verzweigen. Typus 16 (Tafel XXVII e,, rechts). - Die Faser verzweigt 484 : Albrecht Bethe: sich auf der ganzen Oberfläche des Globulus mit kleinen Bäumen an der Basis jeder Pyramide. Nach der anderen Seite kann sie bis zum Neuropilum Ant. II laterale verfolgt werden. “Typus17 (Tafel XXIX, Fig. 1c,.——- —:—) Der Fortsatz der Zelle (Cellula superior medialis) verzweigt sich im Neuropilum optici superius anterius und posterius und Antennarii II mediale einer Seite. Typus 18 (Tafel XXIX, Fig. 1 c,, 'gewellt). ‘ Die Raser kommt aus der Mitte eines Globulus und verzweigt sich im Neu- ropilum optiei posterius derselben und im Vordertheil des Neuro- pilum optici superius anterius der anderen Seite. Typus 19 (Tafel XXVL, Fig. 2 c,9 —- —— links).. Verzwei- gungen finden im ganzen Globulus statt. Von hier zieht die Faser nach vorne und hinten und kann bis zum Neuropilum te- gumentarii superius verfolgt werden. Typus 20 (Tafel XXVI, Fig. 2 c,, gestrichelt). Das Ele- ment verbindet das Neuropilum oculomotorii mediale einer Seite mit dem Neuropilum optiei mediale der anderen Seite. Typus 21 (Tafel XXVI c,, links). Die Zelle gehört zu den Oellulae globuli posteriores. Ihr Fortsatz verzweigt sich auf der Oberfläche des Hemiglobulus anterior und posterior. Typus 22 (Tafel XXVI c,, rechts). Die Cellula superior medialis sendet ihrem Fortsatz nach hinten, überall auf dieser Seite Zweige in die Neuropile der Oberseite abgebend. Ein starker Seitenast geht durch die Commissura magna auf die ge- kreuzte Seite und verzweigt sich hier im Neuropilum optiei an- terius und posterius. So manches nervöse Element des Gehirnes mag mir noch entgangen sein, vielleicht sehr viele, einen Theil konnte ich nur theilweise verfolgen, aber einiges glaube ich doch gefunden zu haben, was zur Erklärung der weiterhin folgenden physiologischen Befunde dienen kann. Es ist mir leider nieht gelungen, die Fasern, welche vom Gehirn zum Bauchmark ziehen und umgekehrt auf ihrem Wege durch die Commissuren zu verfolgen. Dies hat zwei Gründe: Einmal ist sehr selten eine Faser durch die ganze Ausdehnung einer Commissur gefärbt und dann ist die Verfolgung der Fasern in den Commissuren so schwer, dass ein sicheres Resultat kaum zu erreichen ist. Das Nervensystem von Careinus Maenas. 485 Im Herbst des vorigen Jahres hatte Herr Prof. Apathy die Güte, mir einige seiner überraschend schönen Primitivfibrillen- präparate zu zeigen und mir die eine seiner Methoden zu ihrer Darstellung mitzutheilen. Es war nun selbstverständlich, dass ich diese Arbeit, die sich grade mit dem Zustandekommen nervöser Vorgänge beschäftigen soll, nicht in die Welt schicken konnte, ohne das Verhalten der Primitiyhbpillen bei meinem Versuchsthier studirt zu haben. Einiges wusste ich bereits aus Methylenblau- präparaten, in denen häufig die Primitivfibrillen recht schön im Axeneylinder zu verfolgen sind. Die Versuche mit der Methode Apathy’s führten leider zu keinen Resultaten. Ich habe dann auf Grund seiner Methode eine andere aufgebaut, welche bei Hirudo, dem günstigsten Objeet für Primitivfibrillen, recht Be- friedigendes lieferte und auch bei Careinus mancherlei erkennen lässt. Ich werde aber die Resultate, zu denen ich kam, erst im zweiten Theil dieser Arbeit mittheilen, da bis dahin die im Druck befindliche Arbeit von Herrn Apäthy erschienen sein wird, auf die ich dann Bezug nehmen kann. Hier noch einige Worte über die Nervenendorgane. Ueber das Auge und Augenganglien liegen so vortreffliche Untersuchungen von Parker (12) vor, dass ich keine eignen Studien unternahm. Die Untersuchungen über die Statoeyste sind noch nicht abgeschlossen und sollen in einer späteren Arbeit, die sich speciell mit Statocysten befassen wird, abgehandelt werden. Das Chitin des Carapax zeigt an den meisten Stellen ein rauhes Aussehen. Dieses rührt von kleinen Buckeln her (Tafel XXV, Fig. 6). In jedem Buckel steigt das Epithel empor, wie an Querschnitten leicht zu sehen ist, und der Buckel zeigt an der Spitze eine Durchbohrung. Ausser diesen Buckeln, die wohl Nervenendorgane darstellen, finden sich noch andere. Zunächst ist das ganze Chitin mit feinen kolbenförmigen Haaren besetzt, so dass das Chitin in der Aufsicht punktirt erscheint (Tafel XXV Fig. 6). Jedes dieser Härchen sitzt auf einem Porenkanal des Chitins (Tafel XXIX, Fig. 12). Ob nun Fortsätze von Nerven- zellen in diese Härchen hineingehen, konnte ich nieht entscheiden. Zwischen den Buckeln zerstreut liegen einzelne gefiederte und geschlossene Haare, zu deren Schaft die Ausläufer von Nerven- zellen zu verfolgen sind. Ausserdem bemerkt man schon mit 486 Albrecht Bethe: schwacher Vergrösserung kleine hellere Höfe in ziemlich ‘grosser Anzahl. . Es sind dies trichterförmige Einsenkungen im Chitin, in deren Mitte ein Bündel von feinen Haaren bemerkt wird. Auf Quersehnitten zeigen sich diese Endorgane, wie es die Fig. 12 auf Tafel XXIX zeigt. II. Physiologischer Theil. Litteratur;über OCarcinus Maenas. Die einzige Arbeit, in der Versuche am Centralnervensystem von Careinus erwähnt werden, stammt von Young (13). Da sie zu gleicher Zeit auch über Astacus und Homarus handelt und die sehr allgemein mitgetheilten Resultate nicht für die drei Arten speecifieirt sind, so ist nicht genau zu ersehen, welche An- gaben für Careinus zutreffen sollen: Alle Nerven sind gemischt, motorisch und sensibel. Das „Untersehlundganglion“ ist das Centrum für alle Mundtheile. Das Gehirn ist an allen Flächen „sensibel“ und ist das Centrum für alle Anhänge des Kopfes. Jede Gehirnhälfte übt einen Einfluss auf die correspondirende Hälfte des Körpers aus. Kreuzungen im Verlauf der Nervenfasern existiren nicht. Einseitige Abtragung des Gehirns ruft Manege- bewegungen nach der gesunden Seite hervor, welche auf Gleich- gewichtsstörungen beruhen. Nach Abtragung des ganzen Gehirns treten noch Bewegungen auf, welche spontanen Charakter haben aber niemals coordinirt sind. Das Gehirn ist der Sitz des Willens und der Coordination der Bewegungen. Einleitende Betrachtungen und Nomenklatur. Ehe ich auf die Beschreibung der Versuche eingehe, muss ich einige Worte über die im folgenden gebrauchten Ausdrücke und in Verbindung damit über die Frage der Empfindung und des Bewusstseins vorausschicken. Unter Empfinden verstehen wir das zum Bewusstsein ge- langen eines äusseren Reizes. Für uns ist es hier gleichgültig, ob wir uns darunter das Produkt eines materiellen Vorganges oder eine Begleiterscheinung eines solchen vorstellen wollen. Ob nun ein äusserer Reiz, der einem Wesen applieirt wird, zum Be- wusstsein gelangt ist, können wir nicht econstatiren; das was wir sehen können, ist nur eine eventuelle Reaction, die das Wesen ee Das Nervensystem von Careinus Maenas. 487 auf den Reiz ausübt. Eine erfolgende Reaction hat nun vielen Forschern genügend erschienen, um auf eine stattgehabte Empfin- dung zu schliessen. Die Amöbe reagirt mit Bewegungen auf Licht, Berührung und chemische Stoffe, also sie sieht, fühlt und schmeckt — so wird gefolgert. Bei dieser Art der Argumen- tation ist nun aber kein Punkt zu sehen, an dem wir mit, der Annahme der Empfindung und des Bewusstseins Halt machen sollen, ja wir sind danach gezwungen, dem Sonnenrädehen Lieht- empfindung zuzuschreiben. Thatsächlieh ist von den verschiede- nen Forschern der Anfang der Empfindung in der.Reihe der Organismen an die verschiedensten Stellen gesetzt worden. Auf diesem Wege gab es nur ein Ziel, die Annahme, dass jedem Atom, jedem Molekül Empfindung, Bewusstsein, Wille zukäme und diese Consequenz ist in der That von Häckel (14) gezogen worden. Dass Häckel hierbei mit den Worten „Empfinden, Wille und Bewusstsein‘ entgegen jedem Sprachgebrauch und den Formu- lirungen der Philosophie in der willkürlichsten. Weise umgeht, liegt auf der Hand. Mit Recht wirft ihm Du Bois-Rey- mond (15) die Verwechslung der Begriffe Wille und Kraft vor. „Er sündigt wider eine der ersten Regeln des Philosophirens: „„Entia non sunt ereanda sine necessitate,““ denn wozu Bewusst- sein, wo Mechanik reicht? Und wenn Atome empfinden, wozu noch Sinnesorgane?* (Seite 74.) Bei derartigen Hypothesen hat die exakte Wissenschaft aufgehört, die Phantasie längst begonnen. Alle andern Forscher haben die Annahme einer Seelen- thätigkeit auf die Lebewelt und hier wieder meist auf das Thierreich beschränkt. Es hat aber auch nieht an solchen gefehlt, die den Pflanzen wie das Volksmärchen und die Mythologie Empfindung und damit Bewusstsein zuschreiben. So hat vor Kurzem der Botaniker Noll (16) in einem Vortrag das Empfindungsleben der Pfianzen behandelt, Bei all den angeblich constatirten Empfin- dungen, die er anführt, handelt es sich aber nur um Bewegungs- reaktionen auf äussere Reize. Wie oberflächlich es ist, daraus auf Empfindung zu schliessen, liegt auf der Hand. Wundt (17) und auch andere Forscher setzen die Anfänge des Bewusstseins, der Empfindung und des Willens in die Proto-. zoen. „Das objeetive Merkmal äusserer Willenshandlungen“, sagt Wundt, „welches namentlich bei längerer Beobachtung kaum | 488 Albrecht Bethe: täuschen kann, ist nun die Beziehung der Bewegung zu den all- verbreiteten thierischen Trieben, dem Nahrungs- und Geschlechts- trieb.“ „Die unter solchen Umständen sichergestellten Triebbe- wegungen, namentlich das Streben nach Nahrung, beweisen da- her in der unzweideutigsten Weise die Existenz eines empfindenden Bewusstseins.“ Ob dieses „Merkmal“ nun wirklich „objeetiv“ ist, scheint mir mehr wie zweifelhaft. Ist es denn undenkbar, alle Handlungen einer Amöbe mechanisch zu erklären? Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man eine Maschine construirte, welche selber das zu ihrer Unterhaltung nöthige Brennmaterial und Wasser aufsuchte und zu sich nähme, und dies nur dann, wenn es nöthig ist. Hat diese Maschine Bewusstsein, handelt sie mit Willen, empfindet sie Durst, wenn das Wasser zu Ende geht? Auch Nagel (18) schreibt der Amöbe bereits Empfin- dungen zu. Eimer (19) hält es für möglich, dass bei den Protozoen noch alle Lebenserseheinungen refleetorisch d. h. rein mechanisch ablaufen, setzt aber den Anfang von Empfindung und Bewusst- sein, ja die höchsten geistigen Eigenschaften an eine sehr tiefe Stelle der Thierreihe. Schon Polypen (S. 364) zeigen Willensthätig- keit und Bienen und Ameisen leisten an Bereehnung und Tugen- den Nacheiferung würdiges. Aehnlich sind die Ansichten von Romanes, Büchner und der Mehrzahl der Bienen- und Ameisen- forscher. Nur wenige sind mit dem Schliessen auf höhere geistige Eigenschaften sehr vorsichtig, so Forel, Emery, Lubbock, Wasmann. Wieder andere Forscher lassen erst das Be- wusstsein und die Empfindungen in der Wirbelthierreihe auf- treten. | Allen diesen gegenüber steht eine Gruppe von Gelehrten, welche erklären, dass die Frage nach Bewusstsein, Wille und Empfindung der Thiere garnicht dem Gebiet der exaeten Wissen- schaft angehöre, dass alle Forschung hier müssig sei, da wir nichts darüber wissen können, indem sie von der unzweifel- haft richtigen Thatsache ausgehen, dass unser eignes Empfinden, Wollen und Denken für uns das einzig Reale ist und wir schon zu wissen aufhören und zu glauben anfangen, wenn wir unserm Mitmenschen auch Empfindungen zuschreiben. Am ausgeprägtesten hat diesen Standpunkt in neuerer Zeit v. VUexküll (20) vertreten (Seite 549): „Nieht allein eine oder Das Nervensystem von Careinus Maenas. 489, die andere Empfindung, sondern auch die Existenz einer Psyche überhaupt ist weder bei den Thieren noch bei meinen Mitmen- schen für mich beweisbar, weil ihre Seele mir nieht unmittelbar zugänglich ist, und ihre Ausdrucksmittel rein reflectorisch in Thätigkeit gesetzt sein könnten.“ Er giebt zu, dass hinter einem Theil der Bewegungserschei- nungen der Thiere psychische Vorgänge verborgen sind, hält aber dafür, dass sie nicht in das Gebiet der exacten Wissenschaft ge- hören und stellt die Forderung auf, von der Annahme einer Thier- seele als unbeweisbar in der vergleichenden Sinnesphysiologie ab- zusehen. Ich erkenne diesen Standpunkt an, glaube aber nicht, dass er für den Naturforscher der richtige ist. Wir dürfen uns nieht auf den Standpunkt des Philosophen stellen und jede Sache mit der Erkenntnisstheorie beginnen. Die Frage nach den ersten Anfängen und der Entwicklung der Psyche ist nach meiner Mei- nung ebenso berechtigt, wie die nach der Phylogenese des Wirbel- thierskelets. Wir sind so vielfach auf Analogieschlüsse angewiesen, und ich glaube, dass sie auch auf diesem Gebiet, wenn sie mit der gehörigen Vorsicht angewandt werden, zu guten Resultaten führen können. Wenn ich einen Menschen eine Handlung vor- nehmen sehe, welehe ich mir von mir selbst ausgeführt nur auf Grund von Ueberlegung, Erinnerung und bewussten Empfindungen vorstellen kann, so nehme ich als Naturforscher an, dass alles dies auch bei der Handlung des anderen Menschen voraufgegangen sein muss, wenn ich auch nicht anzunehmen brauche, dass diese psychischen Funetionen ganz dieselben Qualitäten gehabt haben, die sie bei mir gehabt hätten. Betrachtete ich die Sache vom philosophischen Standpunkte, so würde ich sie ganz anders an- sehen. Ebenso beim Thier: Sehe ich einen Hund eine eomplieirte Handlung vornehmen, welche ich mir von mir selbst ausgeführt nicht ohne bestimmte Ueberlegung vorstellen kann, so folgere ich, dass auch bei diesem Hunde eine Ueberlegung stattgefunden hat, und da ich von mir selbst weiss, dass diese bestimmte Ueber- legung nur möglich ist auf Grund vorausgegangener Erfahrungen und diese nur durch Empfindungen vermittelt werden können, so schliesse ieh, dass auch der Hund durch Empfindungen zu Erfah- rungen gelangt ist, dass er also empfindungsfähig ist, d. h. dass irgend welche äusseren Reize bei ihm zum Bewusstsein gelangen ‚490 Albrecht Bethe: können. Ich würde aber nicht aus irgend einer einfachen Reaction, die ich mir mechanisch erklären kann, auf Empfindung schliessen, wenn ihr eine solehe auch wirklich zu Grunde liegen mag, und sehe als nothwendig zum Schluss auf Empfindung eine compli- eirtere Handlung an, die ich mir ohne Empfindung nicht erklären kann. Wenn ich z. B. einen Hund mit einer Zange kneife und er quikt und davon läuft, so würde ich nicht genöthigt sein, das als Zeichen von stattgehabter Empfindung aufzufassen. Wenn er aber das nächste Mal, wo ich wieder dieselbe Zange zur Hand nehme, schon vorher davon läuft, so scheint mir das ein genü- sender Beweis zu sein, dass er den Kniff gefühlt hat, denn sonst könnte er sich — von mir auf den Hund geschlossen —- nicht des Instrumentes erinnern. Ich folgere also nicht nur, dass er gefühlt und das behalten hat, sondern auch, dass er die Zange gesehen und ein Gedächtnissbild von ihr davon getragen hat. Wenn man unter Anlegung dieses Maassstabes die Thier- reihe untersucht, erhält man zwei Gruppen von Thieren bei: den Vertretern der einen Reihe kann man psychische Functionen nach- weisen, bei denen der andern nicht. Damit ist nun nicht gesagt, dass allen Arten, die-zu der letzten Gruppe zu zählen sind, Be- wusstsein, Gedächtniss und Empfindung abgeht, es ist vielmehr wahrscheinlich, dass auch unter diesen sich solche vorfinden, die diese Eigenschaften besitzen und bei denen spätere Unter- suehungen Thatsachen entdecken, die sie in die erste Gruppe hinüberweisen. So lange sich aber ein Weg zeigt, die Lebens- erscheinungen eines Thieres ohne Zuhülfenahme von psychischen Eigenschaften rein refleetorisch zu erklären, soll man nach meiner Meinung auch davon absehen, ihnen diese Eigenschaften zuzu- schreiben. In der That ist es möglich, noch eomplieirte Ersehei- nungen als reine Reflexvorgänge zu deuten, Erscheinungen, bei denen die Anthropomorphisten es über jedem Zweifel erhaben finden, dass Bewusstseinsvorgänge zu Grunde liegen. So werde ich in: einer anderen Mittheilung durch Experimente an Bienen und Ameisen zeigen, dass fast alle ihre so complieirt er- scheinenden Thätigkeiten einer einfachen Erklärung zugäng- lich sind. Dass die einfachsten Stufen der Empfindung bereits ein noth- wendiges Attribut der niedrigsten Lebewesen sind, erscheint un- wahrscheinlich. Es wäre dies eine Annahme, für die keine Das Nervensystem von Carcinus Maenas. 491 zwingenden Gründe beizubringen sind, sie wäre also unwissen- schaftlich. Vom Standpunkt. der Entwicklungslehre müssen wir sagen : Die Natur schafft nichts Zweckloses. Sie wird also keinem Wesen Empfindung gegeben haben, das sie nieht verwerthen kann, das sie nicht im Kampf um’s Dasein nöthig hat. Einen Werth kann die Empfindung nur dann für ein Wesen haben, wenn auch Erinnerung, Combinationsvermögen und die Fähigkeit, nach dem Resultat dieser Combination zu handeln, zu- gleich vorhanden sind. Diese psychischen Eigenschaften setzen das Wesen in den Stand, sich den jeweiligen Verhältnissen bis zu einem gewissen Grade anzupassen, je nach Lage der Dinge auf Grund der früheren Erfahrungen bald so, bald so zu handeln; sie geben ihm im Kampf um’s Dasein einen Vortheil gegenüber den Wesen, welche diese Eigenschaften nicht besitzen. Für ein Individuum, das vom ersten Tage seines Lebens bis zu seinem Tode auf denselben äusseren Reiz immer in derselben Weise reagiren muss, ist die feinste Empfindung unnütz. Da nun alle Organismen nicht so gut wie möglich, sondern so schlecht wie möglich angepasst sind, grade nur so, dass sie den Kampf um’s Dasein noch bestehen können, so wird ihnen auch die Natur nicht diese unnütze Complication der Empfindung gegeben haben. Aus dieser Betrachtung geht hervor, dass eben die An- passungsfähigkeit des einzelnen Individuums an die äusseren Verhältnisse, die Möglichkeit des Lernens der einzige Prüfstein ist, um auf psychische Thätigkeiten zu schliessen. Thiere, denen bereits der ganze Lebenslauf im Ei prädisponirt ist, von denen jedes Exemplar so handelt wie das andere, die alle ihre Thätig- keiten bereits in Vollkommenheit ausführen können, ohne sie erst lernen zu müssen, besitzen keine psychischen Qualitäten. Wenn die Rosengallwespe nach dem Ausschlüpfen aus der Puppe ihre Flügel ausbreitet, sich begatten lässt und auf einen Rosenstock zufliegt, an bestimmter Stelle in einen Stengel sticht und hier ihre Eier ablegt, so kann diese ganze complieirte Thätig- keit nieht auf psychischer Grundlage basiren. Zwar ist von Eimer (19) der Ansicht Ausdruck gegeben worden, dass Thiere, .die in dieser oder ähnlicher Weise ohne Erziehung complieirte Handlungen ausführen, dies nicht rein mechanisch thäten, sondern Gedächtnissbilder (in diesem Falle vom Männchen, vom Rosen- stock und seinen Theilen u. s. w.) von ihren Eltern ererbt hätten, 492 Albrecht Bethe: aber dies kann doch nicht gut als annehmbare Hypothese erscheinen. Welch complieirte Vererbungsprocesse würde das voraussetzen ! Da wir nun bei einigen Thieren psychische Processe nach- weisen können, bei anderen nicht, so erschien es mir nothwendig, um Missverständnissen vorzubeugen, indifferente Ausdrücke zu besitzen, Ausdrücke, welche nicht wie alle diejenigen, die uns unsere Sprache bietet, bereits den Bewusstseinsprocess in sich schliessen. Alle die Ausdrücke wie „sehen“, „fühlen“, schmecken“, „riechen“ u. s. w. schliessen bereits in sich, dass der äussere Reiz zum Bewusstsein gelangt. Es mussten Worte gewählt werden, in denen dies nicht liegt. Das Wort „pereipiren“ ist anfangs vielfach ohne jede Nebenbedeutung einfach dafür gebraucht wor- den, dass ein Reiz in's Centralorgan aufgenommen worden ist, von wo aus er dann zu motorischen Bahnen übergeleitet eine Re- action auslöst. Diese einfache Bedeutung ist aber fast ganz verloren gegangen, und jetzt wird es gleichbedeutend mit „aper- eipiren“ gebraucht, womit man andeutete, dass der Reiz nicht nur zum Centralorgan fortgeleitet, sondern auch über die Schwelle des Bewusstseins getreten ist. Das Wort „pereipiren‘“ war also nicht zu gebrauchen. Ich wählte daher ein anderes Compositum von „capere‘“ nämlich ‚recipere“, das in gleicher Weise die Be- deutung „aufnehmen“ hat. Hiervon bilde ich das Hauptwort „Reeipient“ für die Stelle, an der die Reizaufnahme stattfindet, was man sonst als „Sinnesorgan‘“ bezeichnet hat, ein Wort, das aber ebensowenig wie „sensibel“ und „sensibler Nerv“ in unzwei- deutiger Weise angewandt werden kann, da „Sinn“ und „sen- sibel‘“ bereits etwas über Bewusstseinsvorgänge aussagen. An Stelle von Sinnesorgan setze ich also das indifferentere Wort „Re- eipient‘ oder „Receptionsorgan“ und an Stelle der Worte ‚sensibler Nerv“ „sensible Wurzel“ „sensible Leitung“ dieWorte. „receptori- scher Nerv“ u.s.w. Um dem Bewegungseffect, welcher nach Reizung auftritt, Ausdruck zu geben, gebrauche ich wie üblich das Wort „Reflex“ und als Verb „refleetiren“. Diese Worte setze ich in folgender Weise zusammen: „Pho- torecipient*“ — „Auge“ (dieses übrigens auch ein indifferentes Wort). „Photorecipieren* = „sehen“ (aber ohne dass damit noth- wendig ein Bewusstseinsvorgang einhergehen muss. Das gleiche 4 L , E ı £ £ 2 . j 7 a WET re Zu. 228 Das Nervensystem von Careinus Maenas. 493 gilt für die folgenden). „Photoreflex“ eine Bewegungserscheinung, die auf photischen Reiz auftritt. Dazu „Photoreflectiren.* „Chemoreeipiren“ = „riechen und schmecken“. Dazu „Che- morecipient“, „Chemoreflex“, „Chemoreflectiren“. „ Tangorecipiren“ oder „Mechanoreeipiren“ = fühlen. „Tango- recipient“, „Tangoreflex“. Diese Ausdrücke sagen nichts über einen begleitenden Bewusstseinsvorgang, schliessen ihn aber nicht aus. Ich empfehle sie zum Gebrauch — vielleicht findet ein anderer passendere — mir schien aber etwas der Art Bedürfniss zu sein. Das Wort „spontan“ habe ich mehrfach angewandt, trotz der Einwendungen, die von Biekel(21) in neuster Zeit gegen den Gebrauch dieses Ausdrucks gemacht sind. Es soll weiter nichts sagen, als dass man den auslösenden Reiz einer Bewegung nicht kennt; in diesem Sinne ist es seit langem in der Physio- -logie angewandt worden, und ich sehe keinen Grund, es aus dem wissensehaftlichen Wortschatz zu streichen. Physiologische Versuche an Careinus Maenas. Das normale Thier. Da ich die Erscheinungen, die ein normaler Careinus bietet, nicht als bekannt voraussetzen kann, und die überhaupt in der Litteratur vorhandenen Notizen ungenügend und schwer zugäng- lich sind, muss ich das, was ich am normalen Thier beobachten konnte, hier mittheilen. 1. Kopfreflexe. Von beweglichen Organen sind am Kopf drei Paare vorhanden, die Augen, die ersten Antennen und diezweiten Antennen. Die facettirten Augen, welche auf Stielen stehen, sind im mittleren Hintergrunde der Augenhöhlen fixirt. Sie stehen in Ruhe- lage schräg nach der Seite und nach oben und können lateral- wärts, medialwärts, dorsalwärts und ventralwärts bewegt werden. Meist treten Combinationsformen dieser Bewegungen auf. Wenn sie ganz lateralwärts bewegt sind, liegen sie in den Augengruben (die Augen sind eingeklappt). — Die ersten Antennen, deren Basalglied die Otoceyste enthält, sind in Ruhestellung mit dem zweiten Gliede nach vorn und etwas seitlich gerichtet; das dritte Glied mit den behaarten Endgliedern steht senkrecht dazu. Sie werden selten stillgehalten, vollführen vielmehr fast dauernd Bewe- gungen (Spielen der Antennen), indem sie bald abwechselnd, bald 494 Albrecht Bethe:; gleichzeitig nach vorne schlagen, dann wieder die eine mehrere Schläge (2—4) ausführt und die gekreuzte nach kurzer Pause einen stärkeren Zwischenschlag ausführt, worauf wieder die erste ihre Schläge beginnt. Die distalen Glieder können in eine Grube des Basalgliedes eingeklappt werden. An der Luft bleiben sie immer eingezogen. Die zweiten Antennen sind in Ruhelage schräg nach vorne gerichtet. Sie vollführen seltener spontane Bewegungen. a) Kopfreflexe auf Reiz des Verbreitungsgebietes des Nerv tegumentaire. Am Kopftheil lässt sich ein Gebiet der Chitinbekleidung feststellen, von dem aus characteristische Reaetionen der Kopf- organe ausgelöst werden können. Es dehnt sich zwischen den 3. Zähnen des Vorderrandes aus und erstreckt sich auf .der Ober- seite bis zu den halbmondförmigen Einsenkungen, auf der Unter- seite bis zum Munde nach hinten. (Die Verbreitung auf der Oberseite ist auf Fig. 9 Tafel XXV durch eine punctirte Linie angedeutet). Während an anderen Stellen der äusseren Körper- bedeckung ein ziemlich erheblicher Reiz nöthwendig ist, um Reflexe der Kopforgane auszulösen, genügt hier eine leise Be- rührung. Durch die anatomische Untersuchung erweist sich dieser Theil der äusseren Bedeekung als das Ausbreitungsgebiet des Tegumentarius (Taf. XXV Fig. 1). Berührt man einen Punkt dieses Gebietes auf einer Seite mit einer Borste, so tritt Einziehung der ersten Antenne und des Auges dieser Seite ein und zwar um so leichter, je mehr man den Reizort im die Nähe dieser Organe legt. (Am leichtesten werden diese Reflexe bei Reizung der Augengrube ausgelöst.) Bei etwas stärkerem Berühren werden beide erste Antennen, das Auge und die zweite Antenne derselben Seite eingeklappt. Bei noch etwas verstärktem Reiz (Berühren mit einer Nadel) werden beide erste Antennen, beide Augen und die zweite Antenne derselben Seite eingeklappt. Um auch die gekreuzte zweite Antenne zum Einziehen zu bringen, bedarf es ziemlich starker mechanischer Reize, bei denen Erschütterung nicht auszuschliessen ist. In der Mittellinie befindet sich zwischen dem Ausbreitungsgebiet des linken und rechten Tegumentarius eine etwa einen mm breite Zone, bei deren schwacher Reizung schon der Reflex der Kopf- organe auf beiden Seiten eintritt. Das Nervensystem von Careinus Maenas. 495 b) Auf Reiz des Auges und Augenstieles. a) Mechanisch. Um diese Reflexe zu prüfen, muss das Zustandekommen von Photoreflexen ausgeschlossen werden. Dem Versuchsthier werden desshalb die Corneae mit Asphaltlack, der in Chloroform gelöst ist, überzogen. Bei Berüähung eines Auges werden immer beide erste Antennen und das betroffene Auge eingezogen. Stärkerer Reiz bewirkt daneben Einziehung der zweiten Antenne und seltener des sekreuzten Auges, niemals der gekreuzten zweiten Antennen. Nach mehrmals wiederholtem Reiz fährt die zweite Antenne einigemale über das gereizte Auge hin. ß) Photisch. Um auch die ersten Antennen beobachten zu können, müssen die Versuche im Wasser angestellt werden. Da mechanische Reizung (Bewegung des Wassers) ausgeschlossen werden muss, verfahre ich in der Weise, dass ich entweder mit einem Spiegel Lieht auf die Augen des im Dämmerlicht sitzenden Thieres werfe oder in der Luft in einer Entfernung von 10—20 em über dem Wasserspiegel dunkle Gegenstände von Handflächengrösse bewege. Wirft man mit emem kleinen Spiegel plötzlich Licht auf die Augen, so werden die ersten Antennen immer eingezogen und meist die Augen schnell eingeklappt und wieder vorgestreckt, manch- mal mehreremal schnell hintereinander, wie ein Mensch, der bei plötzlicher heller Beleuchtung mit den Augen zwinkert. Bewegt man einen dunklen Gegenstand über das Wasser hin, so tritt selten eine Einziehung der Augen ein, immer aber Einziehung der ersten Antennen. Nähert man den Gegenstand von der Seite her, so dass die Zustandsänderung hauptsächlich nur das eine Auge betrifft, so wird meist nur die erste Antenne dieser Seite ein- gezogen. Bei grossen Gegenständen kann die Bewegung ziem- lich langsam sein, um noch eine Reaction auszulösen. Je kleiner der Gegenstand, desto schneller muss er bewegt werden. Bei langsamer Bewegung des Gegenstandes und geringem Unterschied in der Sehattirung gegen die Umgebung tritt keine Reaction ein. Die zweiten Antennen können photisch nicht zu Reactionen veran- lasst werden. 496 Albrecht Beth e: c) Auf Reiz der ersten Antennen. Die ersten Antennen sind die am leichtesten reagirenden Organe des ganzen Thieres. Nähert man ihnen vorsichtig eine Borste, so kann man es allerdings dazu bringen, dass sie erst dlann reagiren, wenn die Borste eine Antenne berührt. Sie werden dann immer beide blitzschnell eingezogen, kommen aber gleich wieder vor. Gewöhnlich werden sie aber schon zurückgezogen, ehe sie über- haupt berührt werden, allein durch die schwache Bewegung des Wassers gereizt, welche die Annäherung des Gegenstandes erzeugt. Sie werden dann gleich wieder ausgestreckt, fahren ein zweites- mal beim Berühren in ihr Versteck zurück und machen dann einige Schläge auf den Gegenstand zu, als „wollten sie ihn prüfen.“ Hin und wieder hat es mir geschienen, als ob auch die Augen ihre Stellung veränderten und etwas gegen den berührten Gegen- stand hin gerichtet würden. Berührt man eine der ersten Antennen etwas derber, so wird auch das Auge derselben Seite, bei stärkerem Reiz auch. das gekreuzte Auge eingezogen. Die ersten Antennen bleiben nach einem derartigen Reiz meist längere Zeit einge- klappt. d) Auf Reiz der zweiten Antenne. Bei leiser Berührung einer zweiten Antenne werden die ersten Antennen immer eingezogen, die gekreuzte etwas später als die derselben Seite. Eine Reaction der zweiten Antenne selbst und der Augen tritt dabei noch nieht ein. Bei stärkerer Berührung wird auch die gereizte Antenne selbst und das gleichseitige Auge eingeklappt. Die Thiere zeigen sich hierin aber sehr verschie- den. Bei manchen Exemplaren findet eine Zurückziehung der Antenne erst statt, wenn sie gekniffen wird. Sie bleibt ‚nie lange eingeklappt, sondern wird gewöhnlich gleich wieder ausgestreckt, aber immer langsamer als die Einziehung erfolgte. Bei starkem Kneifen einer Antenne wird auch das gekreuzte Auge eingezogen (immer deutlich ‚später als das gleichseitige). ‘Eine Reaction der gekreuzten zweiten Antenne habe ich nie bemerkt. e) Auf Reiz des Thorax und seiner Anhänge. Eine Einziehung der ersten Antenne kann durch Reiz, des Thorax leicht hervorgerufen werden. Auch die Augen können dureh starkes Kneifen einer Extremität zur Einziehung gebracht werden, doch mag dies auf der unvermeidlichen Erschütterung beruhen. _ Das Nervensystem von Careinus Maenas. 497 2. Die complieirteren Augenbewegungen. a) Die Compensationsbewegungen. Die Augen von Careinus und aller auf diesen Punkt untersuchten Decapoden machen Compensationsbewegungen, wenn man den Körper gegen die Ebene des Horizonts verlagert. Diese Erscheinung und ihre Beziehungen zur Otoeyste sind bereits von Clark (22) beobachtet und beschrieben worden. (Die zweite der Arbeiten Clark’s erschien, nachdem ich dasselbe Phä- nomen unabhängig von seiner ersten vorläufigen Mittheilung ge- funden hatte.) Sie wurden von ihm gesehen bei Gelasimus pugi- lator, Platyonichus ocellatus und einigen anderen. Ich beobachtete sie ausser bei Careinus bei Hommarus, Astacus, Polybius Hens- lowii, Portunus depurator, Maja und Palaemon (bei letzterem sind die Ausschläge sehr gering.) Bei der Ruhelage der Thiere, bei welcher die Queraxe des Thieres horizontal steht, die Längsaxe vorne gehoben etwa um 10°—20° von der Horizontalebene abweicht, stehen die Augen schräg nach vorne, um 40°—45° lateralwärts von der Longitudinal- axe abweichend (Taf. XXX Fig. 8), und schräg nach oben, dorsal- wärts um 10°—20° von der Longitudinalaxe abweichend (Taf.XXX Fig. 9). Dreht-man ein Thier 90° um seine Transversalaxe nach vorne, so dass der Kopf bei senkrechter Stellung der Längsaxe nach unten gerichtet ist, so nehmen die Augen die dorsalste Lage ein, die möglich ist; die Stiele berühren den dorsalen Rand der Orbita und weichen somit um 60°—70° von der Längsaxe dor- salwärts ab. (Taf. XXX Fig. 10.) Dreht man das Thier in umgekehrter Richtung also nach hinten um 180° (das Thier liegt dann horizontal auf dem Rücken), so drehen sich die Augen wieder der Drehrichtung entgegen und nehmen die ventralste Stellung ein, indem die Augenaxen 15—25° ventralwärts von der Längsaxe abweichen (Taf. XXX Fig. 11). Die Drehungsamplitude der Augenaxen beträgt also bei Drehung um die Transversalaxe 75—95°. Stellt man die Axe des Thieres in einem andern Winkel dieses Kreisbogens von 270° ein, so nehmen die Augen eine entsprechende Stellung ein, z. B. stehen die Augen, wenn der Kopf bei senkrechter Stellung der Längsaxe grade nach oben gerichtet ist, grade in der Richtung der Längs- axe. Für den vierten Quadranten der Rotation um die Trans- versalaxe sind keine entsprechenden Augenstellungen möglich, da Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 32 498 Albrecht Bethe: schon bei der Drehung um 90° nach vorne und der Drehung um 180° nach hinten die äussersten möglichen Stellungen erreicht werden. Dreht man das Thier in diesen Quadranten hinein, so be- wahren die Augen eine Zeit lang die anfängliche Stellung und schlagen dann an einem bestimmten Punkt zu der andern extrem- sten Stellung um. (Meist geschieht dies in zwei Rucken.) Dieser Umschlagspunkt liegt in verschiedenen Winkeln, je nach- dem man vorne herum oder hinten herum dreht, und zwar wird immer die beim Eintritt m den Quadranten eingenommene Axen- stellung so lange wie möglich bewahrt. Dreht man ein Thier um 90° um die Längsaxe nach links (vom Thier aus gerechnet), so dass also die Transversalaxe senk- recht steht und die rechte Seite unten, die linke Seite oben ist, so werden beide Augen so weit wie möglich nach oben gerichtet; das linke obere Auge steht beinahe senkrecht nach oben und berührt den lateralen Rand der Orbita, (es bildet in der Dorsalprojection einen Winkel von 70—75° mit der Längsaxe), das rechte untere liegt mit dem Stiel dem medialen Rande der Orbita an und bildet nach links hin einen Winkel von 5—10° mit der Längsaxe (Taf. XXX Fig. 12). Bei Drehung um 90° nach rechts tritt die entsprechende Augenstellung ein. Die Drehungsamplitude der Augenaxen be- trägt also bei Drehung des Körpers um die Longitudinalaxe 75—84°. Bei jedem Winkel zwischen 90° nach links und 90° nach rechts findet eine entsprechende Stellung der Augen statt. Auch bei Combinationen der Drehung um die Longitudinalaxe und die Transversalaxe treten entsprechende Augeneinstellungen ein. (Bei allen diesen Verlagerungen der Augenaxe findet eine Rotation des Auges um seine eigene Axe statt, auf die ich nicht weiter eingehen will. Einiges darüber ist aus den Figuren zu ersehen.) Die Drehung der Augen geschieht im selben Tempo wie die Drehung des Körpers. Auch wenn man das Thier ganz langsam mit Hülfe eines Uhrwerks dreht (um 90° in !/, Stunde), so ändern die Augen ganz langsam ihre Stellung. Bringt man sie in irgend einer Körperlage zur Einziehung, so nehmen sie, wenn sie wieder vorgestreckt werden, die vorherige Lage wieder ein. Es kommt somit jeder Stellung des Körpers im Raum (in a a a ee Das Nervensystem von Careinus Maenas. 499 bestimmten Grenzen, die vorher angedeutet) eine bestimmte feste Stellung der Augen zu. Die Augen bewahren möglichst ihre Stellung im Raum, während der Körper unter ihnen gedreht wird, sie verhalten sich negativ geotropisch. b) Die Bewegung der Augen bei passiver Rotation um die Verticalachse. Bindet man ein Thier horizontal auf eine Drehscheibe und lässt diese rotiren, so drehen sich die Augen sofort beim Anfang der Rotation in der entgegengesetzten Richtung, nehmen also bei Drehung der Scheibe nach rechts etwa die Stellung an, welche in Fig. 12 Taf. XXX dargestellt ist. Beim Berühren des medialen resp. lateralen Orbitarandes, durch welches Hinderniss eine Weiter- drehung der Augen verhindert wird, schlagen die Augen um einige Grade in der Richtung der Normalstellung zurück (also in der Drehriehtung) und drehen sich dann wieder etwas langsamer bis zur extremsten Stellung der Drehung entgegen, bis sie wieder anstossen. Auf diese Weise entsteht ein kleinschlägiger Compen- sationsnystagmus, der bei verschiedenen Thieren mehr oder minder ausgeprägt ist. Bei Aenderung der Drehungsrichtung drehen sich die Augen sofort nach dem anderen Orbitarand herüber und der Nystagmus erfolgt nun in umgekehrter Richtung. Es findet also bei passiver Rotation eine Drehung der Augen entgegen der Drehrichtung statt, verbunden mit Nystagmus in der Drehriehtung. G. O0. Clark (22) hat an Gelasimus Pugilator etwas ähnliches nicht nachweisen können. ec) Die Bewegungen der Augen beim Laufen. Careinus läuft wie die meisten Brachyuren fast nie vorwärts oder rückwärts sondern nach der Seite, rein nach rechts oder rein nach links. Bei der Ruhelage werden die Augen, wie oben er- wähnt, auf beiden Seiten symmetrisch gehalten. Bringt man ein Thier nun dazu nach rechts zu laufen, indem man es links be- rührt, so stellen sich beide Augen sofort nach rechts ein. Da- bei ist häufig zu beobachten, dass nach jedem Schritt die Augen etwas nach links (gegen die Normalstellung hin) sich zurück be- wegen und sich beim nächsten Schritt wieder nach rechts be- wegen, so dass sie hin- und herpendeln; hierbei ist aber, soweit ich das beobachten konnte, im Gegensatz zum Nystagmus bei passiver Rotation der Schlag nach rechts schneller, als der Rück- schlag nach links. Sowie man das Thier zum Gang nach links 500 | Albrecht Bethre: bewegt, so schnellen die Augen sofort nach links herüber. Es bewegen sich die Augen also bei aktiver seitlicher Verschiebung im Gegensatz zur seitlichen Verschiebung bei der passiven Ro- tation in der Bewegungsrichtung. Irgend eine Reaction der Thiere auf Töne und Geräusche, auch auf die stärksten konnte nicht constatirt werden. 3. Die Ruhelage. Bei Tage liegen die Careini, wenn nicht ein besonderer Reiz erfolgt, still auf einem Fleck. Sehr selten sieht man ein Thier ganz frei im Wasser liegen, gewöhnlich liegen sie mit dem Hinterrand des Thorax an einer Wand, einem Stein oder unter einem vorspringenden Stein verborgen, vor allem auch gern mit dem Hintertheil in einem Winkel; immer ist es jedenfalls ein Platz, der von hinten einigen Schutz gewährt und der sich dureh Dunkelheit vor andern der Umgebung auszeichnet. Durch helle Beleuchtung ihres Verstecks z. B. mit einem Spiegel kann man sie zum Verlassen desselben bringen. Es zeigt sich hieraus und aus anderem ein ausgesprochener negativer Phototropismus und ein positiver Kalyptrotropismus (von n xaAüntpa — die Decke, die Hülle und tperreıv = wenden. Ich glaube, dass diese im Thierreich so weit verbreitete Eigenschaft, sich zu verhüllen oder zu ver- steeken, einen eigenen Namen verdient). Thiere, denen die Augen geschwärzt sind, zeigen noch den Kalyptrotropismus unvermindert, aber nicht mehr den negativen Phototropismus. Man findet sie immer an der Wand oder in einem Winkel, aber ebenso in einem Winkel der aus Glasplatten gebildet ist, den photoreeipirende Thiere vermeiden, wie in einem dunklen Winkel. (Ich habe dasselbe auch bei Astacus bestätigt gefunden und glaube daher, dass die Angabe, der Augen beraubte Krebse suchten noch die Dunkelheit, auf dem unbeachtet geblie- benen Kalyptrotropismus beruht.) In der Ruhelage sind die Beine meist dieht an den Körper angezogen (selten gespreizt) und der Körper liegt dem Boden auf. Die einzige sichtbare Bewegung ist das Spielen der Antennen. 4. Gang. In der Untersuchung von List (23) über den Be- wegungsapparat der Decapoden finde ich keine Angaben über den Gang von Careinus, nur über den anderer Brachyuren. Er kommt bei diesen zu folgenden Resultaten: „1. Die häufigste Gangart ist die schräg nach der Seite.“ „2. Während des Ganges ist der 2.—5. Thoraxfuss in Thätig- Das Nervensystem von Carcinus Maenas. 501 keit und zwar so, dass auf einer Seite der 2.,5.,5. und 4. Fuss nacheinander wirken (2 und 5 kommen auch oft in demselben Zeitmoment zur Thätigkeit).“ „Do. Mit dem 2. und 5. Fuss der einen Seite sind der 3. und 4. der andern, und mit dem 3. und 4. der 2. und 5 zusammen thätig.“ „4. Nach ihrer Wirkungsweise sind die Thoraxfüsse einer Seite Zieher und die der anderen Seite Schieber (auch Demoor).“ In einigen Punkten stimmen diese Resultate auch für Careinus. Es kommt bei diesem Thier auch eine ähnliche Gangart vor, wie sie von List beschrieben wird, sie ist aber nicht die einzige, und er selbst giebt auch zu, dass die Reihenfolge der Bein- setzung nicht bei allen Brachyuren in dieser Weise erfolge, nicht einmal bei derselben Form. Weiterhin versucht er aus der Rich- tung, in welcher die Beine vom Körper abstehen an einer sche- matischen Zeichnung, die Wirkungsweise begreiflich zu machen, indem er die Parallelogramme der Kräfte construirt. Dies kann aber keinen Werth haben, da die Kräfte, mit denen die einzelnen Beine ziehen resp. schieben, gar nicht bekannt sind und die Gleichheit, die er annimmt, sicher falsch ist, ausserdem der Winkel, in dem ein Bein zum Körper steht, nicht auch der Winkel ist, in dem es wirkt. Der Gang von Careinus ist vorwiegend rein seitlich (nicht schräg nach der Seite), und dies ist bei dem gedrungenen Körper- bau, der nach der Seite weniger Widerstand leistende Flächen bietet als nach vorne, am zweekmässigsten. Er kann entweder spontan, also ohne sichtlichen äusseren Reiz (besonders Nachts) auftreten, oder durch mechanische, photische und chemische Reize ausgelöst werden. (Die chemischen Reize werden nachher S. 517 unter Nahrungsaufnahme besprochen werden.) Bei mechanischer und photischer Reizung tritt der Gang (Fluchtreflex) immer nach der dem Reizort entgegengesetzten Seite ein. Berührt man ein Thier auf der rechten Körperhälfte (und dabei kann man sich der Mittellinie sehr weit nähern), so flieht es nach links (Linksgang), bei Reizung links nach rechts (Rechtsgang). (Ueber die Complicationen dieses Reflexes siehe Seite 508.) Ebenso: Nähert man etwas schnell von rechts einen grösseren Gegenstand, oder macht man eine schnelle Bewegung mit der Hand von rechts auf das Thier zu, so läuft es nach 502 Albrecht Bethe: links, führt man während des Laufens einen Gegenstand von links heran, so ändert sich der Gang plötzlich in Rechtsgang um. (Ein Umdrehen des Thieres wird dabei nie beobachtet.) (Bei diesen Versuchen ist darauf zu achten, dass die Beleuchtung eine ungefähr gleichmässige ist, da die Thiere bei ungleicher Beleuch- tung vom Licht fortlaufen, und dadurch das Eintreten des Flucht- reflexes zwar nicht verhindert aber doch verwischt wird). Manch- mal erfolgen beim Uebergange von Linksgang zu Rechtsgang oder umgekehrt eimige Schritte nach vorne. Der Vorwärtsgang tritt überhaupt fast nur als Zwischenstufe zwischen dem Rechts- und Linksgang auf. Bei den vielen hunderten von Thieren die ich beobachtet habe, sah ich nur wenigemal Vorwärtsgang auf eine längere Streeke (etwa 20—30 cm). Verhältnissmässig häufiger kommt Gang schräg nach rechts oder links vorne vor. Einige Schwierigkeiten bereitete es, den Gangmodus heraus zu bekommen, da die Setzung der Beine meist recht schnell geschieht, etwa 1—8 Schritte in der Secunde. Ich wandte zu- nächst ein Verfahren an, das zur Feststellung der Schrittzahl pro Seeunde und für andre Zwecke sehr brauchbar ist, über den Rhythmus aber nur geringe Aufschlüsse gibt. Ich wickle um das Endglied jedes Schreitbeins einen ungewachsten Zwirnfaden und tauche dann jedes Endglied in eine andre Farbe, so dass das Thier, wenn es jetzt auf ein Blatt Papier gesetzt wird, seinen Gang selbst aufschreibt, und es möglich ist, nachher die Einsetz- punkte jedes Beines von denen der anderen zu unterscheiden. Ein ähnliches Verfahren ist, wie ich bei der Durchsicht der Litteratur bemerke, bereits von List (33) bei Astacus angewandt worden. Man ersieht aus diesen Gangtafeln, dass die vorangehen- den!) Beine mit der Spitze aufsetzen, beim Weitersetzen aber nieht vom Boden erhoben werden, sondern schleifen, während die fol- senden Beine mit der ganzen Aussenfläche des Endgliedes auf- treten und beim Weitersetzen vom Boden erhoben werden, dass schliesslich alle Schritte im Durchschnitt gleiehgross und gleich an Zahl sind. Um über das Zusammenarbeiten der einzelnen Beine in’s Klare zu kommen, muss man zur direeten Beobachtung 1) Mit „vorangehenden“ Beinen meine ich bei Linksgang die linken, bei Rechtsgang die rechten Beine, mit „folgenden“ Beinen die Beine der anderen Seite. N Das Nervensystem von Careinus Maenas. 505 greifen (oder zur photographischen Serienaufnahme). Es stellt sich heraus, dass von diesen Thieren vier Gangarten beim Gang nach der Seite ausgeübt werden: zwei Haupttypen, eine Abart und eine gemischte Form. Gangart I. Sie tritt immer auf, wenn die Thiere sich sehr schnell fortbewegen. Im allgemeinen hält man Careinus für ein träges Thier, man sieht ihn aber nach starker Reizung oft sehr schnell laufen und dann, wenn er im Wasser an hellen Tagen Palaemon jagt. Thatsächlieh ist er im Stande, diese sehr schnell schwimmenden Krebse zu erhaschen, indem er mit grosser Geschwindigkeit (ge- wiss 1 m in der Seeunde) hinter ihnen herläuft und sie im Sprunge erfasst. Bisweilen wird sie aber auch bei langsamerer Fortbewegung angewandt, so dass man sie gut beobachten kann. Die Beine eines Paares arbeiten dabei immer zusammen (Bildung von Ganggabeln), die vorangehenden Beine ziehend, die folgenden Beine schiebend, und zwar sind immer zwei Paare gleichzeitig thätig. Ich bezeichne die Beine der rechten Seite mit den römi- schen Zahlen I—IV, die der linken Seite mit den arabischen Zahlen 1—4. Es arbeiten zusammen I, III, 2und 4 und andrer- seits II, IV, 1 und 3. (Siehe Taf. XXX Fig. 1A. Die gleich- zeitig arbeitenden Beine sind mit gleichen Zeichen an den Enden der Beine bezeichnet.) Die Bewegung geschieht in zwei Takten. (Siehe Taf. XXX Fig. 2) (Die Bewegungen während beider Takte in 9 schematischen Zeichnungen bei Rechtsgang. Die Beine sind gleich lang, mit nur einem Gelenk in vertikaler Pro- jeetion gezeichnet. Die Beine, welche grade an der Fortschie- bung des Körpers betheiligt sind, sind ausgezeichnet, die, welche vom Boden aufgehoben sind oder sich zu einem neuen Schritt vorbe- reiten, gestrichelt gezeichnet). Am Anfang des ersten Taktes (Fig. 2,0) haben die Beine II, IV, 2und 4 eben ihren Schritt beendet, I, III, 1 u.3 sind eben so weit wie möglich nach rechts auf den Boden gesetzt. Während des Taktes strecken sich 1 und 3 und krümmen sich I und III (1, 2 und 3), während U, IV, 2 und 4 nach rechts zu neuem Einsatz vorgesetzt werden. Im zweiten Takt geschieht dasselbe nur mit den ‘andern Beinen. (Fig. 2: 4, 5, 6 und 7.) Während jedes Taktes wird der Körper etwas gehoben. Auf Taf. XXX Fig. 3 ist die Wirkung eines Beinpaares unter An- deutung dieser Hebung auf einem Querschnitt dargestellt. Wird 504 Alprecht Bethe: diese Gangart sehr schnell im Wasser ausgeführt (bei der Pa- laemonjagd), so findet nicht nur eine Hebung, sondern sogar ein Hochschleudern des Körpers statt, so dass sich das Thier in Sprüngen fortbewegt. Gangart Il. Diese Gangart ist sehr selten zu beobachten, (la sie meist in einer Modifieation (Gangart III) geübt wird. Die Beine eines Paares sind nicht gleichzeitig thätig, viel- mehr bildet ein Bein der vorangehenden Seite mit dem nächst- folgenden Bein der gekreuzten Seite eine Gauggabel. Es be- wegen sich nicht 2 Beine einer Seite gleichzeitig im selben Sinne, sondern alle 4 Beine treten hintereinander in Thätigkeit. Es folgen also die Bewegungen aufeinander: (Gang nach rechts) 1—I u. 2—U u. 3—Ill u. 4—IV u. s. w. (Taf. XXX Fig. 1B). Gangart Il. (Modification von Gangart III.) Ge- meinsam mit Gangart II ist, dass die Beine eines Paares nicht zusammenarbeiten. Das erste Bein der vorangehenden Seite, folgt dem letzten Bein dieser Seite so schnell, dass sie bei- nahe gleichzeitig gesetzt werden, ebenso das erste ‚Bein der folgenden Seite. In Folge dessen wird der Gang zweitaktig. Im ersten Takt (Taf. XXX Fig. 1 C und Fig. 4) arbeiten I, IV und 2 (I und IV ziehend, 2 schiebend Fig. 4, O); einen halben Takt nach ibrem Einsatz kommt Il und 3 hinzu (Fig. 4, !/,). Im zweiten Takt beenden II und 3 ihre Arbeit, während III, 1 und 4 hinzutreten. Dies ist die gewöhnlichste Form des Ganges bei langsamer und mittlerer Fortbewegung; beinahe so häufig ist: Gangart IV. (Gemischter Gang.) Die vorangehenden Beine bewegen sich nach Gangart I die folgenden nach Gang- art III. Die Bewegung läuft in zwei Takten ab (Taf. XXX Fig. 1 D und Fig.5). Im ersten Takt arbeiten I, III, 1 und 4. In der Mitte des Taktes tritt 2 hinzu; im zweiten Takt beendet 2 seine Thätigkeit und IH, IV und 3 treten in Aktion. Dass bei dieser Verschiedenartigkeit die Gangtafeln keine bindenden Aufschlüsse geben können, liegt klar auf der Hand. Kennt man den Modus des Ganges, so lässt er sich allerdings meist auf den Gangtafeln wiedererkennen. Oft ist dies allerdings gar nicht möglich, z. B. habe ich nie eine wirklich gute Gang- tafel von Gangart I bekommen, wenn ich auch direct bei der Aufzeichnung der Schritte durch das Thier beobachtete, dass es in Gangart I ging. Es müsste bei dieser Gangart I (1) und III (3) Das Nervensystem von Careinus Maenas. 505 übereinander liegen, ebenso übereinander und im Zwischenraum zwischen I (1) und III (3), II (2) und IV (4). - Bessere Gangtafeln erhält man von Gangart III und IV, Bei Gangart III muss der Einsatzpunkt von I (1) über IV (4) liegen und die Einsatzpunkte von II und III (bei Linksgang) dicht beieinander und näher an I als an IV und von 2 und 3 ebenfalls dicht beieinander und näher an 4 als an 1 stehen. Eine gute Fussschrift dieser Art ist in Fig. 4 Tafel XXV abgebildet. (Bei Rechtsgang II und III näher an IV, 2 und 3 näher an 1). Bei Gangart IV (Rechtsgang) muss I über III, IF über IV und 1 über 4, 2 und 3 zwischen 1 und 4 liegen. (Fig. 5 Tafl.:XXV). Da die vorangehenden Beine mit den Spitzen einsetzen, ihr End- glied sich aber am Schluss der Bewegung (Tafel XXX, Fig.3) umlegt, so gibt die Fussspur gewöhnlich mehrere Punkte (herrührend von der Umwickelung), von denen daher der von der Gangrichtung abgewandte (z.B. bei Rechtsgang der am meisten links gelegene) der Einsatzpunkt ist. Umgekehrt ist das Verhältniss bei den folgenden Beinen: Das Endglied setzt mit der Aussenseite auf und wird während des Schrittes aufgerichtet. Daher ist hier der der Gangrichtung zugewandte (also bei Rechtsgang der am meisten rechts gelegene) Punkt der Einsatz- punkt. Die Abbildungen sind der Einfachheit wegen statt mit 8 Farben mit 2 Farben wiedergegeben. Schwarz sind die Spuren der voran- gehenden, roth die der folgenden Beine gezeichnet. Im Uebrigen hal- ten sie sich genau an die Originale. Beide stammen vom selben Thier. Die Gangart I scheint nur den Brachyuren zuzukommen. Bei allen übrigen Arthropoden, welche ja alle fast nur vorwärts und rückwärts gehen können, werden immer die Beine eines Paares abwechselnd vorgesetzt, sie arbeiten nie im selben Sinne. Tritt nun bei Careinus Vorwärtsgang oder Rückwärtsgang ein, so treten niemals die Beine eines Paares wie bei Gangart I gleichzeitig in Thätigkeit. Genaueres konnte bei der Seltenheit dieses Ganges in normalem Zustande nicht eruirt werden, ich konnte nur soviel feststellen, dass die Beine eines Paares wie bei den Makruren abwechselnd nach vorne (resp. rückwärts setzen) und zwar gleichzeitig mit dem gekreuzten Bein des über- nächsten Paares, so dass sich I und 3 und 1 und III gleichzeitig bewegen. Wie sich die übrigen Beine einreihen, weiss ich nicht, nur dass sie wie diese abwechselnd in Aktion treten. Wahr- scheinlich werden sie aber in derselben Weise auf einander folgen, wie es List (33) für Astacus beschrieben hat. Fig. 7, 506 Albrecht Bethe: Tafel XXX zeigt eine Fussschrift vom Vorwärtsgang, die ich zufällig erhielt. Zum Zustandekommen der Gangbewegungen ist die Be- rührung der Beine mit dem Boden nicht nothwendig. Hängt man nämlich ein Thier an einem Faden auf, so fängt es an mit den Beinen zu strampeln. Oefter lässt sich in diesen Bewegun- gen ein bestimmter Rhythmus mit Sicherheit nicht erkennen, an- dere Male erkennt man aber deutlich dieselbe Reihenfolge und Gleichzeitigkeit der Bewegungen der Beine, wie sie bei Gangart I und III zu beobachten sind; es kann dabei sogar zur voll- kommenen Bildung von Ganggabeln kommen. Die Bewegungen können nicht in jeder beliebigen Form von Statten gehen, sondern es werden auch unter anormalen Verhältnissen die Be- wegungen nach einem festen, im Centralorgan vorgebildeten Plan ausgeführt. (Dies Verhalten ist identisch mit dem eines Kanin- chens, das man an den Ohren hochhebt und das nun mit den Hinter- und Vorderbeinen nach dem Rythmus des Kaninchengalopps strampelt, oder eines Kindes, das sich im Zorn auf den Boden geworfen hat und nun die Beine abwechselnd anzieht und streckt wie beim Laufen.) Der vorhin erwähnte Reflex, dass ein Thier immer bei Reizung nach der Seite flieht, welche der Reizseite gegenüber- liegt, ist überaus fest im Centralorgan vorgebildet. Amputirt man einem Thier auf einer Seite (sagen wir der rechten Seite) alle Beine und die Scheere, so ist der Gang nach dieser Seite hin ausserordentlich erschwert, während der Gang nach der ge- sunden Seite, indem die hier befindlichen Beine ziehen, noch ganz gut geht. Sich selbst überlassen geht das Thier auch immer nach links. Berührt man es aber auf der linken Seite, so ar- beitet es mit den Beinen stemmend nach der rechten Seite hin. Auf dem Trocknen ist dabei eine Fortbewegung nach dieser Seite kaum möglich; das Thier arbeitet mächtig mit den Beinen, vermag aber nicht den Körper vorwärts zu schieben. Im Wasser geht es wegen des verringerten Gewichtes leichter. Auch auf photische Reize, wenn man z. B. die Hand wie- derholt von links her gegen das Thier bewegt, tritt anhaltend der Versuch nach rechts zu fliehen ein, trotzdem kein Hinderniss im Wege ist nach links zu fliehen, was viel besser geht. Da die linken Beine nicht ganz nach rechts arbeiten, sondern etwas Das Nervensystem von Careinus Maenas. 507 schräg nach vorne, so dreht sich das Thier um 180° herum, während man mit den Bewegungen von links her fortfährt und flieht dann natürlich mit den Beinen ziehend. Careinus reagirt gut auf der Drehscheibe. Nach Kreidl (24) sollen dies Brachyuren allerdings nicht thun. Ich glaube aber, dass hier Kreidl ein zoologischer Irrthum untergelaufen ist. Er sagt an einer Stelle: „Ich habe nebst Palaemon noch andere Krebsarten, wie Pagurus, Crangon ete. rotirt*, und an anderer Stelle mit Bezug darauf: „einige andere Krebse (Brachyuren) zeigten, wie gesagt, keine Reaction gegen die Drehung.“ Es ist aber weder Pagurus noch Crangon ein Brachyure; und ete. ? Setzt man ein Thier in eine runde Schüssel voll Wasser und lässt sierotiren, so läuft das Thier ganzan der Peripherie der Drehungsrich- tung entgegen und, wenn die Drehung nicht allzu schnell ist, bewahrt es dabei seine Lage im Raum. Wechselt man die Drehrichtung, so wechselt das Thier nur den Gang um (z. B. von vorherigem Links- gang zu Rechtsgang, also ohne umzudrehen) und läuft wieder der Drehrichtung entgegen. Lässt man längere Zeit mit gleicher Geschwindigkeit rotiren, so hört das Thier allmälich auf, ent- gegen der Drehrichtung zu laufen, bleibt schliesslich stehen, be- sinnt dann wieder zu laufen, aber bald gegen die Dreh- richtung, bald mit der Drehrichtung. Hält man, wenn das Thier still sitzt, plötzlich die Schale an, so tängt das Thier wieder an zu laufen und zwar immer entgegen der vorherigen Drehrichtung, oder läuft das Thier noch, so wird beim plötzlichen Anhalten der Schüssel die Bewegung des Thieres entgegen der Drehrichtung besehleunigt und dauert fort, bis das Wasser zu rotiren aufhört. — Lässt man das Thier nun in einer Schüssel rotiren, welche kein Wasser enthält, so erfolgt zwar auch immer das Laufen des Thieres entgegen der Drehrichtung, aber lange nicht so schnell, wie beim Rotiren in Wasser; schon bei einer verhältnissmässig langsamen Rotation bewahrt das Thier nicht seine Lage im Raum. Hält man plötz- lich die Drehscheibe an, so erfolgt keine Beschleunigung, das Thier hört vielmehr gewöhnlich zu laufen auf; und wenn es beim Arretiren der Rotation still lag, so fängt es nicht wieder an, entgegen der Drehrichtung zu laufen, sondern bleibt still liegen oder läuft in irgend einer Richtung (über die Erklärung siehe Seite 527). 508 Albrecht Bethe: 5. Aufbäumreflex. Die photische und mechanische Reizung wird nicht immer nur mit Fluchtreflex beantwortet, viel- mehr tritt in vielen Fällen ein anderer Reflex, der Aufbäum- reflex auf. (Es hängt dies vom Individuum und von der Art der Reizung ab.) Dieser Reflex tritt viel seltener bei Weibchen auf als bei Männchen, am stärksten bei kräftigen und lebensfrischen Exemplaren. Er besteht darin, dass sich das Thier mit dem Vordertheil symmetrisch oder unsymmetrisch aufrichtet, sodass die Körperaxe im Winkel von 45° und mehr zur Horizontalen geneigt ist. Die Beine strecken sich ganz aus, das erste Paar greift schräg nach vorne, das zweite und dritte nach der Seite und das vierte nach hinten, sodass sich das Thier in sehr stabilem Gleichgewicht befindet. Die, Scheeren werden gespreizt und er- hoben. Dieser Reflex tritt immer auf, wenn man den Rücken oder den Kopf in der Mittellinie berührt, oder wenn man einen Gegenstand von vorne grade auf das Thier zu bewegt. Der Reiz, weleher beide Augen trifft, ist gleich gross, sodass Flucht nach keiner Seite eintreten kann. (Manche Männchen, besonders kleine und die Mehrzahl der Weibehen, ist auch so nur schwer zum Aufbäumen zu bringen; viele ducken sich sogar.) Das Aufbäumen erfolgt in diesem Fall immer symmetrisch. Beim ersten Bewegen auf das Thier zu findet oft nur eine Zuckung in allen Gliedmaassen statt (wie Menschen, welche auf ein plötz- liches Geräusch oder eine unerwartete Bewegung zusammen- fahren); nähert man nochmal den Gegenstand, so tritt der Auf- bäumreflex ein. Nähert man den Gegenstand bis auf einige Centimeter, so schlagen die Scheeren mit Gewalt auf ihn ein. Ja, der Reflex kann sich so steigern (bei mehrmaliger Annähe- rung und wieder Entfernung), dass das Thier hochspringt und nach dem Gegenstand schlägt; meist verfehlt jedoch der Scheeren- schlag sein Ziel. Bewegt man den Gegenstand nach der Seite, so bleiben die Beine eingestemmt, aber der Körper dreht sich mit der Bewegung des Gegenstandes, indem er sich nach der Seite neigt, und die nähere Scheere sich senkt und die entfern- tere mehr gehoben wird (unsymmetrisches Aufbäumen). Sehliess- lieh flieht der Careinus dann nach der anderen Seite mit erho- benen Scheeren. Dasselbe unsymmetrische Aufbäumen meist sleich mit Flucht tritt ein, wenn man den Gegenstand schräg von oben und vorne heranführt, oder wenn man das T’hier auf Das Nervensystem von Careinus Maenas. 509 einer Seite plötzlich reizt. (Dabei werden die Augen immer von dem herannahenden Gegenstand fort und nach der Fluchtriehtung hin gerichtet auch dann, wenn gar nicht Flucht eintritt, sondern nur unsymmetrisches Aufbäumen. Es spricht dies Verhalten da- gegen, dass die Thiere überhaupt fixiren, denn wenn sie es thäten, würden sie doch wahrscheinlich die Augen dem be- drohenden Gegenstand zuwenden.) Ganz identische Resultate erreicht man bei Reizung der Augen mit dem constanten Strom. (Reizung mit Induetions- strömen wurde nicht versucht.) Ich legte um beide Atıgenstiele je einen Platinreif, die mit einander durch einen Draht ver- bunden waren, der nach hinten auf dem Rücken isolirt: befestigt wurde. Das Thier wurde auf eine Blechplatte gesetzt, die mit dem einen Pol einer Kette verbunden war. Wurde mit einem von dem anderen Pol kommenden Draht der Verbindungsdraht der Augenbleche berührt, so trat immer symmetrisches Auf- bäumen (ohne Flucht), bei wiederholtem Schliessen und Oeffnen Hochspringen und Schlagen mit den Scheeren ein. Bei schwa- cher Reizung trat nur allgemeines Zucken in den Beinen mit schwacher Erhebung der Scheeren auf. Wurde nur das eine Auge mit Platinblech umlegt, so trat beim Schliessen des Stromes unsymmetrisches Aufbäumen und Flucht nach der ungereizten Seite ein. Ob es sich nun bei diesen Versuchen um Erregung photoreceptorischer oder tangoreceptorischer Organe handelt, bleibt dahingestellt. Verklebt man einem Thier das eine (sagen wir linke) Auge, so ist es auf mechanischen Reiz noch im Stande, sich symme- trisch und rechts und links asymmetrisch aufzubäumen. Auf photische Reize bäumt es sich dagegen nie symmetrisch oder links stärker auf, sondern immer nur rechts stärker mit Flucht nach links, gleichgültig, ob der Gegenstand von rechts, links oder von vorne herangeführt wird. (Das Thier geht auch spon- tan im Hellen immer nach links, als ob es da dunkel wäre.) Dabei ist allerdings öfter zu bemerken, dass bei der Annäherung von links das Aufbäumen und die Flucht nach links etwas ver- zögert eintritt. Reizt man das Thier links mechanisch, so dass es nach reehts geht, und führt nun von links einen Gegenstand heran, auf welchen Reiz hin ein normales Thier nur noch schneller nach rechts entfliehen würde, so sistirt der Rechtsgang 510 Albrecht Bethe: und es tritt fliehen nach links ein, grade auf den Gegenstand zu. Aus diesem Versuch geht mit Evidenz hervor, dass es sich bei dem unsymmetrischen Aufbäumen und bei der Flucht nach der Seite auf photischen Reiz nicht darum handelt, dass der bewegte Gegenstand auf eine bestimmte Stelle der Retina pro- Jieirt wird und das projieirte Bild sich in bestimmter Richtung über die Retina hinbewegt, sondern nur darum, dass das eine Auge allein oder das eine stärker als das andere vom Reiz ge- troffen wird. Wäre es nicht so, so müsste auch beim einäugigen Carcinus symmetrisches Aufbäumen und Flucht nach der rechten Seite auf photischen Reiz eintreten können. Man sieht daraus klar, dass von einem „Sehen“ in unserem Sinne, von einer Pereeption der Lage und Entfernung des Gegenstandes, nicht die Rede sein kann. 6. Starrkrampfreflex. Dieser Reflex ist mit dem vorigen in der Haltung der Gliedmaassen fast identisch. Die krampfartige Starre, unter der die Muskeln der Beine und der Scheeren stehen, welche sich auch schon beim Aufbäumreflex in schwacher Ausbildung zeigte, wird vollkommen. Der Reflex wird hervorgerufen, wenn man ein Thier über den Rücken fasst und vom Boden erhebt. Das Thier bäumt sich zunächst noch in Be- rührung mit dem Boden auf und krallt sich in den Sand fest. Ist es erhoben, so strecken sich Beine und Scheeren excessiv nach allen Seiten aus und verharren bewegungslos. Alle Muskeln sind so krampfartig angespannt, dass man die Beine oft kaum biegen kann, ohne sie zu zerbrechen. Kein Reiz bringt ein Bein zur Anziehung oder zu irgend einer Bewegung, wenn der Reflex in voller Ausbildung auftritt. Der krampfartige Zustand dauert oft lange Zeit an; man kann das Thier auf den Kopf stellen, auf den Rücken legen, es bleibt (oft Minuten lang) unbewegt mit den gespreizten Gliedmaassen liegen. (Auch wenn man das Thier in anderer Weise anfasst, tritt der Reflex oft ein.) — Dieser Reflex ähnelt sehr dem von Verworn (34) am Frosch beschriebenen „tonischen Reflexe“. Der Zweck dieses Reflexes ist, wie ich glaube, der, die Thiere vor dem Gefressenwerden von grösseren Thieren zu schützen. Haifische und andere Fische, welche Careinus nachstellen, werden gemeiniglich das Thier vom Rücken fassen. Ein Exemplar, das sie bei angezogenen, schlaffen oder strampelnden Beinen noch gut verschlucken könnten, be- Das Neryensystem von Careinus Maenas. 511 kommen sie nicht mehr in ihr Maul herein, wenn der Starr- krampfreflex eingetreten ist. Ich’ konnte etwas Aechnliches einmal beobachten, als ich einige Careinus in ein Bassin mit Octopus setzte. Ein kleiner Octopus erfasste einen grossen Car- einus und legte sich über ihn, konnte ihn aber mit seinem Mantel nach dem Eintritt des Reflexes nicht annähernd bedecken und liess ihn wieder los. (Im Allgemeinen wird der Reflex gegen Tintenfische wenig nützen, da sie die Nahrungsthiere nicht verschlucken, sondern im Mantelraum tödten und maceriren. Es sei hier bemerkt, dass man auf diese Weise ausgezeichnete Chitinpanzer-Präparate mit Erhaltung der dünnen Chitinbänder in 3 Stunden erhält, von einer Sauberkeit, die keine andere Methode bieten kann.) 7. Eierschutzreflex. Der Starrkrampfreflex tritt bei Weibchen nur sehr selten ein, vielmehr erhält man hier bei dem- selben Reiz (Fassen über den Rücken und Hochheben) einen Reflex, der in Bezug auf die Haltung der Extremitäten genau entgegengesetzt ist, mit dem Starrkrampfreflex aber die Reae- tionslosigkeit und die starke tonische Spannung der Muskulatur gemeinsam hat, wenn sie auch nicht so excessiv ist. Die Eier werden nach dem Austritt aus den Scheiden an den Pedes spurii angeheftet und hier (das Abdomen vom Körper abhebend). bis zum Ausschlüpfen der Larven geborgen. Es werden nun beim Hochheben oder auch bei anderen starken Reizen, besonders des Abdomens, ob die Thiere Eier haben oder nicht, die Beine und Scheeren über das Abdomen fleetirt. Wenn ich die Ansieht ausspreche, dass dieser Reflex den Zweck hat, die Eier zu schützen, welche vielfachen Angriffen ausgesetzt sind, so darf ich nicht verschweigen, dass man gele- gentlich bei kleinen oder schwachen Männchen etwas Aehnliches sieht. Aber erstens ist die Haltung der Beine nicht ganz ebenso; sie werden vielmehr nur dicht an den Körper gezogen und dann fehlt das Krampfartige. Sie lassen sich leicht abheben, und die Thiere reagiren auf Reize während des Zustandes, wenn auch mit beträchtlicher Hemmung. Ich glaube also vor der Hand berechtigt zu sein, den beschriebenen Reflex als einen typisch weiblichen und dem Schutze der Nachkommenschaft dienenden zu bezeichnen. 8. Vertheidigungsreflexeund Autotomie. Hält Bi, Albrecht Bethe: man einen Careinus am Bein fest, so antwortet er zunächst mit energischen Fluchtversuchen nach der entgegengesetzten Seite. Darauf stemmt er mit den benachbarten Beinen gegen die Hand an und zieht zu gleicher Zeit das gefasste Bein an. Bleibt dies erfolglos, so kommt die Scheere derselben Seite hinzu und zwickt die Hand. Wenn auch das ohne Erfolg bleibt, so dreht er sich halb nach vorne herum, sodass auch die gekreuzte Scheere an der Vertheidigung Theil nehmen kann. Festhalten einer Antenne oder eines Auges wird gleich mit Angriffen von Seiten beider Scheeren, bisweilen auch zugleich mit Anstemmen des ersten Beines beantwortet. Beim Reiz des Abdomens fahren alle Beine und beide Scheeren nach der gereizten Stelle hin und wehren heftig ab. Die Kraft, mit der die Scheeren zukneifen, ist eine bedeutende. Der Reflex des Zukneifens wird von der Innenseite der Scheerenarme ausgelöst; erst wenn ein fester Gegenstand die Innenseite eines ‘Scheerenarmes oder die eine Scheerenspitze be- rührt, wird zugekniffen. Um diesen Zukneifreflex eleetrisch aus- zulösen, muss man sehr schwache Ströme anwenden. Geht die Stromstärke über ein gewisses Maass hinaus, so wird die Scheere nicht geschlossen, sondern noch mehr geöffnet und heftig zurück- gezogen. Mechanisch habe ich das gleiche nur auf folgende Weise hervorbrngen können: Ich liess ein Thier in ein Stück Holz hineinkneifen und kniff dann plötzlich mit einer Zange die Spitze der einen Scheere ab. Es wurde dann sofort das Holz losgelassen und die Scheere zurückgezogen. Blosses Kneifen eines Scheerenastes bewirkt nicht die gleiche Reaction. Bindet man ein Thier mit mindestens zwei Beinen (eins auf jeder Seite) fest, so wirft es nach einiger Zeit die Beine an einer prädisponirten Stelle des ersten Gliedes ab. Diesen Selbst- amputationsreflex kann man auch hervorrufen, wenn man ein Bein zwischen dem ersten und dritten Gliede abschneidet. Es wird dann der Stumpf bis zur prädisponirten, äusserlich gut er- kennbaren Stelle abgeworfen. Die Amputationsstelle schliesst sich, sodass nur wenig Blut austritt. Frenzel (25) glaubt an- nehmen zu müssen, dass das Autotomiren der Decapoden und an- derer Arthropoden nicht ein Reflex, sondern ein Willensvorgang ist. Die Gründe, die er für diese Annahme angiebt, sind zu schwach, um sie hier zu diseutiren. Ohne jeden Grund nimmt er an, dass der centrale Sitz des Autotomirens bei Careinus im Sehlund- Das Nervensystem von Careinus Maenaäs. 513 sanglion gelegen ist. (Wir werden schen, dass dies irig ist.) Er stellte einige Versuche an, um herauszubekommen, wie das Abwerfen der Beine (und Scheeren) zu Stande kommt, konnte aber nur feststellen, dass ein Anstemmen des zu amputirenden Beines an die Thoraxwand nieht nothwendig ist, und dass der Austritt von Blut aus dem angeschnittenen Bein nicht der auslösende Reiz ist. Ich kann dies bestätigen. Ueber das „Wie“ der Autotomie habe ich keine weiteren Versuche gemacht und lasse diese Frage offen. 9, .Der Umdrehreflex. ‚.Ist. ein. Thier umgefallen oder hat man es auf den Rücken gelegt, so wird sofort das letzte Beinpaar flach und ziemlich stark gekrümmt unter den Rücken gelegt, das vorletzte Paar greift nach beiden Seiten auf den Boden und indem nun beide Beinpaare gegen den Boden anstemmen, dreht sich der Körper über das Abdomen zur Bauch- lage zurück. Dies Umdrehen geschieht im Wasser leichter als auf dem Lande, aber auch hier recht schnell. Der Reflex des auf den Rückenlegens der beiden letzten Beine tritt sofort auf, wenn der Rücken den Boden berührt. Es ist ein sehr starker Reflex, der nur schwer zu hemmen ist. Reizt man gleich nach seinem Eintritt das Abdomen, so fahren gleich alle Beine und die Scheeren zur Abwehr an die Reizstelle, die letzten Beine bleiben aber in Umdrehstellung, falls der Reiz nicht sehr stark ist. Da es sehr häufig vorkommt, dass ein Thier ein oder mehrere Beine verliert, so ist es nicht zu verwundern, dass nach Verlust der eigentlichen Umdrehbeine der Umdrehreflex in anderer als für das unverletzte Thier typischer Weise vor sich geht. Ich glaube bei dem häufigen Fehlen grade dieser Beine, dass der Umdrehreflex auch in anderer als der beschriebenen typischen Form bereits im Centralnervensystem vorgebildet ist und dass die fehl gehen würden, welche das Zustandekommen des Um- drehens unter diesen veränderten Bedingungen auf Ueberlegung oder, sagen wir allgemeiner, auf persönlicher, erst nach der Ver- stümmelung stattgefundener Neuerwerbung zurückführen wollten. Ein Thier, dem die beiden letzten Beinpaare fehlen, dreht sich noch recht gut um, indem das zweite Bein, das beim nor- malen Thier nur selten thätig ist, weit nach vorne auf den Boden gesetzt wird und anstemmend den Körper umdreht. Ebenfalls leidlich gut geht die Umdrehung bei Thieren, denen alle Beine einer Seite fehlen. Das letzte Bein der gesunden Seite wird über normal weit Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 3 514 Albrecht Bethe: nach vorne unter den Rücken gelegt und die Scheere schwingt in der Luft oder dem Wasser und unterstützt so die Umdrehbeine. Auch Thiere, welehe auf einer Seite nur das erste Bein und die Scheere, auf der letzteren Scheere, erstes und zweites Bein haben, vermögen sich noch umzudrehen. Das zweite Bein und die Scheere der anderen Seite stemmen gegen den Boden, die andere Scheere schwingt. Ist auch das zweite Bein noch amputirt worden, so werden zwar noch beide Scheeren gegen den Boden gestemmt, eine Umdrehung kommt aber nicht mehr zu Stande. Hat ein Thier nur das letzte Beinpaar, so dreht es sich gut um. Ebenso ist noch eine Umdrehung mit einem letzten Bein und der gekreuzten Scheere möglich. Die eigentlichen Umdrehbeine sind also die des letzten Beinpaares, accessorische die des vorletzten Paares. Als Ersatz kann das zweite Beinpaar und die Scheere in Function treten, sind aber allein zur Drehung ungeeignet. Das erste Beinpaar hat keinen Antheil. Hin und wieder sieht man ein normales Thier sich statt über das Abdomen über den Kopf umdrehen, indem das letzte Beinpaar nicht unter den Rücken gesetzt wird, sondern nach hinten stemmt. 10. Sehwimmen. Das letzte Beinpaar ist gegenüber den anderen durch breite Glieder und starke Behaarung ausge- zeichnet, aber lange nicht in dem Maasse, wie bei den Schwimm- krabben (Portunus). Careinus ist daher auch nur ein sehr mässi- ger Schwimmer. Ein eigentliches Erheben über den Boden mit- telst Schwimmbewegungen kommt kaum vor. Nur ausnahmsweise, z. B. wenn ein Thier ein Stück Nahrung erfasst hat und vor anderen damit flieht, begiebt es sich halb schwimmend, halb an den Wänden des Aquariunıs oder Steinen in die Höhe kletternd in höhere Wasserschiehten und vermag dann mit seinen Schwimm- bewegungen sich einige Secunden im freien Wasser zu bewegen und das Herabsinken zu verhindern, aber nicht höher hinauf zu steigen. Lässt man ein Thier im tiefen Wasser untersinken, so beginnt es immer (wenn es nicht durch Starrkrampfreflex oder Eierschutzreflex gehemmt ist) Schwimmbewegungen zu machen, um das schnelle Herabsinken dadurch zu retrahiren. Dabei ist nur das letzte Beinpaar thätig, alle anderen werden still gehalten. Sie schwingen gleichzeitig horizontal nach vorne über denRücken fort (wie beim Umdrehreflex) und schlagen dann nach hinten. 11. Putzen. Careinus ist nicht so „reinlich“ wie viele AR? Das Nervensystem von Carcinus Maenas. 515 andere Crustaceen, z.B. Squilla. Man sieht ihn nicht allzu häufig mit Putzen beschäftigt. Meistens werden dann mit den Scheeren die Mundtheile gereinigt oder mit den Beinen Abdomen und Thorax. Nach Reizung eines Beines oder des Abdomens wird die gereizte Stelle häufig mit einem Bein oder einer Scheere ge- scheuert. Hat ein Thier etwas am Auge (z. B. Lack), so wird es entweder mit einem ersten Bein oder der Scheere geputzt, oder das Auge biegt sich ganz ventralwärts und wird mit der Bürste des dritten Maxillarfusstasters, der nach vorne gestreckt wird, abgebürstet. 12. Nahrungsaufnahme. Careinus ist ein sehr ge- frässiges Thier und kann täglich beträchtliche Quantitäten Nah- rung zu sich nehmen und verdauen. Er kann aber auch Wochen lang ohne Nahrung auskommen. Die Nahrung ist ziemlich ver- schiedenartig: Fleisch von allen Seethieren in frischem und halb verdorbenem Zustande. Frisches Fleisch wird faulem vorgezogen, ganz faules nur nach langem Hungern genossen. Am Besten wird der Eierstock von Pecten und lebende Palaemon genommen. Ist die Nahrung knapp, so fressen sie sich (wie auch andere Arthropoden, z. B. Pagurus) gegenseitig auf; besonders sind die Exemplare, welche eben gehäutet haben, starken Angriffen aus- gesetzt. Ueber die Art und Weise, in welcher Careinus auf die chemischen Stoffe der Nahrung reagirt, liegen einige Notizen von Nagel (18) vor: „Wenn man ein Stück Fleisch in etwa 1 cm Abstand vor dem Kopf des Thieres vorbeibewegt, gerathen die für gewöhnlich ruhig gehaltenen kleineren inneren Antennen so- fort in heftige vibrirende Bewegung. Die Krabbe greift aber nie nach dem Fleische. Wird das Fleischstück so weit genähert, dass die Antennen dasselbe berühren können, so betasten sie das Fleisch rasch und lebhaft. Nur dann, wenn die Mundtheile direet berührt: werden, greift das Thier mit den Scheeren nach dem Fleische und kaut daran. Dies ist indessen kein Zeichen von Schmeckvermögen der Mundtheile, denn das Verhalten ist nicht anders, wenn man sie mit geschmacklosen Stoffen berührt.“ Auf Reizung mit Glycerin wurde von den Antennulae und den Mundwerkzeugen reagirt, von den zweiten Antennen nicht. Nagel hält es daher für wahrscheinlich, dass die Antennulae und die Mundtheile Sitz von „Schmeckorganen“ sind, dass die inneren 516 Albrecht Bethe: Antennen aber auch (abweichend von Astacus uud Pagurus) zum Tasten dienen. Er hält es für schwer festzustellen, wie weit die Krabben sich vom „chemischen Sinn“ leiten lassen. Er sah, wie man sie auf den Friesischen Inseln in grosser Zahl mit Schnüren angelt, an denen ein Wurm angebunden ist, der immer wieder benutzt wird, dass sogar der Wurm (der nach seiner Meinung beim längeren Aufenthalt in Wasser nur noch sehr wenig lösliche, schmeckbare Stoffe abgeben kann) unnöthig ist und ein ins Wasser gehängter Bindfaden genügt. Daraus schliesst Nagel, dass die Krabben durch den „Tastsinn“ und allenfalls den „Gesichtssinn‘“ zum Anbeissen veranlasst werden, aber nicht oder mindestens nicht allein durch den „Geschmack“, da sie überhaupt nach jedem vorgehaltenen Gegenstand greifen, beson- ders wenn er sie berührt. Wenn die Thiere selbst auf Jagd gehen, so hält er es für möglich, dass hierbei der ‚chemische Sinn“ benutzt wird. Jedenfalls scheint er der Ansicht zu sein, dass Careinus Maenas nur sehr wenig chemorefleetorisch ist. Ich habe mich im Gegensatz dazu überzeugt, dass Careinus eines von den Thieren ist, die am allerbesten auf chemische Reizstoffe, wenn sie adäquat sind, reagiren. Adäquat sind aber mit Sicherheit nur die chemischen Stoffe für ein Thier, welche von seiner Nahrung ausgehen und die im Geschlechtsleben eine volle spielen. Alle anderen (Vanillin, Pikrinsäure, Chinin, Gly- cerin u.s. w.) sind in ihrer Wirkung verdächtig. Wenn Nagel zu ziemlich negativen Schlüssen kam, so liegt dies einmal an dem ausserordentlich feinen Reactionsvermögen der Krabben und dann in seiner ersten Versuchsreihe wohl daran, dass die Thiere entweder übersättigt oder halb todt waren, denn nur in diesen beiden Zuständen kommt es vor, dass ein Careinus nach einem vorgehaltenen Stück Nahrung nicht greift. Bei der Aufsuchung der Nahrung folgt Careinus nach mei- nen Versuchen hauptsächlich dem chemischen Reiz. Das Auge spielt dabei gar keine oder nur eine sehr geringe Rolle. Wirft man in ein grosses Bassin, in dem sich einige Careinus befinden, ein Stück Fischfleisch oder Peetenovarium, so reagiren die Thiere, auch die, welche die Augen dem herabsinkenden Stück zuge- wandt haben, zunächst gar nicht. Nach einigen Secunden be- ginnen aber die zunächst sitzenden mit ihren Antennen schneller zu schlagen und die Maxillarfüsse hin und her zu bewegen. Je Das Nervensystem von Careinus Maenas. 517 weiter die Thiere von dem Fleischstück entfernt sind, desto später beginnen sie mit diesen Bewegungen; aber es genügt ein einziges 1 eem grosses Fleischstück, um viele Dutzende Careinus, welche sich in einem Bassin von etwa 1 Cubikmeter Wasserinhalt befinden, zur Reaction zu bringen. Ja man braucht nur einen Tropfen Fleischsaft hineinfallen zu lassen oder mit der Hand, die ein Stück Fleisch berührt hat, durch’s Wasser zu fahren, um alle Thiere in Aufregung zu bringen. Am Besten liess sich con- statiren, dass es thatsächlich nur die löslichen Stoffe der Nahrung, also chemische Reize sind, welche diese typische Reaction her- vorbringen, wenn ich geblendete Thiere benutzte oder das Ex- periment in einer Aquarienanlage anstellte, welehe Prof. Weldon aus London in Plymouth zu anderen Zwecken aufgestellt hatte. Etwa 2 Liter Wasser fassende Glasbottiche waren in 7 oder 8 Reihen treppenförmig übereinander aufgestellt. Das Seewasser floss aus einer Rinne in die Gefässe der obersten Reihe ein, durchzog dann die 7 (oder 8) Gefässe, um aus dem untersten abzufliessen. In jedem Gefäss befand sich ein kleiner Careinus. Brachte man in das oberste Gefäss, wenn die Thiere einer Reihe sich ganz ruhig verhielten, ein Stück Fleisch, so bemerkte man nach einigen Secunden, wie das Thier im zweiten Gefäss plötzlich anfıng, mit den ersten Antennen schneller zu schlagen, die Ma- xillarfüsse hin und her zu bewegen und sich nach oben aufzu- richten, von wo der Wasserzufluss erfolgte. Der Reihe nach in be- stimmten Zeitabständen folgten die Thiere des dritten, vierten u.s. w. Gefässes nach, auch dann, wenn zwischen die einzelnen Gefässe Pappdeckel geschoben wurden, so dass ein Thier das andere nicht photoreeipiren konnte. Hat man in ein Bassin ein Stück Fleisch geworfen, so fan- gen die Thiere kurze Zeit nach Eintritt der beschriebenen Reac- tion zu gehen an und zwar meist in ziemlich direkter Linie auf das Fleischstück zu. Je näher sie ihm kommen, desto schneller laufen sie. Dass hierbei das Auge keine Rolle spielt, geht daraus hervor, dass auch geblendete Thiere ebenso sicher auf die Nah- rung losmarschiren (oft auf eine Entfernung von !/, Meter und mehr), und dass ungeblendete sehr häufig einige Centimeter über das auf dem Boden liegende Stück fortgehen. Sie machen dann gewöhnlich plötzlich Halt und fahren mit den Scheeren zwischen ihren Beinen hindurch nach hinten, um mit oft erstaunlicher 518 Albrecht Bethe: Sicherheit das Stück zu erfassen. Dieses zuerst sonderbar er- scheinende Verhalten erklärt sich leicht daraus, dass, wie Milne Edwards (26) nachgewiesen hat, der Strom des Athemwassers durch zwei im vorderen Athemcanal gelegene Appendices valvu- lares des zweiten Maxillarfusspaares in Bewegung gesetzt von hinten nach vorne geht. Die von dem Fleischstück ausgehenden chemischen Stoffe treffen also erst dann am concentrirtesten die Antennen und Mundwerkzeuge, wenn die hinteren Oeffnungen der Athemkammern, durch die das Wasser einströmt, über dem Fleisch- stück sich befinden. Legt man in gleicher Entfernung ein Stück Fleisch vor und hinter das Thier, so wird immer das hinter dem Thier liegende ergriffen, auch dann sogar, wenn das vor- dere näher liegt. Nachdem es erfasst ist, wird es mit den Scheeren zum Munde geführt, von den äussern Maxillarfüssen erfasst und nun durch Hin- und Herbewegen aller Mundgliedmaassen zum Oeso- phagus vorgeschoben. Ist das Stück zu gross, so werden ent- weder kleinere Stücke mit den Scheeren losgerissen, oder es wird mit den Mandibeln festgehalten und nun durch streichende Be- wegungen der Maxillarfüsse und auch mit Hülfe der Scheeren in die Länge gezogen, sodass es den Mund passiren kann. Aus der Reaetion der Antennen schliesst Nagel, wie ich meine mit Recht, dass sie mit der Chemoreception etwas zu thun haben. In der Hauptsache sind aber — wie ich auch später noch zeigen werde — die Mundwerkzeuge selbst daran betheiligt, denn die Thiere sind auch nach Abtragung der Antennenfahne und der ganzen Antennen im Stande, ihre Nahrung zu finden. Ist nun der chemische Reiz die einzige Bedingung, um einen Careinus zum Verschlucken eines Körpers zu bringen? Schleift man ein Stück Fleisch auf den Steinen, die den 3oden des Aquariums bedecken, hin, so folgt ein Careinus dieser Spur und hebt oft jeden Stein, der in Berührung mit dem Fleisch gewesen ist, auf, führt ihn zum Munde, wirft ihn aber sofort nach Berührung der Maxillarfüsse fort, bis er schliesslich das Fleisch- stück findet. Auch dann, wenn man den Stein ganz in Fleisch- saft wälzt, wird er immer fortgeworfen und nie verschluckt. Es genügt also der vom Stein ausgehende chemische Reiz zur Er- fassung mit der Scheere (andere Steine werden nie genommen und das Ergreifen aller vorgehaltenen Gegenstände, wenn sie den Das Nervensystem von Careinus Maenas. 519 Körper berühren, das Nagel erwähnt, hat mit Nahrungsauf- nahme gar nichts zu thun, denn sie werden nie zum Munde ge- führt), um aber in den Mund aufgenommen zu werden, ist eine zweite Bedingung, die einer gewissen Consistenz zu erfüllen. Fliesspapier, das mit Fleisch in Berührung gewesen ist, wird er- griffen, gekaut und geschluckt. Der Körper muss also eine ge- wisse Weichheit haben, und zwar ist der Sitz dieser Tangoreception nicht das ergreifende Organ, die Scheere, sondern das kauende Organ, die Maxillarfüsse. Nagel schliesst aus der Beobachtung, die ich selbst be- stätigen kann, dass man Careinus mit einem Bindfaden ohne Köder angeln kann, dass der chemische Reiz keine Bedingung zum Zustandekommen des Schluckreflexes ist. Dies ıst aber irrig, denn es zeigt, dass die Schwelle für chemische Reize ausser- ordentlich niedrig ist, nicht aber, dass es ohne chemischen Reiz geht. Nimmt man einen Faden, der lange Zeit gewässert ist, so beisst nie eine Krabbe an. Hält man ein gut gewaschenes und gewässertes Stück Fliesspapier mit einer reinen Pincette auch noch so lange einem „hungrigen“ Careinus vor, er nimmt es nie. Es genügt aber schon, das Papier nur mit dem Finger zu berühren, um das Thier zum Hingreifen zu bringen; es wird allerdings meist naclı einigem Kauen wieder fortgeworfen; hatte man aber mit dem Finger vorher Fischfleisch an, so wird es auch geschluckt. 13. Copulation. Die Copulation findet, wie bereits bekannt ist, nur statt, wenn das Weibchen eben gehäutet hat. Offenbar strömt es in diesem Zustand einen besonderen chemischen Stoff in’s Wasser aus. Es spricht dafür die Thatsache, dass in einem Bassin, in dem viele Thiere untergebracht sind, die hartschaligen Weibehen ganz unbehelligt von den Männchen bleiben; so wie man aber ein eben gehäutetes Weibehen in’s Wasser setzt, werden alle Männchen unruhig und oft, noch ehe das Weibehen den Boden erreicht hat, wird es von einem Männchen ergriffen. Das Männ- chen legt zunächst ein erstes oder zweites Gangbein um den Körper des Weibehens und läuft oft eine ganze Zeit so mit dem fest an den Bauch gedrückten Weibchen, das alle Beine an den Körper gezogen hat, umher, da die übrigen Männchen eifrig bemüht sind, ihm das Weibehen zu entreissen. Dabei verliert das Weibehen oft einige Beine, die dann verzehrt werden. Kommt das Männ- 520 Albreeht Bethe: chen zur Ruhe, so dreht es das Weibchen auf den Rücken, so dass sie jetzt Bauch an Bauch liegen; dabei hält er es immer mit einem oder mehreren Beinen umschlungen, ja nicht selten, besonders wenn ein anderes Thier versucht, das Weibehen an sich zu bringen, oder wenn das Weibchen Bewegungen macht, schlingt er alle Beine um ihren Körper und bedeckt sie von oben mit den Scheeren, kneift sie sogar recht derb, wenn sie nicht ruhig liegt. Einmal beobachtete ich, wie nun das Weibehen sein Abdomen lüftete und hinter den Hinterrand- seines Körpers legte. Ob dies immer selbständig von Seiten des Weibehens geschieht, kann ich nicht angeben. Hierauf hebt auch das männliche Thier sein Abdomen und legt es mit seiner Aussenseite an die Innen- seite des weiblichen Abdomens an; die zu Penes umgewandelten Pedes spurii werden in die Vulvae eingeführt, und das Weibchen, das mit engangezogenen, aber nieht wie beim Eierschutzreflex über dem Abdomen gekreuzten Extremitäten daliegt, fest um- schlungen. Dabei drückt das Männchen gewöhnlich mit dem vierten Gangbeinpaar das Abdomen des Weibehens von hinten gegen das seine. So verharren sie 10 bis 16 Stunden. Die Ueberführung des Samens konnte ich nicht beobachten; sie scheint immer Nachts zu erfolgen. — Einmal beobachtete ich, wie ein normales Weibchen, das mit einem operirten Männchen eopulirte, die Penes desselben, die nicht in den Vulvae steckten, mit Hülfe des vierten Beinpaares in die Geschlechtsöffnungen steckte, indem es mit den beiden dritten Beinen nach den Oeff- nungen „tastete“. Das Verhalten. der Thiere,nach Schwärzung der Cornea. Die Schwärzung der Cornea wurde mit Maskenlack (nach Kreid](24)) oder wenn die schwarze Farbe lange sitzen bleiben sollte, mit schwarzer Oelfarbe vorgenommen. (An verschiedenen Corneae, welehe mit einem Messer nach der Schwärzung abge- schnitten und unter dem Mikroskop untersucht wurden, überzeugte ich mich, dass der Durchgang des Lichtes durch die Cornea voll- kommen verhindert wird.) Eine Veränderung in den Compensationsbewegnngen, wie sie Clark (22) an Gelasimus feststellen konnte, war nicht zu bemerken, ebenso keine Abnahme der Bewegungen der Augen in Das Nervensystem von Carcinus Maenas. 521 der Laufrichtung. Bei passiver Rotation um die vertikale Axe war eine geringe Verminderung der Ausschläge bisweilen zu con- statiren. Wie schon erwähnt, fällt der negative Phototropismus vollkommen fort, ebenso alle Reaetionen, welche sonst durch Ver- änderung der Lichtintensität hervorgerufen werden können (Auf- bäumen, Einziehen der ersten Antennen, Flucht). Bei Annähe- rung eines Gegenstandes im Wasser werden die ersten Antennen bei grösserer Distanz eingezogen, als bei normalen Thieren. Es scheint mir dies darauf hinzudeuten, dass dieser Reflex, welcher durch die Bewegung des Wassers und die dadurch erfolgende Reizung der ersten Antennen hervorgerufen wird, beim normalen Thier von den Augen aus gehemmt wird. Im übrigen verhalten sich die Thiere ganz normal. Sie laufen geschickt auch auf glatten Flächen, bäumen sieh auf mechanischen Reiz gut auf, suchen ihre Nahrung auf weitere Strecken und betheiligen sich an dem Kampf um die Nahrung der im selben Bassin gehaltenen normalen Thiere in ge- schiekter Weise. Das Verhalten von Careinus nach dem Abschneiden beider erster Antennen mit Ausnahme des Basal- gliedes (in welchem die Otocyste liegt). Es ist an diesen Thieren nur eins hervorzuheben: Die Chemo- reception hat eine bedeutende Einbusse erlitten. Die Thiere gehen auf Nahrung, welche im einer Entfernung von mehr als 10 cm vor ihrem Kopf niedergelegt ist, nicht los. Erst dann, wenn man das Nahrungsstück dichter an den Mund oder dicht hinter das Thier legt (ohne das Thhier selbst zu berühren), wird danach gegriffen und die Nahrung gekaut und geschluckt. Es geht daraus hervor, dass dieerstenAntennen derühemorecep- tion dienen, wie dies ja auch Nagel (18) aus der Reaction der ersten Antenne beim Vorlegen von Nahrung geschlossen hat, dass sie aber nicht das einzige Organ der Chemo- reception sind. Die Fortnahme beider Statocysten (Otoeysten). Es kann diese Operation in der Weise gemacht werden, dass das Basalglied der ersten Antenne am lateralen Rande aufgebrochen und die Statocyste mit einer Pincette hervorgezogen wird. Eine Ver- letzung des Nerven, der in die Endglieder der Antenne hinaufsteigt, 522 Albrecht Bethe: ist dabei aber schwer zu vermeiden, sodass die einfache Exarticulation der ganzen ersten Antenne im ersten Gelenk vorzuziehen ist. Die Grube, welche sich schnell mit Blut füllt, wird mit einem Fliesspapier- pfropf verstopft und dieser mit Modellirwachs überzogen, um weiteres Austreten von Blut zu verhindern. 2.2) Die complieirten Augenbewegungen. a) Die Compensationsbewegungen. Nach dieser Operation war bei der Mehrzahl der Thiere, welche zur Untersuchung gelangten, die Compensation der Augen vollkommen ver- schwunden, bei sonst ganz erhaltener Reflex- erregbarkeit der Augen. Bei einigen Exemplaren waren die Compensationsbewegungen aber nur stark herabgesetzt und traten unregelmässig auf. Bald war ein geringeres Maass von Compensationsbewegungen zu bemerken, bald nicht, bald waren sie auf dem einen Auge deutlicher, bald auf dem andern. Es war also beim selben Thier eine Inconstanz der Erscheinung zu bemerken. (Es muss hier angeführt werden, dass auch bei ein und demselben normalen Thier die Ausschläge in verschiedenen Versuchen nicht immer gleich gross sind und bald das eine Auge, bald das andere etwas grössere Ausschläge macht.) Clark (22), der vor mir, aber ohne dass ich von seinen Versuchen Kenntniss hatte, dieselben Versuche an Gelasimus pu- gilator machte, fand durchgehends, dass eim geringer Grad von Compensationsbewegungen nach Herausnahme beider Statocysten bestehen blieb, dass dieser aber verschwand, wenn beide Augen geschwärzt wurden. In der That schwindet auch bei einigen der Carcinusexemplare, bei welchen noch nach Herausnabme der Statocysten ein Rest von Compensationsbewegungen bestehen bleibt, dieser vollkommen nach Schwärzung der Corneae, bei anderen bleiben aber trotzdem noch bemerkbare Spuren von Compensationsbewegungen übrig. Es deutet dies darauf hin, dass die Statocysten beim Zustande- kommen der Compensationsbewegungen die Hauptrolle spielen, dass aber ausserdem noch die Einwirkung des Lichtes und ein dritter Factor, wenn auch nur in geringem Maasse, be- theiligt sind. | 1) Die Zahlen beziehen sich auf die unter den gleichen Ueber- schriften beschriebenen Reflexe des normalen Thieres. ee Das Nervensystem von Careinus Maenas. 523 b) Die Bewegungen der Augen bei passiver Rotation um die Vertikalaxe. Diese Bewegungen sind nach Exstirpation der Statoeysten immer herabgesetzt, sie ver- schwinden danach aber nie ganz, sondern es bleibt immer ein recht beträchtlicher Rest erhalten. Schwärzt man dann die Corneae, so bleiben Reactionen der Augen vollkommen bei passiver Rotation um die Verti- kalaxe aus. e) Die Bewegungen der Augen in der Laufriehtung erleiden nach Herausnahme der Otocysten nieht die geringste Einbusse, auch nicht, wenn zugleich die Augen geschwärzt werden. 4. Der Gang zeigt nicht unbedeutende Veränderungen. Auf einer glatten Unterlage vermögen die Thiere sich nur schlecht fortzubewegen und im Gegensatz zu normalen Thieren fallen sie leicht hinten über, besonders wenn sie etwas gereizt werden und sich beim Laufen aufbäumen. Der rein seitliche und nur etwas schwankende Gang zeigt aber noch eine andere höchst auffallende Veränderung; es ist nämlich die Correlation in der Schrittzahl ge- sehwunden. Es ist bereits erwähnt, dass beim normalen Thier die Zahl der Schritte auf beiden Seiten, wie sie leicht aus den Gangtafeln abgelesen werden kann, gleich oder wenigstens an- nähernd gleich ist. Ein Mehr von 1—8 Schritten auf 100 ist niehts seltenes. Bei diesen Thieren ist aber immer die Zahl der Schritte auf der folgenden Seite, d. h. auf der linken Seite bei Recehtsgang, auf der rechten bei Linksgang um 20—50 auf 100 vermehrt. Hat man die Fusssehrift vor und nach derOperation genommen, so stellt sich heraus, dass die Beine der vorangehenden Seite ebenso grosse Schritte machen, wie vor der Operation, während die der folgen- den Seite kleiner und unregelmässig sind. Ich gebe hier die Resultate der Gangtafeln eines Thieres 6 Wochen nach der Operation, um einen Begriff davon zu geben, wie auch bei demselben Thier die Vermehrung der Schritte der folgenden Seite innerhalb breiter Grenzen schwankt. (Die Zahlen » der Schritte sind auf die der vorangehenden Seite — 100 bezogen. 2 = Zahl der linken Sehritte, » — Zahl der rechten Schritte): 524 SAlbmecht Bethe: Rechtsgang. Linksgang. 9. = 1005146 229, 10050 Bl ONE L:r—= 100120 r+1—=:100:3140 Er EVD. Aufder Drehscheibe reagiren die Three ee nau so gut wie normale Thiere, abgesehen davon, dass sie leicht hintenüber fallen. 9. Umdrehreflex. Hat man ein Thier auf den Rücken gelegt oder ist es, wie so häufig, selbst hintenüber gefallen, so dreht es sich in den seltensten Fällen in normaler Weise,d.h. über das Abdomen zur Bauchlage um. Gewöhnlich wird nicht das letzte Beinpaar wie bei der normalen Um- drehung unter den Rücken geschoben, sondern nach hinten fort- gestreckt und gegen den Boden angestemmt und, indem das dritte Beinpaar in ähnlicher Weise verfährt, dreht sich das Thier über den Kopf zur Bauchlage zurück. Auf glattem Boden fällt es dann häufig in Folge des Schwunges wieder hintenüber, dreht sich wieder über den Kopf zur Bauchlage um und so fort. In dieser Weise sieht man die Thiere sich oft 10 mal und mehr um ihre Transversalaxe drehen. Die normale Umdrehung kommt bisweilen auch zu Stande, ist aber ebenso, wie beim normalen Thier die Umdrehung über den Kopf,.eine Ausnahme. Hebt man das Thier in Bauchlage in die Höhe, so dass die Füsse den Boden nicht mehr berühren und legt nun die Hand oder ein kleines Brett auf seinen Rücken, so sieht man nicht selten, dass das letzte Beinpaar wie zur normalen Umdrehstellung (trotz der Bauchlage) auf den Rücken gelegt wird und auch An- strengungen zur Umdrehung macht. Das normale Thier unter dieselben Bedingungen gebracht thut dies nicht, sondern ampelt mit den Beinen herum, langt dabei wohl auch mal mit den letz- ten Beinen auf den Rücken, legt sie aber nieht zu der characte- ristischen Umdrehstellung, sondern greift nur nach festen Punkten, um los zu kommen. Es lässt dies darauf schliessen, dass mit der Fortnahme der Statocysten die Be- ziehungen des Thieres zur Änziehungskraft der Erde wenigstenstheilweise aufgehoben sind. 10. Lässt man ein Thier in tiefem Wasser untersinken, so macht es mit den letzten Beinen die charakteristischen Schwimm- bewegungen. Schwankungen sind dabei nicht zu constatiren, was Das Nervensystem von Careinus Maenas. 525 ‘auch nicht zu besonderer Verwunderung Anlass geben kann, da das Gleichgewicht beim Sinken in Wasser recht stabil ist. Ein Vergleichsversuch an Palaemon. Nach den Versuchen von Kreidl (24) an Palaemon, bei denen nach seiner Beschreibung die Reaction auf passive Rota- tion nach Herausnahme der Otoeysten verschwinden soll, musste das Fortbestehen der Reaction auf der Drehscheibe bei Carcinus sonderbar erscheinen. Ich habe deshalb die diesbezüglichen Ver- suche Kreidl’s an Palaemon nachgeprüft und gefunden, dass seine Beschreibung nicht den Thatsachen entspricht. Die Reac- tion auf der Drehscheibe hat bei Palaemon ebensowenig mit den Statoeysten zu thun, wie bei Careinus. Kreidl sagt wörtlich: „Wenn man ein normales Thier mit der oben angegebenen „Ge- schwindigkeit* (2—3 Umdrehungen in der Secunde) „rotirt, so be- ginnt das Thier sofort gegen die Drehriehtung zu laufen, wobei es sich stets an die Peripherie der Schale hält; in dem Moment, wo man die Drehrichtung umkehrt, läuft das Thier kurze Zeit rückwärts, dreht sich dann um, um nun wieder gegen die neue Drehrichtung zu laufen. .... ]st das Wasser einmal in rascher Rotation, wird das Thier mit fortgerissen. Ein Palaemon dem die Otolithen mittelst einer Nadel herausge- nommen werden, benimmt sich nicht mehr so, sondern läuft bald in der Drehrichtung, bald gegen die Mitte der Schale oder er dreht sich einige Male um eine verticale, durch die Mitte seines Körpers gehende Axe. Wenn man das Thier noch obendrein mit Lack blendet, so ist es eanz hilflos, überkugelt sich öfters, liegt längere Zeit auf dem Rücken, macht während der Rotation keine active Bewegung, hängt oft seitwärtsliegend am Rande der Schale, zeigt absolut keine Reaction gegen die Drehung.“ Dass das normale Thier sich bei Rotation gegen die Dreh- richtung einstellt, ist richtig. Es läuft oft so schnell der Dreh- richtung entgegen, dass es den Platz an der Peripherie der Schale bewahrt. (Bei schneller Rotation fängt es oft ebenfalls entgegen der Drehrichtung an zu. schwimmen, mit den Beinen den Boden schleifend oder durch Laufschritte das Schwimmen unterstützend.) Aendert man die Drehrichtung, so läuft das Thier entgegen der neuen Drehrichtung rückwärts, wie Kreidl richtig angiebt, und dreht dann um, immer mit dem Kopf nach dem Centrum zu. Je grösser die Geschwindigkeit ist, desto grösser ist der Kreis- 526 Albrecht Bethe: bogen bei dieser Umdrehung, bis es schliesslich die Schale ganz ‘ durehquert, also gegen die Mitte der Schale läuft, wie es nur die stacocystenlosen nach Kreidl thun sollen. Bei sehr schneller Drehung kommt es überhaupt nicht herum, sondern wird nach der Durchquerung der Schale mit dem Strom fortgerissen. Bei den statocystenlosen Thieren sind die Coordinationen der Bewegungen stark gestört; es ist daher nieht zu verwundern, wenn die Thiere auch auf der Drehscheibe nicht mehr die exae- ten Reactionen des normalen Thieres zeigen. Es ist deshalb auch sehr schwer zu sagen, ob bei diesen Thieren die Gleichgewichts- störungen auf der Fortnahme eines statischen Apparates beruhen oder auf der Fortnahme eines Organes, das mit der Correlation der Bewegung oder dem eoordinirten Tonus der Muskeln, um im Sinne Ewalds (27) zu sprechen, etwas zu thun hat. (Ich will damit nicht die statische Function der Statocysten in Zweifel ziehen; ich sage nur, diese Frage ist schwer zu entscheiden, denn dass auch sonst die Correlationen der Bewegungen gestört sind ausser denen, welche bei der Gleichgewichtserhaltung in Frage treten, ist leicht bei der Nahrungsaufnahme zu beobachten.) Diese Störung der Correlationen nimmt noch zu nach Schwärzung der Augen. Auf das Verhalten der Thiere nach beiden Operationen scheint Kreidl besondern Werth zu legen. Es kommt hier ja aber gar nicht darauf an, zu zeigen, dass die Augenschwärzung die Bewegungscoordination stört, sondern, ob die Statocysten etwas mit der Reaction auf der Drehscheibe zu thun haben. Ein Mensch, der ohnehin schon nicht gehen kann, wird es auch auf der Dreh- scheibe nicht können. Setzt man ein Thier nach dem Herausstechen beider Oto- cysten oder noch sicherer nach Abschneidung beider erster Antennen in die Drehschüssel mit Seewasser (ich benutzte eine Schale von 25 em Durchmesser) und rotirt langsam, so läuft das Thier immer entgegen der Drehrichtung, fällt wohl gelegentlich dabei um, steht aber schnell wieder auf. Bei Umkehrung der Drehriehtung läuft es wie das normale 'Fhier erst rückwärts und dreht dann mit Sicherheit nach der Mitte zu sich um 180° um, so dass es nun wieder mit dem Kopf voran gegen die Dreh- richtung läuft. Je schneller die Drehung erfolgt, desto grösser wird der Kreisbogen und bei einer Geschwindigkeit, bei der das normale Thier noch im kurzen Bogen umdrehen kann, durch- Das Nervensystem von Careinus Maenas. 527 quert es schon die Schale. Bei noch schnellerer Bewegung er- reicht es kaum die Mitte. Bei sehr schneller Bewegung wird es mit fortgerissen. Es tritt also alles genau so ein wie beim nor- malen Thier, nur bei viel geringeren Gesehwindigkeiten als bei diesem. Ja sogar bei den obendrein noch mit Maskenlack ge- blendeten Thieren ist bei langsamer Drehung eine deutliche Re- action entgegen der Drehrichtung zu bemerken. Kreidl scheint immer zu schnell gedreht zu haben. Mag dies nun noch nicht beweisend sein, dass die Stato- eysten mit der Drehscheibenreaction nichts zu thun haben, so sind es aber folgende Versuche sicher: 1. Lässt man ein normales Thier mit gleichmässiger Ge- schwindigkeit rotiren, so hört das Thier nach einiger Zeit, wenn das Wasser dieselbe Geschwindigkeit erreicht hat wie die Schüssel, wovon man sich durch Heraufwerfen eines Papier- schnitzels überzeugen kann, auf, der Drehung entgegenzulaufen: es sitzt still und lässt sich Caroussel fahren, beginnt dann even- tuell wieder zu laufen und nun wie es kommt, mal mit der Dreh- richtung, mal entgegen, mal der Mitte zu u.s. w. Hält man plötz- lich die Schale an, so rotirt das Wasser weiter und nun läuft das Thier wieder mit Sicherheit entgegen der Wasserströmung, also entgegen der vorherigen Drehrichtung. 2. Taucht man bei feststehender Schale eine Schaufel in das Seewasser und setzt durch Drehung derselben das Wasser in Rotation, so läuft der Palaemon immer, als wenn die Schale selbst rotirte, entgegen der Wasserströmung d. h. der Drehrich- tung und hört nicht auf entgegen zu laufen (wie bei der gleich- mässigen Rotation von Schüssel und Wasser) so lange das Wasser rotirt wird. Aendert man durch umgekehrtes Rühren mit der Schaufel die Strömungsriehtung, so dreht der Palaemon prompt um, sowie sich die Wasserströmung in der Tiefe, in der er läuft, umgedreht hat. Aus diesen Versuchen, die in derselben Weise bei otocysten- losen Thieren gelingen, geht mit Sicherheit hervor, dass es nicht das Rotirtwerden ist, welches den Palaemon dazu veranlasst ent- gegen der Drehrichtung zu laufen, sondern die Strömung oder sagen wir besser ein ungleichmässiger Druck auf die verschiede- nen Flächen des Körpers und die damit verbundene Verschiebung der Beine zum Körper. Auf dieselbe Ursache muss nach meiner 528 Albrecht Bethe: Meinung die Reaction auf der Drehscheibe bei Careinus zurück - geführt werden, da hier die Reaction nicht durch Fortnahme des Statocysten aufgehoben wird und die Reaction bei geringem Widerstande (in der Luft) kleiner ist als bei grossem Wider- stande (im Wasser). In welcher Weise ist die Wirkung der Statocyste zu erklären? Ich habe in einer früheren Publication die Ansicht ausge- sprochen, dass der Stein in den Statocysten die Organe erst zu wirklichen Gleiehgewichtsorganen macht und deshalb Versuche an Thieren, die keine Statolithen besitzen, für aussichtslos er- klärt. Auf diese Aeusserung nimmt Clark (22) Bezug und er- weist ihre Unrichtigkeit durch die Feststellung der Thatsache von den Compensationsbewegungen der Augen bei statolithen- losen Brachyuren und deren Beziehungen zu den Statocysten. Da- neben weist er auch zur Entkräftung meiner Ansicht auf die „evi- dente Gleichgewiehtsfunetion der Canales semieireulares der Wir- belthiere“ hin. Dies geschieht nun nach meiner Meinung mit Un- recht. Unter einem Gleichgewichtsorgan verstehe ich ein Organ, das, in direeter Beziehung zur Anziehungskraft der Erde stehend dem Thier „angibt“, wie es zum Horizont orientirt ist. Nach der herrschenden Ansicht (Breuer, Ewald, Kreidl) sind die halb- eirkelförmigen Kanäle Organe, welche den Grad und die Richtung einer Bewegung, besonders einer Drehung durch Remanenzbewe- gungen der Endolymphe zur Reception bringen. Sie sind also kein absolutes, sondern höchstens ein relatives Gleichgewichtsorgan, in- dem sie immer nur zur Reception bringen, wie steht der Kopf resp. der Körper nach der Rotation im Verhältniss zur Stellung vor der Rotation, nicht aber im Verhältniss zur Ebene des Ho- rizonts. Es wäre nun möglich, dass auch die Augenbewegungen der statolithenlosen Brachyuren, welche in Beziehung zu den Stato- eysten stehen (Compensationsbewegungen und die von mir be- obachteten Bewegungen bei passiver Rotation um die Vertikal- axe), nur auf Remanenzbewegung des die Cyste ausfüllenden Wassers beruhten, dass also diese Statocysten doch nicht wirkliehe d. h. absolute Gleiehgewichtsorgane wären. Von den Augen- bewegungen bei passiver Rotation um die Vertikalaxe scheint es Das Nervensystem von Careinus Maenas. 529 mir ziemlich sicher zu sein, dass sie nur auf Remanenzbewegung basiren, da sie nur auftreten, wenn die Rotation eine gewisse Schnelligkeit erreicht, sie können aber für die vorliegende Frage gar nicht in Betracht kommen, da die Gleichgewichtslage des Thieres dabei nicht verändert wird. Die Beobachtung, dass statocystenlose Careini häufig, wenn sie in Bauchlage in die Höhe gehoben werden und der Rücken gestrichen wird, das letzte Beinpaar zur Umdrehstellung auf den Rücken legen, als befänden sie sich in Rückenlage, spricht da- für, dass die Statocysten nicht nur durch Remanenzbewegung des Wassers wirken, sondern auch ein absolutes Gleichgewichts- organ sind. Auch für die Compensationsbewegungen der Augen lässt sich mit ziemlicher Sicherheit nachweisen, dass sie nicht auf Remanenzbewegung beruhen. Wie auch Clark beobachtete, bewahren die Augen so lange die Compensationsstellung, als die geneigte Stellung des Körpers dauert. Verhindert man vor der Drehung des Körpers die Augen an der Vorstreckung aus den Augenhöhlen und lässt sie einige Stunden nach der Drehung des Körpers frei — eine Zeit, in der die Wirkung (der Remanenz- bewegung längst vorübergegangen sein muss — so nehmen sie doch sofort die der Körperneigung zukommende Stellung ein. Ich liess auch einige Exemplare mit geschwärzten Augen sehr langsam (eine Umdrehung im 2!/, Stunden) sowohl um die Longi- tudinal- wie um die Transversalaxe rotiren; immer wurden bei jedem Stand des Körpers die entsprechenden Stellungen der Augen eingenommen. Es ist nicht gut denkbar, dass bei einer so langsamen Rotation die Remanenzbewegung noch stattfinden oder, wenn sie stattfindet, noch einen Einfluss ausüben kann, Zu einem Gleichgewichtsorgan im engeren Sinne kann die Statoeyste nur werden durch Vermittelung eines Körpers, wel- cher nur durch. die Anziehungskraft der Erde beeinflusst wird. Als soleher könnte, da bei diesen Statocysten der Stein fehlt, das Wasser selbst dienen durch die Verschiedenheit des hydro- statischen Druckes, unter dem die verschiedenen Haare der beiden Cysten stehen. Hier sind wieder zwei Möglichkeiten vorhanden: Entweder kommt es nur auf die absolute Differenz des hydro- statischen Druckes an oder auf die relative. Wenn wir annehmen, dass das oberste Haar der Cyste 4 mm vom untersten entfernt ist, so würde ausserhalb des Archiv f. mikrosk, Anat, Bd. 50 34 530 Albrecht Bethe: Wassers bei horizontaler Lage auf das oberste Haar eine Wasser- säule von, sagen wir, 2 mm auf das unterste von 6 mm drücken, bei vertikaler Lage aber auf beide gleich viel. Würde das Thier 100 Meter, also 100000 mm unter Wasser gebracht, so würden bei horizontaler Lage, da der Druck sich durch den Körper fortpflanzt, auf das oberste Haar 100002, auf das unterste 100006 mm Wasser drücken. Diese jedesmalige Differenz von 4 mm wäre die absolute Differenz, das Verhältniss von 2:6 und von 100002 :100006 wäre die relative Differenz. Für mein Be- sriffsvermögen ist die Wirksamkeit der absoluten Differenz, welche von Jensen (29) und Verworn (30) angenommen wird, un- denkbar. Ich muss diese Möglichkeit für unsern speciellen Fall aber noch aus einem andern Grunde als unannehmbar bezeichnen. Unzweifelhaft sind die Haare in den Statocysten das receptive Ele- ment. Zur Reception verschiedenen hydrostatischen Drucks wären aber Nervenendigungen an der Wand der Cyste ebenso ge- eignet. Wozu diese complicirt gebauten Haare? Die Natur schafft nichts Umnützes! — Dasselbe wäre auch geltend zu machen gegen die Annahme der Wirkung der relativen Druckdifferenz; trotzdem habe ich nach dieser Richtung hin Versuche gemacht. Wäre es die relative Druckdifferenz, so müssten die Compen- sationsbewegungen bei starkem Wasserdruck schwächer werden und schliesslich aufhören. Soviel mir bekannt ist, halten sich nun Careini nur in einer Wassertiefe bis zu 20 m auf. Sie würden also nur noch auf diesen Wasserdruck angepasst sein und müssten bei einem Druck, der darüber hinausgeht, Schwä- chung oder Ausfall der Compensationsbewegungen zeigen. Um den Einfluss des Lichtes auszuschalten wurden die Augen lackirt. Um einen eventuellen Einfluss von Remanenzbewegungen zu ver- hindern, musste langsam unter hohem Druck rotirt werden. Zu diesem Zweck wurde eine Trommel mit Glasscheiben construirt, die durch einen Wassermotor mit stark verlangsamender Ueber- tragung etwa 1 mal in der Stunde rotirt werden konnte. Die Trommel wurde mit Seewasser gefüllt, der Careinus auf ein jrettehen aufgebunden hineingebracht und die Trommel mittelst eines mit Seewasser gefüllten Druckschlaucbes mit der Strass- burger Wasserleitung verbunden, welche laut Manometer bei den Versuchen einen Druck von 4,5 bis 4,7 Atmosphären lieferte, also von etwa 45—47 Meter Wasser. Die Compensations- 1 u Zu Das Nervensystem von Careinus Maenas. 531 bewegungen der Augen erfolgten mit derselben Präcision, wie ohne Druck. Die relativen Differenzen des hydrostatischen Druckes sind also nicht die Ursache der Wirkung der Otoeysten, denn es ist nicht anzunehmen, dass die Thiere auf den vierzigfachen Druck, unter dem sie gewöhnlich leben (1 m unter dem Wasserspiegel ist die gewöhnliche Tiefe) und auf mindestens den doppelten Druck, unter dem sie eventuell noch leben, angepasst sind. Als letzte Möglichkeit bleibt die, dass eine der drei Arten von Statocystenhaare ohne Hülfe von Statolithen, durch die An- ziehungskraft der Erde so beeinflusst werden, dass sie die sta- tische Funetion übernehmen können. Ich hoffe durch Versuche, die ich bald anzustellen gedenke, diese Möglichkeit, für die ich mich entschieden habe, stützen zu können. Exstirpation einer Statoeyste (der rechten). 2. Die complieirten Augenbewegungen. a) Compensationsbewegungen. Die Resultate sind nicht ganz übereinstimmend, ein Einfluss der Operation auf die Com- pensationsbewegungen lässt sich aber immer constatiren. Bei den meisten Exemplaren ist vor allem das gekreuzte (also linke) Auge in seinen Compensationsbewegungen stark herabgesetzt, so dass oft kaum noch Ausschläge bemerkbar sind, das rechte weniger. Bei anderen Exemplaren ist die Störung auf beiden Augen ziem- lich gleich gross. Niemals aber ist das rechte Auge mehr ge- stört als das linke. 4. Der Gang. Bei Linksgang zeigt der Gang keine Anormalität; die Zahl der Schritte ist auf beiden Seiten gleich gross. Beim Rechtsgang aber sind die Schritte auf der linken Seite kleiner als normal, unregelmässig und vermehrt. Ich lasse hier die Resultate der Gangtafeln eines Thieres 5 Wochen nach der Exstirpation der rechten Otocyste folgen: Linksgang. Rechtsgang. r:1=100:100 727 LU0 LIU r:1=100:100 7.1 100:120 r:1=100:123 Der Gang zeigt also normalen Charakter beim Gang nach der gesunden Seite, während beim Gang nach der operirten Seite die Beine der 532 Albrecht Bethe: gsekreuaztien. Seite, eine, SI 1700, man a chesme Vermehrung der Schritte zeigen. Da, wie ich vor- hin gezeigt, bei den doppelseitig statocystenlosen Thieren beim Gang die ziehenden Beine immer normale Schritte machen, wäh- rend die Schritte der schiebenden Seite unregelmässig und ver- mehrt sind, so folgt, dass nur die jeweilig schiebenden (folgenden) Beine unter der Herrschaft einer Statocyste stehen und zwar unter der der gekreuzten Seite. Die Beine der vorangehen- den Seite Führenihre Gansbewe sungen un@b- hängig von den’ Statocysten aus’ Damıizame folgenden (schiebenden) Beinein Vorrelalıon mit den voransehenden Beinen arbeiten, 2sz. de Existenz der Statocyste der vorangehenden Seitenothwendig. 5. Der Aufbäumretlex: erfolgt ‘bei den meisten Exemplaren immer etwas unsymmetrisch und zwar so, dass die linke Seite sich stärker aufbäumt, die linke Scheere mehr er- hoben wird. 6. Beim Starrkrampfreflex ist der Tonus der Extremitäten auf der rechten Seiteschwächer als auf der linken Seite. 9. Umdrehreflex. Die Thiere drehen sich meist wie normale aus der Rückenlage zur Bauchlage um d. h. vorwiegend über das Abdomen und nur selten wie die doppeltoperirten über den Kopf. Hebt man sie in Bauchlage hoch und streicht den Rücken mit der Hand, so wird gelegentlich das rechte letzte Bein zur Umdrehstellung auf den Rücken gelegt. Natürlich tritt dies nur dann ein, wenn der Starrkrampfreflex aufgehört oder wenigstens nicht mehr excessiv ist. Uebrigens wirkt überhaupt das Streichen des Rückens hemmend auf den Starrkrampfreflex ein. DieScehwächung der Muskelkraft auf der operirten Seite. Ich habe bereits beim Starrkrampfreflex erwähnt, dass der Tonus der Extremitäten der operirten (rechten) Seite herabgesetzt ist. Ebenso weist das fast immer unsymme- trisch erfolgende Aufbäumen auf eine Veränderung im Muskel- tonus hin. Ich habe nun bei einigen Thieren die Kraft der Ex- tremitäten direet mit einem kleinen Dynamometer gemessen und gefunden, dass die Muskelkraft der rechten Ex- tremitätennach der Herausnahme der rechten I =. Pa Das Nervensystem von Careinus Maenas. 933 Statocyste abnimmt. Leider konnte ich aus Mangel an Zeit nur eime geringe Anzahl von Versuchen machen, so dass diese Sache werth ist noch einmal nachgeprüft zu werden. Die Differenzen und die Anzahl der Versuche scheinen mir aber doch schon zu genügen, um eben behaupten zu können, dass eine Schwächung der gleichseitigen Muskulatur eintritt. Die Thiere wurden horizontal in Bauchlage mit dem Carapax in eine an einem Stativ befestigte Klammer gespannt, so dass die Beine frei in der Luft schwebten. Als Dynamometer diente eine Spiralfeder, welche mit einem Schreibhebel verbunden war. An der Extremität, deren Kraft zu messen war, wurde am End- glied ein Faden angebunden, dieser horizontal über eine Rolle gezogen und mit dem andern Ende, das eimen Haken trug, an einen endständigen Ring der Spiralfeder gehakt. Der Hebel schrieb mit Farbe auf ein Papier die Ausdehnung der Feder und so das gehobene Gewicht auf. Der Apparat wurde so aufgestellt, dass bei vollkommen gestreckter Extremität der Hebel auf dem Nullpunkt stand. Das Thier wurde dann durch Kneifen der Mundtheile oder des Abdomens zur äussersten Kraftanstrengung aller Extremitäten gebracht. Es ist dabei darauf zu achten, dass keins der andern Beine hinter den Faden hakt und vereint mit dem zu prüfenden Bein zieht. Es wurden nur Thiere ausgewählt, welche vor der Herausnahme der Statocyste auf der linken und rechten Seite gleiche Kraft und gleiche Ausbildung der Extremi- täten zeigten. Dat Zweites Bein | Zweites Bein | Drittes Bein | Drittes Bein Bun links rechts links rechts HR 110 100 6. X. 115 142 SDR s0 65 DR | 74 67 | DE BEERe A BERGER BERN 22 EB BEE 2 DER BEERRR LE en 19.X: 58 | 47 | 3 ERAORT. 50 39 32. 36 24. 28 ee %6. X. 37 | 29 38 | 98 28. X. | 43 | 45 30. X. 40 | al | (Die Zahlen bedeuten das gehobene Gewicht in Gramm.) 534 Albrecht Bethe: Jede Statoeyste übt also ihre Wirksamkeit theils auf die ge- kreuzte, theils auf die ungekreuzte Körperhälfte, theils auf beide aus. Gekreuzt wirkt die Statocyste bei der Gang- coordination, ungekreuzt auf den Tonus der Mus keln, auf beide Seiten (aber auf die gekreuzte stärker) bei den Compensationsbewegungen. Die Methode zur Freilegung des Gehirns und der Gehirn- nerven, Wundverschluss, Wundheilung und Instrumente. (Das Operationsbrett, die Magenpumpe, die Fingerscheere, das Messer, die Beleuchtung.) Um bei den kleinen Verhältnissen, wo es auf Bewegungen von 1/0 Millimeter ankommt, mit Sicherheit operiren zu können, ist eine vollkommene Unbeweglichkeit des Operationsthieres, eine starke Ver- grösserung und eine gute Beleuchtung nothwendig. Das einzig brauch- bare Instrument ist die von Westien (Mechaniker am physiologischen Institut zu Rostock) gefertigte binoculäre Lupe. Jede monuculäre Lupe ist unbrauchbar, da einmal die Focaldistanz meistens nur gering ist und dann die Tiefenverhältnisse, auf die es sehr ankommt, nicht beurtheilt werden können. Ich wende die Lupe in der von Ewald (27) (S. 64) beschriebenen Aufstellung an. Die Beleuchtung geschah wie dort meist mit drei Spiegeln, welche das Licht einer vor dem Ope- rationstisch angebrachten Lampe auf das Object werfen. Gestattet die Oertlichkeit nur eine verhältnissmässig kleine Oeffnung, durch die man in grössere Tiefe vordringen muss, so gelangt das Licht der Spiegel nicht mehr bis in die Tiefe. Ich bediente mich in diesem Falle nur zweier Spiegel: eines grossen mit einer Linse versehenen, der hinter der Lupe mit einem Kugelgelenk befestigt ist, und eines kleinen Plan- spiegels von 1,5 cm Durchmesser, welcher an einem 21/, mm starken und 10 cm langen Bleidraht am Vorderrand der Lupe angebracht ist. Der Bleidraht gestattet den Spiegel an jeden beliebigen Platz im Umkreise von 10 cm zu bringen. Das von der Lampe kommende Licht wird mit dem grossen Spiegel auf den kleinen geworfen und dieser an den vorderen Rand der Wundöffnung gebracht und nun so, eingestellt, dass das vom grossen Spiegel kommende Licht nach unten in die Wund- öffnung hinein reflectirt wird. Auf diese Weise kann man bis in grosse Tiefe helles Licht bekommen. — Die Fesselung geschieht leicht durch Aufbinden auf ein passendes Brett. Wie vorher erwähnt, werden die Beine, wenn sie festgebunden sind, leicht autotomirt. Das Thier ist hierzu aber nicht im Stande, wenn alle Beine und die Scheere einer Seite mit einem gemeinsamen Bande gefesselt sind. Ich lege daher zunächst um Beine und Scheere jeder Seite einen Bindfaden, welcher oberhalb der dritten Glieder mit einem einfachen Knoten zusammen- a j Das Nervensystem von Careinus Maenas. 595 gebunden wird, die Enden werden dann durch die Löcher A und B des Brettes (Fig. 8, Taf. XXV) gesteckt und mit einer Schleife auf der Unterseite des Brettes vereinigt. (Um das Durchstecken der Fäden zu erleichtern, bediene ich mich eines Drahtes, der an einem Ende eine Oese hat). Ist das Thier in dieser Weise in Rückenlage oder Bauch- lage befestigt, so werden Fadenschlingen um das letzte Gelenk der Scheeren gelegt, das eine Ende des Fadens zwischen den Scheeren- ästen durchgezogen, mit dem andern zusammengebunden und unter Anziehung des Fadens um den Nagel a des Brettes geschlungen. Bei Bauchlage brauchen die Beine nicht noch weiter gefesselt zu werden, bei Rückenlage müssen sie aneinander gebunden an den Nägeln e ausgestreckt befestigt werden. Jetzt ist das Thier noch sehr” wohl im Stande sich zu bewegen, da der Thorax noch nicht gefesselt ist. Es wird zu diesem Zweck ein Faden von unten her durch das Loch © und D gezogen, das durch D gesteckte Ende über den Thorax nach E und das andere ebenfalls über den Thorax nach F' geführt. Dann werden sie durch diese Löcher durchgesteckt, die Fäden in die Kerben zwischen 1. und 2. Zahn des Vorderrandes des Thieres gelegt und auf der Unterseite gut angezogen und zusammen gebunden. Dadurch wird der Thorax unverrückbar an das Brett angedrückt. Da das Blut im Körper unter einem positiven Druck steht, so würde beim Oeffnen der Körperhöhle eine nicht unbeträchtliche Menge ver- loren gehen. Dies ist nun leicht zu vermeiden. Einen nicht unbedeu- tenden Raum der Körperhöhle nimmt der stets mit Nahrung oder Ver- dauungssekret gefüllte Magen ein. Nimmt man nun den Inhalt des Magens heraus, so wird der Blutdruck, da der Körper ein unnach- giebiger Kasten ist, herabgesetzt. Man erreicht dies leicht durch die Anwendung einer einfachen Magenpumpe. Da man mit derselben feste Nahrung nicht entfernen kann und bei einer Füllung des Magens mit festen Stoffen auch aus anderen Gründen das Herankommen an den Magen sehr erschwert ist, so lasse ich die zur Operation ausge- wählten Exemplare 1—2 Tage vorher hungern. Der Magen ist daun immer nur mit Flüssigkeit gefüllt. Die Magenpumpe besteht aus einem Glasrohr von etwa 10—15 cm Länge und einem Lumen von 6—-7mm, welches an einem Ende zu einer dünneren (aber nicht zu dünnwandigen) Röhre von etwa 3mm Durchmesser ausgezogen ist. Der dünnere Röhrentheil ist 2 em lang, 140-1500 gegeu den dickeren Theil geneigt und am Ende rund zu- geschmolzen. Unterhalb des zugeschmolzenen Endes sind nach zwei Seiten zwei recht grosse Löcher in die Wand hineingeblasen. Auf das andere Röhrenende ist ein Schlauch mit einer Schiauchklemme aufgesetzt. Nachdem das Thier gefesselt ist, breitet man die äusseren Maxillar- füsse auseinander, schiebt von vorne her die knopfartige Spitze der Kanüle unter die Mandibeln bis zur Mundöffnung und biegt die Röhre etwas nach unten um. Beim Berühren des Mundes öffnen sich refleetorisch die erst 536 Albrecht Bethe: stark zusammengepressten Mandibeln und man kann nun die Canüle bis zur Umbiegungsstelle durch den Oesophagus in den Magen schie- ben. Es muss dies ganz leicht und ohne Widerstand gehen. Nur bei den ersten Versuchen passirte es, dass man dabei den Oesophagus oder den Magen durchsticht. (Austritt von Magensaft in die Leibeshöhle hat baldigen Tod zur Folge.) So wie die Canüle mit den seitlichen Oeffnungen in den Magen gelangt ist, steigt eine Flüssigkeitssäule von 1—3 cem in der Röhre empor. Dies ist der Ueberdruck des Blutes. Häufig sieht man die Flüssigkeitssäule rhythmisch hin und her schwanken als Ausdruck der vom Herzen kommenden Blutwelle. Ich verdünne nun durch Saugen die Luft im Schlauch, wobei noch etwas mehr Flüssigkeit in die Röhre tritt und klemme den Schlauch ab. Ist dann noch Magenflüssigkeit im Magen vorhanden, so tritt sie beim Oeffnen des Carapax in die Canüle aus. Zur Freilegung des Gehirns ist die einzig brauchbare Methode die Eröffnung vom Rücken her. Wenn man von unten eröffnet, wie frühere Experimentatoren thaten, so muss man eine oder beide Anten- nen opfern und bekommt doch kein genügend grosses Operationsfeld. Ausserdem ist der Verschluss in diesem Fall schwierig. (Das Thier wird in Bauchlage gefesselt.) Zuerst wird der Carapax in seinem vor- deren Theil mit Alkohol und dann mit Wasser gut gereinigt. (Ich habe Sauberkeit der Operationsfläche und der Instrumente bei diesen Thieren für nicht unwesentlich erkannt. Bei verschiedenen Thieren, die ich in der ersten Zeit operirte, wo ich noch nicht die Instrumente reinigte, schien der baldige Tod in Folge von Infeetion irgend welcher Art eingetreten zu sein.) Darauf setzte ich die scharfen Spitzen einer starken Zange mit 2 cm langen Branchen der Reihe nach in den Punkten A—B, B—C, C—D, D-E und E—A ein und schliesse die Zange unter ziemlich kräftigem Andrücken (Taf. XXV, Fig.9). Bei eini- ger Uebung gräbt man so vier tiefe Rinnen in das Chitin ein, ohne das darunter gelegene Epithel zu verletzen. Bei der Strecke E—A springt dann gewöhnlich das eingeschlossene Chitinstück heraus, im andern Fall wird es herausgehebelt. Das Epithelhäutchen liegt dann unverletzt zu Tage, bedeckt mit einer Schicht austretenden Serums. In Folge des negativen Drucks in der Canüle sinkt es unter Austritt des Restes des Magensaftes ein. Ich schneide nun, nachdem kleine abgeebrochene Chitinstücke mit einer Pincette und einem weichen Pin- sel entfernt sind, mit einer Scheere das Epithelhäutchen an beiden Seiten und vorne dicht am Rande des stehen gebliebenen Chitins ein, wobei es sich etwas zusammenzieht. Man sieht dann am Vorderrande die beiden vorderen Magenmuskeln, welche sich über dem Gehirn an einem Wulst des Rostrums inseriren. Sie werden dicht an der Inser- tionsstelle durchschnitten und nun sinkt der ganze Magen, gezogen von den hinteren Magenmuskeln nach hinten und es entsteht vor dem Magen eine Lücke, welche mehr oder weniger mit Blut gefüllt ist. (Man kann dann, wenn es nöthig ist, den Magen noch etwas mehr N Das Nervensystem von Careinus Maenas. 537 nach hinten drücken.) Durch den nach hinten gezogenen Magen wer- den die Blutgefässe ziemlich stark comprimirt, so dass sehr wenig Blut nach vorne tritt. (Bis dahin darf kein Tropfen Blut bei einer guten Operation verloren gegangen sein.) Hierauf wird mit einer reinen Glaspipette das Blut aus dem entstandenen Raum zwischen vorderer Magenwand und Vorderwand des Körpers herausgesogen, worauf man meist bereits die Tegumentarii in der Tiefe erblickt. (Fliesspapier ist zum Aufsaugen des Blutes in der Leibeshöble nicht zu verwenden, da zurückbleibende Fasern nach meinen Erfahrungen Schaden stiften.) Das Gehirn und die übrigen Nerven sind noch verdeckt von einer Lage Bindegewebe und zwei kleinen Muskeln. Das Bindegewebe wird mit einer E w ald’schen Pincette (27 Seite 69) abgezogen, ebenso die Muskeln. Es liegt dann Gehirn und Nerven zur Operation frei. Will man nur an den Nerven operiren, so ist die Abhebung der beiden kleinen Muskeln nicht nothwendig. Bei Weibchen ist das Bindegewebe gewöhnlich derber und schwerer vom Gehirn zu entfernen; hier reichen auch die Ovarien von beiden Seiten ziemlich dicht an das Gehirn heran, so dass das Operationsfeld beengt ist. Männchen eignen sich auf jeden Fall für die Operationen mehr als Weibchen, da sie eine beträchtlichere Grösse erreichen. In Plymouth bekam ich die grössten Exemplare. Die Neapler waren in der Regel bedeutend kleiner, noch kleiner die Helgoländer. Die Luft, welche sich nach der Operation in der Operationshöhle befindet, muss entfernt werden, da sie sonst in die Blutgefässe über- tritt und so den Tod des Thieres herbeiführt. Es geschieht dies auf die Weise, dass man vorsichtig den in der Canüle befindlichen Magen- saft nach Lösung der Schlauchklemme in den Magen zurückbläst und den Schlauch wieder zuklemmt. Dadurch legt sich der Magen wieder nach vorne, die Spalten füllen sich mit zuströmendem Blut und das auf dem Magen liegende Epithelhäutchen kommt wieder an die alte Stelle, wo es noch etwas mit einer Pincette zurechtgeschoben wird. Ueber Magen und Epithel sammelt sich eine kleine Menge Blut an. Ich nehme dann ein Stück Modellirwachs, knete es zu einer Platte von 2—3mm Dicke und der Grösse der Wundöffnung, sauge mit Fliess- papier sorgfältig das über die Wundränder getretene Blut ab, bis das Chitin trocken ist, und lege die Wachsplatte mit sanftem Druck darüber. Man kann dies bei einiger Uebung so machen, dass kein Tropfen Blut über die Ränder tritt, das Wachs gleich auf dem Chitin haftet und doch keine Luft in der Höhle zurückbleibt. Es schadet aber nichts, wenn an einer oder der anderen Stelle etwas Blut unter dem Wachs vorquillt. Es wird mit Fliesspapier abgesogen und dann das Wachs an dieser Stelle mit einem Fliesspapierbausch von einer anhaftenden Stelle ausziehend festgepresst. Haftet das Modellirwachs ringsherum, so wird ein dicker Spatel über der Flamme so weit erwärmt, dass es zischt, wenn er an’s Wachs kommt und mit diesem das Wachs 53—4 mm nach allen Seiten über das trockene Chitin gezogen. Dabei soll der 538 Albrecht Bethe: heisse Spatel dem Chitin aufgedrückt werden und an jeder Stelle einige Sekunden verweilen, damit das Chitin erwärmt wird und das Wachs besser haftet. Hierauf wird die Schlauchklemme gelöst und die Kanüle aus dem Mund gezogen. Der Blutverlust beschränkt sich bei dieser Art zu operiren auf die Quantität, welche man aus der Operationshöhle heraussaugt. Das ist zwischen 1/, und 11/;, ccm Blut. Pumpt man den Magen nicht aus. so gehen 2, 3, ja 4 cem verloren; ausserdem ist es dann sehr schwer, an das Gehirn heran zu kommen, da der Magen darüber liegt und schwer ohne zu zerreisen reponirt werden kann. Die Methode des Wundverschlusses mit Modellirwachs ist bereits vor mir, wie ich nachträglich sehe, von Lemoine (3l) angewandt worden. Spätere Forscher haben sie leider nicht angewandt. Sie hätten ihre Thiere dann länger am Leben erhalten können. Am Besten eignet sich das blaue Modellirwachs, das in England verkauft wird. Das hier in Strassburg fabrieirte rothe haftet weniger gut auf nicht ganz trockenen Flächen. Ein gut aufgesetzter Wachsverband hält mindestens 2—3 Wochen bei lebhaften Bewegungen des Thieres, auch wenn sich das Thier oft auf dem Rücken wälzt. Da das Wachs auch bei nie- driger Temperatur nie ganz hart wird, so ist es rathsam, nicht meh- rere Thiere in einem Bassin zusammen zu halten, da sonst leicht beim Uebereinanderklettern das eine Thier mit dem Fuss durch den Ver- band des andern sticht. In einigen Fällen hielt der Wachsverband meh- rere Monate. Bei guter Ernährung halten sich die operirten Thiere Wochen und Monate lang. (Mein ältestes Thier überdauerte die Operation 86 Tage und starb dann in Folge einer zufälligen zu starken Erwärmung des Wassers.) Nur selten stirbt ein Thier am zweiten oder dritten Tag nach der Operation; meist ist dann irgend ein Fehler begangen, der Magen oder die Leber verletzt oder der Verband aufgegangen. Nach einigen Wochen findet man, wenn der Epitheldefekt nicht zu gross war, die Epithelränder aneinander gewachsen und das frei unter dem Wachs liegende Epithel mit einer dünnen Chitinschicht überdeckt, welche aber nie verkalkt ist. In einigen Fällen verwuchs bei grösseren Epitheldefekten der Epithelrand mit dem Epithel des Magens. Das Magenepithel stiess sich dann an der Stelle, wo es nicht vom äusseren Hautepithel überdeckt war, ab, so dass nur die innere Chitinauskleidung des Magens übrig blieb. Die Körperwand wurde dann von normalem mit altem Chitin überzogenen, von altem mit jungem Chitin überzogenen Körperepithel und dem Chitin des Magens gebildet. In Fig. 7, Tafel XXV ist ein Schnitt durch eine solche Stelle abgebildet. Die zu den Operationen verwandten Instrumente sind sehr ein- fach. Ausser der Zange zum Oeffnen des Chitinpanzers, einer gewöhn- lichen kleinen graden Scheere zum Aufschneiden des Epithels, einiger graden und gebogenen Pincetten und einer stark gekrümmten und ni a a + St beein er u A Das Nervensystem von Careinus Maenas. 539 spitz zugeschliffenen Ewald’schen Scheerenpincette (27 S. 69) wandte ich noch drei besondere Instrumente zu den Operationen an: 1. Feine Haken. Eine 0,5 mm dicke Insectennadel ist in einen Holzstiel gesteckt (der nicht zu dünn sein soll) und 2—-3 mm vor der Spitze dünn geschliffen, sodass der letzte Millimeter nur 0,15 mm dick ist und sich dann zu einer scharfen Spitze schnell verjüngt. Das dünne Ende wird über die Spitze einer feinen englischen Nähnadel gelegt und mit einem harten Holz halbkreisförmig herum gebogen. Auf diese Weise erhält man einen halbkreisförmigen Haken von 0,2 bis 0,25 mm Breite. Nach der Fertigstellung wird der Haken, um ihn gegen Rost zu schützen, versilbert. Ein solcher Haken wird so mon- tirt, dass er in der Ebene des Hakens am Ansatz des Holzstiels im Winkel von 150° nach oben gebogen ist, ein anderer so, dass er um den gleichen Winkel nach unten gebogen ist. Bei einem anderen Paar der ersten Gattung ist die Spitze des Hakens nach rechts und nach links aus der Ebene der Krümmung herausgebogen. 2. Das kleine Messer. Alle in den Handel kommenden Messer sind viel zu grob, um damit die feineren Operationen ausführen zu können. Ich habe mir deshalb Messer von sehr grosser Feinheit auf folgende Weise hergestellt. Eine feine englische Nähnadel wird ihrer Spitze beraubt, in einen Feilkloben gespannt und auf eine Strecke von 5mm so dünn wie möglich von zwei Seiten abgeschliffen. Eine Dicke des Blattes von 0,06—0,07 mm auf die letzten 2mm lässt sich gut erreichen. Das Blatt wird dann durch Schleifen auf 0,2 mm ver- schmälert, die eine Seite scharf geschliffen und die Spitze im Winkel von 30—40° zugeschliffen. Montirt wird das Messer, indem man es mit dem dicken Theil in eine endständige Bohrung von l1cm Tiefe eines Bleidrahtes von 23,5 mm Dicke und 4—-5 cm Länge versenkt, den Bleidraht von beiden Seiten mit einer Zange anpresst und mit dem andern Ende in einen Holzstiel befestigt. Bleidraht ist sehr wenig elastisch aber gut biegsam, sodass man dem Messer jede nöthige Stellung geben kann. 3. Die Fingerscheere. Um unter der Westien’schen Lupe in einem ziemlich kleinen und tiefen Loch noch in jeder Richtung, be- sonders aber senkrecht mit einer Scheere hantiren zu können, musste eine besondere Scheerenform construirt werden. An einem Ring, der über das Endglied des rechten Zeigefingers geschoben werden kann, ist auf der dem Daumen zugewandten Seite der eine Arm einer Scheere von 3,5 cm Länge mit 5mm langen Schneidflächen befestigt. Eine Feder zwischen beiden Scheerenarmen öffnet sie. Der freie Scheerenarm ist kürzer, etwas nach. innen gebogen und am Ende verbreitert und angeraut (Fig. 11, Tafel XXX). Die Scheere wird mit dem Zeigefinger leicht dirigirt und durch Druck des Daumens geschlossen. (Mechaniker Streissgut in Strassburg fertigt die Scheere auf Verlangen an.) 540 Albrecht Bethe: Die Qualitäten der peripheren Nerven. Beiden Nerven, welehe vom Bauchmark ent- springen, habe ich mich darauf beschränken müssen, sie electrisch zu reizen, da das Operiren an denselben mit nach- heriger Beobachtung durch die kurze Zeit, welche die Thiere nach derartigen Operationen am Leben bleiben, nutzlos gemacht wird. Das Thier wurde schnell von oben geöffnet, die Einge- weide herausgenommen, das Bauchmark mit den abgehenden Nerven freigelegt und der Thorax mit den beiden seitlichen Spitzen in einen dazu gebauten Halter gespannt, so dass die Beine frei herabhingen. Die meist in einer Zahl von 5—6 von einem Ganglion entspringenden Nerven wurden unter der Westien’schen Lupe der Reihe nach (so lange die Nerven noch erregbar waren, und dies währt nur wenige Minuten) durch- schnitten und erst der centrale, dann der periphere Stumpf mit Inductionsströmen gereizt, welche durch zwei spitze Platinelec- troden von 0,2 mm Abstand zugeleitet wurden. Der Stromkreis wurde mit einem Fussschlüssel geschlossen und geöffnet. Das Resultat der Reizung beobachtete ich entweder selber, indem ich mittelst eines Fadens, der über Rollen lief und einerseits an der Lupe andererseits an meinem linken Fusse befestigt war, die Westien’sche Lupe fortzog, oder liess es wenn möglich von einem Assistenten angeben. Ich kam dabei zu folgendem Re- sultat: 1. Bei der Reizung des centralen Stumpfes eines jeden Bauchmarknerven tritt eine allgemeine Reaction des Thieres auf. 2. Bei der Reizung des peripheren Stumpfes tritt immer eine Bewegung in der zugehörigen Extremität derselben Seite auf und zwar fast immer in ganz bestimmten Muskelgruppen, so dass z. B. bei Reizung des hintersten Nerven des vierten Beinganglions sich nur das Endglied beugt, bei Reizung des vorletzten das 3ein sich im zweiten Glied nach hinten bewegt, während es sich bei Reizung des vordersten Nerven nach vorne bewegt unter gleichzeitiger Hebung im ersten Glied u. s. w. Ich habe diese Verhältnisse nieht ganz genau studiren zu müssen geglaubt, da sie für die vorliegende Untersuchung von untergeordnetem Inter- esse sind und mich mit der Feststellung dieser beiden That- sachen begnügt, aus denen hervorgeht, dass alle Nerven des Das Nervensystem von Careinus Maenas. 541 Bauchmarks gemischter Natur sind, dass sie näm- Fichzun gleicher ZeitReize-zaum Gentralorean hinleiten und motorische Impulse vom Central- organ zuden Muskeln befördern. Die Nerven des Gehirns. Tegumentarius. Durchschneidet man diesen Nerv und reizt den centralen Stumpf mechanisch oder eleetrisch, so erfolgt heftiges Einklappen der Augen und Antennen und eventuell bei stärkerem Reiz Strampeln mit dem Beinen. Reizt man den peripheren Stumpf;so erfolgt keine ke- action. Durchsehneidet man den Nerv z. B. auf der rechten Seite und verschliesst die Mundöffnung in der vorhin angegebenen Weise, so ist eine Lähmung in keinem Anhange des Kopfes zu bemerken, Antenne und Augen beider Seiten sind refleetorisch. Dagegen bleibt Berührung folgender Gebiete ohne Reaction von Seiten der Augen und zweiten Antennen (die ersten An- tennen sind zu leicht durch Bewegung des Wassers und Er- schütterung des Körpers zur Einziehung zu bringen, dass sie nicht gut zur Prüfung dienen können. Der Defect in der äusseren Haut hat diese Ausfälle nieht zur Folge): Reizung der Kopf- haut auf der rechten Seite von der Mitte bis zum dritten Zahn und nach hinten bis zur Furche, auf der Unterseite bis zu den Maxillarfüssen und der Haarreihe vor den Scheeren, auf Reiz der Augengrube und der Umgebung der Antennen. Da- gegen erfolgt nach wie vor Einklappen von Auge und zweiter Antenne bei Reiz des rechten Augenstiels und der rechten An- ftennen. Es ist also der Tegumentarius ein rein receptorischer Nerv, der Reize von der ganzen: Kopfhaut mit Ausschluss des Augenstils, der ersten und zweiten Antenne zum Gehirn leitet. Antennariussecundus. Die Reizung des centralen Stumpfes ruft Einziehung aller Kopforgane und Nachvornegreifen mit den Scheeren hervor. Reizung des peripheren Stumpfes be- wirkt Flexion der zweiten Antenne, bei stärkerem Reiz tetani- sches Zucken. Eine reine Streckung kann nicht hervorgerufen werden, da offenbar die Fleetoren die Extensoren bei weitem an ‚Kraft übertreffen. — Nach Durschneidung des Nerven ist die 542 Albrecht Bethe: zweite Antenne dauernd gelähmt, und ihre Reizung bewirkt keine Reactionen von Seiten des Thieres. Oeulomotorius. Die Reizung des peripheren Stumpfes bringt meist vollkommene Flexion des Auges hervor (Einklappen). Bei geeigneter Abstufung des Stromes gelingt es bisweilen das Auge zur Streekung zu bringen. Bei stärkerem Reiz tritt teta- nisches Hin- und Herzucken zwischen einer mehr tendirten und einer mehr flectirten Lage ein. Nach Durchschneidung des Nerven und Verschluss der Wunde wird das Auge nicht mehr auf Reiz eingeklappt und wird auch nicht vorgestreckt. Es bleibt stehen, wie man es stellt. Trotzdem ist das Auge nicht vollkommen gelähmt. Dreht man das Thier um 90° nach unten um die Transversalaxe, so macht das Auge eine schwache Bewegung dorsalwärts, dreht man es um 90° um die Longi- tudinalaxe, so dass das Auge der operirten Seite unten ist, dann bemerkt man eine schwache Bewegung zur Mitte hin. Da der Optieus und Oculomotorius eine gemeinsame Scheide haben, ist die Durchschneidung eines dieser Nerven nicht ganz leicht. Besonders macht es Schwierigkeiten den viel stärkeren Opticus zu durchschneiden, ohne den Oculomotorius zu verletzen. Ich spalte mit dem kleinen Messer nach Bloslegung beider Nerven die Scheide, durch welche beide Nerven durchschimmern, und durchschneide dann den betreffenden Nerven vorsichtig mit der Fingerscheere. Optieus. Reizung des centralen Stumpfes gibt allge- meines Zueken des Thieres und Hinfahren mit den Scheeren. Reizung des peripheren Stumpfes gibt meist eine deutliche Be- wegung des Auges nach oben-aussen, bisweilen eine Bewegung nach unten-innen. — Nach Durchschneidung des Optieus ist das Auge auf Reiz der Kopfhaut, der Augengrube und der Antennen gut einziehbar und es kommt von selbst wieder vor. Bei Drehung um 90° um die Transversalaxe wird das Auge zwar in der Rich- tung der Longitudinalaxe eingestellt aber nöcht wie das Auge der unoperirten Seite dorsalwärts geführt. Es bleibt im Körper- horizont stehen, wird also nicht an den dorsalen Augenhöhlen- rand angelegt. Bei Drehung um 90 um die Longitudinalaxe, so dass das Auge der operirten Seite unten ist, wird das Auge „war der Mittellinie genähert, aber nicht so stark wie normal und es wird dabei nieht wie sonst zugleich dorsal bewegt. (Ein- seitige Blendung hat nieht die Ausfälle zur Folge.) Bei Reizung Das Nervensystem von Careinus Maenas. 543 des Augenstiels war in den meisten Fällen eine Reaction von Seiten des Auges oder der zweiten Antennen nicht zu bemerken. In einem Fall schien dagegen eine schwache Reaction zu be- stehen. Nach Durchschneidung von Optieus und Oculomotorius fehlte immer jede Reaction auf Reiz des Augenstiels. Demnach lässt sich nicht mit Sicherheit behaupten, ob nicht vielleicht auch der Oculomotorius centripetalleitende, tangorecep- torische Fasern vom Augenstiel zum Gehirn führt; jedenfalls läuft aber der Hauptantheil dieser Fasern im Opticus. Somit ist von den Gehirnnerven der Tegumentarius rein receptorisch, als einziger Nerv des ganzen Thieres. Rein motorisch ist vielleicht der Oculomotorius. Der Opticus führt ausser den photoreceptorischen auch tangoreceptorische und motorische Fasern. Literaturverzeichniss. 1. Bethe, Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 44. 2. Derselbe, Anatom. Anzeiger. Bd. XI. 3. Allen, Edg. J., Quarterly Journal of mikrosc. Science Vol. 36. Part. 4. 4. Derselbe, Quarterly Journal of mikrose. Science Vol. 39, Part. 1. 5. Claus, Zoolog. Anzeiger 1891. 6. vom Rath, Zoolog. Anzeiger 1891 u. 92 und Berichte d. naturf. Gesellsch. Freiburg i. B. Bd. IX. 7. Bethe, Zoolog. Jahrb. Abth. f. Anat. u. Ont. Bd. VIII. 8. Retzius, Biolog. Unters. Neue Folge. Bd. 7. Jena 189%. 9. Milne Edwards, Histoire naturelle des Crustac6s. 10. Krieger, Zeitschr. f. wiss. Zool Bd. XXXII. 11. Berger, Ber. aus d. zool. Inst. zu Wien. Bd. I. 12. Parker, Mittheil. d. zool. Station zu Neapel. Bd. XII. 13. Young, Comptes rendus 1879. 14. Haeckel, Die Perigenesis der Plastidule u. s. w. Berlin 1876. Derselbe, Der Monismus u. s. w. Bonn. 1892. 15. Du Bois-Reymond, Ueber die Grenzen des Naturerkennens. Die 7 Welträtsel. Leipzig 1884. 16. Noll, Bericht üb. d. Senkenberg. naturf. Gesellschaft zu Frank- furt a. M. 1896. 17. Wundt, Grundzüge der physiologischen Psychologie. Leipzig 1887, Fig. Fig. Fig. Albrecht Bethe: Nagel, Bibliotheca zool. v. Leuckart u. Chun. Heft 18. Iu.Il. Stuttgart 1894. Eimer, Die Entstehung der Arten auf Grund Vererbung erwor- bener Eigenschaften. Jena 1888. v. Uexküll, Zeitschr. f. Biologie. Bd. XXXIL } Bickel, Pflügers Arch. Bd. LXV. 4 Clark, Centralblatt für Physiologie 189. Derselbe, Journal of Physiol. Vol. 19. 1896. List, Mittheilungen der zool. Station zu Neapel. Bd. XI. Kreidl, Sitzb. d. kais. Akad. d. Wiss. in Wien. Bd. 102. 1893. Frenzel, Pflüger’s Archiv _Bd. 50. Milne Edwards, Annales d. scienc. natur. 2. Serie, T. XI. 1839. Ewald, Physiol. Unters. über d. Endorgan d. Nervus octavus. Wiesbaden 1892. . Bethe, Biolog. Centralbl. 1894, Jensen, Pflüger’s Archiv. Bd. 53. 1893. Verworn, Allgemeine Physiologie. Jena 189. Lemoine, Annal. d. sciene. natur. 1868. Ward, Journal of Physiol. 1879. List, Morphologisches Jahrbuch Bd. 22. 1895. Verworn, Pflüger’s Archiv Bd. 65. 1896. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXV—XXX. Alle Abbildungen beziehen sich auf Careinus Maenas. Tafel XXV. 1. Gehirn und Bauchmark zur Veranschaulichung des Verlaufs der Gehirnnerven (aus mehreren Zeichnungen nach frischen Präparationen combinirt und etwas schematisirt und ver- srössert. Der Carapax ist von oben eröffnet und rechts bis zum Vorderrande fortgeräumt, das Gehirn nach hinten ge- zogen, um den Antennarius I sichtbar zu machen). 2 und 3. Bauchmark nach Methylenblaupräparaten (aus vielen Präparaten combinirt). Vergrösserung : Leitz Ocul. I, Obj. 1. Die Fasern wurden mit Obj. 3, 5 und 7 verfolgt. Das Aus- breitungsgebiet der einzelnen Fasern hält sich streng an die Originale. Erklärung der Einzelheiten im Text Seite 464—469. Motorische Elemente roth, receptorische (sensible) blau, Com- missurelemente (Associationselemente) schwarz. 4. Fussschrift auf ?/; verkleinert. Gangart III. Spuren der linken ie Fig. Fig. Fig. Fig. x 1. Das Nervensystem von Careinus Maenas, 545 Beine schwarz (arabische Zahlen), der rechten roth (römische Zahlen). Fussschrift auf ?/; verkleinert. Gangarl IV. Spuren der rechten Beine schwarz (römische Zahlen), der linken roth (arabische Zahlen). Kopfchitin eines eben gehäuteten Weibchens in der Flächen- ansicht. Leitz Ocul. I, Obj. 3. Auf ?/, verkleinert. Schnitt durch die Haut des Carapax und die Magenwand von einem operirten Thier, bei welchem Körperepithel und Magenepithel verwachsen waren. Leitz Ocul. I, Obj. 1. Operationsbrett auf !/, verkleinert. Die Einsatzpunkte der Zange zur Eröffnung des Carapax. Tafel XXVI. Gehirn von oben, combinirt aus mehreren Meihylenblau- präparaten. Leitz Ocul. I, Obj. 3,5 u. 7. Tafel XXVI. Gehirn von oben, combinirt aus mehreren Methylenblauprä- paraten. . Leitz Ocul. I, Obj. 3, 5 u. 7. Gehirn von oben nach Abtragung der oberflächlichen Schichten, combinirt aus mehreren Methylenblaupräparaten. Leitz Oc. I, Obj. 3, 5 und 7. Tafel XXVII. Gehirn von unten, combinirt aus mehreren Methylenblau- präparaten. Leitz Oc. I, Obj. 3.5 und 7. Tafel XXIX. Gehirn von oben, combinirt aus mehreren Methylenblauprä- paraten. Leitz Ocul. I, Obj. 3, 5 und 7. 2—8. Schnitte einer Querschnittserie durch das Gehirn, gefärbt Sa: nach einer neuen Methode, mit Einzeichnung von Fasern aus Querschnittserien von Methylenblaupräparaten. Leitz Oec. I, Obj. 3. Auf 1/, verkleinert. Fig. 2, 180 u vom Vorderrande des Gehirns entfernt, Fig. 3 250 u, Fig. 4 330u, Fig. 5 380 u, Fig. 6 460 u, Fig. 7 580 u und Fig. 8 610 u (Zeichenapparat). -, 9 u. 10. Horizontalschnitte durch die linke Seite des Gehirns. Leitz Ocul. I, Obj. 3, auf !/, verkleinert. (Zeichenapparat.) Sagittalschnitt durch den rechten Globulus und die Gehirn- nerven. Leitz Ocul. I, Obj. 3, auf !/, verkleinert. (Zeichen- apparat.) . Querschnitt durch das Chitin des Kopftheils des Carapax eines eben gehäuteten Weibchens. Leitz Ocul. I, Oelimmersion l/&, auf 1/, verkleinert. 546 Albrecht Bethe::Das Nervensystem von Careinus Maenas. Tafel XXX. .1. Schema der vier Gangarten. (Die gleichzeitig arbeitenden Beine mit gleichen Zeichen an den Enden der Beine versehen.) u. 3. Schema der Gangart 1. 2 . 4. Schema der Gangart II. 5. Schema der Gangart IV. Fingerscheere. 6 . 7. Fussschrift des Vorwärtsganges, auf ?/, verkleinert. 6) —12. Darstellung der Compensationsbewegungen. er > -} (Aus dem physiologischen Institut zu Breslau.) Beiträge zur Kenntniss der Drüsen in der Nasenschleimhaut. Von Max Goerke. Hierzu Tafel XXXI. Geschiehtlicher Ueberblick. Bekanntlich hat man früher alle Drüsen, welehe durch ihr Sekret die Oberfläche von Schleimhäuten feucht erhalten, insge- sammt als Schleimdrüsen bezeichnet, ohne sich dabei zu fragen, ob diese Drüsen nach der Beschaffenheit ihres Sekrets und nach ihrem mikroskopischen Bau auch wirklich als physiologisch und anatomisch einheitliche Elemente aufzufassen wären. So haben auchBowman (1) und Max Schultze (2), welche die ersten umfassenden Untersuchungen über die Drüsen der Nasenschleim- haut anstellten, dieselben gemäss des zähen fadenziehenden Sekrets, das von der Schleimhaut abgesondert wird, und in Analogie mit den Drüsen anderer Schleimhäute zu den glandulae muciparae gerechnet, ohne zu entscheiden, ob dies Sekret ausschliesslich von den Drüsen geliefert wird und nicht erst durch Beimengung des von den Becherzellen abgesonderten Schleims seinen fadenziehenden Charaker erhält. Erst R. Heidenhain’s grundlegende Unter- suchungen über die Speicheldrüsen haben gezeigt, dass die ein- zelnen Drüsen, wie in ihren Sekreten, so in ihrem mikroskopischen Bau Differenzen erkennen lassen, und dass den „Unterschieden in den Sekreten auch mikroskopisch ganz eonstante Unterschiede der secernirenden Zellen entsprechen“. Diese Untersuchungen hat A. Heidenhain (3) auf die Drüsen der Nasenschleimhaut ausgedehnt, und er gelangte durch Versuche und durch mikrochemische Reaktionen zu dem Ergeb- nisse, dass die Drüsen und zwar sowohl diejenigen der Riech- schleimhaut, als auch die des respiratorischen Theiles der Nase bei den meisten von ihm untersuchten Thieren (Hund, Schwein, Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 B) 548 Max Goerke: Schaf, Kaninchen) zu den Eiweissdrüsen oder, wie er sie nannte, zu den serösen Drüsen zu rechnen seien. Die weiteren Arbeiten, die über diesen Gegenstand veröffentlicht wurden, brachten durch- aus keine Entscheidung in die Frage nach der Natur der Drüsen, sie sprachen bald zu Gunsten der Befunde A. Heidenhain's, bald gegen dieselben. Im Jahre 1884 erschienen fast gleich- zeitig zwei neue Arbeiten: die eine, von Dogiel (4), bestätigte die Angaben Heidenhain’s für die olfactorische Region, in der anderen, von Paulsen (5), wurde die Ansicht geltend gemacht, dass die Drüsen, insbesondere die Bowman'schen Drüsen, ge- mischter Natur wären, d. h. Schleimzellen und Eiweisszellen ver- eint enthielten. Von beiden Forschern wurde der respiratorische Theil der Schleimhaut nur ganz nebenbei untersucht, doch auch in diesem will Paulsen durch seine Färbemethoden mit Osmium- säure-Haematoxylin Drüsen nachgewiesen haben, die durch ihren mikroskopischen Bau und namentlich durch bestimmte Farben- reaktionen deutlich den Charakter von Schleimdrüsen zu erkennen gaben. Späterhin bestätigte die Angaben Paulsens Hoyer (6), der durch seine metachromatische Schleimfärbung mit Thionin ebenfalls „Gruppen von Schleimzellen“ gefunden haben will, wäh- rend wieder andererseitsSuchannek (7) de Bowman'schen Drüsen als glandulae serosae anspricht. Schliesslich hat Schieffer- decker (8) durch Untersuchungen an der menschlichen Nasen- schleimhaut mittels seiner Doppelfärbung mit Eosin-Anilingrün Schleimdrüsen gefunden. Wie man also sieht, ist die Frage nach der Beschaffenheit der Drüsen durchaus noch nicht gelöst, und es herrschen so viele von einander abweichende Ansichten auf diesem Gebiete, dass es sieh wohl der Mühe lohnen musste, die bisherigen Ergebnisse zu prüfen, mit einander zu vergleichen und, wenn möglich, die Frage nach einer bestimmten Richtung hin zu beantworten. Ich habe nun auf Veranlassung des Herrn Professor R. Heiden- hain versucht, diese Aufgabe zu lösen, oder vielmehr: ich habe mit dem Versuche begonnen, denn es müssen sich an diese Unter- suchung noch viele weitere anschliessen. Methoden der Behandlung. Anfänglich bearbeitete ich die Schleimhaut verschiedener Thiere (Hund, Kaninchen, Katze, Meerschweinchen, Ratte), doch ER u Beiträge zur Kenntniss der Drüsen in der Nasenschleimhaut. 549 fand ich es bald zweekentsprechender, das Material zu beschränken und nur ein Thier, den Hund, in den Kreis meiner Untersuchungen zu ziehen, dafür aber dessen respiratorische Schleimhaut in allen ihren Theilen ganz systematisch und sorgfältig durchzuprüfen und zwar auch die von den oben genannten Autoren anscheinend immer sehr stiefmütterlich behandelten Gegenden des Nasenbodens und der Seitenwand zu berücksichtigen. Ich habe grossen Werth darauf gelegt, bei der Entnahme jedes einzelnen Schleimhaut- stückes genau zu bestimmen, welcher Region der Nase es ange- hört, und auch in der unten folgenden Beschreibung der Drüsen habe ich jede Region mit ihren charakteristischen Eigenthümlich- keiten zu schildern versucht. Um auch nicht den geringsten Zweifel bezüglich der Entnahmestellen aufkommen zu lassen, ist in den nach der Natur gefertigten Abbildungen 1 und 2 die Schleimhaut durch Buchstaben in verschiedene Regionen getheilt, und bei der Beschreibung der Gegenden wird jede einzelne durch den betreffenden Buchstaben gekennzeichnet werden. Zur Entnahme der Untersuchungsobjekte durchsägte ich den Schädel in sagittaler Richtung neben der Medianebene, so dass die eine Hälfte stets vollkommen erhalten blieb; nur dieser ent- nahm ich dann die Stücke zur weiteren Behandlung. In Paren- these will ich bemerken, dass die meisten der von mir verwen- deten Hunde zwecks anderweitiger Versuche durch Chloroform- Inhalationen betäubt wurden, doch hatte ich auch Gelegenheit, Thiere zu untersuchen, bei denen dies nicht der Fall war; einen bemerkenswerthen Einfluss des Chroroforms auf das mikroskopische Verhalten der Drüsen konnte ich übrigens nicht constatiren. Einem Theile der Versucehsthiere injieirte ich subeutan 0,02 Pilokarpin, um etwaige Veränderungen der Drüsen bei intensiver Sekretion festzustellen und mit dem sonstigen Befunde zu vergleichen. Bezüglich der makroskopischen Verhältnisse und besonders bezüglich der Grenzen zwischen olfaetorischem und respiratorischem Theile der Schleimhaut verweise ich auch auf die sehr sorgfäl- tigen und ausführlichen Angaben Dogiel’s (4, auf Ellen- berger's Anatomie des Hundes (10) und auf Bowman’s Aus- führungen, der übrigens zuerst auf die dunkle Pigmentirung der Riechschleimhaut aufmerksam gemacht hat, vor allem aber auf Brunn (11), der eine ganz exacte und vortreffliche Abgrenzung beider Theile der menschlichen Nasensehleimhaut giebt. Auch 550 Max Goerke: auf den Abbildungen 1 und 2 sind die beiden Theile durch ver- schieden tiefe Schattirung deutlich von einander zu unterscheiden. Nur eins will ich noch bemerken: einige Autoren, z. B. Grassi und Castranovo (12) sprechen von einer oberen, mittleren und unteren Muschel des Hundes; ich fand bei allen von mir unter- suchten Hunden stets nur zwei Muscheln. Allerdings setzt sich die untere Muschel aus einem vorderen tiefe Falten bildenden Theile und einem hinteren fast ganz von olfaetorischer Schleim- haut bedeckten ungefalteten Theile zusammen. Ich fand übrigens diesen Befund bestätigt in den Angaben Ellenberger’s; derselbe giebt auch sehr naturgetreue Abbildungen von der Nasenhöhle des Hundes. Als Fixationsmittel für die Schleimhaut dienten mir vornehm- lich Sublimat und Alkohol, daneben 2°/, Osmiumsäure in Dampf- form, gesättigte Pikrinsäurelösung, letztere, um zugleich den Knochen der unteren gefalteten Muschel zu entkalken. !/,°/, Tri- chloressigsäure, die ich zuerst zu demselben Zwecke gebrauchte, gab ich bald auf, weil sie doch die Schleimhaut nicht so unver- ändert liess, als es für sorgfältige Untersuchungen wünschenswerth erschien. Die in Pikrinsäure fixirten Stücke liessen sich nicht in allen von mir angewendeten Lösungen färben, so z. B. nicht in dem Hoyer’schen Thionin; auch die Biondi-Mischung wurde nicht so gut angenommen, als von den in Sublimat fixirten Stücken. Deshalb habe ich es späterhin immer versucht, auch von der unteren gefalteten Muschel die Schleimhaut abzupräpariren, statt den Knochen zu entkalken; wenn dieselbe dabei auch nur in kleinen Stücken zu erhalten war, so genügten dieselben doch zur weiteren Untersuchung. Die Flimmerhaare hielten sich immer am besten in der Sublimat-Fixation. Was die von mir angewendeten Färbeweisen betrifft, so habe ich mich nicht auf die eine oder die andere beschränkt, sondern eine ganze Anzahl gebraucht. Während die bisherigen Unter- sucher in ihren Methoden ziemlich "einseitig waren, habe ich ge- glaubt, gerade durch die verschiedensten Behandlungen und durch Vergleichung der dabei sich herausstellenden Befunde am ehesten zu einem bestimmten Resultate gelangen zu können. Selbstver- ständlich habe ich auch die von den oben genannten Autoren be- vorzugten Tinetionen nicht unberücksichtigt gelassen, sondern sie im Gegentheile eingehend geprüft, so vor allem die Hoyer’sche Beiträge zur Kenntniss der Drüsen in der Nasenschleimhaut. 551 Thionin-Färbung, die von Paulsen geübte Methode der Haema- toxylin-Nachfärbung von Präparaten, die in Osmiumsäure fixirt oder nach der Heidenhain’schen Methode (13) behandelt waren, die Schiefferdeeker'sche Doppelfärbung mit Eosin-Anilingrün. Ferner habe ich die Färbung mit Hatmatoxylin-Eisenalaun nach M.Heidenhain (14) und die Stückfärbung mit Haematoxylin- Kalium bichromieum angewendet; auch die blosse Färbung in dem de la Field’schen Haematoxylin und in dem Böhmer’schen Haematoxylin habe ich probirt. Vor allem aber benutze ich die Dreifarbmischung von Ehrlich-Biondi; dieselbe gab mir immer die klarsten und, gerade was Schleimfärbung anbetrifft, deut- lichsten Bilder. Gesammtergebniss und Kritik der Befunde anderer. Um das Gesammtergebniss den Einzelbefunden vorauszu- schicken: Mit allen diesen Behandlungsweisen habe ich in der respiratorischen Schleimhaut des Hundes zwar zahlreiche Becher- zellen im Epithel, aber keine einzige Schleimdrüse in der Tiefe nachweisen können. Hoyer sagt in semer Abhandlung über den Nachweis des Mueins in den Geweben folgendermaassen wörtlich: „Während nun dieser (Paulsen) auch in der Schleimhaut der regio olfactoria und regio respiratoria regelmässig Drüsen mit gemischtem Epithel vorgefunden hat, habe ich darnach oft vergeblich gesucht. Bei einem Hunde fand ich sehr schön die von Paulsen dargestellten Verhältnisse: zwischen den serösen Drüsenzellen eingestreute grössere und kleinere Gruppen von Schleimzellen, an manchen Stellen Zellen mit nur centralem schleimbildendem Saume. Bei einem anderen Hunde fand ich dagegen nur vereinzelte Schleim- zellen.“ Hoyer giebt also selbst zu, dass seine Befunde nicht immer übereinstimmende Resultate ergeben haben. - Es ist schade, dass Hoyer keine Zeichnungen von seinen Präparaten giebt, und dass er nie genauer die Region andeutet, der er sein Probeobjekt entnommen hat. Wir erfahren nicht einmal darüber etwas, ob er olfactorische oder respiratorische Schleimhaut untersucht hat, was doch, wie man zugeben muss, nicht ohne Belang ist. Wenn man solehe mit Thionin gefärbte Schnitte untersucht (vgl. Abb. 35), so findet man schön violett gefärbte Becherzellen im Epithel und ausserdem in der Tiefe Drüsen-Acini, die einen röthlichen Ton 552 ‚Max Goerke: darbieten, und die allerdings auf den ersten Blick und bei schwacher Vergrösserung als aus Schleimzellen sich zusammen- setzend angesehen werden könnten. Wenn man aber starke Ver- grösserung gebraucht und ausserdem nur ganz dünne Sehnitte wählt (dieselben dürfen höchstens 5 u betragen), so erkennt man, dass die Rothviolettfärbung der tief gelegenen Drüsen bedingt ist durch das Vorhandensein metachromatischer, neben dem übrigen blau gefärbten Gewebe durch ihre schwarzrothe Farbe sich deut- lich absetzender Körnehen. Die Becherzellen sind dagegen diffus violett gefärbt; oft ist ihre Schleimmasse in zueinander parallel verlaufenden Balken angeordnet, entsprechend der Schnittriehtung des Mierotom-Messers. Da sich jene Körnchen sehr leicht bei der Alkoholbehandlung entfärbten, so habe ich die Wasserent- ziehung mit einer alkoholischen Thioninlösung vorgenommen. Auch die Nachbehandlung mit Ferroeyankalium nach Krause (15) lässt die Körnehen nicht ganz intakt, ich habe es deshalb vor- gezogen, die Thioninfärbung in ihrer ursprünglichen von Hoyer angegebenen Form zu üben. Nach dem Beispiele von Nieoglu (16) habe ich die Sehnitte zum Theil in der Farbflüssigkeit selber untersucht; es traten dann alle Einzelheiten besonders scharf und deutlich hervor; die oben erwähnte Entwässerung mit einer alko- holischen Thionin-Lösung ersetzt übrigens das Verfahren von Nieoglu vollständig. Die Drüsensubstanz hebt sich bei der Thionin- Färbung durch die dunkelblaue Farbe des Parenchyms sehr gut von dem periacinösen Bindegewebe ab, bei dem nur die Kerne einen‘ dunklen Ton annehmen, während die Bindegewebsfasern fast ungefärbt bleiben. Die rothen Blutkörperchen zeigen eine hellgrüne Farbe. Auch mit der Paulsen’schen Färbung habe ich keine Schleimdrüsen erhalten können. Dieser widersprechende Befund findet seine Erklärung vielleicht in dem Umstande, dass Paulsen für seine Untersuchungen die Schleimhaut des Hundes relativ selten verwendet hat, während er andere Thiere (Pferd, Ziege) weit mehr berücksichtigte. Ausserdem hat er vorwiegend die olfactorische Schleimhaut untersucht. Einen anderen Erklärungs- versuch für das Widerspreehende in unseren beiderseitigen Befunden will ich weiter unten bei passenderer Gelegenheit geben. Die Schiefferdeeker’sche Färbung mit Eosin-Anilin- Beiträge zur Kenntniss der Drüsen in der Nasenschleimhaut. 553 grün gab mir nicht immer klare Bilder, weil sich in den Zellen sehr häufig Farbenniederschläge bildeten, welche die ganze Ge- websstruktur verdeckten. Auch bei dieser Färbung erhielt ich nur Schleimzellen im Oberflächenepithel, diffus grün gefärbt, nie aber in der Tiefe. Die blosse Haematoxylin-Färbung und dieHeidenhain’sche Doppelfärbung mit Haematoxylin-Kali chromieum giebt zwar hübsche Gesammtbilder und lässt auch die Einzelheiten der Zell- struktur gut hervortreten, die Schleimzellen bleiben dabei aber ungefärbt, so dass sie sich weniger gut von der Umgebung ab- heben, als bei anderen Färbungen, z. B. bei der Biondi’schen metachromatischen Methode. Schilderung der Schleimhaut, insbesondere der Drüsen. Im Folgenden gebe ich nun eine genaue Beschreibung der einzelnen Regionen der respiratorischen Nasenschleimhaut, wie ich dieselbe bei meinen Untersuchungen gefunden habe. Ich will vor- her bemerken, dass die Einzelbefunde bei den verschiedenen In- dividuen natürlich nicht vollständig bis auf's Jota miteinander über- einstimmen und auch nicht übereinstimmen können. Selbstver- ständlich zeigen auch die meisten Regionen keinen bestimmten in sich abgeschlossenen und bei sämmtlichen Thieren bis in alle Einzelheiten wiederkehrenden Typus, doch hat jede etwas Charak- teristisches, das sie von den anderen Regionen unterscheidet, und ge- rade das habe ich bei jeder einzelnen Gegend hervorzuheben versucht. Was die Secretionsapparate der Nasenschleimhaut im Allge- meinen anbetrifft, so kann man vielleicht folgende Formen von secretorischen Apparaten unterscheiden: I. Oberflächlich gelegene Formen: a) Becherzellen. b) Verschleimte Zellen in Einstülpungen des Flimmer- epithels. II. In der Tiefe gelegene Drüsen: c) Bowman’sche (tubuläre) Drüsen. d) Acinöse seröse Drüsen mit einfachen Ausführungs- gängen. e) Parotis-ähnliche Drüsen-Complexe. Diese letzteren sind ein von den bisherigen Beobachtern über- sehener Befund. 554 Max Goerke: Vielleieht könnte man noch eine sechste Form, eine Ueber- gangsform von ce) und d) unterscheiden, die sich namentlich am Septum an der Grenze von respiratorischer und olfactorischer Region vorfindet. / Die Nasenscheidewand (Fig. 1 au.b). Am Septum lässt sich schon makroskopisch erkennen, wie die Riechregion (a) mit ihrer dieken dunkelbraun pigmentirten Schleim- haut ganz scharf und unvermittelt m die zarte dünne gelb-röthlich ge- färbte Schleimhaut des respiratorischen Theiles (b) übergeht. Mikroskopisch lässt sich dieselbe Beobachtung machen: das Riech- epithel macht ganz plötzlich dem Flimmerepithel Platz, die starken Olfaetorius-Bündel, durch ihre Grösse und Zahl der Riechschleim- haut ein ganz charakteristisches Aussehen verleihend, verschwinden plötzlich; nur die Drüsen scheinen den Uebergang der olfactori- schen in die respiratorische Schleimhaut zu vermitteln, indem zunächst die Schläuche der Bowman schen Drüsen kürzer werden, bis allmählich ein deutlich acinöser Bau der Drüsen auf- tritt. Die Drüsen des Septums sind sämmtlich seröser Natur; sie sind unregelmässig vertheilt: bald bilden sie grössere Complexe, stellenweise sind sie wieder spärlicher vorhanden. Im Epithel finden sich zahlreiche Becherzellen, nach der Grenze gegen den olfactorischen Theil zu an Zahl abnehmend, ohne jedoch voll- ständig zu verschwiuden. Das Öberflächenepithel zeigt Einstül- pungen, wie sie Dogiel beschreibt, doch sind dieselben nicht so zahlreich und reichen nicht so tief in die Schleimhaut hinab wie an anderen Regionen (s. w. u.). Die Dieke der Schleimhaut ist bei den einzelnen Thieren etwas wechselnd, im Durchschnitt beträgt die Dieke der olfactorischen Schleimhaut etwa 800 u, die der respiratorischen Schleimhaut kaum den dritten Theil davon. DBiesohereiMus.chel-(Fige!2 Ar 2) Die obere Muschel zeigt in allen ihren Theilen nur wenige ganz vereinzelte Becherzellen. Auf ihr reicht das Riechepithel (4) weit nach vorn und geht hier nicht wie am Septum unver- mittelt, sondern ganz allmählich in das respiratorische Epithel (2) über, indem zuerst hoch geschichtetes Flimmerepithel auftritt, das nach vom zu immer flacher wird. Die serösen Drüsen in der Tiefe sind an der inneren dem Septum zugewendeten Seite Beiträge zur Kenntniss der Drüsen in der Nasenschleimhaut. 555 minder zahlreich als an der der Seitenwand gegenüberstehenden äusseren Fläche, wo sie stellenweise grössere Haufen bilden. Ab und zu sieht man auch hier Einstülpungen im Epithel, meist ohne Becherzellen. Die untere Muschel (Fig2. (©). An der unterem Muschel sind die Becherzellen wieder sehr zahlreich vorhanden, stellenweise ganz dicht gedrängt. Die Schleim- haut ist relativ dünn (100—200 u) und enthält nur wenige seröse Drüsen. Fast die gesammte Dicke wird eingenommen von zahl- reichen Gefässen, dieselben scheinen die Schwellkörper der Nase darzustellen; sie finden sich nächst der unteren Muschel ähnlich zahlreich auch am Septum und an der oberen Muschel. Gerade die so ungemein gefaltete und gebuchtete und mit einem ausge- dehnten Venen-Netze ausgestattete Schleimhaut der unteren Muschel ist vermöge ihrer relativ grossen Oberfläche so recht geeignet, die vorüberstreichende Inspirationsluft vorzuwärmen, d.h. sie durch Wärmeabgabe auf einen Temperaturgrad zu bringen, der auf die tieferen Luftwege nicht mehr schädigend einwirken kann. Der Nasenboden (ZA). In der Schleimhaut des Nasenbodens fand ich, so zahlreich vertreten wie in keiner anderen Region, Lymphfollikel, oft vom Epithel bis an das straffe Bindegewebe reichend, welches die Schleimhaut an den Knochen befestigt und häufig schon makros- kopisch erkennbar durch eine leichte Verwölbung der Oberfläche. Durch das Epithel sieht man hier und da Leukoeyten hindurch- wandern, eine Erscheinung, die übrigens auch an anderen Regio- nen bisweilen wahrzunehmen ist. Der Nasenboden weist in seiner ganzen Ausdehnung von vorn nach hinten bis zu die Choanen Flimmerepithel auf, abge- sehen von dem vordersten, dem Vestibulum der Nase angehörigen Theile, der mit geschichtetem Pflasterepithel bedeckt ist. Hier treten jene bereits oben erwähnten Epitheleinstülpungen besonders schön und zahlreich hervor. Sie sind in ihrer äusseren Confi- guration bald eylinderförmig, bald flaschenförmig, bald gehen sie senkrecht in die Tiefe, bald senken sie sich in mehr gewundener Form hinab. Bald zeigen sie einen weiten, buchtigen Fundus, der durch einen schmalen Kanal an der Oberfläche ausmündet, .. 556 Max Goerke: bald weisen sie ein überall gleich weites Lumen auf, bald end- lich sind sie wie Trichter gestaltet, die sich nach oben zu breit öffnen und nach der Tiefe zu immer enger und spitzer werden. Bald überschreiten sie das Epithel nach der Tiefe zu nur um weniges, bald bilden sie wieder tiefe Krater in die Schleimhaut hinein; an vielen Stellen treten anstatt dieser tiefen Epithelein- stülpungen nur seichte Gruben auf, welche vellständig im Epithel liegen und überhaupt nicht nach der Tiefe zu in die Schleim- haut eindringen. Das Flimmerepithel setzt sich in diese Einstül- pungen bis auf ihren Grund fort. Manche enthalten nur solche Zellen, die nach ihrer Färbung den Zellen des Oberflächen- epithels vollständig gleichzustellen sind, und zwar bald von flach- eylindrischer kubischer Gestalt, bald von hoch-eylindrischer Form; die meisten weisen vereinzelte Becherzellen auf, deren schleimiger Inhalt oft in das Lumen der Einstülpung vorquillt, einige wieder scheinen fast nur. aus verschleimten Zellen zu bestehen. Der Kern der Schleimzellen ist abgeplattet und gegen die Basis ge- drängt, manchmal von wenig granulirtem Protoplasma umgeben. Am Grunde der Einstülpungen sieht man meist schräg oder quer getroffene Ausführungsgänge der tiefen Drüsen, und an geeigneten Schnitten bemerkt man deutlich, wie der eine oder der andere Ausführungsgang direkt in eine solche Einstülpung einmündet. An dieser Einmündungsstelle macht dann das Flimmerepithel plötzlich Halt und geht unmittelbar in das kubische Epithel des Ausführungsganges über. In diese Krypten scheint sich also das gesammte Sekret der tiefer gelegenen serösen Drüsen zu ergiessen, um sich daselbst mit dem Schleime der Becherzellen zu ver- mischen. Häufig ist die Krypte so vom Schnitte getroffen, dass ihr innerhalb des Epithels gelegener Theil nicht zu sehen ist, und dann nimmt man unter dem Epithel einen von flach-eyliv- drischen Zellen und Becherzellen ausgekleideten Gang wahr, an dem das wohl erhaltene Flimmerepithel deutlich die Herkunft bekundet und einen Zusammenhang mit der Oberfläche als sicher annehmen lässt. Gerade derartig quer getroffene Krypten mögen vielleicht wiederholt für tief gelegene Drüsen-Acini gehalten worden sein, die dann natürlich Schleimzellen enthalten. Nament- lich mag dies der Fall gewesen sein, wenn das Flimmerepithel nicht gut erhalten war, wie es bei der Fixirung mit Alkohol oder mit Osmiumsäure leicht möglich ist. Es ist vielleicht nicht Beiträge zur Kenntniss der Drüsen in der Nasenschleimhaut. 557 undenkbar, dass Paulsen, der die Osmiumsäure-Fixirung so sehr bevorzugte, derartige von der Oberfläche getrennte Epithel- einstülpungen für schleimzellenhaltige Drüsen angesehen hat. Manche Autoren bezeichneu übrigens diese Einstülpungen direkt als Drüsen, so u. a. Bönninghaus (17), der ähnliche Gebilde in der pathologisch veränderten byperplastischen Nasen- schleimhaut beim Menschen beobachtet hat. Er hält es zwar selbst für merkwürdig, dass diese Drüsen im Epithel liegen, wäh- rend alle anderen Drüsen beim Menschen von Bindegewebe um- geben sind, beruft sich aber zur Rechtfertigung seiner Nomen- clatur auf Bergh's Vorlesungen über Histologie, wo derselbe bei Wirbelthieren, besonders in der Kiemenhöhle der Kaulquappen, solehe im Epithel gelegene Drüsen beschreibt. Ich glaube, man kann jene Einstülpungen bezeichnen, wie man will, der Name ist Geschmackssache; ich halte es aber für angebracht, jene gruben- artigen Vertiefungen, in welche andere Drüsen ihr Sekret er- giessen, nicht selber als Drüsen zu bezeichnen, sondern in Analogie mit den Magengruben, welche ebenfalls Einstülpungen des Epithels darstellen und ebenfalls das Sekret tieferer Drüsen aufnehmen, als Nasengruben. Uebrigens gebraucht auch schon Brunn wiederholt den Namen „Kıypten“* von diesen Einstülpungen. Die tief gelegenen Drüsen des Nasenbodens sind seröse acinöse Drüsen (vom Typus d); sie bilden ziemlich grosse Lager, die oft die ganze Dicke der Schleimhaut einnehmen. Die Seitenwand des unteren Nasenganges (ce). Die Seitenwand des unteren Nasenganges gleicht in ihrem Bau vollständig dem eben beschriebenen Nasenboden. Die Becher- zellen sind vielleicht noch zahlreichsr vertreten, oft so dicht ge- drängt, dass das Flimmerepithel stellenweise fast ganz verschwunden ist. Häufig lagert über dem Epithel eine breite Schleimschicht, die sich dann immer mitfärbt. Der hintere Theil weist Riech- epithel auf mit spärlichen Becherzellen. Das Nasendach. Auch am Nasendache reicht wie an der oberen Muschel das Riechepithel weit nach vorn und geht allmählich in das Flimmerepithel über. DBecherzellen sowohl wie seröse Drüsen sind ziemlich spärlich. 558 Max Goerke: Die Seitenwand zwischen den Muscheln. Die Seitenwand zwischen den beiden Muscheln weist einen so eigenthümlichen und von dem der bisher beschriebenen Regio- nen abweichenden Bau auf, dass ich glaube, diese Gegend etwas eingehender schildern zu müssen. Bei dieser Gelegenheit will ich etwas näher auf die Struktur der serösen Drüsen in der Tiefe eingehen. Die Seitenwand zwischen den beiden Muscheln ist die einzige Gegend, in der sich die parotis-ähnlichen Drüsen (Typus e) finden. Ich wähle als vortreffliches Beispiel ein in Sublimat fixirtes, in Alkohol gehärtetes und mit Biondi gefärbtes Präparat (vergl. Figg. 4 und 5). Im ganzen Oberflächenepithel, soweit es Flimmer- eilien besitzt, habe ich keine einzige Becherzelle gefunden, auch eine Eigenthümlichkeit, die keine zweite Region mit dieser ge- mein hat. Unter dem Epithel liegt eine schmale Lage faserigen Bindegewebes, oft so schmal, dass die unter ihr gelegenen Ge- bilde bis fast an die Basis der Flimmerzellen heranreichen, manch- mal wieder breiter, doch nie breiter, als etwa die dreifache Höhe des Epithels beträgt. An solchen Stellen, wo das Bindegewebe sich etwas mehr nach der Tiefe zu ausdehnt, sieht man zahlreiche Ausführungsgänge, mit kubischem Epithele ausgekleidet, bald quer, bald längs oder schräg getroffen, sich hinziehen. Auch kleine Gefässe, meist Capillaren, findet man in dieser Schicht. Unter dieser Bindegewebsschieht folgt ein mächtiges Lager acinöser Drüsen, die ganze Dieke der übrigen Schleimhaut einnehmend, nur an wenigen Stellen von Gefässen unterbrochen, diese treten hier sehr zurück und finden sich nur spärlich im Vergleich zu den mächtigen Venen-Plexus, welche wir an den Muscheln und am Septum beobachtet haben und welche dort. gewissermaassen den Drüsen den Platz wegnehmen. Die einzelnen Acini sind nur dureh ganz schmale Züge interaemösen Gewebes von einander getrennt, das von dem subepithelialen Bindegewebslager in feinen Strängen hinabzieht und sich nur um die grösseren Ausführungs- gänge und um die Gefähre zu etwas dichteren und breiteren Streifen zusammenlegt. Die Zellen der Acini zeigen sich schon bei schwacher Vergrösserung als erfüllt mit rothen Körnehen; bei starker Vergrösserung tritt deutlich ein äusserst feines und zartes Protoplasmanetz hervor, bei den Bewegungen der Mikrometer- schraube bald hier bald dort auftauchend und verschwindend. Beiträge zur Kenntniss der Drüsen in der Nasenschleimhaut. 559 Die Knotenpunkte des Netzes werden zum Theil von den eben erwähnten Körnchen eingenommen, zum Theil scheinen die Körn- chen innerhalb der Maschen des Netzwerkes zu liegen. Der Kern der Zellen ist gross, rundlich und enthält mehrere dunkle Kern- körperehen; die Kerne der Bindegewebszellen sind meist von spindelförmiger Gestalt und erscheinen deutlich blau gefärbt. Nach der Pilokarpin-Einwirkung (Fig. 5 giebt ein Beispiel dafür) sehen wir gewisse Veränderungen eintreten. Einzelne Acini (in der Figur die zwischen den beiden Ausführungsgängen ge- legenen) haben ihr Aussehen bewahrt; in anderen haben die Zellen zum Theil die rothen Körnehen verloren, wieder andere haben sie vollständig entleert, so dass nur noch helle Lücken mit dem Kerne übrig geblieben sind. Ein ganz charakterisches Aussehen haben die Ausführungs- gänge mittlerer Grösse. Sie besitzen ein schmales Lumen, das umgeben ist von Zellen mit kegelförmiger Gestalt d. h. mit breiter Basis und schmaler in das Lumen- hineinsehender Spitze. Schon bei schwacher Vergrösserung kann man an diesen Zellen eine hellere centrale und eine dunklere periphere Zone von einander unterscheiden. Bei starker Vergrösserung tritt ganz deutlich hervor, dass die Zellen in ihrer peripheren Hälfte zerfasert und wie aus Stäbchen zusammengesetzt erscheinen, ganz ähnlich, wie es von den Speichelröhren beschrieben ist. Die innere Hälfte sieht fein granulirt aus, an der Grenze beider Zonen liegt der rundliche Kern. Diese Stäbchen-Ausführungsgänge sind sehr zahl- reich. Daneben sieht man Ausführungsgänge mit glattem kubi- schem Epithel und kleinere mit ganz flachem Epithel, entsprechend den Schaltstücken in den Ausführungsgängen der Speicheldrüsen. Ueberhaupt ähnelt diese Eiweissdrüse der Nase mit ihren cha- rakteristischen Ausführungsgängen sehr in ihrem ganzen Gepräge der Parotis. Die Zusammensetzung der Ausführungsgänge, d.h. die Art und Weise, wie sich die einzelnen Theile aneinander reihen, durch Serienschnitte festzustellen, dazu mangelte es mir leider an Zeit. So muss ich es z. B. unentschieden lassen, ob das grosse Lumen in Fig. 4 links das Stück eines Ausführungsganges dar- stellen soll, der durch Sekretstauung pathologisch erweitert ist, oder ob es sich um ein normales Gebilde handelt; ich habe der- artige Bilder wiederholt in meinen Präparaten zu Gesicht bekommen. Die Stäbchenzellen treten sehr hübsch hervor bei 560 Max Goerke: der Doppelfärbung mit Haematoxylin-Kali chromieum, ferner auch bei der Thionin-Färbung, wo sich die blass-blau gefärbten Aus- führungsgänge sehr hübsch von dem tiefen Blau der Drüsen absetzen. Auch das Eosin derSchiefferdeceker’schen Färbung lässt die Struktur der Ausführungsgänge gut hervortreten. Dieser eben beschriebene Bau findet sich, wie gesagt, nur an der Seitenwand zwischen den Muscheln. An der Grenze gegen die obere und untere Muschel zu verschwinden zunächst die cha- rakteristischen Ausführungsgänge, dann nehmen auch die Drüsen schnell an Ausdehnung ab, nur auf die Aussenfläche der oberen Muschel gehen sie, wie bereits erwähnt, eine Strecke weit in grösseren Verbänden über. Nach der Tiefe zu wird das ganze Drüsenlager begrenzt von einer dünnen Schicht straffen Bindegewebes, welches die Schleimhaut an die knöcherne Seitenwand befestigt. Dies sind im grossen Ganzen die Ergebnisse meiner Unter- suchungen. Auch in der pars olfactoria habe ich keine Schleim- drüsen gefunden, kann allerdings über diesen Punkt kein sicheres Urtheil abgeben, da ich die Riechschleimhaut nur ganz flüchtig untersucht habe. Weiteren Studien bleibt es nun vorbehalten, durch vergleichend-anatomische Untersuchungen festzustellen, wie sich die Drüsen bei anderen Thieren verhalten und vor allem wie beim Menschen. Zum Schlusse noch eins: A. Heidenhain nennt es eine höchst werthvolle Einrichtung, dass das Sekret der Nasendrüsen serös ist; ein schleimiges meint er, würde durch Eintrocknnug zu Borken das Geruchsvermögen sehr beeinträchtigen. So viel ich sehen konnte, enthält der olfactorische Theil allerdings nur spärliche Becherzellen, die für die Beschaffenheit des Gesammtsekrets wohl kaum in Betracht kommen. Nicht so in der respiratorischen Schleimhaut: Hier haben wir sehr zahlreiche Becherzellen, andrerseits viel seröse Drüsen. Auch dieses erscheint, teleologisch gesprochen, als eine gute und zweckmässige Einriehtung. _Ein rein schleimiges Sekret, das sehr rasch zu festen Borken eintrocknet, würde zunächst der Inspi- rationsluft bei weitem nicht genügend Feuchtigkeit zuführen können, ferner würde es sehr leicht die Bewegung der Flimmer- cilien hemmen und so ihre Funktion, Staubpartikelchen aus den A N Beiträge zur Kenntniss der Drüsen in der Nasenschleimhaut. 561 Luftwegen zu entfernen, illusorisch machen. Andrerseits würde ein rein seröses wässriges Sekret zu schnell verdunsten, und um die Schleimhaut fortwährend feucht zu erhalten und um mit der Inspirationsluft in die Nase geratene Fremdkörper in wirk- samer Weise niederzureissen und von den tieferen Luftwegen fernzuhalten, müssten beständig grosse Flüssigkeitsmengen secernirt werden. Durch zweckmässige Mischung des Sekrets wird alles erreicht: die Bewegung der Flimmerhaare ist ungehemmt, der Staub wird von dem zähen Sekrete leicht festgehalten, die ein- geathmete Luft wird mit Wasserdampf gesättigt, und die Schleim- haut bleibt bei alledem beständig feucht. — Zum Schlusse bleibt mir noch die angenehme Pflieht, Herrn Geheimrath Heidenhain für die Anregung zur Arbeit und für die Unterstützung bei Anfertigung derselben zu danken, sowie dem Universitätszeichner Herrn Hausdörfer für die Herstel- lung der ganz vortrefflichen naturgetreuen Zeichnungen. Literatur-Verzeichniss. 1. Todd-Bowman, The anatomy and physiology of man. 2. Max Schultze, Untersuchungen über den Bau der Nasenschleim- haut. Halle 1862. 3. A. Heidenhain, Die acinösen Drüsen der Schleimhäute, insbe- sondere der Nasenschleimhaut. Diss. Breslau 1870. 4. Dogiel, Ueber die Drüsen der regio olfactoria. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXV1. S. 50. 5. Paulsen, Die Drüsen der Nasenschleimhaut, besonders die Bow- . man’schen Drüsen. Ebenda, Bd. XXVI, S. 307. 6. Hoyer, Ueber den Nachweis des Mucins in den Geweben mittelst neuer Färbemethoden. Ebenda, Bd. XXXVI, S. 310 ft. Suchannek, Beiträge zur feineren normalen Anatomie des mensch- lichen Geruchorgans. Ebenda, Bd. XXXVI. S. 375 ft. 8. Schiefferdecker, Untersuchungen der menschlichen Nasen- schleimhaut. 1896. 9. Derselbe, Zur Kenntniss des Bauches der Schleimdrüsen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXIII. S. 382. 10. Ellenberger, Anatomie des Hundes. 11. Brunn, Beiträge zur mikroskopischen Anatomie der menschlichen Nasenhöhle. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XXXIX, S. 632—651. 12. Grassi und Castranovo, Beiträge zur Kenntniss des Geruch- organs des Hundes. Ebenda, Bd. XXXIV. S. 385. el 562 13. 14. 15. 16. sie 18. 19; Zu Fig..l. a. Olfactorischer | b. e. d Zu Fig. 2. A. Olfactorischer B Max Goerke: Beiträge zur Kenntniss der Drüsen etc. R. Heidenhain, Eine neue Verwendung des Hämatoxylin. Ebenda, Bd. XXIV, S. 468, und Bd. XXVI, S. 383. M. Heidenhain, Neue Untersuchungen über den Centralkörper, Ebenda Bd. XXXXIIH, S. 4923. Krause, Zur Histologie der Speicheldrüsen. Ebenda, Bd. XXXXV. 3:98, Nicoglu, Ueber Hautdrüsen der Amphibien. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. 56. Bönninghaus, Ueber Schleimdrüsen im hyperplastischen Epithel der Nasenschleimhaut. Arch. f. Laryngolog. Bd. III, 2. Hft. Schiefferdecker, Kleinere histologische Mittheilungen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. XV, S. 30. Klein, Observations of the Structure of Cells and Nuclei. Quar- terly Journal of Microscopical Science, Bd. XIX, S. 125. Derselbe, The glands of the nasal cavity of the guinea pig. Ebenda, Bd. XX, S. 477. F. E. Schultze, Epithel und Drüsenzellen. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. II. Fischer, Eosin als Tinetionsmittel, Ebenda, Bd. XII, S. 349. Solger, Ueber den feineren Bau der Glandula submaxillaris des Menschen. Aus der Festschrift für Gegenbaur. Leipz. 1896. Ebner, Die acinösen Drüsen der Zunge. Graz 1873. 5. Stöhr, Lehrbuch der Histologie. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXI. . 1. Sagittalschnitt durch den Schädel eines Hundes. ig. 2. Desgleichen; nach Entfernung der Nasenscheidewand. ig. 3. Septum, Grenze beider Regionen. Sublimat-Alkohol-Thionin. g. 4. Seitenwand zwischen den Muscheln. Sublimat-Alkohol-Biondi. ig. 5. Drüsen von der Seitenwand. Sublimat-Alkohol-Biondi. Respiratorischer | Theil des Septums. Seitenwand des unteren Nasenganges. . Plattenepithel. . Respiratorischer | Theil der oberen Muschel. C. Gefalteter D. Ungetäalteter E. Nasenboden. F. Plattenepithel. Theil der unteren Muschel. 563 (Aus dem I. anatomischen Institute in Berlin.) Untersuchungen über die Natur der Zonula ciliaris. Von Dr. A. Agababow. Hierzu Tafel XXXI. Die Aufgabe, welche ich mir für die nachfolgende Dar- legung zur Lösung stellte, betrifft die Natur der Fasern, aus welchen die Zonula eiliaris (Zinnii) besteht. Auf einem drei- fachen Wege kann die Lösung versucht werden. Man hat 1. eine Vergleichung mit Fasern bekannter Art, z. B. bindegewebi- gen oder elastischen anzustellen — und die Prüfung wird hier wesentlich auf färberischem und mikrochemischem Wege vorzu- gehen haben —, 2. hat man den Zusammenhang der Zonulafasern mit den anderen Geweben des Bulbus an Ursprung und Ansatz, mit anderen Worten ihre morphologische Continuität zu studiren, 3. endlich ihre Entwicklung. Indem wir die entwieklungs- geschichtliche Untersuchung einer späteren Zeit vorbehalten müssen, sollen für diesmal die beiden ersten Punkte ihre Be- rücksichtigung finden. Verschiedene Ansichten über die Zugehörigkeit der Zonula zu diesem oder jenem Gewebe sind aus den bis jetzt vorliegen- den Arbeiten ersichtlich. Schwalbe!) findet eine grosse Aehnlich- keit mit dem elastischen Gewebe. Er sagt: „Was die Natur der Zonulafasern betrifft, so sind sie sehr resistente Gebilde, die am meisten Aehnlichkeit in ihrem chemischen Verhalten mit elasti- schen Fasern besitzen.“ Dabei fügt er noch hinzu, dass man in den Fasern der Zonula Zinnii manchmal auch eine Quer- streifung konstatiren könne, deren Natur nicht genügend aufge- klärt sei, jedenfalls hält er es für unmöglich, dieselbe als Mus- kelgewebe zu betrachten. 1) Schwalbe, Anatomie d. Sinnesorgane. 1835 S. 144. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 36 564 A.Agababow: Nach der Meinung Iwanoff’s!) trifft man im vorderen Theil des Glaskörpers ausser den dem Bindegewebe ähnlichen Fasern noch eine bedeutende Anzahl anderer, die den elastischen Fasern gleichen. Sie beginnen als äusserst feine, geschlängelte Fasern schon im Aequator des Auges; in grosser Anzahl aber treten sie erst an der Ora serrata auf, von hier an biegen sie, der Limi- tans dicht anliegend, in die Pars ciliaris retinae ein und bilden hier den Anfang der Zonula Zinnii. Dass diese Fasern bis zu einem gewissen Grad elastisch sind, behauptet auch Merkel?), aber er glaubt, dass die Elastieität nicht ganz gleich der der elastischen Fasern sei. Nach seiner Meinung besteht die Zonula im vorderen Theil aus homogenen Strängen verkitteter Faserbündel. Dieselben nehmen dann nach der Tiefe des Auges mehr und mehr ab, so dass die hintere Grenzschichte der Zonula | entweder ausschliesslich, oder doch zum grössten Theile aus feinen Bindegewebsfibrillen nicht unähnlichen Fasern besteht. (S. 15.) Die Mehrzahl der anderen Autoren, die sich mit der Frage über den Ursprung der Zonula beschäftigt haben, übergingen entweder fast vollständig ihren Bau, indem sie nur darauf hin- wiesen, dass die Fibrillen der Zonula aus der Glaslamelle der Pars eiliaris retinae ihren Ursprung nehmen, wobei die Glas- lamelle nicht in die Limitans interna retinae, sondern in die Grenzschicht der Glaskörpers übergehe (W. ÖOzermak)?), oder sie nehmen die homogene Grenzmembran der Pars eiliaris für eine Fortsetzung der Limitans int. (Dessauer®), Berger) ?)*, und die von ihr entspringenden feinen Fibrillen als homolog den Müller’schen Fasern (Claeys)‘), oder endlich behaupten sie 1) Iwanoff, Glaskörper. Stricker’s Handbuch d. Lehre von den Geweben. Bd. II. 1872. 2) Merkel, Die Zonula eilaris. Leipzig 1870, 3) Czermak, Arch. f. Ophth. XXX1 1 4) Dessauer, Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. 1883. XXI. S. 9. 5) Em. Berger, Beiträge zur Anatomie des Auges im norm u. pathol. Zust. 1887. *) Anmerkung. Der von Berger angenommene andere Ur- sprung der Zonulafasern vom Glaskörper wird, wie wir es weiter noch sehen werden, von Dessauer geleugnet. 6) Claeys, De la region ciliaire de la retine et de la Zonula Zinnii. Arch. d. Biologie 1888, p. 632. Untersuchungen über die Natur der Zonula ciliaris. 565 wie z. B. Schoen!), dass die Fasern des Ciliarbandes zum Netz- hautgewebe selbst gehören und nur eine Fortsetzung der Mem- brana fenestrata und der radiären Stützfasern darstellen. Unsere erste Aufgabe bestand nun darin, dass wir die Na- tur der Zonula Zinnii mittelst färberischer und mikrochemischer Verfahrungsweisen aufzuklären versuchten. Zunächst mussten wir solche Verfahren berücksichtigen, die zur Untersuchung der ela- stischen Fasern vorgeschlagen wurden, weil die Aehnlichkeit der Zonulafasern mit elastischen Fasern von mehreren der, compe- tentesten Forschern hervorgehoben ist; auch sind die pathologi- schen Veränderungen, die die Zonula ceiliaris erleidet, soviel wir jetzt beurtheilen können, den Veränderungen nieht unähn- lich, welche z. B. in den elastischen Fasern der Haut beobachtet wurden. In unserem Falle stossen wir bei der Untersuchung auf die elastische Natur der Fasern auf Schwierigkeiten, die bei der Unter- suchung z. B. der Haut gar nicht vorhanden sind, da man in der letzteren sehr leicht die elastischen Fasern von den anderen Theilen nach ihrem Aussehen unterscheiden kann; aber die Fasern der Zonula haben kein Vergleichsobjeet neben sich und waren wir deshalb genöthigt, jede von den vorgeschlagenen Methoden wiederholt anzuwenden; ausserdem behandelten wir zum Vergleich der Färbung der Zonula mit der der elasti- schen Fasern gleichzeitig und nach denselben Methoden auch Stückchen von Menschenhaut, die von der Schulter genommen wurde. Endlich wurden auch chemisch wirkende Substanzen angewandt — Alkalien, Säuren, Pankreassaft — und zwar gleich- zeitig auf die Zonula und die Menschenhaut. Ferner haben wir auch die Methode von Weigert benutzt, die er zur Unter- suchung der Neuroglia vorgeschlagen hat. Behandelt wurden Augen von verschiedenen Geschöpfen — Schaaf, Ochs, Schwein, Kaninchen, Kalb, Katze und Mensch. Die Augen wurden mit verschiedenen Fixirungsflüssigkeiten behandelt: Flemming’s und Müller’s Flüssigkeit, 10 pCt. For- malinlösung und Alkohol. Nach der Härtung in Alkohol wurde die vordere Hälfte des Auges in zwei Theile getheilt, von welcher die eine in 1) Schoen, Zonula u. Ora serrata. Anat. Anzeiger 1895, S. 360, 566 A. Agababow: Celloidin für Schnitte eingeschlossen wurde, und von der anderen mittelst einer feinen Scheere der freie Theil der Zonula zur An- fertigung von Flächenpräparaten getrennt wurde. Danach wurden gewöhnlich die letzteren in toto oder in gefärbten Zerzupfungs- präparaten untersucht. In denjenigen Fällen, in welchen frische Objeete nothwen- dig waren, wurde die Zonula von dem enucleirten Auge des ehloroformirten Thieres entnommen. Die Augen vom Schwein und Rind wurden vom Schlachthofe 2—3 Stunden nach der Enuceleation geliefert. Wir prüften zunächst die Zonula unter der angegebenen Controlfärbung der Haut mit der Unna-Taenzer’schen Orcein- färbung !). Die besten Resultate erhielten wir mit dem folgenden von ihnen vorschlagenen Recept: Orceini 0,1, Spiritus (95 °/,) 20,0, ag. destil. 5,0, zu welehem als Säuremischung eine Quan- tität von einer durch vorherige Untersuchung bestimmten Lösung: Ac. muriat. 0,1, Alkohol 95 pCt. 20,0, aq. dest. 5,0 zugesetzt wurde. Am schönsten erhielten wir die Färbung, wenn wir die Stückehen des untersuchten Gewebes in dieser Lösung 24—48 Stunden liegen liessen. Die überfärbten Präparate kann man et- was längere Zeit in angesäuertem Spiritus belassen, und obwohl eine vollständige Entfärbung der übrigen Theile nicht zu Stande kommt, ist doch die Differenzirung der elastischen Fasern, welche in Orcein eine dunkelbraune Farbe annehmen, vom übrigen Ge- webe, z.B. der Haut, welches eine hellrothe Farbe bekommt, so scharf, dass man sogar die feinsten elastischen Fäden deutlich sehen und verfolgen kann. Die von Unna?) vorgeschlagene mehr eoncentrirte Orcein- lösung (Orcemi 1,0, Ac. muriat. 1,0, Alkohol absol. 100,0) für eine schnellere Färbung des elastischen Gewebes (10—15 Minuten bei 30° C.) gab uns eine viel schwächere Färbung als mit der ersteren Lösung, sowohl bei der Zonula als auch bei der Haut. Verhältnissmässig dunkler gefärbt wurden die Zonula und die ela- 1) Unna, Monatshefte f. pract. Derm. Bd. XII. 1897. — Taenzer, Ueber die Unna’sche Färbungsmethode d. elast. Fasern. Monatshefte f. pract. Derm. Nr. 9. 1897. 2) Unna, Monatshefte f. pract. Dermatol. Bd. XIX. 1894, Untersuchungen über die Natur der Zonula ciliaris. B6T stischen Fasern der Haut bei einem Aufenthalt in dieser Lösung von 1—2 Stunden. Die Fasern der Zonula eiliaris färbte das Orcein immer mit einer gleichmässigen dunkelrothen Farbe, wobei die sie um- grenzenden Theile — die Pars eil. retinae, der Glaskörper und die Linsenkapsel — sich schwächer röthlieh färbten als die Zonula; die Zellenkerne der Pars eil. ret. traten bei der Färbung mit Hä- matoxylin und besonders mit Hämalaun ganz scharf hervor. Die vordere Grenze des Glaskörpers war auf den meridio- nalen Schnitten als eine röthliche, unregelmässig gekrümmte Linie oder vielmehr als ein Streifen sichtbar; aber sie wurde fast immer heller gefärbt als die Zonula; von den Fasern der letz- teren unterschied sich diese Linie durch die Abwesenheit des Glanzes und durch die ziekzackförmige Gestaltung. In den we- niger glücklichen Fällen wurden alle erwähnten Theile und die Fasern der Zonula gleichmässig schwach röthlich gefärbt. Beim Vergleiche der elastischen Fasern der Haut mit denen der Zonula Zinnii nach vollständig analoger Behandlung konnte man keinen wesentlichen Unterschied bemerken, weder in der Färbung, noch in dem äusseren Aussehen; nur in einigen wenigen Präparaten wurden die elastischen Fasern der Haut sehr intensiv, fast schwarz gefärbt, während die Fasern des Ciliarbandes eine dunkelrothe Farbe annahmen. Eine ganz gute Färbung bekam man ferner mittelst einer Saffraninlösung, dienach Martinotti!) angefertigt wurde (5 Theile von Saffranin löst man in 100 Alkoh. abs. und 200 Th. aq. dest.). Die untersuchten Stückehen, i.e. die Theile der Zonula und die Kontrolsehnitte der Haut, blieben in dieser Flüssigkeit etwa 48 Stunden und wurden darauf, nach der Entwässerung in Alkohol, in Nelkenöl aufgehellt und in Kanadabalsam eingeschlossen. Die überfärbten Präparate räth Ferria?) eine kurze Zeit mit einer schwachen Aetzkalilösung zu behandeln oder etwa 24 Stunden in Alkohol abs. aufzubewahren. Das letztere Verfahren hat uns verhältnissmässig bessere Erfolge ergeben. 1) Martinotti, Un metodo semplice per la colorazione delle fibre elast. Zeitschr. f. wissensch. Mikrosk. IV. 1887. 2) Ferria, La colorazione delle fibre elastiche colla acido che- mico e colla saffran. Zeitschr. f. wissensch. Mikrosk. V. 3. 568 A.Agababow: Die mit Saffranin behandelten Stückchen der Zonula er- gaben in toto und in den Zerzupfungspräparaten fast keinen Unterschied in der Färbung von der der elastischen Fasern der Haut. In vielen Fällen wurde die Zonula ceiliaris sogar dunkler gefärbt, als die genannten elastischen Fasern. Von den anderen benutzten Mitteln sei noch das Jodviolet und die Dahlia erwähnt, welche ebenfalls von Unna!) zur Untersuchung des elastischen Gewebes vorgeschlagen wurden. Unna färbte die Schnitte der vorher in Osmiumsäure fixir- ten Haut; wir erlaubten uns in dieser Beziehung eine Abwei- chung derart, dass wir die Zonula und die Haut nicht in Os- miumsäure, sondern in den anderen schon oben erwähnten Flüs- sigkeiten fixirten, weil wir so auch die Möglichkeit hatten, die Zonulafasern im Vergleich mit den elastischen Fasern der Haut bei derselben Färbung zu beurtheilen. Wie die Färbung der Zonula Zinnii, so ergab sich auch die der Haut als sehr gut, besonders bei der Behandlung mit Jodviolett, und in manchen Präparaten, besonders in der Zo- nula des in Formalin fixirten Ochsenauges, wurden die Fasern sogar bedeutend intensiver gefärbt als in der Haut. Wovon eine so verhältnissmässig schwache Färbung der elastischen Fasern der Haut abhängig war (bei beiden Verfahren), wissen wir nicht; jedenfalls möge erwähnt werden, dass die von uns behandelten Augen ganz frisch waren und dass die Stück- chen der menschlichen Haut einem mehr als 24 Stunden ver- storbenen Individuum entnommen waren. In welchem Grade dieser Umstand einen Einfluss auf die Färbung auszuüben im Stande ist, scheint sehr schwer zu entscheiden, und um so schwieriger noch, als die Färbung der elastischen Fasern der Haut mit anderen Flüssigkeiten, z. B. mit Orcein, entweder fast dieselbe, wie bei der Zonula, oder eine intensivere war. Das Vietoriablau, welches von Lustgarten?) auch für die Färbung der elastischen Fasern und der Kerne vorge- 1) Unna, Eine neue Darstellungsmethode d. elast. Gewebes d. Haut. Monatshefte d. pract. Dermat. 1886. Bd. V. 2) Lustgarten, Wiener medic. Jahrb. 1886. H. 6. Untersuchungen über die Natur der Zonula ciliaris. 569 schlagen wurde, gab eine ausgezeichnet schöne Färbung und von derselben Intensität, nicht nur bei frischen Präparaten der Haut und der Zonula, die vorher mit Flemming’s Flüssigkeit be- handelt wurden, wie es empfohlen wird, sondern auch bei den in einer Formalinlösung fixirten Haut und Zonulapräparaten. Beim Vergleich der vorher in der Flemming’schen Flüssig- keit fixirten Zonulapräparate mit solchen, die in Formalinlösung fixirt wurden, konnte man konstatiren, dass die Zonulafasern im letzteren Falle gleichmässig und glatt erschienen und intensiv mit einer dunkelblauen Farbe gefärbt wurden, während im ersteren Falle auf und zwischen den Fasern farblose oder schwach blau ge- färbte Körnchen sichtbar wurden, die ganz isolirt oder gruppen- weise zu kleinen Kügelchen zusammengehäuft, das ganze Prä- parat bedeckten, weshalb das letztere nicht so sauber als das zuerst erwähnte aussah. Dies Bild, welches die Zonulapräparate nach der Färbung mit einem und demselben Victoriablau zeigten, kann man freilich durch die Wirkung dieser färbenden Substanz nicht erklären, weil — wie wir später sehen werden — auch andere Mittel, die zur Färbung der Zonula angewandt wurden, sich ebenso ver- hielten, d. i. die Körnehen wurden fast immer nach der Fixation in der Flemming’schen und theils auch in der Müller’schen Flüssigkeit in einer grösseren oder kleineren Anzahl von Präpa- raten beobachtet, trotz der tüchtigen Abspülung in Wasser, welche nach Vorschrift etwa 24—48 Stunden dauerte. Nach der Fixation der Präparate in Formalin erhielt man die Färbung stets ganz sauber und man konnte keine Körnchen be- merken. Diese-Erscheinung steht also mit grösserer Wahrschein- lichkeit in einem Zusammenhange mit der Wirkung der fixiren- den Flüssigkeit, als mit der Wirkung der Färbungssubstanz. Eine vollkommene Färbung der elastischen Fasern kann man unter Umständen durch Behandlung mit Fuchsin erhalten, welches von ©. Manchot!) vorgeschlagen wurde. Bei dieser Behandlung, welche wir genau nach Manchot’s Vorschrift vornahmen, färben sich die elastischen Fasern dunkel- roth oder roth-violett. Wir haben Gelegenheit gehabt, in vielen 1) C. Manchot, Virchow’s Archiv Bd. 121, S. 104— 154. 570 A. Agababow: Präparaten der Haut nur die elastischen Fasern dunkelroth ge- färbt zu sehen, während die anderen Theile der Präparate ganz farblos blieben. In der Zonula eiliaris werden alle Fasern in der gleichen Weise roth gefärbt. Die Farbe hält sich in den Präparaten ganz dauerhaft; wenigstens waren nach Ablauf von 2 Monaten keine Veränderungen der Färbung eingetreten. Diese Methode könnte man also als eine der besten be- trachten, wenn nur immer eine solche Färbung erzielt würde; aber in der Mehrzahl der Fälle stellt sich leider heraus, dass die elastischen Fasern entweder sehr schwach gefärbt erscheinen — wahrscheinlich in Folge der starken und dauernden Wirkung der Schwefelsäure — oder im Gegentheil das ganze Präparat eine undeutliche diffuse rothe Färbung annimmt. Ausserdem verändern auch in den günstigen Fällen der Färbung die ela- stischen Fasern ihr Aussehen ein wenig und werden locker und brüchig. Einige von uns geprüfte Modificationen dieser Methode, die Andere vorgeschlagen haben, und auch unsere eigenen Versuche in dieser Richtung haben nicht immer bestimmte Resultate her- beigeführt. Bei der Anwendung dieses Verfahrens muss man auch bedenken, dass das Celloidin ziemlich stark mit Fuchsin gefärbt wird; deshalb ist es von Nutzen, das Celloidin soweit als mög- lich von den Schnitten zu entfernen. Manchen Vortheil wegen der schnellen und fast immer zu Stande kommenden Färbung der elastischen Fasern gewährt die Methode von Burei!). Die Sehnitte der vorher in Alkohol, Müller’scher Flüssig- keit oder in einer Sublimatlösung fixirten Präparate werden mit Hämatoxylin gefärbt und nach Abspülung in Wasser in eine ge- sättigte alkoholische Aurantialösung auf 1—2 Minuten übertragen; dann werden sie rasch in Alkohol absol. abgespült, in Nelken- oder Bergamottöl aufgehellt und in Xyloldamar ein- geschlossen. Diese Methode ist sehr einfach, beansprucht wenig Zeit, 1) Burei, Di un metodo rapido di colorazione delle fibre elastiche. Atti della Soc. Tosc. di Se. nat. 1 Ex. verb. Vol. VII. 1891. Pisa (Jahresb. f. Anat. u. Phys. 1891. Bd. XX. J). Untersuchungen über die Natur der Zonula ciliaris. Sl und es gelingt fast immer mit ihr eine ziemlich genügende Fär- bung der elastischen Fasern zu Stande zu bringen. Es glückte uns auch mit Hämalaun die Kerne deutlich zu färben; die Zo- nulafasern und die elastischen Fasern der Haut färbten sich gelb und traten durch ihr Aussehen und den eigenthümlichen Glanz hervor. In der Haut färbten sich jedoch ausser den elastischen Fasern auch die übrigen Theile. Auch die anderen noch vorgeschlagenen Färbungsverfahren elastischer Fasern von Köppen!), Herxheimer?), Marti- notti?) und Dührssen*) haben wir geprüft, besondere Vor- theile dabei jedoch nicht erreicht. Wir verzichten daher darauf, die Ergebnisse, welche wir mit diesen Verfahren gewannen, hier noch besonders mitzutheilen. Unter allen bisher erwähnten Verfahren wurden die inten- sivsten Färbungen bei der Behandlung mit Orcein, Saffra- nin, Vietoriablau undJodviolett erreicht. Was die Fär- bung der Zonula eiliaris mit diesen Flüssigkeiten im Vergleich mit derjenigen der elastischen Fasern der Haut betrifft, so ist es uns gelungen folgende Eigenthümlichkeiten festzustellen: das ÖOrcein färbte die elastischen Fasern der Haut konstanter und manchmal dunkler als die Zonulafasern, während die übrigen färbenden Flüssigkeiten entweder eine vollständig gleich inten- sive Farbe in den beiden Geweben erzeugten, oder — wie z.B. Jodviolett und Saffranin — die Zonulafasern intensiver als die elastischen Fasern der Haut färbten. Wenn wir hiernach die elastischen Fasern der Haut mit den Zonulafasern nach ihrem Aeusseren vergleichen, so finden wir zwischen ihnen eine grosse Aebnlichkeit: die einen, wie die an- deren erscheinen gleich glatt in der ganzen Länge, gerade oder leicht gekrümmt, abstechend von den sie umgebenden Geweben 1) Köppen, Färbung d. elastischen Fasern und d. Hornschicht. Zeitschrift f. wissensch. Mikrosk. Bd. VI u. VII. 2) Herxheimer, Ein neues Färbungsverfahren für d. elastischen Fasern der Haut. Fortschritte d. Medie. 1886. Nr. 67. 3) Martinotti, De la reaction des fibres @lastiques avec l’emploi du nitrate d’argent. Archives italiennes d. biologie. T. XI. fase. 2. (Jahrb. f. Anat. u. Phys. 1890, S. 96). 4) Dührssen, Archiv f. Gynäkol. Bd. XLI. H. 1. 2 u. Zeitschr. f. Mikr. 1892. 9. S. 510. 572 A.Agababow: durch ihren Glanz, welcher besonders bei der Färbung mit Saf- franin oder Aurantia hervortritt. Die diekeren Bündel der Zonula bestanden gewöhnlich aus mehreren Fasern, deren Isolirung mit Nadeln einige Schwierigkeit machte. Jedoch in denjenigen Fällen, in welehen die Zonula mit der Flemming ’schen Flüssig- keit behandelt wurde und wo auf den Fasern, wie wir schon oben erwähnten, eine Anhäufung von Körnchen oder Kügelchen sicht- bar war, gelang die Zerzupfung verhältnissmässig viel leichter. Wie die dieken, so waren auch die dünnen Zonulafasern in ihrer ganzen Länge von constantem Durchmesser. Mit der chemischen Konstitution des elastischen Ge- webes beschäftigte sich, wie bekannt, A. Ewald!), welcher fand, dass die zwei Substanzen, aus welchen die elastische Faser besteht, bei hinreichend hoher Temperatur in Pepsin und Tryp- sin verdaut werden. Eine dieser Substanzen hat die Eigenthüm- lichkeit, das Licht stark zu brechen und sogar in kalter Pepsin- lösung leicht und rasch verdaut zu werden, während die andere darin nicht gelöst wird, sondern nur stark glasig aufquillt, der Verdauung länger widersteht und noch eine Zeit lang als eine Art Stroma der Faser zurückbleibt. Das Bindegewebe in Lig. nuchae des Ochsen wird jedoch in Trypsin nicht verdaut, weder im frischen Zustande, noch nach der Behandlung mit Alkohol, Osmiumsäure, T/,, °/, Chromsäure, Müller’schen Flüssigkeit und Pikrinsäure. Nach Mall?) kann das elastische Gewebe fast un- absehbar lange Zeit in einer kalten Essigsäure von verschiedener Stärke verweilen ohne dadurch zerstört zu werden. Nach stun- denlangem Kochen in einer 20°/, Essigsäurelösung werden die elastischen Fasern sehr brüchig. Eine kalt gesättigte Aetzkali- lösung zerstört die Fasern in wenigen Tagen, während sie in schwachen Lösungen mehrere Monate ohne irgend welche be- merkbaren Veränderungen verweilen können. Aus der von die- sem Autor beigefügten Tabelle kann man ersehen, dass die ela- stischen Fasern z. B. in einer 10°/,-Aetzkalilösung 2 Tage lang 1) Ewald, Zur Histologie und Chemie der elastischen Fasern u. des Bindegewebes. Zeitschr. f. Biologie Bd. XXVI. S. 1—56. 2) T. Mall, Das reticulirte Gewebe und seine Beziehung zu den Bindegewebsfibrillen. Abhandl. d. mathem.-physik. Classe der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften. 1891. Mit 11 Taf. Untersuchungen über die Natur der Zonula eiliaris. 575 unzerstört verbleiben können, und in einer 20 °/,-Lösung einen Tag. Beim Kochen derselben in einer 5—10 °/,-Aetzkalilösung werden sie rasch zerstört. Ein gutes Pankreatinpräparat löst die elastischen Fasern rasch auf; das fibröse Gewebe und das Iymphoide Retieulum leisten jedoch während mehrerer Tage dieser Wirkung Widerstand. Wir erwähnten an dieser Stelle nur die wesentlichen Ergebnisse aus der Arbeit von Mall, welche wir selbst bei der Anwendung von chemischen Reactionen auf die Zonula und die Hautschnitte geprüft haben. ’ Bei unseren vergleichenden Untersuchungen benutzten wir Zonula und Hautpräparate, die in verschiedenen Flüssigkeiten fixirt worden waren. Es sei hervorgehoben, dass alle erwähnten Reactionen gute Resultate lieferten bei solchen Hautschnitten, die vorher in Formalin fixirt wurden; diese zeigten reine Präpa- rate von elastischen Fasern. Deshalb nahmen wir zur Kontrol- untersuchung die Zonula aus Augen, welche in Formalin gehärtet waren. Bei der Anwendung einer 10 °/, oder etwas stärkeren Essig- säurelösung traten die elastischen Fasern in der Haut ganz deut- lich hervor und erschienen als zusammengelegte feine, leicht ge- krümmte Fäden; bei der Einwirkung eimer 20 °/,-Lösung löste sich das umgebende Gewebe rascher, die elastischen Fasern wurden brüchig und erschienen als kurze, ebenfalls gekrümmte Fäden, an manchen Stellen gleichsam wie gebrochen. Beim Kochen trat die Reaction sehr rasch ein, und die Brüchigkeit der ela- stischen Fasern wurde stärker. Bei der gleichen Behandlung der Zonula blieb diese fast unverändert, nur hatten die Fasern derselben keine so deut- lichen Umrisse, wie es bei den elastischen Fasern der Haut der Fall war. Nach Behandlung mit einer 5 °/,-Aetzkalilösung treten an den elastischen Fasern der Haut und an den Zonulafasern keine besonderen Veränderungen hervor, aber zwischen den Zonulafasern werden farblose Körnchen sichtbar und zwar in verhältnissmässig grösserer Anzahl, als es bei der Anwendung von Essigsäure der Fall ist. Beim Kochen schrumpft die Zonula, besonders wenn das Kochen dauernd in einer 10—20 °/,-Aetzkalilösung statt- gefunden hatte. 574 A. Agababow: In dem pankreatischen Ferment lösten sich die Zonula und die elastischen Fasern der Haut, durch Einwirkung mit Essig- säure isolirt, ganz rasch. Im Allgemeinen konnte man beobachten, dass die chemischen Reagentien auf die Zonula etwas stärker, als auf die elastischen Fasern der Haut einwirken. Diese Erscheinung kann man viel- leicht bis zu einem gewissen Grade der isolirten Lage der Zonula- fasern zuschreiben. Wir wir sehen, gaben die zur Untersuchung des elastischen ewebes empfohlenen Färbemittel und chemischen Reaetionen auch bei der Untersuchung der Zonula mehr oder weniger be- stimmte Resultate, woraus man den Schluss ziehen kann, dass die Zonula ihrer Natur nach in einer nahen Beziehung zu dem elastischen Gewebe steht. Zur Entscheidung der Frage jedoch, ob die Zonulafasern wirklich genau elastische Fasern darstellen, oder ob sie mit denselben nur eine grosse Aehnlichkeit haben, ist es noch erforderlich festzustellen, wie sich die Zonulafasern zu anderen Geweben verhalten und wie sie sich entwickeln. In den vielen Abhandlungen über diese Frage finden sich bezüglich des Ursprunges der Zonula ciliaris und der Beziehung derselben zu den Nachbartheilen verschiedene Meinungen ausge- sprochen. Nach Merkel!) z. B. erstreckt sich der anatomische Ursprung der Zonula von dem Gebiete der Ora serrata bis zum Ende der Ciliarfortsätze, so dass die Anzahl der Fasern auf der ganzen Strecke von der Ora serrata bis zur Spitze der Ciliar- fortsätze zunimmt (Wiederkäuer), oder bis zum Ende dieser Fortsätze an der Iris (Hund und Kaninchen). Ein geringer Theil dieser Fasern verliert sich nach einer kurzen Strecke in dem Glaskörper. Nach Iwanoff?) werden die Zonulafasern bei der Ora serrata nur deutlicher sichtbar und kommen in einer ver- hältnissmässig grossen Anzahl zum Vorschein; aber ihr Ursprung erstreckt sich weiter, sogar bis zum Aequator des Auges. Nach Gerlach?) erstreckt sich der Ursprung der Zonula von der Ora serrata bis zur Spitze der Ciliarfortsätze. 1) Merkel, Die Zonula ciliaris. Leipzig 1870. 2) Iwanoff, l. ce. 3) Gerlach, Beiträge zur normalen Anatomie des menschlichen Auges. 1880. Untersuchungen über die Natur der Zonula eiliaris. 575 Berger!) lässt die Ursprungsfasern der Zonula a) aus der Grenzschicht des Glaskörpers als ungemein zarte Primitivfibrillen hervorgehen. Die Fibrillen sind leicht geschlängelt und zu Bün- deln angeordnet, welehe fächerförmig nach hinten ausstrahlen. b) Von der Spitze der Ora serrata gehen Fasern ab, von welchen ein geringer Theil in den Glaskörper zieht, der grössere Theil aber sich den übrigen Zonulafasern weiter nach vorn zugesellt. Nach Czermak?) liegt die hintere Grenze des Ursprungs- gebiets der Fasern 1—1,5 mm vor der Ora serrata. Es entspringt überhaupt keine Faser weiter‘ hinten, als eirca 1 mm vor der Ora serrata, keine geht über diese nach hinten hinaus und keine entspringt aus dem Glaskörper, sondern alle von der Glashaut der pars eiliaris retinae. Eine ähnliche Meinung spricht auch Dessauer?) aus, derart, dass die Fasern der Zonula beim Erwachsenen niemals die Ora serrata erreichen und nur beim Neugeborenen etwas näher an dieselbe herangerückt sind. Die Zonula Zinii beginnt also in Form einer homogenen Grenzmembran der Pars ciliaris retinae. Topolansky !) meint auch, dass die Zonulafasern 1 oder 1,5 mm vor der Ora serrata beginnen. Die Fasern der Hyaloi- dea sollen von denen der Zonula dureh die Färbung mit Säure- Fuchsin zu unterscheiden sein, indem die Hyaloideafasern violett und die der Zonula sich intensiv roth färben. — Dagegen ist die Zonula eiliaris nachSchwalbe°) die radiär gefaltete vordere Fortsetzung der Membrana hyaloidea zur Linsenkapsel. Der grössere Theil der Zonula, von der Ora serrata bis zur Spitze der Ciliarfort- sätze, ist mit dem Ciliarkörper in einer eigenthümlichen Weise verwachsen. In dem Gebiete des Orbieulus eiliaris ist die Zonula mit der ceutieularen Limitans der Pars ciliaris retinae überall fest 1) Berger, Beiträge zur Anatomie des Auges in normalem u. pathol. Zustande. Wiesbaden 1887. — Beiträge zur Anat. d. Zonula Zinnii. Arch. f. Ophth. Bd. 28. 1882. 2) W. Czermak, Klinische Monatsbl. f. Augenheilk. 1885, S. 416 und Centralbl. f. Augenheilk. 1885, 9. 3) Dessauer, Zur Zonulafrage. Klinisches Monatsblatt f. Augen 1853. XXI und offene Korrespondenz Ibid. 1885, S. 314. 4) Topolansky, Ueber d. Bau der Zonula u. Umgebung nebst Bemerkungen über d. albinot. Auge. Arch. v. Graefe. 37. I. 1891. 5) Schwalbe, Lehrbuch d. Anatomie d. Sinnesorgane 1887. 576 A. Agababow: verklebt, derart, dass sich nirgends ein Spaltraum zwischen bei- den findet. — Dieselbe Meinung von dem Ursprunge der Zonula spricht schon Zinn!) aus: „Illa autem Zonula a prima origine ex tuniea vitrea ad insertionem in lentem usque pereurritur fibris fortioribus, transversis ete... Nach Claeys?) dagegen gehen aus dem Glaskörper selbst keine Fasern hervor und die Zonula be- ginnt vor der Ora serrata mit feinen Fasern, die homolog den Müller’schen Fasern sind und zwischen die Zellen der Limitans interna retinae emporsteigen. | W. Schoen ) nimmt einen doppelten Ursprung der Zonula Zinnii an, und zwar aus den Epithelzellen der Pars eiliaris retinae und aus kleinen, nur mikroscopisch sichtbaren Zöttchen, mit wel- chen sich der Netzhautsaum besetzt zeigt. Jedem Zöttchen ent- spricht eine Faser und jeder Zelle ein Fortsatz. Eine Anzahl davon verschmelzen zu je einer Faser. Die Zonulafasern gehören zum Netzhautgewebe selbst, stellen eine Fortsetzung der Mem- brana fenestrata und der radiären Stützfasern dar und sind auch, wie diese aus Zellen und Zellenfortsätzen zusammengesetzt. Woraus die Zöttehen bestehen und woher sie gebildet sind, giebt Schoen nicht an. Aus dieser Uebersicht der in der Literatur mitgetheilten Beobachtungen kann man ersehen, dass manche Autoren die Zonulafasern bis hinter die Ora serrata, sogar bis zum Aequator des Auges verfolgten, die anderen an der Ora serrata selbst den Ursprung der Zonula annehmen, und endlich nach der Meinung anderer wieder die Zonula nur bis zu einer Stelle reicht, die etwa 1 bis 1,5 mm vor der Ora serrata liegt. 3ezüglich des Zusammenhanges der Ursprungsfasern der Zonula mit dem umgebenden Gewebe werden wieder verschiedene: Meinungen ausgesprochen, und zwar betrachten Manche die Zo- nula als die Fortsetzung der Membrana hyaloidea; Andere glau- ben, dass sie von dem Glaskörper und der Pars eiliaris retinae ihren Ursprung nehme, und noch Andere lassen sie nur von der Pars eiliaris retinae entspringen. Dabei wird die Glaslamelle der Pars eiliaris retinae als die Fortsetzung der Membrana limitans interna, 1) Zinn, Deseriptio anatomiea oculi humani. MDCCLV, S. 123: 2) Claeys, l.c. 3) W. Schoen, |. c. Untersuchungen über die Natur der Zonula ciliaris. 577 oder als die Grenzschicht des Glaskörpers betrachtet. Endlich sind besonders die Angaben derer hervorzuheben, welche die Zonula- fasern mit dem Stützgewebe der Retina zusammenbringen (Schoen. Claeys). Unsere erneuerten Untersuchungen mussten also auf die Beantwortung folgender Fragen gerichtet sein: 1. Wo beginnen die Zonulafasern, — vor, hinter oder an der Ora serrata ? 2. Sind dieselben mit der Pars eiliaris retinae, oder mit dem Glaskörper, oder gleichzeitig mit beiden verbunden ? 3. Wenn sie in einer Verbindung mit der Pars eiliaris retinae stehen, so muss noch die Frage beantwortet werden, ob sie aus der Glaslamelle entspringen, oder die verlängerten Fortsätze der retinalen Epithelzellen darstellen. Auf meridionalen Schnitten sowohl, wie an Flächenpräpa- raten des Auges, die nach den oben angegebenen Methoden be- handelt wurden, war zu ersehen, dass die Zonulafasern sich nie- mals nach hinten von der Ora serrata erstreckten, sondern sogar dieselbe nicht erreichten und in einiger Entfernung vor ihr ihr Ende hatten; ferner, dass alle Fasern von ihrem Beginne bis zur Spitze der Ciliarfortsätze auf der ganzen Strecke nur aus der Pars eiliares retinae ihren Ursprung nahmen (Figg. 1, 2, 3). Ein Theil derselben nahm die Richtung zur Linse, ein anderer z0g bis zum nächsten Oiliarfortsatz und endigte daselbst, d. i. in der Pars eiliaris retinae. Diese Fasern verbanden nicht nur die Spitzen der Fortsätze, indem sie auf diese Weise eine Brücke bildeten, wie es Merkel beschreibt, sondern sie lagen auch in den Zwischenräumen je zweier Fortsätze, in verschiedenen Rich- tungen sich erstreckend. Diese Fasern sind auf den Figuren 1 und 2 mit dem Buchstaben d bezeichnet. Die Figuren wurden nach meridionalen Schnitten des vorderen Abschnitten eines mit Örcein behandelten (Fig. 2) Katzen- und (Fig. 1u.3) Schweine- auges gezeichnet. Die Schnitte wurden auf diesen Präparaten etwas schräg gemacht; in Folge dessen konnte man sehen, dass die Fasern nicht nur die nächsten Ciliarfortsätze miteinander ver- binden, sondern, wie es bei manchen der Fall ist, am Saume der letzteren vorbeigehend die weiter liegenden Fortsätze er- reichen. So verbindet sich z. B. der Fortsatz a (Fig. 1) dureh die Fasern mit zwei hinter ihm liegenden Fortsätzen. An vielen Prä- paraten konnte man, ausser den zur Linse ziehenden und zur 578 A. Agababow: Verbindung der Ciliarfortsätze dienenden Fasern, noch eine grosse Anzahl von solchen erkennen, die zum Glaskörper verlaufen und auf dessen Oberfläche enden. Diese Fasern (Figg. 2 u. 5) sind mit dem Buchstaben a bezeichnet, und ihre Insertionsstelle an dem Glaskörper mit dem Buchstaben db. Wir halten es nicht für über- flüssig darauf aufmerksam zu machen, weil das Vorhandensein soleher Fasern, die die Verbindung des Glaskörpers mit den Ciliarfortsätzen zu Stande bringen, von einigen Autoren vollstän- dig geleugnet wird. An unseren Präparaten unterscheiden sich diese Fasern von denjenigen, die zur Linse oder zu den nächsten Ciliarfortsätzen zogen, weder durch ihre Dicke, noch durch die Färbung oder durch ihr äusseres Aussehen. Bei der Besprechung der zum Glas- körper verlaufenden Fasern muss noch eine wichtige Frage berührt werden, nämlich: in welchem Theile des Glaskörpers enden die zu demselben ziehenden Fasern ? Wir haben schon erwähnt, dass diese Fasern von der Pars eiliaris retinae bis zur Oberfläche des Glaskörpers verlaufen und hierselbst ihr Ende nehmen. Das kann man an den Figg. 2 u. 3, wo diese Endigungsstelle mit dem Buchstaben b bezeichnet ist, leicht erkennen. Hier wird die Oberfläche des Glaskörpers scharf durch eine Linie, oder genauer, durch einen schmalen Streifen von der vor ihm vorhandenen Zonula Zinnii abgegrenzt. Dieser Streifen erscheint ungleich, geschlängelt und dunkler gefärbt, als der ganze übrige Theil des Glaskörpers, obwohl er im Vergleich mit der Farbe der Zonulafasern blasser und feiner gefärbt ist. An der Fig. 3 sieht man ausser diesem Streifen m hinter denselben noch einen solchen, der aber kürzer ist. Der Glas- körper bildete wahrscheinlich an dieser Stelle eine Falte, die ab- geschnitten wurde und an dem Präparate als zwei Streifen sich darstellte. Jetzt entsteht die Frage: Was soll dieser Streifen an der Oberfläche des Glaskörpers darstellen ? Wenn man dessen scharfe Grenze — besonders in der Richtung nach vom —, die dunklere Farbe im Vergleich mit der des Glaskörpers und den kontinuirlichen Verlauf in’s Auge fasst, dann muss man annehmen, dass dieser Streifen nichts an- deres darstellt, als den Querschnitt der Membran des Glaskörpers. Untersuchungen über die Natur der Zonula ciliaris. 579 Trennt man einen Theil des Glaskörpers von dem vorderen Absehnitt eines Auges, welches vorher in Formalin fixirt und in Alkohol gehärtet wurde, ab und färbt ihn, so tritt seine auf dem Objeetträger ausgebreitete oberflächliche Schicht als ein feines, structurloses, gleichmässig gefärbtes Häutchen hervor, wel- ches biasser aussieht, als die auf demselben verlaufenden feinen, glänzenden, scharf konturirten Fäden. Es muss aber dabei bemerkt werden, dass das Vorhanden- sein der Membrana hyoloidea nicht allgemein angenommen wird. Henle!) z. B. ist der erste — so viel uns bekannt “ist —, der eine besondere Membran für den Glaskörper leugnete, indem er für den Glaskörper und die Netzhaut eine gemeinschaft- liche Grenzhülle annahm. Derselben Meinung ist auch Iwa- noff2. Auch Merkel?) glaubt, dass die Hyaloidea nicht existirt. Nach Garniert) fehlt dem vorderen Glaskörperab- schnitt die Membrana hyaloidea. Retzius?) meint, dass es am Glaskörper des menschlichen Auges keine anderen membranösen Gebilde gibt, als Verdichtung des gewöhnlichen Glaskörperge- webes (S. 82). Einer ganz entgegengesetzten Meinung huldigen andere Forscher. So nimmt z. B. Schwalbe an, dass die Membrana hyaloidea von dem Eingang des Sehnerven bis zur Ora serrata nicht nur existirt, sondern er betrachtet sogar — wie wir oben gesehen haben — die Zonula als die Fortsetzung derselben von der Ora serrata an (l. e. S. 155). Ferner beschreibt Dessauer‘) ganz genau den Verlauf der Hyaloidea vor der Ora serrata. Er sagt: „Man kann deutlich an gefärbten Schnitten beobachten, wie die Hyaloidea — ich will vorläufig eine solehe annehmen, und komme später auf dieselbe zurück — hinter der Ora serrata äusserst dünn, von dieser ab stärker werdend, sich flach an die Zonulafasern anlegend, in der Gegend der Ciliarfortsätze vielleicht einen freien Raum lassend, hinter die Linse zur Auskleidung der 1) Henle, Eingeweidelehre. 1866. 2) Iwanoff, l. c. 3) Merkel, Le. 4) Garnier, Arch. f. Augenh. 1892, S. 33 $ 4. 5) Retzius, Biologische Untersuchungen VI. 1894. 6) Dessauer, |. c. Archiv f. mikrosk, Anat. Bd. 50 37 580 A. Agababow: Fossa patellaris verläuft.“ Nach Wieger!) verläuft die Mem- brana hyaloidea nach der Bildung des Lig. hyaloideum-capsulare weiter nach aussen und hüllt den Glaskörper ein. H. Virchow?) sagt, dass der Glaskörper gegen den Petit’schen Raum durch eine Haut abgeschlossen ist. Das sind im Wesentlichen die Differenzpunkte, welche die Membrana hyaloidea betreffen. Wir können hier genauer auf. die Einzelheiten des Glaskörperbaues nicht eingehen und wollen uns mit den oben beschriebenen Ergebnissen, die wir bei der Unter- suchung der Zonula gewonnen haben, begnügen. Dabei kann übrigens noch hinzugefügt werden, dass der natürliche Verlauf der zum Glaskörper ziehenden Zonulafasern nicht so aufgefasst werden muss, wie es in den Präparaten er- scheint, d. h. als ob dieser Verlauf nach hinten gerichtet sei, wie es manche auch beschreiben, sondern man muss sich — wenig- stens nach unserer Meinung — diesen Faserverlauf als nach vorn gerichtet denken. In der That hat jene ziekzackförmige Linie (m), die wir für die Membrana hyaloidea annehmen, zweifellos bei der normalen Lage eine regelmässigere Form und liegt auch mehr nach vorn, d. h. näher zu den Ciliarfortsätzen und der Zonula Zinnü hin; in diesem Falle biegen freilich auch die zu ihr verlaufenden Fasern nicht nach hinten um, sondern ziehen nach vorn und nach innen. Daraus kann man schliessen, dass nicht die Zonulafasern sich nach hinten umkrümmen, sondern dass der Glaskörper — wahrscheinlich bei der Härtung in Alkohol — zusammengeschrumpft ist und daher von dem vorderen Abschnitt des Auges sich etwas abhebt. Die übrigen Zonulafasern, die in Beziehung zur Linse stehen, vermehren sich, indem sie sich der Spitze der Ciliarfort- sätze nähern, der Anzahl nach und vereinigen sich in Bündel, die aus mehreren, wahrscheinlich dureh eine besondere Kittsub- stanz zusammengeklebten Fasern bestehen. Das letztere kann man daraus schliessen, dass es bei der Anfertigung der Zerzupfungspräparate sehr schwer war, die Fasern 1) Wieger, Ueber den Canalis petiti und ein Lig. hyaloideum- capsulare. Diss. Strassburg 1883. 2) H. Virchow, Ueber den Bau der Zonula und des Petit’schen Kanales (V. Sitzung am 16. Januar 1885). Arch. f. Anat. u. Phys. (Physiol. Abth. S. 164). ee Untersuchungen über die Natur der Zonula ciliaris. 581 voneinander zu isoliren, und zweitens, dass nach der Behandlung derselben mit einigen Flüssigkeiten — wie es oben schon er- wähnt wurde — auf den Fasern farblose Körnchen und Kügel- chen zum Vorschein kamen, wobei dann die Isolirung der ein- zelnen Fasern bedeutend leichter ausführbar war. Von der Spitze der Ciliarfortsätze verbreitet sich die Zo- nula fächerförmig an der Peripherie der Linse, wobei der be- kannte dreieckige Raum ganz von den Zonulafasern eingenommen wird, was noch zum Theil an der von dem Augenpräparat des Schweines abgebildeten Figur 4 zu ersehen ist. Alle diese Fasern fanden ihr Ende in der Linsenkapsel. Von dem Vorhandensein der Membrana pericapsularis, wie sie Retzius (l. ce.) beschrie- ben hat, gab uns unser Präparat keinen sicheren Aufschluss. Obwohl man an einigen Präparaten sehen konnte, dass an die Oberfläche der Kapsel scheinbar ein feines Häutchen sich anlegte, so schien doch bei verhältnissmässig dieken Schnitten und bei einer starken Vergrösserung dieses Häutchens aus einem Bündel von Fasern zu bestehen (s. Figg. 1 u. 3). Was die Ursprungsstelle der Zonula betrifft, d.h. die Frage, aus welchem Theile der Pars ciliaris retinae ihre Fasern hervor- gehen, so konnten wir uns überzeugen, dass dieselben nicht von der Glaslamelle, sondern viel tiefer ihren Ursprung nehmen. Man konnte nicht sehen, dass diese Fasern deutlich die Fortsetzung des Protoplasmas der Epithelzellen der Pars ciliaris retinae dar- stellten, sondern es erschien an unsern Präparaten der Zusammen- hang zwischen denselben so zu sein, wie es aus der Figur 1 (a u. b) zu ersehen ist. Dasselbe Verhältniss ist auch bei star- ker Vergrösserung (A und B) separat abgebildet. Hier (s. a u. b) kann man auf dem kleinen, etwas schräg geführten Schnitte des betreffenden Processus ciliaris eine grosse Anzahl Zonulafasern entspringen sehen; ferner sieht man, dass das Zellenprotoplasma schwach gefärbt ist, die Fasern ganz deutlich hervortreten und auch die Zellenkerne deutlich sind. Bei der stärkeren Vergrösserung (4 und B) ist das Verhalten dieser Fasern zu den Epithelzellen klarer zu sehen. Man kann sich leicht überzeugen, dass die etwas glänzenden und dunkler gefärbten Fasern nicht mit dem glanzlosen blassen Protoplasma in Verbindung treten, sondern dass sie zwischen den Zellen sich verlieren. 582 A. Agababow: Auf Grund dieser Thatsachen können wir die von uns vor- her aufgestellten Fragen in folgender Weise beantworten: 1. Die Zonulafasern entspringen vor der Ora serrata. 2. Sie nehmen ihren Ursprung nicht aus dem Glaskörper, sondern nur aus der Pars ciliaris retinae, etwas nach vorn von der Ora serrata, wobei ein Theil derselben zum Glaskörper verläuft, der andere zu den Ciliarfortsätzen, und die ganze übrige Masse an der Peripherie der Linse endet. 3. Ihren Ursprung nehmen sie nicht aus der Glaslamelle der Pars eiliaris retinae, ebensowenig stellen sie die Fortsetzung. der Epitbelzellenfortsätze dar, sondern sie lassen sich weiter verfolgen und verlieren sich zwischen den Zellen. Wenn nun auch die von uns angestellten färberischen und chemischen Prüfungen eine Menge von Aehnlichkeiten, ja, wir dürfen sagen, Gleichheiten zwischen den Zonulafasern und den elastischen Fasern ergeben haben, so sprechen doch die so eben mitgetheilten Ergebnisse, betreffend die Herkunft der Zonulafasern und ihren Zusammenhang mit dem benachbarten Gewebe, nicht für ihre Deutung als elastische Fasern, Es handelt sich nun noch darum, diejenigen Angaben zu prüfen, welche die Zonulafasern dem Stützgewebe der Retina, den Müller’schen Radialfasern anreihen. Daher mussten wir bei der Untersuchung der Zonula noch eine Methode anwenden, die speciell zur Färbung der Neuroglia vorgeschlagen wurde. | Es ist bekannt, dass es Weigert gelang, eine ganz neue Methode auszuarbeiten, mittelst welcher man eine deutlich diffe- renzirte Färbung der Neuroglia bekommen kann. Obwohl diese Methode ziemlich komplieirt ist, hat sie doch einen grossen Vor- theil, weil sie in günstigen Fällen eine wunderbar schöne und deutliche Färbung der Neuroglia erzeugt. Dabei nehmen alle Neurogliafasern und Zellkerne eine dunkelblaue Farbe an, und das übrige Gewebe färbt sich schwach gelblich. Wir wollen hier die Beschreibung dieses Verfahrens nicht noch wieder angeben, weil wir es möglichst genau nach der Vorschrift des Autors!) selbst ausführten. An dieser Stelle sei nur hervorge- 1) Weigert, Ueber die Neuroglia. Beiträge zur Kenntniss der normalen menschlichen Neuroglia. Separatabdruck aus d. Abhandlun- gen den Senckenbergischen Gesellschaft. Frankfurt a..M. 189.. Untersuchungen über die Natur der Zonula ceiliaris. 583 hoben, dass man zur Untersuchung ein möglichst frisches und da- bei menschliches Gewebe benutzen muss. Die zur Probe ange- stellten Untersuchungen an verschiedenen Theilen des Auges (Nervus opticeus, Retina, Zonula) von verschiedenen Thieren er- gaben keine Resultate; nur bei der Untersuchung eines Schweine- auges erhielten wir eine Färbung der Retina (an einem Flächen- präparat), aber eine ziemlich schwache und undeutliche. Die Be- schaffung frischer menschlicher Augen ist leider mit vielen Schwierigkeiten verbunden; uns gelang es nur, menschliche Augen von einem vor 12 Stunden verstorbenen Individuum zu benutzen. Auf Längs- und Querschnitten des Nervus optieus bekamen wir hier ziemlich deutliche Färbung der Neuroglia. An den Retina- präparaten wurden bei denselben Bedingungen der Behandlung nur die Kerne gefärbt; die Müller’schen Fasern bleiben voll- ständig farblos. Dagegen zeigten sich an der Pars ciliaris retinae nicht nur die Epithelzellenkerne schön dunkelblau gefärbt, sondern auch die Zonulafasern; das Zellenprotoplasma der Pars eiliaris retinae wurde dabei gelblich. Es ist selbstverständlich, dass bei solchen Verhältnissen das Verhalten der Zonulafasern zu den Epithelzellen deutlicher her- vortrat. Von einem solchen nach Weigert's Methode behandelten menschlichen Auge ist die Fig. 5 abgebildet worden. Hier ist die entsprechende Farbe möglichst genau wiedergegeben, und man kann sehen, dass die Zonulafasern und die Zellkerne fast gleich intensiv blau gefärbt sind und ziemlich deutlich hervortreten; die blassgelbe Farbe des Zellprotoplasmas ist nicht scharf ausgedrückt. Ausserdem sind hier noch die Muskelzellenkerne des Musculus eiliaris blau gefärbt. Wenn nıan das Verhalten der Zonulafasern zu der Pars eiliaris retinae betrachtet, so kann man beobachten, dass die Fasern, die sich in gewisser Entfernung von der pars ciliaris retinae befinden, sich nahe aneinander anlegen und somit Bündel bilden (a. a. a.). Solche Bündel von Fasern kann man auch auf Flächen- präparaten der Zonula gut sehen, welche nach einer von den an- gegebenen Methoden behandelt worden sind. Jedoch sind diejenigen Fasern, welche sich an die Zellen der Pars eiliaris retinae ausschliessen, etwas von einander entfernt, dünn 584 A. Agababow: (b) und treten nieht in Verbindung mit dem Protoplasma oder mit dessen Fortsätzen, sondern sie nehmen die Zwischenräume zwischen den Zellen ein und verlieren sich dort. Folglich stellt sich auch hier das Verhalten der Zonulafasern zu den Epithelzellen ebenso heraus, wie bei der Färbung mit Orcein. Wir wissen nun durch die Untersuchungen von Weigert, dass die Neurogliafasern nicht als Zellenfortsätze erscheinen, son- dern dass sie, wenn auch vielleicht auf Kosten des Zellprotoplas- mas gebildet, später als selbständige Gebilde weiter wachsen und sich als vom Zellprotoplasma unabhängige Dinge darstellen. So- nach ist das Verhalten der Neurogliafasern zu deren Bildungs- zellen dasselbe, wie das Verhalten der Zonulafasern zu den Epi- thelzellen der Pars eiliaris retinae. Wenn wir ferner auch die anderen Eigenthümlichkeiten der Neurogliafasern berücksichtigen, die von Weigert beschrieben worden sind, nämlich, dass sie gleichartig glatt, ohne Varicositäten und Verdickungen sind, von einer ver- schiedenen Dicke sein können, sich nicht theilen und nicht anasto- mosiren, so sehen wir, dass die Zonulafasern fest genau dieselben Merkmale haben. Man muss dabei aber bedenken, dass die von Weigert aus- gesprochene Meinung mit denjenigen von Fromman, Golgi u.a. nicht übereinstimmt. Während die Neuroglia nach Weigert aus Zellen und ausserdem noch aus Fasern besteht, glauben Golgi und Andere, dass sie nur aus Zellen und deren Fortsätzen sich zusammensetzt. Folglich stellen die Neurogliafasern nach Golgi u. A. die un- mittelbare Fortsetzung der Zellfortsätze dar. Mit der Annahme von Weigert stimmt auch Köllikert) nicht überein, welcher in seinem neuen Handbuche (p. 792) fol- gendes ausspricht: „In erster Linie betone ich, dass die Gliazellen nicht nur mit der Golgi’schen Methode, sondern auch auf anderen Wegen sehr leicht sich isoliren lassen und in diesem Falle als Zellen mit Kern und Protoplasma sich ergeben, von welchem aus, wie ich behaupte, die Ausläufer als unmittelbare Fortsätze in der grossen Mehrzahl der Fälle leicht zu ver- folgen sind.“ 1) Kölliker, Handbuch d. Gewebelehre d. Menschen. Bd. II. 1896. Untersuchungen über die Natur der Zonula ciliaris. 585 Es muss aber andererseits wieder bemerkt werden, dass auch nach Ranvier!) die Neurogliafasern bei Erwachsenen keine Zellfortsätze (Golgi'sche Zellen — nach Kölliker) dar- stellen, sondern sich nur an dieselben anlegen, oder durch das Protoplasma derselben hindurchziehen. Bei Embryonen stellt sich dieses Verhalten etwas anders dar. Daraus muss man schliessen, dass die Frage über die Ver- bindung der Neurogliafasern mit den Zellen noch nicht vollstän- dig gelöst ist, wenn solche Forscher, wie Kölliker, Ranvier, Golgi und Weigert darüber noch verschiedene Meinungen aus- sprechen. Andererseits stimmen aber auch die Meinungen der Forscher über die Entwiekelung und das Verhalten der elastischen Fasern zu den sie umgebenden Theilen noch nicht überein. Nach Kölliker?) z. B. entwickeln sich diese Fasern aus der Grundsubstanz des Bindegewebes durch eine besondere Diffe- renzirung. Ssudakewitsch?) kam auf Grund seiner Untersuchung zu der Ueberzeugung, dass die elastischen Fasern sich aus den Zellen entwickeln, wobei bei dem Processe der Entwickelung zwei Stadien beobachtet werden: eine progressive Verlängerung der Zellen und eine Umwandlung des Protoplasmas in eine elastische Substanz, N. Kusskow*) fand, dass die elastischen Fasern entweder von den Enden der Kerne mit mehr oder weniger breiten Ansätzen ihren Anfang nehmen, oder innerhalb der Kerne anfangen, oder von den seitlichen Rändern des Kernes ausgehen. Nach den Untersuchungen von Loisel?) entwickeln sich diese Fasern aus den von ihm sogenannten elastogenen Zellen und deren Zellenfortsätzen. Waldeyer ist — nach einer persönlichen Mittheilung — der Meinung, dass die elastischen Fasern aus dem Zellenprotoplasma entstehen. 1) Ranvier, De la Nevroglie. Traveaux du laboratoire du College de France. 1883. 2) Kölliker, Handbuch d. Gewebelehre. 1889, S. 117. 3) Ssudakewitsch, Ueber d. Bau u. d. Entwickl. d. elast. Ge- webes (russisch). Kieff 1882. S. auch Jahresb. f. Quart. 1883, S. 50. 4) N. Kusskow, Arch. f. mikrosk. Anat. XXX. 1887. S. 32. 5) M. Loisel, Formation et &volution des el&ments du tissu &la- stique (These presentee a la facult& de sciences de Paris. 1896. 586 A. Agababow: Folglich giebt es auch in dieser Beziehung noch keine Ueber- einstimmung der Meinungen, obwohl die Mehrzahl der Autoren der Ansicht sich anschliesst, dass die Fasern aus dem Protoplasma der Zellen entstehen. Jetzt wirft sich die Frage auf, worin denn der Unterschied „wischen der Neuroglia und dem elastischen Gewebe besteht? Soviel wir beurtheilen können, zeigen alle die bekannt gegebenen Thatsachen keinen scharfen Unterschied zwischen den Neuroglia- fasern und den elastischen Fasern, sowie auch zwischen der Ent- wieklung und dem Verhalten derselben zu den Zellen. Nach den Untersuchungen von Waldstein und Weber!) stellt sich heraus, dass die Neurogliafasern in Trypsin sich auflösen, folglich ein gleiches Verhältniss, wie es bei den elastischen Fasern obwaltet. Gerlach?) sprach sogar die Meinung aus, dass die Neuroglia- fasern nichts anderes sind, als elastisches Gewebe. Weigert hält dies jedoch für unrichtig, indem er das hauptsächlich damit begründet, dass die elastischen Fasern nach seiner Methode und die Neurogliafasern nach den zur Färbung des elastischen Gewebes vorgeschlagenen Methoden sich nicht färben lassen. Auch muss be- tont werden, dass die Neurogliafasern keine Anastomosen eingehen, also keine Netze bilden, wie dies von den elastischen Fasern be- kannt ist. Nun zeigte es sich bei unsern Untersuchungen, dass die Zonulafasern chemisch wie tinktoriell eine grosse Aehnlichkeit mit dem elastischen Gewebe haben und gleichzeitig auch nach der Methode von Weigert sich färben lassen und keine Anasto- mosen und keine Theilungen aufweisen. , Die Zonulafasern stellen somit eine Art Zwischenglied zwischen den elastischen Fasern und den Neurogliafasern dar; sie haben Eigenschaften der einen, wie der anderen Kategorie. Betrachten wir die Faserbildungen im thierischen Körper im Allgemeinen, so können dieselben einmal direkt protoplasma- tischer Natur sein, wie z. B. die Zahnfasern (Tomes) und die Dendriten der Ganglienzellen; dann können sie Elaborate oder Produkte des Protoplasmas sein, wesentlich auf chemischen Um- 1) Weber u. Waldstein, Arch. de physiol. norm, et pathol. 1882 (Etudes histochimiques sur les tubes nerveux). 2) Citirt nach Weigert Il. ce. S. 120. Untersuchungen über die Natur der Zonula eiliaris. 587 wandlungen beruhend; diese können sich, einmal gebildet, mehr oder weniger von dem Bildungsprotoplasma emaneipiren und ein eigenes Assimilationsvermögen erwerben, so dass sie selbständig weiter wachsen; endlich können Fasergebilde in einer Grundsub- stanz entstehen, die ihrerseits aber wieder von Zellprotoplasma gebildet sein muss, oder doch mit Hilfe eines solehen, denn es ist heute wohl nieht mehr zulässig, anzunehmen, dass organische Bildungen völlig unabhängig vom Zellprotoplasma entstehen soll- ten. Diese dritte Kategorie von Fasern würde also die am meisten vom Protoplasma emaneipirte, und somit auch wohl die mit den geringsten Lebenseigenschaften ausgestattete sein. Bekanntlich rechnen manche unserer competentesten Forscher, wie v. Kölliker und Merkel, die Bindegewebsfibrillen da- hin; auch die elastischen Fasern werden von Einzelnen hierher gestellt. Die Zonulafasern möchte ich bis auf Weiteres zur zweiten Kategorie rechnen, denn wir sehen keine Grundsubstanz ihrer Bildung voraufgehen. Bedenken wir ferner, dass die Zonulafasern mit der Retina im Zusammenhange stehen, dass aber die Retina aus derselben Anlage hervorgeht, wie das Centralnervensystem, und dass sich in ihr den Gliafasern völlig gleiche Bildungen entwickeln; sehen wir nun, dass die so speeifische, von Weigert ersonnene Fär- bung der Neurogliafasern auch die Zonulafasern tingirt, so Hesit?es’ wahe, "die "letzteren/wenigstens Im die Nähe der Neurogliafasern zu stellen, zumal, wie wir vorhin angegeben haben, auch noch andere Aehnlichkeiten bestehen. Es darf dabei nicht befremden, wenn wir tinktorielle und chemische Aehnlichkeiten mit elastischen Fasern finden. Da es sich bei der Bildung dieser beiden Faserkategorien um wesent- liche chemische Elaborate des Protoplasmas handelt, so können aus Zellen verschiedener Art, wie es die Bildungszellen des elastischen Gewebes und die der Neurogliafasern sind, doch einander chemisch und physikalisch nahe stehende Fasern her- vorgehen. Indessen würden wir doch nicht befürworten, die Zonulafasern geweblich mit den elastischen Fasern in eine Kategorie zu stellen. 588 A. Agababow: Untersuchungen ü. d. Natur d. Zonula ciliaris. Schliesslich sage ich Herrn Geheimrath Prof. Waldeyer für seine Leitung und Rathschläge und dem Herrn Prof. Krause für seine freundliche Unterstützung bei der Ausführung dieser Arbeit meinen Dank! Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXIL Fig. 1 u. 3 sind nach Präparaten meridionaler Schnitte des Schweine- . 4 e. 5. auges, Fig. 2 nach denselben der Katze abgebildet. Orcein- färbung. C=Linse; K=die Linsenkapsel; m = Membrana hyaloidea; Gl=Glaskörper; a= Ursprung der Zonulafasern an einem Ciliarfortsatze; b = Insertion derselben an der Mem- brana hyaloidea; d= Fasern, die von einem Ciliarfortsatz zum anderen verlaufen; e—=Ein Bündel der Zonulafasern, die zur Linsenkapsel verlaufen. ig. 1 (a, und b,) zeigt das Verhalten der Zonulafasern zu den Zellen der Pars ciliaris retinae bei einer schwachen Vergrösserung, (4, und B,), dasselbe bei einer starken Vergrösserung. ist nach einem Präparate vom Schweineauge abgebildet. Fär- bung mit Hämalaun. Aus einem meridionalen Schnitte vom menschlichen Auge. Behandlung nach Weigert’s Methode. m.c. = museul. ciliaris; a —= Bündel der Zonulafasern; man sieht einzelne Fasern, welche zwischen den Epithelzellen der Pars ciliaris retinae verlaufen. Die Umrisse der Figg. 1, 2,3 sind mittelst eines Zeichenapparats (Zeiss 4a bei einer Vergrösserung Ocul. 2, Obj. A), die der Figg. 4, 5 bei einer Vergrösserung Ocul. 2, Obj. a, dargestellt werden. Die Dar- stellung der Details, d. h. des Verhaltens der Zonulafasern zu der Pars eiliaris retinae und der Membr. hyaloid. ist bei einer Vergrösserung Ocul. 4, Obj. F ausgeführt worden. 559 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Strassburg.) Das Centralnervensystem von COarcinus Maenas. Ein anatomisceh-physiologischer Versuch. I. Theil. — I. Mittheilung. Von Albrecht Bethe. Hierzu Tafel XXXIL. Inhaltsübersicht. (Fortsetzung der Beschreibung der physiologischen Versuche.) Durchschneidung beiderSchlundeommissurenvorden Schlundganglien. Ku 4 Durcehschneidung beider Schlund one en er den Schlundganglien. Herausnahme beider Schliundendeklen Durchschneidung einerSchlundeommissur (Sehwächune der Muskulatur auf der operirten Seite; Vermehrung der Schritte auf der gesunden Seite; Kreisgang) . Spaltung desGehirnsvon vornbishintenin a Mittel- linie. BE Ar a a Te N RER Dh easpsltunie des Gehirns vom onen Hanke Er zum Mittelloch. (Verschwinden der Compensationsbewe- gungen, der Augenbewegungen bei passiver Rotation um die verticale Axe und des negativen Phototropismus; Störung in der Correlation des Ganges; normale Reaction auf der Drehscheibe. Verstärkung der Reflexerregbarkeit) . Spaltung des Gehirns in der Mittellinie vom hinteren Rande bis zum Mittelloch. (Fortfall der Uebertragung mechanischer Reize von einer Seite auf die andere) Längsspaltung des Gehirns und Durchschneidung einer Schlundcommissur . . . POpER Durchschneidung des PH enlomsionikbaundeis, Felchäs sich im Neuropilum oculimotorii mediale verzweigt (Fortfall der Fleetionsbewegungen des Auges) . isaal Die Herausnahme eines oder beider Globuli. (Störung in der Correlation des Ganges, Verschwinden des ya Phototropismus, ungehemmter Ablauf der Reflexe) Die Abtragung des ganzen vorderen lienze Seite 590 599 599 617 619 621 621 623 590 Albrecht Bethe: polsters. (Fortfall der Compensationsbewegungen und des Seitwärtsganges [Ancestorgang]) 2.271. Zum 2 ee Die Abtragung der einen Hälfte des vorderen Gang- lienzellpolsters. (Fortfall der Compensationsbewegungen, RrReISBang]“ an re DEN ARTEN CEU NEWS GAREN 10 BAklee Sea ur Das normale Functioniren von Neuronen nach Fortnahme der zugehörigen‘ Ganglienzellen \. 3.1 TEE RI bau Bortnahme, der Cellulae anzulares, 7... 2.0 Pers Die,Resultate der-’eleetrischen Keizune "77 „ir 1.70 2 Versuch e,am -Bauchm.ark 31.1720. 00.27 5 ee a Tatelerklärungi 7... 0 WU 3 RAR. Pe SEN a Durchschneidung beider Schlundecommissuren vor den Schlundganglien. Man kann diese Operation von oben her machen, indem man die Commissuren hinter dem Gehirn freilegt und durchschneidet. Es ist dies aber umständlich, und derselbe Zweck kann viel einfacher erreicht werden. Die Schlundeommissuren laufen gleich hinter dem Gehirn ziemlich dicht neben einander; vor dem Oesophagus trennen sie sich aber um die Breite des Oesophagus, also um etwa 3/,—1lcem von einander, um an beiden Seiten um dieses Rohr herum zu laufen. Beim Auseinanderbreiten der äusseren (dritten) Maxillarfüsse bemerkt man vor den Mandibeln ein kleines weichhautiges Feld, der vor- derste Theil des Mundfeldes. Hier liegen die Commissuren ganz ven- tral und zu beiden Seiten dieses Feldes. Das Thier wird in Rücken- lage gefesselt, Beine und Scheeren festgebunden, die äusseren Maxillar- füsse auseinandergebreitet und mit Fäden an den Nägeln befestigt. Mit zwei Fliesspapierbäuschen werden die Ausführungsgänge des Athmungscanals zugestopit. Mit einer Scheere wird darauf das kleine weichhäutige Feld in querer Richtung gespalten. Hierauf nimmt man folgendes Instrument zur Hand: An einem Stiel ist ein halbkreisförmig gebogener, nicht spitzer Haken von 2mm Durch- messer befestigt, dessen Innenkrümmung geschärft ist. In einem Ab- stande von 6-7mm (die Angaben beziehen sich auf ein Instrument für Thiere von 5—6cm Carapaxlänge) unterhalb der Krümmung ist ein Arretirungsstift angebracht. Der Haken wird quer durch den Schlitz in dem weichen) Häutchen eingeführt, nach vorne umge- dreht, sodass er in der Längsaxe des Thieres orientirt ist, bis zum Aufstossen des Arretirungsstiftes auf die vordere harte Begrenzung des kleinen Feldes in die Tiefe gesenkt, nach rechts um 900 gedreht und in die Höhe gezogen. Dabei zuckt das Thier an allen Gliedern, und die linke Commissur ist durchschnitten. Der Haken wird wieder gesenkt, nach links umgedreht und in gleicher Weise die rechte Commissur durchschnitten. Nach dem Herausziehen des Hakens treten Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 591 einige wenige Tropfen Blut aus, welche abgetupft werden; die Wund- ränder legen sich von selbst aneinander, ein Verschluss ist nicht nöthig. Nachdem die Fliesspapierbäusche entfernt sind, wird das Thier ent- fesselt. Durehschneidung der Commissuren mit Hülfe eines scharfen Hakens hat schon Ward (Journal of Physiel. 1879) ausgeführt. Nach der Entfesselung auf den Bauch gelegt, macht das Thier einige Schritte nach vorne und bleibt dann in Kopfstand stehen oder fällt vorn über auf den Rücken. So bleibt es eine halbe bis mehrere Stunden ruhig liegen. Gewöhnlich fasst es dabei einigemal mit den Scheeren nach den Mundgliedmaassen und zupft sie zurecht. Offenbar ist dies eine Folge der Fesselung. Die Augen und ersten Antennen bleiben einige Zeit nach der Operation eingezogen, kommen aber schon nach einigen Minuten bis einer Stunde wieder heraus. Die Muskelkraft ist bedeutend herabgesetzt. Ein Thier, das vor der Operation einen dünnen Bleistift mit der Scheere zerdrückt, kann nach der Operation kaum noch einen schmerz- haften Kniff in den Finger ausführen. 1. Reflexe der Kopforgane. Die Kopfreflexe sind unverändert, vielleicht etwas verstärkt, jedenfalls sicher nicht herabgesetzt. Die ersten Antennen spielen. Auf Reiz des Hinter- thiers d. h. der Mundtheile, der Beine, des Abdomens und der Körperdeecke mit Ausnahme des vorderen Theiles, welcher als Ausbreitungsgebiet desTegumentarius erkannt wurde, erfolgt keine Reaction der Kopforgane, vorausgesetzt, dass eine Erschütterung des ganzen Körpers dabei ausgeschlossen wird. Ebenso erfolgt niemals, um dies gleich hier zu bemerken, eine Reaction des Hinterthiers bei Reiz der Kopforgane. 2. Die complieirtenAugenbewegungen. a) Com- pensationsbewegungen. Die Augen stehen nach der Operation in Ruhelage nicht mehr normal, sie stehen steiler und der Mitte mehr genähert. Die Compensationsbewegungen sind deutlich vor- handen, bei der Drehung um die Transversalaxe nach unten erreichen die Augen aber eher die dorsalste Stellung in Folge der ‚dorsaleren Ruhelage. Aus demselben Grunde wird die ventralste Stellung der Augen bei Drehung um 180° nach hinten (so dass das Thier auf dem Rücken liegt) noch nicht erreicht. — Bei Drehung des Thieres um 90° um die Längsaxe erreicht das obere Auge nicht den lateralen Augenhöhlenrand und das untere ist anormal 599 Albrecht Bethe: über den medialen Augenhöhlenrand gebeugt. Manchmal sieht man nun einen schnellen Correetionsnystagmus. Beide Augen schlagen schnell lateralwärts bis zu der für diese Körperstellung normalen Augenstellung und kehren dann langsamer zu der nor- malen Stellung zurück (sie bewegen sich also beidemal in entgegen- gesetzter Richtung). b) Die Bewegungen der Augen bei passiver Rotation des Thieres um die vertikale Axe. Die Thiere zeigen bei passiver Rotation um die Vertikalaxe die typischen Bewegungen der Augen entgegen der Drehrichtung mit Nystagmus im der Dreh- richtung. Beide Bewegungen sind gegenüber dem normalen Thier herabgesetzt, erlöschen nach Herausnahme der Statocysten ganz (im Gegensatz zum normalen Thier) und werden bedeutend mehr als beim normalen Thier durch Schwärzung der Corneae vermindert. 3. Ruhelage. a) Bauchlage. Die bei normalen Thieren einzige Ruhelage, nämlich auf dem Bauch, ist bei diesen T’hieren gleich nach der Operation fast nie zu beobachten. Einige Tage oder Wochen nach der Operation wird sie öfters eingenommen, aber nie dauernd. — Als eine typische Folge der Operation ist eine Störung in der Haltung der Extremitäten anzusehen. Scheeren und Gangbeine sind stärker fleetirt als normal, besonders im zweiten Gelenk und nicht seitlich und nach vorne, sondern nach hinten gerichtet. Dies gleicht sich bis zu einem gewissen Grade, aber niemals ganz aus, und erst nach dem Eintritt des Ausgleichs ist das Thier im Stande, auf dem Bauch zu liegen. Dabei sind die Beine nie wie beim normalen Thier so häufig angezogen, sondern gespreizt und zugleich flectirt, so dass der Körper vom Boden erhoben ist. Drückt man ihn herunter, so schnellt er wieder in die Höhe. Entweder liegt das erste Beinpaar nach vorne, die drei anderen nach hinten (was beim normalen Thier nicht vorkommt) oder seltener in normaler Weise die beiden ersten Beinpaare nach vorne. Das Thier sucht nicht dunkle Stellen oder die Wand auf; es ist also sowohl der negative Photo- tropismus (was nicht zu verwundern ist), als auch der Kalyptro- tropismus geschwunden. — Sind alle Beine nach hinten gestreckt, so tritt die bei weitem häufigere Ruhelage, b) der Kopfstand ein. Infolge des Unvermögens, die Beine seitlich oder nach vorne zu strecken, und infolge ihrer Flection fehlt dem Körper die vordere Stütze; er fällt vorn über, und dadurch Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 593 verlieren die beiden letzten Beinpaare die Berührung mit dem Boden. Der Körper ruht auf dem Rostrum, den umgeklappten Scheeren und den nach hinten gestreckten vier ersten Beinen. e) Rückenlage. Ein normales Thier bleibt nie auf dem Rücken liegen, bei diesen ist es nichts seltenes. Manche Exem- plare sind nicht im Stande, sich von der Rückenlage zur Bauch- lage umzudrehen. Von diesen sehe ich ab. Aber auch die, welche sich umdrehen können, bleiben oft stundenlang auf dem Rücken liegen. Man kann sie immer dazu bringen, wenn man die Extremitäten nach der Umdrehung zur Rückenlage beschäftigt, indem man längere Zeit die Bauchseite kitzelt oder Nahrung giebt. 4. Gang. Reizt man ein auf dem Bauch liegendes Thier auf einer Seite (links), so bewegen sich die Beine der entgegen- gesetzten Seite nach rechts vorne; es kommt aber nie zu Gang nach der Seite, vielmehr greifen die Beine nach dieser ersten Reaction nach vorne und, indem sie sich ganz nach hinten aus- strecken, verschieben sie den Körper nach vorwärts Es kommen aber nie mehr als 2 oder 3 Schritte zu Stande, denn durch den falschen Einsatz der Beine wird der Körper hinten gehoben und fällt zum Kopfstand nach vorne über. Die Gang- bewegungen hören dann gewöhnlich gleich auf; machen die vor- deren beiden Beinpaare noch einen weiteren Schritt, so stürzt das Thier vorn über auf den Rücken. — Drückt man das Thier hinten auf den Boden und veranlasst es zu Gehbewegungen, so kann das Vornüberfallen nicht stattfinden, und es geht nun lang- sam grade vorwärts. Sowie man loslässt, tritt dann wieder das Vornüberfallen en. Wenn man das Thier in dieser Weise unterstützt, tritt auch auf den heftigsten an einer Seite angesetzten Reiz niemals Gang nach der anderen Seite ein. Selbst dann, wenn man das Thier gleichzeitig nach dieser Seite führt, arbeitet das Thier nach vorne, so dass die seitliche Verschiebung durch die Hand und die Vorwärtsbewegung durch das Thier sich zu einer Kreisbewegung componiren. Sicher ist, dass beim Gang dieser Thiere die Gangart I nie vorkommt. Die Beine eines Paares werden immer abwechselnd bewegt, nie gleichzeitig. Das vierte erreicht fast niemals den Boden und wird nur schwach mitbewegt. 5. Aufbäumreflexe. Reizt man in Bauchlage die Mundtheile oder Scheeren, so tritt Aufbäumen ein. Hierbei zeigt 594 Albreeht Bethe: sich die anormale Innervirung der Muskeln sehr deutlich. Von den ersten beiden Beinpaaren setzt gewöhnlich nur eins nach vorne. Die Beme sind stark fleetirt, nicht grade ausgestreckt, so dass der Körper ganz vom Boden erhoben ist, und sich nicht mit den Abdomen auf den Boden stützt. Die Scheeren bleiben fleetiert und werden nur schwach erhoben. Das letzte Bein ist nicht genügend nach hinten gesetzt, so dass das Thier: leicht hinten überfällt. 6. Starrkrampfreflex. Beim Hochheben tritt wie beim normalen Thier ein Spreizen aller Beine und der Scheeren ein. Die Extremitäten sind aber nicht grade, sondern gekrümmt, und es zeigt sich hier sehr deutlich, dass die Flecetoren das Ueber- gewicht über die Extensoren haben. Die.Starre ist nur gering und lässt bald ab, so dass die Beine schlaff herunter hängen oder herumampeln. Auf seitlichen Druck kehrt die Starre wieder. Drückt man mehrmals, so strecken sich beim ersten Druck die Beine der einen Seite mehr,. beim nächsten die der anderen, während die ersten sich etwas beugen und so fort. 1. Eiersehutzreflexe. Er tritt bei Weibchen immer beim Hochheben ein. Die Beine erreichen dabei aber das Abdomen nicht vollkommen. Auf seitlichen Druck geht er bisweilen in Starrkrampfreflex über. 8. Verteidigungsreflexe und Autotomie. Ueber diese Reflexe ist nichts besonders zu sagen. Sie erfolgen ebenso prompt, als beim normalen Thier, nur wird die Abwehr mit ge- ringerer Kraft ausgeführt, und die einzelnen Bewegungen folgen langsamer aufeinander. Auf Abschneiden eines Beines im zweiten Glied erfolgt immer Autotomie!). 9. Umdrehreflexe. Wie schon erwähnt, sind nicht alle Thiere im Stande sich wirklich umzudrehen. Bei diesen wird in Rückenlage nur das vierte Bein unter den Rücken geschoben, die Umdrehung auch versucht, aber nicht ausge- führt. Die Mehrzahl der operirten Thiere war aber im Stande, sich umzudrehen. Der Modus ist dabei ganz wie beim normalen Thier, doch läuft der ganze Vorgang langsamer ab. Auch bei einem Thiere, dem eins der eigentlichen Umdrehbeine (das linke vierte) fehlte, sah ich oft die Umdrehung gut erfolgen. Es be- 1) Ich bemerke hier, dass bereits von Frederiegq (Pflügers Arch. Bd. 50) festgestellt ist, dass das Autotomiren ein Bauchmarksreflex ist. Das Centralnervensystem von Carcinus Maenas. 595 nutzte dabei auch das zweite Beinpaar, wie überhaupt die ope- rirten Thiere diese Ersatzumdrehbeine häufiger benutzen als normale. Ein Thier drehte sich häufig wie ein statocystenloses über den Kopf statt über das Abdomen um. Es ist nun bei diesen Thhieren zum Zustandekommen des Umdrehreflexes nicht die Rückenlage nothwendig, sondern nur eine Berührung des Rückens mit einem festen Gegenstand und die Aufhebung der Berührung der Beine mit«lem Boden. Hebt man ein Thier inBaucehlage am Carapax hoch und berührt mit der Hand den Rücken, so werden immer die beiden letzten Beine zur Umdrehstellung auf den Rücken gelegt (wie ja auch häufig bei Statoeysten- losen). Wie vorher angedeutet, kann man dadurch, dass man die Beine, während das Thier auf dem Rücken liegt, beschäftigt, die Ausführung des Umdrehreflexes hemmen, so dass das Thier lange mit ventral stark gekrümmten Beinen liegen bleibt, mit Ausnahme des letzten Beinpaares, das gewöhnlich zur Umdrehstellung unter den Rücken geschoben ist (Taf. XXVII, Fig. 1). So wie man jetzt das Thier auf der Unterlage verschiebt, oder den Rücken kitzelt, so wird sofort die Umdrehung zur Ruhelage ausgeführt. Offenbar löst also ein dauernder Druck auf den Rücken den Umdrehreflex nicht aus, sondern der Eintritt des Drucks, die Aenderung der Druckintensität oder der Drucklokalität. 10. Schwimmen. Die Thiere sind auf keine Weise zu Schwimmbewegungen zubringen. Lässt man sie in tiefem Wasser untersinken, so lassen sie sich ruhig fallen oder strampeln mit allen Beinen, machen aber keine typischen Schwimmbewegungen. 11. Putzen. Das Putzen ist eine der Hauptbeschäftigungen dieser Thiere. Liegen sie auf dem Rücken oder dem Bauch, fast immer werden die Beine aneinandergescheuert (besonders eingehend nach Reiz eines Beines) oder das Abdomen mit den Scheeren gesäubert. 12. Nahrungsaufnahme. Liegt ein Thier auf dem Rücken, so wird jeder Gegenstand, der zwischen die umher- greifenden Scheeren kommt, gefasst und zum Munde geführt, aber wieder fortgeworfen, so wie er die Mundtheile berührt hat. Bei diesem Umherlangen sind die Maxillarfüsse in fortwährender Bewegung. In Bauchlage geschieht das Umherlangen weniger, doch werden auch hier umherliegende Steine häufig gefasst, zum Munde geführt und bei der Berührung wieder fortgeworfen. Giebt Archiv f, mikrosk. Anat. Bd. 50 38 596 Albrecht Bethe: man dem Thier aber ein Stück Fleisch, so wird es von den Maxillarfüssen gefasst und wie von einem normalen Thier gekaut und geschluckt. Das Kauen dauert länger als bei normalen Thieren, das Schlucken macht einige Schwierigkeiten, und auch schon bei kleineren Stücken, welche ein normales Thier ganz verschlucken würde, treten die Manipulationen ein, welche ein normales Thier bei einem sehr grossen Stücke anwendet (Zerpflücken, in die Länge ziehen u. s. w.). Nicht selten hört ein Thier mit den Kaubewegungen auf, ehe der Bissen verschluckt ist. Auf mecha- nischen Reiz fangen die Mundgliedmaassen mit dem Kauen wieder an. Beim Herunterschlucken treten bei vielen Exemplaren krampf- hafte Zuckungen ein, wie im Augenblick der Commissurdureh- schneidung. Ich glaube, dass sie auf Zerrungen an den Com- missurstümpfen beim Passiren des Bissens durch den Oesophagus zurückzuführen sind. Die Thiere sind im Stande, sehr viel zu fressen und schlucken manchmal, wenn man ihnen zu viel Nahrung reicht, derartige Quantitäten, dass der Magen prall gefüllt ist und sogar platzt. Nahen sich die Thiere dem Tode, so verweigern sie die Aufnahme von Futter. Dabei können sie sonst noch ganz munter sein. Die Verweigerung der Futteraufnahme ist ein Zei- chen, dass sie krank sind. Sie sterben gewöhnlich an gestörter Verdauung. Die Verdauung geht langsam, und nach übermässi- ger Nahrungsaufnahme fault das Fleisch im Magen. Das kommt bei einem normalen Thier auch nach der reichlichsten Mahlzeit nicht vor, da sie in 12 Stunden alles verdaut haben. Bei diesen findet man oft noch nach 48 Stunden beträchtliche Speisereste im Magen. Steine und andere Gegenstände werden nun nicht nur wegen ihrer Härte zurückgewiesen, denn auch eingeweichtes Fliesspapier wird nicht geschluckt. Es genügt dagegen, wie beim normalen Thier, ein Tropfen Fleischsaft, um die Thiere zum Verschlucken von Fliesspapier zu veranlassen. Steine, welche mit Fleisch- saft bestrichen sind, werden gefasst, zum Munde geführt, aber sehr bald wieder fortgeworfen. Es sind also auch nach dieser Operation die Bedingungen der Consistenz und des bestimmten chemischen Reizes nothwen- dig, um den Kau- und Schluekakt auszulösen. Hält man über ein ruhig auf dem Rücken liegendes Thier Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 597 in einer Entfernung von 53—4 em ein Stück Fleisch, so fängt es nach einigen Sekunden an, die Maxillarfüsse hin und her zu be- wegen und greift mit erstaunlicher Sicherheit nach dem Fleischstück. Auch dann, wenn man das Fleisch- stück einige Centimeter aber im Bereich der Scheere vor ein auf dem Bauch liegendes Thier legt, wird in der richtigen Richtung nach dem Fleisch gegriffen. Dabei wird häufig zuerst ein Stein gefasst und zum Munde geführt und dann bei der Berührung fortgeworfen, nicht selten aber auch schon vorher. Nach mehrma- ligem Hingreifen wird dann immer das Fleischstück gefunden. Es ist also ohne Zweifel dasHauptorgan derChemo- receptionindenMundtheilen gelegen,einOrgan, das nieht nur angiebt, dass Nahrung in der Nähe vorhanden ist, sondern auch inwelcher Richtung und Entfernung sie liegt. 15. Copulation. Diese Thiere umklammern jeden Car- einus, der ihnen unter die Füsse kommt, ob Männchen oder Weibchen, ob gehäutet oder ungehäutet, ist ganz gleich. Ja, sie umklammern jeden grösseren Gegenstand, jeden Stein, jedes grössere Stück Holz. Mit Leichtigkeit kann man den Umklam- merungsreflex wie beim hirnlosen Frosch (Goltz) hervorrufen, wenn man mit dem Finger die Bauchseite sanft streicht. (Auch bei normalen Männchen gelingt dies bisweilen.) Ich setzte nun einem solchen Thier ein eben gehäutetes Weibehen ins Bassin. Nach wenigen Minuten hatte er es schon ergriffen, umgedreht und an seinen Bauch gepresst. Zuerst hatte er das Abdomen nicht gehoben, trotzdem sie ihr Abdomen hinter das seine gesteckt hatte. Nach einiger Zeit hob auch er sein Abdomen und rich- tete die Penes auf, ohne sie in die Vulvä zu schieben. Das Weibchen dirigirte sie dann in der Weise hinein, wie es in der vorigen Mittheilung unter „Copulation“ beschrieben wurde, worauf er von hinten wie ein normales Männchen mit dem ersten Bein- paar gegen das Abdomen des Weibehens drückte. Schon beim Gebrauch aller Beine nicht im Stande, sein Gleichgewicht in Bauchlage gut aufrecht zu erhalten, war er es bei der Inan- spruchnahme mehrerer Beinpaare durch die Umklammerung gar nicht und fiel mit sammt dem Weibchen vorne über. Sie machte nun Anstrengungen, um sich aus seiner Umarmung zu entwinden; er packte sie aber nur noch fester. Bei normalen Thieren dauert 598 Albrecht Bethe: die Copulation, wie erwähnt, nur etwa 12 Stunden. Dieser copu- lirte ungehemmt, und hätte sich ihm das inzwischen erhärtete Weibehen nicht nach 48 Stunden mit Gewalt entzogen, er würde wohl bis zu seinem Tode weiter copulirt haben. Zu bemerken ist, dass er wie sie während des Actus dargereichte Nahrung genossen, wie ich auch an gesunden Paaren beobachten konnte. Dies soll aber auch bei anderen Thieren vorkommen. Das Weib- chen wurde nach der Copulation obdueirt, und es zeigten sich beide Receptacula seminis prall mit Sperma gefüllt. Ein Männ- chen ohne Schlundeommissuren ist also im Stande, mit Erfolg aber ungehemmt die Copulation auszuführen. (Es ist hier zu bemerken, dass Yersin an Grillen ebenfalls Copulation zwischen zwei Thieren beobachtete, von denen dem Männchen die Com- missuren hinter dem Unterschlundganglion, dem Weibchen hinter dem Oberschlundganglion durchschnitten waren.) Die Thiere liegen selten ganz still. Entweder putzen sie oder bewegen leise die Beine im Rhythmus des Ganges, ohne sich vom Fleck zu bewegen, besonders in Rückenlage. Oft sind auch die Maxillarfüsse in unausgesetzter Thätigkeit ohne irgend eine Veranlassung. Dann beobachtet man auch Dinge, die bei normalen Thieren nicht vorkommen. Es greifen z. B. die beiden Scheeren ineinander, zerren und kneifen sich, als gehörten sie gar nicht zum selben Thier. Oder: Die Scheere der einen Seite zupft an den Maxillarfüssen der anderen Seite; die Scheere dieser Seite kommt hinzu und stösst sie fort. Das ist sicher, dass die spon- tanen Bewegungen nicht verloren gegangen sind, sondern sogar dauernder auftreten wie bei normalen Thieren. Grade dieses dauernde Ausüben einer bestimmten Bewegung, z. B. die kauen- den Bewegungen der Maxillarfüsse, ohne dass eine Veranlassung dazu vorliegt, deutet nun darauf hin, dass durch die Ausschal- tung des Gehirns ein Organ fortgenommen ist, welches hemmend auf die Reflexe wirkt. Die Centraltheile, welche dem Vorgang der Nahrungsaufnahme, desAufbäumens, des Umdreh- reflexes, der Vertheidigungsreflexe, des Auto- tomirens und der Copulation vorstehen, liegen alleinim Bauchmark. Das Vermögen der „Unter- scheidung“ zwischencopulationsreifen Weibehen und anderen Gegenständen gleicher Grösse und Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 599 dieCorrelationen,welehedentypischen Brachyu- rengang (Seitengang) ausmachen, sind im Gehirn lokalisirte Der Vorwärtsgang ist dagegen im Bauchmark vorgebildet. Durehsehneidung beider Schlundeommissuren hinter den Schlundganglien. Die Schlundeommissuren hinter den Schlundganglien zu durch- schneiden, ist nicht ganz leicht. Das Thier wird in Bauchlage ge- fesselt und der Magen ausgepumpt. Dann wird aus dem (Carapax in derselben Weise wie oben beschrieben ein viereckiges Stück Chitin von 1!/;cm Seitenlänge herausgenommen, sodass ein Loch entsteht, dessen vordere Grenze über der Mitte des Magens, die hintere dicht vor dem Ansatz der Mandibelmuskeln liegt. Das Epithel wird am hinteren Rande und an den beiden Seiten aufgeschnitten und etwas nach vorne geschoben. Man sieht dann die beiden hinteren Magen- muskeln, welche sich hinter dem hinteren Wundrand an den Carapax ansetzen. Sie werden durchschnitten. Dann präparirt man zwischen dem Magen und der Leber auf der rechten Seite in die Tiefe, wobei die Bindegewebsmembran, die beide Organe trennt, auf der Leber bleibt (die Leber darf auf keinen Fall verletzt werden) und der Magen nach links und vorne fortgeschoben wird. Es ist darauf zu achten, dass man keinen der Nerven zerstört, welche vom Bauchmark zu den Mundtheilen ziehen. Man sieht dann nach einiger Zeit den harten Chitinrand, welcher das Mundfeld von hinten begrenzt und dann den Oesophagus. Die rechte Schlundeommissur mit dem an der Seite des Oesophagus liegenden Schlundganglion wird direkt sichtbar. Sie wird mit der Fingerscheere durchschnitten. Man könnte nun eben- so auf der anderen Seite in die Tiefe präpariren. Dieser Eingriff ist aber zu gross. Die Thiere sterben sehr leicht daran. Ich ziehe des- halb die linke Commissur mit einem eigens gebogenen Haken hinter dem Oesophagus vorsichtig auf die rechte Seite und durchschneide sie hier mit der Scheere. Aufblasen des Magens. Verschluss mit Wachs. Nach dieser Operation, bei der die Schlundganglien in Verbindung mit dem Gehirn bleiben und vom Bauchmark ge- trennt sind, verhalten sich die Thiere genau wie nach der vorigen Operation. Sie chemoreagiren auf 1—2cm Entfernung, greifen nach dargereichter Nahrung, kauen sie und verschlucken sie mit Leichtigkeit. Herausnahme beider Schlundganglien. Die Oeffnung geschieht wie bei der vorigen Operation. Ich präparire rechts zwischen Magen und Leber in die Tiefe, bis das rechte Schlundganglion sichtbar wird. Es wird dann mit der Finger- 600 Albrecht Bethe: scheere die Schlundeommissur vor und hinter dem Ganglion durch- schnitten, mit einem kleinen Haken die Nerven, welche vom Ganglion an den Oesophagus gehen, durchrissen und das Ganglion mit einer Pincette herausgenommen. Schwerer ist es auch das linke Ganglion herauszunehmen, da es nicht freizulegen ist. Mit einem stark gebo- genen kleinen Haken arbeite ich mich um den vorderen Rand des Oesophagus auf die rechte Seite herüber. Dann führe ich durch diese Lücke einen nach der Form des Oesophagus gebogenen Draht, der am Ende ein 15 mm langes senkrecht nach unten stehendes Messer- chen trägt und durchschneide mit diesem die linke Schlundeommissur zwischen Gehirn und Schlundganglion. Darauf präparire ich in der- selben Weise hinter dem Oesophagus auf die linke herüber. Mit einem der Form des Oesophagus genau angepassten Haken, dessen Spitze nach unten gebogen ist, gehe ich nun, mich immer dicht an den Oesophagus haltend, auf seine linke Seite und zerreisse, indem das Instrument etwas gesenkt und nach hinten gezogen wird, die Nerven, welche vom linken Schlundganglion an den Oesophagus herangehen. Es ist dazu eine sehr genaue Kenntniss der Topographie nöthig, da man ja nicht sieht, was man thut. Hierauf wird mit einem anderen Haken die linke Commissur auf die rechte Seite herüber ge- zogen, an deren Vorderende das Schlundganglion sitzen muss. Das Ganglion wird dann mit einer Pincette gefasst, die Commissur hinter ihm durchschnitten, herausgenommen und der Sicherheit halber unter dem Mikroskop betrachtet. Will man jetzt den Mageninhalt reponiren, so bemerkt man, dass er zum Munde herausfliesst und nicht in den Magen eintritt. Man muss erst eine dreimal so dicke Kanüle in den Mund einführen, um den Magen wieder aufblasen zu können. Ver- schluss mit Wachs. Bei der Operation wird bereits festgestellt, dass die Heraus- nahme der Schlundganglien die Muskulatur des Mundes und des Oesophagus lähmt, da der Tonus dieser Muskeln, durch welche die Wände des Oesophagus an die Schlundkanüle angedrückt werden, aufhört und der Magensaft beim Versuch, ihn zu repo- niren, aus dem Munde wieder herausfliesst. Legt man das Thier auf den Rücken und öffnet die Mundtheile, so bemerkt man, dass der Mund schlaff (nicht zusammengezogen) ist. Man kann ein Rohr vom Durchmesser des Mundes ungehindert einführen. Im Uebrigen verhält sich das Thier wie ein mit beiderseits durehsehnittenen Sehlundeommissuren. Es chemoreagirt auf Ent- fernung von mehr als einem Centimeter, greift nach dem Futter, kaut es ohne die geringste Störung in der Coordination der Mundtheile, ist aber nieht im Stande, die Nahrung zu verschlucken, da sie nieht von dem gelähmten Munde aufgenommen wird. m. Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 601 Aus diesem und dem vorigen Versuch folgt, dass die Schlundganglien nichts mit der Chemo- reception zu thun haben, dass also wahrschein- lich das Mundfeld, welches, soweit dies nachweishar ist, nur Nerven vom Schlundganglion empfängt, nicht der Sitz der Chemoreceptions-Organe ist. Es folgt ferner, dass die Schlundganglien das Reflexcentrum der Schluekbewegungen sind, und dass der Schluck- akt unabhängig vom Gehirn und vom Bauchmark vorsich geht, da Nahrung, die biszum Mumdfeld vorgeschobenist, sowohl geschluckt wird nach Durehschneidung der Commissuren vor wie hin- ter den Schlundganglien. Durehschneidung einer Schlundeommissur (rechts). Die Operation wird wie bei doppelseitiger Durchschneidung aus- geführt. Nach der Operation treten alle Symptome sofort hervor und bleiben unverändert bis zum Tode. Beide ersten Antennen und das rechte Auge sind nach der Operation eingezogen. Die linke erste Antenne kommt zuerst vor, nach einigen Minuten bis einer halben Stunde die rechte und das rechte Auge. Die Verminderung der Muskelkraft auf der rechten Körperhälfte. Ich habe beschrieben, dass eine geringe Herabsetzung der Muskelkraft fast regelmässig zu constatiren ist nach Exstirpation einer Otocyste und zwar auf derselben Seite. Eine sehr viel beträchtlichere Schwächung tritt ein nach der Durchschneidung einer Schlundeommissur und zwar auch hier auf der operirten Seite. Schon durch das Gefühl wird diese Schwächung offenbar. Fasst man mit jeder Hand die Beine einer Seite des operirten Thieres, so werden die Beine beider Seiten angezogen, der Körper wird aber nach links hinübergezogen. Lässt man einige Beine frei, so stemmen sich diese gegen die Hand an, wobei leicht zu con- statiren ist, dass die Beine der linken Seite sehr viel kräftiger einstemmen. Die linke Scheere kneift den dargebotenen Finger so stark, dass man heftige Schmerzempfindung hat und die Spitzen der Scheeren, wenn man nicht schnell zurückzieht, 602 Albrecht Bethe: durch die Haut dringen. Der rechten Scheere kann man ge- trost den Finger darreichen. Sie kneift so wenig energisch, dass es kaum weh thut. Ich habe dann in derselben Weise, wie in der ersten Mit- theilung auf Seite 533 beschrieben ist, die Kraft gemessen, mit der ein unbelastetes gestrecktes Bein jeder Seite auf Reiz des Körpers angezogen wird. Es stellte sich dabei heraus, dass eine Herabsetzung derKraft auf derlinken Seite gegen den Zustand vor der Operation nicht zu constatiren ist, dass die Muskelkraft der rechten Beine dagegen auf 80-60°/, der Kraft vor der Operation herab- gesetzt ist. Ich lasse hier von einem Thier die Resultate folgen: Nr. 28. £. Vor der Operation Kraft auf beiden Seiten gleich. Rechte Schlundeommissur durchschnitten am 2. X. 9%. Datum linkes zweites Bein rechtes zweites Bein ERDE 45 47 31 30 ART: 50 50 38 36 (1228 45 34 1. Reflexe der Kopforgane. Auf Berührung zeigt sich das rechte Auge reizbarer wie das linke. Es wird schon bei der leisesten Berührung eingezogen, auf die das linke Auge noch nicht reagirt:. Nach Berührung bleibt es länger eingezogen. Auf Liehtreiz wird das rechte Auge und die rechte erste Antenne leichter eingezogen als dieselben Organe der linken Seite. Das Gleiche ist bei Reiz der Kopfhaut und der zweiten Antenne zu constatiren. Rechtes Auge und rechte erste Antenne bleiben immer länger eingezogen. Eine grössere Reflexerregbar- keit der rechten zweiten Antenne war nicht zu eonstatiren. Auf Reiz des Körpers auf der rechten Seite scheinen die Kopforgane beider Seiten bei Vermeidung von Erschütterung gar nicht zu reagiren. Auf Reiz der linken Seite reagiren sie beiderseits. Die ersten Antennen spielen. Dabei ist meist zu bemer- ken, dass die rechte erste Antenne über die Mittelllinie fort nach links hinüberschlägt. Ebenso scheint die linke erste Antenne mehr nach links abzuweichen. Das rechte Auge weicht in Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 603 Ruhelage nach links, also nach der Mitte zu ab. Es ist aber nicht zu gleicher Zeit (wie die Augen von Thieren, die auf beiden Seiten operirt sind) dorsal gehoben. Das linke Auge zeigt dagegen eine deutliche Abweichung nach dem Rücken zu, so dass also beide Augen in ihrer Stellung geschädigt sind, und sich die Abweichungen der Augen von der Normalstellung, die sieh nach Durchschnei- dung beider Commissuren zeigten, bei diesen Thierenawf:’beide Augen vertherlen,dastrechte ist nach innen, das linke nach oben gedreht: 2. Die complieirten Augenbewegungen. a) Die Compensationsbewegungen. Compensationsbewegungen sind vor- handen, aber auf beiden Augen etwas gestört. Das linke Auge erreicht entsprechend seiner dorsaleren Ruhelage bei der Drehung um die Transversalaxe die dorsalste Lage zu früh und erreicht die ventralste Lage überhaupt nicht. Das rechte Auge weicht bei dieser Drehung anscheinend nicht von der Norm ab, zeigt aber bei Rotation um die Longitudinalaxe Störungen, indem es bei Drehung von 90° nach rechts (rechtes Auge oben) den lateralen Rand der Augenhöhle nicht berührt, bei der umgekehrten Drehung zu früh den medialen Augenhöhlenrand erreicht. b) Die Bewegungen der Augen bei passiver Rotation sind deutlich vorhanden und zwar links normal, rechts ver- mindert. ec) Die Bewegungen der Augen beim Laufen in der Lauf- richtung mit Nystagmus in entgegengesetzter Richtung scheinen mir auf beiden Seiten herabgesetzt zu sein. Das rechte Auge scheint immer kleinere Anschläge zu machen als das linke, besonders bei Linksgang. 3. Ruhelage. Die Thiere liegen immer auf dem Bauch, nie auf dem Rücken, nie auf dem Kopf. Sie suchen dunkle Ecken auf und lehnen sich mit dem Hintertheil an die Wand. Es ist also sowohl noch negativer Phototropismus, wie Kalyptro- tropismus vorhanden. Während die normalen Thiere in Ruhelage die Beine meist dicht an den Körper gezogen halten und selten mit gespreizten Beinen daliegen, ist dies für diese Thiere normal. Hin und wieder sind die linken Beine angezogen, aber nie die rechten. Die Beine der linken Seite werden im Uebrigen normal gehalten. Von den Beinen der rechten Seite sind zwei nach 604 Albrecht Bethe: vorne, zwei nach histen gestreckt, wie beim normalen Thier, aber sie sind alle stark gekrümmt und mit den Spitzen einge- setzt (liegen nicht flach auf dem Boden), so dass der Kör- per rechts erhoben ist und nach links abfällt. Die rechte Scheere ist nie ganz ausgestreckt oder ganz angezogen (Tafel XXXII, Fig. 3), sondern immer halb gekrümmt, 4. Der Gang. Am Gang ist zunächst am auffallendsten, dass das Thier sich nicht in grader Richtung nach der Seite bewegt, sondern immer im Kreise geht. Da Careinus nun nor- maler Weise bald nach rechts und bald nach links geht, je nach- dem von welcher Seite der auslösende Reiz kommt, und diese Fähigkeit nach der Operation nicht verloren gegangen ist, so kann man nicht wie bei Thieren mit Vorwärtsgang einfach von einer Kreisbewegung nach der gesunden Seite reden. Ein Thier (das rechts operirt ist) geht sowohl in Linkskreisen wie in Rechtskreisen. Geht esnach links im Kreise, so ist der Kopf vom Centrum des Kreises abgewandt, geht es nach rechts im Kreise, so ist der Kopf dem Mittelpunkt des Kreises zugewandt. Vom Be- schauer aus gesehen geht es also beide Mal im entgegen- gesetzten Sinne des Uhrzeigers (Tafel XXXIII, Fig. 2). Ist das Thier links operirt, so verhält es sich umgekehrt: Bei Linksgang ist der Kopf dem Centrum des Kreises zugewandt, bei Rechtsgang vom Centrum des Kreises abgewandt. Thiere, die links operirt sind, gehen also immer im Sinne des Uhr- zeigers. Es wird dabei, wie leicht einzusehen ist, der Körper während einer Kreisbewegung einmal um seine Axe gedreht und zwar gleichgültig ob Linksgang oder Rechtsgang immer nach der unoperirten Seite hin. Die Kreise bei Rechtsgang (ich spreche jetzt wieder nur von rechts operirten Thieren) sind kleiner als beim Linksgang. Hin und wieder treten aber auch bei Linksgang nach bestimmten Reizen kleinere Kreise auf (ich komme darauf noch zurück), welche ganz allmälich grösser werden, so dass die Curve sich spiralig aufrollt. Ist der ge- wöhnliche Durchmesser erreicht, so geht das Thier im Kreise weiter. Im Allgemeinen wird Rechtsgang vorgezogen. Viele Thiere machen im Wasser guten Linksgang, sind aber auf dem Lande nieht dazu zu bringen. Reizung der rechten Seite erzeugt zwar immer Ausstreeken der linken Beine nach links und auch Das Centralnervensystem von Carcinus Maenas. 605 einige wenige Schritte nach links, der Careinus geht dann aber immer zu Reehtsgang über. Bei anderen Exemplaren erfolgt auf Reiz rechts auch ausserhalb des Wassers guter Linksgang (natür- lich im Kreise). Im Wasser ist fast bei allen Exemplaren Links- gang und Rechtsgang durch Reiz auf der rechten resp. linken Seite mit Sicherheit auszulösen. Betrachtet man den Gang genauer, so findet man, dass — abgesehen von noch zu erwähnenden Ausnahmen — die linken Beine bei Linksgang wie bei Rechtsgang in normaler Weise rein seitlich arbeiten, dass dagegen die Beine der rechten Seite immer nach vorne einsetzen und den Körper nach vorne und etwas nach rechts ziehen. Es geschieht dies in der Weise, dass die beiden ersten Beine der rechten Seite weit nach vorne greifen und den Körper anziehen, während die beiden hinteren Beine ebenfalls nach vorne greifen, aber nach hinten einstemmend schiebend wirken. Dabei werden die rechten Beine nie ganz gestreckt, sondern sind immer stark fleetirt. Es ist klar, dass bei dieser Wirkungsweise der Beine beider Seiten, gleichgültig, ob die lin- ken Beine ziehend oder schiebend wirken, d.h. Linksgang oder Rechtsgang erfolgt, immer eine Kreisbewegung im entgegen- gesetzten Sinne des Uhrzeigers unter Drehung des Körpers um die Vertikalaxe nach links entstehen muss. Es ist auch ver- ständlich, dass bei diesem Gangmodus die Kreise grösser sind, wenn das Thier nach links geht. Wie schon gesagt, wird Rechtsgang bevorzugt. Wenn das Thier eine Strecke links ge- gangen ist, geht es zu Rechtsgang über, aber nicht in der Weise, dass es einfach nach der andern Seite geht. Es dreht sich viel- mehr auf der Stelle um 180° herum, indem die linken Beine statt seitlich nach hinten greifen und den Körper nach hinten ziehen, während die rechten wie immer nach vorne greifen. Es kommt dadurch der Kopf auf die Innenseite des vorherigen Kreises und, indem nun Rechtsgang eintritt, wird im ersten Augenblick die vorherige Gangrichtung fortgesetzt. Bei manchen Tbieren ist allerdings von der Bevorzugung des Rechtsganges nichts zu bemerken. Sie wechseln alle 10—20 Schritt zwischen Links- und Rechtsgang, sich jedesmal um 180° um die Axe drehend, so dass sie Epieykeln beschreiben. Reizt man ein normales Thier photisch von der linken Seite und vorne her oder leise mechanisch am ersten linken Bein, 606 Albrecht Bethe: während es in Linksgang begriffen ist, so wechselt es, wenn der Reiz geeignet abgestuft ist, nicht den Linksgang in Rechtsgang, sondern weicht unter unsymmetrischem (links stärkerem) Auf- bäumen nach rückwärts aus, indem nun die linken Beine nach hinten arbeiten, also ein Kreisbogen nach links entsteht. Ver- fährt man in derselben Weise bei einem linksgehenden operirten Thier, so entsteht dasselbe Resultat: Die linken Beine arbeiten nach hinten und seitwärts, die rechten wie immer nach vorne, und so entstehen die kleinen Kreise nach links, die sich dann nach Aufhören des Reizes spiralig zu den grossen Kreisen auf- rollen. Nicht selten, besonders bei Rechtsgang, hören die linken Beine allmälich auf sich zu bewegen oder machen wenigstens nur noch hin und wieder einen schwachen Schritt, während die rechten nach vorne zu schreiten fortfahren. Dabei entstehen ganz kleine Kreise. Eine Coordination zwischen den Beinen der linken und rechten Seite ist nur insofern zu bemerken, als sie bei genügend starkem Reiz gleichzeitig an zu gehen fangen. Ist der Reiz sehr schwach, wenn man z. B. leise die linke oder rechte Beinseite berührt, ein Reiz, bei dem ein normales Thier noch nicht zu gehen anfangen würde, so beginnen häufig die Beine der rechten Seite allein zu gehen. r Auf der linken Seite gehen die Beine in typischer Weise. Es wird Gangart I und häufiger Gangart III beobachtet. Auf der reehten Seite bewegen sich dagegen die Beine immer in ein und derselben Reihenfolge, welehe ungefähr der Gangart II ent- spricht; niemals betheiligen sie sich an der Gangart I der linken Seite. _ Diese Incoordination zwischen den beiden Seiten wird bei Rechtsgang noch dadurch vermehrt, dass auf der linken Seite viel mehr und kleinere Schritte, gemacht werden als rechts. Es ist diese Beschleunigung der Schritte auf der linken Seite beiRechts- gang identisch mit dem Effect, den die Exstir- pation der rechten Statocyste auf die linken Beine bei Reehtsgang ausübt. Bei Linksgang werden auf beiden Seiten gleich viel Schritte gemacht, bei Rechtsgang macht links um 30—100 auf 100 rechte mehr. Kleine Abweichungen kommen auch bei Linksgang vor; Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 607 diese sind aber nicht constant, indem bald links bald rechts einige Schritte mehr gemacht werden. Ich lasse hier die Resultate der Gangtafeln einiger Thiere folgen. Die Schrittzahlen sind durch das arithmetrische Mittel der Schritte aller vier Beine einer Seite ausgedrückt und auf die Schritte der rechten Seite = 100 bezogen. Rechtsgang. Linksgang. NN NOTE r:l= 100: 200 1726. 300..,99 r:l= 100:150 72. — 100: 101 r:l=100:143 rt 100.107 r:l= 100 :130 r:!=100:112 2:6 100: 197 7.1—100:109 r:l=100:195 2°6.— 1007098 27:5==1100:1179 720 1007102 = — 100202 Von einem Thier, das Linksgang auf dem Lande verweigerte. Rechtsgang. r:l—=100:135 7 — 100161 r:1—= 100:154 r:! = 100: 156 Da also genau wie nach Exstirpation der rechten Otocyste eine Vermehrung der linken Schritte bei Rechtsgang um etwa die Hälfte stattfindet, so war zu erwarten, dass der Einfluss, welchen die Otocyste auf die Centraltheile der gekreuzten Beine ausübt, durch die Commissur der Seite geleitet wird, auf der die Otocyste liegt. Wäre dies richtig, so müsste bei diesen Thieren nach Exstirpation der linken Otocyste bei Links- gang die Schrittzahl der rechten Beine vermehrt sein, da die linke Schlundeommissur, durch die der Einfluss der linken Otocyste nach dieser Annahme geleitet wird, noch intaet ist. Nach dieser zweiten Operation vermindert sich die Möglichkeit, die Thiere auf dem Lande zum Linksgang zu bringen noch be- deutend, sodass es ausserordentlich schwer ist, befriedigende Gangtafeln zu erhalten. Es ist mir trotz vieler Versuche nur in einem Fall gelungen; dabei zeigte sich aber eine so evidente Zunahme der Schritte der rechten Seite bei Linksgang, dass ich meine Voraussetzung - für vollkommen erwiesen halte und mit 608 Albrecht Bethe: Sicherheit behaupten zu können glaube, dass en Thier nach einseitiger Durchschneidung der Schlundeom- missur und Exstirpationdergekreuzten Ötocyste sich in Bezug auf die Schrittzahl verhält, wie ein Thier, dem beide OÖtocysten herausgenommen sind: bei Linksgang sind die Schritte auf der rechten Seite, bei Rechtsgang dierSchrittersse der linken Seite vermehrt. Nach Durchschneidung der rechten Schlundeommissur. Rechtsgang. Linksgang. r:1=100: 130 r:L.—= 100: 98 Nach Herausnahme der linken Otocyste. Rechtsgang. Linksgang. r:l = 100: 134 r:!=100:73 Es ist noch die Frage zu lösen, woher es kommt, dass der Rechtsgang „bevorzugt“ wird. Ich kann darauf nur mit einer Hypothese antworten. Wie bereits bemerkt, treten bei Reiz der rechten Seite immer einige Gangbewegungen nach links ein; es kommt aber häufig nicht zum wirklichen Gang nach links, son- dern es tritt Rechtsgang an seine Stelle. Der Reflex nach der linken Seite auf Rechtsreiz zu fliehen ist also bei allen T'hieren vorhanden, und es muss etwas in dem Linksgang selbst liegen, was das Thier veranlasst zum Rechtsgang überzugehen. Ich glaube nun, dass es darin liegt, dass die rechten Beine, welche immer in gleicher Weise in Action treten, nicht rein nach vorne, sondern nach vorne und rechts arbeiten. Dadurch werden die linken Beine, von denen ausschliesslich die Entschei- dung über Links- oder Rechtsgang abhängt, bei jedem Schritt ge- hemmt, sie werden veranlasst, dem Zug nach rechts zu folgen. Im Wasser ist der Widerstand geringer, den die linken Beine zu überwinden haben, und daher erfolgt hier der Links- gang besser. Nach Exstirpation der linken Otocyste kommt nun zu dem Zug nach rechts die Beschleunigung der rechten Beine hinzu, der Zug nach rechts fällt nicht mehr mit der Action der linken Beine zusammen, sondern erfolgt öfter und unregelmässiger, und in Folge dessen sind die linken Beine noch weniger im Stande dem rechts angesetzten Reiz Folge zu leisten und links zu gehen. Dass die Hypothese grosse Schwächen hat, sehe ich vollkommen ein, gestützt wird sie aber durch den Umstand, dass nach Abschneiden der rechten Beine ein Thier, das vorher Links- Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 609 gang verweigerte, jetzt auf Reiz rechts lange Strecken nach links geht, ohne je zu Rechtsgang überzugehen. Es bleibt noch zu demonstriren, dass die linken Beine nicht geschädigt sind. Zu diesem Zweck schneide ich einem operirten Thier die rechten Beine ab. Es muss das Thier mit den jetzt allein noch vorhandenen Beinen genau dieselben Bewegungen auszuführen im Stande sein, wie ein normales nach derselben Operation. Dies ist der Fall. Auf Reiz rechts geht das Thier mit den linken Beinen ziehend nach links, auf Reiz links schie- bend nach rechts. Hierbei dreht es wie ein normales meist nach einiger Zeit um und geht mit Linksgang weiter, der nie auf längere Strecken ganz gerade ist, sondern nach vorne abbiegt, also zum Kreisgang im Sinne des Uhrzeigers wird. Berührt man das linke Hinterbein, so wird die Drehung verstärkt. Be- rührt man das vorderste Bein, oder reizt von links vorne photisch, so zieht es mit den Beinen nach links und hinten, dreht also im entgegengesetzten Sinne des Uhrzeigers. (Es ist hier zu be- merken, dass auch bei Thieren, denen die rechten Beine nicht amputirt sind, auf kurze Strecken Gradegang nach links bis- weilen beobachtet wird. Dabei arbeiten die rechten Beine nach wie vor nach vorne rechts und die linken compensirend in ent- gegengesetzter Richtung nach links.) Setzt man ein Thier in einer Schüssel mit Wasser auf die Drehscheibe, so findet nur dann eine Reaktion statt, wenn im Sinne des Uhrzeigers gedreht wird. Es läuft dann entgegen der Drehrichtung, also entgegen dem Uhrzeiger. Wechselt man die Drehrichtung, so bleibt es gewöhnlich liegen oder läuft einige Zeit mit der Drehung mit. Fängt man, wenn das Thier in Ruhe liegt, an, im entgegengesetzten Sinne des Uhrzeigers zu drehen, so reagirt das Thier oft gar nicht, manchmal aber beginnt es mit der Drehung mit zu laufen. Da die Thiere nur im Stande sınd, im entgegengesetzten Sinne des Uhrzeigers zu laufen, so hat diese Reaction beim Drehen im entgegengesetzten Sinne des Uhr- zeigers «keine Bedeutung, sondern nur der Umstand, dass das Thier gewöhnlich nicht reagirt, während es bei der Drehung im Sinne des Uhrzeigers immer reagirt. Ich möchte daraus den Schluss ziehen, dass die passive Rotation nur dann einen Effect ausübt, wenn sie im Sinne des Uhrzeigers erfolgt und dass die andere Drehung überhaupt nicht reeipirt wird. 610 Albrecht Bethe: 5. Aufbäumreflex. Sowohl auf photischen wie auf mechanischen Reiz (gleichgültig, wo er angesetzt wird) tritt un- symmetrisches Aufbäumen, das links viel stärker ist als rechts, ein. Die rechte Scheere wird nur wenig dabei erhoben und ist nicht grade gestreckt, die rechten Beine sind wenig steiler ein- gesetzt als sonst. Symmetrisches und rechts stärkeres Aufbäumen sind unmöglich. Auf Heranführen eines Gegenstandes von links wie von rechts tritt dies links stärkere Aufbäumen auf, zugleich meist mit Flucht nach rechts. Verklebt man das rechte Auge, so wird hierin kaum etwas verändert. Verklebt man das linke Auge, so tritt noch eine deutliche aber schwächere Reaction ein. Es kommt dann nie auf photischen Reiz zur Flucht, es findet nur ein Zucken in den Beinen beider Seiten und ein schwaches wie immer links stärkeres Aufbäumen statt. Eswerden also photische Reize, welche ein Auge treffen, durch die allein vorhandene linke Commissur auf beide Seiten des Bauchmark fortgeleitet; sie führen aber nur dann zu einem vollkommenen Effeet, wenn derReizimGehirn nicht aufeinergekreuz- ten Bahn zu laufen hat. 6. Starrkrampfreflex. Bei diesem Reflex zeigt sich die anormale Innervirung und die Schwächung der rechten Extremitäten sehr deutlich. Die linken Beine und die linke Scheere sind ganz gespreizt und gestreckt und stehen unter lang- anhaltendem, starkem Tonus; die rechten Beine und die rechte Scheere sind zwar auch ziemlich stark gespreizt, aber nicht grade ausgestreckt, sondern flectirt (besonders Scheere und viertes Bein) und stehen unter einem viel geringeren Tonus; sie sind leicht zu biegen. Auch hört der Starrkrampf hier viel schneller auf. Es zeigt sieh hierbei ein deutliches UDeberwiegen der Fleetoren der rechten Extremitäten über die Extensoren. 8. Vertheidigungsreflexe. Die Abwehr bei Fest- halten eines Beines links, soweit sie mit den linken Extremitäten geschieht, ist viel kräftiger und geschickter als rechts. Mecha- nischer Reiz der Kopforgane der linken Seite hat lokale Abwehr mit den Scheeren beider Seiten zur Folge. Bei einem Reiz, der links diesen Effect hervorruft, erfolgt reehtsnichts. Kneift man das Auge oder eine Antenne der rechten Seite stark, so tritt Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 611 eine allgemeine Unruhe der Extremitäten beider Seiten ein,einelokaleAbwehrerfolgtabernicht. Es geht daraus hervor, dass die Reizschwelle für die Leitung vonder. redehten Kopfseite zum. Bauch- mark grösser ist als für die Leitung von der lin- ken und dass durch die quere Commissur des Ge- hirns zwar ein Reiz auf die Schlundeommissur der andern Seite und von dort auf beide Seiten des Bauchmarks übertragen werden kann, dass diese Uebertragung aber ohne Angabe des Reiz- ortes erfolgt; mit anderen Worten: Es wird ein Reiz mit Lokalzeichen nur durch dieSchlundcommis- sur der Seite des Reizortes vom Gehirn zum Bauchmark fortgleitet. (Zu bemerken ist hier noch, dass sich ein Thier selbst die zweite rechte Antenne mit der rechten Scheere abriss.) 9. Umdrehreflex. Dieser Reflex erfolgt immer prompt. Nie bleibt ein Thier auch nur einen Augenblick auf dem Rücken liegen. Beide Seiten arbeiten gemeinsam, die linke etwas stärker, so dass sich das T'hier während der Umdrehung häufig etwas dreht. Das zweite Beinpaar wird nicht selten zu Hülfe genom- men. Hebt man ein Thier in Bauchlage hoch und streicht den Rücken, so wird das rechte vierte Bein sehr häufig zur Um- drehstellung auf den Rücken gelegt, während das linke wie normal unten bleibt. 10. Schwimmen. In tiefes Wasser geworfen, werden beide vierten Beine auf den Rücken zur typischen Schwimm- stellung gelegt und machen synchrone Schwimmbewegungen; das linke macht dabei etwas grössere und stärkere Ausschläge. 11. Putzen. Die rechten Beine putzen häufiger als die linken, werden überhaupt mehr bewegt. 12. Nahrungsaufnahme. Die Thiere fressen gut, überladen sich aber nicht den Magen wie nach derselben Operation auf beiden Seiten. Sie suchen die Nahrung noch auf eine Ent- fernung von 10 cm auf, also lange nicht so weit wie normale Thiere. Beim Ergreifen des Futters greifen sie nieht selten vor- bei. Trotzdem sind sie noch ziemlich geschickt. So beobachtete ich in Neapel, dass ein derartiger Careinus einen Palaemon, der an ihm vorbei schwamm, mit der Scheere packte und auffrass. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 39 612 Albrecht Bethe: Sie bedienen sich dabei sowohl der linken wie der rechten Scheere. Die Nahrung wird gekaut wie sonst, nur behandeln sie bereits verhältnissmässig kleine Stücke, wie der normale Careinus sehr grosse behandelt. (Zerzupfen, in die Länge ziehen.) 13. Copulation. Bei einem männlichen Tbier beobachtete ich Copulation mit einem normalen Weibehen. Sie war von normaler Dauer. Beide Receptacula seminis des Weibehens fanden sich gleich stark gefüllt. Spaltung des Gehirns von vorne bis hinten in dier!Matwellen Le Oeffnung und Bloslegung des Gehirns wie beschrieben. Das Gehirn muss ganz klar sichtbar sein. Man muss die beiden Globuli deutlich sehen können, ebenso das Mittelloch. Weniger deutlich aber gut angedeutet sieht man die Begrenzungen der Opticus-neuropile. Das kleine Messer wird steil im Winkel zwischen den Schlundeommis- suren eingesetzt und ziehend ohne Druck, indem man genau auf das Mittelloch zusteuert und jede seitliche Verbindung oder Drehung des Messers vermeidet, durch das Gehirn nach vorne hin durchgezogen. Die beiden Hälften des Gehirns weichen dabei um lmm auseinander. So einfach diese Operation aussieht, so ist es doch ausser- ordentlich schwer, Thiere zu erhalten, die das kleinste Maass von Ausfallserscheinungen zeigen. Ein gut operirtes Thier muss alle Erscheinungen auf beiden Seiten symmetrisch zeigen; dies trifft aber nur in vielleicht 15—20°/, der Fälle zu. Gewöhnlich ist eine Seite schwerer betroffen. Ich beschreibe die besten Fälle, werde aber angeben, was bei schlechten Fällen hauptsächlich zu beobachten ist, da dies für die Beurtheilung einiger Verhältnisse von Wichtigkeit ist. Gleich nach der Operation sind die Kopf- organe gewöhnlich noch etwas reflectorisch ; dies verliert sich aber in wenigen Minuten und die Thiere benehmen sich dann wie commissurlose; es tritt also eine allgemeine Funktionslosigkeit des Gehirns ein, welehe ohne Zweifel auf die Einwirkung der Luft auf das Gehirn und auf die Störung der Cireulation zurück- zuführen ist, denn sie ist auch, allerdings weniger andauernd, zu beobachten, wenn man gar nichts an dem Gehirn gemacht hat. Erst nach ein bis zwei Tagen kehren die Kopfreflexe wieder, und damit stellt sich dann allmälich das typische Bild her. Nach dieser Operation darf, wenn sie gut gelungen ist, kein Organ des Kopfes gelähmt sein. Die Augen und Antennen Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 613 müssen auf Reiz gut reagiren. Dies ist aber durchaus nicht immer der Fall. Ist der Sehnitt hinter dem Mittelloche nach einer Seite auch nur wenig abgewichen, so ist das Auge dieser Seite nicht mehr einziehbar. Es ist immer ausgestreckt, und drückt man es in die Augengrube hinein, so springt es sofort wieder vor. In derselben Weise ist dann gewöhnlich und noch häufiger die erste Antenne dieser Seite geschädigt. Sie ist immer ausgestreekt, meist dorsal über das Rostrum gelegt und springt, in die Antennengrube hineingedrückt, wieder vor. Bei weniger geschädigten Exemplaren, bei denen beide Augen gut fleetirbar sind, ist eine (häufig aber auch beide) erste Antenne in ihrer Flexion geschädigt. Sie ist immer aus ihrer Grube vorgestreckt und reagirt auf Reiz mit einer schnellen, schwachen Flexion, vermag sich aber nicht in ihre Grube zurückzuziehen. Es wird hieraus wahrscheinlich, da sowohl bei den Augen, als auch den ersten Antennen bei dieser Operation immer nur eine Schädigung der Flectoren stattfindet, während die Extensoren unbeeinflusst zu seinscheinen, dass die Centraltheile, welche der Flexion dieser Organe vorstehen, der Mittellinie des Gehirnes nahe liegen. Bei guten Exemplaren sind also, wie gesagt, alle Kopforgane voll- kommen reflectorisch; ihre Reflexerregbarkeit ist sogar gesteigert. Z. B. bleiben die Augen nach der Herausnahme aus dem Wasser gewöhnlich dauernd eingezogen, während sie beim normalen Thier bald vorgestreckt werden. Die ersten Antennen spielen, und zwar ist hier ein wesentlicher Unterschied gegen das normale Thier nicht zu bemerken. Wie dort schlägt bald die eine bald die andere schneller, ohne einen erkennbaren bestimmten Modus. Die zweiten Antennen sind nie in ihrer Beweglichkeit gestört. 1. Kopfreflexe. Auf mechanischen Reiz eines Auges wird immer die erste Antenne derselben Seite und das gereizte Auge eingezogen, bei stärkerem Reiz auch die zweite Antenne derselben Seite. Wenn Erschütterung vermieden wird, so tritt niemals eine Reaction der gekreuzten Kopforgane ein. Geräth das Thier aber in Unruhe und bäumt es sich auf, so tritt wie bei jeder Erschütterung Einziehung der gekreuzten ersten Antenne ein. Ebenso ist es bei Lichtreiz. Zu dieser Prüfung wird das eine Auge verklebt. Macht man dann eine Bewegung ausserhalb des Wassers auf das Thier zu, so wird immer nur die erste Antenne der Seite eingezogen, auf der das normale Auge 614 Albrecht Bethe: ist, zugleich meist das Auge selbst; die Einziehung des Auges auf diesen photischen Reiz deutet auch wieder auf eine erhöhte Erreg- barkeit hin, da sie beim normalen Thier meist nur bei plötzlicher Belichtung eintritt. Auch Reiz der ersten und zweiten Antenne und der Kopfhaut übt rein einseitige Reflexe der Kopforgane aus. Berührt man die Kopfhaut in der Mittellinie, so reagiren beide Seiten, da hier das Ausbreitungsgebiet beider Tegumentarii in einander übergeht. Die Reizleitung von einer Gehirnhälfte auf dieandre findetalso nur dureh die querenCom- missuren des Gehirns selber statt; sie kann nicht durch das Bauchmark geben 2.Complieirte Augenbewegungen. a) Die Com- pensationsbewegungen der Augen sind vollkommen geschwun- den. Bei keinem einzigen Thiere war auch nur eine Spur von Compensation zu bemerken. b und e) Auf die Bewegungen der Augen bei passiver Rotation und beim Laufen wurde leider nicht geachtet. Aus dem nächstfolgenden Versuche geht aber hervor, dass die Bewegungen bei passiver Rotation nieht vorhanden sein können, während die Bewegungen beim Laufen erhalten sein werden. 3. Ruhelage. Diese Thiere liegen immer mit gespreizten Beinen (2 nach vorne und.2 nach hinten gestreckt) in halber Aufbäumstellung im Aquarium. Der Körper ist vorne gehoben, bei einigen Exemplaren auch dauernd die Scheeren. Ob dies eine nothwendige Folge der Operation ist, wage ich nicht zu entscheiden. 4. Gang. Im den besten Fällen war der Gang rein seit- lich. Durch Reiz rechts wird Linksgang ausgelöst, durch Reiz links Rechtsgang wie beim normalen Thier. Entsprechend der aufgebäumten Ruhelage gehen sie auch halbaufgebäumt, bei jedem Schritt nach vorne schwankend. Weicht der Sehritt etwas nach einer Seite ab, so entsteht mässiger Kreisgang, aber nicht so stark wie nach Durchschneidung einer Schlundeommissur. In diesen Fällen wird der Gang nach rechts bevorzugt, wenn das Thier im entgegengesetzten Sinne des Uhrzeigers dreht, nach links, wenn es im Sinne des Uhrzeigers dreht. Sehr häufig klettern diese Thiere an den Wänden in die Höhe und zwar nicht nur Nachts, wie normale Thiere, sondern auch am Tage. Sie zeigen überhaupt keinen negativen Phototropismus mehr und Das Centralnervensystem von Carceinus Maenas. 615 wandern am Tage wie in der Nacht. Sie suchen zwar bisweilen Ecken auf, aber sie setzen sich ebenso gut in eine hellbeleuchte wie in eine dunkle. 5. Aufbäumreflex. Der Aufbäumreflex tritt viel leich- ter ein als beim normalen Thier. Schon eine geringe Bewegung über dem Wasser (photischer Reiz) oder eine leise Berührung ge- nügt, um ihn auszulösen. Dabei werden die Scheeren gut ge- spreizt und erhoben. Beim Aufbäumen fallen sie wie otocysten- lose leicht hintenüber. Es erfolgt symmetrisch oder unsymme- trisch, je nach Reiz, doch ist die Abstufung zwischen symme- trisehen und ganz unsymmetrischem Aufbäumen nicht so gut, wie beim normalen Thier. 6. Starrkrampfreflex. Der Starrkrampfreflex tritt gut und prompt ein. Zeigt das Thier auch sonst ein unsymme- trisches Verhalten, so ist auch dieser Reflex unsymmetrisch. Auf der stärker geschädigten Seite sind die Beine gekrümmt und der Tonus ist geringer, wie beim einerseits Commissurlosen. 7. Eierschutzreflex. Weibchen wurden nicht operirt. 8. Vertheidigungsreflexe. Aufmechanischen Reiz eines Kopforgans tritt lokale Abwehr mit beiden Scheeren unter Aufbäumen ein. Bei einem Exemplar, das auf einer Seite nur eine kleine Scheere hatte, fand die Abwehr immer mit der grösseren Scheere statt, gleichgültig auf welcher Seite gereizt wurde. Es bestätigt dieser Befund die bei der Besprechung der Resultate an einseitig commissurlosen Thieren aufgestellte An-, sicht, dass ein Reiz mit Lokalzeichen vom Gehirn zum Bauch- mark durch die Schlundeommissur der Reizseite fortgeleitet wird und erst im Bauchmark auf die gekreuzte Seite übergeht. 9. Umdrehreflex. Wie otoeystenlose Thiere drehen sie sich meistentheils nicht über das Abdomen von der Rückenlage zur Bauchlage um, sondern über den Kopf die Scheeren anzie- hend, das letzte Beinpaar nach hinten einstemmend und mit den übrigen Beinen theils schwingend, theils auch gegen den Boden stemmend. Dies Umdrehen geht auf diese Weise sehr schnell. Oft vermögen sie sich, da die Umdrehung mit ziemlich grossem Sehwung geschieht, nicht in der Bauchlage zu erhalten und fallen gleich wieder hinten über, besonders auf glatter Unter- lage, so dass sie sich oft 10 mal und mehr um ihre Transver- 616 Albrecht Bethe: salaxe wälzen. Dieses wieder Hintenüberfallen tritt besonders im Anfang ein. Einige Wochen nach der Operation kommt es nur noch selten vor. Sie vermögen aber auch über das Abdomen aufzustehen und thun dies besonders dann, wenn man sie einige Zeit hat auf dem Rücken liegen lassen, indem man sie am Umdrehen verhinderte. Hält man sie in Bauchlage vom Boden entfernt und legt die Hand auf den Rücken, so tritt bisweilen das auf den Rückenlegen (Umdrehstellung) des letzten Beinpaares ein. 1l. Putzen. Hierüber ist kaum etwas zu sagen. Sie putzen nicht mehr als normale Thiere und auch die complieirten Putzakte, z. B. das Putzen eines Auges mit der Bürste des dritten Maxillarfusses wurden beobachtet. 12. Nahrungsaufnahme. Sie geschieht wie sonst. 13. Copulation. Copulation selbst wurde nicht beob- achtet. Die Thiere zeigen einen sehr ausgeprägten Klammerreflex, der bei normalen Thieren in der Weise nicht beobachtet wurde. Sie umklammern nicht nur Männchen, sondern auch lebloses Ma- terial (Steine, Holzstücke). Bei dieser Operation haben sich ausser wenigen anderen Erscheinungen (vormüber schwankender Gang, gespreizte und halbaufgebäumte Ruhelage, Nichtübertragung von Reizen von einer Kopfseite auf die andere) hauptsächlich Symptome gezeigt, welche wir bereits nach Exstirpation beider Otocysten kennen gelernt haben. Es war daher zu untersuchen, welche queren Commissuren des Gehirns es sind, nach deren Durchschneidung diese Symptome auftreten. Durehsehneidung der Optieuseommissur. Die quere Opticuscommissur liegt am vordersten Rande des Ge- hirns und reicht nıcht über die Ausdehnung des vorderen Zellpolsters nach hinten fort. Da die vordere Begrenzung des Opticusneuropils und damit der hintere Rand des vorderen Zellpolsters beim Freilegen des Gehirns sichtbar wird, so ist die Operation leicht auszuführen. Das Gehirn wird vorne ganz frei präprarirt, das Messerchen steil in der Mitte des vorderen Randes eingesetzt und bis zum Anfang des Opticusneuropils nach hinten geführt (Tafel XXXIL, Fig. 5). Nach dieser Operation ist ein Unterschied in den Compen- sationsbewegungen nicht zu bemerken. Ueberhaupt lässt sich kein einziger Ausfall nach dieser Operation constatiren, so dass Das Centralnervensystem von Carcinus Maenas. 617 die physiologische Bedeutung dieses Faserbündels, das die beiden Ganglia optica mit einander verbindet, vorläufig dunkel bleibt. Längsspaltung desGehirn vom vorderen Rande bis zum Mittelloch (Tafel XXXII, Fig. 6). Die allgemeinen Gehirnerscheinungen, welche in Folge der Operation auftreten, sind meist schon nach 12—24 Stunden verschwunden. Operirt man schnell, so zeigt das Thier zunächst nach der Operation ganz die Erscheinungen, wie nach einigen Tagen, nach etwa 10 Minuten treten dann die Gehirnerschei- nungen auf. Es geht daraus hervor, dass die allgemeinen Ge- hirnerscheinungen nicht Wirkung der Durchschneidung, nicht Schoekwirkung sind, sondern durch die gestörte Cirkulation u. s. w. hervorgerufen werden. 1. Alle Kopforgane sind gut refleetorisch, sogar stärker als normal, besonders die Augen. Sie werden ausserhalb des Wassers nie vorgestreckt und bleiben, so lange man das Thier festhält, eingezogen. Ein Berührungsreiz, der auf einer Seite des Kopfes ausgesetzt wird, wird mit Einziehung beider ersten Antennen, und wenn genü- gend stark, mit Einziehung beider Augen beantwortet. Die quere Reizleitung gehtalso ganz oder zum grösseren Theil dureh dieQuereommissuren des Gehirns, welche hinter dem Mittelloch gelegen sind. 2. Die complieirten Augenbewegungen. a) Die Compensationsbewegungen. Bei der grossen Reflex- erregbarkeit der Augen ist es schwer, auf diesen Punkt hin zu untersuchen. Es muss immer unter Wasser geschehen, da sie ausserhalb des Wassers, wenigstens solange man das Thier fest- hält, nicht vorgestreckt werden. Es zeigt sich, dass jede SpurvonCompensationsbewegungenverschwun- den ist. b. Die Bewegungen der Augen bei passiver Rotation. Auch diese Bewegungen sindvollkommen verschwunden. c) Die Bewegungen der Augen beim Laufen sind genau in derselben Weise zu beobachten wie beim normalen Thier. 3. Ruhelage. Die Thiere zeigen ausgesprochenen Ka- Iyptotropismus, denn wenn sie ruhig liegen, findet man sie immer ganz in eine Ecke geklemmt, die Beine, wie normal, dieht an 618 Albrecht Bethe: den Leib gezogen, den Kopf meist geduckt. Diese Eeken können aber ganz hell sen. Es ist auch sonst von dem negativen Pho- totropismus der normalen Thiere nichts zu constatiren; sie laufen z. B. ebensowohl direkt gegen das Licht als gegen den Schatten. 4. Gang. Der Gang ist schnell, sicher und immer rein seitlich. Er geschieht ohne Schwankungen und auch auf glattem Boden fallen die Thiere nur selten hintenüber. Für die Beine jeder Seite wurde Gangart I und III beobachtet. Beide Seiten arbeiten aber nie in der normalen Correlation, da, wie bei Otoeystenlosen,immer dieSchritteauf der fol senden Seite vermehrt sind. Bei Linksgang istteine Vermehrung der Schritte der rechten Seite, beiRechtsgang der Schritte der linken Seite auf den Gangtafeln mit Evidenz zu con statiren. Wie bei Otocystenlosen ist das Verhältniss von den Sehritten der vorangehenden Seite zu denen der folgenden Seite wie 100 :130—150. Eine grosse Neigung zum Klettern auch bei Tage ist zu bemerken. Auf der Drehscheibe reagiren sie wie nor- male Thiere, d. h. sie laufen immer der Drehrichtung ent- gegen. 5. Aufbäumreflex. Wie nach Spaltung des ganzen Gehirns ist der Aufbäumreflex stark gesteigert. Er tritt wie bei normalen Thieren in vollkommener Weise auf mechanische und photische Reize symmetrisch wie unsymmetrisch ein. Es genügt an das Aquarium heranzutreten, um ein vollkommenes Aufbäumen auszulösen, schon durch den geringsten Reiz (wenn auch nur photisch) wird das Thier so wild, dass es hochspringt und die Scheeren zusammenschlägt. Die Sicherheit, mit der das Thier jeder Bewegung der Hand mit einer entsprechenden Kör- per- und Scheerendrehung folgt, ist so gross, die Erregung so bedeutend, dass es schwer ist, das Thier zu greifen. Man muss meist dazu eine Zange oder eine List anwenden, indem man mit der einen Hand ein Holzstück auf ihn zuführt, auf das er sich stürzt, und mit der anderen Hand ihn von hinten fasst. Ein Hintenüberfallen findet beim Aufbäumen nicht statt. Der Auf- bäumreflex ist hier so stark, dass er dem Fluchtreflex über- wiegt. Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 619 7. Starrkrampfreflexe. Wie der Aufbäumreflex ist auch der Starrkrampfreflex verstärkt, der Tonus ist sehr bedeu- tend, die Beine sind sehr stark gestreckt und gespreizt, die Reactionslosigkeit ist noch grösser als normal und die Dauer des Starrkrampfes sehr gross. Setzt man das Thier auf den Boden in Rückenlage oder Bauchlage oder in Kopfstand oder hängt man es an einem Bein auf, der Starrkrampf dauert oft noch 10 Minuten und länger an. 9. Umdrehreflexe. Wie Otoceystenlose drehen sie sich öfters über den Kopf als über das Abdomen um, fallen nach dem Umdrehen aber nicht hintenüber. Ein auf den Rücken legen der beiden letzten Beine beim Halten des Thieres in Bauchlage und Streichen des Rückens tritt nicht ein. Es mag dies aber an dem unvermeidlichen Starrkrampfreflex liegen. 12. Nahrungsaufnahme. Die meisten Thiere ver- weigerten wochenlang dieAnnahme vonNahrung. Nahmen sie Nahrung, so wurde sie normal verarbeitet. 13. Copulation. Der Umklammerungsreflex der Männchen (Weibehen wurden nicht operirt) ist auch hier sehr ausgebildet. So beschäftigte sich ein Thier wohl 4 Minuten mit einem normalen Männchen und suchte es zur Copulation zu benutzen. Es war so damit beschäftigt, dass es auf die Bewegungen meiner Hand über dem Wasser, auf die es sonst sofort mit Aufbäumen antwortete, nicht reagirte. Als ich ein eben gehäutetes Weibchen zu einem Thier ins Bassin warf, richtete es sich sofort in die Höhe und ereritfiesnoch'ehe es den Boden’erreicht hatte, umklammerte es, brachte es in die richtige Lage und vollzog die Copulation, fiel dabei aber mehrmals um und war nachher sehr erschöpft. (Uebrigens will ich hier bemerken, dass man auch bisweilen zwei normale Männchen in einer halben Copulations- umschlingung findet.) Spaltung des Gehirns in der Mittellinie vom hinteren Rande bis zum Mittelloeh. Ueber die Operation ist nichts weiter zu sagen als, dass das Messer steil eingesetzt werden muss. Der Schnitt beginnt im Winkel zwischen den Schlundeammissuren und endet am Mittelloch. Die nach- herige anatomische Untersuchung auf Querschnitten ist unerlässlich, da nicht selten der Schnitt in der Nähe des Mittellochs nicht bis zur Unterseite durchgeht (Tafel XXXIII, Fig. 7). 620 Albrecht Bethe: 1. Alle Kopforgane sind, wenn der Schnitt nicht seitlich abweicht, refleetorisch und in normaler Haltung. Bisweilen kommt es vor, dass die Augen am Tage nach der Operation noch reflee- torisch sind, dann aber die Fleetirbarkeit verlieren und immer erigirt sind, und im Laufe einiger Tage die Flectirbarkeit wieder gewinnen. Es muss hier also noch nachträglich eine vorüber- schende Veränderung an der Schnittwunde vor sich gehen können. Die ersten Antennen spielen; eine wahrnehmbare Aenderung in ihren Bewegungen ist nicht vorhanden. Der mechanische Reiz eines Auges einer zweiten Antenne oder der Kopfhaut einer Seite wird immer nur mit einer Reaction der gleichseitigen Kopforgane beant- wortet. Photische Reize, welehe auf ein Auge wirken, scheinen da- gegen regelmässig Reactionen beider erster Antennen hervorzubrin- gen. Esgeht daraus hervor, dassdie Uebertragung mechanischer Reize von einer Kopfseite auf die sekreuzte Hälfte desGehirns durch die Querecom- missuren, welehe hinter dem Mittelloch liegen, geschieht, während die Tebertragung photischer Reize dureh die Quereommissuren, welche vor dem Mittelloch liegen, geht. 2.Die eomplicirtenAugenbewegungen. a) Die Compensationsbewegungen sind vorhanden und zeigen sich beim Drehen um die Transversalaxe unvermindert. Dagegen scheint eine geringe Schwächung der Ausschläge beim Drehen um die Longitudinalaxe vorhanden zu sein. b) Die Bewegungen bei passiver Rotation um die Vertikal- axe sind vorhanden. e) Die Bewegungen der Augen beim Laufen sind nicht vermindert. 3. Ruhelage wie beim normalen Thier. 4. Der Gang zeigt keine Veränderung. 5. Der Aufbäumreflex ist normal und nieht wie nach der vorigen Operation gesteigert. 9. Der Umdrehreflex findet wie beim normalen Thier immer über das Abdomen statt, nicht über den Kopf. Beim Hochheben in Bauchlage und Streichen des Rückens sah ich bisweilen, dass die beiden letzten Beine zur Umdrehstellung auf den Rücken gelegt wurden, N Das Centralnervensystem von Carcinus Maenas. 621 Längsspaltung des Gehirns und Durchschnei- dung einer Schlundeommissur (rechts). Diese Thiere, bei denen also die eine Gehirnhälfte ganz ausgeschaltet ist, zeigen Erscheinungen, die eombinirt sind aus den Erscheinungen, die nach einseitiger Commissurdurehsehneidung und nach Spaltung des Gehirns auftreten; die Operation bringt also nicht, wie Steiner meint, denselben Effeet hervor wie Durehschneidung einer Commissur, Sie gehen stark im Kreise im entgegengesetzten Sinne des Uhrzeigers. Das Aufbäumen geschieht immer unsymmetrisch, und sie fallen dabei leicht hintenüber. Sie drehen sich lange nicht so leicht zur Bauchlage zurück, wie Thiere mit einer durcehsehnittenen Commissur. Beim Streichen des Rückens in Bauchlage wird das rechte Bein immer auf den Rücken gelegt. Die Compensationserscheinungen fehlen ganz bei erhaltener Reflex- erregbarkeit der Augen. Beim Laufen macht nur das linkeAuge Bewegungen iin der Laufricehtung, das rechte wird still gehalten. Bei Zinksgang sind die Schritte der:rechten Seite, bei Rechtsgang der linken Seite vermehrt. Durehsehneidung des Oculomotoriusbündels, welchessich im Neuropilum oeulomotorii me- diale verzweigt. Das Gehirn wird gut freipräparirt. Das Neuropilum oculomotorii mediale wird dann öfter undeutlich sichtbar; jedenfalls ist aber seine lage bei guter Kenntniss der anatomischen Verhältnisse aus der Lage des Mittellochs leicht zu bestimmen. Das kleine Messer wird mit der Spitze zwischen dem Neuropilum oculomotorji mediale und Antennarii II mediale am unteren Rande eingesetzt, dann 0,7 mm in die Tiefe ein- gesenkt und um ebensoviel nach vorne gezogen (Tafel XXXIL, Fig. 8 links). Ueber die richtige Ausführung der Operation belehrt die später angefertigte Schnittserie durch das Gehirn. Nach der vorigen Operation tritt, wenn der Schnitt nach einer Seite abweicht, Lähmung der Flectoren des Auges dieser Seite ein. Es lag daher nahe zu vermuthen — da, wie ich oben gezeigt habe, Flexion und Extension des Auges nach Durch- schneidung des Oculomotorius erlischt —, dass das Neuropilum oeulomotorii mediale, in dem ein Theil des Oculomotorius sich 622 Albrecht Bethe: verzweigt und das der Mittellinie sehr nahe liegt, der centrale Sitz der Augenbeuger ist. Diese Vermuthung wird durch die nahezu isolirte Durchschneidung des zuführenden Faserbündels als richtig erwiesen. Die Flectirbarkeit des Auges ist vollkommen erloschen. Das Auge ist immer aus der Augengrube herausgestreckt, anormal der Mittellinie genähert. Wenn man es in die Augengrube hineindrückt, so springt es sofort wieder hervor, da die Extensoren allein thätig sind. Die Herausnahme eines oder beider Globuli. Diese Operation gehört zu den schwierigeren. Wie die ana- tomische Beschreibung lehrt, ist der Globulus vorne von dem ÖOptieus eingefasst, hinten vom Tegumentarius auf der Oberseite und vom Antennarius secundus auf der Unterseite. Ausserdem läuft auf der Unterseite der Antennarius primus auf der Oberseite der Oculomotorius quer darüber hin. Alle diese Nerven sollen durchaus geschont werden. Ich schneide von der rechten Seite (ich beschreibe die Operation für Herausnahme des rechten Globulus) hart am vorderen Rande des Tegumentarius mit dem kleinen Messerchen in die Bindegewebskapsel des Globulus und etwas in diesen selbst ein. Darauf führe ich durch diesen Schnitt den vorher beschriebenen kleinen Haken mit nach vorne gebogener Spitze ein, die Spitze nach unten und hinten gewandt. Ist der Haken bis über die Mitte des Globulus eingeführt, so drehe ich ihn so, dass die Spitze in den Globulus eindringt und ziehe vorsichtig das Instrument aus dem Schlitz heraus. Gewöhnlich kann man auf diese Weise den ganzen Globulus auf einmal extrahiren. Hat man die Spitze nicht genügend hineingedreht, so bekommt man nur den hinteren Hemiglobulus und den seitlichen Theil des vorderen und kann dann beim nochmaligen hineingehen auch den Rest desselben heraus- bekommen (Tafel XXXII, Fig. 8 rechts). Die Exstirpation des linken Globulus führe ich mit der linken Hand und einem symmetrischen Häkchen aus. Da ein Theil des Optieus und Antennarius primus und von diesem wahrscheinlich nur von der Otocyste kommende Fasern in die Globuli eintreten, so war zu erwarten, dass nach dieser Operation ein Theil der Erscheinungen auftritt, welche nach Blendung und Otoeysten-Exstirpation zu beobachten sind. Es war also hierauf ein besonderes Augenmerk zu richten. Als erstes Zeichen, dass die Operation gut gelungen ist, ist das anzusehen, dass alleKopforgane vollkommen refleetorisch sind. Es hat dann also keine Verletzung der Kopfnerven statt- gefunden. Auf Lichtreiz und mechanischen Reiz eines Auges Das Centralnervensystem von Carcinus Maenas. 623 werden beide erste Antennen eingezogen, auf letzteren, wenn er genügend stark ist, auch beide Augen. Die quere Reizleitung im Gehirn hat also nicht gelitten, ebensowenig der Photoreflex der ersten Antennen. 2. Die complieirten Augenbewegungen. Sowohl die Compensationsbewegungen, wie dieBewegungen bBerspassiver Rotation und beim Laufen haben nicht die geringste Einbusse erlitten. 3. Die Ruhelage ist normal. Der Kalyptotropismus ist vorhanden, der negativePhototropismusist dagegen nach doppelseitiger, wie nach einseitiger Ope- ration geschwunden. 4. Gang. Am Tage nach der Operation, wenn die allgemeinen Gehirnerscheinungen vorüber sind, gehen die ein- seitig (rechts) operirten meist im Kreise entgegen dem Uhrzeiger, aber weniger stark als die T'hiere mit durchschnittener rechter Schlundeommissur, die doppelseitig operirten vorwärts, fallen dabei aber nicht wie Thiere mit beiderseits durchschnittenen Schlund- commissuren vorn über. Ist die Operation gut geglückt, so ist der Kreis- respective Vorwärtsgang nach 2 Tagen oder schon früher verschwunden, muss also als Reizerscheinung aufgefasst werden. Die Thiere gehen jetzt ganz gerade seitlich, ohne zu schwanken. Sie reagiren mit Sicherheit auf Berührung einer Seite mit Gang nach der anderen Seite. Beiden einseitig. (rechts) operirten,Fhieren zeigt sich nun dieselbe Veränderung desGanges wie nach Exstirpation der gleichseitigen Otocyste. Sie,machen.bei Linksgang auf beidemSsenten gleich viel Schritte bei Rechtsgang links etwa um die Hälfte mehr. Ich gebe hier von einem Thier das Resultat der Gangtafeln: Rechtsgang. Linksgang. 2.2 = 1007610 Tas — 1002,07 NEN 7%: 5.100 22.95 723. 100,,.134 2: u —2.200,> 10% Doppelseitig operirte Thiere verhalten sich in diesem Punkt wie beiderseits Otocystenlose. Sie machen bei Linksgang rechts, bei Rechtsgang links zu viel Schritte. Auf der Dreh- scheibe laufen sie gut entgegen der Drehrichtung. Auf glatten 624 Albrecht Bethe: Flächen bewegen sie sich nicht mit der Unsicherheit Oto- eystenloser. 5. Der Aufbäumreflex ist vollkommen erhalten und tritt symmetrisch und unsymmetrisch, je nach Ort des Reizes, sowohl auf mechanischen als auch auf photischen Reiz ein. Starrkrampfreflexe, Verteidigung und Putzen sind unver- ändert. 9. Umdrehreflex. Sie drehen sich fast ausnahmslos über das Abdomen zur Bauchlage zurück. Bei einem Thier wurde einmal Aufstehen über den Kopf beobachtet, doch kommt dies, wie erwähnt, auch bisweilen bei normalen Thieren vor. Ausnahmslos werden beim Streichen desRückens des in Bauchlage hochgehobenen Thiercs (wenn doppelt operirt) beide letzte Beine auf den Rücken gelegt, bisweilen auch Umdrehbewegungen mit diesen und den dritten Beinen gemacht. Bei ein- seitig Operirten wird meist nur das vierte Bein derselben Seite auf den Rücken gelegt. 12. Nahrungsaufnahme. Diese Thiere verweigern meistens, wie überhaupt Thiere nach weniger eingreifenden Ope- rationen am Gehirn, die Annahme von Futter. Ein Thier nahm das Futter mit den Maxillarfüssen und fing an es zu kauen; es wurde ihm aber wieder von den Scheeren entrissen und fortgeworfen. 13. Copulation. Bei den doppelt operirten Thieren, aber auch bei den einseitig operirten Thieren zeigt sich derselbe Mangel an „Unterscheidungsvermögen“* in Bezug auf Männchen und Weibehen, wie bei denen mit gespaltenem oder bis zum Mittelloch von vorne gespaltenem Gehirn. (Ich gebrauche das Wort „Unterscheidungsvermögen“ aus Mangel an einem besseren, ohne damit irgend etwas über einen Bewusstseinsvorgang sagen zu wollen.) Sie ergreifen Männchen und ungehäutete Weibchen, umklammern sie und versuchen die Copulation. Auch in anderen Punkten zeigt sich ein Mangel an Hem- mung, eine allgemein gesteigerte Reflexerregbarkeit und eine grosse Ruhelosigkeit. Von den durch die Augen vermittelten Re- flexen geht also nachweisbar nur der negative Phototropismus verloren, während die Einzie- Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 625 hung derAntennen, dasAufbäumen und die Flucht auf Lichtreiz fortbesteht. Die Erscheinungen, welche unter Einfluss der Otocysten stehen, haben nur zum Theil etwas mit den Globuli zu thun. Die Compensationsbewegnngen und die Bewegungen der Augen bei passiver Rotation, die Sicherheit des Ganges und der normale Umdrehreflex sind unabhängig von den Globuli. Die Cor- reiation der Gangbewegungen (Schrittzah)) und die Beziehungen zur Anziehung der Erde marben::in "den: G1lo buwlis eime neemitrale # Bia pre (Eintritt des Umdrehreflexes bei Bauchlage nach Aufhebung der Berührung der Beine mit dem Boden und Streichen des Rückens.) Ausserdem stellen die Globuli den reflexhem- menden Theildes Gehirns dar. Abtragung des ganzen vorderen Ganglienzell- polsters (Cellulae superiores mediales). Das Gehirn wird vorne gut freigelegt. Dann wird mit dem kleinen Messer rechts vom Neuropilum optiei superius anterius am vorderen Rande des ÖOpticuseintritts eingestochen und das Messer nach links bis zur linken vorderen Ecke des linken Neuropilum optiei anterius gezogen. Es löst sich so zugleich mit der Gehirnhaut die ÖOptiecuscommissur ab. Es liegt jetzt das Ganglienzellpolster nach vorne unbedeckt zu Tage. Es wird nun mit dem kleinen Messer der vordere und obere Gehirnrand so lange gekratzt, bis die Begrenzungslinie der Neuropile ganz frei ist. Es ist dies um so leichter möglich, als das Ganglienzelllager sehr viel weniger resistent ist als das Neuropil. Man kann diese Operation so gut ausführen, dass auf einer Querschnitt- serie kaum ein Dutzend Ganglienzellen noch zu finden sind bei ganz oder fast ganz unverletztem Neuropil. Soll nur eine Hälfte des Gang- lienzellpolsters entfernt werden, so wird zunächst von vorne her ein Schnitt in der Mittellinie bis zum Anfang des Neuropilum optiei superius anterius geführt, im übrigen in derselben Weise verfahren. Die allgemeinen Gehirnerscheinungen dauern meist mehrere Tage. Sind sie verschwunden, so sind alle Kopforgane reflec- torisch, die ersten Antennen spielen. 2. Die Compensationsbewegungen sind vollkom- men verschwunden. 3. In der Ruhelage sind die Beine etwas gespreizt, gekrümmt und ähnlich wie bei einem Commissurlosen nach hinten gesetzt; 626 Albrecht Bethe: die Scheeren sind aber nach vorne gestreckt, sodass richtiger Kopfstand nie eintritt. Die Thiere liegen nie auf dem Rücken. 4.)G ang Die Thirer& ge hensni e mals en seitlich. Reizt man die Thiere in der Mitte des Körpers oder auf beiden Seiten, so gehen sie immerinziemlich un- geschiekter Weise vorwärts, indem die Beine nach vorne greifen und nach hinten einstemmen. Der Körper ist nach vorne geneigt, so dass das vierte Beinpaar den Boden meist nicht berührt, und sie fallen leicht vomüber. Niemals werden dieBeine einesPaares gleichzeitig gesetzt, son- dern immer abwechselnd. Es tritt nämlich nach dieser Opera- tion dieselbe Ineoordination zwischen Beugern und Streckern ein, wie bei den Thieren mit durchschnittenen Commissuren. Die Beine sind stark fleetirt; doch ist die Ungeschicklichkeit der Bewegungen nicht so gross, wie dort, indem die Thiere einen Weg von 20—30 em zurücklegen können, ohne umzufallen. Die Beine jeder Seite arbeiten in der Reihenfolge I, III, II, IV. Mit dem ersten rechten wird gewöhnlich das dritte linke, bisweilen aber auch das zweite linke vorgesetzt, so dass der Gang dem der Makruren sehr ähnlich ist. Ich nenne diese Gangart nach vorne, die ja auch bisweilen beim normalen Thier beobachtet wird, deren aber diese Thiere allein mächtig sind, Ancestor- oder Vorfahrengang, da die muthmaasslichen, makruren Vorfahren der Brachyuren sich dieser Gangart bedienten. _Reizt man stark auf einer Seite, so tritt, wie gesagt, nie seitlicher Gang ein, vielmehr Gang schräg nach der anderen Seite und nach vorne oder aber (besonders in den ersten Tagen) Kreisgang, bei Reiz rechts im Sinne des Uhrzeigers, bei Reiz links im ent- gegengesetzten Sinne des Uhrzeigers. Der Kopf ist also immer nach dem Kreismittelpunkt hingewandt. Es geschieht dies, in- dem die Beine der dem Reizort gegenüberliegenden Seite stärker und etwas mehr seitlich arbeiten. 5. Der Aufbäumreflex ist dureh Lichtreize nicht auszulösen (ich bezweifle aber, dass dies nothwendig der Fall sein muss, und glaube, dass dies auf einer unvermeidlichen Zerstörung eines grossen Theils von Optieusfasern beruht). Auf mechanischen Reiz tritt er ganz gut ein, die Scheeren werden dabei aber nicht ganz erhoben und ganz ausgestreckt. 6. Der Starrkrampfreflex tritt immer beim Hochheben ein, Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 627 es zeigt sich hier aber wie bei den commissurlosen Thieren ein Ueberwiegen der Fleetoren, indem die Beine und Scheeren nicht ganz gerade gestreckt, sondern mässig gekrümmt sind. 7. Der Umdrehreflex geschieht immer in normaler Weise nie über den Kopf. Beim Hochheben, in Bauchlage und Streichen des Rückens werden nie die letzten Beine zur Umdrehstellung auf den Rücken gelegt. Die Fortnahme aller Ganglienzellen des Vorderpolsterslässtalso 1)dieCompensations- bewegungen erlöschen, 2) bringt sieeine'Ver- änderunginder Innervationder Extremitäten hervor, so dass die Fleetoren über die Exten- soren die Ueberhand gewinnen, 3) macht sie den Bracehyurengang (Seitengang) unmöglich und lässt nur noch den Vorwärtsgang fortbe- stehen. Abtragung der einen Hälfte des vorderen Gang- lienzellpolsters (rechts). Wie nach der vorigen Operation müssen, wenn keine Fehler begangen werden, alle Kopforgane gut refleetorisch sein. Am Tage nach der Operation sind die Gehirnerscheinungen be- reits geschwunden. 2. Die complicirten Augenbewegungen. Sowie das Thier sich von der Operation erholt hat, ist keine Spur von Compensationsbewegungen zu bemerken, weder beim Drehen um die Longitudinalaxe noch beim Drehen um die Transversalaxe. Ebenso sind Bewegungen der Augen bei passiver Rotation nicht zu constatiren. Es ist dies Resultat ausserordentlich auffallend, da die Verletzung rein einseitig geschieht, noch auffallenderaberist, was allerdings leider nur ineinemFallzuconstatirenwar, dass gleich nach der Operation, wenn dieselbe vor dem Eintritt der allgemeinen Gehirnerscheinungen beendet ist, dieCompensationnochinungeschwächtem Maasse vorhanden ist. Sie kehrt aber später niemals wieder. Es geht daraus hervor, dass nicht die Fortnahme der Ganglienzellen selbst die Ur- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 40 628 Albrecht Bethe: sache dieser Ausfallserscheinungist, sondern ein daran sich anschliessender Process. «(Ich werde weiterhin noch prägnantere Fälle beschreiben.) 3. Die Ruhelage ist nach dem Schwinden der cerebralen Erscheinungen normal;aberschonamEnde des zweitenoderamAnfang desdrittenTagesfängt siean asymmetrisch zu werden, bis die Asymmetrie beinahe den Grad erreicht, den ich nach Durchschneidung einer Schlundeommissur beschrieben habe. Die rechten Beine sind ge- spreizt, fleetirt und mit den Spitzen etwas nach hinten eingesetzt, so dass das Thier rechts höher liegt als links. 4.:Gang. Der Gang ist wie die Ruhelage nach dem Schwinden der cerebralen Erschei- nungen zunächstnormal, d.h.rein seitlich. Aber schon am Ende des zweiten oder Anfang des dritten Tages, Hand in Hand gehend mit der Zunahme der asymmetrischen Lage, hört der Gang auf, rein seit- lich zu sein und wird nunzum Kreisgang im entgegengesetztenSinne des Uhrzeigers wiebei einem Thier, dem die rechte Commissur durehsehnitten ist. Die rechten Beine arbeiten nach vorne — bei Linksgang wie bei Rechtsgang — die linken arbeiten wie vorher rein seitlich. Eine Beschleunigung der Schritte links bei Rechtsgang ist nicht zu eonstatiren gewesen. 5. Aufbäumreflex und Starrkrampfreflex sind am Anfang normal, nach dem Eintritt des Kreisganges asymmetrisch, indem die rechten Extremitäten stärker gekrümmt sind als die linken. 8. Die Vertheidigungsreflexe sind normal. Reiz jeder Kopf- seite wird mit lokaler Abwehr beantwortet. 9. Der Umdrehreflex ist normal. Die letzten Beine werden nicht auf den Rücken gesetzt (mit Ausnahme eines Falles, bei dem nachweislich der Antennarius primus verletzt war). Eine Steigerung der Reflexerregbarkeit und ein abnormer Umklammerungsreflex war nicht zu bemerken. Die Ausfallserscheinungen, welche nach dieser«Operation.awftzeten, :bikdeni sich also insgesammt erst nach einiger Zeitaus, keine trittindirekterFolge derFortnahme der Gang- lienzellen selbst auf. Der Ausfall der Compensations- Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 629 bewegungen tritt am schnellsten auf, der Ausfall des Seit- wärtsgangesunddieIneoordination zwischen Strecekern und Beugern auf der operirtenSeite erst nach 36—48 Stunden. Hand in Hand mit der Entwicklung der Ausfallserscheinungen geht eine starke Verklei- nerung des ganzen rechten Gehirns; besonders in den Optieus-Neuropilen der operirten Seite finden sich Hohlräume und starke Substanzverluste mit gleichzeitiger Vermehrung der Bindegewebs-(Glia?)kerne (Tafel XXXII, Fig. 11). Das normale Functioniren von Neuronen nach Fortnahme der zugehörigen Ganglienzelien: Isolirung der Neuropila Antennarii secundi in Zusammenhang mit dem Antennarius und Forträumungalleransitzenden Ganglienzellen. Eine anatomische Betrachtung veranlasste mich zur Aus- führung dieser mühsamen Operation: Fast alle Ganglienzellen von Careinus sind unipolar, und oft läuft der Axenfortsatz der Zelle weite Strecken dahin, ehe er die ersten Dendriten abgiebt und die periphere Faser entsendet. (Ausserdem ist der Axenfortsatz im Verhältniss zu den übrigen Theilen des Neurons meist recht dünn.) Es schien mir nun sehr sonderbar, dass nach der allge- mein herrschenden Ansicht der durch die receptorischen (sensiblen) Nerven in das Centralorgan tretende Reiz durch die Dendriten zu der weitentfernten motorischen Ganglienzelle einen grossen Theil desselben Weges rückwärts und dann erst in die periphere mo- torische Faser gehen sollte, anstatt direkt von den Dendriten auf dem viel näheren Wege auf die motorische Faser überzugehen. Diese Frage war leicht dadurch zu entscheiden, dass man die Ganglienzellen mit dem Axenfortsatz unter Schonung des Neuro- ‘pils von motorischen Neuronen abtrennte; wäre die Ganglienzelle zum Functioniren absolut nöthbig, so müsste gleich nach der Ope- ration eine Lähmung der betreffenden Muskeln eintreten; im an- deren Fall, wenn der Reizstrom direkt von Dendriten zur peri- pheren Faser, ohne die Ganglienzelle passiren zu müssen, über- gchen könnte, so müsste die Lähmung ausbleiben, wenigstens für einige Zeit. Eine derartige Operation liesse sich an verschie- denen Stellen des Nervensystems von Carcinus Maenas und auch 630 Albrecht Bethe: anderer Wirbelloser ausführen (siehe die vorige und die folgende Operation). Meine Schlussfolgerungen würden aber besonders bei Phy- siologen wenig Beachtung finden und man würde sagen: die Zellen, die du fortgenommen hast, mögen wohl zu motorischen Elementen des und des Muskels gehören, sie sind aber nicht die einzigen, irgendwo anders liegen Zellen, die auch motorische Elemente dieses Systems sind, und die vertreten jetzt allein die Function. Um die Sache sicher zu stellen, war es nöthig, ein Neuropil mit seinem peripheren Nerven ganz von dem übrigen Centralnervensystem zu trennen und aller anhängenden Ganglien- zellen zu berauben. Die einzige Stelle, an der dies ausführbar erschien, ist der an jeder Schlundeommissur liegende Gehirnzipfel, der die Neuropile der 2. Antenne enthält und auch hier ist die Ausführung der Operation so schwierig, dass sie mir nur in we- nigen Fällen ganz geglückt ist. Da man die einzelnen Gang- lienzellen nicht sieht und nur aus den Schnittserien die Lage der einzelnen Zellpolster kennt, so schneidet man mit seinem Messer trotz der genauesten topographischen Kenntniss ziemlich ins Ungewisse ‚hinein. Den grösseren Theil aller anhängenden Zellen schneidet man immer bei einiger Uebung fort, aber alle fortzuräumen und nicht das Neuropil dabei zu verletzen, ist mir nur in zwei Fällen — von den brauchbaren — geglückt. Nachdem das Gehirn in der gewöhnlichen Weise freigelegt ist, wird zunächst das Ganglienzellpolster der Cellulae angulares entfernt, das im Winkel zwischen Antennarius secundus und Commissur liegt. Es greift bei verschiedenen Individuen in verschieden starker Weise nach oben auf das Neuropilum Antennarii II laterale hinauf. Mit dem kleinen Messer wird ein Einschnitt von rechts her (ich heschreibe die Operation für Isolirung der rechten Neuropile) hart am Rande des Antennennervs nach der Mitte zu gemacht, bis zu der Stelle, an der man sicher die mittlere Begrenzung des Zellpolsters vermuthet. Hierauf folgt ein Schnitt von hinten nach vorne der Commissur folgend (siehe Tafel XXXIII, Fig. 9. Darauf wird der Winkel besonders auf der Oberseite mit dem Messer ausgekratzt. Dies ist verhältnissmässig ein- fach. Sehr viel schwerer ist die Reinigung von den übrigen Zellen. Nach der Mitte zu liegen die Cellulae inferiores mediales dem Neu- ropil an; zwischen Tegumentarius und Antennarius secundus zieht sich dann häufig noch ein Zug von Ganglienzellen hin, welche zu den Cellulae superiores laterales gehören. Es ist nun möglich, alle diese Zellen mit einem Schnitt zu entfernen. Das Messer wird 11/, mm nach hinten vom Commissurwinkel steil oder etwas nach links geneigt Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 631 an die rechte Commissur angesetzt, bis zum Punkt + (Fig. 9, Tafel XXXIIT), nach vorne gezogen, dann unter starker Senkung des Stieles nach hinten nach rechts bewegt, bis es zwischen Tegumentarius und Antennarius secundus herauskommt. Der Tegumentarius bleibt zu- sammen mit dem Zellstreifen, der zwischen ihm und dem Antennarius liegt, am Gehirn. Das jetzt gegen das Gehirn isolirte Neuropil wird durch die elastische Commissur und den Antennarius nach hinten und rechts gezogen. Ist die Operation gut geglückt, so steht jetzt das Neuropil nur noch mit Ganglienzellen in Verbindung, die im Bauch- mark liegen. Um auch eine eventuelle Wirkung dieser auszuschalten, wird die Commissur einige Millimeter hinter dem Neuropil durch- schnitten, um eine gute Handhabe beim späteren Herausnehmen des isolirten Stückes zum Zweck der histologischen Untersuchung zu haben. Es ist gut, diese Commissur stumpf vor der Durchschneidung mit einem ganz dünnen schwarzen Faden zu umknoten, da es häufig sehr schwer ist, in dem Narbengewebe nach der Tödtung des Thieres das Operations- stück aufzufinden. Bei verschiedenen gut operirten Thieren, wo ich dies unterlassen hatte, konnte das Operationsstück nicht aufgefunden werden, wodurch das Resultat vernichtet wurde. Eine genaue Beschreibung der Operation ist natürlich nicht möglich. Man muss einige Schnitt- serien selbst genau untersucht haben, um auf Grund dieser Kenntniss von der Lage der Zellen die Operation ausführen zu können. Der Verschluss geschieht wie sonst. Die Thiere wurden mehrere Tage am Leben erhalten, wäh- rend dieser Zeit beobachtet und nach 3—5 Tagen getödtet. Das isolirte Neuropil wurde sorgfältig herausgenommen, in Alkohol gehärtet, in Querschnittsserien zerlegtund diese mit Boraxcarmin ge- färbt. Die etwa noch vorhandenen Ganglienzellen treten dabei mit voller Deutlichkeit hervor, so dass es nicht möglich ist, sie zu übersehen. Etwas erschwert wird diese Untersuchung durch die Vermehrung der Kerne an den Operationsstellen, wie sie nach jeder Operation hervortritt. — Ich gebe hier zunächst die Be- schreibung der beiden Fälle, in denen alle Ganglienzellen ent- fernt waren, wo sich also in der ganzen Schnittserie keine mit dem Neuropil zusammenhängende Ganglienzellen vorfanden und erinnere nochmal daran, dass Durchschneidung des Antennarius secundus, des Nerven, der allein noch mit dem Neuropil in Verbindung steht, vollkommenLähmung der zweiten Antenne hervorruft. Neapel 9. X1.1896. Careinus No. 47. (Rechtes Neuropil isolirt.) 10. XL. AusBerührunmsder rechten zweiten Antenne, welche in Ruhelage etwas stärker gestreckt ist als 632 Albrecht Bethe: normal, tritt vollkommene Beugung der Antenne um 90° und darauf wieder vollkommene Streckung ein. Gewöhn- lich. wird auf einen Reiz die Antennesmehs mals 2—3mal) gebeugt undgestreckt. Auch spon- tane Beugung mit nachfolgender Streekung wurde mehrmals beobachtet. 11.XL. Die Reaetionen der zweiten rechten Antenne sindgegen den vorigenTag bedeutend schwächer. - DieAntenne.sbteht: normal und wird aufleises Drücken um 30-—40° gebeugt, dannum 10% gestreckt, wieder gebeugt und kehrt dann zur‘ Ruhelage: zurück. / Ebenso’ tritt aufmenz maligen kleinen Reiz (Berühren) Flexion ein (Sum- mation der Reize). 12. XI. Die Reactionen der zweiten rechten Antenne sind er- loschen. Getödtet. Die Sehnittserie ergiebt vollkommenes Fehlen der Cellulae inferiores mediales und superiores laterales. Im Winkel zwischen Antennennerv und Commissur findet sich ein Lappen von Gang- lienzellen (Cellulae angulares), welche aber durch den Messer- schnitt vom Neuropil getrennt und sämmtlich degenerirt sind. Die Contouren sind undeutlich und unregelmässig, die Kerne zerfallen. Neapel, 3.X1. 1896. CareinusN0.38. Linkes Neuropil VII isolirt. 4. XI. "Beim Herausnehmen aus’ dem Wasser mehrmalige vollkommene Beugung und Streckung derzweitenlinkenAntenne. Beimleisesten Be rühren findetmehrmaligesBeugen und Strecken der Antenne in sehneller Aufeinanderfolge staft. Die Reflexerresbarkeit ist beaewuzend gesteigert. Oft treten spontan viele’Sschlage derzweiten Antenne hintereinander auf. 5. XI. Ebenso. 6. XI. Die Ausschläge der Antenne sind noch bedeutend. Dies Resultat erschien mir so unglaublich, dass ich, um mich zu vergewissern, dass keine Verwechselung mit einem anderen Thier stattgefunden hatte, das Thier tödtete. Das linke Neuropil VII fand sich isolirt und im Zusammenhang mit dem Antennarius. Die Schnittserieergab ein vollkommenes Feh- lender Ganglienzellen. Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 633 Zu diesen beiden Fällen kommt noch ein dritter, bei dem ebenfalls die Schnittserie ein vollkommenes Fehlen aller Gang- lienzellen zeigte, bei dem aber die Anschläge nur gering (etwa 20°) waren und nicht spontan eintraten. Hieran reihen sich die Resultate von 6 anderen Fällen, in denen eine geringe Anzahl von Ganglienzellen noch in Verbindung mit dem Neuropil gefunden wurde. Bei allen diesen waren mehr oder weniger grosse Ausschläge der betreffenden Antenne auf Reiz, beidreispontane Bewegungen der An- tenne zubeobachten. Stetswurden aber die Aus- schlägeöim Laufedes 2.und 3. Tages nach der Operation schwächer und hörten spätestens am 4. Tagemach der Operation ganz auf. (Fälle, in denen gar keine Antennen-Reaction nach der Operation auf- trat, wurden nicht berücksichtigt, ebenso nicht die wenigen, in denen grössere Mengen von Ganglienzellen am Neuropil sitzen geblieben waren.) In dem besten dieser Fälle finden sich in der Serie 2 nor- mal aussehende Ganglienzellen und 15 zerfallene, die bei der OÖperationabgeschabt und in der Nähe des Stückes liegen geblieben waren. Bei den übrigen ist ein Rest von 6—12 Zellen an verschiedenen Stellen aufzufinden, eine Zahl, die im Vergleich zu der bei normalen Thieren an diesen Stellen sich vorfindenden verschwindend klein ist. Von anderen Erscheinungen bei diesen Thieren ist folgendes zu erwähnen: Wenn die Oeulomotorius Neuropile nieht verletzt sind, sind die Augen beide reflectorisch und zeigen deutliche aber ge- schwächte Compensationsbewegungen. Die erste Antenne derselben Seite ist häufig gelähmt, in anderen Fällen zeigt sie aber schwache Reflexe. Der Gang geht im Kreise. Fortnahme der Cellulae angulares. (Diese Zellen stehen nachweislich (Seite 479) mit Fasern des Antennarius II in Verbindung.) Diese Operation habe ich sechsmal ausgeführt. In 3 Fällen fehlten alle Ganglienzellen, wie sich in den Schnittserien zeigte. Eins dieser Thiere zeigte keine Reaction der zweiten Antenne. 634 Albrecht Bethe: Wie die Untersuchung lehrte, war der Schnitt in das Neuropilum Antennarii II laterale eingedrungen. In den übrigen drei Fällen waren einige Zellen stehen geblieben. Ich beschreibe den einen der Fälle, bei dem alle Ganglien- zellen fehlten. Plymouth, 11. IX. 95. Careinus No. 48. (Cellulae angulares rechts exstirpirt.) 12. IX. Die Haltung der rechten zweiten Antenne ist normal. Schon bei leiser Berührung wird die Antenne maximal eingeklappt und dann wieder vorgestreckt. Oefter erfolgen zwei Schläge hintereinander. Die Reflexerregbarkeit der Antenne‘ ist erhöht. Nach der Fleetion geht die Antenne nicht zur Ruhelage zurück, sondern schlägt über dieselbe hinaus zur Mittellinie und kehrt erst dann zur Normallage zurück. 13. IX. Die zweite rechte Antenne ist nicht normal ge- halten, sondern der Medianebene zugeneigt, d. h. hypertendirt. Reizung der. Antenne giebt nur noch einen Ausschlag von 30—40° gegen 90° und mehr am Tage vorher. 14. IX. Morgens. Die Antenne ist in Ruhelage ganz nach der Mitte gekrümmt (siehe in der ersten Mittheilung Tafel XXV, Fig. 1 rechts punktirt). ‘Auf Reiz tritt nur noch eine schwache Flexion ein, welche die normale Ruhelage noch nicht erreicht (siehe in der ersten Mittheilung Tafel XXV, Fig. 1 gestrichelt). Biegt man die Antenne nach rechts, so schnellt sie wieder zu der hypertendirten Stellung zurück. 14. IX. Abends. Die Antenne verharrt in hypertendirter Stellung. Auf Reize, auch auf die maximalsten, tritt eine Bewe- gung nicht mehr ein. Von den anderen Kopforganen wird aber die Reizung noch in normaler Weise beantwortet. IndemanderenFall,indemalleGanglien- zellen fehlten, und in denen, wo noch einige Zellen er- halten waren, war dasVerhalten der Antenne ganz identisch: Vollkommene Flexion amTage nach der Operation, Abnahme der Fleetirbarkeit im Laufe des zweiten und dritten Tages und schliesslich Aufhören der Flexion bei hyper- tendirteristerlumgrd er’ Antenne: Zu bemerken ist hier noch, dass fast immer nach dieser Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 635 Operation in Folge der geringen Verletzung der betreffenden Schlundeommissur Kreisgang eintritt, während die lokale Ab- wehr bei Reiz der Kopforgane derselben Seite meist noch vor- handen ist. Aus diesem und den beiden vorigen Ver- suchen kann nur der eine Schluss gezogen wer- den, dass Neurone nach Fortnahme der zugehörigen Gang- lienzellen noch einige Zeit in anscheinend unverminderter Weise ihre Funetion auszuführen vermögen, dass sogar die Reflexerregbarkeitnach Fortnahme der mo- torischen Ganglienzellen erhöht wird. Für das dauernde Funetioniren der Neurone ist aber ihre Verbindung mit den Ganglienzellen nothwendig, sodass ich berechtigt zu sein glaube, in erster Linie ein nutritives Centrum für das ganze Neuronin der Ganglienzelle zu erblicken. Aus dem vorliegenden Versuch, wie auch aus den später zu beschreibenden Reizungsversuchen geht hervor, dass die Elemente des Antennarius Il, welche mit den Cellulae angulares in Verbindung stehen, die Flection der Antenne besorgen. Man könnte nun gegen meine Ansicht, dass in den Gang- lienzellen ein nutritives Centrum für die Neurone zu sehen ist, einwenden, dass das schliessliche Aufhören der Funetion auf einen degenerativen Process von der Wundfläche aus zurückge- führt werden könne, dass also möglicherweise den Ganglienzellen auch diese Rolle nicht zukäme. Ich habe deshalb folgenden Ver- such ausgeführt: Abtrennung des Neuropils vom übrigen CGen- tralnervensystem unter Schonung der ansitzen- den Ganglienzellen. Das kleine Messer wird im Winkel zwischen beiden Commissuren eingesetzt, der Mittellinie folgend nach vorne gezogen und am vorderen Ende der Neuropile der zweiten Antenne und des Tegumentarius nach rechts gezogen. Hierbei bleibt der Tegumentarius und der An- tennarius seecundus am Neuropil. Darauf wird noch die Commissur dicht am Neuropil durchschnitten (Tafel XXXIIL, Fig. 10). Bei dieser Operation werden an drei Stellen grosse Wund- flächen geschaffen: ginge also von diesen der Degenerationspro- 636 Albrecht Bethe: cess aus, so müsste die Antenne ihre Beweglichkeit nach 3 oder sagen wir 4 Tagen einstellen. Dies geschieht aber nicht. Ich konnte die so operirten 'Thiere nur 7 Tage beobachten, da ich Neapel verlassen musste, konnte aber in diesen 7 Tagen keine Abnahme der Beweglichkeit der Antenne bemerken. Die Reflexerregbarkeit war nicht erhöht. Die Antenne machte wie sonst auf Reiz eine normale Flexion und wurde dann wieder gestreckt, wurde auch bisweilen auf einen Reiz, wie häufig auch bei normalen Thieren zu beobachten ist, zweimal hintereinander eingeklappt. Die Resultaterder eleietrischenBeizung: Die Reizung geschah mit Inductionsströmen entweder bipolar, indem zwei feime Platinspitzen, die einen Abstand von 0,2 mm von einander hatten, auf den zu reizenden Theil aufgesetzt wur- den, oder unipolar. Reizung mit konstanten Strömen ergab keine guten Resultate. Die Ströme müssen sehr fein abgestuft werden, da schon bei einer geringen Ueberschreitung der Grenze, bei der zuerst eine isolirte Reaction auftritt, allgemeine Reizerscheinungen sich zeigen. Eine grössere Bedeutung schreibe ich diesen Reizungs- versuchen nicht zu; sie können nur als Bestätigung dessen dienen, was durch die bereits beschriebenen Versuche eruirt wurde. Bei Reizung einer Schlundeommissur tritt starrkrampfartige Streckung der Beine beider Seiten nach der gereizten Seite hin und Spreizen der Scheeren ein. Reizung des Neuropilum oeuli- motorii mediale ruft immer Einziehen des Auges derselben Seite hervor. Reizung oberhalb des Neuropilum oeulimotorii laterale ergiebt häufig Vorstreckung des Auges; bisweilen aber auch Ein- ziehung oder zitternde Bewegung des Auges. In diesem Falle beruht die Reaction wahrscheinlich auf Stromschleifen, welche den Oculomotorius treffen, so dass die stärkeren Fleetoren die Ueberhand über die Extensoren gewinnen. Bei Reizung des Neuropilum Antennarii II mediale tritt fast regelmässig Ausstrecken der zweiten Antenne ein. Auf Reizung des Neuropilum Antennarii II laterale erfolgt immer Flexion der zweiten Antenne. Auf Reizung eines Beinganglions tritt häufig ausser anderen Bewegungen Autotomiren des betreffenden Beines ein. Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 637 Versucheam Bauchmark. Mir ist es nicht ein einziges Mal gelungen, Thiere nach Operationen am Bauchmark am Leben zu erhalten. Dies hat seinen Grund in der ungünstigen Lage des Bauchmarks. Von oben her ist dem Bauchmark nicht beizukommen. Es ist hier überdeckt von der Leber, dem Darm und dem Herzen, lauter Organe, deren Verletzung den Tod herbeiführen würde. Von unten ist es leicht nach Zurückklappen des Abdomens und Oeff- nung der unteren Thoraxwand zwischen den Beinen zu erreichen, wird aber hier überdeckt von dem grossen Blutgefäss, dessen Verletzung bei jeder Operation unvermeidlich ist und immer nach 24, spätestens 36 Stunden den Tod herbeiführt. Der einzige Weg, wenigstens etwas zu erreichen, war der, dass das Bauchmark so schnell wie möglich frei gelegt, die Ope- ration ausgeführt und dann sofort die Untersuchung begonnen wurde, noch ehe die Freilegung des Bauchmarks die Function gestört hatte. Einige Minuten lang bleiben die vom Bauchmark innervirten Theile reflexerregbar, so dass man wenigstens Einiges beobachten kann. Querdurchschneidung des Bauchmarks im fünf- ten Mundganglion (Tafel XXXII, Fig. 12a). Die Beine und Scheeren sind refleetorisch. Bei Reiz des Abdomens und der dritten Maxillarfüsse wird mit Beinen und Scheeren lokal abgewehrt. Hierbei erfolgen aber die Bewegungen träger und weniger kräftig, als nach Durchschneidung beider Schlundeommissuren. Aufden Bauch gelegt, erfolgen auf Reiz keine Schritte nach vorne (oder nach der Seite), wienach Commissurdurchschneidung, son- dern Flexion der gereizten Extremitäten, even- tuell bei starkem Reiz aller Extremitäten und lokale Abwehr. In Folge dessen fällt das Thier nicht, wie ein commissurloses, vornüber. Auf den Rücken gelegt erfolgt kein Umdrehreflex. Dieser Mangel an Gangbewegungen und der Fortfall des Umdrehreflexes sind nicht die Folge der Freilegung des Bauch- marks, sondern der Durchschneidung. Legt man ohne Durch- schneidung der Längseommissuren zwischen fünftem und sechstem 638 Albrecht Bethe: Mundganglion das Bauchmark frei, so läuft das Thier einige Minuten grade seitlich; hat man nach Freilegung die Schlund- commissuren durchschnitten, so macht das Thier Schritte vor- wärts, fällt vornüber und zeigt deutlichen Umdrehreflex. Macht man dann aber den Querschnitt, der die 5 vorderen Mundgang- lien vom übrigen Bauchmark trennt, so hört sofort der Gang nach vorwärts, überhaupt jede Gangbewegung und der Umdreh- reflex auf. Durehsehneidung der Längscommissur zwischen zweitem und drittem Schreitbeinganglion auf einer Seite (rechts) (Tafel XXXII, Fig. 12b). Das dritte und vierte rechte Bein wird auf Reiz angezogen. Auf Reiz anderer Beine tritt Seitwärtsgang ein nach der dem Reizort gegenüberliegenden Seite. Es betheiligen sich dabei aber nur das erste und zweite rechte und alle linken Beine. Das dritte und vierte rechte wird geschleift. Auf Reiz des dritten und vierten linken Beines tritt öfter lokale Abwehr mit den Beinen und der Scheere derselben Seite ein. Auf Reiz derselben Beine rechts nicht, dagegen fangen meist die beiden gekreuzten Beine zu gehen an, worauf auch die anderen Beine (ausser dem dritten und vierten rechten) in Gehbewegung gerathen. Durehsehneidung der Quercommissuren des dritten und vierten Beinganglions (Tafel XXXLUI, Fig. 12e). Die Thiere laufen mit allen Beinen auf Reiz rein seitlich, wobei ein Unterschied in derSetzung des dritten und vierten Beines nieht zu bemerkenist. Auf den Rücken gelegt wurden die vierten Beine zur Umdrehstellung unter den Rücken geschoben. Umdrehung selbst sah ich nicht. Das dritte und vierte Beinpaar verliert zuerst die Reflexerreg- barkeit. Schneidet man vorher eins derselben im zweiten Glied ab, so wird der Stumpfabge- worfen. Nach Durehschneidung der Längscommis- suren hinter den Mundganglien und zwischen dem zweiten und dritten Schreitbeinganglion (Tafel XXX, Fig. 24d) erfolgt das Autotomiren der Das Centralnervensystem von Careinus Maenas. 639 Beine nach Amputation im zweiten Glied in normaler Weise. Ohne Ganglion, d.h. nach Durchschnei- dung des peripheren Nerven kommt das Autotomiren nicht mehr zu Stande, falls nicht das Bein im Augenblick der Nervendurch- schneidung, wie häufig beobachtet wurde, abgeworfen wird. Das Autotomirenist also ein Reflex, welcher mie jedes Bein“in‘,der'glerehsertigeniHaltte des zugehörigen Ganglionslokalisirtist. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXII. Fig. 1. Männlicher Careinus nach Durchschneidung beider Schlund- ecommissuren in Rückenlage. (Gezeichnet unter Benutzung eines Photogramms.) Schematische Darstellung des Kreisganges nach Durchschnei- dung der rechten Schlundeommissur. Fig. 3. Ruhelage eines männlichen Careinus nach Durchschneidung der rechten Commissur. (Gezeichnet unter Benutzung eines Photogramms). Fig. 4—10. Schematische Darstellung der Schnittführung bei den Operationen am Gehirn. Fig. 11. Querschnitt durch das Gehirn eines männlichen Carcinus, etwa !/;mm vor dem Mittelloch. Dem Thier war zwei Wochen vor der Conservirung die rechte Hälfte des vorderen Ganglienzell- polsters abgetragen worden. Die linke Seite des Schnittes zeigt normale Configuration, die rechte zeigt starke Substanz- abnahme, Höhlenbildung und Vermehrung der Bindegewebs- kerne. Leitz Obj. 1, Oc. I auf !/, verkleinert. (Zeichenapparat.) Fig. 12. Schematische Darstellung der Schnittführung bei den Opera- tionen am Bauchmark. 5 12 10) 640 (Aus dem anat.-biologischen Institut zu Berlin.) Zur Kenntniss der Anatomie und Physiologie der Geschlechtsorgane. Von J. Plato. Hierzu Tafel XXXTIV. Seitdem v. Leydig (1) im Jahre 1850 zum ersten Male in Hoden der Säugethiere Haufen von grossen zwischen den Tubuli gelegenen protoplasmareichen Zellen beschrieben, haben zahlreiche Autoren dieser sogenannten „Leydig’schen Zwischen- substanz“ ihre Aufmerksamkeit zugewandt. Wenn wir von Har- vey (7), der sie für ein „ausserordentlich reichhaltiges Beispiel von mit Zellen versehenen, kernhaltigen vasomotorischen Nerven- fasern“ hielt, absehen, so scheiden sich die Autoren, welche eine bestimmte Ansicht über die Natur der Substanz geäussert haben, in zwei Gruppen; die einen glauben an die bindegewebige Na- tur der iterstitiellen Zellen, so Boll (27), von Ebner (15), Hansemann (13), Hofmeister (10), Jacobson (ll), von Koelliker (5), von Leydig (1) u. a., die anderen an eine epitheliale Abstammung derselben, so Böhm und von Davi- doff (34), sowie von Lenhossek (23). Da diese beiden Ansichten noch heute unvermittelt einander gegenüber stehen, so hielt ich es für angezeigt, auf dem bisher zu diesem Zwecke noch nicht besehrittenen Wege der Entwick- lungsgeschichte eine Entscheidung zu versuchen. Als Untersu- ehungsobjekt diente mir der Hoden des Katers. Von dem er- wachsenen Thiere zu immer jüngeren übergehend, verfolgte ich in umgekehrter Richtung die Entwieklung der Zwischensubstanz an ungefärbten Präparaten n Hermann’scher Flüssigkeit fixir- ter Organe, bis zu einem eine Entscheidung ermöglichenden Sta- dium ihrer intrauterinen Entwicklung. Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 641 I. Die Entwicklung der interstitiellen Zellen des Hodens aus fiven Bindegewebszellen. Während die interstitiellen Zellen des funktionirenden Ka- terhodens vollgepfropft von Fett sind, finden wir im Hoden des ca. (wöchentlichen Embryos bei Anwendung selbst mittel- starker Vergrösserungen überhaupt kein Fett. Dagegen hebt sich die hier so mächtig wie im funktionirenden Eberhoden ent- wickelte interstitielle Substanz durch ihre diffus braune Färbung deutlich von den übrigen Theilen des Gewebes ab. Jedoch kommen hier nicht wie dort fast ausschliesslich typische inter- stitielle Zellen vor, sondern wir finden neben solchen hier reich- lich fixe Bindegewebszellen und zwischen diesen und jenen alle Vebergangsformen. — Die Wand der Tubuli wird gebildet durch eine hier besonders deutliche Membrana propria, und an diese schliessen sich nach den Gefässen zu konzentrisch angeordnete Lagen fixer, spindelförmiger Bindegewebszellen an (Fig. 1). Auf diese wieder folgt eine nicht genau abgrenzbare Zone, welche noch deutlich bindegewebige Zellen enthält, die aber grösser sind als die erstgenannten und deren Nucleoli schon etwas deutlicher hervortreten. Während die fixen Bindegewebszellen der ersten Lage kaum Spuren von Protoplasma erkennen lassen, finden wir in der zweiten Lage schon Zellen mit deutlichen Grenzen. Die Form dieser Zellen ist im Allgemeinen noch eine langgestreckte, sie laufen schliesslich in Fibrillen aus, ihre Kerne sind aber an den noch etwas zugespitzten Enden bereits von einer geringen Menge feinkörnigen Protoplasmas bekleidet, welches unter der Einwirkung der Osmiumsäure eine mattbraune Färbung angenom- men hat. Je weiter wir uns von der Wand der Tubuli auf die Gefässe zu entfernen, desto grösser resp. runder werden die Kerne, deste deutlicher die Nucleoli der uns begegnenden Zellen. Das Protoplasma wird reichlicher, umgiebt den ziemlich in der Mitte der Zelle liegenden Kern von allen Seiten und zeigt eine immer intensivere Braunfärbung durch Osmium. In manchen Zellen finden wir bereits unter Anwendung der Immersion feinste Fett- körnehen, wie solehe in bestimmten Stadien der Spermatogenese in (den Protoplasmalappen der reifenden Spermatozoen angetroffen werden. Je näher wir nun an die Gefässe herangehen, um so grösser 642 J. Plato: werden die Zellen, um so deutlicher ihre Grenzen. Das durch die Osmiumwirkung gebräunte Protoplasma nimmt jedoch nicht den ganzen vom Kerne frei gelassenen Raum der Zelle ein, viel- mehr finden wir fast immer zwischen je 2 Zellen einen helleren Spalt, in dessen Mitte eine deutliche Linie sichtbar ist. Bei einer genauen Betrachtung aller Uebergangsstadien erklärt sieh dies Verhalten, wie mir scheint, von selbst. Die Fibrillen der ur- sprünglichen Bindegewebszellen, die an der Stelle des Kerns aus- einanderweichen und diesen zwischen sich fassen, werden bei dem Wachsthum des Kerns und der zunehmenden Anlagerung von Protoplasma immer mehr auseinandergedrängt und in ihrem Ver- laufe durch die Einwirkung ebenfalls stark wachsender benach- barter Zellen in dem Sinne beeinflusst, dass sie sich an keiner Stelle mehr von der zu ihr gehörigen Protoplasmamasse entfernen können. Sie bilden dann die so deutlichen Grenzen der grossen interstitiellen Zellen. Unter dem Einflusse der Behandlungsweise scheint dann eine geringe Schrumpfung des Protoplasmas_ statt- zufinden, wodurch die oben erwähnten helleren Spalten gebildet werden, innerhalb deren die Grenzlinien um so deutlicher hervor- treten. Ich will hier noch bemerken, dass diese und die zunächst folgenden Beobachtungen alle an der unmittelbar unter der Albu- ginea gelegenen Zwischensubstanz gemacht sind, da hier die Ein- wirkung der Osmiumsäure bei allen Stücken annähernd die gleiche sein muss, während die inneren Partieen meiner stets in toto fixirten Stücke bald mehr bald weniger blass geblieben sind. Die Her- mann’sche Flüssigkeit ist für unsere Zwecke ganz besonders geeignet auch deshalb, weil sie den Blutkörperchen eine inten- sive Färbung giebt und dadurch die Uebersichtlichkeit des Bildes wesentlich erhöht. Der Hoden des 7 wöchentlichen Embryo zeigt namentlich in den subalbuginealen Theilen eine ziemlich reichliche Vaseu- larisation. Dass gerade hier auch die grösste Anhäufung der interstitiellen Zellen angetroffen wird, halte ich nicht für zufällig, möchte es jedoch nur indirekt auf den Reiehthum dieser Gegend an grossen Gefässen zurückführen. Bekanntlich hat die ört- liehe Gemeinschaft der interstitiellen Zellen und der Gefässe in den intertubulären Räumen zu den mannigfachsten Schlüssen Ver- anlassung gegeben und die ersteren in die Klasse der von Wal- Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 643 deyer so bezeichneten Perithelien eingereiht. Ich glaube, dass zwischen den grossen Gefässen und den interstitiellen Zellen nur ein indireetes Abhängigkeitsverhältniss durch Vermittelung der Kapillaren besteht. Es finden sich nämlich in der subalbuginea- len Zone neben sehr vielen und sehr blutreichen grossen Ge- fässen sehr viele Kapillaren, während Gefässe mittleren Kalibers relativ spärlich vertreten sind. Ich halte es deshalb nicht für unwahrscheinlich, dass hier die Kapillaren unmittelbar aus den grösseren Gefässen entspringen. Soweit sich dies in einem rela- tiv so engen und von den verschiedensten sich gegenseitigin der mannigfaltigsten Weise beeinflussenden Elementen erfüllten Raume entscheiden lässt, scheinen mir die interstitiellen Zellen mehr dem Laufe der Kapillaren als dem der grösseren Gefässe zu folgen, wie dies bisher von vielen Autoren angenommen wurde (v. Eb- ner, Ludwig und Tomsa u. a.). Der grösste Querdurchmesser dieses Hodens in fixirtem Zu- stande beträgt 1,7 mm, der Querdurchmesser der Tubuli ca 75 u. Es fiel mir bei der Durchsicht der verschiedenen Stadien auf, dass die in Mitose befindlichen Zellen wechselnden Gewebs- gebieten angehören. Man kann drei Zelltheilungsregionen unter- scheiden, indem Mitosen angetroffen werden 1) in den Epithel- zellen, 2) in den der Membrana propria aussen unmittelbar anliegen- den Spindelzellen, 3) in den Zellen der nächsten Umgebung der grösseren Gefässe. — In den eigentlichen Zwischenzellen fand ich überhaupt nur einmal Mitosen. Ich liess mich die Mühe nicht verdriessen, durch Zählung festzustellen, wo in jedem ein- zelnen der mir vorliegenden Stadien die meisten Mitosen ange- troffen werden. Indem ich mit den gewonnenen Zahlen die nach- weisbaren sonstigen Unterschiede zwischen den Entwicklungs- stufen verglich, kam ich zu dem a priori schon sehr wahrschein- lichen Ergebniss, dass eine Vermehrung der Zwischensubstanz durch zahlreiche Mitosen in den Zellen der nächsten Umgebung der Gefässe und der Wand der Tubuli, ein Längenwachsthum der letzteren ebenfalls dureh ganz besonders zahlreiche Mitosen in den der Wand der Drüsenschläuche zunächst liegenden Spindelzellen, und eine Vergrösserung des Querdurchmessers der Tubuli schliess- lich durch eine grössere Anzahl der Mitosen in den Epithelzellen zum Ausdruck gelangt. Im Hoden eines fast ausgetragenen Katers sind einige Archiv f. mikrosk. Anat, Bd. 50 41 644 J. Platio: wesentliche Veränderungen zu konstatiren. Die subalbugineale Lage der interstitiellen Zellen ist erheblich breiter geworden, was einerseits auf eine Grössenzunahme der einzelnen Elemente, andererseits darauf zurückzuführen ist, dass der Bildungsprocess der typischen interstitiellen Zellen aus fixen Bindegewebszellen von den Gefässen aus nach den Tubuli hin vorgeschritten ist. Die mehrfache Lage fixer Bindegewebszellen um die Membrana propria der Tubuli herum, wie wir sie im vorigen Stadium sahen, ist hier an zahlreichen Stellen verschwunden. Die Wandung der Tubuli besteht meistens nur aus der structurlosen Membrana pro- pria und aus einer einfachen Lage von Spindelzellen. Hier schliessen sich unmittelbar die typischen interstitiellen Zellen an. Diese sind bedeutend grösser geworden, ihre Kerne liegen nicht mehr in der Mitte der Zellen, und das hier schon sehr reichliche Protoplasma ist an eine Seite des Kernes gerückt. Während wir im vorigen Stadium nur unter Anwendung der Immersion feinste Fettkörnchen in den Zellen nachzuweisen vermoehten, sehen wir hier bereits grössere, z. B. mit Ocular 2 und Objectiv B von Zeiss deutlich erkennbare Tropfen. In recht grossen und längs getroffenen Zellen haben diese Tropfen eine typische Lage. Wir finden dort an einer Seite der Zelle den Kern, an diesen an- schliessend eine verhältnissmässig grosse Anhäufung matt-braunen Protoplasmas und ander anderen Seite der Zelle in einer helleren Zone die Fetttropfen. Diese sind von wechselnder Grösse, Zahl und Form, selten ganz rund. In dem Füllungszustand und der Anordnung der Gefässe hat sich dem vorigen Stadium gegenüber nichts geändert. Der Querdurchmesser dieses Hodens beträgt 1,8 mm, der Querdurchmesser der Tubuli ea. 85 u. Im Hoden des neugeborenenKaters ist die breite subalbugineale Lage der interstitiellen Zellen, wie wir sie beim fast ausgetragenen Kater sahen, verschwunden, und wir treffen bald unter der Albuginea Tubuli an. Diese Erscheinung kann nur erklärt werden durch die Annahme einer vorhergegangenen starken Verlängerung der Tubuli, die in die interstitielle Substanz hineingewachsen sind und diese zerprengt haben. Ob dabei der Hoden auch in die Länge gewachsen ist, kann ich weder konsta- tiren noch ausschliessen. — Die einzelnen Elemente der Zwischen- substanz haben sich insofern verändert, als aus vielen das Fett Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 645 wieder verschwunden ist und an seiner Stelle Lücken in der Peripherie des Protoplasmas aufgetreten sind, die, den früheren Fettgehalt beweisend, den Zellen die erste Andeutung der beim ausgewachsenen Thiere, z. B. an Zenker-Heidenhain’schen Präparaten, so auffallenden wabigen Struetur verleihen. Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass das Fett der interstitiellen Zellen, wie es im funktionirenden Hoden im Wesentlichen das Nährmaterial für die reifenden Spermatozoen darstellt, — eine Annalıme, die ich in einer vor mehr als Jahresfrist erschienenen kleinen Abhandlung (22) näher begründet habe, — so im wach- senden Hoden zu Zeiten ungenügender Zufuhr von aussen bereits als Reservestoff zur Erhaltung des Organs und seines Wachsthums dienen kann. Diejenigen Zellen, welche noch Fett enthalten, weisen es in einer etwas veränderten Form auf. Die Körnchen sind grösser, matter gefärbt und runder als im vorigen Stadium. Einzelne Zellen sind völlig erfüllt von solehen Tropfen, so dass, wie beim ausgewachsenen Thier, der Kern völlig verdeckt wird. Der Hoden des neugeborenen Katers zeigt einen Querdurch- messer von 1,7 mm, die Tubuli einen solchen von ca. 85 u. Betrachten wir nun, ohwohl dies streng genommen nicht hierher gehört, dasInnere der Tubuli. Fr.Hermann (24) hat die postfötale Histiogenese des Hodens der Maus studiert und sagt (l.c.)auf La Valette St. George hinweisend: „Das nicht geschlechtsreife Hodenkanälchen birgt nach diesem Autor, einge- bettet in eine das Kanallumen vollständig erfüllende Eiweiss- masse, zweierlei Kerne, 1. kleine von runder oder ovaler Form und 2. in unregelmässigen Abständen zwischen jene vertheilt, grössere runde Kerne, die von einer Lage nach aussen scharf abgegrenzten Protoplasmas umgeben sind; diese Gebilde stellen die Spermatogonien dar, die sich innerhalb des Lagers der ersteren Gebilde, der sogenannten Follikelzellen, vermehren.“ Diese Schilderung bestätigt Hermann für den Hoden der Maus, und ich kann mich ihr für den Katerhoden an- schliessen. Beim neugeborenen Kater besteht das Epithel aus einer in der Regel einschichtigen Lage der Wandung der Tubuli zunächst liegender Follikelzellen. Die Reihe derselben ist zu- weilen unterbrochen durch Spermatogonien, jedoch liegen diese in der Regel in einer dem Centrum des Kanälchens näher liegen- den Sehieht. Obwohl der ihre Zone darstellende Ring bedeutend 646 J. Plato: kleiner ist und sie selbst bedeutend grösser sind als die Follikel- zellen, finden sich doch grosse Zwischenräume zwischen ihnen, während die Follikelzellen enge aneinander liegen. Es stehen also die Spermatogonien in diesem Stadium numerisch weit hinter den Follikelzellen zurück. Wie sich zuweilen eine Spermatogonie in der Lage der Follikelzellen findet, so sieht man auch hier und da eine Follikelzelle in der Lage der Spermatogonien. Während diese letzteren deutliche Kern- und Zellengrenzen zeigen, sieht man an den Follikelzellen nichts von Grenzen. Ihre Kerne sind eingebettet in eine protoplasmatische Substanz von streifiger Structur mit zahlreichen Lücken im Centrum des Tubulus. In dieser streifigen Structur glaubte Hermann Zellgrenzen zu erkennen. Ich kann ihm nicht beistimmen. An meinen Präparaten treten die Grenzen der Spermatogonien und der interstitiellen Zellen äusserst deutlich hervor, an den „Follikelzellen“ ist jedoch nichts von Grenzen zu bemerken. — Besonderer Erwähnung bedürfen solche Stellen, an denen gegen die Regel zwei Spermatogonien nahe aneinander und an der Membrana propria liegen. Hier wird die das Kanallumen ausfüllende protoplasmatische Masse von beiden Seiten stärker comprimirt, sie nimmt einen stärker braunen Ton an und bildet so die erste Andeutung der späteren Ser- toli’schen Zelle resp. ihrer Fussplatte. Wie erwähnt, sehen Hermann und mit ihm andere Au- toren die helleren Linien der protoplasmatischen Substanz als Zellgrenzen an. Es ist dies ein Punkt von nicht geringer Be- deutung. Bei fortlaufender Vermehrung der Spermatogonien, gegen welche die Zahl der Follikelzellen immer mehr zurück- bleibt, bildet sich aus diesem Verhalten in allmählicher Ent- wiekelung der endgültige Zustand heraus, und wir müssen uns dann entscheiden, ob die sogenannten Sertolischen Zellen als einzige Reste der ursprünglich fast das ganze Lumen erfüllen- den Eiweissmasse mit ihren zu „Kernen der Sertoli’schen Zellen“ gewordenen Kernen der „Follikelzellen“ als Zellen im strengen Sinne aufzufassen sind oder nicht. Ich kann in den „Sertoli’schen Zellen* keine Zellen im strengen Sinne des Wortes sehen. Es würde mich zu weit führen, wollte ich alles, was für und wider (diese Anschauung bereits geltend gemacht worden ist, hier ein- gehend berücksichtigen. Meine auf Grund zahlreicher Präparate gewonnene Vorstellung, die sich je länger desto mehr befestigt Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlecehtsorgane. 647 hat, basirt auf folgender Ueberlegung: Im nicht funktionirenden Hoden besteht in den Tubuli einerseits ein relativ geringes Be- dürfniss an Nahrungsstoffen, andererseits vertheilen sich die im Verhältniss zum verfügbaren Raume an Zahl geringen zelligen Elemente derart, dass überall eine gewisse Menge der oben er- wähnten Eiweissmasse zwischen ihnen nachweisbar ist, die an der einen Seite stets mit der Wandung der Tubuli in Verbindung bleibt. Je stärker sich nun die Epithelzellen vermehren, desto mehr wird diese Masse zersprengt, desto höher wird der Epithelbelag und desto schwieriger wohl auch die “Ver- sorgung der centralen inneren Zellen mit Nahrungsstoffen von den gefässführenden intertubulären Räumen aus. Schliesslich wird der Epithelbelag an bestimmten Stellen auseinander gedrängt, die Eiweissmasse in ihren letzten innerhalb der von beiden Seiten comprimirten Zellensäulen erhaltenen Resten zum Verschwinden gebracht, und diese tritt dann als breite, die ganze Höhe des Epithels durchsetzende Strasse in die Erscheinung. In diesem, in der Form neuen, als „Sertoli’sche Zelle“ in der Literatur be- kannten Theil der früheren „Eiweissmasse* spielen sich nun die zur Ernährung des Epithels und der reifenden Spermatozoen dienenden Stoffwechselvorgänge vorzugsweise ab, wie sich aus der Vertheilung der Fettkörnchen auf verschiedenen Stadien schliessen lässt. Wenn nun die Regeneration von Epithelien, die Intensität der Spermatogenese und hiermit der intratubuläre Füllungszustand und Druck nachlassen, so kann die Eiweissmasse auch innerhalb der Epithelzellensäulen wieder auftreten, und wir finden sie dann in den vielfach beschriebenen und oft sichtbaren Ausläufern der Sertoli'schen Zellen. Wir wollen nun nach dieser Abschweifung mit der Betrach- tung eines einem 50 Stunden alten Kater entnommenen Hodens fortfahren. Das Organ zeigt einen Querdurchmesser von 1,9 mm (gegenüber 1,7 mm beim neugeborenen Kater), dagegen ist der Querdurchmesser der Tubuli kleiner geworden (ca. 75 u). Da wir in denselben trotzdem viele Mitosen finden, so dürfte das Wachsthum des Hodens zum Theil auf ein Längenwachsthum der Tubuli zurückzuführen sein, zum anderen grösseren Theil aber jedenfalls auf eine bedeutende Zunahme der Vascularisation und der subalbuginealen Lage der interstitiellen Zellen. Die leb- haften Stoffwechselvorgänge, welche sich offenbar in diesem Sta- 648 JB late: dium namentlich in der subalbuginealen Zone des Hodens ab- spielen, müssen wir jedenfalls in ihren Ursachen auf die fettreiche Nahrung des saugenden Thieres zurückführen. Wir finden jetzt in der verbreiterten subalbuginealen Zone kaum eine Zelle mehr, die nicht vollgepfropft wäre von grösseren und kleineren Fetttropfen, weleh letztere hier noch etwas matter gefärbt sind, als im funktionirenden Hoden. Die Zellen selbst liegen in Hau- fen und Strängen, rings umspült von reichlichen Blutmengen. Auch in den früheren Stadien konnte man grössere blut- führende Kanäle antreffen, die mehr den Charakter cavernöser Räume als den eigentlicher Blutgefässe hatten. Hier tritt dies noch viel häufiger in die Erscheinung, ja es ist zuweilen auch die letzte Spur einer Wandung verschwunden, und die einzelnen Zellen sind von allen Seiten von Blutkörperchen umgeben. Hiermit in Einklang steht der Befund von besonders zahlreichen Mitosen in den Zellen der nächsten Umgebung der Gefässe. Bei der reichlichen Zufuhr von Bildungsstoffen werden die durch die Theilung der adventitiellen Bindegewebszellen neu gebildeten Elemente rasch in typische interstitielle Zellen umgewandelt, was einerseits zu einer Verdünnung der Gefässwandungen, anderer- seits zu einer Zunahme der interstitiellen Substanz führen muss. In diesem Hoden befinden sich die einzigen Mitosen in typischen interstitiellen Zellen, die ich überhaupt in funetioniren- den wie nicht funetionirenden Organen des Menschen und der Thiere gesehen habe. Da das Präparat nicht gefärbt ist, so treten die einzelnen Elemente der Kerntheilungsfiguren nicht be- sonders scharf hervor. Jedoch ist sehr deutlich das Diaster- stadium zu erkennen, und man sieht auch Andeutungen der achromatischen Spindel. Im selben Schnitte, in unmittelbarer Nähe dieses Diasters, befindet sich ein Monaster, jedoch lassen sich hier keine Einzelheiten unterscheiden. Die Aussenseite der Membrana propria ist in diesem wie im vorigen Stadium umgeben von einer mehrfachen Lage spin- delförmiger Bindegewebszellen, und es lassen sich auch hier noch alle Uebergangsformen zu den typischen interstitiellen Zellen erkennen, wie ich dies für den siebenwöchigen Embryo be- schrieben habe. Trotz der Abnahme des Querdurchmessers der Tubuli haben sich die Elemente im Inneren derselben vermehrt. Während die Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 649 Follikelzellen im Tubulus des neugeborenen Katers die Wand in der Regel nur in einfacher Lage auskleiden, liegen sie hier sehr häufig, nieht immer, in 3- bis 4facher Lage. Auch die Sperma- togonien sind deutlich vermehrt, dagegen hat die innere kernfreie Zone der Eiweissmasse eine deutliche Verkleinerung erfahren. Zwischen den hier oft in mehrfacher Lage anzutreffenden „Fol- likelzellen“ findet sieh niemals ein hellerer Contour, der parallel zur Wandung des Tubulus verläuft und als Grenze der Follikel- zelle zu deuten wäre, eine negative Thatsache, die mir nach- drücklieh für v. La Valette’s oben erwähnte Auffassung zu sprechen scheint. Eine weitere Veränderung gegenüber dem vorigen Stadium besteht darin, dass hier von keiner regelmässigen Lagerung der Follikelzellen und Spermatogonien mehr die Rede ist. Beide Arten liegen sowohl an der Wand, wie dem Üentrum zu. Der Hoden des4 Tage alten Katers zeigt einen Quer- durchmesser von 2,1 mm, die Vaseularisation ist wieder zurück- gegangen, die subalbugineale Lage der interstitiellen Zellen wie- der sehmäler geworden, sonst sind keine wesentlichen Verän- derungen eingetreten. Da auf einem Schnitte hier mehr Kanäle getroffen sind als im vorigen Stadium, so dürfte die Vergrösserung des Querdurehmessers des Hodens wohl auf ein Längenwachsthum der Tubuli zurückzuführen sein. Beim 8 Tage alten Kater, dessen Hoden 2,5 mm misst, sind kaum wesentliche Veränderungen zu bemerken, nur tritt hier das Fett deutlich in den zwischen den Tubuli recti gelegenen Zellen auf. Der Hoden des 6 Wochen alten Katers zeigt einen Querdurchmesser von 3,9 mm. Die bedeutende Zunahme ist auf ein starkes Längenwachsthum der Tubuli zurückzuführen, deren Querdurchmesser in den zuletzt betrachteten Stadien und in die- sem keine Vergrösserung aufweist. Die interstitielle Substanz hat mit dem Wachsthum des Organs nicht gleichen Schritt ge- halten, infolgedessen sind die Wandungen der einzelnen Tubuli einander wesentlich näher gerückt und berühren sich fast an einigen Stellen. Uebergangsformen zwischen typischen Binde- gewebszellen und interstitiellen Zellen sind kaum mehr aufzufinden, es nähern sich also diese Verhältnisse bereits denjenigen des funktionirenden Organs. 650 ImEikaznııor Der Querdurchmesser der Tubuli des funetionirenden Hodens misst 0,2 mm, hat sich also ganz bedeutend ver- srössert. Auch die interstitielle Substanz hat eine absolute und relative Vermehrung erfahren, und die einzelnen Zellenhaufen und Stränge liegen der Wandung der Tubuli meistens unmittelbar an. Im Uebrigen verweise ich auf das in meiner früheren Arbeit Gesagte. In einer neueren Arbeit Lubarsch’s (21) finde ich die Angabe, dass Reinke in den Zwischenzellen des Katerhodens „kugelförmige und kleine stäbchenartige Gebilde auffand, die sich wenigstens tinetoriell wie die Krystalloide verhielten“ (ef. Reinke (14)). Ich habe bereits vor dem Erscheinen der Lubarsch’schen Arbeit im anat.-biologischen Institut kugelförmige Gebilde von wechselnder Grösse in den interstitiellen Zellen des funetionirenden Katerhodens demonstrirt, die in Alecoholpräparaten unter der Einwirkung des Ehrlich’schen Triacidgemisches eine kräftige Orangefärbung annehmen. Stäbehenartige Gebilde habe ich hier nie gesehen. Unter den in der dichtesten Anhäufung des Protoplasmas dieser Zellen zu findenden feinsten, nach der Heidenhain’schen Methode färbbaren Körnchen glaubt v. Lenhossek (23) Cen- trosomen gefunden zu haben. Mir war, wie ich auch in meiner vorigen Abhandlung berichtete, ihre Darstellung nicht gelungen, und v. Lenhossek’s Abbildungen können meine Zweifel um so weniger beseitigen, als nach den eigenen Worten dieses Autors „solche tadellose Bilder“ „eine verschwindende Minorität“ darstellen. Ich komme auf Grund meiner Befunde also zu dem Schlusse, dass die interstitiellen Zellen des Hodens bindegewebiger Natur sind und sich in einer Weise aus fixen Bindegewebszellen ent- wickeln, die an die Entstehung typischer Fettzellen erinnert. Man könnte mir nunzum Vorwurfe machen, dass ich nieht bis auf ein Stadium zurückgehe, in welchem sich zwischen den Tubuli ausschliesslich fixe Bindegewebszellen finden. Bei der Eindeutig- keit meiner Präparate, namentlich derjenigen vom siebenwöchi- gen Embryo (Fig. 1) glaube ich jedoch hiervon Abstand neh- men zu dürfen, umsomehr als von keinem Vertreter der anderen Ansicht auch nur versucht worden ist, eine andere Entwickelung thatsächlich nachzuweisen. v. Lenhossek ist, soviel ich weiss, der erste und einzige Autor, der seine Ansicht von der epithe- Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 651 lialen Natur der interstitiellen Zellen näher zu begründen sucht. Er führt u. a. an: „dass sowohl die einzelnen Zellen in ihrer Form wie auch ihre Complexe in ihrer Anordnung ein so frap- pantes epithelartiges Aussehen darbieten“, dass nach seinen Prä- paraten im Gegensatz zu den Angaben Hansemann’s (13) nicht zu erkennen ist, dass die Zellen „auch da, wo sie sich scheinbar dicht gedrängt zu solehen Strängen vereinigen, durch eine besondere bindegewebige Zwischensubstanz von einander getrennt seien“, dass sie keine „Aehnlichkeit mit anderen Binde- gewebszellen“ aufweisen, „weder ihre Einzelform, noch viel we- niger aber die Art ihrer Gruppirung“. Der Verfasser denkt allerdings an die Möglichkeit einer ähnlichen Entwickelung der interstitiellen Zellen aus dem Bindegewebe, wie dies für die Endothelien nachgewiesen sei, sagt aber dann: „Eime solche Entstehungsweise ist aber für die Zwischenzellen des Hodens noch von Niemandem gesehen worden und ist ja auch ganz unwahr- scheinlich.“ v. Lenhossek vermisst ferner Uebergangsformen zwischen Bindegewebs- und interstitiellen Zellen und erblickt darin, dass zuweilen eine Zelle einzeln nach „Art von Binde- gewebszellen eine isolirte Lage im Bindegewebe“ einnehme, „das Produkt eines sekundären Hineinwachsens des Bindegewebes zwischen die Elemente der ursprünglich wohl überall eompacten Zellhaufen, wodurch diese zersplittert und theilweise in ihre Ele- mente zerlegt werden“. Es scheint mir nicht richtig zu sein, aus der Thatsache, dass in einem Schnitte eine interstitielle Zelle „isolirt“ im Bindegewebe angetroffen wird, derartige Schlüsse zu ziehen. Die „ceompaeten Zellhaufen“ sind in vielen Fällen läng- liche Zellstränge, an deren Enden je eine interstitielle Zelle liegt. Fällt nun der Schnitt senkrecht zur Längsaxe eines solchen Stranges und trifft zufällig eine solche endständige Zelle, so hat es den Anschein, als ob die letztere ganz isolirt läge, während dies doch in Wirkliehkeit nieht der Fall zu sein braueht. Die übrigen, an sich schon wenig beweiskräftigen, Combinationen und Analogieschlüsse v. Lenhossek’s dürften durch die be- schriebenen Befunde am embryonalen Katerhoden ihre Bedeutung verloren haben. Bezüglich der Betheiligung der Zwischensubstanz an der Entwicklung und dem Wachsthum des Hodens konnten wir ein wechselndes Verhalten konstatiren. Unter dem Einflusse einer 652 In Eilarnor: reichlichen Nahrungszufuhr findet bald nach der Geburt zunächst eine starke Vermehrung der Zwischenzellen statt. Alsbald be- ginnen dann die Tubuli ihr Längenwachsthum und zersprengen die Anhäufungen derselben wieder. Bis zur Pubertät wachsen dann die Tubuli stärker als die Zwischenzellen, so dass wir von einer relativen Abnahme ihrer Zahl reden können; im funktioni- renden Hoden sind sie wieder zahlreieher vorhanden. II. Die fettartigen Substanzen des Hodens. Ich wende mich nun der vergleichenden Betrachtung eines Materials zu, welches ich zum Theil durch die gütige Vermit- telung des Herrn Prof. Dr. OÖ. Hertwig von dem Director des zoolog. Museums, Herrn Geh. Rath M öbiuserhalten habe, dem ich hiermit meinen besten Dank dafür abstatte. Ich berück- sichtige hier nur die Lageverhältnisse der fett- und pigment- artigen Substanzen in ungefärbten Präparaten in Hermann ’scher Flüssigkeit fixirter Objecte und gehe dabei von Anschauungen aus, die ich, da sie in meiner vorigen Arbeit eingehend begrün- det sind, hier vorerst als bekannt voraussetzen möchte. Es dürfte sich später die Nothwendigkeit herausstellen, dieselben auf der Grundlage neu gewonnener Kenntnisse zu erweitern und zu er- gänzen. x Ein besonderes Interesse beansprucht der Hoden des Hengstes (Fig. 9). Es liegen mir 2 funktionirende, von verschie- denen Thieren stammende Organe vor, die durch Kastration ge- wonnen wurden und unmittelbar nach beendeter Operation in die Fixirungsflüssigkeiten gelangten. Beim Hengst ist die interstitielle Substanz stärker entwickelt als beim Kater, jedoch nieht so stark wie beim Eber. Sie enthält grosse Mengen Pigment, aber nur spurenweise Fett. Hingegen finden wir hier, wie bei der Maus, eine deutlich ausgesprochene intratubuläre Fett- randzone!). Die einzelnen interstitiellen Zellen sind grösser als beim Kater, von weniger regelmässiger Gestalt, im Allgemeinen rundlicher und zuweilen mit Ausläufern versehen. Sie enthalten einen 1) Um den Ausdruck zu vereinfachen, bezeichne ich im folgen- den des öfteren das Fett der interstitiellen Zellen als „intertubu- läres“ und stelle ihm das im Inneren der Tubuli häufig in einer Randzone auftretende Fett als „intratubuläres“ gegenüber. Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 653 bläschenförmigen Kern mit grossem Nucleolus. Das zarte, stellenweise homogene Protoplasma enthält namentlich in der diehtesten Anhäufung in der Nähe des Kermes grosse Mengen eines dunkel-gelbbraunen Pigments. Dieses Pigment liegt gerne in Doppelkörnehen, die, in der Form zuweilen an den Diplococeus pneumoniae erinnernd, unter der Einwirkung der Osmiumsäure eine dunklere Färbung annehmen können. Diese wichtige Thatsache bestätigt eine Vermuthung Hofmeister’s (10), dass zwischen Fett und Pigment in den interstitiellen Hodenzellen genetische Beziehungen bestehen, mit der Einschränkung natür- lich, dass wir hier als Fett alles das bezeichnen, was deutliche Osmiumreaction zeigt. Betrachten wir nun die einzelnen Elemente der intratubulären Fettrandzone, so bemerken wir auch an diesen nicht immer denselben Grad der Schwärzung durch Osmium. Sie sind von wechselnder Grösse und Gestalt und lassen fast immer ihre Entstehung aus confluirenden feinsten Körnchen von der Grösse der intertubulären Pigmentkörnehen erkennen. Je grösser und homogener die Körnehen und Schollen, um so intensiver ihre Schwärzung durch Osmium. Die feinsten Körnchen haben die Grösse und Farbe des intertubulären Pigments, und es bedarf um so weniger eines weiteren Beweises, dass sie mit diesem identisch sind, als sich das letztere oft in continuirlichen Zügen feinster Körnehen aus den interstitiellen Zellen durch die Wand der Tubuli bis in das Innere derselben hinein verfolgen lässt. Zuweilen aber haben sich die Pigmentkörnchen bereits bei ihrem Durchtritt durch die Wand der Tubuli zusammengeballt. Die in der Wandung liegenden, Osmiumsäure bereits redueirenden Körnchenconglomerate geben dann Bilder, die sofort an die in meiner vorigen Arbeit mit den Figuren 4 5 und 7 vom Katerhoden wiedergege- benen erinnern. Nur haben die durchwandernden Partikel beim Hengste mehr das Aussehen von unregelmässigen Schollen und sind nicht so intensiv schwarz wie zuweilen beim Kater. Im Hoden des Ebers, der nach demselben Prinzip wie der des Hengstes gebaut ist, finden wir in der äusserst mächtig entwickelten Zwischensubstanz ziemlich viel Pigment, allein dasselbe ist sehr blass und wenig in die Augen fallend, so dass sich die jedenfalls auch hier bestehenden Beziehungen desselben zum Fette der Tubuli nur vermuthen, nicht feststellen lassen. Vielleicht ist dies zum Theil darauf zurückzuführen, dass 654 IHBBil’aror ersteres auf so eminent zahlreiche interstitielle Zellen vertheilt ist. Die intratubuläre Fettrandzone ist sehr deutlich ausge- bildet (Fig. 7). Der Hoden der indischen Fischotter weist die .Interstitielle Substanz in derselben Mächtigkeit auf, wie der Hoden des Hengstes. Die Zwischenzellen enthalten grosse Mengen Pig- ment, kein Fett. Es ist eine deutliche intratubuläre Fettrand- zone vorhanden. Auch dieses Organ ist also nach dem Typus des Pferdehodens gebaut, wenn ich auch nicht versuchen möchte, in meinem wenig gut erhaltenen Exemplare die beim Hengste geschilderten Beziehungen zwischen intertubulärem Pigment und intratubulärem Fett nachzuweisen. Die anatomischen Verhältnisse des funetionirenden Hodens der Maus habe ich bereits in meiner vorigen Arbeit geschildert, hier sei nur aus der Entwicklung desselben hervor- gehoben, dass bei der fast ausgetragenen Maus eine viel stärker entwickelte Zwischensubstanz vorhanden ist, die aus fetthaltigen interstitiellen Zellen und typischen Bindegewebszellen besteht." - Im’ Inne ren'der'Tubuli’wird'keinyHerT- tröpfehen angetroffen. Beim neugeborenen Mäuschen hat sich der Fettgehalt der imterstitiellen Zellen gesteigert, sonst sind keine wesentlichen Veränderungen zu konstatiren. Diese treten erst bei der einige Wochen alten Maus in die Erscheinung, indem alsdann die Bildung der intratubulären Fett- randzone beginnt. Wir finden hier noch keine die ganze Wand gleichmässig bekleidende Lage, sondern die Fetttröpfehen liegen mit Vorliebe dort, wo an der Aussenseite der Wandung fetthal- tige interstitielle Zellen zu finden sind. Ob das Fett in diesem Stadium in Form feinster Körnehen oder in gelöstem Zustande die Membrana propria passirt, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, glaube jedoch, dass beides stattfindet. Nach demselben Prinzip wie dieser ist auch der Hoden des Schabraken-Schakals gebaut. Es wäre hervorzu- heben, dass die Randzone hier neben Fett- auch Pigmentkörnchen enthält. Besonders deutlich ist bei diesem Thiere die Körnchen- strömung der Sertoli'schen Zellen ausgeprägt. Im Hoden der Gazelle enthalten die spärlich vorhan- denen interstitiellen Zellen kein Fett. Die Randzonne besteht aus einzelnen, grösseren, in verhältnissmässig grossen Abständen Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 655 der Membrana propria dicht anliegenden isolirten Tropfen. Auf- fallend ist, dass häufig dicht vor einem grösseren Tropfen ein kleines Fettkörnechen genau in der Wandung der Tubuli ange- troffen wird. Im Gegensatze hierzu besteht die Fettrandzone im Hoden des Känguruh aus einer die ganze Innenseite der Membrana propria ziemlich gleichmässig auskleidenden Lage feinster Fett- und Pigmentkörnchen. An keiner Stelle sehe ich hier grössere Fetttropfen. Die interstitielle Substanz ist äusserst spärlich ent- wickelt. Bei der Zwergziege besteht die Randzone ebenfalls aus Fett- und Pigmentkörnchen. Nach den Erfahrungen im Hoden des Hengstes ist es wohl wahrscheinlich, dass hier zwischen dem intratubulären Fett und Pigment ähnliche Beziehungen bestehen, wie dort zwischen dem intertubulären Pigment und dem Fett der Randzone. Wir sahen ja auch beim Hengste, dass das Pigment sich nicht sofort beim Eintritt in das Innere der Tubuli in eine Osmium reducirende Substanz umzuwandeln braucht. Auch im Hoden der Zwergziege sind nur wenige interstitielle Zellen zu sehen. Der Hoden des Kaninchens ist im Allgemeinen für das Studium der Lageverhältnisse des Fettes nicht geeignet. Wir finden dort eine ungefähr wie bei der Maus entwickelte inter- stitielle Substanz, bestehend aus relativ grossen mit feinen Fett- körnehen angefüllten Zellen. Die Randzone besteht hier auf- fallender Weise nicht aus einer gleichmässigen Lage, sondern wir finden — wie bei der einige Wochen alten Maus — gerade an denjenigen Stellen eine vermehrte Anhäufung von Fett, die der Lage der fetthaltigen interstitiellen Zellen an der Wand der Tubuli entsprechen. Vielleicht hängt dieser Befund auch mit einer ge- ringen Funetionsintensität des Organes zusammen und ist nicht als die Regel anzusehen. Auch der Hoden des Hundes ist nach dem Typus des Mäusehodens gebaut. Vom Pavian, vom Bär und vom Marder liegen mir nicht funetionirende Organe vor. Eine Randzone finde ich in keinem derselben. Im Uebrigen erinnert der Hoden des Pavians mit seinen zahlreichen fetthaltigen interstitiellen Zellen an den Bau des Katerhodens. Beim Bär finden wir die ziemlich mächtig 656 J. Plato: entwickelte Zwischensubstanz bestehend aus ziemlich zahlreichen, wenig fetthaltigen interstitiellen Zellen und reichlichen Mengen spindelförmiger Bindegewebszellen. Der Hoden des Marders ent- hält ebenfalls zahlreiche fetthaltige interstitielle Zellen. Welcher der von uns aufgestellten Gruppen die funktionirenden Hoden dieser Thiere angehören, lässt sich nur für den Pavian- hoden in dem oben angedeuteten Sinne vermuthen. Einige Schwierigkeiten in der Beurtheilung bereitet der mir vorliegende funktionirende Hoden vom Fuchs. In fast sämmt- lichen Tubuli sebe ich hier dasselbe Stadium der Spermatogenese, nämlich dasjenige, in welchem sämmtliches intratubuläre Fett in den Protoplasmalappen der Spermatiden ausgeschieden ist. Nur spärliche Körnchen finden sich an einigen Stellen an der Wand der Tubuli. Die interstitielle Substanz ist hier reichlicher ent- wiekelt als bei der Maus, jedoch nicht ganz so reichlich wie beim Kater. Ihre Elemente enthalten grosse Mengen feiner Fettköm- chen, die zuweilen in fortlaufenden Reihen sich bis in die Tubuli hinein verfolgen lassen, ähnlich wie wir dies an den Pigment- körnehen des Pferdehodens gesehen haben. Es erhebt sich nun die Frage, ob der Hoden des Fuchses nach dem Typus des Mäusehodens oder nach dem des Katerhodens gebaut ist. Wir dürfen nun nicht vergessen, dass das vorliegende Organ nieht einem frisch getödteten Thiere, sondern einem an irgend einer Krankheit verendeten entstammt. Ich glaube, dass hierauf die Thatsache zurückzuführen ist, dass in fast sämmtlichen Tubuli dasselbe Stadium der Spermatogenese angetroffen wird. Es würde sich also hierdurch leicht der Mangel einer Fettrandzone erklären, selbst wenn das Organ nach dem Typus des Mäusehodens gebaut wäre; denn auch bei diesem Thiere, das normaliter wenig inter- tubuläres Fett, dagegen eine im Allgemeinen starke Fettrandzone besitzt, finden wir in diesem Stadium der Spermatogenese nur vereinzelte Fetttröpfehen am Rande der Tubuli. Andererseits ist auch die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass das hier verhältnissmässig reiche interstitielle Fettlager dem Bedürfnisse der epithelialen Elemente an Nährmaterial zu genügen im Stande ist, wir also auch in allen übrigen Stadien der Spermatogenese, die in unserem Präparate nicht zur Beobachtung kamen, eine Fett- randzone vermissen würden, der Hoden des Fuchses also nach Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 657 dem Typus des Katerhodens funktionirte. An meinem Objeete kann ich diese Frage nicht entscheiden. Bevor ich die angegebenen Befunde des weiteren verwerthe, kann ich nicht umhin, auf meine frühere Arbeit (22) und auf einen dieselbe betreffenden Vorwwuf v. Lenhossek’'s einzugehen. Ich habe an der eitirten Stelle den Nachweis zu führen versucht, dass die körnigen, fettähnlichen Einschlüsse der interstitiellen Zellen des Katerhodens in zeitlichen von dem Verlaufe der Sper- matogenese abhängigen Zwischenräumen, sei es activ oder passiv, durch Porenkanäle in der Wandung der Tubuli seminiferi in die Sertoli’schen Zellen wandern und dort den reifenden Sperma- tozoen als Nährmaterial dienen. Diese Porenkanäle konnte v. Lenhossek an seinem Materiale nicht auffinden. Er sagt am Schlusse einer vorläufigen Mittheilung aus dem anatomischen Institut zu Tübingen, welche den Titel führt: „Ueber Spermato- genese bei Säugethieren“: „Die vonPlato beschriebenen Kanäle der Membr. propria unter den Fusstheilen der Sertoli’schen Zellen beruhen wohl auf Täuschung; ich habe die Membr. propria bei allen von mir untersuchten Säugethieren immer als zusammen- hängende Haut gesehen; der Eintritt der Nahrungsstoffe in das Innere des Samenkanälchens muss auf dem Wege der Filtration und Diffussion erfolgen.“ Ich habe meine Präparate daraufhin einer nochmaligen Durchsicht unterworfen und muss meine früheren Angaben in vollem Umfange aufrecht erhalten. Dass die von mir beschriebenen Kanäle nicht immer sehr deutlich sind, glaube ich nicht nur im Texte scharf genug betont, sondern auch durch die Figur 5 e und durch die letzten Kanäl- chen der Figur 7 deutlich zum Ausdruck gebracht zu haben. Ich habe seitdem versucht, durch Anwendung verschiedener Färbe- methoden eine deutlichere Darstellung der Kanälchen zu erreichen und dabei die Frage zu entscheiden, welcher Art die Verbindung der interstitiellen Zellen mit denSertoli’schen ist. Da die beschrie- benen Kanälchen weniger als solche, als vielmehr durch ihren Gehalt an Fett charakterisirt sind, so musste ich mich nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen mit anderen Fixationsmitteln schliess- lieh wieder auf die Fixirung der Organstückchen in Hermann scher Flüssigkeit beschränken. Für die Färbung solcher Stücke kommen 658 J. Plato: nur zwei Methoden in Betracht, die Safranin- und die Eisenhäma- toxylinmethode. Mit keiner dieserMethodenlassen sieh-dve,K anälechen,. zur DarsteNaıe bringen Das hat seinen Grund einmal darin, dass durch jegliche Art der Färbung die Contraste zwischen den Fett führenden mehr oder ıninder schwarzen Kanälchen und den nur matt gebräunten an- liegenden Partieen der Wand des Tubulus ausgeglichen werden, das andere Mal darin, dass der kleinste Rest von Wandung, der in einem gefärbten Präparate ober- oder unterhalb der äusserst feinen Lücken hinzieht, eben durch seine Färbung die ganze Lücke verdecken muss. Ich habe auch mittelst der von Kro- mayer (25) angegebenen Methode versucht, zu vermuthende protoplasmatische Verbindungen zwischen der Fussplatte der Ser- toli’schen Zellen und den interstitiellen Zellen nachzuweisen, was jedoch daran scheiterte, dass sich die Wand der Tubuli stärker als alle anderen Theile färbte. Ich betone also v. Lenhos- sek gegenüber, der vorwiegend gefärbte Präparate untersucht zu: haben scheint, dass die von mir beschriebenen Kanälevausschliesslichrin .ungefärhbten 2 nügend dünnen Schnitten durch grössere Partieen des in Hermann’scher Flüssigkeit fixirten in voller Func- tion begriffenen Katerhodens zu sehen sind. Ist man sicher, dass sich nicht durch ailzulangen Aufenthalt der Stücke oder Schnitte in Chloroform, Xylol oder Alcohol absolutus ein Theil des osmirten Fettes wieder gelöst hat, was sich einmal dadurch ausschliessen lässt, dass diese Reagentien — wenn sie in mässiger Menge zur Anwendung gelangten — zu keiner Zeit an Klarheit und Durchsichtigkeit eingebüsst hatten, das andere Mal dadurch, dass die Schnitte auch makroskopisch deutlich den Unterschied zwischen hellen und dunklen Partieen erkennen lassen; stammen die Organe ferner von Thieren, die gut genährt sind, und hat man sie zu einer Zeit dem Organismus entnommen, wo nachweislich eine rege Spermatogenese besteht, so darf man auch erwarten, in guten Schnitten und an geeigneten Stellen die be- schriebenen Kanälchen aufzufinden. Wie.l.chiessi. nd. in unsdie ge/stellenz In einem Hoden mit reger Spermatogenese trifft man be- kanntlich auf einem grösseren Schnitte sehr viele verschiedene Stadien derselben an. Um die Intensität der Osmiumwirkung zu Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 659 kontrolliren, überzeuge man sich dann zuerst unter Anwendung der Immersion davon, dass die Fettkörnchen in den Sertoli’schen Zellen und den Protoplasmalappen der Spermatiden deutlich her- vortreten. Diejenigen Stellen, an denen die Fettkörnehen undeut- lich oder gar nicht zu erkennen sind, schalte man ohne Weiteres von der Betrachtung aus. Man hat keine Aussicht, hier Kanäl- chen zu sehen. Hat man sich jedoch an der Hand dieser Er- scheinungen von der gleichmässigen und intensiven Einwirkung des Osmiums überzeugt, so suche man solche Stadien der Sper- matogenese auf, in denen eben eine Ausscheidung des Fettes in Form feinster Körnchen in den Protoplasmalappen der Spermatiden beginnt. (Ein solches Stadium ist in Fig. 5 a der meiner früheren Abhandlung beigegebenen Tafel zu sehen.) Alsdann suche man mit stärksten Vergrösserungen die Wand des Tubulus an solchen Stellen ab, wo interstitielle Zellen derselben dicht anliegen. Hier wird man bald die beschriebenen Kanäle finden. Auch in den diesem Stadium unmittelbar vorhergehenden und nachfolgenden Phasen der Spermatogenese dürfte man nicht immer vergeblich nach ihnen suchen. Ich nehme davon Abstand, v. Lenhossek gegenüber hier nochmals alle diejenigen Momente positiver und negativer Art hervorzuheben, durch die ich eine „Täuschung“ für ausge- schlossen halte; sie haben in meiner früheren Arbeit ihren Platz gefunden. Einigermaassen erschwert wird allerdings das Auffinden der Kanälehen dadurch, dass das Fett meistens in einer mehr ge- lösten, Osmium weniger redueirenden Form durchtritt, als es in den interstitiellen Zellen angetroffen wird. Gerade in dieser inneren Veränderung des durchtretenden Fettes scheint mir aber ein überzeugender Beweis zu liegen, dass wir es in den beschrie- benen Kanälen nicht mit täuschenden Kunstproducten zu thun haben. Man könnte mir nun entgegenhalten, dass dem beschriebenen Vorgange der Fettdurchwanderung eine grosse Bedeutung für die Spermatogenese nicht zugeschrieben werden kann, da er sich relativ selten, auch in dem günstigsten Stadium bei weitem nicht in den Fussplatten aller Sertoli'schen Zellen nachweisen lässt. Auch die Thatsache, dass überhaupt nicht die ganze Cireumferenz des Tubulus mit fetthaltigen interstitiellen Zellen sich in Berüh- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 42 660 IB 210% rung befindet, könnte man gegen meine an anderer Stelle be- gründeten Anschauungen ins Feld führen. Dem gegenüber muss bemerkt werden, einmal, dass das Auftreten von Kanälchen im mikroskopischen Bilde, abgesehen von allen oben erwähnten Ein- flüssen, in hohem Grade von der Zufälligkeit der Schnittführung abhängig ist, das andere Mal, dass die Fussplatten der Sertoli- schen Zellen durch protoplasmatische Anastomosen mit einander verbunden sind, wie man leicht an einem tangential getroffenen Tubulus erkennen kann. Es besteht also die Möglichkeit, dass durch ein einziges Porenkanälchen ein ganzes Zellterritorium mit dem nöthigen Nährmaterial versehen wird. Im Uebrigen glaube ich mit v. Lenhossek, dass auch „Filtration und Diffusion* eine Rolle bei der Ernährung der Epithelien spielen und sehe in den beschriebenen Kanälchen nur den Ausdruck eines ganz besonders rapiden Stoffverbrauchs in einem bestimmten Stadium der Sperma- togenese. Nachdem ich durch den Befund dieser Kanälchen einen Anhaltspunkt gewonnen hatte, den interstitiellen Zellen des Katerhodens eine trophische Bedeutung zuzuschreiben, eine An- nahme, in der ich durch die beschriebenen Verhältnisse bei der Maus noch bestärkt wurde, sah ich mich vor die Aufgabe gestellt, an einem grösseren Materiale zu untersuchen, ob sich die Hoden der Säugethiere im Allgemeinen hinsichtlich der Menge und des Inhaltes ihrer Zwischenzellen in zwei Gruppen theilen lassen, ob die Vertreter der einen das Fett in einer stark entwickelten /wischensubstanz, die der anderen bei geringer Entwickelung der Zwischensubstanz in einer intratubulären Fettrandzone auf- speichern, oder ob sich noch ein dritter Typus findet. Wie oben bereits gesagt, verdient in dieser Beziehung der Hoden des Hengstes ein ganz besonderes Interesse. Wir lernen hier in der That einen neuen, dritten Typus kennen: einen Hoden mit reichlich entwickelter Zwischensubstanz neben einer deut- lichen Fettrandzone. Es fällt jedoch sofort auf, dass die Zwischen- substanz kein Fett enthält. Die Hoden des Ebers und der indi- schen Fischotter zeigen dieselben Verhältnisse; wir sehen aueclı hier eine reichlich entwickelte fettfreie Zwischensubstanz neben einer stark entwickelten Fettrandzone. Da bei spärlich ent- wickelter Zwischensubstanz von einem Fettreichthum derselben im Vergleiche mit dem Katerhoden nicht gesprochen werden kann, - Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 661 so leitet sieh aus unseren Erfahrungen der wichtige Satz ab: Fettreichthum der Tubuli und Fettreichthum der Zwischensubstanz stehen im umgekehrten Verhältniss zu einander. Wo wir viel Fett in einer deutlich ausgesprochenen intratubulären Randzone sehen, finden wir wenig Fett in der Zwischensubstanz, und umgekehrt. In dieser Thatsache liegt ein zwingenderer Beweis für die Richtig- keit meiner Annahme von der trophischen Bedeutung der Zwischen- substanz des Katerhodens, als in den Kanälchen, deren Befund für mich deshalb von grösserer Bedeutung war, weil er den An- stoss und den leitenden Gesichtspunkt für alle weiteren Unter- suchungen gab. Können wir auch den interstitiellen des Pferdehodens, die ja kein Fett enthalten, eine trophische Bedeutung zu- schreiben ? Wir haben oben gesehen, dass die Pigmentkörnchen dieser Zellen zuweilen Osmiumreaction zeigen, dass sie in bald mehr, bald weniger osmirtem Zustand sowohl in den interstitiellen Zellen und zwischen dem Randzonenfett als auch genau in der Wand der Tubuli angetroffen werden. Es bedarf nur eines Bliekes auf ein solches Präparat, um die Ueberzeugung zu gewinnen, dass zwischen dem Pigment der Sertoli’schen Zellen und dem Fett der Randzone genetische Beziehungen bestehen. Die Pigmentkörnchen passiren, bald mehr, bald weniger osmirt, bald einzeln, bald in Zügen und Haufen, bald in Osmium sehon stark redueirenden Conglomeraten die Wandung der Tubuli und tragen so zur Bildung der Fettrandzone bei (Fig.9 Au.B). Da die Hoden des Ebers und der indischen Fischotter genau nach dem Typus des Pferdehodens gebaut sind, so ist es vielleicht kein allzu kühner Schluss, wenn ich auch in ihnen ähnliche Beziehungen voraussetze, ohne sie direet nachweisen zu können. Während also im Katerhoden die fetthaltigen interstitiellen Zellen eine Fettrandzone ersetzen und überflüssig machen, finden wir in dieser Gruppe das Prinzip, dass bei deutlicher Fettrandzone die stark ent- wickelte Zwischensubstanz die Bildungsstoffe des Randzonenfettes enthält und damit indirect zur Ernährung der reifenden Spermatozoen beiträgt. Aus allen angeführten Gründen glaube ich, dass an der be- 662 IE. Pilantsor: reits vor mehr als Jahresfrist von mir aufgestellten Behauptung, (lass die interstitiellen Zellen in ihrer Gesammtheit als ein in den Hoden eingefügtes trophisches Hülfsorgan anzusehen seien, be- rechtigte Zweifel nicht mehr erhoben werden können. Ich möchte deshalb den Vorschlag wagen, die interstitiellen Zellen als „tro- phische Hülfszellen“ zu bezeichnen. Was ist nun eine „trophische Hülfszelle*? Da weder in der Litteratur ein Hoden eines Säugethieres beschrieben ist, der nicht fett- oder pigmenthaltige Zwischenzellen enthält, noch mein eigenes Material einen solchen aufweist, da ferner Fett und Pig- ment nur in solchen intertubulären Zellen angetroffen wird, die alle übrigen morphologischen Merkmale einer typischen „inter- stitiellen Zelle* an sich tragen, so möchte ich mich dahin aus- drücken: Eine trophische Hülfszelle ist eine inseinem intertubulären Raume eines funetionirenden Hodens. gelegene: Zelle, die. Fett oder'Pigment oder beides enthält. An diese Definition dürfte man sich namentlich dann halten müssen, wenn man die Entwickelung dieser Zellen stu- diren will. Ill. Der Hoden des Menschen und die Reinke’schen Krystalloide. Bereits in meiner vorigen Abhandlung berichtete ich über eine Arbeit Reinke’s (14), der in den interstitiellen Zellen des funetionirenden Menschenhodens „eiweissartige Krystalloide* fand. Inzwischen ist dieser Befund von zwei Seiten bestätigt worden. Lubarseh (21) untersuchte 54 theils normale, theils patho- logische Hoden. Sein Material ist besonders werthvoll deshalb, weil es die unmittelbar nach der Hinrichtung fixirten Hoden dreier jugendlicher Verbrecher von 22, 24 und 25 Jahren ent- hält. Der Hoden des 25jährigen Verbrechers ist derselbe, in welchem Reinke seine Krystalloide entdeckte. Der Verfasser kommt nach anfänglichen Zweifeln schliesslich zu dem Ergebniss, dass „der letzte Zweifel an der intravitalen Entstehung der Kıy- stalloide“ beseitigt sei. — Zwei seiner Angaben verdienen her- vorgehoben zu werden. Einmal, dass das Auftreten der Reinke- Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 663 schen Krystalloide sich doch nicht so streng an eine bestimmte Altersgrenze des Individuums oder einen bestimmten Funetions- zustand des Hodens halte, wie Reinke dies ursprünglich ange- nommen; Lubarsch vermisst die Krystalloide nämlich bei einem 69jährigen Manne, in dessen Hoden „noch ziemlich viel Mitosen und Spermatozoen vorhanden waren“; dann aber die Thatsache, dass die Reinke’schen Krystalloide umsomehr aus den Stücken verschwinden, je später die letzteren fixirt werden. Ausser einer Bestätigung und Ergänzung der Mittheilungen Reinke’s finden wir dann bei Lubarsch noch Beobachtungen über 2 neue’Arten von Krystallen innerhalb der Hodentubuli. Lubarseh unter- scheidet dort 1. von ihm selbst entdeckte und von Reinke als „Lubarsch’sche Krystalle“ bezeichnete Bildungen; 2. Chareot- sche Krystalle. Die Lubarsch’schen Krystalle sollen ausschliess- lich, und zwar meistens einzeln, in den Spermatogonien liegen, erheblich kleiner und mehr nadelförmig sein, als die Chareot- schen Krystalle und niemals eine ausgesprochen oetaedrische Form zeigen. Obwohl der Autor ausserdem noch ein verschiedenes Verhalten der letztgenannten Krystalle chemischen Reagentien gegenüber feststellt, hält er es doch nicht für unmöglich, dass die kleinen Krystalle „eme Art von Abortivformen“ der grossen typischen Chareot'schen Krystalle darstellen. Wir hätten also nach der von Lubarsch gegebenen Aufstellung im Hoden des Menschen zu unterscheiden 1. Reinke’sche Kıystalloide, 2. Lubarsch’sche Krystalle, 3) Chareot’'sche Krystalle. v. Lenhossek (23) untersuchte ebenfalls den Hoden eines jugendlichen Hingerichteten und kann im Wesentlichen die An- gaben Reinke’s bestätigen. Indem der Verfasser die Reinke- schen Krystalloide hinsichtlich ihrer Bedeutung mit ähnlichen Bildungen im Pflanzenreiche vergleicht, kommt er zu sehr wich- tigen und, wie mir scheint, sehr annehmbaren Schlüssen. Auch die Lubarsch’schen Krystalle sind in seinen Präparaten reichlich vorhanden, während die Charcot'’schen Krystalle vermisst werden. Wie beifolgende kleine Tabelle zeigt, untersuchte ich 9 Hoden von Erwachsenen, einen Hoden eines l5jährigen Jungen, 5 Hoden von Knaben unter 10 Jahren. Für die Ueberlassung dieses Materials spreche ich auch an dieser Stelle Herrn Geh.-Rath Prof. Dr. von Bergmann, Herrn Prof. Dr. A. Baginsky, 664 JaBukasto:: sowie den Herren Assistenten Dr. Engel und Dr. Joachim meinen herzlichen Dank aus. | Ich fixirte die Stücke u. a. in Alcohol und bediente mich zur Darstellung der Krystalloide der Heidenhain’schen Eisen- hämatoxylinmethode. | Gewin- | Todesur- nung des | sache oder Materials | Indication d. durch Operation Gewin- | Todesur- nung des | sache oder Materials Indication d. durch | Operation Fall | Alter Fall | Alter Tex.11:50 Section | Leberechi- | IX. [Unbe-| Section Jahre | nococeus |) kannt || LI. 47 Operation Tuberculose| X, 39 | Section | Suieidium Jahre des Neben- Jahre durch | | hodens. ‚Erhängen | III. | 53 | Section | Hernia in- || XI. 6 Section | Diphtherie Jahre | earcerata || Jahre IV. |Unbe-| Section |Blasentumor|) XII. | 8 Section | Scalatina ‚kannt Jahre V. |Unbe- Operation Tubereulose |XTIT.11 Mo-| Section Atrophie kannt ı des Hodens | nate und Neben- hodens v1. | 55 | Section | Meningitis RN Seetion | Diphtherie Jahre | Jahre VII.| 15 | Section | Meningitis |XV. 5 | Section | Sealatina Jahre | | Jahre VIII. Unbe-| Section kannt | Die auf diese Weise gewonnenen Bilder sind nichts weniger als ideal. Das Epithel der Hodenkanälchen ist weitaus an den meisten Stellen von der Membrana propria abgehoben, die Zwischen- substanz ist in sich selbst zerklüftet und hat ihren Zusammen- hang mit der Wandung der Tubuli verloren. Die Untersuchung wird noch besonders erschwert durch eine theils körnige, theils streifige Masse, die nach der Heidenhain’schen Methode zum Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 665 Theil ungefärbt bleibt, von den Autoren wohl gekannt ist und als geronnene Lymphe aufgefasst wird. Ich fand sie in fast allen meinen Stücken vom Menschenhoden, während sie mir bei Thieren niemals begegnet ist. Eingebettet in diese Massen liegen nun theils einzeln, theils in Nestern und Strängen die interstitiellen Zellen. In ihnen fand ich auch die von Reinke entdeckten Krystalloide. Bezüglich der anzunehmenden Bedeutung dieser Gebilde möchte ich mich der wohl begründeten Auffassung v. Lenhossek’s anschliessen. Dieser Autor drückt sich sehr bestimmt dahin aus, dass die interstitiellen Zellen des Hodens mit ihren Krystalloiden in demselben Sinne zu deuten seien, wie die Reservestoffbehälter der Pflanzen. Nachdem viele Jahre lang nichts bekannt geworden war, was die Bedeutung der Zwischensubstanz unserem Verständniss hätte erschliessen können, ist es ein merkwürdiges Zusammen- treffen, dass fast zu gleicher Zeit aber völlig unabhängig von einander, an verschiedenen Objeeten und auf Grund ganz ver- schiedenartiger Befunde zwei Untersucher zu im Grunde gleichen Resultaten gelangt sind. Als ich vor mehr als Jahresfrist die interstitiellen Zellen des Hodens in ihrer Gesammtheit als ein trophisches Hülfsorgan bezeichnete und dies näher begründete, konnte ich nicht erwarten, dass meine Auffassung so bald eine solche Stütze gewinnen würde, wie ich sie in den Schlussbetrach- tungen v. Lenhossek’s finde. v. Lenhossek sagt: „Wenn man nun weiter fragt, wozu diese Aufspeicherung (die Reinke- schen Krystalloide, Verf.) dienen kann, welchem Hodenbestand- theil dieses Reservematerial zu Gute kommen soll, so lenkt sich die Aufmerksamkeit von selbst auf den Inhalt der Samenkanälchen. Nirgends im Organismus tritt uns unter normalen Umständen eine so grossartige, stetige, aber in ihrer Intensität doch so sehr wechselnde Neubildung von Zellen entgegen, wie im Hoden, ein Vorgang, der sicherlich auch aussergewöhnliche Einrichtungen zur kontinuirlichen Zuführung der nöthigen Bildungsstoffe erfordert. So treten zu dem stark entwickelten Blutgefäss- und dem noch stärker entwickelten Lymphgefässsystem des Hodens, als dritter Factor, wenigstens bei vielen Thieren und dem Menschen, noch die besonderen interstitiellen Zellen hinzu, denen die Aufgabe zufällt, in Zeiten ruhigerer Thätigkeit des in seiner Function so 666 ISP.ıaNRor schwankenden Organs den Ueberschuss an Nahrungsstoffen, die dem Hoden durch seine Gefässe zugeführt werden, in sich auf- zuspeichern, um ihn dann, bei stürmischerer Inanspruchnahme der Hodenfunetion, in gelöstem Zustande zunächst an die Lymphe und durch deren Vermittlung an die bei der Spermatogenese be- theiligten Elemente der Samenkanälchen abzugeben. Somit hätten wir es in den Zwischenzellen mit Nährzellen der Hodentubuli zu thun, mit Elementen, die zur Spermabildung doch in einer ge- wissen Beziehung stehen. So findet im Lichte dieser Anschau- ung nun auch die Thatsache ihre Erklärung, dass die Krystal- loide nur im geschlechtsreifen funktionirenden Hoden anzu- treffen sind.“ Der letzte Satz v. Lenhossek’s scheint mir nieht ganz mit den vorliegenden Ergebnissen in Einklang zu stehen. Theilt uns doch Reinke bereits mit, dass die Krystalloide sowohl im funetionirenden wie nicht funetionirenden Hoden tubereulöser Individuen besonders reichlich anzutreffen seien, und Lubarsch vermisste die Krystalloide „im Hoden eines 69 jährigen an Pocken verstorbenen Mannes, bei dem noch ziemlich viel Mitosen und Spermatozoen vorhanden waren“. Auch die Erfahrungen an meinem Material stimmen nicht mit v. Lenhossek’s obiger Be- hauptung überein. Von den 9 geschlechtsreifen Hoden meiner Untersuchungsreihe stammten 2 von tubereulösen Individuen (Fall II und V). Bei dem einen bestand eine Tuberceulose des Nebenhodens, der Hoden selbst war frei von tubereulösen Herden. Er zeigte keine Spermatogenese, enthielt aber trotzdem einzelne Krystalloide. Der andere (Fall V) war von miliaren Tuberceln durchsetzt, zeigte ebenfalls keine Spermatogenese, dagegen massen- haft Krystalloide. Von den übrigen 7 Hoden zeigte einer (Fall I) eine kaum erkennbare Spermatogenese, enthielt aber einzelne Krystalloide, der Rest zeigte reichliche Spermatogenese, aber keine Krystalloide. Da diese letzteren Orrgane nicht später als die übrigen in die Fixirungsflüssigkeit gelangten, so kann das Fehlen der Krystalloide wohl nicht auf ein postmortales Ver- schwinden zurückgeführt werden. Es giebt also sowohl funetionirende Hoden ohne Krystalloide, als auch nicht funetionirende mitKrystalloiden. Obwohl ich nun das Gegentheil der letzten Behauptung v. Lenhossek’s für erwiesen erachte, schliesse ich mich seinen Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 667 sonstigen Ausführungen vollständig an. Gehen wir von der von mir bei Thieren und von v. Lenhossek beim Menschen be- gründeten Auffassung aus, so stellen die interstitiellen Zellen in ihrer Gesammtheit ein Zwischenorgan dar, eingeschaltet zwischen dem Ernährungsmaterial zuführenden Blutstrome und der Bildungsstätte der Geschlechtsproduete, bestimmt, die Zufuhr zu letzteren zu reguliren. Der Füllungszustand dieses Regulations- organes ist also — rein mechanisch gedacht — abhängig von zwei Momenten: von der Zufuhr auf der einen und dem Ver- brauche auf der anderen Seite, resp. von dem Verhältniss des Verbrauches zur Zufuhr. Die Intensität der Spermatogenese, d. h. die Intensität des Verbrauches ist jedenfalls in einem ge- wissen Sinne abhängig von der Grösse der Zufuhr, die Menge der in der Zeiteinheit gebildeten Spermatozoen muss .ceteris paribus abnehmen, wenn die Menge des in der Zeiteinheit zuge- führten Nährmaterials abgenommen hat. Diesem Functionszu- stand würde als mikroskopischer Befund entsprechen: Spärliche Spermatogenese, wenige oder keine Krystalloide. Es giebt jedoch noch einen zweiten Grund für eine Abnahme des Verbrauches! Die Thatsache, dass manche Thiere in der Gefangenschaft trotz bester Ernährung und gebotener Gelegenheit Copulationsversuche nicht machen, sowie vielfache Erfahrungen am Menschen lassen keinen Zweifel darüber aufkommen, dass die Funktionsintensität des Hodens in hohem Grade von äusseren Momenten abhängt, deren Rückwirkung auf das Organ nur durch Vermittlung des Nervensystems möglich ist. Ebenso muss eine Störung im normalen Abfluss des gebildeten Sperma, z. B. eine Tubereulose des Nebenhodens, durch welche er nicht mehr passir- bar wird, auf die Funetion sehr bald einen hemmenden Einfluss ausüben. Wird nun durch eines der vielen äusseren Momente die Intensität der Spermatogenese herabgesetzt, so tritt, da das Ernährungsmaterial weiter zugeführt wird, in dem Regulations- organe eine Stauung ein und wir finden den Ausdruck dieser Stauung in den Krystalloiden. Auf Grund dieser Vorstellung erklärt sich von selbst ihr scheinbar ganz regelloses Auftreten. Durch eine reichliche Sperma- togenese kann der reichlichen Zufuhr von Nährmaterial das Gleich- gewicht gehalten werden, so dass, wie in einigen meiner Fälle (Fall IV, VIII, IX und X), in einem offenbar gut funktionirenden 668 JB lato: Hoden Krystalloide nicht angetroffen werden. Dass in den Hoden der Hingerichteten die Krystalloide besonders reichlich vorhanden waren, erklärt sich leicht dadurch, dass es den Verbrechern in einer gewöhnlich nicht kurzen Zeit der Gefangenschaft bis zur Hinrichtung an der Gelegenheit zur Verwerthung des sich bilden- den Sperma gebricht, was, vielleicht im Vereine mit der hoch- gradigen psychischen Depression, wohl geeignet ist, die Intensität der Spermatogenese herabzusetzen. Das von tubereulösen Individuen stammende Material ist entweder Sections- oder Operationsmaterial. In ersterem Falle ging dem Tode fast stets eine lange Periode des Siechthums voraus, während der die Funetionsintensität des Hodens unbedingt abgenommen haben musste, auch wenn der Hoden und Neben- hoden selbst nieht tubereulös erkrankt war. Im letzteren Falle wird die Operation in der Regel wegen Tuberculose des Neben- hodens vorgenommen, dureh welche fast immer längere Zeit vor- her der Abfluss des gebildeten Sperma erschwert, wenn nicht gänzlich unmöglich gemacht worden war. In beiden Fällen er- klärt sich leicht das Missverhältniss zwischen Zufuhr und Ver- brauch des Nährmaterials und das bei tuberculösen Individuen besonders gehäufte Auftreten der Krystalloide. Obwohl, wie aus dem Vorstehenden hervorgeht, die Krystal- loide bei verschiedenen Individuen in verschiedener Menge ange- troffen werden, möchte ich mieh doch nicht der von den Autoren gewählten Ausdrucksweise anschliessen, dass die Menge der Krystalloide „individuellen Schwankungen“ unterliegt, da dies leicht zu einer schiefen Auffassung der Sachlage führen könnte. Die Menge der Krystalloide wird vor allem von funetionellen Zuständen des Organs beeinflusst, und ich möchte mich, die postmortalen Einflüsse hier nicht berück- sichtigend, so ausdrücken: Die Menge der Reinke’schen Krystalloide in den interstitiellen Zellen des Menschenhodens erlaubt uns einen Rückschluss auf das Verhältniss derZufuhr von Nährmaterial zum Verbrauche desselben während der dem Tode des Individuums oder der Entnahme des Organs vorhergehenden Zeit. Lubarsch’sche Krystalle traf ich in meinen Präparaten öfters an. Charcot’sche Krystalle, sowie Mitosen der inter- Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 669 stitiellen Zellen des Menschenhodens sah ich — das letztere im Gegensatz zu Reinke — niemals. Bezüglich dieser drei Punkte stimme ich also vollständig mit v. Lenhossek überein. Eine weitere Frage, die der Erledigung harrt, ist die nach der Betheiligung der Zwischensubstanz an dem Aufbau des normalen funetionirenden Menschen- hodens. Bezüglich dieses Punktes liegen die widerspreehend- sten Angaben vor, wie ich am Schlusse meiner vorigen Arbeit bereits berichtete. Eine endgültige Entscheidung ist zur Zeit wohl noch nicht möglich, da zu wenig einwandsfreies Material vorliegt. Den Rückschluss jedoch scheinen mir die vorliegenden Beobachtungen am Menschen zu gestatten, dass auch die Menge der interstitiellen Zellen weniger individuellen als vielmehr functio- nellen „Schwankungen“ unterliegt, in dem Sinne, dass die inter- stitiellen Zellen um so zahlreicher vertreten sind, je geringer die Funetion des Organs ist (Hansemann). Dieselben Erwägungen also, welehe wir oben bezüglich der Menge der Reink e’schen Krystalloide anstellten, haben bis zu einem gewissen Grade auch hier ihre Gültigkeit bezüglich der Menge der interstitiellen Zellen. Ein neuer Factor muss hier jedoch noch in Betracht ge- zogen werden: Der Querdurchmesser der Hodentubuli. Ich habe an meinem Materiale bezüglich dieses Punktes Messungen vorge- nommen, die mir ein bemerkenswerthes Resultat ergaben. Mit Hilfe des Zeiss’schen Ocularmikrometers maass ich von jedem Stücke je 20 Durchmesser möglichst kreisrunder Querschnitte. Ich nahm dann das Mittel und fand, dass sich die gewonnenen Zahlen in einem gewissen Einklang befanden mit denjenigen Notizen über die Intensität der Function bei den verschiedenen Organen, die ich mir längere Zeit vorher auf Grund der Mitosen und der im Inneren der Tubuli frei liegenden Spermatozoen ge- macht hatte. Eine kleine Tabelle dürfte dies verständlich machen. Der letzte Fall (VII) gehört, streng genommen, nicht hier- her, da der Hoden von einem an Meningitis zu Grunde gegange- nen 1dJjährigen Jungen stammt; das Organ enthält weder Mitosen noch Spermatozoen. Es ist anzunehmen, dass hier die Sperma- togenese überhaupt noch nicht begonnen hatte. Aus den übrigen Zahlen ergiebt sich, dass mit abneh- 670 allen (09 mender Intensität der Spermatogenese, soweit dies im mikroskopischen Bilde zum Ausdruck gelangt, der Querdurchmesser'der Tubuli 'klei- ner wird. Da wir eine mikroskopische Unterlage für die An- nahme einer pathologischen Ueberproduction von Spermatozoen nicht haben, so thun wir wohl am besten, denjenigen Funetions- zustand als den normalen anzusehen, bei welehem die Function am stärksten, der Querschnitt der Tubuli am grössten ist. In meinem Materiale fand ich die reichlichste Spermatogenese und den grössten Querschnitt der Tubuli bei Fall VIII. Hier sind Fall | Spermatogenese ine WEHT; Reichlich 250 u Ill. % 240 u IV. 2 240 u Y. A 220 u IX. n 220 u X, Mässig reichlich 210 u ( Gering 170 u 10% Keine 160 u V; 5 140 u VNM. E 105 u die Quersehnitte der Tubuli in der Regel auf drei Seiten fast frei von interstitiellen Zellen, so dass sich die Wandungen direct berühren können, oder doch nur durch wenige Zellen von einander getrennt sind. Die Zwischenzellen liegen vornehmlich um die Gefässe herum und füllen den drei- oder viereckigen von Bogen- linien begrenzten Raum aus, der sich nothwendiger Weise dann bilden muss, wenn drei oder vier Kreise sich berühren sollen. Ausserdem finden sich noch des öfteren Gruppen von interstitiellen Zellen an eimer Seite der Tubuli. Niemals aber sehe ich hier die letzteren vollständig eingebettet in die Leydig’sche Zwischen- substanz. Im Uebrigen sind die interstitiellen Räume fast frei von gefärbten und nicht gefärbten Gerinnseln und von geronnener Lymphe. Während ich den eben beschriebenen Hoden als einen wohl Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 671 annähernd normalen bezeichnen zu können glaube, womit die Be- theiligung der Zwischensubstanz an dem Aufbau desselben wenig- stens mit einiger Wahrscheinlichkeit festgestellt wäre, muss ich mich bezüglich der Art der sogenannten „Vermehrung der Zwischen- zellen“ begnügen, die zwei Möglichkeiten hier zu erwähnen. Ab- gesehen nämlich von der mit der Abnahme der Funetionsintensität parallel gehenden Verkleinerung des Querdurchmessers der Tubuli kann auch eine wohl denkbare, aber durch nichts mit Sicherheit festzustellende Verkürzung derselben das normale mikroskopische Bild im Sinne einer „Vermehrung der Zwischensubstanz“ verändern. Und doch braucht in diesem Falle nicht nur keine thatsächliche Vermehrung der interstitiellen Zellen stattgefunden zu haben, sondern es kann sogar ein absoluter Schwund der Zwischensub- stanz den Schwund des Parenchyms im engeren Sinne begleitet haben, wofern letzterer nur rascher und in höherem Grade ein- getreten ist als ersterer. Wir hätten dann also eine relative, scheinbare Vermehrung der Zwischensubstanz, bei der sie in Wirk- lichkeit in ihrer früheren Ausdehnung erhalten oder sogar ver- mindert sein kann. Dem gegenüber besteht die Möglichkeit einer absoluten Vermehrung, indem sie sich unter numerischer Zu- nahme ihrer Elemente über immer weitere Gewebsgebiete aus- breiten kann. Auf jeden Fall dürfte es sich empfehlen, auf den Querdurchmesser der Hodentubuli zu achten. Nach welchem der von uns oben aufgestellten Typen istnun der Hoden der Menschen gebaut? Ich würde es nicht wagen, mich in dieser Beziehung auf mein eigenes nicht einwandfreies Material zu stützen, allein die mitgetheilten Beobachtungen an lebenswarm fixirten Organen gesunder jugendlicher Individuen (ef. Lubarsch und Reinke) bestätigen meine Erfahrung, dass das Epithel der Hodenkanälchen stark von fettähnlichen Substanzen durchsetzt ist. Wenn Lubarsch (diesen Zustand als „fettige Degeneration der Hodenepithelien“ bezeichnet (l. e. pg. 330), so kann ich ihm nicht beistimmen. An allen meinen inHermann scher Flüssigkeit fixirten Stücken lässt sich feststellen, 1. dass das Fett vorwiegend in einer Rand- zone liegt, 2. dass es nicht in den Zellen, sondern zwischen den Zellen liegt (abgesehen von den Sertoli’schen Zellen), 3. dass in denjenigen Tubuli, in welchen fettartige Substanzen im Centrum angetroffen werden, die Wandzone schmäler, resp. ärmer an Fett 672 J. Plato: ist. Die interstitiellen Zellen weisen nur Spuren von Fett auf. Nach dem oben begründeten Satze, dass Fettreichthum der inter- stitiellen Zellen und Fettreichthum des Epithelbelages im umge- kehrten Verhältniss zu einander stehen, und auf Grund der Ana- Iysen der Physiologen, die fettige Substanzen im Menschenhoden nachgewiesen haben, müssen wir daher eine deutliche Fettrand- zone in demselben voraussetzen. Wir dürfen also aus vielen Gründen hier nieht von einer fettigen Degeneration sprechen, müssen viel- mehr den so bezeichneten Zustand als normal und physiologisch begründet ansehen. Dagegen könnten uns unsere Anschauungen eine gewisse Berechtigung geben, dort, wo eine ungewöhnlich breite Randzone angetroffen wird und eine nicht durch Unter- ernährung herbeigeführte Abnahme der Funktionsintensität des Organs angenommen werden darf, allenfalls von einer übermäs- sigen Fettinfiltration, treffender vielleicht noch von einer Fett- stauung zu reden. Doch fehlt uns vorerst noch der Maassstab zur Erkennung einer „ungewöhnlich breiten“ Randzone. Nach dem Typus des Katerhodens ist also der Hoden des Menschen sicher nicht gebaut. Da die Zwischenzellen des Menschen- hıodens einerseits zu reichlich vorhanden sind, als dass man ihn mit dem Mäusehoden in eine Reihe stellen könnte, andererseits grosse Mengen Pigment enthalten, so dürfte der Schluss berechtigt sein, dass der Hoden des Menschen im Wesentlichen nach dem Typus des Pferdehodens gebaut ist. Die Reinke’schen Krystalloide sind ein besonderes Characte- yisticum des Menschenhodens. Da es nach Lubarseh sehr wahrscheinlich ist, „dass die Reinke’schen Krystalloide in ge- wisser Beziehung zur Pigmentbildung stehen“ (l. e. p. 335), 80 dürfte der Vergleich mit dem so pigmentreichen Pferdehoden noch mehr gereehtfertigt sein. Habeich doch auch in den inter- stitiellen Zellen dieses Thieres in äusserst seltenen Fällen ganz vereinzelte plumpe Stäbchen gefunden, über deren Natur ich mir allerdings keine Klarheit verschaffen konnte. Dass die Zwischenzellen im normalen funktionirenden Men- schenhoden nieht in einer an die Zwischensubstanz im Eberhoden erinnernden Mächtigkeit auftreten, habe ich oben gezeigt. Anders liegen die Verhältnisse, wenn wir nicht nur von typischen inter- stitiellen Zellen reden, vor der Geschlechtsreife. Bei einem I5jährigen Jungen (Fall 7) fand ich Pe, N Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Gesehlechtsorgane. 673 die Tubuli von allen Seiten umgeben von reichlich entwickelter Zwischensubstanz, die hier viel geronnene Lympbhe, dagegen wenig fett- und pigmenthaltige Zwischenzellen aufweist. Die Fett- randzone ist hier bedeutend schmäler als in den untersuchten funktionirenden Hoden. Der Querdurchmesser der Tubuli beträgt ea. 105 u. Beieinem 8 Jahre alten Knaben, der an Scarla- tina zu Grunde gegangen war, finde ich keine typischen fett- oder pigmenthaltigen Zwischenzellen in der sehr reichlich ent- wickelten, aus fibrillärem Bindegewebe und geronnener Lymphe bestehenden Zwischensubstanz. Eine eigentliche Fettrandzone existirt nicht, dagegen liegen zerstreut im Epithel vereinzelte Fettkörnchen. Der Durchmesser der Tubuli beträgt wie im vori- gen Falle ca. 105 u. Bei drei Knaben im - Alter von @ay5/Jahren finde ich im Wesentlichen die gleichen Verhältnisse. Beieinem im Alter von 11 Monaten an Atrophie zu Grunde gegangenen Kinde weisen weder die Tubuli noch die Zwischensubstanz eine Spur von Fett auf. Die letztere ist so mächtig entwickelt, dass an einzelnen Stellen ihre Breite das Vielfache des Querdurchmessers eines Tubulus beträgt. Wie es scheint, entwickelt sich die Zwischensubstanz des Menschenhodens unter denselben Schwankungen wie die des Katerhodens. In den vorstehenden Auseinandersetzungen findet der Leser in einer durch die Nebenumstände gebotenen Kürze die That- sachen und Schlüsse, die den Verfasser veranlassen können, nach- folgende Sätze als Ergebnisse seiner Beobachtungen aufzustellen. Wie hier durch zahlreiche Einzelheiten, durch Vergleiche und Analogien die Ueberzeugung von der Richtigkeit eines vermu- theten Prinzips gewonnen wurde, so werden auch diejenigen, die sich aus eigener Anschauung zu überzeugen wünschen, ihren Studien eine breitere Basis geben müssen. Hierzu die Anregung zu geben, ist der Hauptzweck dieser Zeilen. Zusammenfassung. I. Die mterstitiellen Zellen des Hodens sind bindegewebiger Natur. ll. Nur diejenigen intertubulären Zellen des funktionirenden 674 2 B:lator Hodens darf man als „interstitielle Zellen“ bezeichnen, welche Fett oder Pigment oder beides enthalten. III. Das Pigment des Hodens kann sich zu Fett umwandeln. IV. Jeder funetionirende Säugethierhoden enthält sowohl inter- tubuläres als auch intratubuläres Fett oder Pigment. V. In der Entwicklung des Hodens tritt das Fett oder Pig- ment zuerst als intertubuläres auf. VI. Bezüglich der Vertheilung von Fett und Pigment im funetionirenden Hoden existiren drei Typen: 1. Typus: Viel intratubuläres, wenig intertubuläres Fett (z. B. bei der Maus); 2. Typus: Viel intertubuläres, wenig intratubuläres Fett (z. B. bei der Katze); Typus: Intertubuläres Pigment, intratubuläres Fett (z. B. beim Hengst). VII. Fettreichthum der interstitiellen Zellen und Fettreich- thum der Tubuli stehen im umgekehrten Verhältniss zu einander. VII. Im funktionirenden Hoden des 1. und 3. Typus findet ein Uebergang der speecifischen Eimschlüsse der inter- stitiellen Zellen in das Innere der Tubuli in gelöstem oder festem Zustande statt. IX. Die interstitiellen Zellen des Hodens stellen in ihrer Ge- sammtheit ein trophisches Hilfsorgan dar. 5%) IV. Das Fett der Ovarien. Als ich damit beschäftigt war, meine Beobachtungen über die Bedeutung und Entwicklung der Zwischensubstanz des Hodens zum Abschlusse zu bringen, machte mich Herr Privatdocent Dr. R. Krause auf Veranlassung des Herrn Prof. OÖ. Hertwig, dem ich hierfür zu grossem Danke verpflichtet bin, auf das Ovarium der Katze aufmerksam, mit dem Bemerken, dass hier wohl ähn- liche Verhältnisse bezüglich der Fettvertheilung vorzuliegen schienen, wie ich sie für den Katerhoden beschrieben. Als ich in dem mir demonstrirten Präparate, welches einer ca. 5 Monate alten Katze entstammte, die Zellen der Theca interna genau nach dem Typus der interstitiellen Hodenzellen gebaut und voller Fett salı, schien es mir verlockend und aussichtsvoll, zu untersuchen, Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 675 ob sich im Hoden und Ovarium ein analoges Verhalten der inter- stitiellen und Theka-Zellen würde feststellen lassen, ob wir für die Betheiligung der Thekazellen an der Bildung und Ernährung der weiblichen Geschleehtsprodukte ähnliche Typen würden auf- stellen können, wie für die interstitiellen Zellen und die Ernährung der Spermatozoen und, wenn dies der Fall, ob die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane einer Species nach analogem Typus gebaut sind. Bei einer zu diesem Zwecke vorgenommenen flüchtigen Durchsicht der einschlägigen, mir bis dahin unbekannten Literatur fand ich zu meinem grossen Erstaunen bezüglich der fetthaltigen Thekazellen des Katzen-Eierstocks (Kornzellen von His!)) Punkt für Punkt dieselben, allerdings nicht unwidersprochen, wohl aber wie mir scheint unwiderlegt gebliebenen Ansichten vertreten, die ich für die analogen Zellen des Hodens geäussert habe. Schrön?) und Pflüger?) haben die Kornzellen bereits gesehen. Schrön nennt sie „kleine Zellen“, drückt sich nicht sehr bestimmt über Bau und Entwickelung aus, scheint aber ihre Bedeutung bereits richtig erkannt zu haben. . Pflüger sucht zu ergründen, wodurch die gelbe Farbe der Eierstöcke bedingt sei, findet als Ursache an vielen Stellen Fett und fragt nun: „Welches sind diese Stellen?“ Es sei mir ge- stattet, die Antwort hierauf mit Pflüger’s eigenen Worten zu geben: „Beim jungen Thiere — am schönsten überzeugt man sich hiervon bei jungen Hunden oder Katzen 3—6 Wochen nach der Geburt — beginnt ' die Fettinfiltration in dem Innern des Eierstocks. Hier sieht man die Körnchen abgelagert rings um die Kerne der Bindegewebszellen, deren Zügen folgend, um gegen die Oberfläche des Organs mit zunehmendem Alter immer mehr emporzusteigen. Zu einer gewissen Zeit ist deshalb die schlauch- erfüllte Oberfläche ganz frei von dieser Emulsion. Aber in dem- selben Maasse als die Schläuche sich von innen nach aussen in 1) W. His, Beobachtungen über den Bau des Säugethier-Eier- stocks. Arch. f. mikr. Anat. Bd. I, 1865. 2) Schrön, Beitrag zur Kenntniss der Anatomie und Physiolo- gie der Säugethiere. v. Siebolds und Köllikers Zeitschrift für wissensch. Zool. Bd. 12, 1863. 3) Pflüger, Die Eierstöcke der Säugethiere und des Menschen. Leipzig 1869. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd, 50 45 676 J. Bat: Follikel umwandeln, umkreist sie bald ein fetterfülltes Gewebe. In einen schwarzen Mantel sieht man deshalb die etwas grösseren Follikel bei durchfallendem Licht eingehüllt: Dieser Mantel ent- spricht nicht der Membrana granulosa, welche klar bleibt, son- dern dem rings um den Follikel liegenden durch das Wachsthum desselben verdichteten Gewebe. An der Follikelgrenze schneidet die Fettregion scharf ab, nicht aber in umgekehrter Richtung, sondern erstreckt sich hier allmählich weiter, theils diffus, theils in Zügen in die Substanz des Eierstocks“ ..... Welche Bedeutung hat nun jene Fettinfiltration des Eierstocks, die besonders in den Portionen desselben, wo junge Follikel wachsen, in grösserer Menge gefunden wird? Einmal kann man daran denken, dass es sich um einen Process regressiver Metamorphose der Ge- webe handelt, der eine Lösung derselben bewirken soll. Denn wo Follikel wachsen, da muss Platz geschafft werden. Es ist deshalb nicht unwahrscheimlich, dass der Vorgang ähnlich der Metamorphose der Corpora lutea als eine sogenannte fettige, auf Gewebelösung hinzielende Degeneration aufzufassen sei. Man kann aber auch noch eine andere Vorstellung als zulässig aner- kennen. Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit wird durch die Zeugungsthätigkeit, die Bereitung der Keime, eine bedeutende Fettmenge des Körpers consumirt, wie aus den Fettansamm- lungen bei castrirten weiblichen Individuen und bei solchen, deren Zeugungsthätigkeit aufhört, hervorzugehen scheint. Direet sieht man diese Fettaufnahme am besten nicht allein m dem Dotter des Hühnereies, sondern auch in dem Dotter von Säuge- thieren und zwar am schönsten bei der Katze, wo oft recht viel grosse und zahllose kleine Augen eines gelblichen Fettes wahr- zunehmen sind. Wenn nun diese bedeutenden Fettmengen nicht aus Albuminaten entstehen, so müssen sie von aussen her in das Ei transsudiren, also vorher in das Eierstocksparenchym abge- lagert werden. Dass beide Vorgänge hier gleichzeitig vorhanden sind, ist sehr wahrscheinlich; doch kann man einen strengen Be- weis nicht erbringen.‘ Pflüger stellt also die bindegewebige Natur der Korn- zellen fest und hält ihre trophische Bedeutung für sehr wahr- scheinlich. His l. e. möchte die eine von Pflüger in Betracht ge- zogene Möglichkeit, dass die Ablagerung des Fettes in den Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d.-Geschlechtsorgane. 677 Bindegewebszellen einen regressiven Process darstelle, ausge- schlossen wissen, da ‚es gerade Zellen in üppigster Ernährung sind, welehe die geschilderten Körner bergen“. His fährt dann fort: „Die Bildung der Kornzellen mitten im übrigen Stroma lässt keiner anderen Annahme Raum, als dass sie aus den spindelförmigen Zellen des letzteren hervorgehen. Dabei er- scheint ein Verhältniss wichtig: es ist ihr Auftreten allenthalben an das Auftreten capillarer Blutgefässe geknüpft. Da wo die ersten Kornzellen auftreten, liegen auch die äussersten Capillar- schlingen, mit der Entwickelung des Kornzellengerüstes wächst auch der Capillarreichthum des Gewebes und alle grösseren An- häufungen von Kornzellen sind von reichen Gefässnetzen durch- zogen.“ Also auch bezüglich des Verhältnisses der fetthaltigen Zellen zu den Capillaren herrscht Uebereinstimmung im Hoden und Ovarium. Waldeyer!) scheint sich im allgemeinen zu der Pflüger- His’schen Ansicht von der Bedeutung der Kornzellen nicht un- günstig zu stellen. Dass diese also, ebenso wie die interstitiellen Zellen, binde- gewebiger Natur und für die Ernährung und das Wachsthum der Geschlechtsprodukte von Bedeutung sind, glaube ich aus den vorliegenden Beobachtungen ohne weiteres entnehmen zu dürfen, obwohl sich auch Stimmen gegen diese Auffassung erhoben haben, jedoch, wie mir scheint, mit wenig stichhaltigen Argumenten. Auf Grund eines grösseren, hauptsächlich von ausgewachsenen Thieren stammenden Materials suchte ich nun auch die anderen oben gestellten Fragen zu entscheiden, was nicht geringe Schwierig- keiten bot. Es liegen mir Ovarien von folgenden Thieren vor: Von der Katze, der Maus, dem Schwein, dem Pferd, dem Schaf, dem Rind, der Gazelle, dem gemeinen Hund, dem Neu-Guinea- Hund, der Fuxmanguste, dem Meerschweinchen, ferner von Öerco- pitheeus nietitans, Herpestes leueurus, Cynocephalus porcarius, Hystrix eristatus. Während wir nun im Hoden bei der enormen Funktionsintensität des Organs auf einem beschränkten Raume in einem Schnitte in der Regel alle Stadien der Spermatogenese mit allen Variationen der Körnchenströmungen und der übrigen 1) Waldeyer, Eierstock und Ei. Leipzig 1870, 678 IR) nachweisbaren Stoffwechselvorgänge beobachten und leicht ver- gleichen können, müssen wir oft viele Schnitte durch ein Ovarium betrachten, um eine klare Vorstellung von den die Oogenese auch nur in einem einzelnen Stadium begleitenden Ernährungsvor- gängen zu gewinnen. Ausserdem ist es von vornherein erklärlich, dass die im Ovarium auf eine ungleich längere Zeit sich ver- theilenden Stoffwechselvorgänge nicht zu so prägnantem Aus- druck gelangen können, wie im Hoden. Es kommt noch hinzu, dass in den von älteren Thieren stammenden Ovarien, wie sie mir leider grösstentheils vorliegen, vielfache Veränderungen ein- getreten sind, die die Beurtheilung der Verhältnisse noch mehr erschweren, da sich hier die verschiedenen Entwickelungsstadien der Follikel auf weite Gewebsgebiete vertheilen, deren Fixation in continuo in Hermann’scher Flüssigkeit nicht denkbar ist. Auch ist man hier der Gefahr ausgesetzt, Follikel, die sich im Beginne der Atresie befinden, als normale anzusehen, was zu verkehrten Schlüssen bezüglich der Lageverhältnisse des Fettes führen könnte. Aus allen diesen Gründen möchte ich daher denjenigen, denen die angeregten Fragen eigener Studien werth erscheinen, empfehlen, sich prineipiell auf die Ovarien ganz Junger Thiere zu beschränken, deren Fixation in toto möglich ist. Ueberdies kommt es ja viel mehr auf das Studium der wachsenden als der ausgewachsenen Follikel an. Durch genaue Feststellung der normalen Lage des Fettes in den Ovarien der verschiedenen Thiere dürfte meiner Ansicht nach auch manche Meinungsverschiedenheit der Autoren in der so verfahrenen Frage von der Follikelatresie zum Ausgleich. kommen. Trotz der Ungunst meines Materials glaube ich doch einige Thatsachen von Belang hier mittheilen zu können. Als Vertreter zweier verschiedener Typen der Betheiligung der interstitiellen Hodensubstanz an der Ernährung der männlichen Geschlechts- produkte hatten wir oben den Kater und die Maus erkannt. Wie gestalten sich nun die Verhältnisse in den Ovarien der Katze und der Maus? Es liegen mir Serienschnitte vor durch das in Hermann’scher Flüssigkeit fixirte Ovarium einer einigeMonatealten Katze (Fig. 4). Wir können in demselben unterscheiden eine fettfreie Rindensubstanz und eine fettreiche Marksubstanz. Das Fett der Marksubstanz liegt in Zügen und Nestern ebensolcher Zellen, 4 Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 679 wie wir sie für den Katerhoden beschrieben haben, besteht hier jedoch aus etwas kleineren Körnern und befindet sich in einem mehr flüssigen Zustande. Die kleineren Follikel in der subecor- ticalen Zone, auf deren Betrachtung es hier vor allem ankommt, liegen meistens nach dem Hilus zu in einem Lager fetthaltiger Thekazellen. Bei diesen, häufiger noch bei den grösseren Follikeln, gestalten sich die Verhältnisse so, dass die etwas entfernter von der Membrana granulosa liegenden Zellen der Theka interna voller Fett sind, während die den Follikeln näher liegenden immer ärmer an Fett werden und schliesslich die dem Follikelepithel zunächst liegenden nur noch eine ganz matte Bräunung mit Osmium geben. Häufig kann man konstatiren, dass diese fettärmeren „Kornzellen“ einen kleineren resp. schmäleren Kern enthalten und sich auch selbst gestreckt haben, so dass siesich in der Form den spindel- förmigen Bindegewebszellen wieder nähern. Die ganz kleinen Follikel kommen in der Regel nur mit den letzten Zellen der vom Hilus nach der Rinde zu wachsenden Kornzellenstränge in Berührung. Es ist nicht: schwer, eine Deutung dieser Bilder zu geben. Follikel und Kornzellen wachsen einander entgegen. Je grösser der Follikel wird, mit desto mehr Kornzellen kommt er in Berührung, stets den nächstliegenden das Fett entziehend und zum eigenen Wachsthum verwendend. So kommt es, dass trotz des innigen Durchwachsungsprozesses zwischen Follikeln und Korn- zellen die innersten Zellen der einem grösseren Follikel anliegen- den Theka interna stets fettfrei sind. Auch in der Membrana granulosa wird niemals Fett angetroffen. Wir müssen also an- nehmen, dass es dieselbe in gelöstem Zustande passirt, um sich in der Eizelle wieder in fester Form auszuscheiden. Jedoch kann diese Ausscheidung bereits in den Porenkanälen der Zona pellueida stattfinden, wie ich des Oefteren gesehen habe. Anders liegen die Verhältnisse bei der Maus (Fig. 6). In den mir vorliegenden Serienschnitten durch das Ovarium eines einige Mo- nate alten Thieres tritt der Unterschied zwischen helleren und dunkleren Partieen ebensowenig deutlich hervor wie im Hoden der Maus. Auch hier finden wir fetthaltige Thekazellen, jedoch in viel geringerer Anzahl und viel weniger reich an Fett, dagegen sehen wir die einschichtige Membrana granulosa der heranwach- senden Follikel von Fetttröpfehen durchsetzt. In mehrschichtigen Follikeln tritt der Fettgehalt des Epithels weniger deutlich her- 680 I Pillartlior: vor. Dies kann einerseits auf das vermuthlich langsamere Wachs- thum der grösseren Follikel, andererseits auf die für die Einwir- kung der Osmiumsäure ungünstigere Lage derselben in der Tiefe des Organs zurückgeführt werden. Wir sehen also, dass in der That ein gewisser Parallelismus in den Ernährungseinrichtungen für die männlichen und weibli- chen Geschlechtsprodukte bei der Maus und der Katze besteht. Bei der Maus eine mehr gleichmässige Vertheilung des fettartigen Nährmaterials über Epithel und interstitielle Substanz resp. Theka- zellen, bei der Katze das Prinzip der Aufspeicherung in der Zwi- schensubstanz des Hodens wie des Ovariums, das Epithel in beiden Organen frei von Anhäufungen geformten Nährmaterials. Hervor- zuheben ist noch, dass bei der Katze die Membrana granulosa gleichsam von beiden Seiten entlastet wird, indem wir auch im Ei relativ grosse Fettmengen aufgespeichert finden. Als Vertreter eines dritten Typus hatten wir oben den Eber kennen gelernt. Leider bin ich nur im Besitze eines einem älteren Mutterschweine entnommenen Ovariums, und es machen sich hier alle die oben erwähnten Schäden älteren Individuen entnommener Organe geltend. Trotzdem kann ich hier an jüngeren Follikeln mit einschichtiger Membrana granulosa in der letzteren in bald mehr, bald weniger gleichmässiger Vertheilung feine Fettkörnchen erkennen (Fig. 8). Das Ei selbst ist derart mit grösseren Fettkugeln angefüllt, dass es häufig unmöglich ist, einzelne Theile in dem- selben zu unterscheiden. Ueber das ganze Stroma sind pigment- haltige Zellen in grosser Menge vertheilt, jedoch sind dieselben in meinen Präparaten nicht nach dem Typus der interstitiellen Zellen des Eberhodens gebaut, vielmehr zeigt das Pigment hier eine dunklere Farbe, viele Körnchen zeigen eine mehr oder minder starke Osmiumreaktion, und ein deutlicher Kern ist hier nicht zu erkennen. Ich bin nicht abgeneigt, diese in den Rahmen der bisher gemachten analogen Beobachtungen nicht ganz passenden Verhältnisse als durch das Alter des Organs bewirkte Veränderungen anzusehen. Es wäre interessant, festzustellen, ob die pigment- haltigen Zellen des jungen Schweineovariums nach dem Typus der interstitiellen Hodenzellen desselben Thieres gebaut sind. Von den übrigen Stücken meines Ovarien-Materials liesse sieh noch manches zur Bestätigung der vermutheten Analogie im Bau der männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane und in der Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 681 Ernährungsweise ihrer Produkte verwerthen. Da es nur meine Absicht war, mit flüchtigen Strichen ein Feld dankbarer Arbeit zu 'umgrenzen, so verziehte ich auf weitere Belege, zumal es späteren Untersuchern leicht sein dürfte, geeigneteres Material zu beschaffen. Die geschilderten typischen Verschiedenheiten der Organe bieten jedoch bereits eine genügend sichere Unterlage für eine Eintheilung derselben, die besonders werthvoll deshalb erscheinen kann, weil sie in letzter Linie eine physiologische ist. Für manche bisher einzeln registrirten Besonderheiten im Ablauf der Sperma- togenese und Oogenese, wie in den sie begleitenden nachweisbaren Stoffwechselvorgängen, die ich zum Theil hier nicht einmal kurz berühren konnte, dürfte sich ein gemeinsamer Gesichtspunkt ergeben. Wir können die Geschlechtsorgane je nach der Art der Er- nährung ihrer Produkte in zwei grosse Gruppen theilen: I. Gruppe: Geschlechtsorgane mit epithelialer Ernäh- rung ihrer Produkte. In den Organen dieser Gruppe sind die interstitiellen resp. Kornzellen in so geringer Anzahl zur Zeit der Bildung und in der Nähe der Bildungsstätte der Produkte vorhanden, dass ihnen eine wesentliche Betheiligung an der Ernährung derselben nicht zugesprochen werden kann. Das Nährmaterial — Fett oder Pigment oder beides — befindet sich fast ausschliesslich im Epithel, im Hoden als deutlich ausgesprochene Fettrandzone eventuell mit Pigmentkörnchen, im Ovarium in weniger regelmässiger Vertheilung im Epithel jüngerer, wachsender Follikel. Hierher gehören z. B. die Geschlechtsorgane der Maus. II. Gruppe: Geschlechtsorgane mit interstitieller Er- nährung ihrer Produkte. Die hierher gehörigen Organe weisen reichliche interstitielle oder Korn-Zellen auf; wir müssen sie auf zwei Klassen ver- theilen. | A. Organe mit direkter interstitieller Ernährung. Die interstitiellen resp. Kornzellen enthalten grosse Mengen Fett, eine Randzone im Hoden, Fett im Follikelepithel fehlt. Das interstitielle Fett dient unmittelbar direkt zur Ernährung der Geschlechtsprodukte, z. B. im Hoden und Ovarium der Katze. B. Organe mit indirekter interstitieller Ernährung. 682 I: PAaito: Die interstitiellen, resp. Kornzellen enthalten im Wesent- lichen Pigment als Vorstufe desin der Randzone oder im Follikel- epithel liegenden Fettes. Das interstitielle Nährmaterial muss hier erst eine Umwandlung durchmachen, es trägt nur mittelbar, indirekt zur Ernährung der Geschlechtsprodukte bei; z. B. im Hoden und Ovarium des Schweins. Uebergangsformen sind wahrscheinlich. Zum Schlusse möchte ich; bezüglich der Behandlung des Materials noch auf einige Umstände aufmerksam machen, deren Vernachlässigung den Erfolg der Untersuchungen leicht beein- trächtigen könnte. Da sich auch das osmirte Fett zuweilen in Alkohol, Chloro- form und Xylol theilweise löst, so muss der Aufenthalt der in Hermann’'scher Flüssigkeit fixirten Stücke in diesen Reagentien thunlichst abgekürzt werden. Namentlich ist darauf zu achten, dass die aufgeklebten Schnitte nicht länger, als zur Lösung des Paraffıns unbedingt nothwendig ist, in Xylol bleiben. Der Xylol- Kanadabalsam soll nieht dünnflüssig sein, da die Präparate sich dann nicht lange halten. Das Fett der Ovarien, namentlich das der Kornzellen, ist im Allgemeinen leichter löslich, als das der Hoden; doch verhalten sich die Organe verschiedener Thiere in diesem Punkte verschieden. Ferner muss bemerkt werden, dass auch die nach dem Typus der Gruppe I gebauten Hoden zuweilen diekt unter der Albugi- nea sowie zwischen den Tubuli reeti grössere Anhäufungen inter- stitieller Zellen zeigen, die keine direeten Beziehungen zur Sper- matogenese haben können. Es müssen also zu vergleichenden Untersuchungen immer dieselben und zwar diejenigen Partieen benutzt werden, die zwischen subalbugimealer Zone und Tubuli recti gelegen sind. Ich erfülle gerne die angenehme Pflicht, dem Direktor des anat.-biologischen Instituts, Herrn Prof. Dr. 0. Hertwig, für die Förderung meiner Bestrebungen, vor allem für die Unterstützung mit einem reichlichen Vergleichsmaterial, auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank abzustatten. Zur Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 683 E; I) s 10. 21. Literatur-Verzeichniss. F. v. Leydig, Zur Anatomie der männlichen Geschlechtsorgane und Analdrüsen der Säugethiere. Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. 2. 1860. Derselbe, Lehrbuch der Histologie des Menschen und der Thiere. Frankfurt a. M. 1857. Derselbe, Hautdecke und Hautsinnesorgane der Urodelen. Morph. Jahrb. (Gegenbaur). Bd. 2, p. 311 ff. Derselbe, Integument und Hautsinnesorgane der Knochenfische. Zool. Jahrb. (Spengel). Bd. 8, p. 54. Kölliker, Mikrosk. Anatomie oder Gewebelehre des Menschen. Bd. 2. Leipzig 1854. Henle, Handbuch der systematischen Anatomie. 2. Aufl. Bd. 2. Braunschweig. Harvey, Ueber die Zwischensubstanz der Hoden. Centralblatt f. d. med. Wissenschaft 1875. Nr. 30. Waldeyer, Ueber Bindegewebszellen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 11. Derselbe, Sitzungsberichte der Berliner Akademie. Sitzung vom 11. Juli 189. Hofmeister, Untersuchungen über die Zwischensubstanz im Hoden der Säugethiere. Sitzungsber. d. math.-naturw. Klasse d. k. Akad. d. Wissensch. Bd. 65, Abth. III. Wien 1872. . A. Jacobson, Zur path. Histologie der traumatischen Hoden- entzündung. Virch. Arch. Bd. 75. 2. W. Nagel, Ueber die Entwicklung des Urogenitalsystems beim Menschen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 34. . D. Hansemann, Ueber die sog. Zwischenzellen des Hodens und deren Bedeutung bei path. Veränderungen. Virch. Arch. 1895. Bd. 142. Fr. Reinke, Beiträge zur Histologie des Menschen. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 47. 1896. v. Ebner, Zur Spermatogenese bei den Säugethieren. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 31. 1888. . W. Messing, Anat. Untersuchungen über den Testikel der Säuge- thiere. Inaug.-Dissert. Dorpat 1877. Ludwig u. Tomsa, Die Lymphwege des Hodens. Sitzungsber. d. math.-naturw. Klasse der k. Akad. der Wissenschaften. Bd. 46. Wien 1862. . Strieker’s Handbuch der Gewebelehre. Leipzig 1871. v. Michalkovies, Beiträge zur Anatomie und Histologie des Hodens. Arbeiten aus d. phys. Anstalt zu Leipzig. Herausgegeb. v. Ludwig. Leipzig 1874. . Derselbe, Beiträge zur Anat. u. Histologie des Hodens. Berichte d. math.-phys. Klasse d. k. sächs. Gesellsch. d. Wissensch. 1873. O0. Lubarsch, Ueber das Vorkommen krystallinischer und krystal- 684 30. 34. 2: Es: loider Bildungen in den Zellen des menschlichen Hodens. Virch. Arch. 1896, Bd. 145, S. 316. 2. J. Plato, Die interstitiellen Zellen des Hodens und ihre physio- logische Bedeutung. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 48. M. v. Lenhossek, Beiträge zur Kenntniss der Zwischenzellen des Hodens. Arch. f. Anat. u. Physiol. Anat. Abth. 1897. Fr. Hermann, Die postfoetale Histiogenese des Hodens der Maus bis zur Pubertät. Arch. f. mikr. Anatomie Bd. 34, S. 429. Kromayer, Die Protoplasmafaserung der Epithelzelle. Arch. f. mikr. Anatomie Bd. 39, 1892. . L. Stieda, Die Leydig’sche Zwischensubstanz des Hodens. Eine historische Notiz. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 48, 1897. . Fr. Boll, Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung der Gewebe. Arch. f. mikr. Anat. 1871 Bd. VII. . Waldeyer, Eierstock und Ei. Leipzig 1870. (Mit erschöpfendem Literaturverzeichniss.) 29. R. Bonnet, Die Uterinmilch und ihre Bedeutung für die Frucht. Beiträge zur Biologie. Festgabe für Bischoff. Stuttgart 1882. Karl Schulin, Zur Morphologie des Ovariums. Arch. f{. mikr. Anat. Bd. 19, 1881. . G. Rein, Beiträge zur Kenntniss der Reifungserscheinungen und Befruchtungsvorgänge vom Säugethierei. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 22, 1883. . H. Virchow, Durchtreten von Granulosa-Zellen durch die Zona pellucida des Säugethiereies. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 24, 1885. F. Keibel, Zur Entwicklungsgeschichte des menschlichen Uro- genitalapparates. Arch. f. Anat. u. Phys. (His). Anat. Abth. 1896. Böhm und v. Davidoff, Lehrbuch der Histologie des Menschen. Wiesbaden 189. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXIV. Sämmtliche Abbildungen sind in ihren Umrissen mit Hülfe des Abbe’schen Zeichenapparates in der Höhe des Objekttisches ent- worfen. Die Figuren 1, 3, 5, 7, 8 u. 9 sind mit Zeiss’ Homog. Im. 1/j, Oe. 2, Tubuslänge 160 gezeichnet und in natürlicher Grösse repro- dueirt. Fig. 2 ist mit Oe. 4, Fig. 6 mit ausgezogenem Tubus gezeichnet. Fig. Fig. 4 ist um die Hälfte, Fig. 7 um !/; verkleinert. 1. Aus einem Schnitte durch den Hoden eines ca. 7 wöchigen Katzenembryos. Hermann'’sche Flüssigkeit. Die Entwicklung der interstitiellen Zellen aus fixen Bindegewebszellen. ‘. 2. Die einzelnen Stadien dieser Entwicklung bei stärkerer Ver- grösserung. Fig. Fig. Kenntniss d. Anatomie u. Physiologie d. Geschlechtsorgane. 685 © 3. Aus einem funktionirenden Katerhoden. Hermann ’sche Flüs- sigkeit. Stark fetthaltige interstitielle Zellen, keine Fettrand- zone. Gruppe II A. Aus einem Sehnitte durch das Ovarium einer einige Monate alten Katze. Hermann'sche Flüssigkeit. Stark fetthaltige Thekazellen (Kornzellen), kein Fettim Follikelepithel. Gruppe II A. Aus einem funktionirenden Hoden einer weissen Maus. Her- mann'sche Flüssigkeit. Spärliche, wenig fetthaltige inter- stitielle Zellen, stark entwickelte Fettrandzone. Gruppe I. Aus einem Schnitte durch das Ovarium einer einige Monate alten weissen Maus. Hermann’sche Flüssigkeit. Spärliche, wenig fetthaltige Kornzellen, fetthaltigesFollikelepithel. Gruppel. Aus einem funktionirenden Hoden eines Ebers. Hermann- sche Flüssigkeit. Reichlich entwickelte pigmenthaltige Zwischen- substanz und Fettrandzone. Gruppe II B. Aus einem Schnitte durch das Ovarium eines älteren Schweines. Hermann’sche Flüssigkeit. Pigmenthaltige Thekazellen, fett- haltiges Follikelepithel. Gruppe II B. Aus einem Schnitte durch den funktionirenden Hoden eines Pferdes. Hermann’sche Flüssigkeit. Stark entwickelte, sehr pigmentreiche Zwischensubstanz und Fettrandzone. Ueber- gang des intertubulären Pigments durch die Wandung der Tubuli in die Fettrandzone; bei A in Form feinster Pigment- körnchenzüge, bei B in Form von Körnchenkonglomeraten, die Osmium schon stärker redueiren. (Aus verschiedenen Stellen combinirte Abbildungen.) Gruppe II B. 686 Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus elec- tricus L.), mit besonderer Berücksichtigung seiner elektrischen Organe. Von Dr. med. E. Ballowitz, a. o. Professor und Prosector an der Universität Greifswald. Hierzu Tafel XXXV, XXXVI u. XXXVL. Im Anschluss an meine Untersuchungen über den feineren Bau der elektrischen Organe von Torpedo!) und Raja?) ge- lang es mir, durch die Vermittelung des Berliner Aquariums in den Besitz zweier direkt aus Venezuela lebend importirter Gym- noten zu kommen. Dieser Erwerb war um so werthvoller, als bis jetzt erst wenige Arbeiten über die Anatomie dieses merk- würdigen Knochenfisches vorliegen, welcher dadurch, dass er mit der wirksamsten elektrischen Batterie ausgestattet ist und weit kräf- tigere Schläge, als Torpedo und Zitterwels, austheilen Kann, das Interesse der Physiologen, Anatomen und Histiologen in gleicher Weise beansprucht. Nur Hunter, Paeini, M. Schultze, C. Sachs, Du Bois-Reymond und G. Fritsch haben sich eingehend damit beschäftigt). Zwischen M. Scehultze einerseits und 1) E. Ballowitz, Ueber den feineren Bau des elektrischen Or- gans von Torpedo, mit besonderer Berücksichtigung der Nervenen- digungen in demselben. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 42. — Ueber das Vorkommen echter peripherer Nervenendnetze. Anat. Anzeiger, Bd. 9, Nr. 5 und 6. 2) E. Ballowitz, Ueber den feineren Bau des elektrischen Organs des gewöhnlichen Rochen (Raja clavata L.). Anatomische Hefte von Merkel und Bonnet, I. Abth., XXIII. Heft (7. Bd. Hft. 3). Vgl. auch: TJeber die Uebereinstimmung des feineren Baues der elec- trischen Organe bei den starkelektrischen und schwachelektrischen Fischen. Anat. Anzeiger 1897, XIII. Bd., Nr. 4 u. 5. 3) Von den älteren rein zoologischen und rein physiologischen Abhandlungen über Gymnotus, sowie von den mehrfachen kleineren, die Kenntniss der Anatomie dieses Fisches nicht bereichernden Mitthei- Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electricus L.) ete. 687 Pacini, ©. Sachs und G. Fritsch andererseits bestehen in wesentlichen Punkten Differenzen. Fast alle früheren Beobachter haben ausschliesslich in Spi- ritus eonservirtes Material benutzt, dessen Erhaltungszustand mit Bezug auf feinere Strukturen nur sehr geringen Ansprüchen ge- nügen konnte. Nur ©. Sachs untersuchte in Venezuela lebende Thiere, verliess sich dabei aber zu sehr auf die Untersuchung des frischen Gewebes, während die Fixirung und Conservirung, wie es scheint, fast ganz unberücksichtigt blieb. Das ist um so mehr zu bedauern, als Sachs über frischgefangene, lebens- kräftige, grosse, ganz ausgewachsene !) Exemplare in Hülle und Fülle verfügte, ein Material, das nur an Ort und Stelle erlangt werden kann. Die Tagebuchnotizen des jungen, leider so früh verstorbenen Forschers?) sind von DuBois-Reymond bear- beitet und in einem stattlichen Bande veröffentlicht worden ?), welchem als Anhang von G. Fritsch zwei vergleichend-ana- tomische, mit Abbildungen versehene Abhandlungen über das Centralnervensystem und die elektrischen Organe von Gymnotus beigefügt sind. Den Untersuchungen von G. Fritsch liegt das von C. Sachs z. Th. lebend mitgebrachte Gymnoten-Material?) zu Grunde. Der eine meiner Zitteraale starb leider kurz vor seiner lungen wird hier Abstand genommen. Vgl. hierüber das ausführliche Literatur-Verzeichniss, welches Du Bois-Reymond in „Dr. Carl Sachs’ Untersuchungen am Zitteraal*, Leipzig 1881 gegeben hat. 1) Der längste, von Sachs gemessene Gymnotus war 155 em lang. 2) Dr. med. ©. Sachs verunglückte am 18. August 1878 durch Absturz vom Monte Cevedale in Tirol. Siehe den Nachruf von Du Bois-Reymond in der Deutschen Rundschau, Bd. XVII, März 1879 und „Aus den Llanos. Anzeige und Neerolog“ in Dr. Carl Sachs’ Untersuchungen am Zitteraal. Leipzig 1881. 3) Dr. Carl Sachs, Untersuchungen am Zitteraal Gymnotus electrieus. Nach seinem Tode bearbeitet von Emil Du Bois-Rey- mond. Mit zwei Abhandlungen von Gustav Fritsch, Leipzig 18831. 4) Sachs gelang es, fünf lebende Gymnoten bis Bremerhafen und Berlin zu bringen. Die Eisenbahnfahrt bis Berlin wurde den Fischen aber verderblich, sodass sie wenige Tage darauf eingingen. Uebrigens ist es mehrfach geglückt und zwar bereits im vorigen Jahr- hundert, lebende Zitteraale, sogar ganz grosse Exemplare, nach Europa überzuführen und längere Zeit in der Gefangenschaft zu halten. Siehe hierüber Du bois-Reymond. ec. 688 E. Ballowitz: Ankunft in Berlin. Auf meine Veranlassung wurde das gut er- haltene Thier sofort in starken Spiritus gelegt und mir darin zugeschickt. Es war das kleinere Stück und besass eine Länge von 54 Centimeter. Ich benutzte es für makroskopische Präpa- rationen (vgl. Fig. 1). Das zweite grössere, 65 Centimeter lange Exemplar kam lebend in meine Hände. Durch die lange Reise schien es sehr mitgenommen. Seine Haut war an mehreren Stellen verletzt. Bei Berührung wurden nur schwache elektrische Entladungen gefühlt. In einem grösseren Wasserbehälter schwamm es indessen noch ganz sicher und lebhaft herum. Um mich nicht der Gefahr auszusetzen, das Thier über Nacht durch den Tod für meine Untersuchungen des lebensfrischen Gewebes zu verlieren, tödtete ich es alsbald nach Empfang durch Eingiessen von Chloroform in das Wasser, in welchem es sich befand. Es währte ziemlich lange, bis das Chloroform seine Schuldigkeit that und der Gym- notus verendete. Dieses Exemplar bestimmte ich ausschliesslich für mikro- skopische Untersuchungen. Dem soeben getödteten Thiere wurden sofort kleime würfelförmige Stücke des elektrischen Gewebes von höchstens 5—8 mm Seitenlänge entnommen und mit verschiedenen Reagentien behandelt. Ich stellte mir dabei die Aufgabe, durch Anwendung mög- lichst vieler und zuverlässiger Methoden auf das lebensfrische Gewebe den feineren Bau des elektrischen Organs, soweit es mein Material hergab, festzustellen und zu prüfen, ob bei Gymnotus die gleichen Strukturen vorhanden sind, welche ich bei Torpedo und Raja als wesentliche und für den Bau der elektrischen Or- gane charakteristische aufgefunden und beschrieben habe. Die Uebereinstimmung der feineren Strukturen würde um so be- deutungsvoller, besonders für die Physiologie der Organe, sein, als der gröbere Bau der Organe und die Form und äussere Be- schaffenheit ihrer Elemente bei diesen drei Fischen sehr ver- schieden und die Organe selbst aus der Umwandlung ganz dif- ferenter Muskelgruppen hervorgegangen sind. In wie weit mir dieser Nachweis gelungen ist, mögen die folgenden Mittheilungen lehren. Zur Fixirung der Gewebsstücke kamen folgende Reagentien zur Anwendung: Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electrieus L.) ete. 689 1. Concentrirte, wässerige Sublimatlösung. 2. Schwache Flemming sche Lösung (Chromsäure 1°), 25 eem, Osmiumsäure 1°/, 10cem, Essigsäure 1°/, 10 cem, Aqu. destill. 55 eem). 3. 1/,—1°/,ige Osmiumsäure. 4. Alcohol absolutus. 5. Goldehloridlösung, 0,5°/,ig, mit nachfolgender Reduction in essigsäurehaltigem Wasser. Gehärtet wurde in von 30—96 °/, langsam ansteigendem Aleohol. Die Stücke bettete ich theils in Celloidin, theils in Paraftin (52—55° Schmelzpunkt) ein. Die Paraffinschnitte wurden mit destillirtem Wasser vor der Färbung aufgeklebt. Zur Fär- bung dienten Anilinfarben, Hämatoxylin- und Carmin-Lösungen (siehe Text). Am besten bewährten sich Flemming’sche Lösung und Sublimat. Die Osmiumsäure, besonders die 1°/,ige, erwies sich da- gegen als wenig geeignet, da sie durchgehends eine oft sehr starke Schrumpfung und Verunstaltung der elektrischen Platte hervorrief, eine Erscheinung, die um so auffälliger ist, als gerade dieses Reagens zur Fixirung der elektrischen Platte von Torpedo ausgezeichnete Dienste leistet. Die Vergoldung war zum Theil sehr gut gelungen und gab werthvolle Aufschlüsse. Ein Theil der nach 2, 3 und 5 behandelten Stücke wurde in eine aus Ale. absol., destillirtem Wasser und Glycerin zu gleichen Theilen bestehende Mixtur gelegt und für Zupfpräparate bestimmt. Dem gleichen Zwecke diente auch in Ranvier'schem Aleohol und Müller’scher Lösung conservirtes Material, das aber nur zur Darstellung gröberer Strukturen verwendbar war. Die meisten Hoffnungen setzte ich auf die Golgi’sche Me- thode, die sich bei meinen früheren Untersuchungen gerade für das elektrische Organ so sehr bewährt hattet). Ich behandelte daher eine sehr grosse Anzahl von Stückchen nach dem sogen. schnellen G olgi'schen Verfahren. Leider liess mich die Me- thode aber hier völlig im Stich, obwohl die Procedur und zwar bisweilen mehrmals, wiederholt wurde. In allen den vielen hun- 1) E. Ballowitz, Ein Beitrag zur Verwendbarkeit der Golgi- schen Methode. Zeitschrift für wissenschaftliche Mikrosk. Bd. XI, 1896, p. 462—467. 690 E. Ballowitz: dert Schnitten, welche ich untersuchte, hatte sich auch nicht eine einzige Nervenfaser und kein einziges Stäbchen gefärbt. Das Ausbleiben jeder Nervenreaction war um so merkwürdiger, als in den Goldpräparaten oft eine sehr schöne und anscheinend recht vollständige Färbung der zahlreichen Nerven eingetreten war. Nur ein Theil des specifischen elektrischen Gewebes hatte sich in den Golgi-Präparaten inkrustirt; diese gefärbten Stellen bildeten einen regelmässigen Befund in den meisten Schnitten. Das Versagen der Golgi’schen Methode hat für mich in- sofern nichts Auffälliges, als mir von meinen Untersuchungen über die Nervenendigungen an den Chromatophoren der Fische !) bekannt ist, dass sich die eine Fischspecies vorzüglich für die Anwendung der Golgi'schen Methode eignet, während eine andere nahe verwandte Art für diese Nervenimprägnation völlig unempfänglich sein kann. Verschiedenheiten im Verhalten der Golgi’schen Methode gegenüber habe ich nicht allein bei ver- schiedenen Gattungen und Arten, sondern auch bei verschiedenen Individuen derselben Art beobachtet. Die Möglichkeit ist ferner nicht ganz auszuschliessen, dass der matte Zustand meines Exem- plars, welches eine lange Gefangenschaft unter den erschwerenden Umständen der Seereise hinter sich hatte, die Schuld trägt. Denn ich erinnere mich, dass ich bei Zitterrochen, welche lange Zeit in der Gefangenschaft gehalten waren und mir von dem Berliner Aquarium überlassen wurden, ähnliche Erfahrungen machte und von den Methoden im Stiche gelassen wurde, welche bei frisch gefangenen Exemplaren nicht versagten. Da mir nur ein lebendes Exemplar von Gymnotus zur Verfügung stand, be- weist meine Erfahrung also noch nicht, dass die Gymnoten für die Golgi’sche Methode unempfänglich sind ?); das wäre auch für zukünftige Untersuchungen sehr zu bedauern. 1) E. Ballowitz, Die Nervenendigungen der Pigmentzellen. Ein Beitrag zur Kenntniss des Zusammenhanges der Endverzwei- gungen der Nerven mit dem Protoplasma der Zellen. Zeitschrift für wissensch. Zool. 1893, Bd. LVI, Heft 4). 2) Auch Versuche mit dem Rückenmark von Gymnotus, um die von M. Schultze entdeckten und von G. Fritsch näher beschriebenen electrischen Ganglienzellen zu imprägniren, blieben erfolglos. Ich be- merke dabei, dass es mir auch bei Torpedo trotz mehrfacher Versuche nicht gelingen wollte, die Ganglienzellen des Lobus electricus mittelst der Golgi’schen Methode zu tingiren. Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus eleetrieus L.) ete. 691 Makroskopische Anatomie der elektrischen Organe. Bevor ich mit der Schilderung des feineren Baues des elek- trischen Gewebes bei Gymnotus beginne, will ich zur Orientirung des Lesers einen kurzen Ueberblick über die Anordnung und gröbere Zusammensetzung der elektrischen Organe dieses Fisches geben, zumal ich dabei auf einige für die Morphologie der Organe wichtige, bisher aber übersehene Punkte aufmerksam machen kann. Zum Vergleiche mit dem einen von mir für makroskopische Zwecke ganz frisch conservirten Exemplar von 54 em Länge konnte ich noch vier in gewöhnlicher Weise in Spiritus aufbe- wahrte und gut erhaltene, verschieden grosse Gymnoten heran- ziehen, welche ich zergliederte und zum Theil auch auf Quer- schnitten untersuchte. Das grösste Stück mass 136 em, das zweite 115 em. Die anderen beiden waren wesentlich kleiner, das eine 59cm, das letzte 37,5 em lang. Der folgenden Be- schreibung liegen die Befunde an diesen 5 Gymnoten zu Grunde. Wie Hunter!) in seiner klassischen Abhandlung über die Anatomie des Zitteraales schon 1775 nachgewiesen hat, finden sich in dem zu Gunsten des elektrischen Gewebes und im Ver- gleich mit dem kurzen Rumpfe enorm vergrösserten Schwanze des Zitteraales vier isolirte elektrische Organe, zwei grössere obere und zwei kleinere untere. Die oberen sowie die unteren sind vollständig symmetrisch in der rechten und linken Körper- hälfte angeordnet und grenzen in der Medianebene des Thieres aneinander. Die grossen Organe befinden sich im Bereich der unteren Caudalmuskulatur, die kleinen im Bereich der Flossen- muskeln der sehr langen und breiten Afterflosse. Von den unteren kleinen Organen besitzt jedes die Form eines langen, schmalen, in transversaler Richtung .abgeplatteten, dreiseitigen, vertical gestellten Bandes. Seine vordere Spitze reicht bis dieht hinter den niedrigen Anfang der Afterflosse; an einem Exemplar fällt sie zusammen mit der Erhebung der Flosse. Nach hinten hin erstreckt sich das Organ bis zum äussersten Körperende, d. h. so weit, als es ihm vorzudringen möglich ist. Denn bei Gymnotus schlägt sich die Afterflosse mit ihren Flossen- 1) John Hunter, An Account of the Gymnotus_ electricus. Philosophical Transaetions. Vol LXV, London, 1775, pag. 395. Archiv f. mikrosk, Anat. Bd, 50 44 693 E. Ballowitz: trägern am hinteren Körperende dorsalwärts um und endet ziem- lich im Niveau der Rückenlinie. Da das Organ den unteren Theil der Flossenträger freilässt, so bleibt sein hinteres Ende um diese Strecke und die Breite der sich verschmälernden After- flosse von der Schwanzspitze selbst entfernt. Bei meinem grössten Exemplar beträgt diese Entfernung 24 mm; bei den kleineren Exemplaren ist sie entsprechend geringer. Die Form und Ausbildung des Bandes scheint individuellen Schwankungen unterworfen zu sein, wenigstens konnte ich schon bei meinen 5 Thieren Variationen feststellen. Bei dem grössten Exemplar (136 cm) besass das kleine Organ in der Mitte des Körpers eine Höhe von 2cm. Nach vorne hin erhielt sich diese Höhe eine Strecke weit, um dann allmählich zurückzugehen, sodass sie an der Grenze zwischen erstem und zweitem Körperviertel nur etwas über l cm betrug. In der Nähe des vorderen Endes wurde die Verkleinerung noch bedeutender und führte allmählich in die vordere Spitze über. Nach hinten von der Körpermitte nahm die Höhe des Bandes bis 2!/, em zu, sodann verringerte sie sich, sodass sie an der Grenze zwischen drittem und letztem Körperviertel 1?1/, cm betrug. Von hier zog sich das Organ in eine dünne Spitze aus. Aehn- lich verhielt sich das zweitgrösste Stück, nur dass die Verbreite- rung hinter der Körpermitte nicht so ausgesprochen war. Bei den der Grösse nach folgenden beiden Gymnoten befand sich die grösste Höhe entschieden mehr an der Körpermitte.' Ganz abweichend verhielt sich das kleinste Exemplar von 37,5 cm Länge. Bei diesem war das kleine Organ in der Kör- permitte nur 3 mm hoch und zog sich von hier aus in eine sehr feine vordere Spitze aus. Nach hinten hin gewann das Band dagegen sehr auffällig an Breite, sodass es an der Grenze zwi- schen drittem und viertem Viertel seine grösste Höhe, fast 6 mm, erreichte. Erst von da ab trat eine allmähliche Abnahme gegen die hintere Spitze hin ein. An diesem Exemplar war mithin das kleine Organ im hinteren Theile weit mehr ausgebildet als vorne. Dies Verhalten eontrastirt mit dem von G. Fritsch als abweichend beschriebenen Gymnoten, bei welchem das kleine Organ in der hinteren Körperhälfte sehr merklich an Ausdehnung abnahm und schliesslich ganz undeutlich wurde. Auf einem Querschnitte erscheint das kleine Organ als Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electrieus L.) ete. 693 rechtwinkeliges Dreieck. Die kleinere Kathete sieht nach oben und grenzt an den unteren Rand des grossen Organs resp. des Zwischenmuskels (siehe unten). Die grössere Kathete ist median- wärts gerichtet. Oben stossen die medialen Seiten beider klei- nen Organe zusammen, nur durch das mediane Septum mit den Flossenträgern von einander getrennt, während sie nach unten hin durch die dazwischen tretende tiefe Flossenmuskulatur der Afterflosse von einander abgedrängt werden. Die lateralwärts gerichtete Hypotenusenfläche wird ganz bedeckt von der dünnen Schicht der parallel nebeneinander verlaufenden Bündel dervber- flächlichen Flossenmuskulatur, sodass in der Seitenansicht nach Entfernung der Haut von den kleinen Organen noch Nichts zu sehen ist, wie Fig. 1 zeigt. Die Muskelschicht lässt sich aber leicht abtragen. G. Fritsch hat aus der Lage der kleinen Organe und ihrem Verhalten zur Flossenmuskulatur geschlossen, dass sie aus der Umwandlung der oberen Bündel der inneren tiefen Schicht der Flossenmuskulatur hervorgegangen sind. Die grossen Organe sind im Verhältniss zu den kleinen mächtig entfaltet. Sie besitzen gleichfalls die Form eines langen Bandes, welches vorne aber sehr diek ist und sich erst im hin- teren Theile unter beträchtlicher Verjüngung abplattet. Die Form der grossen Organe scheint weniger variabel zu sein als die der kleinen, wenigstens habe ich bei meinen Exemplaren keine Ab- weichungen gefunden. Ihr vorderer Rand ist zugeschärft und von oben nach unten leicht abgerundet, fast vertikal verlaufend (vgl. Fig. 1 bei A); er überragt ein wenig das vordere Ende der Afterflossen-Erhe- bung und damit auch die Spitze der kleinen Organe. Die Diffe- renz zwischen beiden ist aber nur gering. Die hintere sehr dünn ausgezogene Spitze der grossen Organe geht ebenso weit in das Schwanzende hinein als die kleinen Organe; die Grenze zwischen beiden ist hier makroskopisch wenig deutlich. Der vordere Theil der grossen Organe ist im verticalen und transversalen Durchmesser sehr entwickelt und bleibt bis gegen die Körpermitte von ziemlich gleichem Umfange. Von hier ab, also noch beträchtlich vor der Mitte der Organe selbst, tritt eine all- mähliche Verjüngung der Organe ein, sodass der hinterste Theil schmal und dünn ausgezogen ist. Wenn man das präparirte 694 E. Ballowitz: Thier gerade ausstreckt, so erkennt man, dass der untere Rand des Organs jederseits geradlinig bleibt, während der obere Rand nur im vorderen Theil dem unteren parallel verläuft, im hinteren _ Abschnitt sich dagegen allmählich nach unten hin senkt. Es sieht aus, als wäre der hintere obere Theil des grossen Organs von oben und vorne nach unten und hinten gegen die Spitze hin abgeschnitten. Hand in Hand damit geht eine wesentliche Ver- kleinerung im transversalen Durchmesser. Auch das grosse Organ erscheint auf dem Querschnitte!) annähernd dreieckig. Die mediale Seite ist geradlinig und ver- tical gestellt; sie sieht gegen das mediane Bindegewebsseptum, welches die aus dem Wirbelkanal hervorgetretenen elektrischen Nervenpaare trägt. Nur im oberen Theile und besonders vorne gegen den Rumpf hin ist sie dort, wo die hintere Schwimmblase sich vorwölbt, ausgebuchtet. Unterhalb dieser Stelle stossen die medialen planen Flächen der beiden grossen Organe unter Ver- mittelung des Septums direkt aneinander. Die obere Seite ist coneav, in ihre Concavität bettet sich die nach oben hin an das Organ angrenzende Muskulatur ein. Die dritte Seite ist gewölbt. Sie sieht in ihrem oberen Abschnitt direkt lateralwärts und liegt — abgesehen von dem hintersten Körperabschnitt — dicht unter der Haut. In Fig. 1 auf Tafel XXXV ist die Haut von der linken Seite des 54 em langen Gymnoten abpräparirt und damit der obere Theil der lateralen Fläche des grossen Organes freigelegt. Nur dieser Theil tritt mit der Haut in enge Lagebeziehung, alles übrige elektrische Gewebe wird von Muskulatur bedeckt und dadurch von der Haut abgetrennt. Im Gegensatz zu Torpedo und vollends zu Malopterurus ist dem- nach beim Zitteraal ein weit geringerer Theil der elektrischen Organe oberflächlich unmittelbar unter der Haut gelegen. Im unteren Theil rundet sich die laterale Seite allmählich ab und richtet sich in Folge dessen direet nach unten gegen das kleine Organ hin. Aber nur ihr medialer Abschnitt stösst in geringer Ausdehnung unmittelbar an das kleine Organ. Lateral- 1) Körperquerschnitte von Gymnoten mit den Querschnitten der grossen und kleinen Organe sind von Hunter, A. von Humboldt, C. Sachs, und G. Fritsch abgebildet worden. Die von Letzterem (l. ec. Tafel VII, Fig, 18—21) sind die genauesten. Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electricus L.) ete. 695 wärts tritt ein platter, auf dem Querschnitt linsenförmiger Muskel dazwischen. Dieser Muskel war als beide Organe trennende Gewebsschicht sehon den älteren Beobachtern aufgefallen, aber bald für eine Fettmembran, bald für Muskelsubstanz, ja sogar für Drüsengewebe erklärt worden, wie Du Bois-Reymond!) in seinem historischen Ueberbliek näher ausgeführt hat. A. von Humboldt?) hat die Muskelnatur dieser Schicht auf jeder Seite zuerst erkannt und sie als „deux petits muscles“ bezeichnet. Dem Vorgange Valentin's?) folgend, will ich diesen Muskel seiner Lage wegen als Zwischenmuskel bezeichnen. Der Zwischenmuskel ist auf jeder Seite ein langer, schmaler, dünner Streifen mit zwei schwach eonvexen Flächen und einem oberen lateralen und unteren medialen scharfen Rande. Vorne am breitesten, erhält er sich bis gegen das hinterste Kör- perviertel von ziemlich gleicher Breite. Wenn man die äussere Oberfläche des Muskels in ganzer Ausdehnung frei präparirt, so erkennt man seine Zusammensetzung aus Myomeren. Die tren- nenden bindegewebigen Myocommata sind vorne sehr deutlich, im hinteren Theile weniger, hier treten sie am oberen Rande des Muskels noch am schärfsten hervor. Der Verlauf der Myo- commata ist im Allgemeinen ein verticaler. Jedenfalls gilt dies für die genannten Stellen, an denen die Myocommata sehr deut- lich erscheinen. Wo sie undeutlich sind, scheint der Verlauf der sehr zarten Bindegewebsstreifen auch unregelmässig zu werden. Der Faserverlauf der Muskelfasern innerhalb der Myomeren ist im Allgemeinen von vorne nach hinten gerichtet, wird aber dort, wo die Abgrenzung der Myomeren undeutlich ist, unregelmässiger und häufig schräg gerichtet. Die Masse der Fasern innerhalb der einzelnen Myomeren ist zu platten, nebeneinanderliegenden Bündeln angeordnet, die durch lockeres Bindegewebe miteinander 1) l. e. pag. 27—29. 2) A. von Humboldt, Öbservations sur l’Anguille &lectrigue (Gymnotus electrieus L). In: Recueil d’observations de Zoologie et d’Anatomie compar6e, Paris 1811, Vol. I, pag. 49. Vgl. besonders: Planche X, N. II, Coupe verticale du Gymnote elecetrique, e: Deux petits muscles qui s&eparent les grands organes £&lectriques des petits. 3) G. Valentin, Beiträge zur Anatomie des Zitteraales (Gym- notus eleetrieus). Neue Denkschriften der Allg. Schweizerischen Ge- sellschaft für die gesammten Naturwissenschaften. Neuschatel, 1842, Bd. VI, pag. 37. 696 E. Ballowitz: verbunden werden, wie man am besten auf einem Querschnitt erkennt. Dehnt man den frei präparirten Zwischenmuskel eines Spiritusexemplars etwas der Quere nach, so werden die Muskel- bündel der Myomeren von einander abgezerrt und geben in Folge der hervorgehobenen Unregelmässigkeiten der Ober- fläche des Zwischenmuskels ein eigenthümliches, wie geflochtenes Aussehen. Von Wichtigkeit sind die Lage und die Beziehungen dieses Muskelstreifens zu dem grossen Organ und den Nachbarmuskeln. Im vorderen Körpertheil liegt der Zwischenmuskel jeder- seits unter dem grossen Organ in einer Rinne desselben, welche durch die Einlagerung des Muskelstreifens verursacht wird. Sein medialer Rand befindet sich in geringer Entfernung von der Mittellinie, sodass, wie oben bereits erwähnt, an dieser Stelle das kleine und grosse Organ einander unmittelbar benachbart sind; lateralwärts trennt beide der Zwischenmuskel. Die obere Fläche des letzteren ist im Zusammenhange mit dem elektrischen Ge- webe des grossen Organs und wird davon nur durch eine dünne Bindegewebslage geschieden. Die untere Fläche wird bedeckt von der derben bindegewebigen Hülle, welche auch die laterale Fläche des grossen Organs überzieht, sodass Zwischenmuskel und grosses Organ von derselben Hülle umschlossen werden. Der untere grössere Theil dieser Fläche sieht nach unten gegen das kleine Organ, ihr oberer Theil dagegen lateralwärts. Dieser laterale Theil wird vollständig bedeckt von der oberflächlichen Flossenmuskulatur (siehe Fig. 1), sodass man den Zwischen- muskel erst zu Gesicht bekommt, wenn man diese Flossenmusku- latur entfernt hat. Nur ganz vorne und hinten überragt der Zwischenmuskel nach oben die Flossenmuskulatur. Vorne ist es nur eine ganz kleine Stelle, wo über der am Anfang der After- flosse schmäler werdenden Flossenmuskelschicht der Zwischen- muskel als schmaler Streif sichtbar wird. Bei meinem grössten Exemplar ist das nur auf einer Strecke von wenigen Centimetern der Fall. (In Fig. 1 ist diese Stelle an dem kleinen Exemplar nicht mit eingezeichnet.) Hier vorne geht nun der Zwischen- muskel direet ohne jede Grenze in den unteren Ab- dominalmuskel über. Seine hier sehr deutlichen, aber schmalen Myomeren verbreitern sich dabei allmählich‘ sehr er- heblich, bewahren aber ihre Verlaufsrichtung. Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electrieus L.) ete. 697 Auch hinten tritt der Zwischenmuskel mit einem Nachbarmuskel in direkten Zusammenhang. Im hin- teren Körperabschnitt erfolgt zunächst eine Lageveränderung des Zwischenmuskels. Da sich das grosse Organ hier im transver- salen Durchmesser wesentlich verschmälert, so richtet sich der obere Theil des Zwischenmuskels mehr und mehr lateralwärts ; schliesslich sieht er mit seiner äusseren Fläche weniger nach unten, als vielmehr fast ganz lateralwärts und lagert sich der Seitenfläche des grossen Organs auf. Von seinem oberen Rande beginnen nun — bei meinem grössten Exemplar schon 13 cm hinter der Körpermitte — Muskelbündel sich loszulösen und über das grosse Organ nach oben hin sich vorzuschieben. Diese etwas schräg nach hinten gerichteten Muskelbündel sind anfangs ver- einzelt, werden dann aber zahlreicher und bilden schliesslich eine mehr oder weniger zusammenhängende Schicht, welche den hintersten Theil des grossen Organs bedeckt und von der Hauttrennt. Die Muskelbündelchen werden von derselben Hülle bedeckt, welche den Zwischenmuskel und das grosse Organ überzieht. In Fig. 1 auf Tafel XXXV reicht das grosse Organ von A—B, aber nur die Strecke von A—( liegt unmittel- bar unter der Haut; sein letztes Ende von Ü—B — an diesem Exemplar in einer Ausdehnung von gegen 12cm — wird da- gegen überdeckt von der geschilderten dünnen Muskellage, von welcher vereinzelte vom Zwischenmuskel stammende Züge schon bei D oberhalb der Flossenmukelschicht sichtbar werden. Nach oben stösst diese Muskellage an den untersten Muskel- kegelstrang des Musculus lateralis. Wie G. Fritsch schon des Näheren beschrieben hat, sondert sich bei Gymnotus, wie bei den übrigen Teleostiern, der Musculus lateralis jederseits in vier zusammenhängende Kegelstränge, von denen zwei oberhalb, zwei unterhalb der Seitenlinie liegen. Die beiden oberen bezeichnet G. Fritseh als M. lateralis dorsalis und M. lateralis superior, die beiden unteren als M. lateralis inferior und M. lateralis ventralis. Am vorderen Theile des grossen Organs vor Beginn der Abflachung seines oberen Randes liegen die beiden unteren Muskelstränge in der tiefen Rinne der oberen Fläche des Organs und werden seitlich von dem nach oben hin vorspringenden scharfen Rande des Organs überdeckt. Man findet die Seiten- linie daher dicht über dem oberen Rande der grossen Organe. Bei Beginn der Abflachung des oberen Randes und der damit 698 E. Ballowitz: einhergehenden Verkleinerung des Organs in verticaler Richtung treten die beiden Muskelstränge hervor und nehmen eine ober- flächliche Lage dieht unter der Haut ein und zwar um so mehr, je weiter nach hinten hin die Abflachung zunimmt. Die beiden Muskeln füllen gewissermaassen die Lücke aus, welche durch den Schwund des oberen Theiles des grossen Organs entsteht. (Siehe in Fig. 1 bei M. 1. inf. Museulus lateralis inferior, bei M. 1. vent. Musculus lateralis ventralis; M.!. sup. und M. 1. dors. bezeichnen den M. lateralis superior und dorsalis; über letzterem befindet. sich eine besonders im hinteren Schwanztheil dieke Fettlage.) Die Seitenlinie muss dabei um die Breite dieser beiden Muskeln vom oberen Rande des grossen Organes abrücken. An den M. lateralis ventralis stösst nun die von mir oben beschriebene dünne Fortsetzung des Zwischenmuskels. Es findet aber nicht nur eine Aneimanderlagerung statt, sondern beide Muskeln gehen mit ihren Bündeln direet in einander über, sodass der Zwischenmuskel und der M. lateralis ventralis direct zusammenhängen. Auch der Faserverlauf ist derselbe. In Folge dessen steckt das hinterste Ende der grossen Organe fast ganz in Muskulatur; nur ihre mediale Seite ist frei davon. Dieses Verhalten erinnert etwas an die Art und Weise, wie das vordere Ende des elektrischen Organs bei Raja in den Muskel eingepflanzt ist, aus dessen Umwandlung es nachgewiesenermaassen hervorgegangen ist. Da am hinteren Körperende von Gymnotüs für das grosse Organ sehr wahrscheinlich primitivere Verhältnisse vorliegen, so könnte man geneigt sein, zu vermuthen, dass der Zwischenmuskel und der M. lateralis ventralis ursprünglich zusammen gehört und einen continuirlichen Muskelstrang ge- bildet haben, der im vorderen Theile sich mächtig entfaltet hätte und in elektrisches Gewebe umgewandelt wäre. Durch die so entstandenen grossen Organe wären dann die beiden oben und unten übrig gebliebenen Muskelstreifen auseinander gedrängt, wobei der untere, der Zwischenmuskel, noch in festerem Zusammenhange mit dem grossen Organ geblieben wäre. Leider steht mir von den nicht elektrischen Gymnotinen und verwandten Formen kein ge- nügendes Material zu vergleichender Untersuchung zur Verfügung, um dieser Frage näher zu treten. Eine definitive Entscheidung kann auch nur die Untersuchung von Gymnotusembryonen oder ganz junger Thiere, die ja leider noch nicht gefunden worden sind, bringen. Jedenfalls scheint der Zwischenmuskel in engerem genetischen Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electrieus L.) ete. 699 Zusammenhange mit dem grossen Organ zu stehen, wie schon C. Sachs betont hat. Es ist merkwürdig, dass das geschilderte Verhalten der Muskulatur am Schwanzende allen früheren Untersuchern ent- gangen ist, da es sich bei einigermaassen sorgfältiger Präparation leicht zur Anschauung bringen lässt. Ich habe es bei allen meinen fünf Exemplaren in gleicher Weise ausgebildet gefunden. G. Fritsch ist der einzige, welcher wenigstens die vereinzelten Muskelbündelehen am oberen Rande des Zwischenmuskels ge- sehen hat, wenn ihm auch die weitere Ausbreitung und Verbin- dung des Zwischenmuskels entgangen ist. Nach diesem Autor sollen diese „abirrenden Bündel“, wie er sie nennt, aber schon makroskopisch durch grössere Durchsichtigkeit, grauere Farbe und unsichere Begrenzung gegen das Organ zu ausgezeichnet sein und sich dadurch von den Muskelbündeln des Zwischen- muskels unterscheiden. Mir ist ein soleher Unterschied an meinen Spiritusexemplaren nicht aufgefallen. Vielmehr muss ich hervor- heben, dass ich die Muskelbündel und die dünne Muskellage oberhalb des Zwischenmuskels wiederholt mikroskopisch unter- sucht und stets ganz normale, sehr schön quergestreifte Muskel- fasern gefunden habe, welche genau so aussehen, wie die Muskel- fasern des Zwischenmuskels und der übrigen Caudalmuskeln. Die kleinen Organe sowohl, wie die grossen werden nun durchzogen von einer grösseren Anzahl dünner Bindegewebs- platten, welche im wesentlichen horizontal verlaufen und parallel zu einander von vorne nach hinten das elektrische Gewebe durch- ziehen. Nach dem Vorgange M. Schultze’s!) will ich diese Platten als „Längsscheidewände‘ bezeichnen. An der Ober- fläche der Organe hängen sie zusammen mit der bindegewebigen Umhüllung, welche jedes Organ besonders im vorderen Theil umgiebt und an den kleinen Organen recht zart, an den grossen derber ist. An der freipräparirten Aussenfläche der Organe er- scheinen die Längsscheidewände als feine, helle, parallele Linien, weit zarter und feiner, als es in der Figur 1 durch Zeichnung zum Ausdruck gebracht werden konnte ?). 1) M. Schultze, Zur Kenntniss der elektrischen Organe der Fische. I. Abtheilung. Melapterurus Gymnotus. Abhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Halle. Bd. IV, 1858, pag. 313. 2) Da bei der lithographischen Reproduction die Originalzeich- nung um ein Viertel verkleinert werden musste, so konnten in der Lithographie die mit der Loupe gezeichneten Feinheiten der Original- 700 E. Ballowitz: Der verticale Abstand dieser Linien ist bei den einzelnen Exemplaren verschieden und hängt vor allem von der Grösse der Thiere ab. Bei meinem grössten Stücke (136 em) beträgt er an der Aussenfläche des vorderen Theiles des grossen Organs im Durchschnitt 2—3 mm; am kleinen Organ desselben Thieres ist die Entfernung ein wenig geringer, hier sind vorne die Linien sehr zart und schwer sichtbar. Bei den mittelgrossen Gymnoten werden die Abstände kleiner, eirca Imm im Durchschnitt. Am geringsten, noch nicht Imm, traf ich sie bei meinem kleinsten Exemplar (37,5em) und in dieser Grösse auch nur in der mitt- leren Schicht des grossen Organs (siehe unten Querschnitt). Auch hier fand ich überall an den kleinen Organen die Entfernungen der Längsscheidewände von einander kleiner als an den grossen, eine Erscheinung, welehe nur von Hunter erwähnt wird. Auf Querschnitten durch den Körper der Gymnoten erkennt man, dass die Längsscheidewände nur in der mittleren Schicht der grossen Organe ziemlich horizontal verlaufen, im oberen Theile dagegen nach oben, im unteren Theile nach unten umge- bogen sind. Zugleich konnte ich an meinen kleineren Exem- plaren feststellen, dass auf dem Querschnitt der grossen Organe die verticalen Abstände der Längsscheidewände verschieden sind, indem sie sich oben und besonders unten erheblich verkleinern; darauf werde ich noch zurückkommen. G. Fritsch hat darauf aufmerksam gemacht (l. c. pg. 397), „dass die horizontalen Scheidewände der grossen elektrischen Organe unter Vermittelung einer ebenfalls fihrrösen Zwischenschicht, welche viel schwächer ist als die gemeinsame, Organe und Mus- keln einhüllende Fascie, innige Verbindung mit den Aponeurosen der Zwischenmuskelschicht suchen“ und legt diesem Umstande mit Bezug auf den genetischen Zusammenhang zwischen Muskel und grossem Organ eine besondere Bedeutung bei. In der That wird der linsenförmige Querschnitt des Zwischenmuskels von hellen Bindegewebsstreifen durchzogen, welehe nicht selten unter Ver- mittelung des Zwischengewebes in der direkten Fortsetzung der hellen, den Längsscheidewänden des Organs entsprechenden Linien liegen. Fritsch lässt indessen völlig im Unklaren darüber, was zeichnung nicht mit der Schärfe und Genauigkeit wiedergegeben werden, wie sie die grössere Originalzeichnung aufweist, worauf ich ausdrücklich hinweisen muss. Auch ist die Zahl der sichtbaren hellen Linien in der Lithographie etwas zu gering ausgefallen. Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electricus L.) ete. 701 man unter diesen „Aponeurosen der Zwischenmuskelschicht* zu verstehen habe. Nach der oben von mir gegebenen Schilderung ist es das Bindegewebe, welches sich zwischen den platten, die Myomeren zusammensetzenden Muskelbündeln befindet, während die Myocommata (Ligamenta intermuseularia) mehr oder weniger senkrecht zu den Längsscheidewänden verlaufen. G. Fritsch scheint geneigt, die „Organaponeurosen (Längsscheidewände) als umgewandelte Ligamenta intermuseularia anzusprechen.“ Den gene- tischen Zusammenhang zwischen grossem Organ und Zwischenmuskel vorausgesetzt, stösst diese Annahme aber auf die grosse Schwie- rigkeit, dass die Längsscheidewände senkrecht zu den Ligamenta intermuscularia (Myocommata) des Zwischenmuskels verlaufen, welche letzteren G. Fritsch allerdings in keiner Weise erwähnt und nicht erkannt zu haben scheint. Diese verschiedene Ver- laufsriebtung wird besonders am oberen sich zuschärfenden Rande des hinteren Theiles des Zwischenmuskels deutlich, wenn man den letzteren mit der Haut vom grossen Organ abpräparirt: durch die beiden, sich senkrecht schneidenden Bindegewebssysteme werden hier kleine, länglichvierseitige Muskelstückchen isolirt. Zwischen je zwei horizontalen Längsscheidewänden und senkrecht zu ihnen und zur Längsaxe des Thieres sind nun in jedem der vier Organe „Querscheidewände“ (M. Schultze) aus- gespannt, welche in sehr regelmässiger Anordnung und enormer Zahl parallel nebeneinander von der medialen Fläche eines Organes zu der lateralen hinziehen. Medial und lateral treten sie mit der Hülle der Organe in Verbindung, oben und unten sind sie an die Längs- scheidewände angeheftet. Dadurch entstehen hintereinander gele- gene Fächer, welche durch die Hülle völlig geschlossen werden. In jedem Fach befindet sich eine vertikal aufgehängte elektrische Platte (elektrisches Element). Die Gesammtheit aller in den Fächern zwischen je zwei Längsscheidewänden hinter einander gelegenen Platten bildet eine horizontal gelagerte „Säule“ (Du Bois-Reymond), welehe einem vertical gestellten Säulen- prisma von Torpedo zu vergleichen ist. Bestimmend für die An- ordnung und den Zusammenhalt des elektrischen Gewebes ist bei Gymnotus also in erster Linie das bindegewebige Gerüstwerk, welches zum grössten Theil mit fast mathematischer Regelmäs- sigkeit angeordnet ist. Die Querscheidewände sind weit zarter und feiner als die Längsscheidewände und dort, wo sie eng gestellt sind, gewöhn- 1702 E. Ballowitz: lich nur mit der Lupe wahrnehmbar. Sie sind daher in Fig.1 auch nicht angedeutet. Die Entfernung der Querscheidewände und damit auch die Fachweite in der Riehtung von vorne nach hinten ist nicht über- all dieselbe. In dem breiten Theile der grossen Organe (und in dem grössten Theil der kleineren, siehe unten) ist sie sehr gering und beträgt, wie Hunter schon feststellte (bei mittelgrossen Exem- plaren, siehe unten), im Durchschnitt!/,, mm. Im hinteren schmalen Absehnitt der grossen Organe dagegen erweitern sich die Fächer in auffallender Weise, worauf zuerst ©. Sachs aufmerksam ge- macht hat. Dieser Autor fand hinten einen Abschnitt, welcher sich ganz hauptsächlich dadurch von dem übrigen Theile der grossen Or- gane (und von den kleinen Organen, siehe unten) unterscheidet, dass die Fächer 10 bis 20mal weiter!) sind, und dass ferner die Längsscheidewände häufig unter spitzem Winkel zusammenfliessen. Sachs fasste diesen Abschnitt als „neues, drittes, selbständiges Organpaar auf, welches fortan neben den alten Organen, dem grossen und kleinen, zu beschreiben sei“ (l. c.pg. 54). Indessen schon Du Bois-Reymond hat die Berechtigung dieser Auf- fassung nicht anerkannt und hat, wie wir sehen werden, mit Recht, darauf hingewiesen, dass es sich nur um einen modifieirten Abschnitt der grossen Organe handelt, den er als „Sachs’sches Säulenbündel“ bezeichnet. Nach Sachs liegt dies Bündel im Allgemeinen über der hinteren Hälfte des grossen Organs und beginnt hinter seiner Mitte oben mit einer feinen Spitze, die ohne grosse Besonder- heiten im Fettgewebe sich verlieren soll. H.Fritsch vermisste indessen diese Spitze und fand vielmehr, dass die weitfächerigen Säulen sich den vorderen dicht anlagern, wie auch ich es nur gesehen habe. Von da ab „schwillt das Bündel nach hinten zu stetig an, sodass es bald die obere Hälfte des Gesammtdurch- schnittes der Organe einnimmt; schliesslich verdrängt es das grosse 1) Wie Du Bois-Reymond (l. ec. pag. 54) bereits näher aus- geführt hat, waren Paecini schon diese abnorm weiten Fächer be- kannt. Pacini fand sie an einem ihm zur Verfügung stehenden Gewebs- stück, welches zufällig gerade dem Grenzgebiet entnommen war. Da es sich um ein herausgeschnittenes, isolirtes Gewebsstück handelte, konnte Paecini die Lage der weiten Fächer nicht mehr richtig feststellen. Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnötus electricus L.) ete. 703 Organ ganz und gar. Bei dem 155 em langen Thier geschah dies 20 em, bei zwei vermuthlich kleineren Thieren, deren Länge sich aber nicht angegeben findet, beziehlich 16 und 12 em von der Schwanzspitze. Andere Male ist das Säulenbündel minder stark entwickelt. An dem 89 em langen Fisch, wo es in 28cm Entfernung von der Schwanzspitze begann, erreichte es die Me- dianebene erst 14 em von dieser Spitze und nahm weiterhin nur die kleinere Hälfte des Durchschnittes ein. Das grosse Organ ward hier nicht verdrängt, sondern reichte bis hinten, während das neue schon etwas früher zugespitzt endigte. Ein solches Verhalten kommt unter vier Fällen einmal vor“ (l. ec. pg. 55 und 56). Die letztere Modifieation wird indessen von G. Fritsch be- stritten; auch ich habe sie bei meinen Exemplaren vermisst. Das Sachs’sche Bündel sollnach Sachs vom grossen Or- gan „vorne anfangs durch eine scharfe weisse Bindegewebslage geschieden sein, die sich nach hinten mehr und mehr verdünnt, sodass sie zuletzt nicht stärker erscheint, als eine der gewöhn- lichen Längsscheidewände. Doch bleibt die Grenze stets an der verschiedenen Farbe erkennbar“ (l. e. pg. 56). In frischem Zu- stande ist nämlich das Bündel „durchsichtiger und dunkler und sieht statt milchglasartig gelbgrauröthlich aus“ (l. e. pg. 52). Uebrigens hat schon Hunter in seiner grossen Abbildung der Seitenansicht eines präparirten Gymnoten die dem Sachs’schen Säulenbündel entsprechende Stelle durch dunklere Schattirung vor dem übrigen Theil des grossen Organs kenntlich gemacht, sodass man annehmen muss, dass ihm der Unterschied nicht entgangen ist, wenn auch nichts weiter darüber von ihm ausgesagt wird. Bei Zergliederung meiner Spiritus-Exemplare habe ich auch auf dieses „Saehs’sche Säulenbündel“ besonders geachtet und sein Vorhandensein bei allen constatirt. Bei dem frisch in Al- kohol conservirten Exemplar von 54 cm Länge hatte es folgende Lage und Ausdehnung (vgl. Fig. 1 auf Tafel XXXV). Genau in der Mitte des Thieres begannen am oberen Rande des Organs (vor 5) 1—2 Säulen von anderem Aussehen, welche mehr grau und durchsichtiger erschienen, während die Säulen- masse des vorderen Theiles mehr gelblich und undurchsichtig war. Von hier aus nach hinten hm nahmen mehr und mehr Säulen- bündel dies Aussehen an, sodass schliesslich 3 bis 4 cm vor der Grenze zwischen drittem und letztem Körperviertel (bei S,) der 704 E. Ballowitz: ganze hintere Theil der grossen Organe bis zur Schwanzspitze (nach Entfernung der oben beschriebenen dünnen Muskellage) modifieirt erschien. Die Grenze verlief also schräg von oben und vorne nach unten und hinten, wie Sachs es angegeben hat, und war in ihrem mittleren Theile ziemlich scharf und leicht erkennbar. Das veränderte Aussehen wurde in erster Linie bedingt durch die grössere Fachweite, welche im hinteren ausgebildeten Säulenbündel 1 mm und etwas darüber betrug, sodass die einzelnen Fächer makroskopisch sehr deutlich unterschieden werden konnten und die Querscheidewände als helle vertical gestellte Linien hervortraten. Die Vergrösserung der Fachweite setzte aber nicht ganz plötzlich ein, sondern wurde vermittelt: durch eine Anzahl von Säulen, welche eine allmähliche Zunahme der Fachweite zeigten. Sehr auffällig war an der Grenze noch im Bereich des gelblich erscheinenden Theiles das Niedrigerwerden der Säulen. In der Nähe der Grenze wurde die Höhe der Uebergangssäulen allmählich so gering, dass man die einzelnen Säulen kaum noch mit blossem Auge erkennen konnte. Es machte den Eindruck, als ob sie hier zusammengedrückt wären. Hierdurch wurde der Contrast und damit die Schärfe der Grenzlinie wesentlich ver- mehrt. Eine eigentliche bindegewebige Abgrenzung, wenn auch nur im oberen Theile, wie Sachs sie beschreibt, konnte ich aber nicht auffinden. Auch die zweite vonSachs hervorgehobene und mit blos- sem Auge wahrnehmbare Besonderheit des Bündels zeigte mein Exemplar. Es liess sich bei Besichtigung der frei präparirten Aussenfläche leicht feststellen, dass im Bereiche des Bündels Säulen unter spitzem Winkel, also keilförmig aufhörten, resp. neue Säulen zwischen den vorhandenen unter spitzem Winkel entstan- den, wenn auch nicht in dem reichen Maasse, wie G. Fritsch es in seiner Fig. 14 auf Taf. VI abgebildet hat. Die freie Endigung der Säulen fand sich übrigens häufig schon im hinteren Theil der gelblichen Säulenmasse im Ueber- gangsgebiet, besonders dort, wo die Säulen so niedrig wurden. Eine weitere Eigenthümlichkeit im Uebergangsgebiet, aber auch im Säulenbündel selbst, war die, dass die einzelnen Säulen bald höher bald niedriger wurden, so dass die hellen, den Längsscheide- wänden entsprechenden Linien sehr unregelmässig verliefen, sich bald von einander entfernten, bald einander näherten, Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electrieus L.) ete. 705 Dieses Verhalten steht ganz im Gegensatz zu dem vor dem Uebergangsgebiet gelegenen breiteren Theile des grossen Organs. Hier ziehen die hellen Linien stets parallel neben einander und verlaufen anfangs horizontal, um sich dann im unteren Theil etwa an der Körpermitte ganz allmählich gegen den Zwischenmuskel zu senken. Wenn hier Verschmelzungen der Linien überhaupt vorkommen, so sind sie jedenfalls sehr selten?). In Figur 1 ist die Lage, die vordere Grenze und die Uebergangszone des Sa chs’schen Bündels dargestellt. In der nach dem Präparat auf ?/, verkleinert gezeichneten Figur musste aber auf Eintragung mancher der oben geschilderten Einzelheiten, be- sonders im Uebergangsgebiet, z. B. der schmaler und niedriger werdenden Uebergangs-Säulen mit ihren Endigungen, verzichtet werden’). Ziemlich dasselbe Verhalten, wie das Berliner Exemplar, zeigten alle meine anderen Gymnoten?), stets war das ganze hintere Stück der grossen Organe modifieirt. Die weitesten Fächer wiesen die oberen Säulen im mittleren Theil des Bündels auf. Bei dem Exemplar von 136 em Länge überschritt die Weite dieser Fächer um etwas 2 Millimeter. Die hintere Spitze wurde von Fächern mittlerer Weite gebildet. Das Ganze machte den Ein- druck eines primitiveren Zustandes, der noch nicht zu der voll- kommeneren, so überaus regelmässigen Ausbildung vorgeschritten ist, wie ihn der vordere Theil des grossen Organs aufweist. Geringfügige Abweichungen kamen allerdings vor. So be- gann bei dem Spiritus-Exemplar von 59 em Länge das Sach s’sche Bündel erst 12 em hinter der Körpermitte; dementsprechend schob sich auch der Keil des normalfächerigen Organtheils weiter nach hinten hin vor. Bei meinem grössten Exemplar (136 em) lag der Anfang 10 em hinter der Mitte des Thieres, während er bei dem kleinsten Exemplar (37,5 em) etwas vor der Körpermitte 1) In Fig. 1 auf Taf. XXXV sind in die Lithographie im vorde- ren Theile des grossen Organes irrthümlich zwei Verschmelzungen hineingekommen, welche im Präparat und in der Originalzeichnung nicht vorhanden waren. 2) Vgl. auch die Anmerkung 2 auf pag. 69. 3) Mein zweitgrösstes Exemplar (115cm) habe ich für diese specielle Untersuchung wegen mehrfacher Verletzung der betreffenden Gebiete nicht benutzen können. 706 E. Ballowitz: sefunden wurde. Auch C. Sachs beobachtete bei einem nur 3l em langen Zitteraale, dass das weitfächerige Bündel schon etwas vor der Körpermitte anfing. Die geschilderte Vergrösserung der Fachweite ist nichts dem Sachs’schen Säulenbündel Eigenthümliches, sie findet sich auch in den kleinen Organen, wenn auch nicht in dem extremen Maasse und, wie es scheint, auch nicht so constant. Schon Du Bois- Reymond hat darauf hingewiesen. So fällt z. B. an meinem sehr gut erhaltenen grössten Exemplar (136 em) im hinteren Theile der kleinen Organe in einer Ausdehnung von 30 em von der Schwanzspitze an gerechnet die Fachweite sofort auf, die in allen Säulen dieser Streeke 1 mm und darüber beträgt. Der Uebergang nach vorne ist aber ein ganz allmählicher, eine Grenz- linie ist nicht vorhanden. Dasselbe zeigt das Spiritusexemplar des Berliner Aquariums, an welchem in der Nähe des Schwanzen- des kleines Organ undSachs’schesBündel genau die gleiche Fach- weite besitzen. Verschmelzungen der Längsscheidewände scheinen hingegen im kleinen Organe selten zu sein. Nach Allem kann ich Du Bois-Reymond nur beistimmen, wenn er dasSachs’sche Säulenbündel nicht als besonderes Organ, wie Sachs es deutete, aufgefasst wissen will, sondern es nur als einen modifieirten Abschnitt der grossen Organe betrachtet. Schliesslich habe ieh auf Körperquerschnitten durch meine Gymnoten auch noch die Anzahl der Säulen in den grossen Organen im Bereich der Körpermitte bestimmt, worauf Du Bois-Rey- mond und G. Fritsch mit Rücksicht auf das Wachsthum der elektrischen Organe grosses Gewicht gelegt haben. Die Querschnitte waren genau durch die Körpermitte der Thiere gelegt. - Die Säulen wurden an der medialen Seite der grossen Organe gezählt und nahm ich die Zählung bei starker Lupenvergrösserung vor, so dass mir keine Säulen entgehen konnten. Es ergab sich Folgendes. Die Anzahl der Säulen betrug bei dem 136 em langen Exemplar links 26, rechts 28; sches Blu links 21; rechts war die Bestim- ” N N mung in Folge von Ge- websverletzung nicht möglich ; 2. a h links 41, rechts 40; Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnötus eleetrieus L.) ete. 707 bei dem 54 em langen Exemplar links 37, rechts 39; BR 1 ONE. k links 48, rechts 46. Man sieht, dass die Säulenzahl bei den kleinen Exemplaren merkwürdigerweise ganz beträchtlich höher ist, als bei den grossen!), ein Resultat, welches mit den Untersuchungen von G. Fritsch übereinstimmt, welcher bei den ihm zugänglichen Gymnoten fest- stellte, dass die grösste Säulenzahl den kleinen Individuen ange- hört. Ganz besonders fiel mir bei den kleinen Stücken, vor Allem bei dem kleinsten, auf, dass sich die Säulen oben und noch weit mehr unten im grossen Organ zusammendrängten. Bei dem kleinsten Thier waren hier die Säulen so schmal, dass sie nur mit starker Lupenvergrösserung wahrgenommen werden konnten. Es ist mir nun durchaus wahrscheinlich, dass die Reduction der Säulenzahl bei dem Wachsthum des Thieres nicht durch Verschmelzung, sondern durch Schwund der Säulen erfolgt, und vermuthe ich, dass es die oberen und besonders die unteren schmalen Säulen sind, welche zu Grunde gehen, während die mittleren durch Wachsthum sich vergrössern und dadurch die oberen und unteren zum Schwunde bringen. Dass die Höhe der mittleren Säulen (Abstände der Längsscheidewände) von der Grösse der Thiere abhängt, wurde oben von mir hervorgehoben. . Jedenfalls steht dies Ergebniss im Einklang mit dem von Delle Chiaje und Babuchin aufgestellten „Satz von der Präformation der elektrischen Elemente“ (Du Bois-Reymond l.e.pg. 31), wonach die Säulen postembryonal keine Vermehrung erfahren, sondern nur durch allmähliche Zunahme an Masse und Grösse wachsen. Weit schwieriger dürfte es sein, die Gültigkeit dieses Satzes auch für die elektrischen Platten bei Gymnotus nachzuweisen. Um hierfür Anhaltspunkte zu gewinnen, würde es darauf an- kommen, bei kleinen und grossen Exemplaren die Zahl der Ele- mente in den Säulen zu bestimmen, die Fachweite und Platten- dieke festzustellen und die Ausmaasse unter sich und mit der Körper- resp. Organgrösse zu vergleichen; besonders müssten 1) Dies Resultat steht im Widerspruch mit der Angabe von C. Sachs, wonach die Säulenzahl bei kleinen Fischen dieselbe wie bei den grössten sein soll. Wie mir scheint, untersuchte C. Sachs aber nur flüchtig und berücksichtigte nur ein kleines Exemplar von 3lcm Länge, an welchem er jedenfalls die enggestellten Säulen übersah. Archiv f, mikrosk. Anat. Bd. 50 45 708 E. Ballowitz: auch die Uebergangsgebiete im hinteren Theile des Schwanzes einer genauen Untersuchung unterzogen werden. Das setzt ein grosses und vor Allem nach den gleichen Methoden gleichmässig fixirtes und gleich gut conservirtes Material voraus. Da hierzu meine Exemplare nicht ausreichten, konnte ich dieser Frage nicht näher treten. Ich will nur erwähnen, dass die Fachweite, in der Richtung von vorne nach hinten im vorderen Theile des grossen Organes in mittlerer Höhe an sagittalen Schnitten gemessen, bei meinem kleinsten Exemplar von 37,5 cm im Durchschnitt 0,08 bis 0,096 mm betrug, während sie bei meinem längsten, fast vier- mal so grossen Stück (136 em), knapp noch einmal so gross ge- funden wurde, nämlich 0,128—-0,160 mm. Bei dem Exemplar von 65 cm Länge hatte die Fachweite ein Ausmaass von im Durchschnitt 0,096—0,104 mm. Bei der Untersuchung der Querschnitte fiel mir auch die sehr ungleiche Vertheilung der Pigmentirung in den elektrischen Organen bei den einzelnen Individuen auf. G. Fritsch hat zuerst erwähnt, dass sich innerhalb der Längsscheidewände in den grossen und kleinen Organen grosse Pigmentzellen vorfinden. Auch ich fand diese Pigmentzellen in den Längsscheidewänden und der Hülle der grossen und klemen Organe, aber nicht bei allen Individuen und in sehr unregelmässiger Vertheilung. So erschienen auf den Querschnitten durch mein grösstes Exemplar (136 em) die elektrischen Organe rein gelblich-weiss, Pigmentzellen waren’ so gut wie gar nicht vorhanden. Auch die beiden Berliner Exem- plare (54 und 65 cm) zeigten nur sehr wenig Pigmentzellen. Zahl- reicher waren sie bei dem Gymnoten von 59 em Länge, sodass die Mitte seiner grossen Organe leicht grau aussah. Am reich- lichsten fand ich sie bei meinem kleinsten Exemplar (37,5 em), besonders im unteren Theile der grossen Organe dort, wo sich die oben erwähnten sehr schmalen Säulen befanden. Diese Stelle fiel sofort durch ihre dunkel schiefergraue Färbuug in die Augen. Die grossen Pigmentzellen lagen hier in einer Schicht neben einander in der Hülle und den Längsscheidewänden, sodass da- durch die Säulen sehr scharf von einander abgegrenzt wurden und mit der Lupe leicht abgezählt werden konnten. Die Quer- scheidewände waren auch hier, wie bei allen anderen Gymnoten, stets frei von Pigment. Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electricus L.) ete. 709 Mikroskopische Anatomie der elektrischen Organe. Wie im vorigen Abschnitte erwähnt wurde, beherbergt ein jedes Fach der Säulen eine elektrische Platte (elektrisches Ele- ment), welehe in ihm vertical aufgehängt und befestigt ist. Da eine jede Platte genau dieselbe Flächenausdehnung wie ihr zu- gehöriges Fach hat, so deckt sich die Form der Platte mit der Form ihres Faches. Jede Platte ist demnach ein schmales, dünnes, bandartiges, transversal gestelltes Gebilde von vierseitiger Be- srenzung. Der obere und untere längere Rand des Bandes ist an den zugekehrten Längsscheidewänden befestigt, die beiden schmalen Ränder stossen lateral und medial an die Organhülle, seine eine Fläche sieht nach vorne, die andere nach hinten. Die Grösse und Form der Plattenbänder ist verschieden, je nach der Region, in welcher die zugehörigen Fächer liegen. Von dem hinteren Schwanztheil abgesehen, sind sie am kürzesten in den kleinen Organen und im untersten Abschnitt der grossen. Hier und im obersten Theile der grossen Organe verlaufen sie etwas gebogen. Ihr medialer Abschnitt ist ein wenig schmäler als ihr laterale. Ob die Platten in vivo genau vertical gestellt sind oder sich nach vorne ein wenig vorwölben, wie es in den Präparaten nicht selten beobachtet wird, ist schwer zu entscheiden, da man nicht weiss, ob die letztere Erscheinung nicht durch Reagenswirkung bedingt ist. Die folgenden Mittheilungen beziehen sich auf die Struktur der Platten in dem engfächerigen, vorderen, grössten Theile der grossen Organe. Leider ist mir von den kleinen Organen und dem Sachs schen Säulenbündel mein gut fixirtes Material ver- unglückt. Soweit ich aber bei der Untersuchung meines minder- werthigen, von diesen Organtheilen stammenden Materials noch feststellen kann, verhalten sich kleines Organ und Sachs ’sches Bündel in allem Wesentlichen ebenso, wie die grossen Organe, abgesehen von der grösseren Weite der vorderen Gallert- räume und der modifieirten Papillenform, welche für das Sachs- sche Bündel von Sachs und Du Bois-Reymond als ab- weichend hervorgehoben wurden (l. e. pg. 53). Wie wir oben gesehen haben, ist die Anordnung der Fächer und Platten hier eine äusserst regelmässige, fast mathematisch genaue. Für die mikroskopische Untersuchung wird die Orientirung 710 E. Ballowitz: der Schnittrichtung daher leicht. Die Schnitte wurden von miı in drei Richtungen durch das elektrische Organ gelegt: in hori- zontaler, in sagittaler (parallel der Medianebene des Thieres) und in transversaler Richtung. Die beiden ersteren lieferten senkrechte Durchschnitte der Platten, die letzteren Flächenschnitte. Sehr instruktiv sind auch Schrägschnitte durch die Platte und kamen ddes Oefteren zur Anwendung (vergl. Fig. 10 auf Taf. XXXVID. Figur 2 auf Taf. XXXV stellt bei schwacher Vergrösserung einen Sagittalschnitt durch mit absolutem Alcohol fixirtes und mit Hämatoxylin gefärbtes Material dar. V bedeutet vorne, 4 hinten. Bei LS sind zwei Längsscheidewände getroffen, in ihnen finden sich die Durchschnitte durch die gröberen Nerven und Gefässe. Sie begrenzen ein Stück einer horizontal liegenden Säule ($); von den beiden darüber und darunter gelegenen Säulen sind die an- grenzenden Theile mitgezeichnet. Senkrecht zu den Längsscheide- wänden sieht man die zarten Querscheidewände (QS) ausgespannt, welche die Fächer (7) vorne und hinten begrenzen, in Sagittalschnit- ten durch Alkoholmaterial indessen nicht sehr deutlich hervortreten. Als Inhalt eines jedes Faches erkennt man je eine Platte (P), welche in diesem Alkoholmaterial etwas geschrumpft ist (siehe unten). Die Platte füllt das Fach nicht ganz aus. Vorne bleibt ein schmaler Raum, welcher von dem vorderen Gallertgewebe (VG) eingenommen wird. Auch hinter der Platte befindet sich im Fach eine noch breitere Schicht von Gallertgewebe, das hintere Gallert- gewebe (HG), in welchem ausschliesslich die Gefässe und Nerven gefunden werden. Die letzteren treten nur an die hintere Platten- fläche heran, niemals an die vordere, wie schon von Pacini!) fest- gestellt wurde. Weder Gefässe noch Nerven dringen in die Platte selbst ein. Fig. 3 auf Taf. XXXV zeigt einen Horizontalschnitt durch die Mitte einer Säule, also senkrecht zu der Ebene der vorigen Ab- bildung (mit Flemming’scher Lösung fixirtes und mit Hämato- 1) Pacini, Sulla Struttura intima dell’ Organo elettrico del Giinnoto e di altri Pesci elettriei. Gazetta medica italiana federativa. Firenze 1852. —Derselbe, Sur la structure intime de l’organe &leetrique de la Torpille, du Gymnote et d’autres poissons, sur les conditions @lectromotrices de leurs organes &lectriques et leur comparaison re- spective avec la pile thermo-£lectrique et la pile voltaique. Archives des seiences physiques et naturelles. Tome 24, Geneve 1853, pag. 313. Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electricus L.) ete. 71 xylin gefärbtes Material). Querscheidewände (Q5), Fächer (F') und Platten (P) sind der Länge nach getroffen. Der vor und hinter der Platte gelegene, mit Gallertgewebe (VG, HG) erfüllte Fachraum ist sehr deutlich. Durehschnitte durch Gefässe und Nerven sind nur im hinteren Fachraum sichtbar. Fig. 5 und 6 auf Taf. XXXVlI sind denselben Präparaten, wie Fig. 2 und 3, bei stärkerer Vergrösserung entnommen. Besonders in Fig. 6 (Flemming’sche Lösnng) imponirt der hinter der Platte gelegene Fachraum mit seinem Gallertgewebe (H @) und den Nervenquerschnitten als besonderer Abschnitt des Faches, während er in dem Alkoholpräparat (Fig. 5) mehr eingeengt erscheint. M. Sehultze hat die Existenz dieses schon von Pacini gesehenen hinteren Fachraumes bestritten und behauptet, dass sich die Bindegewebsmasse der Querscheidewand der Hinterfläche der Platte dieht anlagere. C.Sachs hat dagegen diesen Raum am frischen Material ebenso gesehen und beschrieben, wie ich ihn in meinen mit Sublimat, Flemming’scher Lösung und Gold- ehlorid behandelten Präparaten überall antreffe. Nur in Alkohol- Präparaten wird er bisweilen undeutlich, weil durch Behandlung des frischen Gewebes mit Alkohol nieht allein eine Schrumpfung der Platten, sondern auch des ganzen Organgewebes eintritt. Das zeigt z. B. ein Vergleich der Fig2 (Alkohol) mit Fig. 3 (Flem- ming sche Lösung), welche beide bei derselben Vergrösserung in gleichem Grössenverhältniss gezeichnet wurden. Dabei kann das sehr zarte, wasserhaltige Gallertgewebe am meisten in Mit- leidenschaft gezogen werden. Ein derartiges, im hinteren Fach- raum sehr stark geschrumpftes Stück hat jedenfalls M. Schultze vorgelegen. Bei Betrachtung der Plattendurchschnitte fällt sofort auf, dass ihre beiden Flächen mit Hervorragungen, welche vorne und hinten verschieden gestaltet sind, dieht besetzt erscheinen. Die Form der vorderen Protuberanzen ist leicht zu er- kennen und schon von Paeini und besonders M. Schultze zutreffend beschrieben worden. Ein Blick auf die Abbildungen Fig. 2, 3 auf Taf. XXXV und Fig. 5 und 6 auf Taf. XXXVI zeigt, dass es parallel neben einander stehende, im Allgemeinen einen ziemlich regelmässigen Eindruck machende, dieke Papillen sind, welche vorne mit meist abgerundeter Kuppe frei endigen. Ihr vorderer Abschnitt ist gewöhnlich kaum schmäler als ihre Basis. 112 E. Ballowitz: Ihre Form ist nicht rein eylindrisch oder kegelförmig, sondern wird durch Rinnen und Einschnitte unregelmässiger, wie am besten Querschnitte oder sehr flache Schrägschnitte der Platte zeigen. In Fig. 10 auf Taf. XXXVII sind in einem der- artigen Schrägschnitte (Flemming’sche Lösung, Hämatoxylin) im Bereiche von PSch die Papillen der Quere nach getroffen. Die Papillen sind durch Einschnitte von einander getrennt, welche zwischen den Basen der Papillen zu engen Spalten werden. In diesen Einschnitten berühren sie sich mit dem grössten, Theil ihrer Seitenflächen oder treten doch sehr nahe an einander heran. Die grösseren Papillen sind oft durch secundäre, seichte Ein- schnitte in kleinere Papillen abgetheilt. Das geschilderte Aussehen fand ich an mit Flemming- scher Lösung, Sublimat und Goldcehlorid behandelten Präparaten; besonders in letzteren sahen die Papillen glatt, abgerundet und saftig aus. In Alkoholpräparaten tritt durchgehends eine Schrum- pfung der Papillen ein, in Folge dessen die Einschnitte zwischen ihnen meist weit klaffen und zu breiten Thälern werden, wie Fig. 2 und 5 auf Taf. XXXV und XXXVI (Alkohol-Material) zeigen. Dies gilt auch ganz besonders für das Material, welches Pacini benutzt hat. Diese Zone der Platte bezeichne ich als Papillenschicht. Ganz anders sieht die Hinterseite der Platte aus, zu welcher allein die Nerven treten. Die sehr zahlreichen Fortsätze, welche sich hier vorfinden, sind sehr unregelmässig, von verschiedener Grösse und Form. Häufig sind kleine, schmale, kegelförmige Erhebungen, die grösser werden können und oft am Ende angeschwollen sind. (Vergl. Fig. 2, 3 auf Taf. XXXV und Fig. 5 und 6 auf Taf. XXXVI.) Diese vermitteln den Uebergang zu ganz langen Fort- sätzen, welche den hinteren Gallertraum durchsetzen und bis an und in die Bindegewebsmasse der Querscheidewände vordringen. Ihre Form ist sehr mannigfaltig, macht aber im Allgemeinen den Eindruck von Zotten. Besonders erinnern sie in Flächenschnitten an die Form der Darmzotten. Das zeigt z. B. Fig. 9 auf Taf. XXXVII, welche einen etwas diekeren Flächenschnitt durch die hintersten Enden dieser Fortsätze aus einem Goldpräparate darstellt; in Goldpräparaten färben sich die Zotten meist gut und treten sehr deutlich hervor. Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electrieus L.) ete. 713 Für diese hintere Zone der Platte schlage ich daher die Bezeichnung Zottenschicht vor. An anderer Stelle’) habe ich bereits näher ausgeführt, dass die Form der langen Zotten (Prolungamenti spiniformi nach Paeini, Dornpapillen nach Du Bois-Reymond) von den früheren Untersuchern sehr wenig zutreffend beschrieben worden ist. Ich finde also an der Hinterfläche nur eine Art von Fort- sätzen, nämlich die Zotten, und unterscheide unter ihnen kurze und lange, welche durch Zwischenformen unter sich verbunden sind. M. Sehultze konnte an seinen Präparaten nur “kurze Fortsätze erkennen und bestreitet das Vorkommen von langen, welche von Pacini als besondere Art (Prolungamenti spini- formi) unterschieden wurden. Offenbar ist dieser negative Be- fund des Autors auf denselben Grund zurückzuführen, aus welchem M. Schultze die Existenz des hinteren Gallertraumes läugnen musste, dass nämlich die hintere Gallertmasse in seinem Material stark geschrumpft war. Dadurch waren naturgemäss auch die Fortsätze in diesem Raum in Mitleidenschaft gezogen, waren theils geschrumpft, theils zusammengedrückt und unschein- bar geworden, ein Process, der in seinen ersten Anfängen auch in meiner Abbildung 5 (Alkoholmaterial) schon zu erkennen ist, wenn man sie mit der danebenstehenden Fig. 6 (Flemming ’'sche Lösung) vergleicht. An Präparaten mit stark geschrumpftem Gallert- gewebe habe ich ganz ähnliche Bilder, wie M. Schultze, erhalten. Die langen, schmalen Zotten verlaufen nur seltener direct von vorne nach hinten. Gewöhnlich sind sie schräg umgebogen, besonders an ihren hinteren Enden, oft sind sie auch gewunden. Man erhält daher in senkrechten Plattendurchsebnitten häufig isolirte Querschnitte der umgebogenen Zottenenden, z. B. in Fig. 5, 6 und 7 bei ZQ auf Taf. XXXVI. Eine Theilung der Zotten kommt vor, aber nicht sehr häufig, stets sind dann aber nur wenige Theiläste vorhanden. Eine netzförmige Verzweigung der Enden im Bindegewebe der Querscheidewände, welche von C. Sachs ver- muthet wurde, weil er in dem frischen Gewebe die freien Enden der Zotten nicht erkennen konnte, habe ich niemals gesehen. Nur in der Nähe der Basis traf ich eine gegenseitige Verbindung der 1) E. Ballowitz, Ueber die sogenannten „Dornpapillen“ im elektrischen Organ des Zitteraales (Gymnotus eleetrieus L.). Anatom. Anzeiger, XIII. Bd. Nr. 23, 1897. 714 E. Ballowitz: Zotten durch frei von einer zur anderen ziehende Queranastomosen, doch ist das recht selten. Die Oberfläche der kleinen, besonders aber der langen Zotten sieht sehr uneben aus und besitzt zahlreiche Eindrücke und Rinnen, hervorgerufen durch die Nerven, welche, wie wir unten sehen werden, den Zotten oft dicht angelagert sind. Besonders gilt dies für die meist etwas knollig verdickten Enden der langen Zotten. Die Basen der Zotten fliessen an ihrem Ursprunge mehr oder weniger netzförmig zusammen, wie schon Paceini gesehen und abgebildet hat, wenn auch nicht sehr zutreffend, weil er nur schlechtes, in der Plattensubstanz stark geschrumpftes Material zur Verfügung hatte. Die übrigen Untersucher erwähnen dieses Verhalten nicht. Hierfür sehr in- structive Bilder geben flache Schrägschnitte durch die Platte, wie Fig. 10 auf Taf. XXXVII zeigt. Im Bereiche von ZSch ist die Zottenschicht getroffen. Ganz rechts liegen die Querschnitte der langen Zotten, eingebettet in das hintere Gallertgewebe, und geben Aufschluss über ihre Gestalt. Nach links hin werden die Querschnitte allmählich dicker und zahlreicher und fliessen schliesslich an den Ursprüngen der Zotten zu einer sehr ver- worrenen Netzzeichnung zusammen. Die ganze Zottenbildung erinnert sehr an die Configuration der Platten-Hinterfläche bei gewissen Raja-Arten, nur mit dem wichtigen Unterschiede, dass bei letzteren die Nerven an diese Fläche nieht herantreten, sondern die ganz glatte Vorderfläche aufsuchen. An den vier Anheftungsstellen der Platte fehlen Papillen und Zotten vollständig, der obere, untere, mediale und laterale Rand der Platte ist mithin glatt und verläuft meist ziemlich geradlinig. (Vergl. Fig. 2 auf Taf. XXXV und Fig. 5 auf Taf. XXXVL) Paeini!) hat schon darauf aufmerksam gemacht, dass die 1) „La surface de chaque bord est rendue plus &tendue par la presence de deux cellules en cerete de coq marginales, l’une supe£ri- eure, l’autre inferieure, qui en se prolongeant sur toute la longueur de chaque bord du corps cellulaire, se tiennent en contact et adherent A la surface correspondante des cloisons aponevrotiques.“ — Paeini, Sur la structure intime de l’organe &lectrigue de la Torpille, du Gymnote et d’autres poissons, sur les conditions &leetromotrices de leurs organes &lectriques et leur comparaison respective avec la pile thermo-eleetrique et la pile voltaique. Archives des sciences physiques et naturelles, Tome 24, Geneve 1853, pag. 313. Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electrieus L.) ete. 715 Platten sich vorne und hinten in einer Leiste erheben, dort, wo sie sich an die Scheidewände und die Organhülle ansetzen. Diese „Aufkrempung“ des Randes, wie G. Fritsch sie nennt, finde auch ich in allen meinen Präparaten; besonders hoch wird sie in dem geschrumpften Alkoholmaterial. Es sieht aus, als wäre der Rand der Platte den Wandungen des Faches stark angedrückt, sodass die Plattenmasse vorne und hinten vorquellen musste. Die den Fachwänden zugekehrte Fläche dieser etwas unregelmässigen Randleiste, welche auf senkrechten Plattendurch- schnitten als Fortsatz erscheint (vergl. Fig. 2 bei R und Fig. 5), ist glatt und eben, wie der Plattenrand selbst, ihre andere Seite dagegen uneben und höckerig, bisweilen mit den Plattenfort- sätzen zusammenhängend. Die Randleisten je zweier benach- barter Fächer rücken einander sehr nahe, oft fast bis zur Be- rührung. Eine unmittelbare Berührung oder gar ein Zusammen- fliessen findet aber nicht statt, sodass die Platten stets isolirt bleiben. Zwischen der Papillen- und Zottenschicht lässt sich schliesslich noch eine dritte Gewebslage unterscheiden, welcher die Papillen und Zotten gewissermaassen aufsitzen; ich bezeichne sie als Mittelschicht (MSch der Figuren). Ihr Gewebe geht continuirlich in das der Papillen und Zotten ohne jede Grenze über. Die Abgrenzung der Mittelschicht wird daher nur durch den Grund der Einschnitte zwischen den Papillen und Zotten gegeben und ist eigentlich eine künstliche, wenig ge- rechtfertigte; ich wähle sie auch nur mit Rücksicht auf die Uebersichtlichkeit und leichtere Beschreibung. Die ganze Platte mit allen ihren Fortsätzen wird von einer strukturlosen Haut, dem Electrolemm, umgeben. Ohne Zweifel ist diese Membran, wie bei Raja, hervorgegangen aus dem Sarco- lemm der ursprünglich quergestreiften Electroblasten, sei es nun, dass die elektrische Platte bei Gymnotus aus einem oder aus der Umwandlung und Verschmelzung zahlreicher Eleetroblasten entstanden ist!). Das Electrolemm (EZ in Fig. 7, 8 und 10 auf 1) Wie Babuchin zuerst feststellte und von späteren Unter- suchern mehrfach bestätigt wurde, entsteht eine jede elektrische Platte bei Torpedo und Raja aus der Umwandlung je eines ursprünglich quergestreiften Elektroblasten, während sie sich bei den Mormyriden nach Bubuchin aus mehreren mit einander verschmelzenden, quer- gestreiften Bildungszellen hervorbilden soll. 716 E. Ballowitz: Taf. XXXVI u. XXXVII) liegt der Platte überall dicht an und erscheint auf dünnen Schnitten als sehr deutliche, schmale, dunkle Randlinie. Eine Ablösung, wie ich sie bei Raja so häufig be- obachtet habe, konnte ich beim Zitteraale niemals, auch nicht in Osmiumpräparaten, eonstatiren. An den papillenlosen Anheftungs- stellen der Platte und an der Spitze der langen Zotten ist die Membran dünn; besonders dick erscheint sie an der Oberfläche der Papillen. Hier hat sie schon ©. Sachs erkannt und an frischen Zupfpräparaten zur Ablösung gebracht. Es heisst dort (l. e. pag. 44): „An einem Object, das 24 Stunden in eoncen- trirter Pikrinsäurelösung mit wenig Carmin gelegen hatte, ge- lang es scheinbar, eine Hülle an den Papillen sich abheben zu sehen; sie war nicht doppelt contourirt, also unmessbar fein und auch nur an wenigen Stellen sichtbar. Osmiumstücke (eine Stunde Aufenthalt in einprocentiger Lösung) bleiben weich, lassen sich aber gut schneiden. Das Vorhandensein einer feinen Hülle der Papillen schien sich auch hier zu bestätigen, nicht bloss durch mehrfache Abhebungsbilder, sondern vor Allem dadurch, dass sich an einem Querschnitt Stücke von Papillen vorfanden, an welchen durch den Schnitt ein Theil des Inhaltes herausgestreift war, sodass die leere Hülle, in diesem Falle doppelt contourirt und etwa 0,5u dick, zurück blieb.“ Siehe auch 1. e. Fig. 19 und 20 auf pag. 44. Das Electrolemm umschliesst das specifisch elektrische Ge- webe der Platte, welches bei dem Zitteraal, im Vergleich mit der dünnen Platte von Torpedo, ganz enorm entwickelt ist. Wie bei Torpedo und Raja!), so fand ich auch hier, dass das speecifisch elektrische Gewebe sich aus einem äusserst feinmaschigen, aus feinsten, körnchenhaltigen Fädchen gebildeten Gerüstwerk zu- sammensetzt, dessen zwischen den Fädcehen befindliche, unter sich kommuniceirende Räume von einem mehr flüssigen Inhalt eingenommen werden. Das habe ich am deutlichsten und ganz übereinstimmend an dünnen (— 3—4 u dieken) Schnitten durch mit Flemming’scher Lösung und Sublimat fixirtes Material fest- stellen können, wenn ich die Schnitte mit stark tingirenden Anilinfarben, z. B. Säurefuchsin, Gentianaviolett u. a., oder auch 1) Vgl. auch: E. Ballowitz, Ueber die Uebereinstimmung des feineren Baues der elektrischen Organe bei den starkelektrischen und schwachelektrischen Fischen. Anat. Anzeiger, 1897, XIII. Bd., Nr. 4 u.5. ur Se Lin BT BEE Zr vrögi Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electrieus L.) ete. 717 mit Hämatoxylin intensiv färbte und in Wasser bei Oel-Immersion untersuchte; jede Stelle zeigte das tingirte Fadenwerk auf das deutlichste. Canadabalsam hellte die Präparate regelmässig zu stark auf. In Fig. 7 und 8 ist diese zarte Struktur genau nach dem Präparat gezeichnet !). Das feinfädige Gewebe ist im Allge- meinen ganz gleichmässig und bildet, von anderen noch zu schildernden Strukturbestandtheilen abgesehen, in gleicher Weise die Substanz der Mittelschicht, der Papillen und der Zotten; die Fädehenmasse der Mittelschieht hängt eontinuirlich ohne jede Abgrenzung mit der der Papillen und Zotten zusammen. “Die Maschen des Netzgerüstes sind meist sehr eng, bisweilen, be- sonders an den Rändern der Platte, etwas weiter. Die Fädchen lassen sich bei guter Beleuchtung auf das deutlichste unter- scheiden und in ihren gegenseitigen Verbindungen erkennen. Die _ in die Fädehen eingelagerten Körnchen sind sehr klein, treten aus der Begrenzung der Fädehen wenig hervor und sind bald spärlich, bald reichlicher vorhanden. Am deutlichsten werden sie, wenn die Fädehen in den Präparaten anfangen zu ver- blassen. Sie dürfen nicht mit den optischen Durehsehnitten von Fädchenästen verwechselt werden. Dieses zarte, feine Gerüstwerk zeigt an bestimmten Stellen Modificationen. Das wird am auffälligsten am Grunde der Ein- schnitte zwischen den Papillen. An mit Anilinfarben oder Häma- toxylin tingirten Schnitten senkrecht zu der Plattenfläche sieht man, dass von den genannten Stellen in die Mittelschieht nach hinten hin stärker gefärbte Fibrillenzüge ausstrahlen, die wie Büschel oder Besen aussehen und schon bei schwächerer Ver- grösserung auffallen. Siehe Fig. 6 auf Taf. XXXVI (schwächere Vergrösserung) und besonders Fig. 7 und 8 auf derselben Tafel (Immersion) bei FB. Die Grösse der Büschel hängt von der Ausdehnung der Einschnitte ab. Die einzelnen Fädchen mit ihren Verästelungen sind sehr leicht zu unterscheiden und auf lange Strecken hin zu verfolgen; sie ziehen garbenartig ziemlich 1) NB. in den Originalzeichnungen! Da die Originalzeichnungen der Fig. 7 und 8 bei der lithographischen Reproduktion aber um !/; verkleinert wurden, so ist das feine Maschenwerk der Fädchen, wie ich betonen muss, zu grob und zum Theil zu grossmaschig ausgefallen, weil die feinen Maschen und sehr zarten Fädchen bei der Verkleine- rung nicht entsprechend mitverkleinert worden sind. 718 E. Ballowitz: weit nach hinten, oft bis an die hintere Grenze der Mittel- schicht. Ihre gegenseitigen Verbindungen stellen ein sehr deut- liches Netzgerüst her. Auch lässt sich genau feststellen, dass die Fädchen der Büschel direet in die übrige, blasser gefärbte Fädehenmasse der Mittelschicht übergehen. Da die Ursprungsstellen der Fädchen, die Grenzspalten zwischen den Papillen, von der Fläche gesehen zu einem Netz zusammenfliessen, zeigen Flächenschnitte durch diese Region auch eine durch die stärkergefärbte Fibrillenmasse bedingte grobe Netz- zeichnung, welche bei Hämatoxylinfärbung sogar noch in Balsam- präparaten deutlich sichtbar bleibt. Das ist in Fig. 10 auf Taf. XXXVII an einem ziemlich flach geführten Schrägsehnitt durch die Platte sehr hübsch zu sehen. Man erkennt links an dem Ueber- sangsgebiet der Mittelschicht (AZ7Sch) in die Papillenzone (PSch) eine zarte, weitmaschige Netzzeichnung (FN), welehe durch die inten- siver gefärbten, senkrecht durchschnittenen, aus den Papillen- grenzen entspringenden Fibrillenzüge hervorgerufen wird. Etwas weiter nach links gegen die Papillen hin trifft man in der Mitte der Netzzüge (bei X) eine scharf hervortretende Linie, welche noch weiter nach links alsbald doppelt wird; das ist das Eleetro- lemm, welches die Oberfläche der Papillen im Grunde der Spalten überzieht. An einer Stelle ist eine Spalte etwas tiefer zwischen die Papillen eingedrungen, sodass in der Netzzeichnung ein kleineres isolirtes Stück des gefärbten Eleetrolemms gefunden wird. Solche Stellen bringen das Eleetrolemm ganz besonders deutlich zur Anschauung. Ich erhielt oft den Eindruck, als ob diese Membran im Grunde der Spalten etwas verdickt wäre. Die Fädehen der Büschel unterscheiden sich also von der übrigen Fibrillenmasse der Mittelschicht in erster Linie dureh ihr stärkeres Färbevermögen mit Anilinfarben und Hämatoxylin. Vielleicht sind sie auch etwas dieker; jedenfalls sind die einge- lagerten Körnehen hier reichlicher und oft grösser. Auch in Gold- präparaten tingiren sie sich sehr schön geranienroth, während im übrigen die Mittelschicht ungefärbt bleibt. Am auffälligsten aber ist, dass nur die Büschelfibrillen allein sich mit Chromsilbersalzen imprägniren. In fast allen meinen Golgi-Präparaten ‚waren, wie senkrechte Durehschnitte lehrten, nur diese und höchstens noch die unmittelbar daran- stossenden Fädchenmassen inkrustirt. An solchen Stellen traten Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electrieus L.) ete. 719 dann mit aller nur wünschenswerthen Präcision, die ich für dieses zarte Gewebe schon an anderem Orte!) gerühmt habe, die Fädehen mit ihren Körnehen und mit ihren gegenseitigen Ver- bindungen hervor; sie zeigten dieselbe Anordnung, wie sie oben nach mit Sublimat und Flemming’scher Lösung fixirten Prä- paraten beschrieben wurde. Auch machte dies elektrische Ge- webe des Zitteraales genau denselben Eindruck, wie die von mir bei Torpedo?) und Raja°’) beschriebene und abgebildete Struktur. Die Golgi’sche Methode brachte mir demnach bei Gymnotus eine willkommene, wenn auch nach meinen Feststellungen an “dem anderen Material überflüssige Bestätigung. Jedenfalls folgert aber aus dieser Uebereinstimmung, dass die Golgi’sche Methode mir kein Artefact geliefert hat. In Flächenschnitten der Platten von nach der Golgi’'schen Methode behandeltem Material (siehe Fig. 4 auf Taf. XXXV [Immersion]) muss man daher dieselbe grobe Netzzeichnung wiederfinden, welche ich oben an einem Schrägschnitt durch mit Flemming’scher Lösung fixirtes Gewebe beschrieben habe, wie ein Vergleich der Fig. 4 auf Taf. XXXV mit Fig. 10 auf Taf. XXXVII sofort zeigtt). Nur sind in dem Golgi-Präparat (Fig. 4) die Fädehen mit ihren Körnchen braun gefärbt und treten mit ihren gegenseitigen Verbindungen ausserordentlich scharf hervor. Das von der inkrustirten Fadenmasse gebildete Netz sieht bei schwacher Vergrösserung dunkelbraun aus. Die hellen Lücken im Netz entsprechen auch hier den Papillen- anfängen, deren centrales Gewebe nicht inkrustirt ist. Solche Netze von imprägnirten Fibrillenbüschen kamen in den Golgi-Präparaten oft sehr vollständig zur Darstellung, so dass sie sich auf grosse Strecken der Platte ausdehnten. Ausser- dem fanden sich in den Golgi-Präparaten nur noch von schmalen, glatten Linien gebildete Netzzeichnungen von gleicher Anordnung 1) E. Ballowitz, Ein Beitrag zur Verwendbarkeit der G olgi- schen Methode. Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie, Bd. XIII. 1896. pag. 462---467. 2) l. ec. pg. 477 und folgende. 3) l. e. pg. 296 und folgende. 4) Auch in Flächenschnitten durch vergoldete Platten tritt die- selbe Netzzeichnung in Folge der Tinction der Fibrillenbüschel sehr schön hervor. ; 7120 E. Ballowitz: und zwar oft sehr reichlich. Diese waren dadurch entstanden, dass sich Chromsilbersalze entweder im Grunde der Spalten zwischen den Papillen oder im Electrolemm dieser Spalten selbst niedergeschlagen hatten, das liess sich nicht mit Sicherheit ent- scheiden. Häufig waren diese Linien auch innerhalb der von inkrustirter Fibrillenmasse gebildeten Netzzeichnung sichtbar, sodass wieder ganz dieselben Zeichnungen vorlagen, wie in dem Schrägschnitt der Fig. 10 (siehe oben). Es machte sogar den Eindruck, dass die Reaction meist zuerst in oder an den Spalten erfolgt war und dass sich erst von dort aus die Inkrustation auf die Fibrillenbüschel fortgesetzt hatte. Die Fibrillenbüschel sind nun nicht die einzige Modifikation des Fadengerüstes in der Platte. Auch an der Oberfläche der Papillen innerhalb des Electrolemms zeigen die Fädchen eine be- sondere Anordnung (s. Fig. 7 und 8 auf Taf. XXXVD). Die Fädchen- masse läuft hier in Enden aus, welche sich parallel dicht neben ein- ander senkrecht zur Oberfläche der Papillen anordnen und mit der Innenfläche des Electrolemms fest vereinigt erscheinen. Ob sie das Electrolemm in feinen Poren durchsetzen, vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls erhält man bei Flächenansicht der Papillen in sehr feinen Schnitten eine äusserst dichte, sehr zarte und feine Punktirung, die bedingt wird durch die optischen Querschnitte der Fädchen. Die parallel gestellten Fädchenenden gehen kon- tinuirlich in die Fädehenmasse des Inneren über, wie ich auf das bestimmteste feststellen konnte. Auch im Grunde der Ein- schnitte zwischen den Papillen findet ein allmählicher Uebergang in die oben beschriebenen Fibrillenbüschel statt. Diese Anord- nung ist oft so regelmässig, dass die Fibrillenmasse am Rande der Papillen wie gekämmt aussieht (Fig. 7 und 8). Natürlich lassen sich diese Verhältnisse nur in sehr feinen (—3 u dieken) Schnitten, die senkrecht zur Plattenfläche verlaufen, bei inten- sivster Färbung erkennen. Ich wählte dazu intensive Hämatoxy- linfärbung oder violette Anilinfarben bei Untersuchung in Wasser. Ebenso wie die Fibrillenbüschel, färben sich auch die Fädchen- anfänge und die benachbarten Theile des Netzgerüstes bei Gold- behandlung geranienroth, sodass die Papillen in den Goldpräpa- raten sehr hübsch begrenzt hervortreten. Diese ganze Bildung erinnert sehr an die ebenso angeord- neten, in ihren Anfängen parallel nebeneinander und senkrecht Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus eleetrieus L.) ete. 721 zur Oberfläche verlaufenden Fädehen, welehe ich an der Hinter- fläche der elektrischen Platte von Raja aufgefunden habe). Auch hier sind die Fädehen mit dem Eleetrolemm fest vereinigt und zwar so fest, dass sie bei den hier oft zur Beobachtung kommen- den blasenartigen Abhebungen des Electrolemms lang ausgezogen wurden und den Blasenhohlraum dann durchsetzen. Durch die parallele Anordnung der Fädchen wird natur- gemäss an der Papillenoberfläche unter dem Eleetrolemm eine Streifung bedingt, welche, besonders in diekeren Schnitten, den Anschein erwecken könnte, als ob hier Stäbchenbildungen vor- lägen. Ich selbst war auch in der ersten Zeit unsicher, ob nicht in diesem dichten Filz doch noch Stäbchen steckten, welche hauptsächlich die Streifung bedingen könnten. Da- gegen sprach allerdings von vorneherein die undeutliche Ab- grenzung dieser gestreiften Zone und die Unbestimmtheit des Charakters der Streifung. Durch eingehende wiederholte Prü- fungen habe ich mich aber davon überzeugt, dass elektrische Stäbehen an dieser Seite nicht vorhanden sind und die Dinge sich so verhalten, wie oben geschildert wurde. Wohl aber kommt der hinteren Plattenseite, dort, wo die Nervenendigungen zu suchen sind, eine dichte Stäbchenlage zu, welche in mancher Beziehung ihr Eigenthümliches und von den Stäbehenbildungen bei Torpedo und Raja Abweichendes hat. Schon in etwas diekeren Schnitten bei schwächeren Ver- grösserungen erkennt man an der Hinterfläche der Platte inner- halb des Eleetrolemms eine schmale gestrichelte Zone von glei- cher Breite (Fig. 6 auf Taf. XXXVI und Fig. 10 auf Taf. XXXVIL bei St). Sehr bemerkenswerth ist ihre scharfe Ab- grenzung von der Fädchenmasse, die besonders hervortrat, wenn intensive Färbung mit Anilinfarben angewandt war und die Präparate einige Tage unter dem Deckglase in Wasser gelegen hatten. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied von der ge- strichelten Oberflächenzone der vorderen Papillen, die, wie oben hervorgehoben, sich nicht scharf absetzt, vielmehr allmählich in die Fihrillenmasse übergeht. Der gestrichelte Saum findet sich an der ganzen Hinterfläche der Platte. Er überzieht daher auch sämmtliche Zotten, kleine und grosse, ringsherum und liegt dabei 1) 1. c. pg. 333. 729 E. Ballowitz: stets dieht unter dem Elecetrolemm. Dagegen habe ich ihn an den äussersten Enden der langen Zotten nicht regelmässig ange- troffen und ihn hier, besonders an den Querschnitten durch ihre umgebogenen Enden, dann und wann vermisst. Dasselbe gilt auch für die Goldpräparate, wo der Saum an den äussersten Ende. manchmal noch sehr gut sichtbar war, während er an anderen, sonst einwandfreien Stellen, fehlte. Ob dieser Befund der Norm entspricht oder ob eine ungleiche Conservirung des Saumes die Schuld trägt, vermag ich nicht zu entscheiden. Die Ursache der Streifung ausfindig zu machen, ist nicht so ganz leicht. Dazu gehören sehr feine Schnitte und intensive Färbung bei Untersuchung in Wasser. Die Schnitte dürfen nicht dicker als 2u sein und senkrecht zur Plattenfläche verlaufen (Fig. T und 8 auf Taf. XXXVI bei St; eine Schnittdicke von 3 u ist schon zu stark). Man erkennt dann an gelungenen Präparaten, dass die Strichelung bedingt wird durch äusserst dünne und sehr dicht gestellte, fädchenartige Stäbchen, welche senkrecht zur Oberfläche der inneren Electrolemmafläche aufsitzen. In Schnitten von der angegebenen Dicke (Fig. 8 bei St) lassen sich die ein- zelnen Stäbchen deutlich von einander unterscheiden. Da, wie wir gesehen haben, die hintere Fläche der Platte äusserst uneben ist, so sind die Stäbchen auch oft unregelmässig gerichtet, wie in Verwirrung gerathen. In Folge dessen ist auch die im Uebri- gen scharfe Randlinie des Stäbehensaumes in feinen Schnitten etwas uneben (vgl. Fig. 8). Die Länge der Stäbchen beträgt 0,0018 mm. Ihr eines Ende ist in fester Verbindung mit dem Eleetrolemm, eine Ablösung des letzteren von der Stäbehenschicht habe ich niemals beobachtet. Das andere Ende ragt frei gegen das Platteninnere vor und lässt sich scharf von der Umgebung abgrenzen. Die gefärbten Stäbehen von Gymnotus machten auf mich einen etwas anderen Eindruck, als die gleichwerthigen Gebilde von Torpedo und Raja, von welchen ich frisch angefertigte und nach denselben Methoden behandelte Präparate bei der Un- tersuchung zum Vergleich daneben hatte. Die Stäbchen des Zitteraales sind nicht so. glattrandig und geradlinig und als „Stäbehen“ so wohl charakterisirt, wie bei jenen beiden elek- trischen Fischen. Sie erschienen, um mich eines bei Zeichnern üblichen Ausdruckes zu bedienen, weicher, uneben, fast körnig, Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus eleetrieus L.) ete. 723 mehr von fädchenartigem Charakter. Es hat allerdings seine Schwierigkeiten, bei so kleinen und subtilen Dingen präcise Unter- schiede zu formuliren. In diesem Aussehen zeigten die Gymnotus- Stäbehen eine gewisse Verwandtschaft mit den Fädchen des elek- trischen Gewebes selbst. Damit stimmte auch überein, dass sie sich bei Goldbehandlung gleichfalls geranienroth färbten, wenn sie sich in Goldpräparaten, jedenfalls in Folge der Säureeinwir- kung, auch im Allgemeinen nicht gut conservirten und oft nur noch in Rudimenten nachweisbar waren. Bei guter Conservirung waren sie aber auch in Goldpräparaten sehr deutlich und überzogen als diehter, gleichmässiger, scharf abgegrenzter Sammetbesatz die ganze Plattenhinterfläche. Diese Stäbchenzone erselien in den Goldpräparaten sehr feinkörnig. Bei Raja hatte ich dagegen keine Goldfärbung der Stäbchen erhalten. Andererseits erzielte ich bei dem Zitteraal durch Behandlung mit Säurefuchsin keine Tink- tion, eine Methode, welche mir bei Raja sehr gute Resultate brachte. Nach Allem zu urtheilen, machen die Stäbehen bei Gym- notus auf mich mehr den Eindruck von Differenzirungen der Fädchenmasse des elektrischen Gewebes oder wohl richtiger aus- gedrückt, des ursprünglichen Bildungs-Protoplasmas der Platte, als welches das Sarkoplasma der quergestreiften Electroblasten wohl zu betrachten ist. Bei Raja dagegen war ich mehr zu der Vermuthung gekommen, es könnten Anhangs-Bildungen des Elec- trolemms sein. Hierüber kann nur das Studium der Entwickelung dieser Gebilde Aufschluss geben. An sich erscheint es ja durch- aus wahrscheinlicher, dass die Stäbehen Differenzirungen des Protoplasmas sind. Ob die Enden der Stäbehen in ihrem Inneren Endkügelchen tragen, wie ich sie bei Torpedo beschrieben habe, wage ich nicht zu entscheiden. Bisweilen machte es den Eindruck, auch in den Goldpräparaten, als wenn das freie Ende ein wenig verdickt oder kugelig beschaffen sein könnte. Man muss sich jedoch vor Ver- wechselungen mit punktförmig erscheinenden optischen Quer- schnitten von Stäbehenenden bei etwas schräg gerichteten Stäb- chen hüten. Ohne scharfe, speeifische Färbung ist darüber keine Entscheidung zu treffen, wie meine Erfahrungen bei Torpedo!) und Raja?) gezeigt haben. Eine derartige speeifische, überaus 1) l. ec. pg. 464 und folgende. 2) 1. e. pg. 306 und folgende. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 46 7124 E. Ballowitz: präcise Färbung erhielt ich bei den beiden letzteren Fischen durch die Golgische Methode, welche mir bei Torpedo End- kügelchen zeigte, bei Raja aber ihr Fehlen constatiren liess. Wie oben schon erwähnt, hatte sich aber in allen meinen Golgi- Präparaten von Gymnotus kein einziges Stäbchen gefärbt. Stäb- chenkombinationen fand ich hier ebenso wenig, wie bei Raja. Aus Allem geht hervor, dass selbst an dieser minutiösen Struktur, bei aller Uebereinstimmung im Princeip, unter den ge- nannten drei elektrischen Fischen schon sehr bemerkbare Unter- schiede in der Form, der innern Zusammensetzung und, wenn wir die verschiedene Reaction den Tinktions-Methoden gegen- über so deuten wollen, auch in ihrer chemisch -physicalischen Beschaffenheit hervortreten, eine Thatsache, die nicht ohne Inter- esse ist und für die noch ganz im Dunklen liegende Physiologie der elektrischen Organe nicht ohne Bedeutung sein kann. Der auffälligste Unterschied der Gymnotus-Stäbchen von den gleichen Bildungen bei den beiden anderen Fischen besteht aber in ihrer ganz ausserordentlich dichten Anordnung. Die Ent- fernung zwischen den einzelnen Stäbchen ist wenig oder kaum grösser als der äusserst kleine Diekendurchmesser der Stäbchen. Bei Flächenansicht erhält man daher eine äusserst dichte Punk- tirung, welche bedingt wird durch die optischen Querschnitte der Stäbehen selbst. Diese Punktirung ist ganz gleichmässig an der ganzen, so unregelmässigen Hinterfläche der Platte bei geeigneter Schnittriehtung nachweisbar. In den Fig. Tu. 8 auf Taf. XXXVI sind die äusserst dicht stehenden, feinen Pünktchen an je einer Zotte sichtbar, deren Oberfläche im Schnitte gerade gestreift wurde. Diese Punktirung ist bestimmter als die von mir oben erwähnte der Vorderfläche, die Pünktehen treten ganz scharf hervor. Auch in gelungenen Goldpräparaten ist diese Punktirung oft sehr schön zu sehen. Die gleichmässige Vertheilung der Pünktchen und der nirgends unterbrochene Stäbehensaum beweisen, dass die Stäbchen ganz gleiehmässig die Hinterfläche der Platte innerhalb des Eleetrolemms bedecken. Nur an der äussersten Spitze der langen Zotten vermisste ich sie, wie oben erwähnt, nicht selten, ich konnte keine rechte Klarheit darüber gewinnen, ob sie hier ganz fehlten, oder nur unvollständig erhalten waren. Die mit den Fachwänden in Verbindung tretenden glatten Ränder der Platte sind stets frei von ihnen, die Stäbehen reichen nur bis an diese Ränder heran, Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus eleetrieus L.) ete. 725 Aus der gleichmässigen Vertheilung der Stäbchen resultirt, dass sich diese Gebilde beim Zitteraal von den Nervenendigungen völlig emaneipirt haben, was ich hier schon ganz besonders be- tonen möchte. Gerade bei Gymnotus tritt so recht evident her- vor, dass die Nervenendigungen und die Stäbchen zwei ganz verschiedene, von einander unabhängige Bildungen sind, wie ich es zuerst schon in meiner Torpedo-Arbeit betont habe. Bei Torpedo sind die Stäbchen bekanntlich an die Nervenend- ausbreitung gebunden, wenigstens bei dem erwachsenen Thier; zwischen den netzförmigen Nervenendigungen habe ich die Stäbchen stets völlig vermisst. Aber schon bei Raja konnte ich nachweisen, dass die von mir dort aufgefundenen Stäb- chen zwar an der einen Seite der Nervenendigungen am zahl- reichsten sitzen, aber auch zwischen den Nervenausbreitungen vorkommen, wovon ich mich auch jetzt wieder überzeugt habe. Bei Gymnotus ist ihre Vertheilung ganz unabhängig von den Nervenendigungen geworden, sie müssen, nach den Ergebnissen unserer Untersuchung, in gleicher Weise an den Nervenendaus- breitungen und zwischen denselben vertheilt sein. In Folge dessen und in Folge der durch die vielen Zotten äusserst unregel- mässigen Beschaffenheit und dadurch bedingten starken Ver- grösserung der Hinterfläche ist die Zahl der Stäbehen auch eine ganz enorme, die sich an jeder Platte nur nach vielen Millionen kaum annähernd schätzen lässt, wiederum ein Hinweis, dass wir es in den Stäbehen mit einem sehr wesentlichen Strukturelement der elektrischen Organe zu thun haben!). In der Nähe des Stäbehensaumes fand ich mehr oder weniger zahlreiche, mit Anilinfarben und Hämatoxylin tingible, etwas unregelmässig gestaltete, kleinere Körner, die in Gruppen oder in Reihen zusammenlagen. (Fig. 6, Tu 8 auf Taf. XXXV1.) Ihre Grösse und Form wechselt etwas, ebenso ihre Zahl. Sie bilden aber einen regelmässigen Bestandtheil der Platte, der nur streckenweise vermisst wird. Zwischen den in Reihen liegenden Körnern sah ich oft einen deutlichen Faden, an dem die inten- siv gefärbten kleinen Körner wie aufgereiht erschienen. Mit den Nervenendigungen haben diese Körnerreihen aber, soweit sich nachweisen lässt, nichts zu schaffen, da ich isolirte Körner- 1) Vergl. auch meine Raja-Arbeit, 1. e. pg. 307. 7126 E. Ballowitz: gruppen auch in der Nähe der vorderen nervenfreien Platten- oberfläche antraf; hier sind die Körmer indessen nicht so zahl- reich und so regelmässig. Die Körner scheinen mir vielmehr homolog zu sein den sogenannten interstitiellen Körnern in der Platte von Torpedo, die bei diesem Zitterfisch gleichfalls hauptsächlich in der Nähe und oberhalb des Stäbchensaumes angetroffen werden und auch dort, wie ich geschildert habe, oft bakterienartig reihenweise hinter einander liegen. Ob diese Körner die letzten Reste der quergestreiften Substanz der Electroblasten sind (sie fehlen bei Raja, wo die quergestreifte Substanz sich in der ansehnlichen Lamellenmasse erhalten hat), oder ob sie Stoffwechselproducie darstellen, müssen spätere Unter- suchungen entscheiden. Gegen die fädige Gerüstsubstanz, welche die Hauptmasse der Platte bildet, treten sehr zurück die Zellen der Platte, welche sich nur in der Nähe der vorderen und hinteren Plattenfläche vorfinden; an den glatten Plattenrändern fehlen sie (Fig. 2 auf Taf. XXXV, 5, 6, 7, 8 auf Taf. XXXVI und. 10 auf Taf. XXXVIID. Vorme liegen sie dicht hinter dem parallel- fädigen Gewebe meist in der Kuppe der Papillen; die kleinen Papillen besitzen eine, die grösseren 2—4, selten mehr. Bisweilen liegen die Zellen auch an den Einschnitten zwischen den Papillen (vgl. Fig. 5). Hinten befinden sie sich in der Nähe des Stäb- chensaumes an der Hinterfläche und in den kleinen und grossen Zotten. Die letzteren beherbergen gewöhnlich 3—4, öfter aber auch mehr Elemente, die oft bis in die äusserste Spitze der Zotten vordringen. Die Zellen der Vorder- und Hinterfläche sind, wie bei Raja, ganz gleich beschaffen. C. Sachs hat berichtet, dass sie im frischen Gewebe sternförmig aussehen. Der körnige, einen ellip- tischen Kern mit grossem, dunklem Kernkörperchen beherbergende Zellleib soll strahlenförmig einige körnige Fortsätze aussenden. Wie die Skizzen des Autors zeigen (l. e. Fig. 13 und 14 auf Seite 38 und 39, Fig. 18 auf Seite 41), sind die Fortsätze in- dessen nur sehr kurz, selten länger als der lange Durchmesser der Kerne. Ich finde in meinen Präparaten an Stelle dieser Zellen in dem speecifischen elektrischen Gewebe nur längliche, oft etwas unregelmässige, kleine Höhlen, die zum grossen Theil ausgefüllt Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus eleetrieus L.) ete. 727 werden von je einem rundlichen, oft auch länglichen, elliptischen Kern, dessen Form durch Reagenswirkung bisweilen etwas alterirt ist (Fig. T u. 8 auf Taf. XXXVD; sehr selten liegen zwei Kerne in einer Höhle. Besonders gross erscheinen die Höhlen in den stark geschrumpften Platten der Osmiumpräparate. Der Raum, welcher vom Kerne freigelassen ist, wird in meinen Präparaten (Flemming- sche Lösung, Sublimat, Goldpräparate) zum grössten Theil eingenom- men von einer nur spärlichen, körnig erscheinenden Protoplasma- masse, an welcher keine sternförmige Anordnung mehr zu erkennen ist. Auch feine, mit dem Doppelmesser aus dem frischen Organ heraus- geschnittene und sofort in 1°/,iger Osmiumsäure fixirte Sehnitte zeigten das Gleiche. Ich möchte diesen Befund mit der Sachs- schen Beobachtung in der Weise in Uebereinstimmung bringen, dass ich annehme, dass das Protoplasma der lebenden Zelle inner- halb der Höhle in zarten, radiär ausstrahlenden Fortsätzen ange- ordnet ist, dass sich diese Fortsätze bei der Conservirung aber nicht erhalten, sondern zu der krümeligen Masse zusammenballen. Die Möglichkeit, dass die Zellfortsätze den Bereich der Höhle überschreiten und auch in das specifisch elektrische Gewebe ein- dringen, will ich dabei nicht ganz ausschliessen, ich habe aber an meinen Präparaten dafür keinen Anhaltspunkt gewonnen. Den früheren Beobachtern waren nur die Kerne bekannt. Sehr bemerkenswerth ist die geringe Grösse der Platten- kerne bei Gymnotus im Vergleich mit den Plattenzellkernen bei Torpedo und Raja. Während sie bei Torpedo und Raja 0,0081—0,009 mm messen, besitzen sie beim Zitteraal nur einen längsten Durchmesser von durchschnittlich 0,0054 mm. Es will scheinen, als ob sich sogar an den Zellkernen dokumentire, dass bei Gymnotus alle Strukturen im Einzelnen noch weit mehr, als bei den übrigen elektrischen Fischen, ins Feinere gearbeitet sind. Diese feine Ausarbeitung im Verein mit der enormen Massenentfaltung der speeifischen, elektromotorisch wirksamen Strukturen ist für die elektrische Platte von Gymnotus sehr charakteristisch. Die Streifung an der Hinterfläche der Gymnotusplatte wird schon von Sachs in seinen Tagebuchnotizen erwähnt, indessen sind seine Angaben wenig bestimmt. In frischem Zustande der Platte konnte Sachs nichts davon sehen. Allein in Osmium- präparaten fand er (l. e. pg. 46) „unverkennbare Spuren eines jener Strichelung (bei Torpedo) analogen Verhaltens am hinteren 128 E. Ballowitz: Rande des Plattendurchsehnittes. Die Skizze stellt die Sache freilich viel schärfer dar, als sie in den bisherigen Fällen erschien. Charakteristisch sind namentlich die stecknadelkopfartigen Endi- gungen der Stäbchen. Die Strichelung fand sich nicht nur an Osmium-, sondern, freilich nur spurweise, auch an Gold- und Pikrokarminpräparaten. Flächenansichten (Punktirung) erwähnt Dr. Sachs nicht.“ Die dem Text beigefügte Tagebuchskizze (Fig. 23 auf g. 46) ist indessen nicht nur allzu schematisch-skizzenhaft, son- dern auch insofern unrichtig, als der gestrichelte Saum im Ver- hältniss zur Platte viel zu breit gezeichnet und nicht auf die Zotte fortgeführt ist. Was die „stecknadelkopfartigen Endigungen der Stäbchen“ anbetrifft, so hat ©. Sachs, wie ich vermuthe, in seinen wohl nicht sehr feinen Schnitten die oben von mir be- schriebenen, in der Nähe der Stäbehen befindlichen Körner- einlagerungen dafür angesehen. Uebrigens ist zu bedauern, dass der Autor nicht angegeben hat, ob er diese Beobachtung an kleinen oder ganz grossen Exemplaren gemacht hat. Es wäre nicht undenkbar, dass hier Unterschiede nach dem Alter der Thiere bestehen könnten. Im Vergleich mit der Deutung, welche C. Sachs dem gestrichelten Saume gegeben zu haben scheint, bedeutet die Auf- fassung, welche G. Fritsch im Einverständniss mit Du Bois- Reymond entwickelt hat, einen entschiedenen Rückschritt. G. Fritsch sagt hierüber (l. e. pg. 391): „Nun habe ich noch einer Eigenthümlichkeit zu gedenken, an deren Betrachtung ich nur ungern herantrete, weil sie nach meiner Ueberzeugung zu den dunkelsten Punkten des ganzen Bildes über (das elektrische Organ gehört, nämlich die Strichelung an der freien Fläche des nervösen Gliedes. Diese Strichelung habe ich in der halbschema- tischen Fig. 31 der Vollständigkeit wegen angedeutet, obwohl dieselbe nur an Osmiumpräparaten in einiger Deutlichkeit er- scheint und meiner Ueberzeugung nach ein Coagulationsphänomen in einer porösen Membran darstellt, weil sıe auch anderwärts an porösen Deekelmembranen von Zellen erscheint.“ „Am wahr- scheinlichsten erscheint auch mir, dass die Porosität der Grenzmem- bran elektrischer Platten, welche die Strichelung andeutet, zur Er- leichterung und Beschleunigung des Stoffwechsels derselben dient.“ G. Fritsch wirft hier den Stäbehensaum und die von mir En Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electrieus L.) ete. 729 als Electrolemm bezeichnete Grenzmembran zusammen. Wie ich vermuthe, hat er selbst beide im Präparat nicht gesehen, wenn er den Stäbchensaum auch „der Vollständigkeit wegen“ in sejner Zeiehnung angiebt. Jedenfalls ist ihm die Existenz der wirk- liehen Grenzmembran entgangen, da dieselbe sonst nirgends er- wähnt wird und in seinen Zeichnungen auch keine Andeutung davon vorhanden ist. Einer Widerlegung bedarf seine Anschau- ung nach Obigem nicht weiter. Die von mir gegebene Darstellung des inneren Baues der Gymnotus-Platte steht im Widerspruch mit den Ansichten, welehe ©. Sachs, Du Bois-Reymond und 6. Fritsch sich hierüber gebildet haben. Diese Differenz lässt sich aber leicht auf ihre Gründe zurückführen. Nach diesen Autoren soll die Hauptmasse der Platte zu- nächst völlig strukturlos sein. So erscheint die Platte nach ©. Sachs an dem frischen Object sehr kurze Zeit nach der Entfernung aus dem lebenden T'hiere, wie ja auch kaum anders zu erwarten ist. Aber schon eine halbe Minute nach Anfertigung des Schnittes beobachtete Sachs in der Mittelschicht eine scharfe Grenzlinie, durch welche diese Schicht in zwei etwa gleiche Hälften geschieden wird. In dieser Linie soll sich ge- legentlich die Platte spalten. Sachs nennt sie die Pacini'sche Linie, wenn auch Paeini diese Linie nicht kennt und nur die Spaltbarkeit der Platte erwähnt. In der einen der beiden recht schematischen Skizzen des Autors (Fig. 14 auf pg. 39) ist die „Paeini’sche Linie“ als sehr scharf begrenzte dunkle Linie von gleichbleibender Dicke gezeichnet. Auch Osmiumpräparate sollen diese Linie als scharfen, dunklen Streifen in einer breiten, hellen Partie zeigen. G. Fritsch erwähnt zwar im Text die „Paecini- sche Linie“ als „verwaschenen, dunkleren Streifen“, bildet sie aber trotzdem in seiner „halbschematischen“ Fig. 31 auf Taf. VIII als scharfbegrenzte, wie mit dem Lineal gezogene, gleichmässige, gerade Linie ab. Diese sogenannte Pacini’sche Linie existirt als Struktur- bestandtheil der Platte nicht, sie ist vielmehr eine durch Reagens- wirkung bedingte Schrumpfungserscheinung. Alle meine sofort nach dem Tode mit Sublimat, Flemming'scher Lösung und Goldehlorid fixirten Stücke lassen keine Andeutung davon erken- nen (vgl. Fig. 3 auf Taf. XXXV, Fig. 6, 7 auf Taf. XXXVI 730 E. Ballowitz: und Fig. 10 auf Taf. XXXVID). Nur die mit Alkohol und Osmiumsäure, also den Reagentien, welche bei Gymnotus eine beträchtliche Schrumpfung der Platte hervorrufen, behandelten Präparate zeigen den Streifen, aber anders, als er von Sachs und G. Fritsch beschrieben und gezeichnet ist (vgl. Fig. 2 auf Taf. XNXXV und 5 auf Taf. NXXVI bei Z; Alkoholpräparate). Zunächst findet sich der Streifen nicht in allen Platten der Alkoholpräparate; je schneller und concentrirter die wasserent- ziehenden Reagentien eingewirkt haben, um so regelmässiger und deutlicher ausgebildet wird er angetroffen. Wie Fig. 2 beischwacher Vergrösserung zeigt, tritt er auch oft nur stellenweise in einer Platte auf. Vor allen Dingen aber ist der Streifen in dünnen Schnitten niemals so scharf begrenzt und so gleichmässig, wie die genannten Autoren angegeben haben. Ein genaueres Studium dünner Schnitte lässt das schon bei mittelstarken Vergrösserungen erkennen. Fig. 5 veranschaulicht (bei Z) das gewöhnliche Aussehen des Streifens.. Man sieht, dass er sehr ungleichmässig ist, hier deut- licher und breiter, dort verwaschen oder ganz verschwindend. Auch verläuft er nur selten geradlinig, vielmehr gewöhnlich un- regelmässig gebogen. Besonders dort, wo grössere Zotten ent- springen, senkt er sich in diese hinein und entsendet in ihre Axe eine Fortsetzung, welehe sich in der Zotte allmählich verliert. Bisweilen gehen auch nach vorne kurze Fortsätze ab. Bei starker Vergrösserung erkennt man nun, dass der Streifen gebildet wird von dem dieht aneinander gelagerten, hier gewisser- maassen zusammengepressten und zusammengeballten Fadenwerk des von mir oben beschriebenen Netzgerüstes und dass die Faden- masse des Streifens nach vorne und nach hinten überall mit den Fäden des Netzgerüstes zusammenhängt. Das letztere ist in den mit Alkohol fixirten Präparaten in Folge der Schrumpfung der Platte nur unvollkommen erhalten, wenn auch nachweisbar. Durch die Wasserentziehung sind die Fädechenzüge oft zusammengeballt und zu Strängen verklebt, zwischen denen grössere unregelmässige Vakuolen entstanden sind. Da sich die ganze Fadenmasse mit Hämatoxylin- und Anilinfarben tingirt, so muss ihr zusammenge- ballter Abschnitt als intensiver gefärbter Streifen erscheinen, der nur in dieken Schnitten bei schwacher Vergrösserung als schärfere, halbwegs gerade Linie stellenweise imponiren kann. Aus diesen Beobachtungen geht hervor, dass sich in der Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electricus L.) ete. . 731 frischen Platte dort, wo bei Wasserentziehung der dunkle Streifen entsteht, eine schmale, oft in die Zotten fortgesetzte, wasser- reichere Zone befindet oder doch eine Zone, in welcher die die Hohlräume des Fadengerüstes ausfüllende, flüssige Substanz dünner und leichter extrahirbar ist; als an den anderen Stellen der Platte. Wird dieser Zone durch Verdunstung oder Reagentien (Alkohol, Osmiumsäure) die Flüssigkeit entzogen, so entsteht dadurch eine Verdichtung des Netzgerüstes, welche als der von obigen Autoren beschriebene, tingible Streifen in die Erscheinung tritt. Wie C. Sachs in Venezuela erfahren musste, kann dieser Streifen schon während der Beobachtung des frisch dem Thiere ent- nommenen Gewebes innerhalb kurzer Zeit auftreten, ohne Zweifel in Folge der durch Verdunstung der Gewebsflüssigkeit schnell eintretenden Wasserentziehung. In dieser wasserreieheren Zone erfolgt auch schneller und leichter eine Maceration des elektri- schen Gewebes, so dass sich die Platte hier spalten kann, wie schon Paeini erwähnt. Da sich die Zone bei regelrechter Fixirung der Platte an dem feinfädigen Gewebe aber in keiner Weise markirt, das letztere sich vielmehr, wie wir oben gesehen "haben, ganz gleichmässig in der Mittelschicht ausbreitet, so kann ich auch die Trennung in eine vordere Lage und eine hintere „Nervenschicht“, welche Sachs und G. Fritsch unterscheiden und durch die „Pacinische Linie“ getrennt sein lassen, nicht anerkennen. Im Anschluss hieran muss ich noch eine andere Angabe be- sprechen, welche G. Fritsch über einen Zerfall der Plattensub- - stanz in Theilstücke gemacht hat. Die Mittheilung lautet (l. e. pg. 383): „Hieran schliesst sich eine andere, mir eigene Beobach- tung, welche an sehr feinen Querschnitten der Platten gut con- servirten Materials von Gymnotus regelmässig zu constatiren ist, dass nämlich ein durch hellere Trennungslinien angedeuteter oder wirklich erfolgter Zerfall der Platte in einzelne Stücke von ge- ringer Grösse eintritt. Jedes Stück zeigt dann nach dem Kopf- ende zu eine auf gemeinsamer Basis sitzende Gruppe secundärer Papillen und noch eng damit verbunden die hinteren Papillen.“ Diesen Zerfall der Platte in Theilstüicke muss ich nach meinen Untersuchungen entschieden in Abrede stellen, ich habe in allen meinen Präparaten, welche sorgfältig theils in Celloidin, theils in Paraffın eingebettet waren, keine Andeutung davon wahr- 132 E. Ballowitz: nehmen können, obwohl ich gerade hierauf besonders geachtet habe. Denn ich legte dieser Angabe von G. Fritsch von vorne herein ein grosses Gewicht bei mit Bezug auf die Entstehung der elektrischen Platte beim Zitteraal. Denn wenn sich eine Zu- sammensetzung der Gymnotusplatte aus zahlreichen Einzelstücken und eine seeundäre Verschmelzung dieser Einzelstücke zu der bandförmigen Platte wirklich nachweisen liesse, so wäre damit ja der positive Beweis geliefert, dass die elektrische Platte des Zitteraales nicht aus einem einzigen, sondern vielmehr aus zahl- reichen Elektroblasten entstehen müsste. DBei der Angabe von 6. Fritsch fällt sehr auf, dass gar nicht gesagt wird, ob die Beobachtung bei kleinen oder bei grossen Thieren, ob sie an jeder Stelle der Organe oder nur an bestimmten Lokalitäten gemacht wurde. Wenn der Zerfall der Platte ein ganz „regelmässiger“ Befund bei Gymnotus wäre, so müsste es merkwürdig erscheinen, dass eine so auffällige Thatsache allen früheren Beobachtern ent- sangen sein sollte. Auch ist es nicht verständlich, warum nur gut eonservirtes Material diesen Zerfall zeigen soll, vielmehr sollte man doch denken, dass, je schlechter das Material und je mehr es macerirt wäre, um so deutlicher der Zerfall und die Lockerung der Theilstücke sichtbar werden müsste. Ferner sieht man nieht ein, warum dieser Plattenzerfallnur an „feinen“ und „sehr feinen“ Plattenquerschnitten zu beobachten sein soll, wie G. Fritsch wiederholt betont. Der letztere Umstand scheint mir indessen den Schlüssel für diese „Beobachtung“ von G. Fritsch zu liefern. - Denn nach meiner Ueberzeugung ist der Zerfall der Platte in den Präparaten von G. Fritsch nur künstlich durch — Einreissen und Zerbrechen seiner „sehr feinen“ Schnitte entstanden. Das beweisen mir seine eigenen Abbildungen Fig. 28 auf Tafel VI und Fig. 31 auf Tafel VIII. Denn so geradlinig und ganz direkt könnten sich unmöglich die durch Gewebsschrumpfung entstan- dene „Pacini’'sche Linie* und die Randlinien der Platten von einem Theilstück zum anderen fortsetzen, wie es in diesen beiden Abbildungen dargestellt ist, wenn nicht ein ehemaliger Zusammen- hang dieser Theilstücke bestanden hätte, mit anderen Worten, wenn nicht die Platte nachträglich bei der Herriehtung des mikro- skopischen Präparats zerrissen wäre. Auf die sehr unklaren Vergleiehungen, welche G. Fritsch zwischen der elektrischen Platte von Gymnotus und der querge- Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electrieus L.) etc. 733 streiften Muskelfaser anstellt, will ich hier nicht weiter eingehen, zumal sie thatsächlicher Begründungen entbehren. Kehren wir nach diesen kritischen Bemerkungen zu unserm Thema zurück! Es fehlt noch die Feststellung des Verlaufs und der Endigung der elektrischen Nerven. Wie Hunter schon bekannt war, stammen die elektrischen Nerven des Zitteraales aus dem Rückenmark und verlassen paar- weise in sehr grosser Zahl den Wirbelkanal, um an das mediane Septum heranzutreten und in ihm nach unten hin zu verlaufen. Man sieht sie leicht, wenn man die mediane Seite der grossen Organe von dem Septum von oben nach unten abpräparirt. Auf diesem Verlaufe entsenden die Nerven zahlreiche Aeste in die Längsscheidewände. Wie mir Goldpräparate zeigten, gehen von diesen Aesten Nervenfaserbündel nach oben und nach unten in die Querscheidewände ab. Hier in den Querscheidewänden ver- laufen die Nerven eine Strecke weit, dringen dann in das hintere Gallertgewebe ein und theilen sich dabei reichlich. Die Art der Theilung ist eine diehotomische. In dem hinteren Gallertgewebe trifft man daher sehr zahlreiche Nerven, denen der Weg aber durch die vielen, unregelmässigen Fortsätze der Plattenhinter- fläche eingeengt wird. Die Nervenäste müssen sich zwischen den Zotten gewissermaassen durchwinden. Dabei legen sie sich — und das ist höchst eigenthümlich — der Oberfläche der Zotten und besonders dem hinteren Theil der langen Zotten sehr häufig dieht an und verursachen dadurch die Rinnen und tiefen Furchen, welche die Oberfläche der Zotten zu einer so unregelmässigen und unebenen machen, wie oben von mir hervorgehoben wurde. Fig. 9 auf Taf. XXX VII illustrirt in einem etwas diekeren Flächen- schnitt durch den hinteren Theil der Zottenschicht aus einem Gold- präparat den gewundenen Verlauf der zahlreichen, noch markhalti- gen Nervenfasern (N). Vergl. auch Fig. 11 auf derselben Taf. bei starker Vergrösserung. Dasselbe erkennt man auch auf dem Schräg- schnitt durch eine mit Flemming scher Lösung fixirte Platte ganz rechts im Bereiche der Zottenschicht (Z Sch in Fig. 10 auf derselben Taf. bei N). Man sieht, wie die Nerven nicht selten die halbe Circumferenz einer Zotte umkreisen und von einem Zottenquerschnitt zu einem benachbarten hinziehen. Auf senkrechten Plattenschnitten trifft man daher die Nervendurchscehnitte mit Vorliebe in der Nähe der Zotten (vergl. Fig. 6, T und 8 auf Taf. XXXV]). 734 E. Ballowitz: G. Fritsch hat sich durch dieses Herantreten der Nerven an die Zotten irreführen und zu der Behauptung verleiten lassen, dass (l. e. pg. 358) „die eigentlichen Träger der Nervenendi- sungen an der Gymnstusplatte die Dornpapillen!) sind, an welche relativ grobe Verlängerungen der Axencylinder heran- treten“, und „dass die äusserst feinkörnig gestreifte Nervenfaser mit der Substanz der Papille ohne erkennbare Besonderheiten sich verbindet.“ In seiner „halbschematischen* Fig. 31 auf Taf. VIII ist dies Verhalten derart dargestellt, dass von der Quer- scheidewand bis zur Spitze einer „Dornpapille“ !) geradlinig je ein Nerv tritt; an der Vereinigungsstelle der Nerven mit der Dorn- papille ist so etwas, wie eine Nervenscheiden-Zelle (siehe unten) gezeichnet. Diese Art der Nervenendigung, von der übrigens auch C. Sachs nichts gesehen hat, muss ich in Abrede stellen, an meinen Schnittpräparaten habe ich keinen Beweis dafür erhalten. Die von G. Fritseh angewandte Methode (Härtung des Organs in Jod-Alkohol und doppelt chromsaurem Kali, Doppelfärbung mit Carmin und Hämatoxylin) ist übrigens für die Feststellung der Nervenendigungen auch wenig geeignet. Auch in Zupfpräparaten von mit Flemming’scher Lösung und mit Goldeblorid behan- deltem Material, in welchen sich die Zotten nieht gerade leicht isoliren lassen, habe ich die Zottenspitzen niemals in Verbin- dung mit einem „relativ groben“ Nerven getroffen. Die Art der Nervenendigung ist vielmehr eine ganz andere. Wie schon ©. Sachs erfahren musste, ist die Untersuchung der Hinterfläche der Gymnotus-Platte auf ihre Nervenendigungen sehr schwierig, weit schwieriger als bei Torpedo und Raja. Bei den letzteren ist die Plattenseite, auf weleher die Nervenendigungen ausgebreitet sind, glatt und eben, bei Gymnotus trägt sie die zahlreichen, so unregelmässig gestalteten Zotten. Flächenbilder der isolirten Platten führen daher beim Zitteraal zu keinem Re- sultat, zumal ihr elektrisches Gewebe zu diek und zu undurch- sichtig ist. Man ist daher in erster Linie auf verticale Durch- schnitte und auf solche Schnitte angewiesen, in welchen die Zotten angeschnitten sind, sodass man die eine Zottenoberfläche er- hält. Besonders vortheilhaft erwiesen sich mir nieht zu dünne 1) Von mir als lange Zotten bezeichnet, siehe oben. E Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus eleetrieus L.) ete. 735 (transversale) Flächenschnitte durch den hintersten Theil des Fach- raumes, in welchen die Zottenenden hineinragen. Ich erhielt da- durch in dem durchsichtigen Gallertgewebe die isolirten, theils ab- theils angeschnittenen, meist umgebogenen Zottenenden mit den Nerven, ohne das dicke, elektrische Gewebe der Zottenbasen und der Platte. Derartige Präparate gewährten die für Erken- nung dieser subtilen Verhältnisse nöthige Klarheit des Bildes. Vergl. Fig. 9 und Fig. 11 auf Taf. XXXVL. Da die Golgi’sche Methode mich beim Zitteraal leider im Stiche liess, war ich auf mein mit Sublimat, mit Flemming ’scher Lösung und mit Goldehlorid behandeltes Material angewiesen. Das mit reiner Osmiumsäure fixirte Material musste ich für diese Unter- suchungen ausschalten, der durch die Plattenschrumpfung eingetre- tenen Verzerrungen wegen. Die wichtigsten Aufschlüsse brachte mir die Goldmethode. Ich weiss nun von meinen Untersuchungen an Torpedo und Raja her sehr wohl, dass die Goldmethode nicht einwandsfrei ist und oft Zerrbilder liefert. Immerhin gelingt es mit ihr, bei jenen elektrischen Fischen den allgemeinen Typus der Nervenendigungen im elektrischen Organ zu veran- schaulichen, sodass ich auch bei Gymnotus meinen durch die Vergoldung erhaltenen Resultaten in bestimmter Weise Vertrauen schenken kann. Was ich ermitteln konnte, ist Folgendes. In dünnen Schnitten senkrecht zu den mit Sublimat oder Flemming'scher Lösung fixirten Platten suchte ich zunächst nach Durchsehnitten durch Nervenendausbreitungen, welche bei Tor- pedo und Raja bekanntlich als einfache Lage kleiner kreisrunder oder länglicher Durchschnitte an der Nervenseite der Platte in unmittelbarer Nähe des Eleetrolemms regelmässig gefunden werden. Ich hoffte bei Gymnotus ähnliche Verhältnisse anzutreffen, wenn auch die äusserst unregelmässige Beschaffenheit der Gymnotus- platte die Vermuthung nahe legte, dass hier ein so gleich- mässiges, mit Fortsätzen versehenes Netz kaum denkbar ist. Denn man kann sich nur schwer vorstellen, dass die Nervenend- ausbreitung sich in alle Spalten hineinzwängt und alle Zotten überkleidet, ohne die Gleichmässigkeit ihrer Anordnung zu ver- lieren. Dieser Ueberlegung entsprach in der That mein Befund an den Durchschnitten. Ich vermisste bei Gymnotus die im Allge- meinen ziemlich gleichmässige Lage der dicht gedrängten kleinen 736 E. Ballowitz: Durehsehnitte der Nervennetzäste, wie ich sie bei Torpedo und Raja beschrieben habe. Dafür fand ich nur zerstreute und rela- tiv spärliche kleine Durchschnitte, die ähnlich wie bei Raja, oft in die Plattensubstanz eingedrückt waren. Vergl. Fig. 7 und 8 auf Taf. XXXVI. Diese Querschnitte waren verschieden gross, meist sehr klein, kreisrund oder mehr platt, färbten sich mit Anilinfarben etwas, boten aber sonst nichts Besonderes dar, sodass sie leicht übersehen ‚werden konnten. An der Hinter- fläche der Platte, wo sie überhaupt einmal frei von Zotten war, und an den kleinen Zotten waren sie spärlich, nur hier und da reichlicher. An den grossen Zotten dagegen, besonders an ihren Enden, häuften sie sich und lagen oft in kleinen Ab- ständen in grösserer Zahl in einer Schicht bei einander, sodass hier das gleiche Bild, wie bei Torpedo und Raja erhalten wurde; nur waren die Durchschnitte meist kleiner als bei jenen Fischen. Besonders an den im Präparat isolirt liegenden Querschnitten durch die umgebogenen Enden der Zotten trat dies hervor (Fig. 7 auf Taf. XXXVIbei ZQ; vgl. damit Z, in Fig. 11 auf Taf. XXXVID, Weiteren Aufschluss brachten meine Goldpräparate. Die gröberen, markhaltigen Nerven waren in diesen meist sehr schön und vollständig gefärbt und stachen in senkrechten Durchsehnitten durch ihr dunkelviolettes Aussehen sehr hübsch von den in ihren äusseren Theilen geranienroth tingirten Platten ab. Unter zahlreichen diehotomischen Theilungen und in eigenthümlich ge- wundenem, oben näher geschildertem Verlaufe näherten sie sich, feiner und feiner werdend, der Hinterfläche der Platte. Zweierlei ist nun für diese Nerven im hinteren Fachraum charakteristisch. In erster Linie fallen an den mit Flemming- scher Lösung und besonders an den mit Goldehlorid behandelten Präparaten der Nervenscheide angehörige Zellen auf, deren Pro- toplasma ganz hell erscheint, kaum eine feinste Körnelung er- kennen. lässt (NSZ in Fig. 7, 8 auf Taf. XXXVI und Fig. 10 u. 11 auf Taf. XXXVIO). In.dem hellen Protoplasma liegt ein sehr charakteristischer kleiner Kern von kugelrunder Form; nur seltener ist er etwas platt gedrückt. Mit Hämatoxylin und Anilinfarben tingiren sich die Kerne sehr intensiv. Diese Zellen sind an den im hinteren Gallertgewebe befindlichen Nerven in grosser Zahl vorhanden in Abständen von 0,0225 bis 0,054 mm. Da die Schnürringe an den in Folge der Ver- bad un ee Pe We de a A a di £ Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus eleetrieus L.) ete. 737 goldung etwas unregelmässig gewordenen Markscheide oft nicht mehr deutlich festzustellen sind, kann ich nicht sagen, ob die Zellen zu diesen in bestimmtem Verhältniss stehen. An den etwas stärkeren Nerven sind die Zellen in die Markscheide bis- weilen tief eingedrückt, sodass sich die letztere am Rande der Zellen als scharfer Saum erhebt. Auf Querschnitten durch die Zellgegend feinerer Nerven imponirt die Zelle als Hauptmasse, wogegen die oft plattgedrückte dünne Markscheide mit dem Axencylinder ganz zurücktritt; der runde Kern ist von dem hellen Protoplasmahof mehr oder weniger umgeben. Vgl. NSZ und NSZQ in Fig. 7, 8 auf Taf. XXXVI und Fig. 10 u. 11 auf Taf. XXXVI. Als zweite Eigenthümliehkeit der Plattennerven ist hervor- zuheben, dass sie sehr weit bis in ihre feinsten Aeste mit einer dünnen Markscheide versehen sind; nur ihre letzten Enden kurz vor ihrem Eintritt in die Nervenendausbreitung sind marklos. Dies, sowie die eigentlichen Nervenendigungen, habe ich nur in den oben erwähnten Flächenschnitten durch die hintere Zotten- schieht an Goldpräparaten feststellen können. Fig. 11 zeigt eine solche Stelle aus einem derartigen Schnitte bei Immersion. Z,—Z, sind abgeschnittene Enden langer Zotten, deren eine Oberfläche eingestellt ist. In Z, ist ein Zottenende quer ge- troffen, in der Mitte des Querschnittes liegt eine Plattenzelle mit Kern; NN sind Nerven. Die Zottenenden stammen nicht alle aus einem Gesichtsfelde, sondern sind aus drei Gesichtsfeldern zu- sammengestellt. Im Uebrigen ist aber alles genau nach dem Präparat wiedergegeben. Man sieht, dass zu der Zottenspitze Z, ein Nerv herantritt, der ganz in der Nähe der Zotte noch eine Scheidenzelle besitzt. Nach links von der Zelle ist noch eine sehr dünne, gefärbte Markmasse erkennbar, die nur auf der kurzen Strecke zwischen Zelle und Zotte fehlt. Noch kürzer scheint das marklose Faserstück an einer zweiten Nervenfaser zu sein, die aus anderer Richtung von einem Nervenstamm, der an die Hinterfläche der Platte schon näher herangetreten ist, stammt. Nachweislich gehen hier also zwei verschiedene Nerven zu derselben Zotte. Dasselbe erkennt man an der Zotte Z,; das Ende des einen Nerven spaltet sich hier sogar in zwei feinste marklose Fasern. Die marklosen Nervenäste für Zotte 4 u.5 werden durch Theilung von demselben Nerven geliefert, ein 7138 E. Ballowitz: Nerv versorgt mithin zwei ganz verschiedene Zotten. Die zu- tretenden Nerven der Zotte Z, sind nicht mehr in den Schnitt gefallen, von einem sieht man nur noch ein kleines Ende. Die beiden an der Zotte 2 befindlichen ungleich dieken Nerven NN ziehen einfach an der Zottenoberfläche vorüber, ohne Aeste ab- zugeben. Wie ich nun an vielen Stellen in zahlreichen Präparaten auf das genaueste an meinen Goldpräparaten feststellen konnte, gehen diese kurzen, marklosen Nerven in eine sehr feine und zarte Nervenendausbreitung über, welche sich an der Zottenoberfläche unmittelbar am Electrolemm befindet. Sie ist daher auch nur bei genauer Einstellung der Zottenoberfläche sichtbar. Diese Endaus- breitung besteht aus einem sehr zarten, etwas unregelmässigen Netz, welches von feinen Nervenfäden gebildet wird. An den Knoten- punkten und auch im Verlaufe der Fäden befinden sich tröpfehen- artige, varicöse Anschwellungen, die auch an den Eintrittsstellen der marklosen Nerven vorhanden sind. Die Anschwellungen erscheinen in den Goldpräparaten durch Einlagerung kleinster gefärbter Par- tikelchen feinkörnig, wie bestäubt. Diese tröpfehenartigen An- schwellungen sind es wohl vorwiegend, welche auf den Querschnitten der Zotte und auf den Plattendurchschnitten als kleine rundliche Querscehnitte sichtbar werden. Vgl. Z, der Fig. 11 auf Taf. XXXVII und ZQ in Fig. T u. 8 auf Taf. XXXVI. Die Fädchen dazwischen sind so fein, dass sie wohl nur in den Flächenansichten bei Färbung deutlich erkannt werden können. Dadurch erklärt sich zum Theil auch die Spärlichkeit der deutlich sichtbaren Durehsehnitte der Endigungen an verticalen Plattenschnitten. Dieses zarte, varicöse Nervenendnetz umgiebt korbartig die Endeü der langen Zotten ringsherum, wie ein Wechsel der Ein- stellung lehrt. Man findet dann, dass auch an der anderen Fläche der Zottenenden dieselbe Zeichnung vorhanden ist; beide Zeichnungen gehen am Rande direkt in einander über. Vgl. auch Z, der Fig. 11. Jedoch nieht an allen Zottenenden, an denen eine Goldfärbung überhaupt eingetreten war, fand ich das Endnetz so vollständig und relativ dicht. Es kam vor, dass ein Nerv an eine Zotte herantrat und in nur wenige feinste Endigungen überging, die theils netzartig sich verbanden, theils frei endigten. Dann konnte schwer entschieden werden, was auf Rechnung einer unvollständigen Färbung zu setzen war. Auch sind der De RT { 4 „3 Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electrieus L.) ete. 739 Untersuchung enge Grenzen gesteckt, da man an den schmalen Zotten immer nur kleine Felder in genügender Klarheit ab- suchen kann. Jedenfalls traf icb das Netz am constantesten, diehtesten und deutlichsten ausgebildet an den hinteren Theilen der langen Zotten an. Es erstreckte sich aber auch auf den Körper und die Basis der langen Zotten, schien mir hier aber weitmaschiger und unregelmässiger zu sein. Auch die kleinen Zotten sind nicht frei von Nervenendigungen. Je näher der Hinterfläche der Platte aber der Schnitt fällt, um so undeut- licher wird aus den oben angegebenen Gründen das Bild, um so schwieriger die Beobachtung. Ich kann daher nicht sagen, ob dieses dem Electrolemm anliegende Nervenendnetz selbst bei Gymnotus ein die ganze Plattenhinterfläche überziehendes Conti- nuum bildet, wohl aber wird, wie ich fand, die Continuität der Nervenendigungen in anderer Weise gesichert. Von grösster Bedeutung hinsichtlich dieser Frage werden Stellen, wie sie in Fig. 11 auf Taf. XXXVII zwischen den Zotten Z, und Z, dargestellt sind. Man sieht, dass zwischen diesen beiden Zotten drei Verbindungsfäden direkt von dem Nervenend- netz der einen Zottenspitze zu dem der anderen verlaufen. Der obere Verbindungsfaden zwischen Z, und Z, besitzt unmittelbar am End- netz der Zotte Z, eine sehr deutliche, charakteristische Nerven- scheidenzelle, ein nicht gerade seltener Befund. Hieraus darf wohl geschlossen werden, dass die Fäden und wahrscheinlich auch die Zweige der Nervenendausbreitung eine feinste Scheide besitzen, welche in Schnitten sich sonst mit Sicherheit nicht nachweisen lässt. Die feinen Fäden sind nicht etwa direkte Fortsetzungen der an die Zotten herantretenden Nerven, vielmehr entstehen und erheben sie sich aus der Nervenendausbreitung selbst, um an einer an- deren Zotte wieder in die Nervenendigung überzugehen. Der Eintritt in die Nervenendigungen wird durch je eins der charak- teristischen, tröpfehenartigen Anschwellungen vermittelt. Diese Communikationsfäden habe ich sehr häufig angetroffen. In den Flächenschnitten waren nicht selten in einem Gesichtsfelde meh- rere Zottenenden in dieser Weise mit einander verbunden. Zwischen Je zwei Zotten können sieh einer, zwei oder mehrere Fäden ausspannen. Auch unter sich entferntere Zottenspitzen können durch dann längere Fäden mit einander in Verbindung stehen. Die geschilderten Communikationsfäden zwischen den Ner- Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 47 740 E. Ballowitz: venendausbreitungen der einzelnen Zotten sind meiner Ansicht nach mit der interessanteste von allen Befunden, welche ich bei meinen Untersuchungen der Gymnotus-Platte erhalten habe, und muss ich dabei noch etwas verweilen. Bekanntlich habe ich bei Torpedo!) und Raja ?) nervöse, netzförmige Terminalausbreitungen, in welche alle zu je einer Platte tretenden Nerven übergehen, beschrieben. Bei Torpedo fand ich sehr reichliche Netzverbindungen mit nur wenigen, seitensprossenartigen, freien Endigungen. Bei Raja konnte ich umgekehrt nur wenige netzförmige Verbindungen bei reichlichem Vorhandensein von freien Enden feststellen. Bei diesen beiden elektrischen Fischen befindet sich die Endausbreitung an der ganz planen Nervenfläche der Platte, sodass hier eine Continuität der Nervenendausbreitung durch die Netzanastomosen leicht ge- schaffen werden kann. Auch bei Gymnotus habe ich oben den Nachweis von dem Vorhandensein einer netzartigen Nervenend- ausbreitung an den Zotten erbracht. Hier bei Gymnotus liegen die Verhältnisse aber, wie oben schon angedeutet, für die Bil- dung eines termimalen Nerven-Continuums weit ungünstiger, weil die Nervenseite der Platte durch die vielen Zotten so ausser- ordentlich unregelmässig geworden ist. Ja, man möchte an- nehmen, dass die unregelmässige Beschaffenheit der Platte dazu angethan ist, eine regelrechte, netzförmige Continuität der End- ausbreitungen aller Nerven einer Platte so ohne Weiteres ziem- lich unmöglich zu machen. Diese Schwierigkeit wird nun durch die zahlreichen Communikationsfäden, welche frei von einer Zotte zur anderen ziehen, beseitigt. Hierdurch wird offenbar die netz- förmige Communikation der ganzen Nervenendausbreitung der Platte hergestellt und die Continuität der Nervenendausbreitungen garantirt. Das scheint mir ein höchst wichtiger und bedeutungsvoller Hinweis zu sein! Mir scheint aus diesem eklatanten Beispiel bei Gymnotus unzweifelhaft hervorzugehen, dass eine Continuität der Nervenendausbreitungen aller an eine Platte herantretenden Nerven in den elektrischen Organen mit vielen Plattennerven aus physiologischen Gründen als charakteristische, typische Struk- 1) Siehe meine Torpedo-Arbeit, pag. 468 u. ff. 2) Siehe meine Raja-Arbeit, pag. 315 u. ff. Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electricus L.) ete, 741 tur gefordert wird und die Bedingung ist, an welche die momen- tane, prompte Auslösung des elektrischen Schlages der grossen elektrischen Platte gebunden ist. Ob die Netzbildung dabei eine mehr (Torpedo) oder weniger (Raja) vollkommene ist, ob zahlreiche (Torpedo) oder nur wenige (Raja) Netzanastomosen bestehen, ist dabei zunächst weniger von Bedeutung, steht aber nach meinen Untersuchungen in engster Beziehung zu der phy- siologischen Leistungsfähigkeit der elektrischen Organe, welche um so grösser wird, je reichlicher in Harmonie mit der Aus- bildung der speeifisch elektrischen Strukturen die Netzbildung sich entwickelt (vgl. Raja mit Torpedo und Gymnotus). Ganz anders liegen, wie mir scheint, anatomisch und phy- siologisch die Verhältnisse bei dem Zitterwels (Malopterurus elec- trieus Lacep.). Bei diesem Fisch tritt im elektrischen Organ zu der kleinen, scheibenförmigen Platte nur ein einziger Nerv. Von dem Vorhandensein einer netzartigen Nervenendausbreitung ist hier nichts bekannt, und alle Untersucher dieses Zitterfisches sind darin einig, dass von einer solehen Nervenendigung hier keine Spur nachzuweisen ist. Nach den obigen Sätzen, welche sich vielleicht einmal als Gesetz bestimmter formuliren lassen, muss es bei dem Vorhandensein eines einzigen Plattennerven auch unwahrscheinlich sein, dass bei Malopterurus ein Nerven- endnetz besteht, obgleich ich die Ueberzeugung habe, dass auch hier noch ein besonderer Endapparat des einfachen Platten- nerven sich wird nachweisen lassen; dass der Plattennerv, wie von den früheren Untersuchern behauptet wird, einfach in die elektrische Platte direkt übergeht, glaube ich ganz und gar nicht. Die obigen Beobachtungen über die Nervenendigungen bei Gymnotus stehen im Einklang mit dem wenigen Positiven, welches C. Sachs in Venezuela an dem frischen Objekt hinsichtlich der Nervenendigungen ermitteln konnte. In seinen Tagebuchskizzen wird das marklose Ende der Nerven auch nur sehr kurz angegeben. Die Nerven treten in den Skizzen an die Hinterfläche und die kleinen Zotten unter Bildung einer Anschwellung heran; die zu den langen Zotten gehenden Nerven konnte Sachs nicht sehen, da er sich am frischen Objekt über die Form der Zottenenden noch nicht klar geworden war. Aus Andeutungen im Tagebuch und in den Briefen hat Du Bois-Reymond geschlossen (l. ce. pag. 47), dass Sachs am Ende seiner Untersuchungen in Venezuela 7142 E. Ballowitz: „sich mehr zu der Ansicht geneigt zu haben scheint, dass ein terminales Nervennetz vorhanden sei“. Kürzlich hat Ogneff!) eine grössere Abhandlung über die Entwickelung des elektrischen Organes bei Torpedo veröffentlicht und höchst interessante und wichtige Mittheilungen über die Entstehung der elektrischen Platte und ihrer Bestandtheile bei dem Zitterrochen gemacht. Der russische Forscher bestätigt in allen Einzelheiten die ausgezeichneten Beobachtungen Babu- chin's, dass jede elektrische Platte bei Torpedo aus je einem Elektroblasten?) hervorgeht, welcher in seinem Innern Anfangs noch zarte, deutlich quergestreifte Muskelfibrillen enthält. Aus den Resten der bald homogen werdenden Fibrillen, wie auch besonders wohl aus dem Protoplasma (Sarcoplasma) der Elektro- blasten selbst — bei der Kleinheit der Bildung ist eine Entschei- dung schwer zu treffen — gehen nach Ogneff die Stäbchen hervor, deren Vertheilung auch bei Torpedo noch bei sehr grossen Embryonen und neugeborenen Thieren auf der ganzen Platte eine ganz gleichmässige ist; selbst noch bei einjährigen Thieren findet sich die Punktirung ebenso gleichmässig über den Nerven- endverzweigungen, als auch in deren Zwischenräumen. Erst später ist bei Torpedo die Punktirung, wie auch ich feststellen konnte, ausschliesslich auf die Nervenendverzweigung beschränkt. Diese Angaben beanspruchen mit Bezug auf meine Resul- tate bei Gymnotus grosses Interesse. Die gleichmässige Verthei- lung der Stäbchen, wie ich sie bei Raja und besonders bei dem Zitteraal gefunden, entspricht demnach embryonalen Verhältnissen bei Torpedo. Bei der unzweifelhaft auf niederer Entwickelungs- stufe stehen gebliebenen Platte von Raja nimmt dies nicht Wunder. Wohl aber überrascht dies bei dem Zitteraal, dessen Platte ohne Zweifel die grösste histiologische Differenzirung und höchste funktionelle Leistungsfähigkeit erlangt hat. Diese That- sache lässt sich wohl nur physiologisch erklären: mit der ko- lossalen Vermehrung des speeifisch elektrischen Gewebes (Netz- 1) J. Ogneff (Moskau), Ueber die Entwickelung des elektrischen Organes bei Torpedo. Archiv für Anatomie und Physiologie, Jahrg. 1897. Physiologische Abtheilung, Heft 3 u. 4, pag. 270, Tafel IV u. V. Ich erhielt erst während der Correcetur meiner Abhandlung Kenntniss von der Arbeit. 2) Siehe meine Raja-Arbeit, pag. 286. Re Wa Zar Anatomie des Zitteraales (Gymnotus eleetricus L.) ete. 743 gerüst) der dieken Gymnotus-Platte musste gleichen Sehritt halten eine ins Ungeheure gehende Vergrösserung der Zahl der Stäb- chen, die nur bei gleichmässiger Vertheilung, trotz der Ver- grösserung der Plattenfläche durch die Zottenbildungen, alle Platz finden konnten. Dass diese Vermehrung unter gleichzeitiger Verfeinerung der Strukturen geschieht, wurde oben von mir schon hervorgehoben. Ogneff hat bei seinen Untersuchungen unter anderen Me- thoden auch das Golgi’sehe Imprägnationsverfahren in genau derselben Weise angewandt, wie vor Jahren ich. Hauptsächlich benutzte er diese Methode, wie es scheint, bei Embryonen und ganz jungen, aber schon schlagfähigen Thieren. Obschon der russische Forscher in erfreulicher Uebereinstimmung meine bei Torpedo erhaltenen und 1893 veröffentlichten Befunde „gänzlich“ bestätigt, ist er in Betreff der Deutung der Nervenendaushreitung an der Platte von Torpedo mit mir nieht einverstanden. Ogneff stellt nämlich die Existenz eines Terminalnetzes in Abrede und tritt für freie Nervenendigungen ein. Wie im Texte (l. e. pg. 302) gesagt wird, konnten weder bei sehr grossen Embryonen, noch bei neugeborenen Thieren Endnetze, auch nieht mit der Golgi- schen Methode, gefunden werden, sondern stets nur freie Endi- gungen. Dagegen kamen bei ganz erwachsenen Thieren Anasto- mosen zwischen den Endzweigen der Terminaläste zur Beobach- tung. Ogneff stellt sich daher mit Bezug auf die Frage der Nervenendigung auf die Seite von Ciaccio und Ranvier!), nach welchen „ausser den freien Endigungen auch unzweifelhaft Anastomosen bestehen“. Mit diesen Worten des Textes stehen indessen die Abbil- dungen, welche Ogneff auf Taf. V in Fig. 14 und 15 seiner Abhandlung von der Terminalverzweigung giebt, merkwürdiger- weise völlig im Widerspruche, wie jeder unbefangene Leser auf den ersten Blick sehen wird. Beide Figuren stellen bei Em- bryonen von 4!/,—6 cm Länge nach der Golgi'schen Methode imprägnirte „Nervenendstämmehen mit zahlreichen Verzweigungen dar, welche theilweise mit Silberniederschlägen bedeckt und nicht überall gleichmässig imprägnirt sind“. 1) Siehe hierüber die in meiner Torpedo-Arbeit gegebene Litte- ratur-Besprechung. 744 BE. Ballowitz': Sehen wir uns nun z. B. Fig. 15 A auf Taf. V von einem Embryo von 6cem Länge etwas näher an! Sofort erkennen wir in der Terminalverzweigung zahlreiche kleine und grössere, von dieken und dünnen Nervenendzweigen gebildete, mehr oder weniger regelmässige Ringe, welche völlig geschlossene Netz- maschen begrenzen. Wenn ich mir die Mühe nehme, diese ge- schlossenen Maschen zu zählen, so erhalte ich in dem kleinen Stücke etwa 62 Maschen! Das Ganze macht auf mich den Ein- druck eines unvollständig imprägnirten Endnetzes, Bilder, über welehe ich mich in meiner Torpedo-Arbeit ausführlich geäussert habe. Vollständiger erscheint der mittlere Theil der kleineren, von Ogneff gegebenen Figur 15 B imprägnirt; fast möchte ich sagen, dass dieser Theil einen schon zu idealen Netzabschnitt darstellt, weil die von mir beschriebenen, in die Maschen vor- ragenden, nicht selten zur Beobachtung kommenden, frei endi- genden Seitensprossen fehlen. Auch in der Fig. 14 der Ogneff- schen Zeichnungen sind mehrfach geschlossene Netzmaschen vor- handen, obwohl diese Präparate von einem nur 4!/, em langen Embryo von Torpedo stammen. Eine nähere Beschreibung und Erklärung dieser kritisirten Figuren findet sich im Text nicht vor und muss dieselbe wohl in den Ausführungen des Autors über die Golgi’sche Methode gesucht werden. Den Ansichten Ogneff’s über die Wirkungs- weise dieser Methode kann ich aber nicht beistimmen, wenn dieser Autor sagt (l. e. pg. 302): „Wenn die Imprägnafion gut gelungen und die Nervenfasern reichlich mit Chromsilber be- deckt sind, so geschieht es sehr oft an den elektrischen Platten, wie auch an den Fortsätzen der Nervenzellen in der grauen Substanz des Gehirnes, dass die nahe liegenden Enden der Fa- sern durch die Niederschläge zusammengelöthet werden, und man bekommt dann anstatt freier Endigungen Bilder von Netzen. Wenn man die richtigen Verhältnisse an imprägnirten Schnitten aus Gehirnrinde verstehen will, so muss man, wie bekannt, Stellen aufsuchen, wo nur wenige Nervenzellen geschwärzt erscheinen, und man findet dann deren Fortsätze frei endigend; ebenfalls muss man an den elektrischen Platten Stellen aufsuchen, wo dureh Silber nur vereinzelte Nervenbäumehen imprägnirt sind.“ Nach den allgemeinen Erfahrungen ist es gerade das Eigen- thümliche der Golgi’schen Imprägnationen, dass die Chromsilber- BER Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electrieus L) ete. 745 niederschläge, welche übrigens nicht blosse Auflagerungen sind, sondern gewöhnlich auch das ganze gefärbte Element im Bereiche der Färbung durchsetzen, sich an die anatomisch gegebenen Bahnen halten und nicht von einer Ganglienzelle zur anderen überspringen und zusammenfliessen, worauf ich schon an anderer Stelle!) hingewiesen habe, es müsste sich denn um sehr schlecht gelungene Präparate handeln. Aber selbst wenn ich Ogneff zugeben wollte, dass bei Torpedo hier und da die Nervenimprägna- tion zusammengeflossen oder die Nervensprossen in so dichte Berührung getreten sein könnten, dass sie nicht mehr von ein- ander abzugrenzen wären, so blieben doch noch immer so viele wirkliche, netzförmige Anastomosen übrig, dass eine reichliche Communikation, ein Continuum aller Ausbreitungen der Platten- nerven, auf das Vollkommenste gesichert wäre. Freilich, wenn Ogneff in der bekanntlich in der ganzen Ausdehnung der Platte gleichmässig dichten und gleiehförmig aussehenden Nerven- endausbreitung bei Torpedo nur einzelne kleinere nach Golgi imprägnirte Stellen berücksichtigt, dann erhält er am Rande dieser Stellen vorwiegend freie Endigungen, denn irgendwo muss die Imprägnation doch aufhören. Wie diese von Ogneff be- rücksichtigten Stellen aber im Innern aussehen, ist oben von mir besprochen worden. Ich will nur noch darauf hinweisen, dass diese offenbare Netze zeigenden Stellen von Embryonen stammen, bei welchen die Terminalverzweigung, wie auch Ogneff nach- weist, gewiss noch unvollkommener ausgebildet ist, dass Ogneff ferner bei diesen Embryonen im Widerspruch mit seinen eigenen Abbildungen das Vorhandensein von Netzen in Abrede stellt, während er bei erwachsenen Zitterrochen die Existenz von Netz- anastomosen selbst zugiebt. Nach Allem kann ich in den Mit- theilungen und Ausführungen von Ogneff nur eine Bestätigung meiner Auffassung finden. Im Uebrigen verweise ich auf meine Arbeit über Torpedo, in welcher alle diese Punkte schon ein- gehend genug von mir besprochen sind. Welchen präeisen Stand- punkt ich in dieser Frage nach meinen Untersuchungen an Gymnotus jetzt einnehme, ist oben pag. 740 u. 741 von mir dar- gelegt worden. 1) E. Ballowitz, Ein Beitrag zur Verwendbarkeit der Golgi- schen Methode. Zeitschrift für wissensch. Mikrosk., Bd. XIII, 1896, pag. 462—467. 746 B.:Ballowivz: Schliesslich noch einige Worte über das Gallertgewebe in dem vor und hinter der Platte gelegenen Fachraum. Fast alle früheren Beobachter lassen hier nur einen mit Flüssigkeit ge- füllten Raum vorhanden sein, weil das zarte Gallertgewebe in den Spirituspräparaten gewöhnlich schon macerirt und aufgelöst war. Nur Sachs erkannte am frischen Objekt in dem vorderen Raum eine „spinngewebeähnliche Substanz aus zarten, maschen- bildenden Fäden“. Meine mit Flemming’scher Lösung und Sublimat fixirten Präparate zeigten mir, dass sowohl der vordere, als auch der hintere Fachraum erfüllt ist von einem ähnlichen, nur noch zarteren Gallertgewebe, wie ich es bei Raja beschrieben. VG= vorderes, HG=hinteres Gallertgewebe der Figuren. Ausserordent- lich feine, verzweigte Fäserchen (Gallertfibrillen) verbinden sich untereinander und stellen ein sehr feinmaschiges Gerüstwerk her, welches der suspendirten Platte als elastisches Polster dient; in ihm verlaufen hinter der Platte die Gefässe und Nerven. Die sallertfibrillen setzen sich in Verbindung mit dem Eleetrolemm der Platte, der Gefässwand, der Nervenscheide der Nerven und den Bindegewebsbündeln der Scheidewände. Dies ist ein wesent- liches Moment für die Befestigung der Platte, welche, abgesehen davon, dass sie den Scheidewänden dieht angelagert ist, auch durch die Neryen und die zum Theil in die Bindegewebsmasse der Querscheidewände eingelagerten Zottenenden in ihrer Lage erhalten wird. Die eigentlichen Zellen des Gallertgewebes habe ich nicht gesehen, merkwürdiger Weise auch nicht in den Gold- präparaten, in welchen sie bei Raja mit allen ihren Ausläufern oft auf das schönste zur Darstellung kamen. Wohl aber trifft man hier und da grössere längliche oder ovale, bisweilen etwas unregelmässige, im Allgemeinen nur spärliche Kerne, die auch in der Nähe der Hinterfläche der Platte liegen können (siehe Fig. 8 auf Taf. NXXVI anı oberen Rande der untersten Zotte). Ich bin ge- neigt, sie für die Kerne der Gallertzellen zu halten, soweit sie nicht den Blutkapillaren angehören. Auch zwischen den Bindegewebs- bündeln der Querscheidewände trifft man solche Kerne (z. B. in Fig. 8 oben bei Q$). In Goldpräparaten verhält sich das Gallertgewebe ver- schieden. Meist ist es mehr oder weniger aufgelöst und unge- färbt. Häufig erscheinen aber auch die feinen, unregelmässigen Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electricus L.) ete. 747 Gallertfibrillen verschieden intensiv gefärbt, lassen sich aber leicht von den Nervenfäserechen und den Communikationsfäden zwischen den Nervenendigungen der Zotten unterscheiden. Bis- weilen ist die Gallertsubstanz zu grösseren Tröpfehen vacuolen- artig zusammengeballt. Im Gegensatz zu meiner Darstellung hat G. Fritsch be- richtet, dass das Gallertgewebe sehr reich an Kernen sein soll (l. e. p- 390). „Die verbreitetste Form solcher Kerne ist diejenige der Glia- kerne, nämlich rundliche, grob granulirte Kerne mit undeutlichen Kernkörperchen (Grösse 0,0029 mm), die sich lebhaft mit Häma- toxylin tingiren und ihre Stellung in den Knotenpunkten der netzförmig verzweigten Fasern finden, welche letzteren sie ge- wöhnlich mit einem schmalen, pellueiden Saum umgeben“. Der letztere Umstand deutet darauf hin, dass die zahlreichen, in dem ziemlich dieken Schnitt (l. e. Fig. 31) abgebildeten kugelrunden Kerne nicht Kerne der Gallertzellen sind, sondern vielmehr ganz be- stimmt den Scheidenzellen der feineren Nerven angehören, welche letzteren G. Fritsch in seinen Alkoholpräparaten ganz übersehen hat; lässt er doch „relativ grobe* Nerven direkt zu den Spitzen seiner „Dornpapillen“ hinziehen. Zu der Annahme, dass das feine Fasernetzwerk des hinteren Fachraumes als „eine in reti- euläres Gewebe aufgelöste Sehwann'sche Scheide der elek- trischen Nervenfasern aufzufassen sei* (l. ec. pag. 388), liegt nicht der geringste Grund vor. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XXXV—XXXVI Vorbemerkung. Die sämmtlichen Figuren der Tafel XXXV, ferner Fig. 7 und 8 auf Tafel XXXVI und Fig. 11 auf Tafel XXXVI sind bei der lithographischen Reproduktion um ein Viertel der Grösse der Original-Zeichnungen verkleinert worden. Danach sind alle, die genannten Figuren in der Figurenerklärung betreffenden Angaben zu korrigiren. In allen Abbildungen bedeuten: V=vorne, H=Hinten, LS = Längsscheidewand, 8 = Querscheidewand, F=Fach, S = elektrische Säule, ?P= elektrische Platte, VG = Gallertgewebe in dem vor der Platte gelegenen Fachraum, HG = Gallertgewebe in dem hinter der Platte gelegenen Fachraum, N=Nerven. Fig. 2—11 stammen aus Präparaten von dem lebensfrisch conservirten Gewebe des vorderen 748 E. Ballowitz: Theiles der grossen elektrischen Organe eines 65 em langen Gymnoten. Alle Zeiehnungen sind von Herrn Ew. H. Rübsamen unter meiner Controle genau nach dem Präparat angefertigt. Fig. to} T: Tafel XXXV. Linke Seitenansicht eines 54 em langen, unmittelbar nach dem Tode in 80°/,igem Alkohol eonservirten Gymnoten nach Ent- fernung der Haut; nur der Kopf und die äusserste Schwanz- spitze sind noch mit Haut bedeckt. Die Abbildung wurde in genauem Grössenverhältniss ihrer einzelnen Theile auf ?/; der natürlichen Grösse verkleinert gezeichnet. (Vergl. die Vorbemerkung und die Anmerkungen auf pag. 699 u. 705.) Das kleine elektrische Organ wird von der oberflächlichen Flossenmus- kulatur (OFM) verdeckt. Von dem grossen elektrischen Organ, welches von A—B reicht, ist nur der Theil sichtbar, welcher sich dicht unter der Haut befindet (4A—C); sein hinterstes Ende von C—B wird überlagert von der dünnen Fortsetzung des Zwischenmuskels, welche an den untersten Caudalmuskel (M. !. vent.) anstösstund in denselben übergeht. Auf der Strecke von D—C sind über dem oberen Rande der oberflächlichen Flossenmuskulatur und auf der Aussenfläche des grossen elektrischen Organs vereinzelte vorgeschobene Muskelbündel des Zwischenmuskels sichtbar, welche nach hinten in die er- wähnte dünne Muskellage übergehen (siehe hierüber im Text). M.l!.dors. und M.!. sup.—= Musculus lateralis dorsalis und M. la- teralis superior über der Seitenlinie. M.l. inf. und M.!. vent.— Museulus lateralis inferior und M. lateralis ventralis unter der Seitenlinie. SS, Grenze zwischen vorderem engfächerigen und hinterem weitfächerigen Abschnitt („Sachs'sches Säulen- bündel“ des grossen Organs). Vor SS; Uebergangszone. Die Einzelheiten besonders in der Uebergangszone, wie die Ver- schmälerung, die variable Höhe, Endigung und Anfang der Säulen, konnten der Kleinheit der Zeichnung wegen nicht eingetragen werden (siehe hierüber im Text). Auch sind die hellen, den Längsscheidewänden entsprechenden Linien im vorderen Abschnitt des grossen Organs noch feiner, als in der Zeichnung auszuführen möglich war. Sagittalschnitt (parallel zur Medianebene des Thieres) durch mit absolutem Alkohol fixirtes Material. ?#= senkrecht durch- schnittene Randleisten der Platte. L=sogenannte „Pacini’sche Linie“. Hämatoxylin, Eosin, Canadabalsam. Zeiss 8,0 mm, Apertur 0,65, Compensations-Ocular 4 (Tubus nicht ausge- zogen). Horizontalschnitt (senkrecht zur Ebene der vorigen Abbildung) durch mit schwacher Flemming scher Lösung fixirtes Material. Hämatoxylin, Eosin, Canadabalsam. Dieselbe Vergrösserung wie Fig. 2. 5 ig. 4. Zur Anatomie des Zitteraales (Gymnotus electrieus L.) etc. 749 Feinfädiges Netzgerüst aus der Grenzzone zwischen Papillen- schicht und Mittelschicht (vgl. Fig. 10 auf Tafel XXXVII bei F'N). Die freien Lücken entsprechen den Papillenanfängen. Trans- versalschnitt (Flächenschnitt der Platte). Behandlung nach der schnellen Golgi’schen Methode, Winkel’s homog. Immersion l/oy, Oeular 3. Tafel XXXVI Sagittalschnitt durch mit absolutem Alkohol fixirtes Material. L = sogenannte „Pacini’sche Linie“. Hämatoxylin, Eosin, Canadabalsam. Zeiss 8 mm, Apertur 0,65, Compensations- Oecular 12. ' Horizontalschnitt durch mit schwacher Flemming’scher Lö- sung fixirtes Material. PSch = Papillenschicht, MSch = Mittel- schicht, ZSch = Zottenschicht, St = Stäbcehensaum. In dem hinteren Gallertgewebe zahlreiche Längs-, Schräg- und Quer- schnitte durch markhaltige Nervenfasern mit Nervenscheiden- zellen. Hämatoxylin, Eosin, Canadabalsam. Dieselbe Ver- grösserung wie Fig. 5. Stück einer senkrecht zu ihrer Oberfläche geschnittenen elek- trischen Platte in ihrem Fachraum zwischen den beiden Quer- scheidewänden (QSQS Durchschnitte der Bindegewebsbündel der Querscheidewände). Aus einem Horizontalschnitt durch mit schwacher Flemming’scher Lösung fixirtes Material. Schnittdicke 3u. Gentianaviolett, Untersuchung in Wasser. Winkel’s homogene Immersion !/,,, Ocular 3. PSch = Papillen- schicht, MSch —= Mittelschicht, ZSch — Zottenschicht, Fb = Fi- brillenbüschel. Man sieht in der Zotten- und Papillenschicht die gruppenweise oder in Reihen angeordneten Körner. Das Ende einer Zotte ist an ihrer Oberfläche im Schnitt gestreift, sodass die durch die Stäbchen hervorgerufene Punktirung sichtbar ist. St = Stäbcehensaum. Bei E = Electrolemm, ZQ, ZQ = zwei isolirt liegende Querschnitte durch die umge- bogenen Enden zweier Zotten mit daran sitzenden Quer- schnitten der Nervenendigungen. N@ = Nervendurchschnitte, NSZQ = Querschnitt durch einen Nerv und eine Nerven- scheidenzelle, @ = Gefässdurchschnitt. In Folge der einge- tretenen lithographischen Verkleinerung der Original-Zeich- nung (siehe Vorbemerkung) ist das Netzgerüst zu grob und zum Theil zu grossmaschig ausgefallen, da Fädchen und Maschen nicht entsprechend mit verkleinert wurden. Ferner sind aus demselben Grunde auch die Stäbchen (bei St) noch etwas zu grob gerathen und stehen stellenweise auch noch zu weit. Dasselbe gilt für die folgende Figur 8. Vgl. auch die Anmerkung auf pag. 717. Behandlung, Schnittriehtung, Untersuchung und Vergrösserung genau wie in der vorigen Figur. Schnittdicke 1—2yu. Schnitt 750 Fig. Fig. 10. 11. E. Ballowitz: Zur Anatomie des Zitteraales etc. durch die Grenze zwischen zwei elektrischen Platten. Bei QS —= Durchschnitte der Bindegewebsbündel der Querscheide- wand, welche die zugehörigen beiden Fächer von einander trennt. Von der vorderen Platte ist die Zottenschicht (ZSch), von der hinteren die Papillenschicht (PSch) und ein Theil der Mittelschieht (MSch) gezeichnet. Die Oberfläche der Pa- pillen ist an dieser Stelle zufällig etwas unregelmässiger wie gewöhnlich. FB = Fibrillenbüschel, #= Electrolemm. PZ= Plattenzelle mit Kern in ihrer Höhle gelegen. NQ = Nerven- querschnitt. NSZQ = Nervenquerschnitt mit dem Querschnitt einer Nervenscheidenzelle. Bei St = Stäbcehensaum, in welchem erst bei dieser Schnittdicke die einzelnen Stäbchen deutlich von einander unterschieden werden können. Sonst alles wie in der vorigen Figur. Tafel XXXVIl. Etwas dicker Flächenschnitt (Transversalschnitt) durch die hinteren Zottenenden aus einem Goldpräparat bei schwacher Vergrösserung (Zeiss Obj. D, Ocul. 3). Zwischen den Zotten (ZE ZE) die zahlreichen, unregelmässig gewunden verlaufen- den, markhaltigen Nerven (N N). Sehr flacher Schrägschnitt durch eine elektrische Platte. Flem- ming’sche Lösung, Hämatoxylin, Untersuchung in Wasser mit Zeiss Obj. Smm, Apert. 0,65, Compensations-Ocular 12. PSch = Papillenschicht, MSch = Mittelschicht, ZSch = Zotten- schicht. Im Bereich von FN=die schräg durchschnittene Zone der von den Papillengrenzen entspringenden Fibrillen- büschel (vgl. Fig. 4). An einer Stelle in dieser Zone liegt ein abgeschnittenes Stück des Eleetrolemms an einer sehr tiefen Stelle der interpapillären Spalten. EZ = Eleetrolemm, St= Stäbehensaum, NSZ = Nervenscheidenzellen. Flächenschnitt (Transversalschnitt) durch die hinteren Zotten- enden aus einem Goldpräparat. Winkel’s homog. Immers. 1/94, Ocular 3. N = Nerven, NSZ= Nervenscheidenzellen, Z,—Z — abgeschnittene hintere Enden von 6 langen Zotten, deren eine Fläche mit dem daran befindlichen Nervenendnetz ein- gestellt ist. Zwischen Z, und Z, ziehen drei Verbindungs- fäden von dem Terminalnetz der einen Zotte zu dem der an- deren; der obere Verbindungsfaden besitzt am Terminalnetz der Zotte; eine Nervenscheidenzelle. Z, = Querschnitt eines Zottenendes mit den anliegenden Querschnitten der Nerven- endigungen (vgl. Fig.7 bei ZQ); in der Mitte des Querschnittes eine Plattenzelle. 751 Zur Samen- und Eibildung beim Seidenspinner (Bombyx mori). Von v. la Valette St. George. Hierzu Tafel XXXVII—XXXX. Das nierenförmige, doppelte Spermarium des Seiden- spinners zerfällt jederseits in vier, durch Scheidewände von einander getrennte, konische Abtheilungen, welche, in der Hoden- haut eingeschlossen, mit ihrer vorgewölbten Basis nach aussen liegen und ihr schmäleres Ende am inneren, concaven Rande dem Ausführungsgange zukehren. Ueber den Inhalt dieser Schläuche veröffentlichte im Jahre 1889 der Director der Seidenbau-Versuchsstation in Pavia, Pro-. fessor Enrico Verson sehr merkwürdige Mittheilungen, denen er später weitere anreihte. (Siehe Literatur-Verzeichniss 1—7.) Seine Entdeckung fasste er zusammen in die Worte: „ogni scompartimento testicolare & oceupato dunque in modo da esserne perfettamente riempiuto, da una enorme cellula con nucleo eccentrico e quasi privo di cromatina.‘“ „Aus dieser in jedem Fache nahe dessen convexer Basis liegenden, einzigen grossen Keimzelle nehmen nach und nach alle organisirten Bildungen, aus welchen der Inhalt des ganzen Faches besteht, ihren Ursprung.“ Diese Bildungen werden in den verschiedenen Abhandlungen Verson’s im Einzelnen beschrieben. Es sind zunächst Kerne, welche in das Protoplasma jener Zelle eingebettet sind, dann selbständige, jedoch häufig untereinander verbundene Zellen, ferner Proto- plasmaklumpen mit mehreren bis zahlreichen Kernen, welche allmählich eine Hülle erhalten und Blasen darstellen, die in Schläuche auswachsen, auch unter sich durch protoplasma- tische Verbindungsfäden zusammenhängen können. Alle Um- wandlungsvorgänge schreiten radiär von dem grossen, ehromatin- armen Kern der „Keimzelle“, deren Protoplasma sich strahlenförmig nach dem schmäleren Ende des Hodenfaches er- breitert, fort. 152 v.la Valette St. George: Verson verkennt nicht, dass ihre Produete meinen „Spermatogonien“, „Spermatocysten“ und deren In- halt, den „Spermatocyten“ entsprechen. Für die wahre, eigentliche Spermatogonie spricht er jedoch seine „Keimzelle“ an. Ebenso wenig ist ihm die grosse Aehnliehkeit dieser Zelle mit den bekannten „Fusszellen“ höherer Thiere entgangen, wie die des ganzen Inhaltes eines jeden der vier Hodenfächer mit einem vonEbner’schen „Spermatoblast“ (2). Wäh- rend ihres ganzen Lebens soll die Verson’sche Zelle solche Generationen von samenbildenden Elementen aus sich hervorgehen lassen und zwar auf amitotischem Wege durch Ein- und Absehnürung ihres Kernes. A. Tachimiroff, dessen Arbeit über die Entwickelung der Seidenraupe mir nicht zugänglich war, scheint nach Ver- sons Mittheilung diesem im Allgemeinen zuzustimmen, doch sollen die Cystenhäute von der Kapsel des Hodens aus durch dünne Bindegewebsbündel gebildet werden. H.E. Ziegler und OÖ. vom Rath (8) glauben, dass die Beobachtungen Verson’s nicht zu der Annahme nöthigten, dass die kleinen, neben der grossen Zelle in jedem Hodenfach liegen- den Zellen durch amitotische Theilung von jener herstammen müssten; es erschiene vielmehr die Auffassung zulässig, „dass die kleinen Zellen nicht die Abkömmlinge, sondern sozu- sagen die Geschwister der grossen Zelle seien und dass sie durch successive mitotische Theilung die zahlreichen Samenbildungszellen erzeugten, während der Kern der grossen Zelle, welche den Charakter der Rand- oder Stützzelle habe, mehrfach sich amitotisch theile. N. Cholodkovsky (13) fand im blinden, kolbenartig aufgetriebenen Ende der Testikelröhre von Laphria eine colos- sale, mit blossem Auge sichtbare Zelle, die „Spermatogonie*, von welcher der ganze Inhalt des Hodens herstamme. Von dieser Zelle sah er strahlenartig Protoplasmaauswüchse ausgehen, in welche zahlreiche Kerne eingebettet waren. Die centrale Plasma- masse der Spermatogonie enthielt niemals einen einzigen Kern, sondern mehrere grosse Kerne von unregelmässiger und sehr ver- schiedener Gestalt, die sieh mit Carmin entweder sehr blass oder sehr intentiv färbten. Ausserdem fand er in der centralen Plas- Zur Spermatogenese des Seidenspinners (Bombyx mori.) 753 mamasse der „Spermatogonie* immer zahlreiche kleine Chromatinkörperchen, die zuweilen etwas gekrümmt erschienen und öfters zu kleinen Häufehen vereinigt waren. Es würde sich, wie der Verfasser glaubt, nach diesen Bildern die Kerntheilung in der „Spermatogonie* von Laphria nicht amitotisch vollziehen, sondern eine typische mitotische Theilung sein. OÖ. vom Rath kommt in seiner Arbeit „Beiträge zur Kenntniss der Spermatogenese von Salamandra maculosa. II“ (9) wieder auf seine frühere Deutung der Verson’schen Zelle zurück und spricht dieselbe, namentlich auf Grund ihrer‘ von Verson beschriebenen amitotischen Theilung, als eine in Rück- bildung begriffene Sexualzelle an. K. Toyama in Tokio theilte die Resultate seiner Unter- suchungen über denselben Gegenstand zunächst in Kürze mit (11). Er beschreibt das Spermarium der jungen Larve als nieren- förmig, während das Ovarium dreieckig und kleiner sein soll. Im embryonalen Stadium zeigen die Organe beider Geschlechter nur eine einzige Höhlung, welche jedoch bei fortschreitender Ent- wickelung durch drei Einsenkungen der Follikelhaut, in vier Fächer getheilt wird. Darauf soll sich die Follikelhaut in das breite Ende der vier Abtheilungen einstülpen und in jede dieser Ein- stülpungen eineFollikelzelle eintreten, sich dort vergrössern und eine protoplasmatische Verbindung mit den Genitalzellen ein- sehen. Ein Theilungsstadium der Centralzelle hat Toyama niemals wahrnehmen können. Er sieht demnach jene grosse Zelle des blinden Endes der vier Hodenabtheilungen nicht, wie Verson sie auffasst, als eine Keimzelle an, sondern lässt sie eher emer Stützzelle des Säugethierhodens oder der Rhachis der Nematoden ihrer Function nach entsprechen. Auch fand er diese Zellenart in dem Ovarıium der Seidenraupe, ebenso bei anderen Lepidopteren, wäh- rend sie bei einzelnen vermisst wurde. N. Cholodkovsky (14) hat seine früheren Unter- suchungen über die „Ursamenzelle* Verson’s weiter ausgedehnt und fand dieselbe bei den Lepidopteren verschiedenster Familien wieder. Auch in anderen Insectenordnungen bei Hemipteren (Syromastes) und Neuropteren (Phryganea) hat Cholod- 154 v. la Valette St. George: kovsky Aehnliches beobachtet, nur sah er statt einer einzigen grossen „Ursamenzelle“ deren mehrere und bemerkt dazu: ‚über: all waren in den ,‚Spermatogonien‘ mitotische Theilungsfiguren sichtbar.“ Aus diesem Grunde möchte er Toyama nicht beistimmen, wenn dieser die „Riesensamenzellen“ bloss als „supporting cells“ betrachtet und sie eher dem Inhalt der sogenannten Endkammer der Ovarialröhre gleichstellen, besonders nachdem Toyama nachgewiesen hatte, dass die grosse Zelle nicht nur im Sper- marium, sondern auch im Ovarium der Seidenraupe zu finden sei. K. Toyama (12) hat weiterhin die Resultate seiner Unter- suchungen über die Spermatogenese von Bombyx in einer be- sonderen Abhandlung veröffentlicht und dureh zahlreiche Abbil- dungen erläutert. Ich glaube nicht, dass die Klarheit seiner Darstellung durch die Anwendung der von mir in Vorschlag gebrachten Termino- logie gelitten haben würde. Aus den recht eingehenden Untersuchungen Toyama’s will ich die Hauptresultate mittheilen. Beim Embryo der Seidenraupe soll jeder Hode aus einem einzigen Follikel bestehen, welcher zerstreute Rund- zellen nebst Kernkern und Chromosomen enthält: den „Ge- schlechtszellen‘; Nach dem Ausschlüpfen der Larve erscheinen die drei Einsenkungen der Follikelhaut, wodurch die vier Hodenfächer entstehen. Toyama fand auch in einigen Fällen die junge Zell- generation von der Verson’schen Zelle entferntliegend und schloss daraus „that Versons cell has nothing to do with the formation of genital cells“. Eine amitotische Kerntheilung will derselbe nur im späteren Larvenstadium wahrgenommen haben, während die lebhafte Ver- mehrung der Geschleehtszellen in die erste Larvenzeit fällt. Toyama kommt zu dem Schlusse, dass Verson’s Zelle keine „genital cell“, sondern eine ‚supporting cell“ sei, dazu be- stimmt, die jüngeren Genitalelemente mit der Follikelhaut zu verbinden und sie wahrscheinlich zu ernähren, wie dieselbe Zelle auch im blinden Ende der Eierstocksröhren zu deuten sei. Zur Spermatögenese des Seidenspinners (Bombyx mori.) 755 Auf die sehr genaue und ausführliche Darstellung, welche Toyama von der mitotischen Vermehrung der Spermatogonien und Spermatocyten sowie von der Umwandlung der Spermatiden zu Spermatosomen und der Reduction der Chromosomen giebt, muss ich auf die Abhandlung selbst verweisen; ich will nur noch hinzufügen, dass der Verfasser die vonVanBenden und Julin, Lamerre, Boveri und O. Hertwig aufgefundenen merk- würdigen Gebilde: „globules oder corps residuels“, „Hoden- zwischenkörperchen“ nach Hertwig im Spermarium und Ovarium der Seidenraupe beobachtet hat. O0. vom Rath (10), dessen Ansicht von der minder- werthigen Bedeutung der Amitose für die Zellvermehrung Toyama durch die Bilder rückschreitender Veränderung an den älteren Verson’schen Zellen stützt, äussert noch einmal sein Be- denken über Verson’s Auffassung seiner Befunde. Eine „zusammenfassende Uebersicht“ der Meinungen über diesen Gegenstand verdanken wir R. v. Erlanger (15). Der Verfasser spricht sein eigenes Urtheil dahin aus, dass es ihm wahrscheinlich erscheine, dass die Verson’sche Zelle eine Stützzelle darstelle, welehe sich im Gegensatze zu den Genital- zellen amitotisch theile. Nicht unerwähnt darf ich lassen eine ältere, hierhin ge- hörige Beobachtung, welche, wie mir scheint, erst später zur Kenntniss Verson's gelangt ist. Wir finden sie in einer Arbeit von ©. Spichardt (16), der ich bereits in der „Vierten Mittheilung“ meiner ‚„Spermato- logischen Beiträge“ gedacht habe. Der Verfasser beschreibt aus dem Hoden von Liparis dispar eine „Keimstelle“, welche aller Wahrscheinlichkeit nach als eine Riesenzelle anzusehen sei, deren durch die ganze Zelle vertheilte Kernsubstanz bestimmt sei, im peripheren Theile der Zelle fortwährend neue Nuclei aus sich zu erzeugen. Abge- schnürte Stücke des Kernfadens, welche, anfangs noch unver- schmolzen neben einander gelagert, sich später vereinigen, sollen nach Ausscheidung einer Kernmembran jene Kerne bilden und diese sich mit einer Protoplasmalage umgeben. Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. 50 48 756 v. la Valette St. George: Die besondere Wichtigkeit, welche die eben besprochenen Mittheilungen für die Spermato- und Oogenese der Insecten in Anspruch nehmen können, hat mich veranlasst, durch eigene Untersuchungen der Bedeutung jener räthselhaften Verson- schen Zelle etwas näher zu treten. Was ich gefunden, will ich hier folgen lassen: Spermarium. Die jüngsten Hoden der Seidenraupe, welche ich zu Ge- sicht bekommen habe, wurden dem noch von der Eihülle um- schlossenen Embryo gegen Ende Mai, also kurz vor dem Aus- schlüpfen, entnommen. Sie sind eiförmig, etwas abgeflacht an der Seite, von welcher der Ausführungsgang entspringt und zeigen zunächst eine durchsichtige streifige bindegewebige Umhüllungshaut, welche auf den Samenleiter übergeht und zahlreiche ovale Kerne enthält. Von dieser Haut werden die bekannten vier Hodenschläuche umschlossen, deren Inhalt zunächst die grösste Beachtung verdient. Für die Untersuchung der lebenden Objeete, welche leider in neuerer Zeit durch die Härtungs- und Schnittmethoden etwas allzusehr in den Hintergrund gedrängt wird, verwandte ich Dahlia- oder Methylserum; daneben wurden von, im Flemming’scher Mischung conservirten Präparaten, mit Safranin gefärbte Schnitte benutzt. Die vier Hodenschläuche junger, kurz vor oder nach dem Verlassen der Eihaut zergliederten Räupchen erschienen gleich- mässig mit runden, hellen, durchschnittlich 0,01 mm grossen, einen Kern von 0,007 mm nebst Kernkern von 0,002 mm ent- haltenden Zellen erfüllt. Diese Zellen stellen meiner Auffassung nach Ursamenzellen oder Spermatogonien dar. Sie zeigten amöboide Bewegung. Zwischen ihnen lagen zerstreut einzelne, ovale, mit vielen Kernkörperchen versehene Kerne, sodann runde, stark licht- brechende 0,005 mm bis 0,008 mm grosse Körper, welche sich mit Eosin sehr lebhaft färbten: „Hodenkörperchen“ der Autoren, oft von einem hellen Hofe umgeben. Fig. 5. Eine, dureh ihre Grösse besonders auffallende Zelle in den vier, bereits vor der Geburt des Embryo deutlich abgegrenzten Zur Spermatogenese des Seidenspinners (Bombyx mori). 197 Abtheilungen des Spermariums in diesem Stadium wahrzunehmen, habe ich mich oftmals vergeblich bemüht. Dagegen zeigten bei 4 bis 7 mm langen Räupchen die blinden Enden der Hodenschläuche, blasse, ovale, 0,017 mm lange, 0,014 mm breite mit 0,005 mm grossen Kernkörperchen versehene Kerne, welche in eine feinkörnige, sich im Dahliaserum stark färbende Protoplasmamasse eingebettet lagen. Das Ganze stellt offenbar eine Verson’sche Zelle dar in ihrer ersten Entstehung. Das hüllenlose Cytoplasma dieser Zelle ragt mit breiter Basis an der Innenfläche des Blindsackes beginnend, in das Lumen des Schlauches hinein und wird von den benachbarten Ursamenzellen scharf begrenzt. Fig. 6. Wenn ich mich über die Herkunft dieser Zelle äussern soll, so kann ich nichts anderes annehmen, als dass sie als eine um- gsewandelte Spermatogonie aufzufassen sei. Die weitere Entwiekelung dieser Zelle ist nun leicht zu verfolgen, sowohl an frischen Präparaten wie an erhärteten. Der Kern nimmt zunächst an Grösse zu — bei einer 21 mm langen Raupe fand ich ihn 0,019 mm lang und 0,012 mm breit — und zeigt sich vielfach in seiner Gestalt verändert. Bald sah ich ihn glashell, durchsichtig, bald zeigte er Einschlüsse ver- schiedener Art, kleinere und grössere Kernkörper, jedoch niemals eine Spur von Mitose. Fig. 1 bis 4. Die Kernmembran war vielfach glanz glatt, häufig auch mit mehr oder weniger tiefen Einkerbungen versehen. Fig. 2. Bilder von vollständiger Abschnürung des Kernes sind mir nicht zu Gesicht gekommen. Der Kern erschien stets eingebettet in eine dichte, mehr oder weniger ausgedehnte Umhüllung von feinkörnigem Cytoplasma, welches sich allseitig strahlenförmig ausbreitete, seine Fortsätze hineintrieb zwischen die einzelnen Spermatogonien und neben denselben sich in dunkleren Streifen oder Schlieren noch eine Strecke weit verfolgen liess. Fig 1. Es schien vielfach so, als ob sich das Protoplasma der Verson’schen Zelle direet in das Cytoplasma der zunächst liegen- den Spermatogonien fortsetze, jedoch liess sich bei eingehender Beobachtung meist eine eytoplasmatische Begrenzung der be- treffenden Kerne erkennen. Ich halte es indessen nicht für aus- geschlossen, dass in den Anfangsstadien ihrer Entwickelung das Cytoplasma der Ursamenzellen noch wenig differenzirt ist. 758 v.la Valette St. George: Diese vermehren sich örtlich von der Verson’'schen Zelle aus, jedoch keinesfalls durch irgend einen Theilungs- prozess dieser selbst, in karyokinetischer Theilung, deren Phasen Toyama so genau beschrieben hat, dass ich darauf nicht weiter einzugehen brauche. Nur eine Zeichnung darf ich wohl beifügen, welche eine Samenzelle wiedergibt, deren „Neben- körper“, wie ich solehe Formen bereits u. A. in meiner Arbeit über Forficula aurieularis beschrieben habe, aus einem aufge- wundenen Faden besteht und daran eine kurze Bemerkung knüpfen (Fig.11). Bereits vor dreissig Jahren (1867) fand ich in ein- zelnen Hodenkugeln „eine sehr auffallende Art von Zellen, welche neben einem blassen Kerne einen eigenthümlichen mehr oder weniger glänzenden Körper enthielten“. Derselbe Körper wurde von Metschnikow 1868 und von Bütschli im Jahre 1871 beschrieben. Obgleich ich sehr versucht war, ihn anfangs für eine selbständige aus der Zellsubstanz hervorgegangene Bildung aufzufassen, sprach ich die Vermuthung aus, dass der Körper ein umgewandelter Kern und Theilproduct des eigent- lichen Zellenkernes sei, eine Auffassung, welche ich jedoch auf Grund weiterer Untersuchungen bald wieder verliess seitdem ich mich überzeugt hatte, dass jener „Nebenkörper“, wie ich ihn nannte, nicht ein Theilproduet des Kernes sei, sondern aus einer eigenthümlichen Umformung des Protoplasma hervor- gehe. Dies nur zur Richtigstellung der Thatsachen in Bezug auf die Zeitfolge. Die Bezeichnung als „Nebenkörper“ war unver- fänglich, weil sie die Frage nach Herkunft dieses Gebildes offen lässt; ich habe jedoch später selbst, um Unklarheit zu vermeiden, mich der Benennung als „Nebenkern‘ angeschloesen. Dass dieselbe seither für Dinge gebraucht wird von ganz verschiedener Bedeutung, ist ja bekannt. Mit der Vermehrung der Spermatocyten geht nun Hand in Hand die Bildung der Spermatocysten, wie ich dieselbe in meinen früheren Arbeiten über die Spermatogenese der Inseceten zur Genüge beschrieben habe. Die Spermatogonie wandelt sich durch fortgesetzte Thei- lung in einen Zellhaufen um, dessen Randzellen als Cystenhaut den übrigen Inhalt umschliessen. Dieser besteht aus den Samen- zellen, den Spermatocyten, welche sich durch weitere Mitose zu einem dicht gedrängten Zellenhaufen vermehren, dann der ee Zur Spermatogenese des Seidenspinners (Bombyx mori). 759 inneren Fläche der Cystenhaut anliegen, und später das ganze Lumen derselben erfüllen. Will man die Structur der Cystenhaut studiren, so muss man sich frischer Objeete bedienen, da die Erhärtung nach dieser Richtung hin ungünstig einwirkt. An frischen Präparaten lässt sich leicht noch die Zusammensetzung dieser Haut aus ein- zelnen Zellen erkennen, jedoch nur bei jungen Cysten, welche auch häufig durch Fäden miteinander verbunden werden. Mit der Ausbildung der Spermatocyten zu Sper- matosomen zieht sich die Cyste in die Länge aus und wird schlauchförmig, wobei jedoch einzelne Kerne ihrer, jetzt viel dünner gewordenen Hülle noch zu erkennen sind. Fig. 13. Ich traf genau dieselben Bilder wieder an, welche ich in meinen früheren Abhandlungen dargestellt habe. Dieselben Verhältnisse wie bei dem Seidenspinner fand ich bei seinem nächsten Verwandten: dem Brombeerspinner, Gastropacha rubi, von welchem ich die Abbildung eines Hodenschnittes in Fig. 1 wiedergebe. Ovarium. Durch Toyama haben wir erfahren, dass auch die Ei- schläuche der Seidenraupe eine Verson’sche Zelle an ihrem blinden Ende erkennen lassen, eine Beobachtung, welche wohl der Nachuntersuchung werth erschien. Es bilden die Eischläuche im Ovarium dieselben vier Abtheilungen wie die Hoden- schläuche, jedoch soll nach dem genannten Autor ihr Ausführungs- sang dem Rückengefässe nicht zu- sondern abgewendet liegen, während die ganze Form der Eierstöcke der der Hoden sehr ähnelt, nur, dass ihr Umfang im Larvenstadium kleiner bleibt. Mir schien auch die Abschnürung der vier Eischläuche etwas weniger ausgeprägt, wie im männlichen Organ, was sich übrigens beim Auswachsen ausgleichen mag, da sich an älteren Raupen die Schläuche leicht von einander trennen lassen. Was nun den Inhalt derselben betrifft, so fand ich ihn aus Zellen bestehend, welche denen des Spermariums durchaus ähn- lich sehen. Ich muss sie jenen Spermatogonien gegenüber als ÖOogonien bezeichnen. Sie massen bei einem Räupchen von 760 v.la Valette St. George: 4mm 0,005 mm, bei einem Exemplare von 35 mm 0,01 mm. Ihr Cytoplasma liess häufig eine gegenseitige Abgrenzung vermissen, „Hodenkörperchen“ fehlten an meinen Präparaten vom Eierstock. Räupchen von 4—5 mm Länge liessen am blinden Ende der vier Schläuche je eine Verson’sche Zelle leicht erkennen, welche auch noch bei herauspräparirten Eischläuchen einer 26 mm langen Raupe im frischen Zustande schön zu beobachten war, bei einer 40mm langen Larve jedoch vermisst wurde. Fig. 14 bis 18. Aus der kleinen Raupe gewonnene Ovarien zeigten in den Blindsäcken der Schläuche feinkörniges mit der Basis der Follikelhaut aufsitzendes, leicht färbbares Cytoplasma, in dessen Mitte, jedoch der Follikelwand genähert, ein 0,008mm grosser, ovaler Kern lag, der mit einem oder zwei Kernkörperchen versehen war, Fig. 14, 16, 17. Die blinden Enden der freigelegten Schläuche einer 26 mm langen Raupe liessen ebenfalls die Verson’sche Zelle, jedoch viel deutlicher gegen die Oogonien abgegrenzt erkennen. Einer der Kerne enthielt einen stäbchenförmigen Kernkern, während die drei anderen deutliche Fadenknäuel aufwiesen, wenn sie auch niemals andere Theilungsfiguren zeigten. Fig. 18a, b,c,d. Bei einer noch älteren, 35mm langen Raupe massen die ovalen Kerne 0,014 mm zu 0,008 mm. Sie zeigten theils feine Fädchen im Innern, waren auch wohl an einzelnen Stellen leicht eingeschnürt. Ihr Cytoplasma liess bei der Isolirung deutliche Fortsätze oder Schlieren er- kennen und wurde stets in Dahliaserum lebhaft blau gefärbt. Fig. 15b, e. Eine Theilung der in Rede stehenden Kerne oder eine Mehrzahl derselben ist mir niemals zu Gesicht gekommen. Ich muss daraus schliessen, dass, wie im Spermarium so auch im Ovarium die Verson’sche Zelle mit der Vermehrung der Spermatogonien wie der Oogonien direct nichts zu thun hat. Ihre wahre Bedeutung haben bereits Ziegler und vom kath (8, 9) erkannt, denen Toyama mit Recht beistimmt. Auch meine Ansicht über die Auffassung der Verson’schen Zelle geht dahin, dass dieselbe als Stütz- und Ernährungs- zelle der Spermato- und Oogonien dient und deshalb nicht Zur Spermatogenese des Seidenspinners (Bombyx mori). 761 als Mutter- sondern als Schwesterzelle der Ursamen- und Ureizellen anzusprechen sei. Das Verdienst Verson’s, des ersten genauen Erforschers dieser Zellform, bleibt übrigens ungeschmälert, wenn dieselbe auch Spichardt bereits vor ihm, allerdings in sehr unbestimmten Umrissen zur Anschauung gelangt ist. Eine weitere Ausdehnung des wichtigen und‘ interessanten Fundes wird gewiss bald nachgewiesen werden. Vollständig gleichwerthig mit der soge- nannten Fusszelle der Spermatogemme ‘der höherenWirbelthiere ist die Verson’sche Zelle übrigens nicht. Während jene dazu bestimmt ist, einen Zellhaufen, welcher aus Spermatocyten besteht, die, sich bis zu einer gewissen Zahl mitotisch vermehrend, schliesslich zu je einem Spermato- som auswachsen, in ihrem Cytoplasma zur Reife zu bringen, tritt die Verson’sche Zelle in Verbindung mit einer Vor- stufe der Spermatocyten: den Spermatogonien. Diese Spermatogonien, welche sich durch Mitose vermehren und von denen bei Bombyx eine als Verson’sche Zelle zurück bleibt und weiter wächst, erzeugen bei (den Insecten zunächst die Spermatocysten, wie ich dies in meinen früheren Ar- beiten mehrfach beschrieben habe. Eine solche Spermatocyste besteht aus Wandzellen, welche einen Kern und feinkörniges Cytoplasma besitzen und aus einem, anfangs wandständigen, später die ganze Cyste aus- füllenden sich lebhaft mitotisch theilenden Zellhaufen: den Sper- matocyten, welche sich endlich zu je einem Samenkörper um- wandeln. Den Zellen, welche die Cystenhaut zusammen- setzen, ist hier ebenfalls die Bedeutung von Stütz- und Er- nährungszellen zuzuscheiben. Es tritt somit bier diese Zellenart nzweifacherForm auf: einmal als Stützzelle der Spermatogonien — Versons Zelle — das andere mal als Stützzellen der Spermatocyten: Zellen der Cystenhaut. Beiderlei Formen halte ich für Abkömmlinge von Sper- matogonien. Schon aus diesem Grunde kann ich der Auffassung Toyama’s nicht beipflichten, nach welcher Verson's Zelle durch Ein- wachsen emer Follikelzelle in das blinde Ende je eines 762 v.la Valette St. Geörge: Hodenschlauches zu Stande kommen soll unter „Auflösung ihrer Membran und Austreiben amoeboider Fortsätze*. Sollte der genannte Autor nicht die scharfe Abgrenzung des Cytoplasma der Verson’schen Zelle gegen die in ihrer nächsten Nähe liegenden Spermatogonien für eine Einstülpung der Follikelhaut gehalten haben? Auf diese Weise wäre wohl Fig. 5 seiner Abbildungen, auf welcher übrigens keiner der so charakteristischen Kerne der vier Verson’schen Zellen zu er- kennen ist, zu deuten. Auch seine Fig. 4 will nicht recht mit meinen Beobach- tungen stimmen, da ich an Eiern, die, nach dem Verhalten der übrigen zu urtheilen, dem Ausschlüpfen nahe sein mussten, die vier Abtheilungen der Hodenfächer bereits angedeutet fand. Diese Zweifel sowie noch manche andere dunkele Punkte in der Samen- und Ei-Entwickelung der Insecten werden gewiss bald Aufklärung finden durch weitere Bearbeitung des höchst interessanten Gegenstandes. Im Uebrigen möchte ich glauben, dass die Beobachtungen über die Verson’scheZelle sehr wohl in Einklang zu bringen seien mit meinen Mittheilungen über die Spermatogenese bei den Säugethieren und dem Menschen (20), sowie mit allen meinen anderen Angaben in Betreff der Entstehung und Be- deutung der Stützzellen des Hodens. Ich darf mir wohl erlauben, die kurze Formulirung meiner vor fast zwanzig Jahren gegebenen Darstellung in die Erinnerung zurück zu rufen: „Die Ursamenzellen oder Spermatogonien pro- dueiren einen Zellenhaufen, der entweder durch Aneinander- lagerung der peripherischen Zellen eine besondere Hülle erhält — Keimkugeln, Samenkugeln, Spermatocysten (In secten, Amphibien) oder bleiben hüllenlos, Samenknospen, Samensprossen, Spermatogemmen bei geringerer oder stärkerer Abgrenzung des zu den Zellen gehörigen Protoplasmas. In manchen Fällen . erhält. sich ein enanszıer Theilung hervorgehendeZelle: oder derenKesn im Fusse der Spermatogemme“. Bei Bombyx finden wir nun wieder sowohl die Keim- kugeln als auch de Samenknospen. Die ersteren oder Spermatocysten werden durch die Theilung je einer Spermatogonie gebildet; als Spermatogemme muss Zur Spermatogenese des Seidenspinners (Bombyx mori). 163 der gesammte Inhalt je eines Hodenfaches gedeutet werden, welcher jedoch aus einem Haufen von Spermatogonien besteht, in dessen Mitte eine Fusszelle in Weiterentwickelung ihres nackten Cytoplasmas ihre Geschwister zusammenhält und wahrscheinlich auch ernährt bis zu deren Ausbildung zuSpermatocysten. Bei den Säugethieren wird die Spermatogemme zusammen- gesetzt aus Zellen, die sich nach wiederholter Theilung zu Sper- matiden und Spermatosomen umbilden: den Sper- matocyten, welche in gleicher Weise in das Cytoplasma ihrer Schwesterzelle: der Fusszelle eingebettet liegen, wenn ich mich eines culinarischen Vergleiches bedienen darf, wie die Rosinen in einem Kuchenteig und zwar vom Beginn ihrer Ent- stehung an und dieser Zelle, die mit ihnen aufwächst, nichterst durch„Copulation“ angefügt werden. Je mehr sich die Spermatogemme ihrer Reife nähert, desto deutlicher tritt die Form der Fusszelle hervor, sie entsteht jedoch gleichzeitig mit ihren Geschwistern, den Spermatocyten, aus je einer Spermatogonie, vermehrt sich niemals und degene- rirt, wie ich jetzt bestimmt annehmen muss, nachdem sie ihren Dienst gethan, d. h. die Spermatocyten bis zu deren Ausbildung zu Spermatosomen zusammengehalten und vielleicht auch zu ihrer Ermährung beigetragen hat. Literatur-Verzeichniss. 1. E. Verson, Director der Seidenbau-Versuchsstation in Padua, Zur Spermatogenesis. Zool. Anzeiger, XII. Jahrg. S. 100. 1889. 2. Derselbe, La spermatogenesis nel Bombyx mori, con tre tavole. Padova 1889. 3. Derselbe, Archives italiennes de Biologie T. XV, p. 177. 1891. 4, Derselbe, Zur Beurtheilung der amitotischen Kerntheilung. Biol. Centralblatt. Bd. XI, S. 556. 1891. 5. Derselbe, Zur Spermatogenesis bei der Seidenraupe. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 58, S. 303. 1894. 6. Derselbe ed E. 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XV. 1878. Erklärung der Abbildungen auf Tafel XNXXVIII—XXXX. Fig. 1. SchnittausdemHodenvonGastropacha rubi, September, Flemming’sche Mischung, Safranin. Grosse Verson’sche Zelle mit ungefärbtem Kern und leicht gefärbtem, in der Nähe des Kernes feinkörnigem, nach der Peripherie hin grobkör- nigem Cytoplasma. Es dringt dieses zwischen die in lebhafter karyokinetischer Theilung begriffenen Spermatogonien ein und umhüllt sie. Weiter nach aussen bilden sich diese in Spermatocysten um, welche mit Spermatocyten erfüllt Zur Spermatogenese des Seidenspinners (Bombyx mori). 765 9) sind. Zwischen den Spermatogonien liegen zerstreut kleine Kerne mit Kernkörperchen. Verson’sche Zelle aus dem Spermarium der Seidenraupe von2lmm Länge mit 0,02mm zu 0,012 nım grossem eingeschnürtem Kern und körnigem leicht färbbarem Cytoplasma sowie glän- zenden zuweilen in einem hellen Ringe liegenden 0,005 m grossen „Hodenkörperchen“. Frisch in Dahliaserum. Verson’sche Zelle aus dem Spermarium einer 15 mm langen Seidenraupe mit 0,01 mm grossem glashellem Kern. Frisch. Dahliaserum. Verson’sche Zelle aus einem anderen Hodenabschnitt der- selben Raupe mit 0,014mm langem und 0,01 mm breiten, völlig durchsichtigem Kern und 0,007 mm dicken Hodenkörperchen. Frisch Dahliasorum. Spermarium einer 7mm langen Seidenraupe. Eine auffallend grössere Zelle liess sich nicht erkennen, wohl aber eine An- häufung von Körnchen zwischen den Spermatogonien. Die Umhüllungshaut des Hodens zeigte kleine Kerne. Zwischen den Spermatogonien lagen glänzende „Hodenkörperchen“. Frisch. Dahliaserum. Peripherischer Theil eines Hodenfaches von einer fast ebenso grossen Raupe mit Verson’scher Zelle, deren Kern 0,01 mm lang und 0,008 mm breit ein Kernkörperchen enthielt. Frisch. Dahliaserum. T au.b. Spermatocysten von 0,04 mm — 0,05 mm Grösse mit sehr E10! il. 12. . 13. 1, 19 deutlicher, aus Zellen bestehender Cystenhaut. Frisch. Dah- liaserum. .8u.9. Spermatocysten mit Spermatocyten und zelliger Cystenhaut, welche sich schwacher färbt als die Sperma- tocyten. Fig. 8 stärker vergrössert. Frisch. Dahliaserum. Gesprengte Spermatocyste. Cystenhaut mit Kernen. Frisch Dahliaserum. Amoeboide Spermatocyte mit geknäueltem, lebhaft ge- färbtem „Nebenkern“. Dahliaserum. Zelleder Cystenhaut. Nach kurzer Behandlung mit Flem- ming’scher Mischung. Spermatocyste mit entwickelten Spermatosomen und zwei glashellen Cystenkernen. Frisch Dahliaserum. Ovarium eines aus dem Ei herausgenommenen Embryo. AnlagederVerson’schenZellen mit stark gefärbtem Cyto- plasma. Kerne dieser Zellen 0,01 mm gross. Frisch. Dahliaserum. Kleine Vergrösserung. a,b, c. Verson’sche Zellen aus dem Ovarium einer 35 mm langen Raupe mit körnigem Cytoplasma und Hyaloplasma, welches sich bei b u. c in Schlieren auszieht. Bei a u. ce je eine ÖOogonie 0,01 mm gross. Der Kern bei ce eingeschnürt. Frisch. Dahliaserum. 766 v. la Valette St. George: Zur Spermatogenese etc. Fig. 16. Ovarium eines 4mm langen Räupchens mit Verson’schen Zellen an den Enden der Blindschläuche deren körniges Cyto- plasma sich lebhaft färbte. Frisch. Dahliaserum. Fig. 17. Ovarium eines Räupchens von 5 mm Länge mit Verson’schen Zellen und Oogonien. Frisch. Dahliaserum. Fig. 18a,b,e,d. Dieblinden Enden des Ovariums einer grösseren Raupe isolirt mit Verson’scher Zelle und Oogonien. Kern der Verson’schen Zelle bei a) stäbchenförmig, bei b) ec) d) einen Knäuel zeigend. Frisch. Dahliaserum. Universitäts-Buchdruckerei von Carl Georgi in Bonn. I Ba.L. Archiv f£ mikroskop. Anatomie HERE ui RN N Art 1% ü Archir f mikroskop. Anatomie BDa.L. | | a a NE 4 Taf I. BERN, N) oo 2% PX) KT} I I nr ee. .o na0an 0 2.6 x y > w . . bi % - v S n u * + r % . ah D 4 \ x ” - - w r An . . i s nn > . pn u _ zu re u) . I 5 ae; * Lo | my ‚ a3: Eu i% = u‘ Anz, | ' \ Taf vw. Archür £mikroskop. Anatomie Bd.L. A Mn u Pr Buena, Pu Be r Ben if I vr’ 3 ER N ‚ „ae = vi Br rw s iz ur ed h i x Fam st; > in . ” u 2 = - ur ! 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Coma, Tat Anst Julius Kinkhardt, Leipzig KIT as in are. ni 2 ee 5 nn Be2..: Ru Z - Lk Anst Julius KiinkbardtBaipeie, Litk Anst Julius Binkbardt,Leipzig Er Pe GHausdörfer gez dr _ Archiv fmikroskop. Anatomie Ba... “ Tith.Anst. Julius Rlinkhard Leipzig - | » _ | ‘ RR It « Archiv f. mikroskop. Anatomie Bd.L. | Taf: NY. Fig.2. Caranus-Gang nach rechts darchschnittener Schlandeommissur. | Nroptinf Cellinflat. —. Ant] Beth Tara er: Deren DEIDE 82 LEN ANST [MS AUNENAT Pas Archiv f mikroskop. Anatomie bBd.L. AXV. Taf N — —— m — m m m m nn gg ne pn m nn Eee nm gern nenn nm me me m U nn nn 2m On — — = rn en - - we 5 u . ur: B u 20 u: Pr gi ER u - in B u Pas - a Ba *- . f f SS Ba 5 > . EEE i rd “ %, ’ } ” > z ar Pr re a 43% u‘, 5 s F er Archiv fmikroskop. Anatomie Ba.L. Misup Mlinf vent u e* : ErrEtıpe ter peauern tKrer Pin, FASH FETTE, AR et Er rn E Bi Eu Archir £ mikroskop. Anatomie Bd.l. H6 05 V6 Dr EZ N V Rz : an ER AN ALDI \ 1 tie, rer CERT S Ne ZZ I; 56 EN NS2O j MSch ZSch a PSch / u Ns2g 19 ee Archiv f; mikrosköp: Anatomie Bä.L. i | p. Taf; XXXVI. = PSch MSch Jun. Anst vWerner&linter, Franklürt®N. rchiv [mikroskop. Anatomie. Ba.L. A FR Ih. AnsbuWerner&lürker unr LE PTANK[UTET. z, ge2. 2 via el SE. Georg ee — au ee Ma me Archiv £ mikroskop. Anatom te Bd. | . vlaValette SE George ge2. Ti Anst.v Werner «Winter. Frankfurt” N, 16. : 157 1 vla Valette SE George gez. DERT